Ein Leben wie dieses von Juju ================================================================================ Kapitel 22: Atemlos durch die Nacht ----------------------------------- Freitag, 2. Juni 2006   Sora quälte sich fast schon in die Schule am nächsten Tag, obwohl sie am liebsten noch länger zu Hause geblieben wäre. Den ganzen gestrigen Tag hatte sie nachgedacht. War nicht in der Schule gewesen, nicht bei der Arbeit, nicht beim Training. Noch so einen Tag voller Nichtstun würde sie nicht aushalten, aber trotzdem wäre sie der Schule lieber ferngeblieben, denn nun war es nicht nur Matt, mit dem sie nicht mehr reden wollte, sondern auch Tai. Das hieß, sie wollte schon mit ihm reden, doch nach seinem Besuch gestern musste er wissen, dass zwischen ihr und Matt etwas vorgefallen war. Und das würde ihm sicher überhaupt nicht passen, was Sora auch sehr gut verstehen konnte. Vor dem Schulgelände fand sie eine hibbelige Mimi, die sie fröhlich begrüßte. „Du bist ja so gut gelaunt“, stellte Sora erstaunt fest. „Und du siehst aus wie der Tod persönlich“, gab Mimi zurück und musterte sie neugierig. „Bist du noch krank?“ „Nein, nein, alles gut“, murmelte Sora und wollte weitergehen, doch Mimi hielt sie fest. „Warte mal. Was ist los?“, fragte sie und durchbohrte sie mit ihrem Blick. „Nichts, alles okay. Ehrlich“, antwortete Sora und wich ihrem Blick gekonnt aus. „Auf wen wartest du hier?“ „Auf Izzy“, antwortete Mimi strahlend. „Ich muss ihn noch überreden, mit mir morgen feiern zu gehen.“ „Oh, wieso das?“, fragte Sora verwirrt. „Wieso nicht?“, entgegnete Mimi schulterzuckend. „Der muss mal herauskommen aus seinem Schneckenhaus, der arme Kerl.“ Sora konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Izzy war wohl eher ein armer Kerl, weil Mimi versuchte, ihn zu ändern. Sora hatte den Eindruck, dass er eigentlich ganz glücklich war, so wie er war. „Na, dann warte mal weiter. Er kommt ja bestimmt gleich“, sagte sie und ging. „Wenn irgendwas ist, du kannst jederzeit mit mir reden“, hörte sie Mimi noch rufen, bevor sie im Schulgebäude verschwand. Tai kam mit dem Klingeln zur ersten Stunde in den Klassenraum gehetzt. Er begrüßte Sora flüchtig und ließ sich auf seinen Platz neben ihr fallen. „Guten Morgen“, flüsterte sie und lächelte ihn an. Er lächelte zurück, doch es wirkte traurig. _ T.K. saß mit Shiori unter jenem Baum, unter welchem sie jede Pause verbrachten, seit sie miteinander in Kontakt standen. Sie erzählte ihm von ihrem bisherigen Tag und er hörte halbwegs aufmerksam zu. Gleichzeitig dachte er jedoch an Karis enttäuschten Blick, als er ihr gesagt hatte, dass er die Pause mit Shiori verbringen würde. Er fragte sich, was nur mit ihr los war in letzter Zeit. „Sag mal, hörst du mir eigentlich zu?“, fragte Shiori nach einer Weile und musterte ihn. „Ja“, antwortete er. „Du hast dich gestern mit deinem Bruder gestritten und Herr Kuugo hat heute in der ersten Stunde genervt.“ Shiori grinste. „Okay, entschuldige. Du sahst irgendwie ein bisschen geistesabwesend aus.“ T.K. schloss die Augen und genoss die warmen Sonnenstrahlen auf seiner Haut und das Gras unter seinen Fingern. Am liebsten würde er sich jetzt hinlegen und für den Rest des Tages hier liegen bleiben. Nur schlafen und an nichts denken. Weder an Kari noch an sein gestörtes Verhältnis zu Matt, mit dem er seit Tagen nicht mehr geredet hatte. „Sag mal“, riss Shiori ihn aus seinem Tagtraum, „was machst du eigentlich am Wochenende?“ „Nichts weiter. Wieso?“, erwiderte er, ohne die Augen zu öffnen. „Naja, ich... ich wollte dich fragen, ob wir etwas unternehmen wollen“, murmelte sie. Nun sah T.K. sie an. Ihre Finger spielten mit ein paar Grashalmen, ihr Blick war auf den Boden gerichtet. „Klar, warum nicht. An was hast du denn gedacht?“, fragte er. „Wir könnten ins Kino gehen“, schlug sie vor. „Und danach noch irgendwo etwas essen gehen.“ „Okay“, sagte T.K. gelassen, doch dann stutzte er. „Meinst du wie ein Date?“ Ihre Wangen färbten sich rosa. „Nun... ja.“ Er sah sie verwirrt an, doch sie wich seinem Blick aus. War er denn der Einzige, der in dieser Beziehung eine ganz normale Freundschaft sah zwischen zwei Menschen, die sich einfach nur gut verstanden? Offenbar hatte nicht nur Kari gedacht, sie wären ein Paar, sondern auch Shiori. „Ich glaube, das wird nichts“, meinte T.K. langsam. „Also... Date und so.“ Erschrocken sah sie ihn an. „Okay, ich... ich dachte, du und ich wären irgendwie...“ Sie beendete den Satz nicht, sondern wandte sich ab. „Tut mir Leid“, murmelte T.K. Und es tat ihm wirklich Leid, doch ändern konnte er seine Gefühle schließlich nicht. „Ich mag dich echt, aber... mehr nicht.“ Sie nickte betrübt und T.K. war froh, dass die Schulglocke in diesem Moment das Ende der Pause verkündete. _ „Also, wann und wo treffen wir uns morgen?“ „Mimi, ich weiß nicht...“ „Ach, komm schon, du hast doch schon 'ja' gesagt“, bettelte Mimi und sah Izzy mit großen Hundeaugen an. „Das hast du gesagt“, erinnerte Izzy sie, als sie bei Tai und Matt ankamen. „Aber du hast aufgehört zu widersprechen“, erwiderte Mimi bestimmt. Izzy lachte. „Und nicht widersprechen ist bei dir das Gleiche wie Zustimmung?“ „Irgendwie schon, ja. Wo ist denn Sora?“ Mimi sah Tai und Matt fragend an, die beide irgendwie finstere Gesichter machten. „Da drüben bei ein paar Mädels“, antwortete Tai und nickte mit dem Kopf in die Richtung, die er meinte. Mimi drehte sich um und entdeckte Sora tatsächlich in einer Gruppe von fünf Mädchen. Sie wandte sich wieder an Tai und Matt und runzelte die Stirn. „Warum ist sie nicht bei euch?“ Tai verzog das Gesicht und zuckte mit den Schultern. „Was weiß ich. Frag' sie doch.“ Mimi wandte sich an Izzy, doch der wirkte unbekümmert und sah nicht so aus, als würde er sich irgendwelche Gedanken darüber machen, warum Tai, Matt und Sora, das unzertrennliche Trio, die Pause auf einmal getrennt verbrachte. Mimi beschloss, das Thema zu wechseln und der Sache später allein auf den Grund zu gehen. „Was macht ihr am Wochenende?“ „Konzert“, antwortete Matt einsilbig. „Fußball“, antwortete Tai nicht weniger einsilbig. „Redet bloß nicht zu viel“, sagte Mimi spöttisch und schüttelte den Kopf. „Wenn ihr nachts noch nichts vorhabt, könnt ihr euch ja Izzy und mir anschließen.“ Nun starrten Tai und Matt Mimi und Izzy mit einer Mischung aus Verwirrung, Ungläubigkeit und Belustigung an. Mimi hätte ihre Gesichter gern fotografiert, während Izzy neben ihr anscheinend verlegen wurde. Unruhig trat er von einem Fuß auf den anderen. „Wir wollen irgendwo was trinken gehen und dann in einen Club. Ihr könnt ja mitkommen“, verkündete Mimi und erwiderte die Blicke der beiden Jungs abwartend. „Izzy geht in einen Club?“ Skeptisch hob Tai eine Augenbraue. „Jap“, sagte Mimi bestimmt, bevor Izzy etwas erwidern konnte, und hakte sich bei ihm unter. „Du solltest ihn nicht zwingen, wenn er nicht will“, meinte Matt mit verschränkten Armen, der Izzy kritisch beobachtete. „Ich zwinge ihn doch gar nicht, ich verhelfe ihm nur zu seinem Glück. Ich werde nämlich sein Wingman sein“, erklärte Mimi gewichtig. Dieser Einfall war ihr vor einer Sekunde gekommen und sie fand ihn super. Matt runzelte die Stirn, Tai prustete los und Izzy drehte sich entsetzt zu ihr um. „Dir ist schon klar, dass du die Mädels abschrecken wirst, die sich für den armen Izzy interessieren?“, sagte Tai lachend. Mimi stemmte entschlossen die Hände in die Hüften. „Von wegen. Ich werde ihnen erzählen, dass ich seit Ewigkeiten mit ihm befreundet bin und werde betonen, was für ein toller Kerl er ist. Dann werden sie ihm alle zu Füßen liegen.“ „Hörst du dir eigentlich zu?“, fragte Tai grinsend und musterte Mimi etwas abschätzig. „Wenn du an seiner Seite klebst, wird ihn doch gar kein Mädchen ansprechen.“ Mimi verengte die Augen zu Schlitzen. „Weißt du, Tai, nur weil dich kein Mädchen auch nur mit der Kneifzange anfassen würde, muss das Gleiche nicht für Izzy gelten. Im Gegensatz zu dir ist Izzy lieb und gutherzig und hilfsbereit.“ Tai klappte der Mund auf. „Und ich bin nicht hilfsbereit?! Wenn ich das richtig verstanden habe, bin ich der Einzige, der seine Zeit opfert, einem hoffnungslosen Fall wie dir Mathe beizubringen. Nichts für ungut, Kumpel“, fügte er an Izzy gewandt hinzu. „Oh, herzlichen Glückwunsch, du großer Retter der Menschheit, willst du einen Blumenstrauß?“, spottete Mimi. „Wie kann man nur so undankbar sein?“, rief Tai empört. _ Während Tai und Mimi höflich miteinander diskutierten, hatte Izzy sich zu Matt gesellt. Langsam konnte er diese Streitereien nicht mehr hören. „Du brauchst dich von ihr nicht zu irgendetwas drängen lassen“, sagte Matt gelassen und musterte Izzy von der Seite. „Wenn du nicht feiern gehen willst, gehst du nicht feiern und lässt sie halt schmollen.“ Izzy seufzte verlegen. „Ich denke, ich werde mitgehen. Sie freut sich doch schon so darauf.“ „Wenn du meinst“, erwiderte Matt schulterzuckend. „Dann werde ich nach meinem Konzert zu euch kommen und dir helfen.“ „Bei was denn helfen?“, fragte Izzy verwundert. „Na dir ein Mädchen zu besorgen“, antwortete Matt grinsend und Izzy runzelte die Stirn. Wenn irgendjemand auf dieser Welt ein noch ungeeigneterer Wingman war als Mimi, dann war das wohl Matt. Wenn Izzy dort zusammen mit ihm auftauchte, bemerkte ihn doch erst recht kein Mädchen mehr. „Wir kriegen das schon hin“, meinte Matt zuversichtlich und klopfte Izzy auf die Schulter. „Verlass dich drauf.“ Izzy war sich da nicht so sicher. _ Am frühen Abend machte sich T.K. auf den Weg zum Proberaum der Tokyo Rebels. Er musste diese Sache mit ihm jetzt einfach klären. Gestern hatte er sich mit Kari versöhnt, heute die Sache mit Shiori geklärt und nun fehlte nur noch Matt. Doch sein Bruder war sicher die größte Herausforderung. Er wusste nicht, dass T.K. auf dem Weg zu ihm war und das war auch gut so. Ungeduldig wartete er vor dem heruntergekommenen Gebäude, dass die Proben endlich vorbei waren und Matt herauskam. Er hatte nur Kari erzählt, dass er jetzt hier war. Nicht einmal seine Mutter wusste davon. Schließlich hörte er Stimmen und wenig später trat die Band aus dem Gebäude und ging auf die Busstation zu. „Matt“, rief T.K. Alle vier drehten sich um und sahen T.K. an. „Geht schon mal vor“, sagte Matt zu den anderen dreien. „Wir sehen uns dann morgen.“ Sie verabschiedeten sich voneinander und Matt wandte sich an T.K. Es war das erste Mal seit einer gefühlten Ewigkeit, dass sie wieder miteinander sprachen. In der Schule hatten sie sich weitestgehend ignoriert. „Hey Kleiner“, begrüßte Matt ihn mit einem leichten Lächeln auf den Lippen und zündete sich eine Zigarette an. „Nenn' mich nicht so“, erwiderte T.K. kühl. Gemeinsam machten sie sich zu Fuß auf den Weg nach Hause. Für eine Weile sagte keiner von ihnen etwas, doch schließlich ergriff Matt das Wort. „Es geht um morgen, nicht wahr?“ „Ja.“ „Ich werde nicht mitkommen“, sagte Matt leise aber entschieden. „Wieso denn nicht?“, fragte T.K. und konnte den Ärger in seiner Stimme nicht verbergen. „Es ist nur ein Mittagessen.“ „Ich will mich nicht mit euch an einen Tisch setzen und einen auf heile Familie machen, verstehst du?“, antwortete er. „Aber genau das könnten wir wieder sein, wenn du dich nicht so sträuben würdest“, fuhr T.K. ihn an. „Und wie lang? Ein Jahr? Zwei Jahre? Ein paar Monate?“, entgegnete Matt ruhig. „Erinnerst du dich nicht mehr an den Grund, weshalb sie sich getrennt haben? Papa hat zu viel gearbeitet. Er arbeitet heute nicht weniger, also wieso sollte es funktionieren?“ „Weil sie glauben, es könnte funktionieren!“, rief T.K. ungeduldig. „Warum vertraust du ihnen nicht?“ Matt blies blauen Rauch aus und ließ sich Zeit mit seiner Antwort. „Weil ich nicht so naiv bin wie du.“ T.K. stöhnte genervt. Am liebsten würde er Matt eine reinhauen. „Meinst du nicht, sie haben selbst schon viel darüber geredet und sind sich jetzt sicher, dass es klappen könnte? Warum stehst du dann also im Weg, anstatt ihnen wenigstens eine Chance zu geben?“ „Sie hatten doch eine Chance“, erwiderte Matt. „Vor zehn Jahren. Dann haben sie beschlossen, dass es nicht geht und fertig.“ „Jeder hat eine zweite Chance verdient“, knirschte T.K. wütend. „Du baust so viel Mist. Du rauchst, trinkst, vögelst dich durch die Weltgeschichte und willst ernsthaft Rockstar werden. Mich würde es nicht wundern, wenn du auch noch Drogen nimmst. Und trotzdem lassen Mama und Papa dich nicht fallen. Warum kannst du ihnen also nicht einfach noch eine Chance geben?“ Matt blieb stehen und schnippte seinen Zigarettenstummel weg. T.K. erschrak über sich selbst. Eigentlich hatte er das alles nicht so sagen wollen, doch es war ihm einfach herausgerutscht. Nun tat es ihm jedoch Leid. „Ich...“ „Schön zu wissen, wie du über mich denkst“, sagte Matt kühl und sah ihn mit ausdruckslosen Augen an. „Es ging mir die ganze Zeit nur um dich. Du wünschst dir seit zehn Jahren nichts anderes sehnlicher, als dass unsere Eltern wieder zusammenkommen. Das kann ich verstehen, ich wäre auch lieber in einer intakten Familie. Aber ich will einfach nicht noch mal mitansehen, wie sie dich enttäuschen, wenn ihnen in einem Jahr doch auffällt, dass es nichts wird. Ich will nicht sehen, wie mein eigener Bruder an so etwas zerbricht, kapiert?“ Für einige Sekunden standen sie nur dort in der Dunkelheit und sahen sich in die Augen. T.K. tat von Herzen Leid, was er vor einigen Minuten zu Matt gesagt hatte. Er hatte geglaubt, Matt handelte nur aus Egoismus und versuchte, das Glück seiner Eltern für sein eigenes Wohl zu sabotieren. Dabei hatte er dabei an ihn gedacht und T.K. hatte im Gegenzug nicht eine Sekunde an Matts Gefühle gedacht, sondern nur an sich. „Matt, es tut mir Leid“, murmelte er. „Das war nicht so gemeint.“ „Nein, wieso? Du hast doch Recht. Naja, ich nehme keine Drogen, aber der Rest stimmt“, antwortete Matt in seinem typisch gelassenen Tonfall. Langsam gingen sie weiter. „Trotzdem“, sagte T.K. schuldbewusst. „So viel Mist baust du ja eigentlich gar nicht.“ „Zur Zeit schon“, meinte Matt tonlos. _ Sora rannte in Nami's Café auf und ab, um keinen Gast zu lang warten zu lassen. Es war früher Abend an einem Freitag und somit war das Café sehr gut besucht. Sobald sich ein paar Leute von einem Tisch erhoben, wurde dieser sofort von den nächsten Gästen besetzt. Erst vor wenigen Minuten war Mimi gekommen und hatte sich auf einen der noch freien Stühle an der Bar gesetzt. Sora brachte eine Bestellung weg und gesellte sich dann endlich zu ihr. „Hier ist aber viel los. Wie lang musst du denn heute arbeiten?“, fragte Mimi und sah sich um. „Noch knapp vier Stunden“, antwortete Sora mit einem Blick auf die Uhr. „Ich habe ja erst vor einer Stunde angefangen.“ Mimi erwiderte nichts, sondern hob nur die Augenbrauen und nippte an ihrer Cola, die Sora gerade vor ihr abgestellt hatte. „Ich bin hier, weil ich dich fragen wollte, ob irgendwas nicht in Ordnung ist.“ „Hm?“ Sora sah sie an und begegnete ihrem durchdringenden Blick. „Nein, was soll denn nicht in Ordnung sein?“ „Ich bin nicht blind. Die letzten Tage warst du so gut drauf und gestern warst du krank und heute bist du total neben der Spur. Und du hast die Pausen woanders verbracht. Was ist denn los? Hast du dich mit Tai gestritten?“ Mimi verengte die Augen zu Schlitzen und sah aus, als versuchte sie, bis in Soras Gehirn hineinzublicken. Sora dachte kurz nach und entschied sich dann dazu, Mimi die Wahrheit zu sagen. Vielleicht war es an der Zeit, diese Dreiecksgeschichte nicht mehr allein mit sich herumzutragen, sondern jemanden einzuweihen, der nicht direkt involviert war. Sie fasste sich so kurz, wie es ging, und Mimis Augen wurden immer größer, je mehr sie erzählte. Am Ende der Geschichte schlug sie schließlich die Hand vor den Mund. „Nein, das hat er nicht!“, rief sie empört und sah aus, als wollte sie auf der Stelle loslaufen und Matt verprügeln. „Dieser schwanzgesteuerte Penner!“ „Nicht so laut“, zischte Sora, als sich schon ein paar Leute zu ihnen umdrehten. „Wenn es nun mal die Wahrheit ist. Um Himmelswillen!“ Mimi raufte sich die Haare und schüttelte den Kopf. „Der Typ hat aber auch gar keinen Anstand. Der weiß einfach nicht, wann es genug ist. Wann ist der überhaupt so geworden?“ „Keine Ahnung“, murmelte Sora. „Soralein, ich bezahle dich nicht fürs Quatschen“, unterbrach Nami sie, grinste aber fröhlich. Sora ging durch den Gastraum und ließ ein paar Gäste bezahlen, bevor sie zu Mimi zurückkehrte, die immer noch ein wütendes Gesicht machte. „Der hätte mal eine ordentliche Abreibung verdient!“ Anscheinend war sie mit ihrer Schimpftirade über Matt noch nicht am Ende angelangt. „Was glaubt er eigentlich, wer er ist?“ „Nun hör aber auf“, sagte Sora. Mimi starrte sie ungläubig an. „Bitte was? Warum nimmst du ihn in Schutz? Wieso hast du dich überhaupt auf ihn eingelassen?“ Sora machte sich daran, geistesabwesend ein paar Bestellungen fertigzumachen. „Ich weiß nicht. Ich hatte geglaubt, bei mir wäre es anders.“ „Bei dir wäre es anders? Sag mal, bist du ernsthaft in ihn verknallt?“, fragte Mimi in einem Tonfall, der vermuten ließ, dies wäre eine schlimme Sünde. „Keine Ahnung“, nuschelte Sora, ohne sie anzusehen. Mimi schlug die Hände über dem Kopf zusammen und fiel fast vom Stuhl. „Sora!“ „Was denn?“ Mit der flachen Hand schlug sie auf die Tischplatte der Theke. „Weißt du, Tai und ich sind nicht gerade beste Freunde, aber er ist in dich verliebt.“ Sie machte eine Pause. „Und du verliebst dich in Matt? Was läuft falsch bei dir?“ „Mimi...“ „Ich halte nicht viel von Tai, aber sowas würde er nie mit dir abziehen! Und ich glaube, wenn er wüsste, was Matt da macht, würde er ihn umbringen. Und ich könnte es ihm nicht verübeln.“ „Er wird es nie erfahren.“ „Da wäre ich mir nicht so sicher.“ „Mimi! Du erzählst ihm das auf keinen Fall!“, rief Sora alarmiert. „Nein, nein, keine Angst“, meinte Mimi abwinkend. „Aber was ist Matt bitte für ein Kumpel? Macht sich zum Spaß an die Flamme seines besten Freundes ran.“ „Ich weiß gar nicht, ob er überhaupt weiß, was Tai für mich empfindet“, gab Sora zu bedenken. „Bestimmt weiß er das“, sagte Mimi, wirkte aber nicht sonderlich sicher. „Oh, Joe!“ _ Anscheinend hatte er Mimi und Sora in einer hitzigen Diskussion gestört, als er bei ihnen am Tresen erschienen war. Sie unterbrachen ihr Gespräch und sahen ihn überrascht an. „Hi“, sagte er und lächelte. „Hallo“, murmelte Sora und verschwand in den Gastraum, um eine Bestellung zu überbringen. Nami kam gerade zurück, erblickte ihn und lächelte fröhlich. „Joe. Du hast es doch noch geschafft. Wie schön“, sagte sie und drückte verstohlen seine Hand. „Klar. Ich hab' doch gesagt, dass ich herkomme und warte, bis du fertig bist“, antwortete er schulterzuckend. „Das ist sehr süß von dir. Ich bin gleich wieder da.“ Und auch sie lief eilig in den Gastraum zurück. Joe begegnete Mimis überraschtem Blick. „Du und Nami also.“ Er lächelte verhalten und setzte sich auf den freien Stuhl neben ihr. „Ja.“ Mimi grinste von einem Ohr zum anderen. „Das ist ja schön. Freut mich für dich, hätte ich gar nicht von dir gedacht. Wie lang seid ihr schon zusammen?“ „Ähm... seit einer Woche“, antwortete er verlegen und schob seine Brille zurecht. Eine Geste, die er sich einfach nicht abgewöhnen konnte. „Oh!“, rief Mimi und machte ein verträumtes Gesicht. „Das ist die schönste Zeit. Genieß' es.“ „Mache ich“, antwortete er wahrheitsgemäß. „Und was treibt dich her?“ „Mädchenkram“, antwortete Mimi schulterzuckend. „Es ist schön, dich zu sehen. Ich glaube, das letzte Mal, dass ich dich gesehen habe, war der Tag nach der Party.“ „Ja, das kann sein“, erwiderte Joe, erstaunt, dass schon wieder über zwei Monate vergangen waren. „Hast du dich denn gut neu eingelebt?“ Mimi schnaubte und fing an zu erzählen, was ihr in den letzten Wochen widerfahren war. _ Nach dem zehnten Tuten legte er frustriert das Handy weg und zündete sich eine weitere Zigarette an. Der Balkon hatte sich zu seinem Lieblingsort entwickelt. Hier konnte er meist ungestört stehen, rauchen und auf die Welt hinabblicken. Es war ein geeigneter Platz zum Nachdenken, obwohl er jetzt in diesem Moment lieber nicht nachdenken würde. Viel lieber wollte er mit Sora reden und dieses Problem aus der Welt schaffen, anstatt nur darüber nachzudenken, wie es jetzt mit ihnen weitergehen sollte. Sie ging einfach nicht an ihr Handy, wenn er anrief. In der Schule hielt sie sich von ihm fern und gab ihm somit dort erst recht keine Gelegenheit, diese Sache zu klären. Und unangemeldet bei ihr aufzutauchen hatte sie auch nicht gerade dazu veranlasst, vor Freude in die Luft zu springen. Wie sollte er das nur jemals wieder geradebiegen? Und dann war da noch die Sache mit seiner sogenannten Familie. Er musste zugeben, dass es ihn verletzt hatte, wie T.K. ihn sah. Das war ihm nicht bewusst gewesen. Er hatte immer versucht, T.K. aus seinen Eskapaden herauszuhalten, doch anscheinend bekam er viel mehr mit, als Matt gedacht hatte. Er wusste selbst, dass er sich nicht gerade wie das typische Großer-Bruder-Vorbild benahm, doch dass T.K. das so bewusst war, war ihm nicht ganz klar gewesen. Auch dieses Problem musste er irgendwie klären. „Du sollst nicht so viel rauchen“, erklang die Stimme seines Vaters neben ihm. Matt hatte ihn gar nicht kommen hören. „Wie oft willst du mir das noch sagen?“, fragte Matt gelangweilt. „Bis du auf mich hörst“, antwortete Hiroaki bestimmt. Er stützte die Arme auf dem Geländer des Balkons ab und blickte ebenfalls in die Ferne. „Das ist krebserregend. Weißt du, wie deine Lunge aussieht? Und das in deinem Alter?“ „Ich wusste nicht, dass du neuerdings den Röntgenblick beherrschst“, erwiderte Matt sarkastisch. Auf Gesundheitsvorträge hatte er jetzt wirklich keine Lust. „Man lernt nie aus“, meinte Hiroaki schulterzuckend. „Ich wollte dir eigentlich nur sagen, dass wir morgen zu um eins bei Natsuko eingeladen sind. Nur für den Fall, dass du es dir noch einmal überlegst.“ „Ich werde mitkommen“, sagte Matt und überraschte sich selbst damit. Er hatte es in dem Moment beschlossen, in dem er es gesagt hatte. „Für T.K.“ Sein Vater musterte ihn einige Augenblicke von der Seite. „Das... freut mich. Schön. Damit habe ich nicht mehr gerechnet.“ „Ich auch nicht“, gestand Matt. _ Joe und Nami waren vor einer halben Stunde gegangen und Sora war gerade dabei, Geschirr in die Spülmaschine einzuräumen und Rechnungen für die letzten Gäste fertigzumachen. Mimi saß noch immer am Tresen und gähnte mittlerweile nahezu ununterbrochen, während sie Sora beobachtete. „Sag mal, bist du nicht auch ganz schön müde? Immerhin bist du direkt nach der Schule hergekommen“, fragte Mimi ihre Freundin, die den ganzen Abend nicht einmal das Gesicht verzogen hatte. „Doch, ein bisschen“, antwortete Sora. „Vielleicht solltest du weniger arbeiten“, schlug Mimi vor. „Das muss dich doch ganz schön fertig machen, keine Freizeit zu haben. Ich würde durchdrehen.“ „Jetzt fang' nicht an wie Matt. Ich brauche das Geld eben“, erwiderte Sora schulterzuckend. „Aber Erholung brauchst du auch“, wandte Mimi ein. „Wenn man so dauerhaft unter Strom steht wie du wird man schneller krank.“ „Das geht schon“, meinte Sora abwinkend. „Ich komme klar, wirklich.“ Sie ging zu dem letzten Tisch, an dem noch Gäste saßen, und ließ diese zahlen. Dann kam sie zurück und räumte das letzte Geschirr in die Spülmaschine. „Außerdem siehst du auch ziemlich gestresst aus.“ „Ach, ich habe nur ein paar Probleme in der Schule und dann noch mit dem Tanzen. Iku ist so streng. Kari sagt immer, in mir steckt eben die Cheerleaderin“, erklärte Mimi. Sora kicherte. „Du warst bestimmt der Kapitän der Cheerleader.“ Mimi musste lachen. „Wie kommst du darauf? Aber nein, ich war zu jung. Man muss mindestens in der elften Klasse sein, um Cheerleaderkapitän zu werden.“ „Oh, wie schade. Aber dann schaffst du das bestimmt nächstes Jahr“, meinte Sora zuversichtlich. Nächstes Jahr. Mimi seufzte. Sie wusste nicht, ob sie sich darüber freuen sollte, im nächsten Schuljahr wieder in New York zu sein oder nicht. Die High School in den USA war einfacher als die Schule hier in Japan. Man bekam leichter gute Noten und hatte mehr Freizeit. Außerdem liebte sie New York. Doch andererseits liebte sie auch Tokio und ihre alten Freunde hier. Vor allem Izzy und Sora hatte sie vermisst und sie würden ihr schrecklich fehlen, wenn sie nächstes Jahr im März wieder zurück musste. Samstag, 3. Juni 2006 Schon den ganzen Morgen rannte Natsuko kreuz und quer durch die Wohnung und entfernte Flecken, die anscheinend nur sie sehen konnte. Der Fußboden blitzte, auf den Schränken war nicht ein Staubkörnchen zu finden und kleine Vasen mit frischen Blumen schmückten sämtliche Tische der Wohnung. Man hätte meinen können, sie wäre ein Ausstellungsstück für Menschen, die auf der Suche nach einer passenden Inneneinrichtung für ihre eigene Wohnung waren. Doch das reichte Natsuko nicht. „Mama, du übertreibst“, sagte T.K., der mit einem Glas Wasser in der Küche stand und sie dabei beobachtete, wie sie mit einer peinlichen Genauigkeit das Geschirr auf dem Esstisch ausrichtete. Für vier Leute. „Es kommt doch nur Papa und nicht der Kaiser.“ „Und Matt“, fügte seine Mutter hinzu. „Kann ich mir nicht vorstellen“, murmelte T.K. Nach dem, was er gestern zu seinem Bruder gesagt hatte, glaubte er erst recht nicht, dass er hier auftauchen würde. Natsuko erwiderte nichts, sondern fuhr unbeirrt fort, das Besteck geradezurücken. Die drei Töpfe auf dem Herd verströmten einen köstlichen Geruch und ließen T.K. das Wasser im Mund zusammenlaufen. Seine Mutter hatte ein ganzes Menü vorbereitet für heute. Vorspeise, Hauptgang, Dessert. Und sich selbst hatte sie auch herausgeputzt. Sie trug ein kurzes schwarzes Kleid mit langen Ärmeln und hatte ein paar Locken in die schulterlangen blonden Haare gedreht. Als es klingelte, ließ sie fast das Glas fallen, von welchem sie gerade unsichtbare Staubkörner wischte. „Herrje. Oh Gott. Um Himmelswillen“, murmelte sie, strich sich das Kleid glatt und zupfte an ihren Haaren herum. „Ich gehe schon aufmachen“, meinte T.K. und verdrehte die Augen. Sie tat wirklich so, als würde sie Besuch vom Kaiser erwarten. Er öffnete die Tür und machte große Augen. Dort standen tatsächlich sein Vater und Matt. „Hallo.“ „Na, T.K.?“, begrüßte sein Vater ihn und zerzauste ihm das Haar. „Ich habe das Gefühl, du bist jedes Mal, wenn ich dich sehe, wieder ein Stück größer.“ „Ich muss mich ja auch ranhalten“, erwiderte T.K. grinsend. Sein Vater ging an ihm vorbei, um seine Mutter zu begrüßen und nun wandte T.K. sich an Matt. „Hey.“ „Hi“, erwiderte dieser seine Begrüßung und rang sich ein Lächeln ab. „Schön, dass du da bist“, sagte T.K. ernst. „Mama freut sich bestimmt sehr.“ Seine Vermutung bestätigte sich prompt. „Matt!“, rief Natsuko und fiel ihm um den Hals. Er tätschelte etwas unbeholfen ihren Rücken und schien erleichtert, als sie ihn wieder losließ. Sie strahlte in die Runde. Anscheinend war sie sich doch nicht ganz so sicher gewesen, dass Matt tatsächlich kommen würde. „Lasst uns essen, sonst wird das Fleisch noch zäh.“ _ Joe konnte einfach nicht glauben, was mit ihm los war. Nami stellte etwas mit ihm an, das ihn völlig verrückt machte. In ihrer Nähe war ihm heiß und kalt auf einmal. In seinem Bauch kribbelte es wild und er bekam das Grinsen einfach nicht aus seinem Gesicht. Selbst sein Studium erschien ihm auf einmal nebensächlich. Alles war nebensächlich und sie war der Mittelpunkt. Er wurde ganz deprimiert bei dem Gedanken, dass er sich gleich auf den Weg nach Hause machen und das Wochenende von ihr getrennt verbringen musste. Doch er musste. Eigentlich hatte er ja schon gestern nach Hause fahren wollen, doch er hatte seiner Familie einfach am Telefon gesagt, er hätte noch eine Hausarbeit fertig zu schreiben. „Am liebsten würde ich den ganzen Tag hier mit dir im Bett verbringen“, murmelte Nami, die in seinem Arm lag, den Kopf auf seiner Brust gebettet. „Ich auch“, seufzte Joe. „Wie alt ist dein Bruder noch mal?“, fragte sie interessiert. „Shuu ist vierundzwanzig und Shin ist siebenundzwanzig“, antwortete Joe. „Oh, gleich zwei Brüder?“, fragte Nami überrascht. „Ja.“ „Das kann bestimmt anstrengend sein“, meinte Nami. „War es auch manchmal. Als Jüngster steht man immer im Schatten der Älteren“ sagte Joe und schwelgte in Erinnerungen. „Ich wollte eigentlich kein Arzt werden, aber mein Vater ist einer und meine Brüder wollten auch welche werden. Da wurde von mir das Gleiche erwartet.“ Nami hob den Kopf und sah ihn stirnrunzelnd an. „Und jetzt studierst du Medizin, obwohl du das eigentlich gar nicht willst?“ „Irgendwie will ich es schon. Ich finde es toll, Menschenleben zu retten oder vielleicht ein Heilmittel für Krebs zu entdecken. Aber wenn ich nicht so viele Ärzte in der Familie hätte, würde ich bestimmt was anderes studieren“, antwortete er. „Und was?“, fragte Nami neugierig. „Hm“, Joe dachte nach, „vielleicht Geschichte. Oder Physik.“ „Bäh. Physik habe ich immer gehasst“, sagte Nami und verzog das Gesicht. „Aber die Physik ist doch so spannend“, sagte Joe erstaunt über ihre Meinung. „Sie erklärt so viel in unserem täglichen Leben und ist so faszinierend.“ Nami schüttelte nur verständnislos den Kopf. „Du bist echt ein Phänomen, Joe Kido.“ _ Das Essen verlief zu Matts Überraschung recht entspannt, obwohl Natsuko fast nichts aß. Ihr Blick flackerte ständig zu ihm herüber und ihre Hände zitterten ein wenig. Sie und Hiroaki unterhielten sich während des Essens locker über die Arbeit, versuchten auch Matt und T.K. miteinzubeziehen, doch Matt hielt sich weitestgehend heraus. Er war ohnehin nur wegen T.K. hier und es kam ihm mehr als falsch vor, hier mit der ganzen „Familie“ an einem Tisch zu sitzen. Doch er hielt den Mund. Nach dem Essen machten sie einen Spaziergang durch den Park und das kam Matt noch falscher vor. Fehlte nur noch, dass sie sich alle an den Händen nahmen und ein Lied trällerten. Matt schob die Hände in die Hosentaschen und schwieg. Zwei Mädchen kamen auf ihn zu und hielten ihn auf. Seine Eltern und T.K. drehten sich fragend zu ihm um. „Hey, du bist doch Matt, oder? Von den Tokyo Rebels?“, fragte die eine. „Mhm“, machte Matt gelangweilt. „Würdest du vielleicht ein Foto mit uns machen?“, fragte die andere mit leuchtenden Augen. „Ja, klar“, murmelte Matt schulterzuckend. „Super. Hier, kannst du das Foto vielleicht machen?“ Sie drückte T.K. eine Digitalkamera in die Hand, der diese ein wenig überrascht annahm. Die beiden Mädchen stellten sich links und rechts neben ihm auf und strahlten in die Kamera, während Matt sich zu einem müden Lächeln herabließ. Seine Band wäre stolz auf ihn, wo sie ihm doch immer sagten, er sollte netter zu den Fans sein, die ihn auf der Straße ansprachen. T.K. machte zwei Fotos und die Mädchen nahmen ihre Kamera zurück. „Bist du sein Bruder?“, fragten sie ihn. „Du siehst ihm echt ähnlich.“ „Ja“, antwortete T.K. lächelnd. „Oh, wie schön. Über Matts Familie erfährt man im Internet natürlich nichts. Es ist wirklich toll, euch zu sehen.“ „Danke. Es ist auch schön, mal ein paar seiner Fans kennenzulernen“, erwiderte T.K. freundlich. Matt beobachtete ihn. Sein kleiner Bruder hatte die freundliche, liebenswürdige Art so viel besser drauf als er selbst. „Na dann noch ein schönes Wochenende“, verabschiedeten die Mädchen sich und zogen von dannen. „Herrje. Nur Flausen im Kopf haben, aber Mädchen magnetisch anziehen, das kann er“, murmelte Hiroaki und bedachte Matt mit einem finsteren Blick. „Hiroaki“, zischte Natsuko und sah ihn streng an. Matt verdrehte nur die Augen und erwiderte nichts. Er wollte die bisher ganz friedliche Atmosphäre nicht stören, obwohl der Kommentar seines Vaters ihn nervte. Er freute sich auf sein Konzert heute Abend, denn dort konnte er sich ein wenig abreagieren und wieder auf andere Gedanken kommen. _ „Hau ab!“, zischte Kari und schubste ihren Bruder von dem Teller weg, den sie gerade beladen hatte. „Das riecht aber so lecker“, protestierte er. „Ich will doch nur...“ „Nein! Such dir selbst Freunde zum Kochen“, rief Kari und brachte ihren Teller in Sicherheit. „Sei doch nicht immer so gierig. Du kannst anderen ruhig auch mal was abgeben, anstatt immer alles für dich haben zu wollen“, meinte Tai vorwurfsvoll. „Ich erinnere dich bei Gelegenheit dran“, konterte Kari und streckte ihm die Zunge raus. „Wolltest du nicht noch weg?“ „Jaja, bin ja schon unterwegs.“ Yolei lachte über den Streit der beiden. So ähnlich ging sie mit ihren Geschwistern auch um, nur dass sie sich gegen drei ältere Geschwister durchsetzen musste. „Wo gehst du denn heute hin?“, fragte sie ihn interessiert. „Mit Matt feiern“, antwortete Tai und wandte sich nun den Töpfen auf dem Herd zu. „Und was habt ihr heute vor?“ „Tai, mach dich vom Acker!“, rief Kari und quetschte sich zwischen Tai und den Herd. „Kari hat mir dabei geholfen, mein Lieblingsessen zuzubereiten. Das ist für den Kochclub der Schule. Und nachher schauen wir noch eine DVD oder so“, antwortete Yolei. „Also von Kari würde ich mir da aber nicht helfen lassen, wenn das was werden soll“, erwiderte Tai und grinste seine kleine Schwester herausfordernd an. „Immerhin hat sie die Gene meiner Mutter.“ „Du bist ein absoluter Idiot, Tai. Und wenn du das so siehst, dann kannst du ja jetzt abhauen und dich selbst um dein Essen kümmern“, fauchte Kari und starrte ihn giftig an, sodass er schließlich aufgab. „Sei doch nicht immer so zickig“, murmelte er und tätschelte ihr den Kopf, doch sie duckte sich weg. „Wie auch immer, ich muss jetzt los. Aber das riecht wirklich echt lecker, Yolei.“ Yolei lächelte geschmeichelt. „Wir lassen dir was übrig.“ „Tun wir nicht“, widersprach Kari. „Ach, weißt du, Schwesterherz, gegen so ein Bündnis wie das von Yolei und mit kannst du eh nichts ausrichten, also versuch's gar nicht erst.“ Er zur Wohnungstür. „Also dann, macht's gut.“ Die Tür wurde geöffnet und wieder geschlossen und weg war er. „Mann, kann der vielleicht nerven“, stöhnte Kari. Yolei kicherte. Sie fand es ausgesprochen amüsant, Tai und Kari zu beobachten. Obwohl sie sich ab und an in der Wolle hatten und Tai Kari gern ärgerte, merkte man doch, wie wichtig sie einander waren. „Also dann, lassen wir uns mein Lieblingsessen schmecken!“ _ „Mann, Izzy, ich kann es immer noch gar nicht glauben, dass du mitgekommen bist“, meinte Mimi und strahlte ihn an. „Ich auch nicht“, gestand er. Seit einer Stunde saßen sie hier in einer Bar, schlürften Drinks und unterhielten sich gut. Izzy merkte wieder einmal, dass er wirklich gern Zeit mit Mimi verbrachte, auch wenn sie impulsiv und manchmal ein wenig zickig war. Doch man konnte sich gut mit ihr unterhalten. Sie erzählte viel von New York, wie dort ein Partyabend aussah, wie ihre Freunde dort waren, wo man feiern ging. Sie bestand darauf, dass er sie irgendwann einmal dort besuchen kam. Irgendwann gegen zehn Uhr machten sie sich dann auf den Weg zu einem nahegelegenen Club, den Mimi von Sora empfohlen bekommen hatte. „Sag mal, bist du überhaupt schon mal ausgegangen?“, fragte sie irgendwann und musterte ihn von der Seite. „Ja, einmal“, antwortete Izzy und hob die Augenbrauen. „Mit Tai und Matt. Frag nicht.“ Sie kicherte. „Das war sicher ein witziger Abend.“ „Sie haben mich gezwungen, mitzukommen. Ein bisschen so wie du heute“, erklärte Izzy grinsend. „Das sieht ihnen ähnlich. Außerdem zwinge ich dich ja nicht“, entgegnete sie bestimmt. „Ich denke nur, dir könnte es gefallen, weißt du? Vielleicht mache ich dich ja in einem Jahr zum Partygänger.“ Izzy prustete. „Das werden wir ja sehen.“ Sie erreichten den Club, den Mimi gesucht hatte, zahlten den Eintritt und gingen hinein. Dort war schon recht viel los, obwohl noch niemand tanzte. Die Musik war laut und das Geplauder der Menschen war auch laut. Mimi beschloss, erst einmal eine Runde durch den Club zu drehen und Izzy folgte ihr, bemüht, möglichst cool zu wirken. Nachdem sie sich einen Überblick über den Club und seine Besucher verschafft hatten, gingen sie zur Bar und bestellten sich etwas zu trinken. Izzy hatte in der ganzen letzten Woche wahrscheinlich nicht so viel getrunken wie an diesem Abend. Ständig musste er auf die Toilette. Kaum hatte er ein paar Schlucke getrunken, war es schon wieder so weit. Er entschuldigte sich bei Mimi und machte sich auf die Suche nach den Klos. Als er die Tür zur Herrentoilette öffnete, staunte er nicht schlecht, wen er dort erblickte. „Tai“, rief er überrascht. Tatsächlich handelte es sich bei dem Jungen, der gerade am Waschbecken stand und sich die Hände wusch, um Tai. „Nanu, Izzy“, erwiderte dieser seinen Gruß und grinste. „Mit dir habe ich hier ja gar nicht gerechnet.“ „Ich mit dir auch nicht“, meinte Izzy. „Aber im Gegensatz zu dir bin ich öfter hier“, sagte Tai scherzhaft. „Bist du etwa mit Mimi hier?“ „Ja“, antwortete Izzy verwirrt über diesen Tonfall. „Hat sie es also tatsächlich geschafft, dich hierher zu schleifen“, stellte Tai kopfschüttelnd fest. „Lass dir doch von der nicht alles gefallen. Die muss auch mal lernen, dass nicht immer alle nach ihrer Pfeife tanzen.“ „Ach, weißt du, ich bin gern hier“, behauptete Izzy und lächelte schief. Skeptisch hob Tai eine Augenbraue. „Na, wenn du meinst.“ „Mit wem bist du denn hier?“ „Mit Matt. Er kommt gerade von einem Konzert, das hier in der Nähe war.“ Als Izzy fertig war, verließen sie gemeinsam das Klo. _ Während Mimi an der Bar stand, an ihrem Drink nippte und auf Izzy wartete, tippte sie jemand von der Seite an. Sie zuckte zusammen und wirbelte herum. „Matt!“, rief sie überrascht. Sofort kochte Wut in ihr hoch, denn sie musste an das denken, was Sora ihr erzählt hatte. Eigentlich hatte sie jetzt gar keine Lust, auch nur neben ihm zu stehen, geschweige denn mit ihm zu reden. „Hey, warum guckst du denn so?“, fragte er stirnrunzelnd. „Weil du ein Arsch bist“, antwortete sie abweisend und drehte sich von ihm weg. „Ich dachte, das hättest du schon vor ein paar Wochen festgestellt“, meinte Matt und positionierte sich so, dass sie ihn wieder ansah. „Dein Arschsein hat aber noch mal neue Dimensionen angenommen“, entgegnete Mimi kühl. Matt seufzte. „Hast du mit Sora geredet?“ „Zufällig ja“, sagte Mimi schnippisch und warf sich das lange Haar nach hinten. „Dass du dich nicht schämst für so eine Aktion.“ „Ich hab mich bei ihr entschuldigt“, erklärte Matt. „Aber sie wollte nicht zuhören.“ Mimi schnaubte verächtlich. Dem Typen war echt nicht mehr zu helfen. Hier war Hopfen und Malz verloren. „Ach, und da ist sie dir nicht vor Freude um den Hals gefallen? Ist ja komisch.“ „Hat sie vielleicht noch irgendwas gesagt?“, fragte Matt, ohne auf ihre sarkastische Bemerkung einzugehen. Verwirrt sah Mimi ihn an. Er sah so ernst aus. Sollte Yamato Ishida vielleicht tatsächlich so etwas wie ein Gewissen besitzen? „Sie ist ziemlich niedergeschlagen deswegen“, sagte sie vorwurfsvoll. „Ehrlich, Matt, wie kommst du auch auf die Idee, eine Wette auf sie abzuschließen?“ Matt antwortete nicht, sondern richtete den Blick auf irgendeinen unbestimmten Punkt im Raum. Er sah nachdenklich aus, als dachte er nun über den eigentlichen Grund nach, weshalb er Sora verwettet hatte. „Sie hat dich echt gern, weißt du? Sie ist verknallt in dich und du nutzt das aus“, schimpfte Mimi weiter. Matt schüttelte den Kopf und nippte an seiner Bierflasche. Eine Weile sagte er nichts, sodass Mimi schon dachte, das Thema wäre nun für ihn beendet, doch dann fing er wieder an. „Du hast nicht zufällig eine Idee, wie ich das wieder gutmachen könnte?“ Verblüfft starrte Mimi ihn an. „Nein, keine Ahnung. Bei mir jedenfalls könntest du machen, was du willst, ich würde dir nicht verzeihen.“ Er warf ihr einen genervten Blick zu. „Schon klar.“ In diesem Moment tauchte Izzy endlich wieder auf mit Tai im Schlepptau. „Ich dachte schon, du wärst ins Klo gefallen“, sagte Mimi an Izzy gewandt und sah dann Tai an. „So, du bist also auch hier.“ _ Entgeistert erwiderte Tai Mimis abschätzigen Blick. „Was soll das denn schon wieder? Kannst du nicht einfach mal nett sein, so wie ein normaler Mensch?“ „Jaja, schon gut“, lenkte sie ein. „Hallo, Tai.“ „Hallo, Mimi“, erwiderte Tai und musterte sie. Mit ihrem kurzen pinkfarbenen Kleid, das hervorragend zu ihren gefärbten Haarspitzen passte und dem dezenten Make-up sah sie wirklich hübsch aus. Würde er sie nicht kennen und wäre er nicht hoffnungslos in Sora verliebt, würde er sie wohl ansprechen. Doch warum konnte sie sich nicht einfach mal normal freundlich verhalten, sondern musste ihn immer so angiften? „Los, Izzy, wir gehen tanzen“, bestimmte sie und zog den armen Izzy hinter sich her auf die Tanzfläche, die noch nicht allzu voll war. Tai sah ihnen hinterher und schüttelte den Kopf. „Die spinnt doch. Warum nur lässt Izzy sich das gefallen?“, fragte er an Matt gewandt. „Ich glaube, er will das so. Sonst könnte er sich ja auch einfach wehren“, antwortete dieser gleichgültig. Tai bedachte Matt mit einem skeptischen Blick. Er hatte da so seine Zweifel, ob Izzy in diesem Schuppen hier wirklich glücklich war. „Danke übrigens, dass du mitgekommen bist“, wechselte Matt das Thema. „Kein Problem. Ich hatte doch eh nichts Besseres zu tun“, sagte Tai schulterzuckend. Er hoffte, an diesem Abend etwas über ihn und Sora zu erfahren. Er wollte unbedingt wissen, was zwischen ihnen vorgefallen war, dass Sora ihn auf einmal mied und man sie nicht mehr auf Matt ansprechen konnte. Er hatte eine ganz dunkle Vorahnung, doch das konnte einfach nicht sein. „Na, dann sehen wir uns mal nach einer Braut für dich um“, meinte Matt entschlossen. „Oh, bitte, nicht schon wieder“, stöhnte Tai und Matt grinste. „War nur ein Witz. Obwohl ich dir natürlich tatkräftig als Wingman zur Seite stehen würde.“ Tai musterte Matt mit einer hochgezogenen Augenbraue. „Matt, du bist ein dermaßen ungeeigneter Wingman. Echt. Falls ich heute ein Mädchen anspreche, dann bleib bitte außerhalb ihres Sichtfeldes.“ „Jetzt wirst du aber gemein.“ Sie stießen mit ihrem Bier an und tranken einen Schluck. Unterdessen beobachtete Tai Mimi und Izzy auf der Tanzfläche und musste sich ein Lachen verkneifen. Izzy war steif wie ein Stock und man könnte meinen, er versuchte gerade, bei einem Erdbeben nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Mimi war da das genaue Gegenteil. Ihre Bewegungen waren flüssig und rhythmisch und sie wusste mit ihrem Körper umzugehen. Die beiden waren echt ein seltsames Gespann. „Sie ist so heiß“, kommentierte Matt, der Mimi ebenfalls beobachtete. „Schade, dass sie einen an der Klatsche hat.“ Tai drehte sich zu Matt um und warf ihm einen spöttischen Blick zu. „Bloß gut, dass du so normal bist. Als würdest du sie heiraten, wenn sie keinen an der Klatsche hätte.“ „Vielleicht würde ich das“, erwiderte Matt geheimnisvoll lächelnd. „Das glaubst du doch selbst nicht“, murmelte Tai. _ In dem Club war es im Laufe der Nacht so heiß geworden, dass Mimi sich erschöpft die Haare zusammenband. Sie hatte jetzt vier Stunden ununterbrochen getanzt, sodass ihre Füße nun schmerzten und sie in ihren unbequemen Schuhen kaum noch laufen konnte. Izzy hatte sich schon vor einer ganzen Weile bei ihr entschuldigt, dass er eine Pause brauchte. Wahrscheinlich hockte er irgendwo mit Tai und Matt herum. Oder nur noch mit Tai, weil Matt sicherlich schon wieder ein dummes Mädchen abgeschleppt hatte. Mimi schlängelte sich auf der Suche nach Izzy durch die Menschenmassen hindurch hinunter von der Tanzfläche und bemühte sich, einigermaßen elegant durch den Club zu laufen, was ihr schwer fiel, da sie kaum noch auftreten konnte. Ein Junge nahm Blickkontakt mit ihr auf. Es war der gleiche, der auch schon auf der Tanzfläche mehrmals ihre Aufmerksamkeit gesucht hatte, doch sie beachtete ihn nicht weiter. Sie entdeckte Tai in einer Ecke sitzend und sich mit einem Mitglied der Tokyo Rebels unterhaltend, dessen Namen Mimi vergessen hatte. Zielstrebig steuerte sie auf ihn zu. Als er sie bemerkte, unterbrach er sein Gespräch mit dem Jungen und sah sie fragend an. „Hast du Izzy irgendwo gesehen?“, fragte sie und beugte sich zu ihm hinunter. Tai verdrehte die Augen. „Matt macht ihm gerade ein Mädchen klar.“ „Wie bitte?!“ Das hatte sie doch eigentlich vorgehabt. „Wo denn? Ist er schon weg?“ „Nein. Muss hier irgendwo sein“, antwortete Tai und wandte sich wieder dem anderen Jungen zu, der Mimi interessiert gemustert hatte. Sie drehte sich um und machte sich auf die Suche nach Izzy, nun ein wenig ungeduldiger. Er würde sie doch hier nicht einfach allein lassen und mit einem Mädel abhauen? Und wieso mischte Matt sich da überhaupt ein? Kurz darauf entdeckte sie die beiden zusammen mit zwei Mädchen, von denen ihr eines bekannt vorkam, an der Bar. Sie schienen sich alle vier gut zu unterhalten und wirkten äußerst gut gelaunt, als Mimi zu ihnen stieß. „Oh, Mimi!“, rief Izzy und Mimi hörte sofort, wie schwer seine Zunge war. „Ich dachte schon, du wärst gar nicht mehr da.“ „Ebenfalls“, erwiderte Mimi. „Du kannst mich doch nicht so lang allein lassen.“ „Ich bin doch hier“, entgegnete er verwundert und wandte sich an die beiden Mädchen. „Das hier ist Mimi. Sie ist im April aus den USA wiedergekommen und wir sind schon ewig befreundet. Ich hab sie echt gern.“ Mimi lächelte künstlich und warf auch Matt einen Blick zu, der cool wie immer wirkte. Sie hoffte, dass er ihre Gedanken lesen konnte und wusste, dass sie ihm gern zwischen die Beine treten würde. „Und das hier sind Kana und Nagisa“, stellte Izzy stolz die beiden Mädchen vor. Sie zeigten sich alle beide nicht sonderlich an Mimi interessiert, sondern reckten das Kinn, fuhren sich durch die Haare und wandten sich wieder den beiden Jungs zu. Mimi hob eine Augenbraue. „Izzy, hast du vielleicht Lust, noch eine Runde mit mir zu tanzen?“, fragte sie lächelnd und stemmte eine Hand in die Hüfte. „Jetzt gerade nicht“, antwortete Izzy und zwinkerte ihr auffällig zu. „Oder hast du Lust zu tanzen, Kana?“ „Oh, ich würde sehr gern mit dir tanzen“, antwortete sie und strahlte Izzy an. Sie beide beachteten Mimi nicht weiter und stürmten zur Tanzfläche. Ungläubig starrte Mimi ihnen nach. Hatte er sie gerade wirklich links liegen lassen? _ Belustigt registrierte Matt Mimis entgeisterten Blick, als Izzy mit dieser Kana in Richtung Tanzfläche verschwand und sie einfach stehen ließ. Er beugte sich zu ihr, sodass Nagisa ihn nicht hören konnte. „Da siehst du, wer von uns beiden der bessere Wingman ist.“ Wütend drehte sie sich zu ihm um. „Du bist das größte Arschloch, das ich kenne! Kannst du nicht wenigstens Izzy in Ruhe lassen? An deiner Stelle würde ich wegrennen, solange du noch kannst, Nagisa!“ Mit diesen Worten stampfte sie nun selbst davon. „Dieses Mädchen ist irgendwie komisch“, kommentierte Nagisa und sah Mimi mit gerunzelter Stirn hinterher. „Woher kennst du sie eigentlich?“ „Ach, noch von früher“, meinte Matt abwinkend. Dann wandte er sich Nagisa zu und sah sie nachdenklich an. Schon wieder war sie hier in seiner Nähe aufgetaucht und berührte ihn ständig wie zufällig am Arm. Dabei hatte er gar keine Lust darauf, die Nacht mit ihr zu verbringen. „Wollen wir vielleicht noch was trinken?“, fragte sie lächelnd. „Nein, danke. Ich werde jetzt mal Tai suchen“, verkündete Matt und ließ sie einfach stehen, doch als er bei Tai ankam, sah er, dass sie ihm gefolgt war. Er verdrehte die Augen und setzte sich zu Tai und Shin an den Tisch. Nagisa setzte sich unaufgefordert neben ihn. Matt verdrehte die Augen. „Da bist du ja. Ich dachte schon, du wärst wieder irgendwo versackt“, sagte Shin grinsend. „Wo ist Izzy?“, fragte Tai. Matt deutete mit einem Kopfnicken Richtung Tanzfläche. „Mann, ich dachte, Mimi würde ihn endlich mal in Ruhe lassen.“ „Oh, er ist nicht mit Mimi auf der Tanzfläche.“ Matt lächelte breit und Tai machte große Augen. Suchend richtete er den Blick auf die Tanzfläche und auch Matt drehte sich um, um Izzy zu suchen. Nach einer Weile entdeckte er ihn und... er hing tatsächlich an den Lippen dieser Kana. „Mein Gott, wie hast du das gemacht?!“, rief Tai ungläubig. „Geheimnis“, antwortete Matt schulterzuckend und nippte an seinem Bier. „In Matts Nähe verliert eben jeder den Verstand“, mischte Nagisa sich ein, stütze den Kopf auf der Hand ab und beobachtete Matt mit verträumtem Blick. Tai räusperte sich übertrieben und Shin lachte. „Ich warte auf den Tag, an dem er die Männer verführt.“ „Haha“, sagte Matt tonlos. „Ich geh' eine rauchen.“ Mit diesen Worten stand er wieder auf und drängte sich an den Menschen vorbei nach draußen. Wieder folgte Nagisa ihm, doch er ignorierte sie einfach. Draußen war die Luft gleich viel angenehmer. Frisch und klar und nicht feuchtwarm wie in diesem Club. „Wir können zu mir gehen“, sagte Nagisa unvermittelt, als er sich eine Zigarette anzündete. „Ich wohne hier gleich um die Ecke.“ „Nein, danke“, antwortete Matt trocken und wandte sich von ihr ab. Er zog an seiner Kippe und versuchte, sich zu entspannen, doch Nagisa ließ nicht locker. Sie drängte sich an ihn. „Ich kann auch wieder mit zu dir kommen, wenn dir das lieber ist“, raunte sie ihm ins Ohr. Matt seufzte, antwortete aber nichts. Schließlich schmiegte sie sich noch enger an ihn und ließ eine Hand in die Gesäßtasche seiner Jeans gleiten. Genervt sah er sie an und schob sie von sich weg. „Welchen Teil von 'nein' hast du nicht verstanden?“ „Ich meine es doch nur gut mit dir. Wir würden perfekt zusammen passen. Sora ist doch viel zu langweilig für dich“, erwiderte sie bestimmt und lächelte süß. Matt starrte sie an. „Woher... was... sag mal, spinnst du? Was läuft falsch bei dir? Lass mich endlich in Ruhe, klar? Ich will mit dir nichts zu tun haben, kapier das endlich.“ Ihr Blick wurde finster und sie drehte sich um und ging. Kopfschüttelnd sah Matt ihr nach, doch ein wenig beunruhigte ihn ihre Bemerkung schon. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)