Sternenwalzer von CurlyHair (Was du liebst lass frei...) ================================================================================ Kapitel 1: Gelöbnis. -------------------- Freundschaft ist Liebe mit Verstand. Jean de La Bruyère Es war ein guter Tag. Alles war ganz so gelaufen, wie Patricia Davis es sich vorgestellt hatte. Die junge Hexe ließ sich zufrieden auf dem Sofa in ihrer neuen Londoner Wohnung nieder. Endlich ihre eigenen vier Wände, zusammen mit dem neuen Job im Ministerium ein toller Start in ein neues, eigenständiges Leben. Genüsslich trank sie einen Schluck ihres Tees und schaute sich um. Mithilfe der Magie waren ihre vier Wände schnell eingerichtet gewesen. Das cremefarbene Sofa harmonierte optimal mit dem dunkelgrünen Bahnen an der Wand, auf elfenbeinfarbenen Grund und dem dunklen Parkett. Alles war ganz nach ihrem Geschmack, schlicht aber schick, mit einem Hauch Kitsch. Sie war eine selbstbewusste Frau, die auf eigenen Beinen stand. Ein wenig Krimskrams stand ihr gut. Auf dem Regal gegenüber standen Schneekugeln. Ganz einfach, nicht magisch. Einfach nur Schneekugeln. Tracy, wie sie von ihren Freundinnen genannt wurde, liebte diese Muggeldeko. Von vielen Orten die sie bereist hatte und von vielen Sehenswürdigkeiten besaß sie eine solche mit Glitzer gefüllten Glas. Sie stand auf und ging in die angrenzende Küche, welche zwar nicht groß, aber doch gemütlich war. Da sie ohnehin selten kochte, schlicht, weil sie es nicht konnte, brauchte sie in diesem Raum nicht viel Platz. Die Tasche stellte sie in das Spülbecken, wo sie sich von Zauberhand selbst abwusch und wieder in das Regal räumte. Die junge Frau lächelte. Einen tollen Job, eine tolle Wohnung und die Magie – was brauchte sie mehr? Aber bereits wenige Wochen später sollte sie spüren, dass es mehr geben konnte und musste. Es war ein langer Arbeitstag gewesen. Im Büro für Internationalen Handel war es drunter und drüber gegangen, denn seit dem Krieg herrschte absolute Nulltoleranz für schwarzmagische Artefakte, was zum einen die Beziehungen zu einigen Ländern verhärtete, aber auch einen gewissen Schwarzmarkt förderte. Das gesamte Ministerium hatte zu kämpfen, die neuen Gesetze durchzusetzen und jede Einfuhr zu kontrollieren. Patricia routierte ihm Akkord, suchte Unterlagen herbei und stürzte sich in Aktenberge. Als eine Anwältin für Internationales Recht stand sie zwischen den Fronten, musste vermitteln zwischen denen die verkaufen wollten und denen die den Kauf ablehnten. Die Gesetze welchen Landes fanden nun Anwendung? Galt fleichfressender Schneckenschutz bereits als gefährlich? Es gab viele rechtliche Grauzonen und jemand musste diese ausbessern. Im Konferenzraum lieferten sich Unternehmer und wichtige Diplomaten hitzige Debatten. Anwälte, unter anderem Tracy und ihre Kollegen stellten ihre Ergebnisse vor. Erst gegen halb elf konnte sie ihr Büro verlassen. Das Foyer war nahezu leergefegt. Hier und da huschten Assistenten mit Aktenbergen vorbei, deren Chefs bereits längst zuhause bei ihren Familien waren. Da sie keinen eigenen Kamin besaß und man seit den Ereignissen des vergangenen Krieges nicht innerhalb des Ministeriums apparieren konnte, nahm sie den öffentlich Ausgang. Die kalte Novemberluft schlug ihr ins Gesicht und kühlte ihr hitziges Gesicht. Hoffentlich wurde sie nicht krank, bat sie. In solch einem Chaos würden ihre Kollegen ihren Überblick brauchen und jede helfende Hand. Nach einem prüfenden Blick, ob kein Muggel in Sichtweite war, apparierte sie. Das Haus in dem sie wohnte war durch und durch bezaubernd. Von außen sah es ganz so aus, wie jedes andere in der Straße, aber die Menschen die hier lebten waren alle der magischen Künste kundig und nur sie und ihresgleichen sahen die Wunder des Gebäudes. Sie wunderten sich nicht darüber, dass Eulen sichtbar angezogen waren von diesem Ort oder über die seltsamen Tiere, die man hin und wieder an den Fenstern der alten Pickles zu sehen bekam. Tracy betrat ihre Wohnung, hob die Post auf und ging in die Küche. Während sie den ersten Brief, eine Rechnung, öffnete, zauberte sie sich einen Tee. Es sich gemütlich machend, las sie das Schreiben. Zauberer bekamen selten Rechnungen, doch hatte sich auch unter dem jungen magischen Volk ein neuer Shoppingweg eröffnet. Magische Kataloge. Man tippte mit dem Zauberstab ein Produkt an und kurz darauf erhielt man das gewünschte Objekt, welches aber wieder verschwand, wenn man die Rechnung nicht zahlte. Für eine vielbeschäftigte Karrierehexe wie Tracy die optimale Einkaufsmöglichkeit. Es war durchaus praktisch, wenn man keine Zeit fand, in die Winkelgasse oder nach Hogsmead zu reisen. Die Eulen, welche die Rechnungen brachten, blieben für gewöhnlich, bis man ihnen das Geld gab, oder ihnen ein Schreiben für spätere Bezahlung überreichte. Tatsächlich hockte auf dem Fensterbrett eine betagte Schleiereule, mit einem kleinen Lederbeutel an der Kralle. Weil Patricia Dinge lieber sofort als gleich erledigte, holte sie ihren Geldbeutel, um ihren Einkauf zu bezahlen. Nach einem Eulenkeks, machte sich der Vogel wieder auf den Weg und die Hexe widmete sich ihrer Post. Ein weiterer Brief war von ihrer Mutter, ohne nennenswerten Inhalt und eine Karte aus Peru von ihrem Vater. Ihre Eltern lebten schon lange getrennt. Während ihr Vater, ein renommierter Professor magischer Archäologie, durch die gesamte Welt reiste, war Tracy bei ihrer Mutter und deren wechselnden Lebensgefährten aufgewachsen. Es war keine schlechte Kindheit gewesen und es war nicht so, dass ihre Mutter jeden Tag jemand anderen anschleppte. Merlin, nein! Mrs. Davis hatte nur einfach Pech mit den Männern. Diese wundervolle Gabe hatte sie an ihre Tochter vererbt. Es gab zwei Exfreunde in Patricias Leben. Beide hatten sich als Vollidioten herausgestellt. Aber es bekümmerte sie nicht. Sie konnte ohne einen Mann überleben. Ihr Leben stand erst am Anfang und ohnehin raubte ihr der Job alle Zeit und Energie. Den Beruf liebte sie zurzeit einfach mehr, denn im Gegensatz zu den Männern, konnte sie sich darauf verlassen, das Arbeit immer für sie da sein würde. Ein Brief war übrig. Er wirkte edel gemacht. Allein der Umschlag sah verboten teuer aus. Versiegelt war er mit dem Wappen der Familie Greengrass. Tracy wusste, dass es wichtige Neuigkeiten enthielt und ahnte genau welche. Ihre beste Freundin Daphne hatte in letzter Zeit häufig diese Anspielungen gemacht und das ganz gewisse Funkeln einer zukünftigen Ehefrau in den Augen. - Eine Hochzeitseinladung. Patricia hasste Hochzeiten, im Gegensatz zu anderen Frauen, konnte sie diesen überhaupt nichts abgewinnen. Ja, vielleicht lag das auch an der gescheiterten Ehe ihrer Eltern, aber sie traute diesem Bündnis zwischen zwei Menschen nicht. Das machte es nur komplizierter. Entweder man passte zusammen oder nicht. Man blieb zusammen oder trennte sich. Liebe brauchte keinen öffentlichen Beweis in Form einer Hochzeitsfeier. Die kostete Unmengen Geld, Zeit und Energie. Ein Scheidung das Doppelte. Natürlich war sie Trauzeugin der Braut und selbstverständlich hatte sie neben ihrem Job auch noch viele organisatorische Aufgaben der Hochzeit erledigt. Warum sagte sie nicht einmal nein? Aber als sie sah, wie Daphne auf den Altar zuschritt, auf dem Gesicht das glückseligste Lächeln, da sah Tracy es ein. Weil sie für ihre Freunde alles tun würde. Sie war dabeigewesen, als Daphne gefühlte tausend Kleider anprobiert hatte, um sich am Ende für das alte ihrer Mutter zu entscheiden. Sie hatte daneben gestanden, als Astoria Greengrass verschiedene Frisuren probierte, die am besten mit dem Kleid harmonierte. Sie hatte ihr kurz vor der Hochzeit der Braut ihre Schuhe geliehen, weil Daphnes Absatz abgebrochen war und sich nicht reparieren lassen wollte. Tracy liebte diese Schuhe abgöttisch. Dafür hatte sie hart gearbeitet und mehr als eine Überstunde gemacht. Aber ihre Freundin brauchte passende Schuhe. Also trug die Trauzeugin jetzt ein älteres, wenn auch hübsches Paar Pumps zu ihrem himmelblauen Kleid. Die Party war in vollem Gange. Es war eine riesige Feier – genau die Sorte Hochzeit, die Tracy am meisten verabscheute. Im Allgemeinen mied sie Menschenmassen und das kunterbunte Treiben. Während ihrer Schulzeit war sie stets unscheinbar gewesen, zumindest für eine Slytherin. Sie hatte sich aus den Konflikten herausgehalten und meist ihren Mund gehalten. Im Gegensatz zu ihrer ehemaligen Schulkameradin Pansy Parkinson, jetzt Nott, wusste Patricia genau, wann es besser war, still zu bleiben. Sie beobachtete lieber, wertete aus und interpretierte nichts. Für sie zählten Fakten. Gerüchte zählten da nicht dazu. Doch zu ihrem Unglück hatte man sie mit Pansy an einen Tisch gesetzt, welche sich echauffierte über Astoria Greengrass. Vor kurzem war diese mit Draco Malfoy auf einer Feier erschienen und die beiden hatten ihre Beziehung bekanntgemacht. Was sollte man an dieser Stelle mehr sagen, als dass Pansy nie über ihren Schulschwarm hinweggekommen war? Folglich war jede Frau an seiner Seite eine billige Sabberhexe, die hässlich, dumm und eingebildet war. Anstatt wie ein kluger Mensch zu handeln und das Paar zu ignorieren oder wenigstens höflich zu sein, lästerte die Schlange auf einem Niveau welches weit tiefer als ihr Ausschnitt lag und dieser war für eine Hochzeit schlicht unangebracht. Tracy bekam Kopfschmerzen und verfluchte innerlich Merlin und die Welt, aber ganz besonders wüschte sie sich, Pansy zum schweigen zu bringen, die seit geschlagenen zwei Stunden kaum ein anderes Thema fand als Astoria. Doch gutmütig wie Tracy war, verbot sie ihr nicht den Mund, sondern ließ sich hin und wieder dazu hinab, die Schwester der Braut zu verteidigen. Sie mochte Astoria wirklich sehr gerne und ihr fielen tausend Gründe ein, warum das so war, aber an diesem Abend hatte sich keine Lust sich mit einer Pansy Nott anzulegen. Als ihre Defensive brach und Angriff keine Option darstellte, blieb ihr nur noch die Flucht. „Entschuldige mich bitte, Pansy“, sagte sie schnell und eilte davon. Sie brauchte nun dringend Freiraum, Luft zum Atmen. Zwar fand die Party im Garten der Greengrasses statt, aber ihr kam es unheimlich heiß vor unter dem Baldachin. Vermutlich lag das am Alkohol. Tracy hatte diesen noch nie vertragen, doch gab es heute keinen Ausweg – jeder wollte anstoßen und Trinken. Wer nicht mitmachte, galt als Spielverderber. Ein Stück weit hatte man die Jugendzeit noch nicht vergessen. Jetzt erinnerte sie sich auch wieder, warum diese Schuhe weit hinten in ihrem riesigen Regal standen – sie waren verdammt unbequem. Aus einer Laune heraus zog sie sie aus und warf sie weit weg, wobei einer mit einem leisen Platschen im Teich landete. Überrascht starrte Patricia an die Stelle, wo der Schuh untergegangen war. Sie war selbst erschrocken von dieser Tat, denn normalerweise verlor sie nie die Contenance – doch in diesem kleinen unbedachten Moment hatten Gefühle sie überflutet. Ein Lachen ließ sie herumfahren. Ein großer Mann kam auf sie zu, den sie aufgrund des Gegenlichtes nicht erkennen konnte. Er schien muskulös zu sein, zumindest wirkte er weder hager noch dicklich. „Und ich hatte schon geglaubt, du hättest die alte Tracy in eine Kiste verpackt, um sie auf dem Dachboden einstauben zu lassen“, sprach der Mann. Blaise Zabini. Wie konnte sie diese Stimme nicht wiedererkennen. „Was willst du Zabini?“, fragte sie gereizt. Sie hatte Pansy an diesem Abend ertragen müssen. Da wollte sie einen Moment Ruhe und dieser Typ tauchte auf! „Das ist ein freies Land“, erwiderte er und trat näher zu ihr, so dass sie sein Gesicht erkennen konnte. Wieder hatte er dieses schelmische Grinsen im Gesicht. „Ja, aber das haben wir ja nicht gerade dir und den anderen falschen Schlangen zu verdanken“, sagte sie und wusste genau, dass dieser Hieb traf. Obwohl sie nicht ganz ohne Grund nach Slytherin gegangen war, hatte sie niemal die Ansichten der Todesser vertreten. Ihre Mutter war muggelstämmig und hatte sich verstecken müssen, hatte um ihr Leben gebangt. Aber Blaise verzog nicht das Gesicht, das Lächeln verweilte auf seinen Zügen. Er lehnte sich etwas nach vorne, näher an sie heran und flüsterte: „Ich stand immer auf der richtigen Seite.“ Sie schnaubte. „Wohl auf der, welche dir in jenem Moment am bequemsten erschien.“ Damit drehte sie sich um und ging weiter. Das Gras kitzelte ihre Knöchel und sie spürte vereinzelte Steinchen unter ihrer Fußsohle. Es schmerzte ein wenig, aber sie konnte Schmerz gut ausblenden. Blaise griff nach ihrer Hand und hielt sie fest. „Hey, willst du schon gehen?“, fragte er, noch immer ein Grinsen auf dem Gesicht. „Nicht ganz, nur weg von dir“, sprach sie, aber sie konnte sich nicht losreißen, denn er umschlang sie mit seinen kräftigen Armen. Tracy atmete tief ein und war für einen Moment sprachlos. „W-was? Lass mich los“, sagte sie, aber er reagierte gar nicht. „Schau nach oben“, sagte er nur. Irritiert folgte sie der Anweisung. Am Himmel funkelten die Sterne wie tausende Diamanten. Tracy stöhnte innerlich. Er würde hoffentlich nicht jetzt irgendetwas klebrigsüßes romantischen sagen, um sie anzumachen. Sie hasste diese Romantik. Aber er blieb still, hielt sie einfach fest. Die junge Hexe spürte den warmen Atem in ihrem Nacken und seinen Herzschlag, seine Atembewegungen fühlte sie im Rücken. Und die Erinnerung trieb ihr Tränen in die Augen. Sie hatten schoneinmal nah beieinander gestanden und hatten die Sterne betrachtet, aber das war fünfzehn Jahre her. Damals gab es noch ein „Blaise und Patricia“. Einst waren sie Freunde gewesen, irgendwie. Zu Beginn angetrieben von ihren Eltern. Seine Mutter und ihr Vater waren Schulkameraden gewesen, alte Freunde und wäre das nicht schön, diese Freundschaft in der nächsten Generation aufblühen zu lassen? Aber eigentlich waren sie zu unterschiedlich gewesen, damals schon. Blaise war schon immer in kleiner, verwöhnter Bengel gewesen und Tracy die ernsthafte, zurückhaltende Streberin. Doch manchmal geht die Freundschaft seltsame Wege und die beiden lernten miteinander auszukommen, mehr noch, sich zu vertrauen und den anderen zu schätzen. Es wurde ein Geben und Nehmen, sie ergänzten sich. Tracy konnte Blaise stets bei seinen Schulaufgaben helfen, während er sie zum Lachen brachte und damit auch über die Trennung ihrer Eltern hinweghalf. Doch das Leben war kein Roman, wo aus Freundschaft einfach Liebe wurde und nach ein paar Hürden kam das Paar zusammen. Die beiden hatten nie behauptet, in den anderen verliebt zu sein. Woher sollten sie auch die Definition dieses Wortes kennen? Die Bedeutung dieses Gefühls, in seinen Ausmaßen verstehen? Nein, die beiden hatten einander nie geliebt, nicht auf dieser romantisch-kitschigen Ebene. Dafür war keiner von ihnen gemacht. Tracy und Blaise hatten sich einfach auseinander gelebt. Das passierte einfach, wenn man älter wurde. In Hogwarts fanden sie ihren eigenen Freundeskreis und obwohl sie im gleichen Haus und im selben Jahrgang waren, war ihr Kontakt nur sporadisch und irgendwann fühlte es sich fast so an, als hätte es ihre Freundschaft nie gegeben. Doch hatten sie diese nie vergessen. „Ich verspreche, dich niemals zu verlassen“, flüsterte er. „Für immer wirst du in meinen Gedanken bleiben und ich werde auf dich aufpassen. Wenn du weinst, werde ich mit Taschentüchern und Eiscreme zu dir kommen. Ohne Fragen werde ich dich in den Arm nehmen und halten, du kannst all deine Tränen an meiner Schulter vergießen und ich fange sie auf. Und solltest du jemals wegen eines Jungen weinen, werde ich ihn schlagen, bis er auch weint. Du kannst mich immer erreichen, immer zu mir kommen, egal wie spät es ist. Für dich werde ich immer die Tür öffnen. Ich lasse dich nicht allein.“ Ein Schluchzen rann über ihre Lippen und er drückte sie fester an sich. „Erinnerst du dich daran Tracy?“ „Hör auf“, sagte sie leise und wehrte sich gegen die Umarmung. „Lass mich los, Blaise. Du musst mich loslassen.“ „Du hast es versprochen“, sagte er leise und auf seinem Gesicht lag ein schmerzliches Lächeln. „Wir waren zehn und wir haben schon längst diese Versprechen gebrochen und begraben.“ „Gut, vielleicht haben wir uns nicht mehr alles gesagt und haben unsere eigene Sache durchgezogen, aber das Versprechen ist immer noch da. Ich habe es soeben erneut gegeben“, sagte er. Sie blieb still. Als sie Kinder waren hatten sie sich einander Freundschaftsversprechen gegeben. Sie hatten sie auf Zettel geschrieben und dem anderen geschenkt. Es war der letzte Sommer, den sie so in Einklang miteinander verbracht hatten. Die Gelöbnisse standen nur auf dem Papier, doch die Worte hatten keinen Bestand. Die Sache war albern gewesen, etwas zwischen Kindern, aber er hatte es nie vergessen. Er kannte noch die Worte, die er ihr schrieb und er bewahrte ihre sicher auf. „Ich bin einsam“, gestand er. Vielleicht hätte sie unter normalen Umständen die Augenbrauen hochgezogen und mit Sarkasmus gekontert. Aber jetzt drehte sie den Kopf, versuchte ihn anzusehen. „Auch wenn du das nicht glaubst, aber ich bin einsam. Mir fehlt etwas und ich weiß, dass ich es früher bereits einmal hatte und weggeworfen habe. Ich vermisse dich. Ich vermisse meine Tracy, die mir mit Engelsgeduld alles erklärt und mich belehrt, die streng mit mir war, aber mit der ich ebenso lachen konnte über irgendwelchen Blödsinn“, erklärte er. „Ich schwöre dir immer die Freundin zu sein, die du brauchst. Ich werde eine Lehrerin sein und ich werde dir deine Fehler zeigen, gnadenlos. Aber ich werde dir helfen, zu einem guten Menschen zu werden, weil das wirklich in dir steckt. Ehrlich und geduldig möchte ich sein. Wenn du Sorgen hast, dann kannst du sie mir erzählen und ich werde dir helfen. Ich werde immer da sein, wenn du mich brauchst und wenn du gehen willst, dann lasse ich dich, aber ich werde warten. Ich werde für dich da sein, solange du mich brauchst“, gab sie ihr Versprechen von damals wieder. Sein Zettel lag wohlbehütet in einer Schachtel voller Erinnerungen, die sie unter das Bett geschoben hatte. „Ich brauche dich“, sagte Blaise leise, „Und ich brauche nicht nur deine Hilfe, hin und wieder, ich brauche dich an meiner Seite. Du musst verständnisvoll mit mir sein, aber auch gemein, wenn ich es werde. Verdammt, wir sind doch beide nicht perfekt. Merlin, diese Kinderschwüre wurden gebrochen, aber ich werde es dir jeden Tag aufs Neue versprechen, wenn du willst. Aber ich brauche dich! Ich – ich liebe dich!“ Liebe – da war es. In Tracys Herz schmolz etwas. Das Eis brach und es schlug schneller. Freude, sie freute sich und sie fühlte sich erleichtert, als hätte sie etwas längst Vergessenes wiedergefunden. Er ließ sie los und sie drehte sich um. Erst jetzt konnte sie sein Gesicht sehen, seine Tränen. „Ich schwöre-“, begann er, aber sie schüttelte den Kopf und legte ihm die Hand auf den Mund. „Wag es ja nicht, weitere Versprechen abzugeben. Ich – ich weiß nicht was da ist, aber ich werde versuchen es zu verstehen. Aber hör auf, all diese Dinge zu versprechen. Vielleicht wirst du sie wieder brechen“, sagte sie. „Gut. Aber eins noch. Du und ich wissen, dass diese Zettel mehr sind als ein Schwur der Freundschaft. Es ist auch kein Vertrag, sondern wie ein Eheversprechen“, fing er an und sie wurde rot. An diese Ähnlichkeit hatten sie als Kinder sicher nicht gedacht. „Aber es waren Freundschaftsversprechen“, murmelte sie. Er lächelte. Es war nicht dieses schalkhafter Grinsen, sondern jenes, das sie aus Kindertagen kannte und liebte. „Damals vielleicht, aber wir haben sie uns soeben erneut geschworen und schließlich sind wir noch immer auf einer Hochzeit“, sagte er. „Sieht aus, als wären sie so gut wie verheiratet.“ Und sie lachte. So abstoßend wie sie Hochzeiten und ihr Brimborium hasste – das hatte Stil und sogar irgendwie etwas sehr romantisches, ohne Zeugen und unter dem Sternenhimmel. „Und ich würde dich jeder Zeit wieder heiraten.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)