Was wir nie vergessen werden... von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 9: 9... --------------- Einen Tag später hatte ich mich selbst aus dem Krankenhaus entlassen und war nun, gemeinsam mit Hizumi, auf dem Weg zu unserem Drummer, der uns zu sich gebeten hatte. Während der ganzen Fahrt fielen nur wenige Worte. Die Stimmung war gedrückt und angespannt. Tsukasa erwartete uns bereits, als Hizumi seinen Wagen vor dessen Wohnung parkte. Wir folgten ihm wortlos durch das Treppenhaus in seine Wohnung. „Okay. Setzt euch doch!... Erst einmal... wie geht es dir, Michi?" „Gut! Mach dir um mich keine Sorgen!" Tsukasa nickte beruhigt und ich merkte auch, dass ich seine kleinste Sorge war. „Es geht um Karyu. Ich hab versucht, ihn zu erreichen. Aber entweder ist sein Handy aus oder er geht nicht ran." Er atmete kurz tief ein und stieß die Luft dann schnell wieder aus. Dann gehörte sein verzweifelter, leicht genervter Blick uns. „Habt ihr irgendwas von ihm gehört?" Hizumi und ich schüttelten zeitgleich den Kopf. Die Situation war unheimlich, da Karyu uns sonst immer mitteilte, wo er sich gerade aufhielt. Er selbst hatte sogar mal gesagt, wenn er sich einmal länger als zwei Tage nicht melden würde, wäre er höchstwahrscheinlich tot. Genau diese Situation war eingetroffen. Aber er konnte nicht tot sein. „Was haltet ihr von dem Zeitungsartikel gestern?", erhob nun Tsukasa wieder die Stimme. Ein kurzer Moment der Stille trat ein. „Ich will ehrlich sein...", sagte ich dann, „... es war Karyu. Diese Kleidung, die Haarfarbe, die Größe. Außerdem, die Silhouette. Das kann nur Karyu gewesen sein. Auch, wenn wir das vielleicht nicht wahrhaben wollen. Wer sonst sollte es gewesen sein?" „Mag ja sein, dass er das auf dem Bild war. Aber er würde niemals Menschen töten. Und vor allem... überleg mal, wie die gestorben sind. Mit zwei Einstichen am Hals. Das müsste ja entweder heißen, Karyu ist vollkommen geistesgestört, etwas zu entwickeln, womit er die Menschen töten kann, oder er ist ein Vampir. Da ich von beidem mal nicht ausgehe, ist die Antwort doch eindeutig! Also... ich schreibe ihm ne SMS. Morgen um zehn will ich euch bei der Arbeit sehen. Wir werden ja sehen, ob er kommt oder nicht. Ich mein, er wird ja wohl seine Band nicht im Stich lassen." Tsukasa brachte uns zur Tür, mit der Bitte, dass wir uns noch einmal nach Karyu umhörten. Danach wurde ich von Hizumi nach Hause gebracht. +++ In dieser Nacht bekam ich kein Auge zu. Meine Gedanken kreisten ununterbrochen um Karyu und das Bild in der Zeitung. War es wirklich er gewesen? Und wenn ja, hatte er diese Menschen umgebracht? Oder war das alles nur ein dummer Zufall? Ein Blick auf den Wecker verriet mir, dass es gleich halb vier war. Halb vier am Morgen und ich hatte nicht eine Minute geschlafen. Umso müder war ich natürlich sechs weitere, schlaflose Stunden später. Vollkommen fertig und mit fetten Augenringen stieg ich in meinen Wagen und fragte mich sogar, ob es nicht besser war, mich abholen zu lassen. Ich entschied mich jedoch dagegen. Um Punkt zehn Uhr stand ich dann vor unserem Studio. Tsukasa und Hizumi waren bereits da. Von Karyu und seinem Wagen - keine Spur. Müde stieg ich die Treppen rauf, stolperte dabei noch über meine eigenen Beine und kam schließlich endlich an. „Mein Gott...", war Tsukasa's erste Reaktion. „... wo bist du denn gewesen?" „Jetzt frag nicht noch sowas. Oder konntest du etwa schlafen?" Ich ließ mich erschöpft auf die Couch fallen. Entfernt bemerkte ich schon die Kopfschmerzen, die sich anbahnten und schloss deshalb zur Vorsorge die Augen. Natürlich brachte das alles nichts. „Karyu hat sich nicht gemeldet. Aber ich hoffe trotzdem, dass er kommt." „Ja... aber mal angenommen, er kommt gar nicht mehr. Nie wieder. Er kann doch nicht einfach seine Band so fallen lassen. Das alles, was wir uns aufgebaut haben, dank ihm." Hizumi klang traurig und das verstand ich auch vollkommen. Schließlich fragte ich mich ja selbst, was Karyu geritten haben könnte, uns einfach so sitzen zu lassen. Zu unser aller Überraschung ging jedoch im nächsten Moment die Tür auf. Im Raum stand ernsthaft Karyu. Ganz normal, ohne rote Augen und ohne Sonnenbrille. Ich glaubte zu träumen, da ich ihn schon lang nicht mehr gesehen hatte. Auch Hizumi staunte nicht schlecht, als er unseren Gitarristen wahrnahm. Einzig in Tsukasa kochte es, das sah man ihm an. Aber er versuchte, aus der Situation das Beste zu machen und ging die Sache ruhig an. „Yoshitaka.. dich hätte ich hier nicht mehr erwartet. Wo warst du denn die ganze Zeit Herrgott nochmal?" Karyu ließ sich Zeit mit der Antwort, hängte erst einmal ganz in Ruhe seine Jacke an die Garderobe, als wenn nichts gewesen wäre. Dann setzte er sich zu mir auf die Couch und lächelte mich an. „Ich hab euch vermisst", sagte er, gewohnt fröhlich. Ich stutzte etwas, da er scheinbar nicht zu wissen schien, dass er uns eine Menge zu erklären hatte. „Wir dich auch. Und deswegen würden wir gern wissen, warum unser Gitarrist so lang nicht zur Arbeit erschienen ist!" Tsukasa's Stimme bebte. Er wollte die Antwort, wie alle anderen. Jetzt! „Ja, tut mir leid! Ich hab mir einfach ein paar Tage Ruhe gegönnt. Wisst ihr, mir ging es nicht gut, ich hatte total ätzende Kopfschmerzen und Husten. Aber ich bin echt froh, euch jetzt wieder zu sehen." Zugegeben, ich war baff. Wir waren baff. Karyu schien echt nichts mehr von dem zu wissen, was passiert war. Hizumi's verletzter Blick lag auf ihm, aber er schien das gar nicht zu bemerken. Er war scheinbar vollkommen zufrieden mit seiner Erklärung. Nach einem Moment der Ruhe platzte es allerdings aus Tsukasa heraus. „So! Kopfschmerzen und Husten?! Dann erklär mir doch mal bitte das hier!!! Wie kommt dieses Foto von DIR in die Zeitung, zusammen mit den Morden und was sollte der Auftritt vor drei Tagen mit Hizumi?!" Er funkelte Karyu wütend an. Als dieser sein Bild in der Zeitung sah, wurde er plötzlich nervös und rutschte auf der Couch hin und her. Er schien nach einer Ausrede zu suchen, fand jedoch scheinbar keine, weshalb wir nun alle um ihn herum standen und mit unseren Blicken versuchten, die Wahrheit aus ihm heraus zu bekommen. Und plötzlich passierte das Unvorhersehbare. Karyu sprang auf und warf sich auf Hizumi. Zuerst glaubten Tsukasa und ich, es sei bloß Spaß, doch was wir dann sahen, sitzt uns bis heute in den Knochen. Karyu saß über Hizumi, der bereits am Boden lag, seine Fingernägel in dessen Arme gedrückt, sodass Blut aus der Haut unseres blassen Sängers quoll. Auf dieses Horrorszenario folgten Hizumi's qualvolle Schreie, die ich jedoch zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht wahrnahm, genauso wenig, wie Tsukasa das tat. Wir standen da wie versteinert, trauten uns nicht, zwischen die beiden zu gehen, bis Karyu uns dann sein Gesicht zuwandte. Ich schrie vor Schreck und wich einen Schritt zurück, als ich wieder in diese stechend roten Augen sah. „Ich habe dich gewarnt, Michi! Mehr als einmal! Jetzt musst du eben zusehen, wie ich ihn umbringe!" „Nein!!!" Ich setzte zu einem gezielten Tritt an, doch Tsukasa hielt mich auf. „Was ist denn hier los, Michi?! Was soll das?!" „KARYU!! NEIN!!!" Das Studio erfüllte ein langer, schmerzerfüllter Schrei unseres Sängers, der mir das Herz brach und mich in eine einzige Dunkelheit hüllte. Hunderte Male hallte er in meinen Ohren wieder und ich hatte das Gefühl zu ertrinken, in Hizumi's Flut aus Schmerzen. Dieser Schrei machte mir mehr zu schaffen, als alles andere. Denn er galt einzig und allein mir. ICH war derjenige, der das alles hätte verhindern können. Und ICH war es, der Karyu's Warnungen als einfache Halluzinationen gedeutet hatte. Und jetzt? Ich wachte auf aus dem scheinbaren Traum und sah nur noch Karyu, wie er durch die Tür verschwand. Und Tsukasa... wo war Tsukasa? „Hizumi... hey!!! HIZUMI!!! Hörst du mich?! Wach auf! HEY!!!" Mein Blick fiel auf den Boden, wo unser Drummer vor Hizumi kniete und verzweifelt versuchte, ihn anzusprechen. Blut lief aus den beiden Einstichwunden an dessen Hals. Ich riss die Augen auf. „Michi!! Ruf sofort einen Krankenwagen!!! JETZT!!" Beinahe automatisch griff ich nach meinem Handy und wählte den Notruf, dem ich lediglich sagte, dass es sich um eine ernste Sache handele, die ich nicht weiter beschreiben konnte. Dann legte ich einfach auf, bevor meine Beine unter mir zusammensackten und ich entschuldigend Hizumi's Hand nahm. +++ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)