between the lines von KakashiH (words are not enough) ================================================================================ 05 tight tension ---------------- ―—————————————————————————―—————————————————————————   05 tight tension   ―—————————————————————————―————————————————————————— Der nächste Morgen kam viel zu schnell. Naruto erwachte und stöhnte leise. Irgendwie war diese Nacht alles andere als angenehm gewesen, unangenehme Träume hatten ihn viel zu viel Kraft gekostet. So wirklich erinnern an diese Träume tat er sich allerdings nicht, was dennoch blieb, war die Schwere die sich in seine Glieder geschlichen hatte, das leichte Pochen hinter seiner Stirn und die Müdigkeit, die nicht abzuschütteln war. Ein Blick zum Fenster zeigte ihm, dass der Tag bereits angefangen hatte. Die Sonne schien unbarmherzig in den Raum hinein, als wenn sie ihn verhöhnen wollte, dass es nun wirklich Zeit war sich aufzurichten. Naruto wollte nicht, liegen zu bleiben war allerdings auch keine Option. Ihm blieb nichts weiter übrig, als die Decke zur Seite zu schlagen und das warme Nest notgedrungen zu verlassen.   Müde schnappte er sich Kleidung und seine Waschsachen, um in das Bad zu schlurfen. Die folgende Morgenroutine war nichts weiter, als ein abspulen gewohnter Tätigkeiten. Duschen, Zähneputzen, anziehen. Ein prüfender Blick in den Spiegel, gefolgt von einem leichten Kopfschütteln und der Erkenntnis, dass es keinen Anlass gab die Haare nun zu ordnen. Nicht, dass es etwas gebracht hätte, dennoch gehörte es einfach dazu, wenn auch nicht an diesem Morgen. Naruto konzentrierte sich lieber darauf, die Augen offen zu behalten und nicht auf der Stelle wieder einzuschlafen. Käme sicherlich auch nicht gut, wenn er mitten im Bad einfach wieder einschlief. Noch dazu, wo er hinter sich verschlossen hatte. Trotz des Streits vom Vortag wusste er einfach, dass man früher oder später nach ihm sehen würde und auf eine neue Konfrontation hatte er heute wirklich wenig Lust. So weit kannte er Sasuke doch, dass er wusste, dass dieser seine Müdigkeit nutzen würde, um noch einmal nachdrücklich zu zeigen, wie wenig er von seinem Schweigen hielt. Oder besser gesagt, dass er sich wegen so etwas nicht zurückhalten würde. So war er eben, das ließ sich einfach nicht leugnen.   Dieser Gedanke war dennoch irgendwie beruhigend. Ganz egal was alles passiert war, Sasuke war wie immer. Egal wie viel Zeit vergangen sein mochte, egal wie viele wütende und manchmal wohl auch verletzende Worte ausgesprochen worden waren, sie veränderten sich einfach nicht. Keiner von ihnen. Sasuke war immer noch ein Bastard wenn man ihn denn ließ, Sakura noch immer die Freundin, die zu ihm stand, Hinata die sanfte die schlichtete, Shikamaru das Genie, der einfach nur beobachtete. Kiba mit seiner energischen Art und auch Ino war noch immer die Gleiche. Es war einfach tröstend, denn egal wie energisch Naruto auch gegen diese Bande im Augenblick ankämpfte, er wollte seine Freunde nicht verlieren. Sie sollten sein wie sie einfach immer gewesen sind und ihn immer wieder dieses Gefühl der Zugehörigkeit geben, auch wenn er selbst es gewesen war, der dieses versucht hatte zu zerstören und schon deswegen es vermutlich nicht einmal verdiente, dass man so hinter ihm stand.   Nun, zumindest wenn man es ganz oberflächlich betrachtete. In der Tiefe sah es dann wohl doch ganz anders aus. Denn dort hing er wirklich an diesem Ort, an den Menschen die ihn die meiste Zeit seines Lebens in irgendeiner Art begleitet hatten. Nicht, dass er Irland und seine neuen Kontakte nicht mochte. Natürlich war dem nicht so, aber man konnte dieses auch schlecht in logischer Reihenfolge einander gegenüberstellen. Wie denn auch? Es war, als wenn man den Tag mit der Nacht verglich und dabei gab es einfach keinen klaren Sieger. Erst recht nicht, wenn man einmal sich verdeutlichte, dass dieses gewiss auch nicht in seinem Sinne war.   Irland war einfach seine Heimat geworden. Er liebte das milde Wetter. Den Geruch nach Frühling, nach Torf wenn es geregnet hatte. Die leicht salzige Brise die vom Meer zu ihm rüber wehte. Er mochte seine Nachbarn und er hatte sein erstes Mittsommernachtsfest aus vollen Zügen genossen. Irland war einfach anders, vor allem wenn man sich in den eher ländlicheren Gegenden aufhielt. Da waren Nachbarn mehr wie Fremde, die nur zufällig recht nahe beieinander lebten. Man kannte sich untereinander und man nahm Fremde gerne und offen in seiner Mitte auf. Natürlich schaute man auch dort genauer hin, aber die ganze abwehrende Haltung die er aus der Stadt kannte, war dort einfach nicht zu finden und demnach wusste er über seine Nachbarn wohl weitaus mehr, als er je über jene erfahren hatte, neben denen er für Jahre hier in Japan gelebt hatte. Es war ein seltsames Gefühl, aber gleichzeitig empfand er es wirklich als beruhigend.   Was er natürlich auch mochte, war die Gegend und dieses nicht nur aufgrund seiner Wahl, was er mit seinem Leben anfangen sollte. Irland hatte verdammt viele schöne Ecken. Die Torffelder war nur eine davon, gefolgt von den Stränden, den rauen und inspirierenden, steilen Klippen. Er liebte die alten Ruinen die von Burgen und Türmen, Kirchen und verfallenen Höfen noch zu finden waren. Die keltische Geschichte hatte da so einiges hervorgebracht, was er sich heute nur zu gerne anschaute. Auch das war in einer seltsamen Art und Weise sehr beruhigend, wenn er zwischen den Resten der Ruinen her lief, wenn er die Geschichte dieses Landes regelrecht berührte und seiner Fantasie freien Lauf ließ.   Kurz vor seiner Abreise war er sogar auf dem Friedhof gewesen. Nicht wegen dem, was ihn hier erwarten würde, sondern einfach, um sich die alten Grabmäler anzusehen. Heute waren die Grabsteine doch eher modern gehalten, oft verführten Inschriften auf glänzenden Platten einen dazu, einen Moment stehen zu bleiben und zu lesen, was die Hinterbliebenen noch zu sagen gehabt hatten. Aber dieser Friedhof war alt gewesen. Raue, aus Stein gehauene Kreuze standen kreuz und Quer auf dem eingegrenzten Friedhof, viele der eingemeißelten Namen waren kaum noch zu entziffern. Wirklich beschreiben konnte er dieses Empfinden auch nicht. Er wusste nur eines. Wenn er einmal starb, wollte er lieber einen dieser aus Hand gefertigten Steine haben, die im Laufe der Jahre mehr und mehr abnutzten, als einen dieser glänzenden Dinger. Ein durchaus bescheuerter Gedanke und Naruto wollte wirklich nicht wissen, wie er überhaupt darauf kam. Immerhin war er noch sehr jung, wenn er nicht wirklich Pech hatte, oder wirklichen Mist baute, würde er noch viele Jahre haben, um sich Gedanken über solche Dinge zu machen. Und bis dahin war es doch eindeutig der bessere Weg, sein Leben einfach zu genießen.   Mit einem Kopfschütteln wendete er sich endgültig ab, um endlich fertig zu werden. Und dazu sollte er wohl sein Waschzeug zurück bringen und sich dem stellen, was ihn vermutlich in der Küche erwartete. Leicht fiel ihm dieses jedoch nicht. Irgendwie ahnte er, dass sein Drang, auf einen Friedhof zu gehen, etwas damit zu tun hatte. Naruto hatte schließlich geahnt, was ihn hier warten würde. Vielleicht war es genau das, dass er so einen alten Stein wollte, der alles überdauerte. Jeden Sturm, jeden Winter, die Krisen die sich ergeben konnten. In einer seltsamen Art konnte man dieses wohl auch mit Freundschaften vergleichen. Eine Freundschaft war ebenfalls etwas durchaus zerbrechliches und wenn man an einer hing, wünschte man sich dann nicht automatisch, dass sie wie so ein Stein war? Dass sie, egal was auch kommen mochte, nicht brach und allem widerstand?! Irgendwie kam das hin.   Dennoch, Naruto war durchaus in der Lage dieses Empfinden weiter zu verfolgen. Was sagte es denn über ihn aus? Er war schließlich jener, der seine Freundschaften weg geschmissen hatte. Auch wenn Itachi meinte, dass er vielleicht zu früh aufgegeben hatte, er war wirklich nicht in der Lage dieses ebenfalls so zu sehen. Es lag nicht einmal an der Angst diese Bindung ganz zu verlieren, wenn er offen wurde. Was genau es aber war, konnte er nicht sagen. Vielleicht irrte er sich auch gründlich und es lag doch an der drohenden Gefahr, dass Sasuke sich von ihm zurück zog. Dann allerdings wäre seine Entscheidung wohl ziemlich die dümmste gewesen, die er hätte treffen können. Oder die verzweifelste. Beides war wohl nicht ausgeschlossen. Naruto wusste immerhin sehr genau, wie sehr es ihn belastet hatte, das glückliche Paar zu sehen. Eifersucht war da doch schnell aufgekommen, auch wenn er sie nie offen gezeigt hatte.   So oder so erkannte er aber, dass er im Grunde so gar nicht wusste, was er mit all dem anfangen sollte und demnach war es sicherlich auch schwer für seine Freunde, seinen neuen Weg zu akzeptieren. Denn wie sollte er ihnen erfolgreich vermitteln, dass wirklich alles in Ordnung war, wenn er es doch selbst war, der es nicht hinbekam so zu empfinden. Man musste wohl nicht einmal sehr sensibel sein, um da zu erkennen, dass etwas ganz gehörig falsch lief. Naruto war immerhin nie ein Mensch gewesen, der einfach nur den Mund hielt und Dinge runter spielte. Eigentlich war er das komplette Gegenteil gewesen. Aber so ganz genau konnte er heute nicht einmal mehr sagen, wann und vor allem warum sich dieses geändert hatte. Es interessierte ihn auch nur bedingt. Schließlich hatte er mit der Art wie er heute war keine wirklichen Probleme. Er war wirklich endlich angekommen, Irland war seine Heimat. Mit all den netten Nachbarn, den Ruinen und leider ohne seine Freunde. Aber so war es doch oft im Leben. Man konnte eben nicht alles haben.   Und dabei wollte er es auch belassen. Eilig stellte er die Sachen weg und machte sich innerlich bereit, sich seinem Freund und dem derzeit wohl auch ziemlich angepissten Kerl zu stellen, den er in der Küche vermutete. Naruto war eben nie jemand gewesen, der sich vor etwas drückte, ganz gleich wie unangenehm diese Situation auch sein mochte. Entsprechend straffte er sich und machte sich auf den Weg. Wie so oft war das Haus erschreckend leise. Naruto konnte das kaum verstehen. Hier waren immerhin Kinder im Haus, die auch in einem solch traurigen Moment in der Lage waren Geräusche zu machen.   Die Stille die hier grundlegend zu herrschen schien, hatte Naruto vom ersten Moment an sehr missfallen. Es hatte so unglaublich viel Ähnlichkeit mit dem, was Naruto aus seiner Kindheit kannte, dass sich alles in ihm dagegen wehrte, es einfach hinzunehmen. Die meiste Zeit über war er sich wirklich nicht sicher, ob hier überhaupt jemand lebte. Für Naruto, der als Kind selbst sehr ungestüm und laut gewesen war, war das einfach nicht nachzuvollziehen. Himmel, selbst Sasuke hatte er zumindest Streckenweise aus seinem kleinen Schneckenhaus herausgeholt, so dass dieser nicht still vor sich hinbrodelnd in einer Ecke saß. Das Verlangen, das Gleiche für die Kinder seines besten Freundes zu machen, war entsprechend hoch. Zum Teil hatte er damit ja auch schon am Tag zuvor angefangen.   Als er nun aber die Küche betrat, war er nicht sonderlich verwundert, dass die Zwillinge nicht am Tisch saßen. Niemand saß am Tisch um genau zu sein, auch wenn Sasuke zumindest nahe der Theke stand und scheinbar den letzten Rest seines Kaffees runterspülte. Selbstbewusst betrat Naruto die Küche, hütete sich aber, dem Uchiha einen guten Morgen zu wünschen. Noch war er absolut nicht in der Stimmung, dem anderen Mann zu verzeihen, was er am Vortag verbockt hatte.  Stattdessen ging er an Sasuke vorbei und nahm sich selbst eine Tasse, um seinen Kreislauf in Schwung bringen zu können. Alles was Sasuke tat war, ihm einen finsteren Blick zu zuwerfen.   Bewaffnet mit frischem Kaffee und einen Apfel setzte Naruto sich an den Tisch, um in Ruhe zu frühstücken. An diesem Morgen war es ein recht karges Mahl, allerdings war ihm dieses nur Recht. Er wusste nicht wirklich, ob er nach dem ganzen Ärger etwas  weniger leicht verdauliches wirklich runter bekommen würde. Er kam aber auch nicht darum herum sich zu fragen, wieso Sasuke an diesem Morgen den Mund hielt.   Naruto kannte seinen Freund. Wie er selbst auch, war Sasuke war nicht der Typ Mensch, der den Mund hielt, wenn ihm etwas missfiel. Das war generell eine Eigenschaft, die Naruto durchaus an dem Anderen schätzte. Es gab in seinen Augen nichts anstrengenderes, wenn man einfach spürte, dass jemand etwas sagen wollte, es dann aber nicht tat. Natürlich gab es jene, die zu schüchtern oder aber zu unsicher waren. Natürlich war das in Ordnung und in den meisten Fällen bekam man auch solche Menschen letztendlich dazu, einem zu sagen was los war. Für Sasuke war es aber schon eher bezeichnend, dass er nun schwieg. Naruto konnte erahnen, dass der Uchiha ziemlich wütend war. Etwas, was Naruto nicht im Geringsten juckte. Er war vollkommen im Recht gewesen!   Dennoch, auch wenn in ihm nach wie vor eine Menge Wut rumorte, Sasuke war ihm wichtig, war es immer gewesen, auch wenn er es gerade in den letzten Jahren auf eine sehr erbärmliche Art und Weise gezeigt hatte. Man konnte aber wohl dennoch sagen, dass die Tatsache, dass er nun hier war, obwohl er jeden noch so kleinen Versuch abgeschmettert hatte, Kontakte zu pflegen, verdammt viel aussagte. Er konnte vielleicht seinen Freunden etwas vor machen, sich selbst aber leider nicht. Er vermisste es durchaus unbeschwert mit seinen Freunden umgehen zu können. Es war auch nichts, was sich nur auf Sasuke bezog, auch allen anderen hatte er vor den Kopf gestoßen - und das sehr heftig. Naruto war da klar in einer verzwickten Lage.   Kurz blickte er auf, nur um festzustellen, dass Sasuke ihn komplett ignorierte. Irgendwie war er davon ausgegangen, dass der Uchiha im die Hölle heiß machen würde und er kam nicht umhin, nun regelrecht enttäuscht zu sein. Mit einem Streit konnte er in einer solchen Situation eindeutig besser umgehen, wie mit diesem vehementen Schweigen. Naruto fragte sich dabei vor allem auch, was Sasukes Gründe waren, all den angestauten Ärger in sich zu behalten. Es war einfach nicht seine Art. Als von der Tür her Geräusche zu hören waren und Naruto mit einem Seitenblick realisierte, dass die Kinder nicht wirklich aus dem Haus verschwunden waren, glaubte er zumindest den Grund zu kennen. Oder besser, er hoffte es.   Trotz allen war Naruto der Appetit vergangen. Nicht einmal der Kaffee schmeckte ihm noch und so richtete er sich schweigend wieder auf, um das dunkle Gebräu missmutig in den Ausguss zu schütten. Den angebissenen Apfel entsorgte er dann gleich im Mülleimer. Auf seinem Weg aus der Küche raus, strich er dem Mädchen sanft über den Kopf, sagte aber ansonsten nichts. Er musste hier einfach raus - wieder einmal! Und so schnappte er sich nur seine Geldbörse, ehe er das Haus erneut nahezu fluchtartig verließ.     ***     Während Naruto bei seiner letzten Flucht den Weg Richtung Schule gewählt hatte, lief er nun in die entgegengesetzte Richtung, um in das Zentrum zu kommen. Dorthin, wo das Leben pulsierte, wo Geschäfte und Touristen zu finden waren. Nicht, dass er wirklich ein Verlangen nach Gesellschaft verspürte, aber er konnte dennoch nicht leugnen, dass er sich ein klein wenig nostalgisch fühlte. In diesem Ort war er immerhin aufgewachsen und mit seinem Weggehen hatte er ein Stück von sich zurückgelassen. Ihm war unterbewusst klar, dass der Streit am Vorabend weitaus mehr an ihm nagte als er bereit war zuzugeben. Es war immerhin nicht alltäglich, dass er so in seinen Emotionen fest hing, wie er es an diesem Tag tat.   In seinen Gedanken versunken, folgte er der Straße immer weiter, bis sich die Vorstadtidylle mehr und mehr auflöste und abgelöst wurde von Geschäften die nahe beieinander standen und immer mehr Menschen da waren, die den Weg entlang hasteten. Hier hatte niemand Zeit, es war das komplette Gegenteil von dem was er mittlerweile aus Irland kannte und liebte. Selbst in ihrer Stadt war es nicht ganz so hektisch, wie es hier nun war.   Aber auch wenn Naruto die Ruhe zu lieben gelernt hatte, die er nun täglich um sich hatte, so konnte er nicht leugnen, dass es ihm ein Stück weit fehlte, mitten im Zentrum zu sein, von Menschen und dem puren Leben umgeben. Als Teenager waren sie wirklich viel unterwegs gewesen, nicht nur außerhalb, wo sie ganz unter sich hatten sein können, sondern auch oft hier im Zentrum. Sie waren ins Kino gegangen, in die Spielarcarden, sie hatten im Einkaufszentrum abgehangen. Es schien so unglaublich lange her zu sein, dass er unbeschwert gewesen war.   Manchmal wünschte Naruto sich wirklich, die Zeit einfach zurückdrehen zu können, wo die größten Probleme höchstens gewesen waren, dass die Lehrer einen ärgerten und man zu viele Hausaufgaben hatte. Als Kind hatte man kaum den Blick dafür, wie viel auf erwachsene Menschen um sie herum lastete. Aber jetzt wo er selbst erwachsen war, fragte er sich durchaus, wieso er es so eilig gehabt hatte, selbst erwachsen zu werden. Es war wirklich grotesk, aber der Hund lag wohl wirklich darin begraben, dass man als Heranwachsender absolut keine Ahnung hatte, ganz gleich wie vehement man auch das Gegenteil behauptete.   Auf der anderen Seite war Naruto kaum noch bereit die Freiheiten die er in seinem Alter hatte, einfach wieder aufzugeben. Heute fragte eben niemand danach wo er hinging, wann er wieder kam und wann er gedachte sich seinen Pflichten zu widmen. Heute war es an ihm selbst, ob er im Chaos lebte, oder täglich sich Zeit nahm um Ordnung zu schaffen. Zumindest solange er alleine lebte und er plante gewiss nicht, etwas in naher Zukunft daran zu ändern.   Als er an einer kleinen Boutique vorbei kam, blieb er stehen und musterte die Auslagen. Ein – zumindest in seinen Augen – furchtbar hässliches Kleid hing schlaff an einer Schaufensterpuppe. Der grelle gelbe Stoff mit den viel zu grünen Mustern darauf wirkte vollkommen deplaziert. Dennoch konnte er nicht den Blick abwenden, an diesem Anblick war etwas derart vertrautes, dass er es kaum benennen konnte. Doch, eigentlich konnte er das sehr wohl. Er erinnerte sich an diesen einen Frühsommer, kurz vor den Ferien. Sie waren damals vielleicht 12 oder 13 Jahre alt gewesen und Ino und Sakura hatten damit begonnen sich für die Schule rauszuputzen. Was genau geschehen war wusste Naruto gar nicht, die beiden Mädchen hatten das was zuvor passiert war nie wirklich aufgedeckt.   Woran er sich aber deutlich erinnerte war, dass die beiden Mädels sich gestritten hatten und diesen Kampf auch in der Stunde nach der Mittagspause weitergeführt hatten. Leider – zumindest aus Sasukes Sicht damals – war es Kunst gewesen und die Stunde hatte damit geendet, dass einige Farbtöpfe durch den Raum geworfen worden waren. Und Sasuke hatte einiges davon abbekommen. Auch jetzt konnte er das Grinsen nicht verkneifen, wenn er daran dachte, wie Sasukes Haare für fast eine Woche in den verschiedensten Farben geleuchtet hatte. Sakura und Ino hatten das natürlich wieder gut machen wollen und waren mit Sasuke in einen dieser kleinen Läden gegangen. Ein fataler Fehler. Der Uchiha hatte fast zwei Monate kein Wort mit den beiden gesprochen und ihnen bei jedem Treffen einen Blick zugeworfen, der sie eigentlich auf der Stelle hätte umbringen müssen.   Erinnerungen wie diese waren es aber, die Naruto am Liebsten waren. Er dachte gerne an Dinge zurück, die ihm ein Lachen entlockt hatten. Außerdem war damals ihre Freundschaft nur noch enger geworden, da er selbst es gewesen war, der versucht hatte zu retten was zu retten war. Dass er die ganze Angelegenheit wohl eher noch schlimmer gemacht hatte, hatte Sasuke ihm nicht ganz so lang vorgehalten, wie er den beiden Hauptschuldigen die kalte Schulter gezeigt hatte.   Die Gedanken von sich schiebend, ging Naruto weiter die Straße entlang und wich dabei einer ungeduldigen Mutter aus, die ihre Tochter fast schon hinter sich her zerrte. Das war etwas, was er an der Stadt nicht mochte. Die Hektik die teilweise vorhanden war. Nach der ganzen Zeit in Irland verstand er nicht mehr wirklich, warum alle so sehr in Eile waren, auch dann, wenn es im Grunde nicht einmal notwendig wäre. Wo lag denn das Problem, wenn man zum Einkaufen zehn Minuten später kam?! Die Gelassenheit und Ruhe waren etwas, woran er sich wohl am schnellsten gewöhnt hatte.   Ohne Eile schlenderte er weiter die Straße entlang, blieb nur hier und da stehen, um einen Blick in die überladenen Schaufenster zu werfen. Kleidung. Technik und Spielzeuge waren zu Bildern arrangiert worden und luden die Passenten dazu ein, einen Moment zu verweilen und sich dabei zu wünschen, genau das zu besitzen, was sie in den Fenstern sehen konnten. Als Kind hatte es Naruto vor allem die Läden angetan, in denen sich das Spielzeug stapelte. Ganz gleich wie hibbelig und energiegeladen er auch gewesen war, vor den Schaufenstern hatte er sich auch über Stunden ganz ruhig die Nase an den Scheiben platt drücken können. Gerade als er eingeschult worden war, hatte man ihn damit aufgezogen und ihm vorgeworfen, dass er es nicht einmal versuchte die Schulstunden still hinter sich zu bringen.   Das nächste Mal blieb er vor einer Buchhandlung stehen. Bücher verschiedener Genres stapelten sich in der Auslage, Werke die Wissen vermitteln sollten standen neben Kinderbüchern. Naruto liebte Literatur. Er hatte nicht wirklich viel Zeit zum Lesen, dennoch stapelten sich in seinem Haus diverse Bücher in den Regalen. Irgendwann, das hatte er sich fest vorgenommen, würde er all diese Bücher gelesen haben. Das Meiste davon war natürlich aus dem Bereich der Fantasy, sein Spielstätte sozusagen. Aber es gab auch andere Bücher, sogar Kochbücher, auch wenn er nicht glaubte, dass er diese je zu Rate ziehen würde.   Er gab sich einen Ruck und betrat den Laden. Aber auch hier ließ er sich Zeit, schlenderte langsam vor den Regalen her, während seine Augen über die einzelnen Titel der Bücher huschten. Auch sein eigenes stand dabei, wo er sich aber nicht weiter von aufhielten ließ.   Es sollte ja Autoren geben, die gerne im Mittelpunkt standen. Naruto war nicht so, zumindest nicht in diesem Bereich. Es war schon ein Graus wenn er seine Pflicht hin und wieder erfüllen musste, über Stunden Autogramme verteilen musste und dabei von einer Horde Menschen angestarrt und mit Fragen überschüttet wurde. Das war eindeutig nicht der liebste Part an seiner Arbeit. Er liebte das Scheiben aber gewiss nicht das ganze drum herum. Öffentlichkeitsarbeit nannte sein Verlag das und es war einfach nur grausam. Hätte er vorher gewusst, dass er sich nicht vor allen Terminen dieser Art verstecken konnte, hätte er damals vermutlich nie sein Skript eingesendet. Oder aber sich einen Verlag gesucht, der bereit war eine Klausel mit in den Vertrag zu setzen, die ihn vor diesen Dingen entband.   Naruto bahnte sich seinen Weg weiter, stieg die Stufen einer Treppe hinauf und musterte weiter die Bände die ihn nun an fremde Orte entführen sollten. Bei einem Buch über Irland blieb er stehen und zog es schließlich aus dem Regal.   Er musste zu seiner Schande eingestehen, dass er sich wenig mit der Insel und deren Geschichte befasst hatte. Bisher war für ihn nur interessant gewesen, wo diese geschichtlichen Überreste zu finden waren, um sie besuchen zu können und so seine Fantasie beflügeln zu können. Er hatte hunderte Bilder und Notizen an diesen Orten gesammelt aber er wusste nicht, was genau hinter den Ruinen für einen Geschichte steckte.   Natürlich war es nicht so, dass er gar nichts wusste. Er war kein unsozialer Mensch und gerade seine Nachbarin hatte ihm die eine oder andere Legende erzählt, die zu Irland gehörte. Naruto fand das auch interessant, aber alles was eben darüber hinausging, war bisher eindeutig auf der Strecke geblieben. Er beschloss, daran etwas zu ändern, weswegen er das Buch nicht zurück an seinen Platz schob, sondern es mit sich nahm, während er sich durch die anderen Abteilungen der Buchhandlung arbeitete.   Das nächste Buch was ihm ins Auge fiel, war ironischerweise eines über Kindererziehung. Laut dem Klappentext ging es wohl vor allem darum, die unausgesprochenen Dinge eines Teenagers zu verstehen. Die Dinge eben, die passierten, wenn Hormone anfingen überzuschäumen und Kinder komisch und schwierig wurden. Naruto schob es zurück an seinen Platz und zog stattdessen einen Ratgeber heraus, der einen Schritt für Schritt durch den richtigen Umgang mit Kindern führte. Ein Allrounder also. Neugierig blätterte er durch die ersten Seiten, aber schon als er das Kapitel über altersgemäße Kommunikation sah, wusste er bereits, dass er dieses Buch mitnehmen würde. Nicht für sich, aber eindeutig für den Uchiha, auch wenn er sich wohl kaum eine größere Provokation hätte aussuchen können. Naruto war das allerdings egal. Er kuschte nicht vor seinem besten Freund und er war nach wie vor der Meinung, dass Sasuke langsam den Stock aus seinem Allerwertesten ziehen konnte, um sich anständig um seine Kinder zu kümmern. Ihm taten die Zwillinge furchtbar leid und das Schlimmste daran war vermutlich, dass Naruto wusste, dass Sasuke auch anders konnte. Er hatte dieses furchtbare Gehabe schließlich live mitbekommen, als Sasuke und Hikari zusammen gekommen waren.   Naruto verstand es ja wirklich, dass Sasuke von diesem Schicksalsschlag schwer getroffen worden war. So sehr er sich für dieses Gefühl auch selbst hasste, er verstand wirklich die Trauer, die Sasuke fühlen musste, auch wenn dieser sie nicht zeigte. Aber ganz gleich was auch um ihn herum passierte, Sasuke musste sich so weit zusammenreißen, dass seine Kinder nicht litten. Was er getan hatte war einfach nicht zu verzeihen und wie er die beiden behandelte genauso wenig. Er hatte es mehr als verdient den Wink mit dem Zaunpfahl zu bekommen. Ein verdammt dicken Zaunpfahl sogar.   Und mit dieser Entschlossenheit ging er mit den beiden ausgewählten Büchern wieder nach unten zur Kasse. Die Frau die dort hinter saß war jung, vermutlich sein Alter, aber er kannte sie nicht. Sie war also nicht auf seine alte Schule gegangen. Ihr freundliches Lächeln erwiderte er, ging aber sonst nicht weiter darauf ein, sondern nickte ihr lediglich zu nachdem er bezahlt hatte und verließ dann mit seinen neuen Errungenschaften den Laden, um sich langsam auf den Weg zurück zu machen.   Zumindest war das sein Plan gewesen. Als er jedoch am Einkaufszentrum ankam, steuerte er dieses direkt an und zog sich dann in den zweiten Stock zurück, wo er sich in eines der Cafés setzte. Er schwelgte gerne in Erinnerungen und wenn er ehrlich war, war er noch nicht bereit sich Sasuke erneut zu stellen. Nicht solange seine Laune nicht den absoluten Hochpunkt erreicht hatte.   Sasuke konnte warten!     ***     Es war bereits später Nachmittag, als Naruto sich endlich auf den Weg zurück machte. Er konnte nicht leugnen, dass er den kleinen Ausflug letzten Endes sehr genossen hatte. In dem Café war er sogar einer alten Klassenkameradin über den Weg gelaufen, mit der er sich recht gut unterhalten hatte, auch wenn sie nicht zu seinem engern Freundeskreis gehört hatte und er so eher weniger über sie wusste. Dennoch, seine Laune war deutlich besser geworden.   Jetzt wo das Haus allerdings wieder in sein Blickfeld kam, sank diese gute Laune erneut. Naruto hatte wenig Lust darauf, sich Sasuke zu stellen und innerlich hoffte er sogar, dass diese Konfrontation sogar noch eine Weile sich aufschieben ließ. Grundlegend hatte er eh kein Interesse daran, sich mit Sasuke zu streiten. Es war lange her, dass sie Zeit zusammen verbracht hatten und im Grunde wäre dieses eine durchaus gute Gelegenheit, sich etwas auszutauschen und alte Zeiten aufleben zu lassen. Und das nicht nur mit Sasuke, sondern auch mit allen anderen Freunden, die ihn – wie sie deutlich gemacht hatten – doch vermissten.   Naruto hatte das ja durchaus geahnt, aber er wusste mittlerweile auch, dass er sich diesen Abstecher in seine Vergangenheit wohl viel zu einfach vorgestellt hatte. Und damit kam bei ihm auch erneut die Frage auf, ob es nicht besser wäre, für diese Zeit doch zu Kakashi zu ziehen. Denn bei ihm konnte er sich sicher sein, nicht mit unangenehmen und in seinen Augen auch unangebrachten Fragen bombardiert zu werden. Die Meisten seiner Freunde ließen ja irgendwann auch wieder locker – wenn er ihnen  nur lange genug sagte, dass er nicht reden wollte. Aber Sasuke… das war ein vollkommen anderes Kapitel.   Seufzend gab er sich schließlich einen Ruck und überwand die letzten Meter. Er nahm sich auch fest vor, erst einmal zu sehen, wie die Stimmung an der Front war, ehe er sich erneut ins Gefecht stürzte. Er war sich ja sicher darin, dass er seinen Freund ein Stück weit verstand und vielleicht war er selbst Schuld daran, dass die ganze Situation so eskaliert war. Nicht, dass er sich dafür nun schämte, so energisch gewesen zu sein und Sasuke so die Leviten gelesen zu haben. Dennoch, bekanntlich führten viele Wege nach Rom und wenn Sasuke auf Ruhe und Argumente reagierte, konnte er zumindest versuchen so die ganze Sache zu kitten und damit vielleicht auch die restliche Zeit in der Heimat zu genießen.   Wünschenswert war dieses ja durchaus. Mit Streit kam man nur bedingt voran und Naruto war sich sicher, dass die ganze Gruppe diese Zeit lieber mit gemeinsamen, freundschaftlichen Aktivitäten genießen wollte. Er selbst war da gewiss keine Ausnahme. Sie könnten Erinnerungen austauschen gemeinsam Essen gehen, Bowlen… es gab so unglaublich viel was sie gemeinsam machen konnten.   Die Chancen auf eine ruhige Aussprache lagen aber anscheinend sehr gering. Naruto war sich dessen sofort bewusst, als er das Haus betrat und seine Schuhe auszog. Die Schuhe der Kinder waren nicht da, sie mussten also das Haus verlassen haben. Und als er sich wieder aufrichtete und Sasuke nicht weit weg von ihm stand – mit vor der Brust verschränkten Armen und einem Blick der Bände sprach, flog das bisschen Hoffnung aus dem Fenster raus, dass sie das regeln konnten. Und zeitgleich senkte sich Narutos Laune nur noch mehr und die alte Angriffslust kam erneut zum Vorschein.   „Schönen Tag gehabt?“, fragte Sasuke, die Stimme eisig und fast schon vorwurfsvoll. Naruto fiel kein Grund ein, der Sasuke das Recht geben würde ihn so anzufahren. Und als etwas anderes konnte er selbst diese Situation kaum aufnehmen. Sasuke war eindeutig angefressen und auf der Suche nach einem Sandsack, an dem er diesen Frust auslassen konnte. Aber Naruto war nicht wirklich gewillt, eben diese Rolle kampflos hinzunehmen.   „Hatte bessere!“, erwiderte er somit schnippisch und ging auf Sasuke zu. Sein eigener Blick war nicht minder angefressen und auch wenn er zuvor noch überlegt hatte, das spezielle Buch welches er gekauft hatte erst einmal in sein Zimmer bringen zu wollen, ohne es Sasuke zu zeigen, so zog er es nun aus der Tüte hervor und drückte es dem Uchiha vor die Brust.   „Aber ich hab dir etwas mitgebracht, damit du verstehst wie es richtig geht!“, erklärte er deutlich herausfordernd. Für einen Augenblick huschte über Sasukes Gesicht ein Ausdruck von Erstaunen und gleichzeitig bereute Naruto es, was er getan hatte. In dem Moment wo Sasuke den Titel gelesen hatte, war die Entspannung auch schon wieder verschwunden und Naruto konnte dem Mann deutlich ansehen, dass er eine Grenze überschritten hatte, die er besser nicht hätte überschreiten sollen. Nun war es allerdings zu spät, um den Fehler wieder gut zu machen. Er konnte die Zeit schließlich nicht zurück drehen. Irgendwie wollte er das auch gar nicht.   „Nett!“, kommentierte der Uchiha, das Gesicht verschlossen wie eh und je, ehe er das Buch zur Seite legte und es keinen weiteren Blicks würdigte. „Es hat mich regelrecht angelacht. Und mal ganz ehrlich, Sasuke, du brauchst diese Hilfe. Was ist eigentlich dein Problem? Alles was ich bisher von dir zu lesen bekommen habe war, wie vernarrt du in die Beiden bist. Wenn ich mir aber ansehe wie du mit ihnen umgehst, frage ich mich, wo diese Begeisterung abgeblieben ist!“   Naruto konnte es nicht lassen. Ihm war überdeutlich, dass er sich immer tiefer rein ritt, andererseits konnte er aber wirklich nicht schweigen. Denn seine Aussage war ehrlich gemeint, die Frage war eine, die ihn bedrückte, seit er diese Familie richtig gesehen hatte. Wo war Sasukes Zuneigung geblieben? Natürlich war es einschneidend, dass die Frau verstorben war. Naruto verstand das, aber er wusste auch, dass sie wenigstens ein klein wenig Zeit bekommen hatten, sich damit auseinanderzusetzen und sich an den Gedanken zu gewöhnen, was unweigerlich passieren würde. Sie war immerhin nicht einfach von einem Tag auf den anderen verstorben.   Auch hier war ihm vollkommen klar, dass nichts einen vorbereiten konnte, die Person zu verlieren, die man liebte. Sasuke hatte seine Frau geliebt, niemand wusste das Besser, als Naruto, denn diese Tatsache bedeutete gleichzeitig, dass er verloren hatte, was er selbst geliebt hatte. Natürlich war Sasuke nicht verstorben, unerreichbar war er dennoch geworden, nicht zuletzt, weil Naruto selbst sich auf den Weg gemacht hatte, nicht weiter verletzt zu werden. Sasuke war ihm wichtig, wichtiger als diesem vermutlich bewusst war, andererseits hätte Naruto es aber nie ertragen, das glückliche Paar in regelmäßiger Zweisamkeit zu erleben. Dieser Ort war eindeutig viel zu klein um sich effektiv aus dem Weg gehen zu können und ihr gleicher Freundeskreis hätte dafür gesorgt, dass sie sich immer wieder über den Weg gelaufen wären. Naruto hatte es ja am Anfang eindeutig versucht. Er hatte alles dafür getan, sich nichts anmerken zu lassen. Er hatte die beiden ignoriert wann immer sie sich getroffen hatten. Schon damals war Sasuke sein verändertes Verhalten aufgefallen, hatte Fragen gestellt, aber die Antworten konnte er ihm dennoch nicht geben.   Hierbei ging es allerdings nur sekundär um Narutos Gefühle und dessen war er sich absolut bewusst. Es ging um die Gefühle der Zwillinge und zumindest das kleine Mädchen war alles andere als glücklich darüber, wie abgeschottet sie von ihrem Vater war. Verständlicherweise, der Mann war alles was ihr von ihren Eltern noch geblieben war und keine Freunde, keine anderen Verwandten konnten den Verlust der eigenen Mutter überdecken und minimieren. Wenn Sasuke es nicht schaffte jetzt für sie und ihren Bruder da zu sein, würde es früher oder später einfach keinen Weg mehr geben, an die beiden Kinder noch heran zu kommen. Naruto wollte das nicht, ganz ungeachtet seiner eigenen Konflikte mit den Gefühlen die er Sasuke entgegen brachte, wollte er nicht, dass der Uchiha früher oder später in den Scherbenhaufen blicken musste, der einmal seine Familie gewesen war.   Hieß es nicht immer, dass man für die Person die man liebte tat was in der eigenen Macht stand, selbst wenn man sich selbst damit verletzte? Naruto verstand das mittlerweile immer mehr.   „Ich will ihn einfach sehen, verstehst du Sasuke? Ich will den Vater sehen, den ich durch unzählige Mails kennen gelernt habe!“, erklärte Naruto sich. Seine Stimme war weicher geworden, sanfter, fast schon leicht flehend. Und er wusste, dass jedes seiner Worte wahr war. Hier ging es um weitaus mehr als unerwiderte Gefühle. So nervig diese ewigen Lobenshymnen  auch gewesen waren, einen Sasuke Uchiha zu erleben, der so voller Gefühle war, dass er kaum über etwas anderes reden konnte als die Fortschritte seiner eigenen Kinder, war unvergleichlich gewesen. Naruto vermisste diesen Sasuke mehr als er es sich zuvor selbst bewusst gewesen war.   „Was soll das heißen?“, fragte Sasuke verspannt, die Lippen waren fest aufeinander gepresst, die Augen leicht verengt, die Stirn in Falten gelegt. Alles an Sasuke Haltung sprach für einen Kampf, etwas was Naruto nicht wirklich aufkommen lassen wollte. Sicher, als er dieses Buch gekauft hatte, war ihm mehr als bewusst gewesen, dass der Uchiha dieses Geschenk nur beleidigend aufnehmen konnte. Vermutlich wäre es ihm an Sasukes Stelle nicht anders ergangen, denn auch ohne seine provozierenden Worte war wohl der Titel aussagekräftig genug. Er unterstellte Sasuke, dass er nicht in der Lage war, seine Kinder richtig zu erziehen. Zumindest nicht, wenn es auf der Ebene von Kommunikation ankam. Was irgendwie traurigerweise auch gerechtfertigt war, nur wusste Naruto, dass Sasuke aus irgendeinem Grund blockiert war.   Der Uchiha mochte kein Beispiel ausschweifender Gefühle sein, jedenfalls keine Gefühle, die er offen zeigte. Aber sicher war auch, dass sich tief unter der harten Schale sehr viele Gefühle tummelten. Gefühle, die Sasuke stets verschlossen hielt und nur zeigte, wenn es zu viel wurde. Oder wenn er sich unbeobachtet fühlte. Zumindest war es das, was Naruto vermutete, wenn er an vergangene Ereignisse dachte, die wenigstens einen kleinen Ausblick darauf gegeben hatten.   „Keiko wird mit jedem Tag munterer, sie schaut ständig in der Gegend herum. Keiko hat den ersten Zahn bekommen und greift nach allem was nahe genug ist, um es sich in den Mund zu stecken. Taiki krabbelt, man kann ihn kaum aus den Augen lassen. Die Zwillinge laufen endlich, auch wenn sie noch oft hinfallen, ziehen sie sich an allem hoch. Das bist du, Sasuke. Ich habe sie alle gelesen, auch wenn ich weit weg gewesen bin, fühle ich mich durch deine Mails, als wenn ich die beiden ihr ganzes Leben begleitet habe!“, erklärte Naruto sich leise. Es war traurig mitzuerleben, dass dieser Stolz, der in den Mails mitgeschwungen war, scheinbar verloren gegangen war.   „Ich kann vollkommen verstehen, dass es dir derzeit nicht gut geht. Aber du bist nicht alleine. Du verstehst was passiert ist, du konntest dich vorbereiten, auch wenn alle Zeit der Welt vermutlich nicht genug gewesen ist. Die beiden aber sind noch viel zu klein. Sie brauchen dich jetzt mehr denn je!“ Naruto wusste es einfach. Diese Familie war so unglaublich still, so betrübt, dass man die Trauer die in ihr herrschte schon fast mit Händen greifen konnte. Aber so sehr Sasuke wohl litt, er stand in dieser ganzen Angelegenheit nicht an erster Stelle, er musste das einfach begreifen und entsprechend handeln.   „Woher willst du das wissen?“, zischte Sasuke zurück, der Ärger spiegelte sich in seinem Gesicht mehr denn je. „Du rennst doch weg, lässt alle denen du etwas bedeutest einfach zurück. Außerdem… Soweit ich informiert bin, warst du noch nie in dieser Lage. Du warst nie verheiratet, vermutlich hast du nie wirklich jemanden geliebt. Nicht auf diese Art zumindest!“   Sasukes Worte waren schmerzhafter wie alles was Naruto je erlebt hatte. Der zuvor weiche Gesichtsausdruck wich binnen eines Herzschlages. Naruto konnte sich nicht erinnern, wann Sasuke zuvor so tief geschlagen hatte. Vermutlich war das nie geschehen und nicht einmal die Tatsache, dass der Uchiha keine Ahnung hatte was ausgerechnet er mit diesen Worten anrichtete, konnte Naruto helfen den Schmerz nicht zu empfinden.   Wortlos setzte er sich in Bewegung und achtete nicht auf Sasukes plötzlich überraschtes Gesicht. Übel nehmen konnte man es ihm nicht. Nie zuvor war Naruto jemand gewesen, der sich einfach schweigend zurück zog. Wenn er ging, dann laut und mit einem bleibenden Eindruck. So ganz unkommentiert konnte er diesen Angriff allerdings nicht hinnehmen. Nach einigen Schritten blieb er stehen, machte sich aber nicht die Mühe noch einmal über seine Schulter zurück zu schauen.   „Du irrst dich. Gewaltig. Liebe ist nichts, was ich nur aus meinen Büchern kenne. Es ist doch ganz einfach, man kann kaum über etwas schreiben, wovon man keine Ahnung hat!“, erklärte er leise, ehe er doch noch den Blick Sasuke zuwendete. „Aber nicht alles auf dieser Welt ist rosarot und nicht alles was man sich wünscht bekommt man. Manchmal ist es einfach besser loszulassen und voran zu gehen. Denke einmal darüber nach!“ Ohne weitere Worte ließ er Sasuke einfach stehen, ging in sein Zimmer und schloss die Tür leise hinter sich.   Narutos Herz fühlte sich schwer an, es pochte langsam und unglaublich schmerzhaft in seiner Brust. Sasuke hatte keine Ahnung! Er wusste sehr wohl wie es war zu lieben und ironischerweise wusste er auch, wie es war die Person zu verlieren, die man liebte. Sicher, in seinem Fall lebte die Person nach wie vor, aber machte es einen großen Unterschied? Irgendwie empfand Naruto es nicht so. Denn eines war in beiden Fällen doch gleich. Die Person wurde unerreichbar. In Narutos Fall war die ganze Sache vermutlich sogar noch schmerzhafter. Zu lieben und die Person irgendwie immer im Leben zu haben hielt die Wunden offen. Der Tod war tragisch aber dennoch angenehmer. Man trauerte, vielleicht sogar ein ganzes Leben lang, aber mit der Zeit wurde einem dennoch leichter ums Herz und man konnte irgendwann in Erinnerungen schwelgen die einem vielleicht auch gut taten. Aber dieses war einfach nicht gegeben, wenn man keine Chance bekam abzuschließen und genau das war Narutos Problem. Wie sollte er abschließen, wenn die Person die er verloren hatte ihn regelrecht verfolgte?!   Tief in sich drinnen wünschte Naruto sich, dass er einen noch klareren Schlussstrich gezogen hätte. Wenn er den Kontakt endgültig abgebrochen hätte. Nur leider war das bisher nicht möglich gewesen. Er hing an dem Uchiha, an der Freundschaft, an den Gefühlen die er für den Mann – seinen besten Freund - hegte. Sasuke war irgendwie immer ein Teil seines Lebens gewesen und bisher hatte er es nicht hinbekommen, diesen Teil von sich abzuspalten. Er konnte noch so weit weglaufen, neu anfangen war im Grunde vollkommen ausgeschlossen. Naruto verachtete sch selbst für seinen Charakter, seiner Unfähigkeit sich selbst den Gefallen zu tun, alles was ihn belastete einfach aufzugeben. Grundlegend wäre es doch vollkommen einfach, jetzt wo er weit weg lebte. Er musste nur seine Mailadresse ändern und die alte nie wieder kontrollieren. Aber selbst jetzt nachdem Sasuke ihn so verletzt hatte, wusste er, dass er dazu nie in der Lage sein würde.   Erschwerend kam nun hinzu, dass Sasuke nicht dumm war. Naruto hatte gerade viel zu viel gesagt und die Gefahr, dass neben Itachi noch jemand da war, der ihn durchschauen konnte, war riesig. Ein Umstand, den Naruto nicht wirklich riskieren wollte. Itachi konnte er wenigstens vertrauen, dass dieser den Mund hielt. Auch alle anderen aus der Clique würden schweigen, wenn er sie darum bitten würde. Bei Sasuke jedoch war es schwer. Die Idee, diesem zu sagen, dass er schweigen und vergessen sollte, war vollkommen lächerlich, schließlich ging es um Sasuke selbst.   Überfordert mit dem Tumult an Gefühlen die ihn gerade so einnahmen, fuhr er sich durch sein wildes, blondes Haar, ehe er sich daran machte, seine Sachen zusammen zu suchen und zu packen. Es war ganz einfach, er musste hier weg und das möglichst bald. Kakashi hatte es ihm zugesagt, dass er bei ihm leben konnte bis sein Flug zurück ging, auch wenn Narutos Drang, direkt zurück zu fliegen gerade sehr stark war. Aber das ging nicht. Er wollte die Anderen nicht verletzen, nicht mehr als er es eh schon tat und zumindest ein Teil von ihm war sehr erpicht, die restliche Zeit zu nutzen um mit Kakashi Zeit zu verbringen. Wer wusste schon, wann er das nächste Mal dazu kam.   Erschlagen ließ er sich schließlich an dem Tisch nieder, um seinen Laptop zu starten und seine Mails aufzurufen. Er hatte nicht gelogen. Jede einzelne Mail besaß er noch, die er in den ganzen letzten Jahren von Sasuke bekommen hatte. Er hütete sie wie einen Schatz. Sie waren der einzige Kontakt bisher gewesen, den er noch hatte aufrecht erhalten können, ohne wahnsinnig zu werden. Nun jedoch stand klar die Frage im Raum, ob er nicht besser doch aufgeben sollte. Dass Hikari nun nicht mehr zwischen ihnen stand, war immerhin kein Grund, dass Naruto ihren Platz einnehmen konnte. Solche Gedanken wollte er auch gar nicht erst zulassen, sie waren makaber und entsprachen absolut nicht dessen, was Naruto war und auch sein wollte. Darüber hinaus, Sasuke hatte kein Interesse an ihm, jedenfalls nicht in der Art. Sasuke sah in ihm einen Freund, zumindest war es bisher so gewesen. Nach dem Gespräch das sie gerade geführt hatten, war jedoch fraglich, ob es auch weiterhin so sein würde. Ein Teil von Naruto bezweifelte es und die verwirrten Empfindungen waren sich nicht einig, ob es entlastend oder belastend war. Naruto wusste es wirklich nicht.   Niedergeschlagen und unglaublich verwirrt schloss er den Laptop wieder, um ihn in seine Tasche zu packen. Klar war einfach, dass er weg musste. Dringend und es konnte keine weitere Sekunde waren. Entsprechend zögerte er auch keine Sekunde, sein Handy zu nehmen und Kakashi eine Nachricht zu schicken.   Es geht nicht mehr. Bin auf dem Weg! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)