Federschwingen von RhapsodosGenesis ================================================================================ Ein Klopfen ließ sie aus ihrem Traum hochschrecken. In Panik riss sie die Augen auf und fuhr konfus hoch. Stocksteif und gefasst hockte sie mit überhöhtem Puls auf ihrem Bett. Die Bettdecke fiel langsam zurück, als würde sie ihrer Hektik spotten. Plötzliche Müdigkeit überkam sie und überdeckte den Schock. Langsam sank sie wieder zurück – doch ehe sie erneut in den tiefen Schlaf eintauchen konnte, ertönte ein weiteres Hämmern an der Tür. Sie richtete ihren Blick auf die Uhr. Sechs Uhr morgens. „Kyrie!“, erklang die Stimme ihres Vaters, „Mädchen? Bist du wach?“ Sie deckte sich wortlos zu. Halb im Dämmerschlaf versunken, bemerkte sie, wie jemand ihr Zimmer betrat. Ein lautes Seufzen ertönte. Es wurde kehrt gemacht und die Tür geschlossen – und all diese Bewegungsabläufe wurden von erbostem Murmeln begleitet. „John!“, erklang ein Maulen – ihre Mutter klang ebenso müde, „Ich habe dir doch gesagt, du sollst sie schlafen lassen! Sie ist erst spät zurückgekehrt!“ „Ich weiß“, fuhr er sie an, „Aber die Sonntagsmesse ist für meine Tochter nicht zu verpassen!“ „Sie verbringt mehr Zeit im Himmel als du in der Kirche!“, schnauzte Magdalena laut zurück, „Komm, wir gehen!“ „Aber wir können sie doch jetzt nicht alleine hier lassen!“, antwortete John deutlich. „Sie ist jetzt zwanzig Jahre alt!“, rief ihre Mutter aus, „Sie ist volljährig und kann auf sich selbst aufpassen!“ „Das hat man ja gesehen!“, verklang die Antwort im Schall einer zugeschlagenen Tür. Und Stille kehrte ein. Das Streitgespräch hatte irgendwie ihre Aufmerksamkeit erregt. Aufgeweckt hatte es sie, aber nur beinahe. Dennoch erhob sie sich aus dem Bett und schaute auf das Regel neben sich, in welchem das Glas mit ihrer Feder stand. Sie fühlte sich, als würde sie sogleich wieder einschlafen, doch sie griff zur Feder und fuhr darüber. Sie war erwachsen, ja … Aber trotzdem spürte sie es nicht in sich. Sie lebte bei ihren Eltern, verrichtete keine Arbeit, verbrachte ihre Zeit in einer Parallelwelt, an der sie keinen anderen hier teilhaben lassen konnte … War das ein Leben? War es das Leben, das ihre Eltern sich für sie vorgestellt hatten? Ein leises Seufzen entrann ihrer Kehle. Sie hatten sie selbst entscheiden lassen. Sie waren stolz darauf, dass sie ein Engel sein durfte – und solange sie ihre Pflichten, zur Universität und zur Kirche zu gehen, nicht vernachlässigte, war alles in Ordnung. Sie durfte sich alles erlauben, konnte sich alles leisten, solange sie nur diese spezielle Art der Bezahlung darbrachte. Aber das bezog auch mit ein, dass sie früh schlafen ging, um am Morgen für die Kirche ausgeschlafen zu sein. Es inkludierte, dass sie keine Angst vor Engeln, Flügeln und Federn hatte. Dass sie sich dort wohl fühlte, wo sie war … Tat sie das? Wo erging es ihr besser? In der Kirche … oder auf diesem Konzert? Die Stimme des Sängers kroch leise in ihr Ohr. Seine wunderschöne Stimme in der Realität, direkt vor sich, zu hören … Ein wunderbares Gefühl. Das Gefühl, als würde sie wahrhaftig leben … Aber dass er ein Engel war … Dass er ebenfalls nicht von dort kam … Wie passte das zusammen? Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sie geglaubt, der anderen Welt entflohen zu sein – und doch verfolgten sie sie. Sie ließ sich in ihren Polster fallen. Es war nicht die richtige Zeit, jetzt darüber nachzudenken. An ihren Abend, den sie mit Ray verbracht hatte … An diesen einen, langen Tanz, den sie zusammen durchgeführt hatten … Zu dieser so ruhigen und leisen Musik. Wie sie sich gedreht hatten, wie sich ihre Hände gehalten hatten … Wie er sie an sich gezogen hatte … Es hatte sich angefühlt wie ein Traum. Ein Traum, aus dem sie viel zu früh erwacht war … Sie hatten sehr lange getanzt. Vielleicht waren es doch mehrere Tänze gewesen. Während der Tänze hatten sie aber kaum gesprochen, sie hatten sich bloß auf die Musik konzentriert, sich in ihrem Rhythmus bewegt … Es war, als wären Ray und sie Teil eines Ganzen gewesen, als hätten sie sich ergänzt … Als hätten sie … zusammen gehört … Gegen vier Uhr morgens waren die anderen aufgetaucht, nachdem die Kellnerinnen beinahe durchgedreht waren. Im Auto hatten Ray und sie bereits ein wenig geschlafen, dann … war sie irgendwann plötzlich zu Hause, hatte den Leuten im Auto gewunken und … war in ihr Zimmer gegangen … Erst jetzt bemerkte sie, dass sie ihre Kleidung noch gar nicht ausgezogen hatte – bloß die Stiefel, die einfach achtlos am Boden herum lagen, aber … Das war jetzt nicht wichtig … Es war sechs Uhr morgens … und sie wollte jetzt bloß … schlafen … John sah auf seine Glaubensgemeinschaft herab. So viele Leute saßen in dieser Kirche, schauten zu ihm auf, lauschten seinen Worten. Er erzählte, was er vor so langer Zeit zu glauben gelernt hatte, und verbreitete, was er für richtig und gerecht hielt. Was er für Gott hielt – denn seine Meinung stimmte mit der der anderen Kirchenmitglieder überein. Dass Gott die Welt erschaffen hatte, weil er die Menschen liebte. Dass er Schutzengel kreiert hatte, die den Menschen in den schwersten Stunden zur Seite standen. Dass er selbst immer in ihrer Mitte war und mit ihnen teilte, was zu geben er hatte. Ein Gott der Barmherzigkeit, der Liebe und des Mitgefühls. Ein Gott, den man lieben und ehren konnte, weil er immer für einen da war. Das war der Gott, an den er glaubte, derjenige, der die Macht innehatte, sie alle in den ewigen Frieden zu führen. Es war die Glaubensgemeinde, die es damals geschafft hatte, die Kriege zu beenden und die Ära des Friedens einzuleiten. Da sie eingegriffen hatten, sich an die Grenzen gestellt hatten und den Menschen einen neuen Lichtblick gegeben hatten – etwas, auf das sie sich konzentrieren konnten. Frieden. Aufbau. Zusammenleben. Vor mehr als hundert Jahren hatte der Krieg zwischen Norden und Süden des Kontinents getobt. Vor mehr als fünfhundert Jahren waren sogar noch die Dörfer verfeindet gewesen – und jetzt gab es auf dieser Welt Frieden und Einheit. Wer Gott huldigte, tat es, wer an ihn glaubte, durfte dies tun, wer sich einen anderen vorstellte, betete eben den anderen an und wer von all diesen Herzenswünschen nichts wissen wollte, ignorierte es einfach. Jeder Mensch durfte seine Freiheit leben – jeder durfte das sein, was ihn glücklich machte. Durch den Frieden, den die Kirche gebracht hatte. Seine Kirche. Und weil diese es war, die die Hauptarbeit geleistet hatte, fand er es ungerecht, dass einige Gott leugneten – doch solange es für Gott kein Problem darstellte, dass die Quote der Gläubigen stetig sank, war es auch keines für ihn selbst. „Im Namen des Allmächtigen Gottes, der uns geschaffen hat, um in Frieden und Eintracht zu leben, der die Städte und Dörfer gebaut hatte, um uns zusammen zu führen, und der uns die Macht gegeben hat, Eisenbahnnetze und Mobiltelefone zu benutzen …“, begann er seine Worte, wodurch er einigen Zuschauern ein Schmunzeln ins Gesicht zauberte – und anderen eine grimmige Grimasse. Aber für die Freude der einen nahm er gerne die Gereiztheit der anderen in Kauf. Sein Blick fiel auf zwei Glaubensgeschwister, die er mittlerweile genauer kennen gelernt hatte – Radiant Sonicson, gebürtiger Radiant Melton, der Mann mit dem dunklen Haar, der eine gewaltige Firma aufgebaut hatte, welche jährlich hunderttausende Aran spendete, um ärmeren Menschen ein Zuhause zu geben, und den Rest verwendete, um die Eisenbahnnetze auszubauen. Neben ihm saß seine Lebensgefährtin Kim Sonicson, zuvor Peraton und gebürtige Miraton, die bereits seit fünf Jahren in einer Beziehung mit ihm lebte, zuvor allerdings mit einem Herrn Peraton verheiratet gewesen war und aus dieser Beziehung eine Tochter hatte, die jedoch in der Südlichen Hauptstadt studierte. Radiant selbst hatte ebenfalls eine Tochter, die aber im Roten Dorf bei seiner Frau lebte. Keiner der beiden hatte ihm mehr über die Lebensumstände der Kinder oder ehemaligen Partner erzählen wollen. Und auch keiner der beiden hatte ihm mehr über Ray gesagt als nötig – Alter, Geburtstag, vollständiger Name und Wohnsitz. Das alles kannte er von diesem ungläubigen Gör. Ja, das mit dem Glauben hatten sie auch – beschämt – erwähnt. Sie waren sehr anständig. „In guten, wie auch in schlechten Zeiten beschützt er uns mit seiner Heiligen Gutmütigkeit, seiner Ehrenvollen Barmherzigkeit und Vergebung aller Sünden“, sprach er seinen Text weiter – und zwar von Herzen. Er glaubte, was er da betete. Und er genoss es, es mitzuteilen. Was er aber nicht genoss, war die Verbindung zwischen Kyrie und Ray. Wenn sie sich jetzt schon einen Partner fürs Leben suchen wollte, warum nahm sie dann nicht Nathan? Sie kannte diesen Knirps doch schon seit ihrer Geburt! Und dann war er ständig mit ihr aufgewachsen, hatte sie überallhin begleitet und sie immer beschützt. In den zwanzig Jahren, in denen Nathan bei ihr gewesen war, war ihr nie etwas zugestoßen – und in dem halben Jahr, in dem sie sich auf Ray verlassen hatte, wurde sie von der Treppe gestoßen. Wer da der Richtige für sie war, stand wohl außer Frage! Magdalena schaute ihn von der ersten Reihe aus durchdringend an – als wüsste sie, woran er dachte. Als würde sie ihn mit ihren Blicken schelten – doch was konnte er dafür? Er war um seinen kleinen Engel besorgt! Er liebte seine Tochter so sehr wie seine Frau! Was sollte er sonst tun, außer sich Vorwürfe und Hoffnungen zu machen? Er war eben kein hoffnungsvoll in Gott vernarrter Priester – er war ein hoffnungslos in seine Tochter vernarrter Vater! Acedia … kam pünktlich. Hätte man ihm das erzählt, so hätte er vermutlich kurz aufgelacht und den Erzähler einen Idioten geschimpft – doch jetzt gab es keinen Erzähler. Es war real. Das letzte Mal als Acedia pünktlich gekommen war, war seine Welt zusammen gebrochen. Doch das war so lange her, dass es keine Bedeutung mehr hatte. Er hoffte bloß, dass sie es nicht wiederholen würde. Ira richtete sich in seinem Stuhl auf. Acedia nahm auf ihrem Platz und schaute in die Runde. Invidia fehlte noch. Vermutlich hatte ihr Assistent mehr zu erzählen gehabt. Er überlegte, ob er sich nicht besser auch einen Assistenten zulegen sollte. Sie waren schon ernorme Erleichterungen – doch sie brachten auch Verpflichtungen und Sorgepflicht mit sich. Und den Gedanken an die Ewigkeit. Denn sobald man wusste, dass der Assistent bereit war, den Platz als Todsünde einzunehmen, erkannte man scheinbar, dass es für einen selbst an der Zeit war, aus dem Himmel zu verschwinden. „Wann kommt sie denn?“, fragte Acedia ungeduldig in den Raum hinein. Niemand sagte ein Wort. Fünf unbeeindruckte Blicke trafen sie. „Es ist wichtig“, gab sie hinzu, „Vielleicht sogar wichtig genug, um Sin dazu zu holen.“ „Sin wird nicht geholt“, warf Gula streng ein, „Er kommt einfach.“ Sie seufzte. „Ja, und der Himmel ist blau“, antwortete sie gereizt, „Aber Invidia soll sich jetzt beeilen! Ich habe keine Lust, alles zu wiederholen. Jetzt komme ich einmal pünktlich – und dann das!“ Sie verschränkte die Arme. „Ist sie immer so unwillkommen unpünktlich?“ Avaritia nickte. „Ja, aber Superbia ist für gewöhnlich noch unpünktlicher.“ Sie stockte kurz. „Und du natürlich.“ „Sie muss einfach betonen, dass sie nie auf der Erde war“, erklang Invidias Stimme von der Tür her, welche sich hinter ihr geräuschlos schloss, „Würde zumindest Luxuria jetzt sagen, wenn sie hier wäre.“ „Hast du endlich eingesehen, dass sie nicht mehr zurückkommen wird?“, wollte Acedia gespannt wissen, „Es ist nämlich an die Öffentlichkeit gelangt, dass sie nicht mehr da ist.“ Sechs Augenpaare richteten sich auf den rothaarigen Engel. Invidia näherte sich langsam ihrem Sessel und machte es sich darin bequem – ohne aber dass sie die Augen von Acedia ließ. Alle waren gebannt von ihren Worten. „Wie meinst du das?“, wollte Ira wissen, „Wer hat geplaudert?“ Acedia zuckte lediglich mit den Schultern. „Es weiß scheinbar jeder. Mein Assistent hat es mir mitgeteilt.“ Sie schaute streng durch die Reihen. „Wir müssen handeln!“, rief sie, „Wir müssen eine Engelsversammlung einberufen – wir brauchen eine neue Todsünde.“ „Luxuria ist bestimmt noch am Leben“, wandte Superbia ein, „Es würde uns allen einmal gut tun, eine Zeit lang eine Auszeit zu nehmen.“ „Nein“, widersprach sie ihm, „würde es nicht.“ Sie stemmte die Arme in die Hüften und erhob sich. „Wenn wir das nämlich tun würden, so würde die Erde in einem Jahr einhundert Dämonen beherbergen.“ „Einhundert Einjährige“, verbesserte Superbia sie, „Was kein Problem darstellt, wenn wir alle innerhalb des Jahres zurückkehren.“ „Ich widerspreche“, mischte sich Gula ein, „Immerhin hätten die anderen Dämonen dadurch Schlupflöcher, durch die sie die Menschen leichter kontrollieren könnten – sie hätten ihre eigene Armee und wären dem Himmel so nah wie noch nie zuvor.“ Ira nickte zustimmend. „Wir sollten es versuchen. Wir müssen jemanden zu Luxuria ernennen.“ Avaritia schüttelte den Kopf. „Und wenn es nicht gelingt?“ Sie schaute von einem zum anderen. „Was würden die Leute von uns denken? Wen können wir anführen, wenn wir nicht einmal unsere sieben Mitglieder beherrschen können?“ Invidia pflichtete ihr bei: „Das ist wahr. Wir würden sämtliche Glaubhaftigkeit verlieren. Stellt euch nur vor, sie würden nach Sin verlangen!“ Aus irgendeinem Grund kam Sin kaum mehr bei Konferenzen vorbei – und er blieb nur noch im Konferenzraum. Superbia und Invidia konnten von Zeiten erzählen, in denen er noch im gesamten oberen Stockwerk, manchmal sogar am Fuß des Turms, unterwegs war. Doch mit der Zeit wurden die Besuche seltener und seltener. Und jetzt erschien er kaum noch hier. Es war, als würde er die ganze Zeit Gott zur Seite stehen. Als würden sie sich über Lappalien wie Luxuria unterhalten, während Sin und Gott den wahren Kampf führten. Die wahre Arbeit leisteten. Was für eine Farce. „Oder“, lenkte Superbia ein, „Wenn es gelingt. Was wäre dann die perfekte Ausrede?“ „Ihr könnt nicht aus Angst vor den Konsequenzen die Wahrheit verbergen!“, rief Acedia – leicht wütend – aus, „Das wäre eine Lüge!“ Superbia sah sie aus kalten Augen an. „Die Todsünden können auch zu sechst bestehen, Acedia“, wies er sie hin, „Und wenn Luxuria zurückkommt, so ist das Glück uns geweiht.“ „Und wenn nicht?“, wollte sie von ihm wissen, „Was, wenn sie niemals zurückkommt? Wird dann die Wolllust einfach gestrichen? Funktioniert das hier so?“ Ihre Augen blitzten gefährlich auf. „Wenn die Zeit reif ist, so werden wir sie wählen lassen“, antwortete er kühl. Ira erkannte, was hinter dieser Antwort steckte: Nachdem Luxuria in etwa genauso alt wie Acedia und er war, würden sie sie neu wählen lassen, nachdem sie beide gestorben waren. Dann würde Luxuria mit großer Wahrscheinlichkeit nämlich auch tot sein – und damit würde alles seinen gewohnten Lauf nehmen. „Aber das Volk weiß davon“, wandte Gula ein, „Wenn sie es wissen, werden sie nicht nur nach Sin, sondern auch nach Luxuria verlangen.“ „Sie werden verstehen, dass Sin damit beschäftigt ist, Gott im Kampf gegen die Dämonen direkt zu unterstützen“, gab Invidia frei heraus zurück, „Und Luxuria hat keine Anwesenheitspflicht – nirgendwo. Keiner von uns hat das. Wir wissen bloß, was Kulanz bedeutet.“ Superbia stimmte ihr zu: „In meiner vorherigen Gruppe gab es eine Avaritia, die es liebte, jahrelang auszugehen“, erklärte er zum hundertsten Mal, „Und dennoch haben wir restlichen sechs alle gut geführt, die Halbengel gut gerettet, die Gerichtsurteile gut gefällt und auch alle anderen Probleme entsprechend gut gelöst.“ Ira seufzte. Dieses Theater brauchte endlich seinen letzten Akt – doch der würde heute eher nicht kommen. „Wer für die Einberufung einer Engelsversammlung ist, der möge jetzt die rechte Hand heben.“ Dreimal schoss die rechte Hand nach oben: Acedia, Gula und er selbst stimmten noch immer dafür. Sie benötigten die Mehrheit, um den Entschluss durchzubringen. „Wer für das Abwarten und Weiterführen unserer Pflichten ist, der möge jetzt die rechte Hand heben“, stellte Invidia die Gegenfrage. Erneut schossen drei Hände nach oben. Superbia, Invidia und Avaritia sprachen sich dafür aus – und standen dafür ein. „Wie lautet unser nächster Punkt auf der Tagesordnung?“, wollte Acedia gereizt wissen, „Nachdem wir einige unnachgiebige Torköpfe unter uns haben!“ „Solltest du nicht einfach zu faul zum Reden sein?“, wollte Invidia genervt wissen, „Der nächste Punkt betrifft das Anliegen eines Engels. Er behauptet, mit Absicht von einem Schwert gestreift worden zu sein. Wir sollen dem anderen die Erinnerung nehmen.“ Ira hörte mit einem Ohr zu. Sie hatten so viele Aufgaben – und Luxuria zu finden war eine von ihnen. Doch seiner Meinung nach war diese von enormer Bedeutung. Nicht nur, weil Luxuria vor so langer Zeit seine allerbeste Freundin gewesen war – nein. Sie war auch eine Todsünde, der große Macht anvertraut worden war. Große Macht – und ein Geheimnis. Doch sobald Ira versuchte, dieses Geheimnis zu lüften, stießen seine Gedanken gegen eine Wand aus Licht und Liebe. Er erkannte diese Blockade. Und er wusste, dass irgendwann die Zeit kommen würde, an der er erkennen durfte, was sich dahinter verbarg. Bis dahin musste er sich um das kümmern, was vor ihm aufgedeckt lag – das, wogegen er etwas unternehmen konnte. Und das hieß im Moment Luxuria. Wenn während ihrer Abwesenheit irgendetwas Schreckliches geschah – wie würden die verbliebenen Todsünden dann reagieren? Was würden die Engel tun, wenn sie herausfanden, weshalb die Todsünde abwesend war? Was konnte eine so zuverlässige Todsünde so lange aufhalten? Und wie würden sie vor dem Volk reagieren, falls dieses sie auf Luxurias Abwesenheit ansprach? So viele Fragen, doch keine Antworten. Aber eines stand fest: Sie durften ihre Glaubwürdigkeit, das Vertrauen, das in sie gesetzt wurde, nicht verlieren. Niemals. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)