Being Obvious von Carameldream (because he is oblivious [NaLu]) ================================================================================ Kapitel 4: Being caught ----------------------- Das war nicht geplant gewesen. Das war keinesfalls seine Absicht gewesen, als er wie immer in ihre Wohnung durch das Fenster gekommen war, welches sie niemals wirklich verschloss. Das verwunderte ihn immer wieder. Wenn sie nicht wollte, dass er bei ihr immer rein platzte, könnte sie ihr Fenster richtig verschließen. Nun, er wollte sich nicht beschweren, da es ja zu seinem Vorteil war. Wie auch immer. Dieses Mal war sie nicht anwesend gewesen. Das war nichts Neues. Lucy musste ja nicht unbedingt sich die ganze Zeit über Zuhause aufhalten, wenn sie gerade nicht in der Gilde war. Sicherlich war sie einkaufen. Natsu hätte es egal sein können. Immerhin würde sie irgendwann wieder hierher kommen müssen und dann war er schon einmal da. Doch wie hätte er ahnen können, dass er bei seinem unangekündigten Besuch etwas Vorfinden würde, was ganz bestimmt nicht für seine Augen bestimmt gewesen war? Woher hätte er auch wissen können, dass das beschriebene Pergament auf ihrem Tisch, ein weiterer Brief an ihre Mutter gewesen war? Natürlich hat weiter oben als Adressat ‚Liebe Mutter‘ gestanden. Dennoch musste das ja nichts heißen, oder? Das hatte doch nicht zu bedeuten, dass er das nicht hatte lesen dürfen? Doch bereits der erste Satz ihres Briefes, welchen sie nie abschicken würde, hätte ihn stoppen lassen müssen. Er hatte nicht die Geheimnisse Lucys zu lesen. Seiner besten Freundin. Geheimnisse vertraute man jemandem nur an, wenn man sich sicher war, dass die Person es wahren würde. Es war nicht so, als könnte er keine Geheimnisse für sich behalten. Natsu war durchaus dazu in der Lage. Aber doch nicht so etwas! Nicht wenn es ihn selbst betraf! „N-natsu? Was liest du da?“ Erschrocken fuhr er herum. In der Tür stand sie mit zwei Einkaufstüten in ihren Händen. Ihre braunen Augen blickten ihm überrascht entgegen. Als sie jedoch ausmachte, was er in seinen Händen hielt, weiteten sich ihre Augen klar erkennbar und sie stellte ihre Tüten ab. „Was hast du da in den Händen?“, fuhr sie ihn ein wenig panisch an, rührte sich jedoch nicht vom Fleck. Der Rosahaarige wusste nicht, wie er darauf antworten sollte. Ihm fehlten jegliche Worte. Wie sollte man sich dazu denn äußern können? Er konnte es zu mindestens nicht. „Hast du…hast du es gelesen?“, fragte sie weiter und klang deutlich so, als erhoffe sie sich, dass er es verneinen würde, aber er war ehrlich und würde sie nicht anlügen. Und als er auf ihre Frage sie wortlos ansah, kannte sie Antwort auf ihre Frage. Kurz darauf segelte das Pergament zu Boden und Natsu hüpfte aus dem Fenster. Der Inhalt des Briefes verfolgte ihn den ganzen Nachhauseweg über, welchen er im schnellen Schritt beschritt. Liebe Mutter, ich weiß nicht, wie lange ich meine Gefühle noch verdrängen kann, es wird von Tag zu Tag schwerer, ihm vorzugaukeln, lediglich die beste Freundin zu sein. Weißt du, Mama, er versteht so etwas wie Liebe nicht… Er hätte es erahnen müssen, dass da von ihm die Rede war. Immerhin war sie seine beste Freundin! Ganz bestimmt nicht die von Gray oder irgendwem anders! Sie standen sich am nächsten. So hatte er es bisher immer gesehen. Aber warum musste es, nun zu so etwas kommen? Vielleicht hatte sie Recht und er verstand so etwas wie Liebe wirklich nicht? Immerhin war es ihm nicht aufgefallen. Kein einziges Mal waren ihm ihre Blicke aufgefallen oder ihre Versuche seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Was war er nur für ein bester Freund? …Ich gebe wirklich mein Bestes, ich flirte sogar ab und zu ihm! Kannst du dir das vorstellen, Mama? Ich kann manchmal einfach meinen Blick nicht von ihm abwenden und wenn er sich zu mir umdreht und es bemerkt, grinst er nur in meine Richtung und bezeichnet mich als eine Spinnerin… Er kam ins Stolpern. Man könnte meinen, dass das noch nichts zu bedeuten hatte, aber Natsu war sich sicher, dass er und Happy eindeutig die einzigen waren, die sie als eine ‚Spinnerin‘ des Öfteren bezeichneten. Da gab es keine anderen Personen, die diesem Wort gerecht wurde. …Ständig redet er davon, dass ich zu seinen Nakama gehöre. Aber ich kann darauf nicht mehr mit vollem Herzen lächeln. Es tut wirklich weh zu wissen, dass ich nur sein Nakama bleiben werde. Denn er zeigt generell kein Interesse gegenüber dem weiblichem Geschlecht. Und schwul ist er auch nicht, falls du daran denkst, Mama… Diese Worte verstand er nicht wirklich. Er war doch an ihr interessiert! Immerhin beschützte er sie gerne mit seinem Leben und wenn sie traurig war, versuchte er sie aufzumuntern, wenn sie seine Hilfe beim Bezahlen ihrer Miete benötigte, war er immer da. Doch letzten Endes war das scheinbar der Grund dafür, dass er derjenige war, der ihr die meisten Schmerzen zufügte. Das hatte er niemals gewollt. Niemals. Sein Herz schien, sich bei dem Gedanken zusammen zu ziehen, dass er die Schuld daran trug, dass ihr Lächeln von Tag zu Tag unechter wirkte und das ihre Augen an Glanz verloren hatten. Lucy sollte es gut gehen. Das war doch seine Aufgabe als ihr bester Freund! …Levy-chan hat mit vor ein paar Monaten gesagt, dass ich sicherlich über ihn weg kommen würde. Du verstehst sicherlich, wie schlimm es wäre, wenn man sich in den besten Freund verliebt hat. Das zerstört die Freundschaft und das will ich nicht. Ich will ihn keinesfalls als Freund verlieren, Mama. Aber ich kann meine Gefühle für ihn einfach nicht mehr länger verdrängen. Egal, wie oft ich mit anderen ausgehe, immer wieder erwische ich mich dabei, wie ich an ihn denke… Monate? Wie konnte es ihm nach so einer langen Zeit niemals aufgefallen sein? Er war wohl wirklich ein Idiot. Was würde aus ihnen werden? Lucy hatte Recht. Es war zwar nicht so, als würde es ihre Freundschaft zerstören, aber Natsu wusste ganz genau, dass es zwischen ihnen nichts mehr so sein würde wie zuvor. Wie könnte er sie genauso behandeln wie zuvor, wenn er darauf stets Acht geben musste, was er in ihrer Gegenwart ihr sagte? Er müsste stets darauf achten, dass seine Worte sie nicht verletzen würden. Darin war er alles andere als gut. Dass sie ihre unzähligen Dates in dem Brief erwähnt hatte, machte das Ganze auch nicht besser. Er wollte nicht an diese Deppen erinnert werden, die sie nur für ihr Aussehen wollten. Zu mindestens haben sie alle recht oberflächlich auf ihn gewirkt. Sie hatte jemand Besseren verdient. Also warum ausgerechnet er? Den endgültigen Beweis, dass es sich tatsächlich um ihn handelte, lieferten ihre Abschlussworte. …Er ist ein wirklich sturer Kerl. Deshalb wird er wahrscheinlich nie aus meinem Herzen verschwinden. Na ja, ich muss langsam Schluss machen, Mama, er kommt sicherlich bald mit Happy vorbei und bis dahin sollte ich noch einkaufen gehen, da er meinen Kühlschrank mal wieder leer gefuttert hat. Natsu ist wirklich ein Vielfrass. Nie ist er ruhig und extrem unordentlich und gewalttätig ist er auch. Mama, ich wollte mich immer in einen gut aussehenden, selbstbewussten und gebildeten Mann verlieben. So eine Art Prinz. Ein Prinz ist Natsu ganz bestimmt nicht. Immerhin ist er der Sohn eines Drachen. Wobei das gar nicht einmal so schlecht klingt. Ich fühle mich sicher. Bis zum nächsten Mal, Mama. Deine Tochter Lucy Inzwischen war der Rosahaarige bei sich zu Hause angekommen. Drinnen ließ er sich auf sein eigenes Bett fallen. Was sollte er jetzt machen? Er konnte den Inhalt des Briefes nicht einfach ignorieren, nicht nachdem sie ihn dabei erwischt hatte, dass er diesen Brief an ihre Mutter gelesen hatte. Wahrscheinlich würde er mit ihr darüber reden müssen. Aber wie sollte das gehen? Er hatte keinen blassen Schimmer, wie man so ein Gespräch anfangen könnte! Es war ja nicht so, als könnte er zu ihr hingehen und sagen ‚Hey, Lucy, ich weiß Bescheid über deine Gefühle mir gegenüber. Wir sollten darüber reden‘. Das klang doch vollkommen bescheuert! Das Schlimme war jedoch, das Natsu nicht wusste, wie er mit so etwas umzugehen hatte. Immerhin war es das erste Mal, dass jemand ihm gegenüber derartiges empfunden hatte. Zu mindestens wusste er von keinen weiteren Vorfällen. „Also, was soll ich tun?“ Warum tat er das eigentlich? Ach ja, er brauchte jemanden, mit wem er über die Sache reden konnte, da er damit niemals alleine fertig werden würde. Ihm fehlten jegliche Ansätze, das Problem aus der Welt zu schaffen. Happy wäre für so etwas ungeeignet, mit Lucy konnte er darüber nicht reden, dass es eben um sie ging, also blieb ihm nur noch eine Person, welche er mit so einem Thema anvertrauen würde. „Natsu, bist du dir sicher, dass sie dich gemeint hat?“, fragte Lisanna nach und legte ihren Kopf schief. Sie schien ihrem Sandkastenfreund nicht wirklich, Glauben zu schenken. Immerhin war ihr nicht bewusst gewesen, dass er so etwas verstehen konnte. Selbst wenn es so deutlich dastand. Immerhin ging es um Natsu. Er schaffte es immer wieder, etwas falsch zu verstehen. „Natürlich, sie hat meinen Namen geschrieben. Ich bin doch nicht blöd, Lisanna!“, gab er ein wenig schmollend von sich und verschränkte seine Arme vor sich. „Also?“, fügte er ein wenig ungeduldig hinzu. Er wollte endlich sein Problem lösen können. Je eher desto besser! Die Weißhaarige seufzte und stand auf. Sie füllte ihr Glas mit Orangensaft auf und setzte sich wieder an den Tisch. Es war eine gewaltige Überraschung für sie gewesen, ein Klingeln an ihrer Eingangstür zu vernehmen. Umso überraschter war sie gewesen, als sie Natsu vor der Tür stehen gesehen hatte mit einem wirklich gequälten Gesichtsausdruck. Seltsamerweise hatte sie bereits geahnt, wer für diesen Gesichtsausdruck verantwortlich war. Es konnte nur wegen einer bestimmten Person sein. Denn nur dies würde erklären, warum er nun sie aufgesucht hatte und eben nicht eine gewisse Blondine aus seinem Team. Sie hatte ihn zu dem Tisch gezogen und sich angehört, was er zu sagen hatte. Nachdem sie ihn sich angehört hatte, konnte sie es teilweise nicht fassen. Würde es endlich dazu kommen, worauf alle in der Gilde gewartet hatten? „Und du hast es tatsächlich nie bemerkt, Natsu?“ „Nein!“ „Du bist so ein Blödmann, Natsu. Lucy tut mir wirklich leid…“ „Hä…? Was soll das denn jetzt heißen?“ „Na, das Lucy in dich verliebt ist, das hättest du von selbst merken müssen. Immerhin seid ihr immer zusammen. Und außerdem…die ganze Gilde wusste das auch bereits.“ „Eh? Wirklich?“ Er blickte ihr fassungslos entgegen. Alle hatten es gewusst? Nur er nicht? Jetzt fühlte er sich umso mieser. Wie konnte er sich ihren besten Freund nennen, wenn er nicht einmal seine beste Freundin wirklich zu kennen schien? Er verdeckte sein Gesicht mit seinen Händen. Sogar Gray hatte es gewusst! Das war irgendwie erniedrigend. „Wieso freust du dich nicht?“, durchbrach sie die Stille, die sich gebildet hatte. Nachdenklich musterte sie ihn, während sie an ihrem Glas nippte. „Warum sollte ich mich freuen? Wir können keine besten Freunde mehr sein!“ Verstand sie das Problem etwa nicht? Hätte er zu wem anders gehen sollen? Aber Lisanna kannte ihm am besten, immerhin kannten sie sich wirklich lange. Wenn nicht sie, wer dann? Sie war seine einzige Option. „Beste Freunde? Wieso solltest du das denn noch wollen? Natsu, ihr solltet ein Paar werden. Freundin und Freund. Liebhaber. Partner. Irgendwann ein Ehepaar. Oder was auch immer.“ Ihre blauen Augen waren ein wenig irritiert auf ihn gerichtet. Er blickte ihr nicht minder verwirrt entgegen. Was meinte sie denn jetzt bitte damit? Wieso mussten Mädchen auch immer in Rätseln sprechen? Das war doch viel zu kompliziert! Es ging doch auch viel einfacher! Wusste sie das etwas nicht? „Sag nicht, du…“, begann Lisanna, ehe sie ihr Glas abstellte und anfing zu kichern. Sie konnte es fast nicht glauben, was sich ihr da gerade offenbart hatte. Das konnte natürlich nur bei jemandem wie ihm der Fall sein. Wieso war sie nicht darauf gekommen? Jetzt wusste sie auch, worin das Problem lag und wieso er überhaupt zu ihr gekommen war. Sobald sie sich beruhigt hatte, lächelte sie ihn an. „Natsu, dein Problem ist ganz einfach zu lösen.“ Das Gesicht von dem Feuermagier hellte sich mit einem Mal auf und er wirkte begeistert. „Wirklich? Wie? Was soll ich machen, damit alles wieder in Ordnung ist?“ „Küss sie und sag ihr, dass du sie auch liebst, du Idiot.“ Erneut herrschte Stille, dieses Mal war es jedoch eine der angespannten Art. Während sie ihn weiterhin wissend anlächelte, schien ihr Gegenüber erstarrt zu sein. Ob sie es hatte anders formulieren sollen? Nein, anders hätte er es nicht geschnallt. Bei ihm musste man direkt vorgehen. Vorher hat sie nicht verstehen können, warum er sich nicht darüber gefreut hatte. Doch seine Reaktion sagte eines aus: er hatte absolut keine Ahnung, dass er selbst in Lucy vollkommen verschossen war. Ein leises Seufzen verließ ihre Lippen. Die Blondine hatte sich da jemand wirklich Komplizierten auserkoren. „I-ich soll was?“, gab er schließlich von sich und sie konnte schwören, dass seine Wangen einen rötlichen Ton dabei angenommen hatten, was sie erneut kichern ließ. Er konnte ja so süß sein! „Du hast mich schon verstanden, Natsu.“ „Aber…aber warum?“ Seufzend richtete Lisanna sich auf. Es lag wohl an ihr, den armen Kerl über seine eigenen Gefühle aufzuklären. „Es gibt da einen ganz einfachen Test. Wenn der positiv ausfällt, bedeutet das, dass du Lucy liebst und das im romantischen Sinne und nicht bloß als Nakama. Bist du dazu bereit, Natsu?“ Dabei zog sie ihn an seinem Arm, sodass er gezwungen war, von seinem Stuhl aufzustehen. Sobald sie ihn aufgezogen hatte, stellte sie sich vor ihn. Ihre Arme schlang sie um seinen Nacken, sodass sie sich näher an ihn drücken konnte. Dass ihre Aktion ihn durchaus verdattert drein blicken ließ, kümmerte sie momentan nicht. Immerhin war es nur ein Test. Als sich jedoch ihr Gesichts einem näherte, bekam Natsu es mit der Panik zu tun. Was hatte Lisanna vor? Wieso kam sie ihm näher und hielt nicht an? Ihre Augen schlossen sich und er meinte gleich ihren Atem spüren zu können. Sein Körper schien zu erstarren. Er war sich so unsicher. Er wollte das nicht! Sie sollte ihm nicht so nah kommen! Es war nicht so, als konnte er ihre Nähe nicht leiden. Doch schien er diese in jenem Moment nicht zu begehren. Er wollte sie nicht. Nein. Er wollte Lucys Nähe. Nicht Lisannas. „Und? An wen hast du gerade gedacht?“, fragte sie ihn und hielt kurz vor seinen Lippen inne, nur um sich darauf auch schon vollkommen von ihm zu lösen. Er blickte sie dabei irritiert an. War das ihr Test gewesen? Wozu sollte der denn gut sein? „Lucy…“, antwortete er mit einem Mal, als schien er, mit einem Mal etwas verstanden zu haben, „ich habe an Lucy gedacht…“ Die Erkenntnis war auf seinem Gesicht deutlich abgezeichnet. Er umarmte seine weißhaarige Freundin und grinste. „Danke, Lisanna!“ Und kurz darauf eilte er auch schon aus ihrem Haus. Jetzt wusste er, was er zu tun hatte. Lange nicht mehr hatte Natsu sich so beeilt, zu Lucy zu kommen. Er hatte es im Gefühl, dass sie noch Zuhause war. So wie er sie kannte, würde sie nicht die Gilde aufsuchen. Nicht nachdem er einfach aus ihrer Wohnung gestürmt war, nachdem er den Brief gelesen hatte, welcher nicht für seine Augen bestimmt gewesen war. Zuallererst würde er sich dafür entschuldigen müssen. Das war wirklich nicht richtig gewesen, doch irgendwie hatte ihn die Panik gepackt, als er das gelesen hatte. Immerhin war das eine große Neuigkeit für ihn gewesen. Bei ihr angekommen machte er das noch immer offene Fenster aus. Wie er das zu deuten hatte, war er sich nicht sicher. Jedoch hatte er keine Zeit zu überlegen, er hatte etwas zu klären. Mit Leichtigkeit kletterte er die Hauswand empor und schlüpfte in ihr Schlafzimmer durch das Fenster. Dieses schob er hinter sich vorsichtig herunter. Verwundert sah Natsu sich um. Er konnte Lucy nicht ausmachen. Aber dann hörte er etwas, worauf er seine Brauen zusammen zog. Daran hatte er gar nicht gedacht. Das war seine Schuld. Mit leisen Schritten schlich er zu der Badezimmertür und horchte noch einmal. Eindeutig. Sie war seinetwegen am Weinen. Er konnte ihre salzigen Tränen sogar recht gut riechen. Das musste er schleunigst in Ordnung bringen. Ohne anzuklopfen, öffnete Natsu die Tür. Er brauchte sich nicht groß umsehen, um sie ausfindig zu machen. Lucy saß zusammengekauert in ihrer leeren Badewanne. So wollte er sie eigentlich gar nicht sehen müssen. Er mochte es wirklich nicht, wenn sie traurig war, aber wenn sie weinte, wurde das Ganze um ein weiteres schlimmer. Zusätzlich kam noch die Tatsache hinzu, dass er sie wohl dazu getrieben hatte. Ihren Zustand hatte er zu verantworten. Er alleine. „Lucy…“, kam es leise von ihm, doch sie hörte ihn. Das Mädchen schreckte auf und blickte kurz in seine Richtung, ehe sie sich wieder abwand und ihr Gesicht in ihren Händen vergrub. Ihre Augen waren gerötet gewesen und überhaupt war ihr Gesicht von ihren Tränenspuren durchzogen. Erneut vernahm er ihr Schluchzen. Wirklich. Das wollte er nicht hören. Es musste aufhören. So trat er näher zu ihr heran, bis er schließlich bei ihrer Badewanne zum Stehen kam. „Wieso weinst du, Lucy?“, fragte er ruhig, während er ihre Hände aus ihrem Gesicht entfernte. In sein Gesicht wollte sie scheinbar jedoch nicht blicken, da sie ihren Kopf zu Boden senkte. Bei seiner Frage hielt sie in ihrem Schluchzen inne. Er meinte, sie schnauben zu hören. „Hör auf…“, hauchte sie, „du brauchst nicht so zu tun, als wäre alles in Ordnung. Das ist es nämlich nicht!“ Ihre Stimme wurde lauter und sie riss ihr Hände aus seinem Griff und sah in die andere Richtung. „Aber Lucy…“, fing er an. „Nicht ‚aber Lucy‘! Wieso hattest du den Brief lesen müssen, Natsu? Hättest du es nicht gelesen, ja, dann wäre alles in Ordnung! Wir könnten so bleiben wie wir waren. Das wäre viel besser gewesen als das hier, aber jetzt gibt es diese Möglichkeit nicht mehr!“ Nicht wirklich verstehend sah er in ihre Richtung. Was meinte sie denn damit? „Lucy, was meinst du damit?“ „Verkaufe mich nicht für blöd, Natsu! Ich weiß ganz genau, warum du abgehauen bist, sobald du mich gesehen hast! Und ich will keine Entschuldigungen hören!“, stieß sie aus und vergrub ihr Gesicht ein weiteres Mal in ihren Händen. Sie spürte die heißen Tränen, die ihr aus den Augen quollen und ihre Spuren über ihr Gesicht zogen. Ihr kam es so vor, als würde ihre Haut an jenen Stellen verätzen. Es schmerzte. Doch es war nicht ihr Gesicht, welches den Schmerz zu ertragen hatte. Nein, es war ihr Herz. Aber hatte sie es nicht vorher schon gewusst? Hatte sie es nicht geahnt? Sie hat es doch selber geschrieben! Er verstand so etwas wie Liebe nicht. Das hatte sie sich doch bewusst gemacht, also warum schienen alle ihre Hoffnungen, zerstört worden zu sein, in dem Moment als er durch das Fenster verschwunden war? Das Einzige, was sie wirklich hatte vernehmen können, war das Brechen ihres Herzens. Erst wenige Augenblicke später waren ihr die Tränen über das Gesicht gelaufen, denn erst dann hatte sie realisiert, dass ihr bester Freund über ihre Gefühle Bescheid wusste. Wie sollten sie nun wenigstens beste Freunde eben bleiben? Sie kannte die Antwort: gar nicht. „Es tut mir leid, ich wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte.“ Auch wenn sie ihm gesagt hatte, dass sie keine Entschuldigungen hören wollte, konnte er das nicht einfach so stehen lassen. Er beugte sich zu ihr runter und hob sie aus der Wanne. Überrascht quiekte sie auf und fing an zu zappeln. Natsu versuchte darüber hinweg zu sehen, was gar nicht mal so einfach war, da Lucy sich mit Händen und Füßen wehrte, dabei eindeutig das Risiko eingehend zu Boden zu fallen. Schließlich ließ er sie tatsächlich los, doch unerwartet landete sie weich. Sie lag auf ihrem Bett. Für einen Moment blickte sie überrascht in seine Richtung, ehe sie sich aufrichtete, sodass sie saß. Ihr Körper verspannte sich, als er sich neben ihr auf dem Bett niederließ. Die Stellarmagierin sah in eine andere Richtung. Wieso sagte er nichts? Es machte sie nervös. Er hatte sich bei ihr entschuldigt. Natürlich besserte es ein wenig ihre Laune, doch das allein würde nicht reichen, um sie zu beruhigen. Doch seine Entschuldigung hatte für sie einen Sinn ergeben, da sie es sich durchaus vorstellen konnte. Immerhin war er bis zum heutigen Tag nie mit so etwas in Berührung gekommen und mit einem Mal erfuhr er auf diese Art und Weise, dass ausgerechnet seine beste Freundin in ihn verliebt war. Wahrscheinlich hätte sie an seiner Stelle nicht anders reagiert. Was hieß wahrscheinlich? Als Mira ihr damals gesagt hatte, dass Natsu an ihr interessiert wäre, war sie ihm aus dem Weg gegangen und war der festen Überzeugung gewesen, dass dem tatsächlich so war. Es hatte sich als eine Schwindelei Miras herausgestellt. Ihre Gedanken wurden durch ein plötzliches Gewicht an ihrer Schulter unterbrochen. Seine rosa Haare kitzelten ein wenig ihre Schulter. Sie schluckte nervös. Wieso lehnte er sich denn mit einem mal gegen sie? Noch wichtiger war wahrscheinlich die Frage, warum sie ihn nicht von sich stieß. Warum tat sie das nicht? „Es tut mir so leid, Lucy. Ich wollte dich nicht traurig machen.“ Seine Worte durchbrachen die unangenehme Stille. Er wusste nicht, warum sie ihn nicht längst von sich geschubst hatte. Vielleicht hatte sie ja nichts dagegen einzuwenden? Er zu mindestens brauchte ihre Nähe. Das hatte nichts damit zu tun, wie es zwischen ihnen stand. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, sich von ihr fern zu halten. Seine Augen waren verschlossen. Am liebsten hätte er seine Arme um sie gelegt, doch etwas in ihm schien ihn fürs erste, daran zu hindern. „Weiß du, du hast recht, wir können keine besten Freunde mehr sein“, redete er weiter. Mit Sicherheit war ihm ausnahmsweise bewusst, was sie darunter wohl verstehen würde. Damit es nicht dazu kam, dass sie ihn von sich stieß, was er als nächstes erwartete, schlang er auch seine Arme um sie und machte sie damit fast schon bewegungsunfähig ihren Oberkörper betreffend. „N-natsu…was sagst du denn da?“, gab sie deutlich nervös von sich und versuchte es, mit einem Lachen zu übertönen. Es war ein Schock für sie zu erfahren, dass ihre größten Ängste diese Situation betreffend dabei waren, sich als die bittere Wahrheit zu entpuppen. Konnte er ihr so etwas wirklich antun? Das war untypisch. Da musste mehr dahinter stecken. „Na, so wie ich das sagte. Wie sonst? Du bist wirkliche eigenartig Lucy…“, antwortete er ihr und sie konnte förmlich sein Grinsen spüren. Natürlich verwunderte sie es, mit was für einer Leichtigkeit er gerade ihre Freundschaft beendete. Sie wollte ihm wirklich eine kräftig reinhauen. Da würde ihm das Grinsen sicherlich vergehen, aber seine Arme hinderten sie daran und selbst wenn sie es nicht täten, könnte sie ganz bestimmt nicht die nötige Kraft dazu aufbringen. Außerdem war noch die Tatsache, dass seine Worte nicht mit seinen Handlungen übereinstimmten. Wieso umarmte er sie denn so? Auf die Weise beendete man doch nichts! Sie nahm tief Luft. „Was sollen wir dann sein, Natsu?“, fragte die Blondine vorsichtig nach und wagte es, in seine Richtung zu sehen. Es überraschte sie dabei, auf seinen Blick zu treffen, welcher für einen Moment nachdenklich auf sie gerichtet war. Er hatte sich an die Worte Lisannas erinnert. Wieso sollte er das nicht genauso wiedergeben? Irgendwie waren sie doch recht passend formuliert gewesen. „Beste Freunde? Wieso sollte ich das denn noch wollen, Lucy? Wir sollten ein Paar werden. Freundin und Freund. Liebhaber. Partner. Irgendwann ein Ehepaar. Oder was auch immer.“ Bei seinen Worten blinzelte sie ihm irritiert entgegen, ehe sie lächeln musste. „Wer hat dir denn so viele große Worte beigebracht?“ Sie wirkte fast schon amüsiert. Es klang eigenartig aus seinem Mund so eine Abfolge von Worten zu hören. Dennoch ließ es sie erröten. „Lisanna. Ich war vorhin bei ihr gewesen, immerhin hast du mich mit diesem Brief wirklich überrascht, Lucy.“ „Lisanna…?“ Lucy gefiel es nicht wirklich, dass er seine weißhaarige Freundin aufgesucht hatte, denn ob sie es wollte oder nicht, aber sie sah diese wirklich als Konkurrenz an, da diese Natsu viel länger als sie kannte. Natürlich war es blödsinnig, wegen so etwas eifersüchtig zu werden, besonders wenn man in Betracht zog, dass er sie gerade umarmte und nicht Lisanna. „Was ich damit sagen wollte ist, dass du…also du brauchst nicht mehr nur die beste Freundin sein.“ Dabei löste er seine Arme von ihr und lehnte sich zurück, sodass er auf dem Bett lag. Mit einer Hand versuchte er sein Gesicht zu verdecken. In seinen Gedanken hatten seine Worte sich völlig harmlos angehört. Gerade eben war der Rosahaarige sich jedoch ziemlich albern vorgekommen. Auch spürte er deutlich, wie seine Wangen sich viel wärmer anfühlten, als es sonst der Fall war. Mit ihren braunen Augen blickte Lucy neugierig in seine Richtung. Hatte sie das richtig verstanden? Er wollte mehr sein? Doch aus welchem Grund? Wollte er das nur ihr zu Liebe? Damit er sie nicht mehr verletzen musste? Vorstellbar wäre es ja schon. Denn Natsu würde so einiges für seine Nakama tun. Sie musste es wissen. Zum Sprechen kam sie jedoch nicht, da ihr Gegenüber mit einem Mal wieder hochschoss und in ihre Richtung grinste. „Ich hab etwas vergessen.“ „Na-…“, fing sie an, da sie das nicht verstand, doch da lagen auch seine Hände auf ihren Wangen und kurz darauf auch seine Lippen auf den ihren, worauf jegliche Gedanken sich in Luft auflösten. Sie wurden unwichtig. Nach dem sie den Schock überwunden hatte, schlang sie ihre Arme um seinen Nacken und begann den Kuss zu erwidern. Vergessen war für sie der ganze Schmerz. Alleine die Gefühle des Glücks, welche in ihr emporstiegen, besaßen eine Bedeutung. Ihr Herz würde wahrscheinlich bald vor Freude zerspringen. Zu mindestens kam es Lucy gerade so vor. Es fühlte sich so gut an, seine warmen Lippen auf den ihren zu spüren. Neben den ganzen Glückshormonen wurde ihr wirklich warm und es lang sicherlich nicht nur an seiner Nähe. In ihrem Bauch tobten die Schmetterlinge. Kein Wunder also, dass sie enttäuscht wirkte, als der Kuss auch schon vorbei war. Ihre Augen waren auf die seinen geheftet. Ihre Atmung war unkontrolliert, was bei ihm auch nicht anders war. Auch wenn ihr der Sauerstoff momentan zu fehlen schien, wollte sie erneut diese Glücksgefühle spüren und diese Wärme tat wirklich gut. Für einen Moment war es ihr sogar egal, ob er ihre Gefühle erwiderte oder nicht. Sobald die Erkenntnis jedoch in ihrem Kopf wieder vorhanden war, wollte sie ihn von sich schieben. Jedoch hinderten seine Arme sie daran, die um sie geschlungen waren. Wann er diese geschafft hatte, um sie zu legen, war ihr nicht bewusst. „Gehe nicht, Lucy“, hauchte er ihr gegen ihre Lippen. Seine schwarzen Augen schienen seinen Worten Nachdruck zu verleihen. Zweifellos konnte sie in ihnen die Sehnsucht erkennen, aber doch nicht etwa nach ihr, oder? Das konnte nicht möglich sein. Wieso sollte er sich ausgerechnet nach ihr verzerren? Wahrscheinlich bildete sie es sich nur ein. „Ich liebe dich, Lucy, also weine nicht mehr.“ Überrascht blickte Lucy ihm entgegen und meinte ihren Ohren nicht so ganz trauen zu können. Wie kam es, dass sie gerade so etwas gehört hatte? Waren ihre Wunschvorstellungen, ihr zu Kopf gestiegen? Das wäre wirklich nicht gut. Weitere Gedanken zu formulieren, war ihr erneut nicht möglich, da diese ein weiteres Mal durch einen Kuss unterbrochen wurden, worauf ihre Arme wieder den Weg in seinen Nacken fanden. Sie spürte die Leidenschaft, die präsenter war als im vorherigen Kuss. Ihr ganzer Körper schien von diesem elektrischen Gefühl, durchzogen zu werden, während ihr Herz vor Aufregung immer lauter und schneller schlug. Hatte er das ernst gemeint? Sie war sich da nicht so sicher. Doch so wie der Kuss sich angefühlt hatte. Da mussten doch einfach wahre Gefühle dahinter stecken! Oder war der Dragon Slayer einfach nur ein guter Küsser? Sie vernahm die zunehmende Hitze in ihren Wangen. Bei Mavis! Sie wollte mehr. Viel mehr. Beim Lösen des Kusses keuchte sie leise und sah ihren Gegenüber mit leicht verschleierten Augen entgegen. Sie liebte ihn so sehr. Sie wusste zwar nicht wirklich seit wann es tatsächlich der Fall war, doch bewusst war es ihr schon lange. Doch spielte dies nur eine geringfügige Rolle, denn sie war in seinen Armen, sie war in diesem Gefühl, in seinen Küssen, von welchen sie noch viele weitere bekommen wollte, gefangen. Vor allem war sie in seinen dunklen Augen gefangen, die sie nicht freigeben wollten. „Ich habe das ernst gemeint, Lucy…ich werde mich nicht wiederholen…“, kam es von ihm, sobald seine Lunge mit genügend Sauerstoff gefüllt war. Er wollte nicht jene Worte erneut wiederholen müssen. Das machte ihn verlegen und er mochte dieses Gefühl gar nicht, da er es nicht gewohnt war, dass ihm jegliche Worte fehlten, denn dies war eigentlich nur der Fall, wenn Erza ihm drohte. Ein Lächeln bildete sich auf ihrem Gesicht und sie lehnte sich gegen seine Brust und schloss ihre Augen. Solange sie diese Wärme und dieses Glück empfinden konnte, hatte sie nichts dagegen, seine Gefangene zu sein. Dann sollte er eben ihr Drache sein und sie war dann die Prinzessin, die er bewachte. Daran hatte sie wirklich nichts auszusetzen. „Ich liebe dich, Natsu“, wisperte sie. Eine Antwort bekam sie jedoch nicht darauf. Verwundert entfernte sie sich also einen Stück von ihm und blickte ihn ein wenig verwirrt mit ihren braunen Augen an, nur um festzustellen, dass er verlegen in eine andere Richtung sah. Ein Kichern verließ ihre Lippen ehe sie sich wieder an ihn drückte. Sie würde schon bald, die Worte wieder zu hören bekommen. Hieran hatte sie wirklich nichts auszusetzen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)