Zwei Leben ... von Pretty_Crazy (eine Liebe) ================================================================================ Kapitel 7: Freud und Leid ------------------------- Seit dem nächtlichen Besuch der arroganten Reiter, sind einige Tage ins Land gezogen und inzwischen hat der Winter die Umgebung fest in einem eisigen Griff. Die Natur ist erstarrt und die sonst grünen saftigen Grasflächen und Baumkronen sind von einer dicken Schneeschicht umhüllt. Die kahlen Bäume recken ihre dürren Äste wie klagende Hände in die Luft, die vor Frost zu knistern scheint. Die Kälte steigt einem in die Knochen und hat eine sehr lähmende Wirkung. Die Finger schmerzen und wirken unbeweglich und beim Einatmen der eisigen Winterluft schmerzen Hals und Brustkorb. Die einzige Wärme findet sich nun nur noch an der Kochstelle im Haus, deren Luft von Rauch geschwängert ist. Früher hat sie den Winter lediglich als eine unangenehme Zeit empfunden, aber unter diesen Bedingungen ist es eine regelrechte Tortur. Selbst in dieser Zeit kommen die Bauern nicht zur Ruhe. Sie müssen das Getreide dreschen, Holzfällen, Hecken- und Reben schneiden, Reparaturen an Werkzeugen vornehmen, ebenso wie an Gebäuden und Zäunen. Das Vieh muss versorgt werden, die Schafwolle muss aufbereitet und es muss Gesponnen und Genäht werden. Trotz der kürzeren Tage und der langen Nächte ist der Tagesablauf von Arbeit beherrscht. Solche Unannehmlichkeiten bleiben dem Adel gänzlich erspart. Edelleute vertreiben sich die Zeit mit der Jagd oder verbleiben häuslich bei Brett-, und Kartenspielen am warmen Kaminfeuer. Hinata schämt sich dafür, wenn sie daran denkt stets über diese Jahreszeit gejammert zu haben. Sie hat sich über Nichtigkeiten beschwert, wie der Verzicht auf bestimmte Lebensmittel oder die wenigen Möglichkeiten ihre Freizeit verbringen zu können. Jetzt hätte sie einen Grund zu jammern, ebenso wie jeder andere Bewohner dieses Bauerndorfes jammern könnte. Es tut jedoch niemand. Niemand beschwert sich, was vielleicht auch daran liegen mag das der Klerus den Menschen predigt, dass Gott allein über sein Leben entscheidet und das der Lohn für ein hartes und entbehrungsreiches Leben im Jenseits wartet. Das kann ein jeder glauben oder nicht. Bisher hat sie das als Wahrheit betrachtet. Ein vorgeschriebener, fester Lebensweg der nur allein von Gott beeinflusst werden kann, aber inzwischen beginnt sie zu zweifeln. Warum sollte Gott Menschen bewusst leiden lassen? Er ist der heilige Vater, der alle Sünden vergibt und gnädig zu seinen Kindern ist. Warum lässt er Kinder sterben oder als Waisen aufwachsen? So viel Elend und Not. Was hat Gott davon? Die Dorfbewohner gehen regelmäßig in Gottesdienste. Sie beten für eine gute Ernte und danken dem Herren, für alles bisher erreichte. Trotz der Gebete und trotz der strikten christlichen Lebensweise, scheint der Herr keines seiner Kinder zu erhören. Sie müssen immer um ihres Existenz kämpfen. Das kann einfach nicht im Interesse des Allmächtigen sein. Zitternd und ihren Umhang fest um sich schlingend, stapft Hinata durch den knöchelhohen Schnee auf Naruto zu, der dabei ist einen Karren mit einigen wenigen Lebensmitteln zu beladen. Brot, Fleisch, Obst und Gemüse. Alles findet seinen Platz auf der kleinen Ladefläche des einachsigen Pferdewagens, vor dem auch bereits ein eingespanntes Pferd steht. Auch dem Bauernsohn ist kalt, was allein schon daran auffällt, dass er immer wieder kurz inne hält, seine Hände vor den Mund legt und versucht sie mit seinem Atem zu wärmen. Er ist auch das Arbeiten unter diesen Bedingungen gewöhnt, aber dadurch fällt es nicht leichter aus. „Brauchst du Hilfe?“ Kurz schaut Naruto zu der zitternden Fürstentochter, ehe er schwungvoll den letzten Sack in den Karren wuchtet und lediglich den Kopf schüttelt. Seid dem Kälteeinbruch verrichtet Hinata mehr Dinge im Haushalt, da die anfallenden Arbeiten draußen meist nur Männer erledigen können. Trotzdem stand sie schon in der Scheune und hat Getreide gedrescht. Den ganzen Tag hat sie mit einem Stock, an dessen Ende ein bewegliches Holzstück befestigt ist, auf das Getreide eingeschlagen. Beim Dreschen werden die Getreidekörner aus den Ähren heraus gelöst und das dadurch entstehende Gemisch aus Stroh, Spreu und Körnern wird in zwei Schritten voneinander getrennt. Von allen bisherigen Arbeiten, die sie machen musste, war dass mit Abstand am anstrengendsten. „Wenn du willst, kannst du mich aber begleiten. Ich will dir was zeigen.“ Hinata ist einverstanden, wenn auch etwas verwirrt. Zusammen brechen die Beiden schließlich auf und da der Karren keine Sitzfläche bietet, müssen sie den gesamten Weg zu Fuß bewältigen. Eine lange und beschwerliche Strecke durch Schneeverwehungen und über schlechte Straßen. Die dazu kommende Kälte ist eine zusätzliche und dauerhafte Belastung. Die Laune ist nicht die Beste, weswegen Gespräche ziemlich dürftig ausfallen oder gar nicht erst stattfinden. Im Dorf sind im Moment alle leicht reizbar. Selbst die Kinder besitzen eine durchgängig Unzufriedenheit und stellen sich oftmals stur und den Eltern rutscht deswegen schon mal schneller die Hand aus. „Wo gehen wir hin?“ „In eine kleine Stadt, wenige Stunden vom Dorf entfernt. Wir sind auch gleich da.“ Unwissend verzieht die Fürstentochter das Gesicht und blickt auf den Rücken von Naruto, der unbekümmert seines Weges geht und dabei die Zügel des Pferdes fest in einer Hand hält. Wieso in eine Stadt, mit einem Karren voller Lebensmittel? Hinata weiß, dass einige Bauern zu Abgaben an ihren Grundherren verpflichtet sind, aber darunter zählen nicht die freien Bauern. Sie wirtschaften nur für sich selbst und müssen keine Abgaben leisten. Die Zwangsabgaben, die einen Großteil der gesamten Ernte aus macht, betreffen nur die halbfreien und unfreien Bauern. Für den Rest des Weges macht sich Hinata ihre eigenen Gedanken, bis ihre Aufmerksamkeit sich auf die ersten Häuser am Straßenrand richtet. Eigentlich sind es eher windschiefe Verschläge, durch deren Ritzen die Luft ins Innere pfeift. Vor einigen der Hütten sitzen Kinder, kaum noch in der Lage sich zu rühren oder wenigstens den Kopf zu heben und die, die sich noch bewegen können, schleichen in einigem Abstand hinter ihnen her. Hinata wirft immer wieder einen kontrollierenden Blick über die Schulter, wohin gegen Naruto sich weniger interessiert zeigt. Eigentlich ist die Stadt ein Dorf. Die Gebäude sind allesamt sehr notdürftig zusammen gezimmert und selbst im Zentrum dieses ärmlichen Ortes verbessert sich der Eindruck nicht. In den matschigen Straßen stinkt es nach Exkrementen, sowohl menschlichen als tierischen Ursprungs. Überall liegt Abfall und in einer Seitengasse beißen sich Hunde um ein paar verfaulte Reste. Vor einem der größten Gebäude stoppt Naruto den Karren und auch die beachtlich angestiegene Zahl an Kindern dahinter, bleibt schließlich stehen. Das jüngste Kind ist ein verdrecktes Mädchen, mit verfilzten brauen Haar und keinesfalls älter als vier. Sie klammert sich an die Hand von einem älteren Jungen, der vielleicht zehn oder elf ist. Sie blickt mit großen Augen zu Hinata die unendlich viel Mitleid, für diese Kinder empfindet. Sie wirken alle so schrecklich verloren. Niemand von diesen kleinen Menschen sagt etwas. Sie stehen bloß da, schweigen und warten. Worauf warten sie? Gerade als sich Hinata mit dieser Frage an Naruto wenden will, sieht sie auch schon wie ein klein gewachsener Mann, der Naruto gerade einmal knapp über die Brust reicht, freudig auf sie zu kommt. Trotz der schmächtig wirkenden Erscheinung, ziert ein dichter dunkler Vollbart das Gesicht des Mannes, der Naruto nahezu überschwänglich begrüßt, wie einen lang vermissten Verwandten. Es ist offensichtlich, dass die zwei Männer einander schon eine lange Zeit kennen und auch Hinata bleibt von dieser Freude des Wiedersehens nicht unberührt. Der Mann umarmt sie, weswegen sie einen hilflosen und etwas überforderten Blick auf Naruto wirft, der nur lächelnd mit den Schultern zuckt. Öffentliche körperliche Zuneigung dieser Art, ist gar nicht gerne gesehen und schon gar nicht zwischen zwei Mitgliedern aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten. Das wird als Sünde und krimineller Akt betrachtet. Wenn es zu Beobachtungen dieser Art kommt, so hat sich meistens die Frau dafür zu verantworten. Der Klerus stellt die Frauen als labil, zänkisch und verführerisch dar. Sie sind von Natur aus minderwertig und dem Mann körperlich und geistig unterlegen. Frauen gelten als ungebändigt, zügellos und widerspenstig und sollen erst vom Vater und später vom Ehemann zu Demut und Gehorsam erzogen werden. Die Kirche verteufelt den weiblichen Körper. Eine Tatsache, die Naruto nicht versteht und auch gar nicht verstehen will. Der Mann lässt schließlich wieder von Hinata ab und blickt freudestrahlend von einem zum anderen. „Willkommen, willkommen. Ist das schön euch hier zu haben.“ Er kennt Hinata nicht, freut sich aber dennoch sie willkommen heißten zu dürfen. Es ist wohl nicht besonders unangebracht diesen Mann als seltsam zu bezeichnen. Ein ziemlich hastig wirkender aber dafür liebenswerter kleiner Mann, der einen etwas zerstreuten Eindruck macht. Mit einem breitem Lächeln im Gesicht, tritt er wieder an Naruto heran, der nur die löchrige Decke von dem Karreninhalt zieht und somit die Ladung zur Sichtung frei gibt. „Ich bringe dir wieder ein bisschen was Conlin. Es ist nicht so viel wie letztes Mal. Die Ernte ist ein bisschen dürftig ausgefallen.“ „Ich freue mich doch über jeden Krümel, den du bringst.“ Conlin winkt einfach ab und ruft die Kinder zu sich, die mit begeisterten Lauten auf ihn zu laufen und den Karren in Windeseile abladen. Plötzlich erscheint es so, als wären ihre Lebensgeister geweckt worden. Sie lachen. Ehrliches Kinderlachen, welches durch die schmutzigen Straßen hallt und das Leben präsentiert. Es ist offensichtlich, dass Conlin die Führungsposition in diesem Dorf inne hat und sich um die Kinder kümmert. Ein Dorf, welches nur aus einem Erwachsenen und zahlreichen Kindern besteht? Hinata erscheint das sehr seltsam, doch sie täuscht sich. Die Kinder tragen die Lebensmittel in eines der Gebäude rein, wo die Fürstentochter nun auch Erwachsene sehen kann. Einige alte und krank aussehende Leute. Sie lächeln schwach, aber dankbar. Plötzlich dämmert es ihr. Spenden. Die ganzen Lebensmittel sind Spenden für die hier lebenden Leute. „Gut. Dann bis nächstes mal Conlin.“ „Habe vielen dank, mein Freund. Gott segne dich.“ Ein sehr kurzer, aber äußerst eindrucksvoller Aufenthalt. Während Conlin sich in das große Gebäude zurück zieht, wendet Naruto den Karren und macht sich auf, in Richtung Heimat. Ein wenig schockiert verweilt Hinata an Ort und Stelle und blickt dem Bauern hinterher, ehe sie zu ihm aufschließt und eine Weile schweigend neben ihm her geht. So ganz kann sie nicht verstehen, wieso er Lebensmittel verschenkt, von denen er selbst nicht viel besitzt und sie selbst gut gebrauchen kann. Ist das einfach nur reine Nächstenliebe? Ihr taten diese Kinder zwar leid, aber das Risiko eingehen selbst Hunger leiden zu müssen, nur weil er aus Mitleid eine gute Tat vollbringt, erscheint ihr etwas zu hoch. „Die Hälfte von ihnen wird den Winter nicht überleben.“ Erschrocken zuckt Hinata zusammen und richtet ihren Blick auf Naruto, der ernst in die Ferne blickt und weiter einen Schritt vor den nächsten setzt. Nur langsam wird ihr die Bedeutung seiner Worte klar und sie blickt schockiert auf die weiße Schneedecke. Die Hälfte von ihnen wird sterben. Viele der eben noch lachenden Kinder, werden in naher Zeit für immer verstummen. Ihre vorherigen Gedanken sind wie weg geblasen und haben einen ziemlich bitteren Nachgeschmack hinterlassen. Niemand hat den Tod verdient und schon gar nicht, wenn er hätte verhindert werden können. Über diese Erkenntnis ist sie entsetzt, weswegen sie schlagartig ihre Schritte stoppt und zu dem Dorf umdreht. Naruto geht nur wenige Schritte weiter, bleibt dann aber auch stehen und schaut zu ihr. „Kann man das verhindern?“ „Nur mit vereinten Kräften wäre es möglich. Wenn jeder dazu bereit wäre, den Schwächeren zu helfen, könnten diese Kinder erwachsen werden. Conlin nimmt sich ihrer an. Die Waisenkinder, die Alten und Kranken. Sie kommen her und kriegen Hilfe. Er kommt ursprünglich aus unserem Dorf und vor ungefähr zehn Jahren hatte er diesen Einfall gehabt und seitdem bekommt er von uns Unterstützung. Das, was wir nicht zwingend brauchen, geben wir ihm.“ „Aber es reicht nicht.“ Mit einem schon fast verzweifelten Ausdruck in den Augen, blickt die Fürstentochter wieder zu Naruto, der ihr mit diesem Dorf eine dunkle Seite der Gesellschaft gezeigt hat. Alles Menschen, die in der Gesellschaft keinen Halt finden und noch weniger Ansehen als die Bauern erhalten. Sie werden einfach ignoriert und vergessen. Auf ihre geäußerte Feststellung schüttelt Naruto zur zusätzlichen Bestätigung den Kopf. „Nein. Es hat noch nie gereicht.“ Dabei wäre es ganz leicht. Wenn jeder nur einen kleinen Anteil seiner Lebensmittel und Kleidung verschenken würde, dann gäbe es solch ein Elend nicht. Niemand müsste hungern oder frieren. Kein Kind müsste frieren und keines müsste sterben. All das vorhandenen Elend und die in Armut lebende Bevölkerung müsste nicht sein, wenn die Gesellschaft nur bereit wäre zu helfen. Das Teilen von Mahlzeiten. Das Bieten einer Übernachtungsmöglichkeit in einem gewärmten Raum oder die Schenkung alter Gewänder, für die andere Leute selbst keine Verwendung mehr haben. Es wäre so leicht und doch kommt es niemandem in den Sinn. Die Fürstentochter beginnt zu zittern. „Wieso hast du mir das gezeigt?“ „Es ist eine weitere Welt, die dir völlig fremd ist. Ich wollte dir klar machen, dass man mit allen Dingen, die einem zur Verfügung stehen, kostbar umgehen sollte. Verschwendung jeder Art betrachte ich als Verbrechen. Wie viel Lebensmittel haben deine Bediensteten täglich weg geworfen oder an die Hunde verfüttert?“ Eine genaue Angabe erwartet er gar nicht. Er erwartet darauf nicht einmal eine Antwort. Unumstritten ist jedoch die Richtigkeit seiner Worte. Die Reste, die von den Speisen übrig blieben, haben in den meisten Fällen die Hunde bekommen. Den Bediensteten ist es untersagt gewesen, sich etwas davon zu sich zu nehmen. Das dürfte sich auch bis jetzt nicht geändert haben. Ihr Vater hat sich schon immer sehr an der gesellschaftlichen Ständeordnung orientiert und seine Hausangestellten erbarmungslos getrieben. Keine Pausen und nur kurze, karge Mahlzeiten am Morgen und Abend. Warum sind die Unterschiede so groß? Warum maßt sich der Adel an besser zu sein, als andere Menschen? Warum hat sie sich das angemaßt? „Du sollt dir keine Vorwürfe machen. Bisher hast du solche Bilder nur nie gesehen. Man hat dir die verschönte Version beigebracht. Man hat dir Lügen gelehrt und ich zeige dir die Wahrheit. Wenn Gott gewollt hätte, dass manche Menschen im Dreck leben müssen, dann hätte er sie als Tier zur Welt kommen lassen. Ich glaube nicht an ein vorbestimmtes Leben, welches der Allmächtige uns vorschreibt. Ich glaube daran, dass jeder der etwas verändern will, dies auch kann.“ Für manch einen mag dies schon an Gotteslästerung grenzen, denn alles was der Klerus sagt, steht noch über dem König. Wenn die Kirche einen von Gott vorbestimmten Lebensweg predigt, dann entspricht das der Wahrheit. Für Naruto jedoch ist das einfach nur die einfachste Möglichkeit, um die Bevölkerung ruhig zu stellen und um eventuelle Ausschreitungen zu verhindern. Wenn die Leute glauben, Gott bestimmte ihren Weg, dann müssten sie sich bei Beschwerden direkt an ihn wenden und wer würde schon zum Allmächtigen beten und ihm nur Vorwürfe machen? Naruto macht niemanden für sein Leben verantwortlich. Er ist frei und hat die Möglichkeit es selbst zu bestimmen. Hinata ist diese Möglichkeit auch gegeben. Sie muss sie nur zu nutzen wissen. „Ist das nicht nur ein Tropfen auf den heißen Stein?“ „Auch ein steter Tropfen kann ein Fass füllen.“ Wahre Worte, aber wie lange dauert es, bis ein Fass von einem immer wieder kehrenden Tropfen Wasser gefüllt ist? Narutos Nächstenliebe ist nur ein Anfang. Er vollzieht Handlungen, welche die meisten Menschen nicht verstehen werden. Es gibt zu viel Egoismus in der Welt, als dass die Menschen bereit wären die Augen für die wirklich wichtigen Dinge zu öffnen. Hinata beginnt zu verstehen, dass sie in einer Welt aus Lügen und schönem Schein aufgewachsen ist. Ihr wurden keine bedeutenden Werte vermittelt. „Lass uns gehen.“ Naruto setzt sich wieder in Bewegung, während Hinata einen letzten Blick zurück tätigt, die Arme um sich schlingt und schließlich ebenfalls ihre Schritte vorwärts tätigt. Den ganzen Rückweg ist sich mit den Gedanken bei diesen Kindern. Speziell das kleine Mädchen geht ihr einfach nicht mehr aus dem Kopf. Wird sie auch mit zu denen gehören, die nicht durch den Winter kommen? So jung und schon zum Tode verurteilt. „Ich gebe dir einen gut gemeinten Rat: Denk nicht an sie.“ Verwundert richtet die Fürstentochter ihren Blick auf Narutos Rücken, der sich nicht einmal die Mühe gemacht hat, sich zu ihr umzudrehen. Er kann keine Gedanken lesen, aber er kann sich denken, woran die Fürstentochter denkt und damit sie nicht völlig verzweifelt, ist es einfach das Beste die Kinder zu verdrängen. Selbstschutz, aber das ist immer leichter gesagt als getan, weswegen Hinata seine Worte unkommentiert lässt. Sie kann einfach nicht nicht daran denken und je mehr sie es versucht, umso weniger gelingt es ihr. Ihr gesamtes Weltbild bröckelt auseinander. Je mehr Naruto ihr zeigt, um so fremder kommt sie sich in der Welt vor. Es entzieht sich ihrer Aufmerksamkeit, dass sie einen vollkommen anderen Heimweg nehmen und schließlich einen Pfad durch den Wald einschlagen. „Genieße es.“ Aus ihren Gedanken gerissen, blickt Hinata auf und schaut zu ihrem Begleiter, der nur freudig lächelt und sie schließlich hinter ihm einen zugefrorenen See entdeckt. Ein Anblick, der ihr den Atem stocken lässt und die trüben Gedanken einfach wegblasen. Es ist ein wunderschönes Gesamtbild aus Licht und Umgebung. Es scheint beinahe alles in einem zarten Violett zu schimmern und obwohl der Winter sonst immer ein klagendes und trostloses Bild vermittelt, ist dieser Anblick geradezu malerisch. Sie ist völlig sprachlos und geht mit starren Blick an dem Bauern vorbei, während Naruto ihre fast Begeisterung lediglich belächelt und sich gelassen an den Karren lehnt, wobei er die Arme vor der Brust verschränkt. Nach dem gesehenen Elend braucht sie diese Art der Ablenkung. Naruto hat gewusst, dass sie gedanklich nicht von den gesehenen Eindrücken fortkommen wird. Um ihr zu helfen ist dieser kleine Umweg einfach nötig gewesen. Mit aufkommender kindlicher Neugier und Freude betritt Hinata, langsam und zögernd die Eisfläche. Dagegen gibt es keine Einwände. Das Eis scheint dick genug zu sein und bei dem täglich anfallenden Arbeitspensum, ist es eine willkommene Abwechslung sich für ein paar Minuten etwas zu amüsieren. Nur dem Sohn Gottes ist es möglich über das Wasser zu gehen, aber wenn der Frost zuschlägt, dann ist es auch dem einfachen Menschen möglich. Aufgewachsen in der Stadt, ist Hinata solche Anblicke nicht gewohnt. Sie kennt gefrorenes Wasser nur aus den Pfützen in den Straßen und deswegen ist dieses Idyll für sie ein Wunder. Ein von Gott erschaffenes Wunder, welches sie in diesem Augenblick einfach nur genießen will. Die Erinnerungen an Conlin und seine Schützlinge, sind erst einmal vergessen. Lächelnd beobachtet Naruto die Fürstentochter, die in all ihrer Faszination eine Unschuld ausstrahlt, die ihn seinerseits fasziniert. Sie tänzelt geradezu über die Eisfläche und das mit einer Anmut, welche der Jungbauer bisher noch nie zu sehen bekommen hat. Plötzlich dringt ein Unheil verkündendes Geräusch an seine Ohren und er richtet seinen Blick auf die Eisdecke. Ein Knacken. Erst gleicht es nur einem leisen Knistern, doch dieses wandelt sich schnell in ein deutliches Krachen. Beinahe schon ein bedrohliches Brechen, dessen darauf folgende Risse sich in der Eisdecke ausbreiten. Sein Lächeln verblasst, stattdessen macht sich Panik in ihm breit. Er hat sich getäuscht. Die Eisdecke ist nicht dick genug. Hastig stößt er sich vom Karren ab und eilt zum Ufer. „Nicht bewegen!“ Hinata erstarrt an Ort und Stelle und blickt erschrocken zu Naruto, ehe sie selbst dieses bedrohliche Brechen von Eis vernimmt und zu ihren Füßen runter schaut. Sie sieht die Risse in der Eisfläche, unmittelbar unter ihren Füßen und drum herum. Schlagartig beschleunigt sich ihr Herzschlag und sie hebt nur langsam wieder den Kopf, um zu Naruto zu sehen. Sie tut dies so langsam, als wenn sie befürchtet, das selbst eine Augenbewegung zum Einbruch führen könnte. Die reine Panik ist in ihrem Blick zu erkennen. Sie hat Angst um ihr Leben, während Naruto nach einem Ausweg sucht. Kaum jemand in der Gesellschaft kann schwimmen und bei einem Einbruch im Eis, ist es nahezu unmöglich sich wieder an die Oberfläche zu kämpfen. Man ist dem Tode geweiht. „Du, du musst dein Gewicht verteilen. Geh langsam runter und leg dich flach auf das Eis.“ Hinata tut was Naruto ihr sagt, doch die Panik wirkt beinahe beherrschend. Das Eis knackt mehrfach, als sie sich auf die Oberfläche legt und innerlich um ihr Leben fleht. Ihr stehen die Tränen in den Augen und zittert am ganzen Körper. Immer wieder verlässt ein panisches Schluchzen ihre Lippen, während Naruto zurück zum Karren eilt und ein langes Seil von der Ladefläche zieht. Hastig bindet der Bauer das eine Ende des Seils an einen Baum, der nahe genug am Ufer steht und das andere Ende wickelt er ein paar Mal um seine Hand, ehe er selbst langsam die brüchige Eisfläche betritt. Ihm tritt der Schweiß auf die Stirn und sein Herz schlägt ihm bis zum Hals. Auch er hat Angst und auch er fürchtet um sein Leben und trotzdem rutscht er immer weiter auf Hinata zu. Sich selbst Mut zuredend und immer wieder zwischen Eisfläche und Hinata hin und her schauend, nährt er sich der vollkommen verzweifelten Fürstentochter und das unter ständigem Knacken des Eises. Das Seil hat jedoch nur eine begrenzte Länge und das zwei Armlängen von Hinata entfernt, die sich vor jeder Bewegung fürchtet und bei jedem weiteren Krachen und Brechen zusammen zuckt. Das Seil fest umklammernd, geht Naruto etwas in die Hocke und streckt seine freie Hand nach ihr aus. Er macht sich so lang, wie es sein Körper es zulässt. Er will sie unbedingt retten. Er will sie aus dieser Todesfalle holen. „Du musst vorwärts rutschen.“ Zitternd blickt Hinata auf das Eis unter sich und dann wieder zu Naruto, der ihr helfend die Hand entgegen streckt und dabei noch gar nicht in der Lage ist, sie zu greifen. Er riskiert sein eigenes Leben, um ihres zu retten. Unruhig atmend, mit langsamen, steif wirkenden Bewegungen, versucht die Fürstentochter auf der glatten Eisfläche vorwärts zu kommen. Jeder noch so kleine Abstand ist ein Erfolg und Naruto spricht ihr Mut zu. Er lobt sie und versucht sich ihr dabei noch weiter entgegen zu strecken. „Gut so. Nur noch ein wenig.“ Schließlich ist sie nahe genug an ihm dran und er schafft es ihre Hand zu fassen. Seine große und vernarbte Hand umschließt ihre kleine, beinahe schon zerbrechlich wirkende, doch wegen der harten Arbeit ist auch ihre einst zarte und weiche Haut sehr rau geworden. Ein Schwall von Erleichterungen und unendlicher Dankbarkeit durchströmt ihren schlanken Körper, obwohl noch längst keine Sicherheit herrscht. Die erste kleine Berührung seiner Finger lässt die nagende Panik abschwächen. Sie blickt ihm die Augen und kann in diesen ebenfalls einen großen Anteil an Erleichterung ausmachen. Er lächelt. „Ich habe dich.“ Trotz aufkommender Erleichterung sind sie beide noch in Gefahr und zusammen auf einem Fleck stellen sie eine doppelte Belastung für das ohnehin schon brüchige Eis dar. Kraftvoll zieht Naruto die Fürstentochter an sich vorbei, so dass sie ebenfalls nach dem rettenden Seil greifen kann und in einigem Abstand zueinander erreichen sie schließlich wieder das schneebedeckte Ufer. Dort angekommen lässt sich Hinata gleich auf dem Boden nieder, während Naruto die Hände in die Hüften stemmt und ziellos umher geht. Ihnen ist klar, dass sie dem Tod gerade nochmal entkommen sind und eine solche Erfahrung ist äußert unangenehm. Klar ist jedoch, dass Freud und Leid äußert dicht beieinander liegen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)