Unverhoffte Nachbarn von Jeanne-Kamikaze- (Wenn Nachbarn interessant werden) ================================================================================ Kapitel 36: Der Morgen danach ----------------------------- 36. Kapitel: Der Morgen danach Es verhieß ein normaler, ruhiger Morgen zu werden. Sherlock saß auf seinem üblichen Platz und las ein Buch über moderne Verhörmethoden, während eine Tasse Kaffee auf dem Tisch stand und vor sich hin dampfte. John hingegen war in der Küche und bereitete das Frühstück vor, während er etwas davon murmelte, dass Sherlock schon wieder ein Date von ihm vergrault hätte. Ja, alles hätte so friedlich und ruhig seien können an diesem Septembermorgen, der London in einen dichten grauen Schleier verhüllte, der von jenseits der Themse kam, und doch, wie so vieles um Sherlock herum, trog dieser Schein. Krachend flog die Tür auf und Catherine stürmte hinein, ignorierte Johns „Guten Morgen“ und begab sich direkt ins Wohnzimmer. „DU!“, rief sie aus und deutete auf Sherlock, welcher aufblickte, blinzelte, aber nicht erkannte, dass sie vor Wut schäumte wie ein Pferd, das bis zur Erschöpfung getrieben wurde und sich nun aufbäumte. Stattdessen gähnte er einmal herzhaft und fuhr fort sein Buch zu lesen. Ein schwerwiegender Fehler. „DU IDIOT!“, keifte Catherine und schlug ihn mit einer zusammengerollten Zeitung. „Autsch! Catherine! Wofür war das denn?“, fragte Sherlock und rieb sich die getroffene Stelle. „DU VOLLIDIOT! DU HAST MIR GESAGT, DASS ALLES IN ORDNUNG SEIN WÜRDE!“ Sie schlug ihn erneut mit der Zeitung. „WARUM WIRD ALLES, SELBST DIE SIMPELSTEN DINGE, KOMPLIZIERT, WENN DU INVOLVIERT BIST, SHERLOCK? WARUM? SAG MIR WARUM!“ John hielt irritiert in der Küche inne und wandte sich dem Geschehen im Wohnzimmer zu, während Sherlock versuchte außer Reichweite zu rutschen. „Was ist los, Catherine?“ Sie hörte ihn jedoch noch nicht einmal. Zu sehr tobten Wut und Verzweiflung in ihrem Innern und ihr Rauschen ließ sie taub werden. Immer und immer wieder schlug sie auf Sherlock ein, während sie ihn anschrie, beschimpfte und ihre Nasenflügel bebten. Schließlich blieb Sherlock keine andere Wahl, als von der Couch zu flüchten, wobei sein wertvolles Buch zu Boden viel. „Aua. Catherine. STOP! Wofür ist das?“, rief er und versuchte irgendwie durch ihre Raserei zu dringen, doch seine Bemühungen waren vergebens. „DAFÜR, DU KOMPLETTER VOLLIDIOT!“, schrie sie ihn an und warf ihm die Zeitung vor die Füße, welche sich dann entrollte. Sherlock beugte sich hinab, behielt aber die vor Wut zitternde und schnaufende Catherine im Auge, hob die Zeitung auf und entfaltete sie nun komplett. „Seite zwei.“, knurrte Catherine. Sherlock schlug eben jene Seite auf, seine Augen rannen kurz über sie, dann schnaubte er. „Warum ist es immer das Foto mit dem Hut?“, sagte Sherlock erbost und schlug mit der Hand gegen das Papier. „WAS?“, schrie Catherine. „WILLST DU MICH VERDAMMT NOCHMAL VERARSCHEN? IST DAS ALLES WAS DICH STÖRT?“ Sie stürmte wieder auf ihn zu, riss ihm die Zeitung aus der Hand und begann ihn wieder damit zu schlagen. „DU VERDAMMTER BASTARD!“, fluchte sie und Sherlock zuckte zurück, als ihn das Papier gegen die Wange traf. „Um Himmels Willen, Catherine. Würdest du dich für einen Moment beruhigen?“, sagte er und wich ihrem nächsten Schlag aus, doch Catherine steigerte sich immer mehr hinein, der Takt ihrer Schläge wurde immer schneller und schneller. „Beruhigen? Mich beruhigen? Wie zur Hölle sollte ich mich nach dem…“ Sie deutete auf die Zeitung atmete schwer vor Wut, während die Zeitung in ihrer Hand zitterte. „Beruhigen?“ Knirschend rieb sie die Zähne übereinander. John beobachtete sie noch immer verwirrt. Er verstand nicht worauf Catherine hinauswollte und Sherlock auch nicht so richtig, auch wenn es ihm allmählich dämmerte. „Warum wird alles nur verdammt kompliziert, wenn du darin verwickelt bist?“, fragte sie anklagend und schlug ihn immer und immer wieder, stellte diese Frage immer fordernder, lauter, bis sich ihre Stimme beinahe überschlug und Tränen der Wut sich in ihren Augen sammelten. Sie hatte Sherlocks Worten geglaubt, mehr als ihrer eigenen Ahnung, und nun war das passiert, was sie hatte verhindern wollen. Nun brauchte sie ein Ventil, einen Sündenbock und Sherlock hatte verdammt noch mal dafür zu büßen, dass er so geschickt ihre Sorgen umgangen hatte. Sherlock hingegen versuchte sie mit seinen Händen abzufangen, um sie zu stoppen, doch stattdessen drängte sie ihn immer weiter in eine Ecke. „Catherine!“, rief er verzweifelt um sie zu erreichen, doch sie war noch immer zu verzweifelt und so schlug sie ihn weiter. „ICH WUSSTE ES! Ich wusste, dass dies passieren würde, aber wolltest du mir zuhören? NEIN!“ Wieder schlug sie ihn, doch diesmal machte er eine ungeschickte Bewegung, sodass ihn die Zeitung genau ins Gesicht traf. Sherlock taumelte zurück und sah nur einen Weg. Blitzartig wirbelte er auf dem Absatz herum und sprang über den Kaffeetisch in Richtung Küche, wobei Catherine ihn noch immer jagte. „Es war nicht meine Schuld!“, rief er verzweifelt und versteckte sich hinter John. Dieser blinzelte irritiert, als sein bester Freund ihn als Schutzschild verwendete. „Sherlock, was zum Henker…“, setzte er an, doch Catherine unterbrach John: „ES IST DEINE SCHULD!“ Mit bebenden Nasenflügeln blieb sie vor John stehen, bewaffnet mit einem Kissen, welches sie von der Couch gegriffen hatte und versuchte ihn zu umgehen, doch Sherlock drehte den Arzt immer wieder so, dass Catherine nicht durchbrechen konnte ohne versehentlich ihren Ziehvater zu erwischen. John hingegen versuchte loszukommen, aber Sherlock hielt ihn eisern an den Ärmeln seines schwarzen Pullovers fest, denn sein Kopf schmerzte bereits von den vielen präzisen Schlägen, die Catherine ihn zugefügt hatte. Als John bemerkte, dass er nicht entkommen konnte, hob er beschwichtigend die Hände und versuchte Catherine zu beruhigen. „Komm schon, Catherine, ich bezweifele, dass es wahrlich so schlimm ist. Nun, warum legen wir nicht dieses Kissen beiseite und reden darüber.“, sagte er mit einem unsicheren Lächeln, da er sich fühlte, als säße er vor einem Stapel Dynamit, der hochzugehen drohte und er nur Worte hätte um die Lunte zu löschen. „Nicht so schlimm?!“, wiederholte sie und schnaufte wütend. „Nicht so schlimm?!“ Drohend hob sie ihr Kissen und zielte damit auf Sherlock. Die beiden Männer schluckten beunruhigt. John duckte sich, als Catherine es gezielt warf und es Sherlock mitten im Gesicht warf. Dieser taumelte erneut und stieß dabei gegen den Küchentisch, doch noch bevor Catherine mit dem Kissen schlagen konnte, wich er aus und rannte zurück in das Wohnzimmer, während John die Zeitung entdeckte, die Catherine vor einem der Sessel hatte fallenlassen und ging darauf zu, wobei er darauf achtete einen großen Bogen um Catherine zu schlagen, die gerade dabei war ihr Kissen erneut aufzuheben und Sherlock in das vermeintlich sichere Wohnzimmer folgte. Dieser sprang gerade erneut über den Wohnzimmertisch und versuchte mit Stühlen eine Barrikade zu bauen. Es war wirklich amüsant mit anzusehen wie die wütende Catherine ihn wahrhaft verzweifelt werden ließ. Seine üblichen Beruhigungsmethoden würden dies Mal nichts nützen, denn bevor er sie überhaupt anwenden könnte, hätte sie ihn vermutlich mindestens fünfzig Schläge mit ihrem Kissen zugefügt und sie wäre in ihrer Wut vermutlich auch viel schwieriger zu manipulieren. John hingegen hatte die Zeitung in der Zwischenzeit erreicht und hob sie auf, ging dann in die Küche zurück, wo er sich an dem Tisch niederließ und eine Tasse Tee trank. Er strich sorgsam, beinahe behutsam das grausam zerknüllte Papier glatt. Anschließend trank er einen Schluck Tee und betrachtete die Titelseite, doch als er erkannte, was da stand, verschluckte er sich beinahe. „Was?“, stieß er schockiert aus. Er ließ die Tasse sinken und begann den Artikel auf Seite zwei zu lesen. Über eine Doppelseite hinweg prangte ein großes Foto von Sherlock, der zusammen mit Catherine in einem Restaurant saß und ein Mahl teilte. Es war offensichtlich aus einem Fenster heraus aufgenommen worden. Leichte Reflexe machten das Bild verhältnismäßig unscharf und doch war zweifellos zu erkennen, was dort in den Weiten des Restaurants stattfand. Noch ein weiteres Bild zierte den Artikel. Es zeigte Sherlock und Catherine auf einer Parkbank, vereint in einer sanften, innigen Umarmung und auf der rechten Seite der Doppelseite befand sich natürlich eben jenes Foto mit dem Jagdhut, was Sherlock seit jeher zur Weißglut brachte und John einst amüsiert hatte. Catherine hatte in der Zeit Sherlock erreicht und sprang ihm hinterher, ignorierte die Stapel von Kissen, Decken und Möbel, die er aufgetürmt hatte- sonderlich weit war er noch nicht gekommen. Um einer weiteren Attacke zu entgehen, tänzelte Sherlock zur Seite und sprang zurück, warf einen zweiten Schreibtischstuhl um, aber all dies hielt Catherine nicht davon ab ihn weiter zu jagen. In ihr herrschte zu viel Wut und Frustration und vor allem Angst. Sie wusste nicht in wie weit dieser Artikel Einfluss auf ihr Leben und Arbeit haben würde. Was würden ihr Professor und ihre Arbeitskollegen sagen? Der Artikel stellte sie nicht besonders gut dar und ihr Vertrauen in die Menschheit war noch nicht weit genug wieder hergestellt, als dass sie glaubte, dass sie ihre Mitarbeiter von den Unsinn eben jener Schlagzeile überzeugen könnte. „Bleib stehen, du Mistkerl!“, befahl sie und blieb mit bebenden Körper stehen. Ihr Blick war stechend scharf und durchdringend, sodass es Sherlock beinahe gegen den Karmin fesselte vor dem er nun stand. Ihr beider Atem ging schwer. Sie waren sichtlich außer Atem von all dem Gerenne und doch war Catherines Rachegefühl noch nicht gestillt. „Und riskieren erneut von einem deiner Kissen getroffen zu werden? Ich bin doch nicht dumm!“, erwiderte Sherlock und er glitt vorsichtig nach rechts, doch Catherine entging diese kleine Bewegung nicht und sie folgte ihr mit ihrem Körper. „Du verdienst es zusammengeschlagen zu werden!“, knurrte Catherine und unverhohlene Wut grollte in die Tiefe ihrer Stimme. „Ähm…könnte mir bitte einer erklären, was dies zu bedeuten hat?“, räusperte John sich und hob die Zeitung hoch, damit beide deutlich die Fotos von ihrer Position sehen konnten. „Frag Sherlock, verdammt noch mal. Es ist seine verdammte schuld!“, keifte Catherine und warf John nur einen kurzen Blick zu. „IST ES NICHT!“, verteidigte Sherlock sich und zum ersten Mal an diesem Tag wurde auch seine Stimme lauter. „ICH HABE DIR GESAGT, WIR SOLLTEN VORSICHTIG SEIN! ICH HABE DIR GESAGT, DASS DAS FALSCH INTERPRETIERT WERDEN KÖNNTE!“ „ABER DU WARST TRAURIG!“, sagte Sherlock verzweifelt und rang mit den Händen, denn in solch aufgebrachter Verfassung hatte er seine Ziehtochter nie erlebt und er wusste nicht wie er sie dann handhaben konnte. „Ich wäre nicht traurig gewesen, hätten mich die anderen Gäste nicht eine Hure genannt!“, blaffte sie zurück und trat einen Schritt auf ihn zu. John sah erschrocken von dem Foto auf, welches als Sherlock Holmes lehnt sich in einen Kuss mit Catherine Amell untertitelt worden war und blinzelte Catherine an. „Du wurdest wie genannt?“ „Eine Hure.“, wiederholte Catherine kalt und ruhig, etwas, das den beiden Männern umso mehr zeigte wie aufgebracht sie doch in Wahrheit war. „Du bist aber keine Hure.“, widersprach Sherlock ihr und versuchte so sie milde zu stimmen. Er verstand immer noch nicht wieso sie all das so aufbrachte. Es handelte schließlich um The Sun. Ein schändliches Schundblatt, das nichts als Unsinn und schlimmsten Klatschjournalismus verbreitete. Warum scherte sie sich so sehr darum? Keiner würde diese verdammte Dreistigkeit für voll nehmen und doch war diese Wut, die Catherine empfand, von Grund auf ehrlich. Er erkannte jegliche Anzeichen dafür. Catherine lachte nur spöttisch und verzog ihr Gesicht fast genauso wie Sherlock es häufig tat. Ihre Mundwinkel zuckten in einer bizarren Art und Weise. „Ich bin nicht eine Hure.“, sagte sie in einem sarkastischen Ton, dem sämtliche humoristische Nuance abhandengekommen war. Es war so dreckig, dunkel und rau, dass es Sherlock schauderte. „Ich werde als deine Hure angesehen. Deine Lolita. Du…dass…“ Catherine ließ das erste Mal den starren Blick von ihm ab und begann durch das Zimmer auf und ab zu laufen, während sie sich aufgebracht durch die Haare fuhr. „Sie glauben, dass du mich für Sex bezahlst oder aber, dass ich mit dir schlafe, weil ich dein Geld will oder sozial aufsteigen, einen Titel, etwas von dem Ruhm oder…oder…was auch immer! ARGHHH!“ Catherine schüttelte den Kopf und stampfte auf, bevor sie wieder auf Sherlock zustürmte, als die Wut erneut aufloderte. Noch nie war sie so wütend gewesen und sie verstand noch nicht einmal selbst warum. Es war einfach so. Sherlock hingegen blickte verzweifelt hin und her um einen Fluchtweg zu finden. „Ich habe doch bloß versucht dich zu trösten.“, sagte er um Zeit zu schinden. „Wie sollte mir das bitteschön helfen? Ich bin bloßgestellt!“, fuhr sie ihn an. Sherlock erblickte Billy und packte ihn aus purer Verzweiflung. „Cath, ich habe nie gewollt, dass das passiert.“ „Das willst du nie!“, rief sie und rannte auf ihn zu. „Cath, bitte!“, flehte er sie beinahe an und warf in völliger Hilflosigkeit Billy nach ihr, welcher zu seinem Glück unbeschädigt auf dem Sofa landete, als Catherine sich unter ihm hinweg duckte. Sherlock wollte zurück weichen, als sie weiter auf ihn zuging, diesmal langsamer, wenn auch bedrohlicher, und fand sich plötzlich mit dem Rücken zur Wand vor. Schließlich war Catherine nur noch einen Atemhauch von ihr entfernt, als Sherlock plötzlich ausbrach, sie schwach zur Seite stieß und an ihr vorbei rannte. Catherine wirbelte herum und folgte ihm auf dem Fuße, Sherlock war allerdings schneller und so hatte er gut eine Körperlänge Abstand zu ihr, als er versuchte erneut über den Wohnzimmertisch zu springen, doch dieses Mal machte es ihm Catherine nicht so leicht. Sie packte ihn im Sprung und beide fielen zu Boden. Sherlock landete auf der Ecke des Tisches, Catherine mit der Hüfte auf der Kante. „Uff…“, stieß Sherlock hervor, als die Luft aus seinen Lungen gepresst wurde, nachdem er auf dem Boden vor der Couch landete. Catherine fiel einige Augenblicke später zu Boden, genau auf ihn. Sie keuchte und richtete sich auf, sodass sie mit gespreizten Beinen auf seiner Hüfte saß- nicht, dass sie sich dessen bewusst war. Ihre Wut war wie ein Tunnelblick, der alles andere abschirmte, als sein Gesicht. Sie griff sich das zweite Kissen von dem Sofa und schlug es immer und immer wieder in sein Gesicht. „Sie nennen uns Cathlock, Sherlock. Cath! Lock! Sie verschmelzen schon unsere verdammten Namen, du Mistkerl!“, schrie sie ihn an, während sie mit erstaunlicher Energie noch immer auf ihn einschlug ohne ihn dabei ernsthaft zu verletzen, dies verhinderte ihr Unterbewusstsein noch immer. Nichts läge ihr ferner als ihn zu verletzen, aber etwas leiden, oh ja, das sollte er. Sherlock hingegen versuchte erfolglos sich gegen ihre steten Angriffe zu wehren. „Nun, ich habe ihnen nicht gesagt, dass sie das tun sollen.“ Catherine hielt nicht inne und schlug zu und war sich der zweideutigen Stellung ihrer Sitzposition noch immer nicht bewusst. „Sie wissen wer ich bin, Sherlock. Sie kennen meinen Namen, du Bastard!“ „Und was hat das mit dir zu tun?“, entgegnete Sherlock, wenn ihr Kissen mal nicht sein Gesicht traf. Er versuchte ihre Handgelenke zu greifen umso ihre Angriffe zu stoppen, doch sie war zu geschickt und wich seinen langen, feinen Fingern stets aus. Er sah zu ihr auf, als ihr Rhythmus langsamer wurde und er saß, wie die Wut der Verzweiflung wich und ihr Atem immer schwerer und schwerer kam. „Uhm…ich sollte euch alleine lassen, richtig?“, fragte John irritiert und sichtlich unwohl in der vorherrschenden Situation. Catherine hingegen reagierte nicht, sondern spießte Sherlock quasi mit ihrem aufgebrachten Blick auf. „Ja…sollte ich besser.“, murmelte John zu sich selbst, bevor er aufstand und sich zurückzog. „Hör zu, Cath.“, flüsterte Sherlock. „Ich wollte nicht, dass das passiert. Ich hätte nicht gedacht, dass…“ „Ja…Du erwartest nie…es kümmert dich nie.“, sagte Catherine verächtlich und rümpfte die schmale Nase. Gerade in diesem Moment passierte das, was diese Situation nur noch verschärfen würde. Die liebenswerte Mrs. Hudson kam durch die Tür herein. „Huhu. Sherlock, hast du diesen schrecklichen Artikel über dich und Catherine in der…“ Sie hielt inne, als sie die beiden vor dem Sofa erblickte. Kurz blinzelte die gutherzige Dame irritiert, bevor sie etwas beschämt lächelte. „Oh, das war wohl schlechtes Timing. Ich komme später wieder.“ Damit winkte sie und verschwand durch die Tür, die sie eben noch passiert hatte. „NEIN, MRS. HUDSON!“, rief Catherine ihr verzweifelt hinterher. „ES IST NICHT WIE ES AUSSIEHT!“ Als sie bemerkte, dass es zu spät war, drückte sie verzweifelt das Kissen gegen ihr Gesicht, welches somit von einer Waffe zum Schutzschild wurde um ihre geröteten Wangen zu verbergen. „Verdammt.“, flüsterte sie leise und plötzlich war der Ärger verschwunden und Hoffnungslosigkeit, Hilflosigkeit und Überforderung übermannten sie. Sherlock blickte hingegen schweratmend zu ihr auf, stöhnte und rollte seine Augen. Er nutzte die vorhandene Chance, um Catherine von sich hochzudrücken. Er war dabei äußerst vorsichtig, sodass sie nicht gegen den Kaffeetisch schlug und sich verletzte. Dann stand er auf und taumelte atemlos auf die Couch zu und ließ sich fallen. Erschöpft lehnte er den Kopf nach hinten und schloss die Augen, während er versuchte wieder Luft in seine brennenden Lungen zu bekommen. Catherine hingegen blieb sitzen, wo sie war, beinahe als wüsste sich nichts mehr mit sich anzufangen, nachdem ihre Wut verschwunden war. „Oh Gott. Sie wird uns niemals glauben.“, stöhnte sie verzweifelt und drückte ihr Gesicht tiefer in das Kissen. Sherlock hob seinen Kopf und sah sie an. Auch er stöhnte, setzte sich aber auf und packte sanft ihren Arm. Er zog sie auf die Knie und dann auf die Couch neben sich. „Doch, wird sie. Sie kennt uns zu gut um irgendetwas anderes zu glauben.“, sagte er und lehnte seinen Kopf wieder zurück, während er ihren Arm losließ. Auch Catherine warf sich gegen die Rückenlehne des bereits strapazierten Sofas, auch wenn es bei ihr frustrierter war. Noch immer atmete sie heftig wegen all der Kraft und Energie, die sie benötigt hatte, und drückte das Kissen an ihre Brust. Ihre Augen starrten gedankenverloren an die gegenüberliegende Wand wie sie es immer taten, wenn Catherine an etwas dachte, was sie sehr beschäftigte. „Ich bin heute Morgen zur Bäckerei gegangen.“, sprach sie plötzlich erstaunlich ruhig, beinahe schon emotionslos und ohne ihn dabei anzusehen. Sherlock wandte sich zu ihr um und sah sie nachdenklich an. „Der Kassier hat mich so seltsam angesehen und dann wissend gegrinst. Völlig unverhohlen fragte er mich, während er mir meine Brötchen reichte, wie es denn sei mit dem berüchtigten Sherlock Holmes in einer Beziehung zu sein. Ich hatte wirklich keine Ahnung wovon er sprach, bis ich die Titelseite der Sun gesehen habe.“ Sie stöhnte und versteckte ihr Gesicht erneut in den Kissen, bevor sie mit gedämpfter Stimme weitersprach: „Was wird passieren, wenn meine Mitarbeiter es herausfinden? Oder schlimmer, wenn mein Professor es liest? Ich könnte deswegen meinen Job verlieren!“ Sherlock blinzelte und konnte nur zu gut die Verzweiflung hören, die sie gefangen hielt, obwohl das Kissen so gut wie alles von ihrer Stimme verschluckte. Er sah auch wie ein leichtes Zittern durch ihren Körper rann und er seufzte. Er hatte das wirklich nicht beabsichtigt oder gar gewollt. Offensichtlich hatte er noch immer die Dynamik von Klatsch nicht verstanden, aber dennoch konnte er sich nicht erklären wie solch ein Schund Auswirkungen auf Catherines Leben haben sollten, aber es blieb ihm nicht verborgen wie sehr es sie beschäftigte und dadurch stieg doch so etwas wie Mitgefühl in ihm auf. „Oh, Cath…“ Vorsichtig, bloß keine weitere Attacke provozierend, legte er ihr einen Arm um die Schulter. „Du bist keine…“ Catherine seufzte allerdings nur und er verstummte. Sie fühlte sich so macht- und kraftlos. Gegen die Presse von ganz England konnte so gut wie Niemand etwas ausrichten und sie erst recht nicht. Aber was, wenn alles ein Selbstläufer werden würde und somit jede kleinste Handlung von ihr genau beobachtet würde? Sie könnte nicht nur sich, sondern auch Sherlock, John oder ihrer Arbeitsstelle schaden. Catherine holte tief Luft und seufzte noch einmal, als schließlich sämtlicher Funke Ärger verschwand und nur noch bleierne Depression über blieb. Fast schon automatisch lehnte sie sich gegen Sherlock und erlaubte seiner Wärme sie zu trösten. Es war keine bewusste Entscheidung, eher als wäre ihr Körper von der Wärme der Nähe angezogen worden und auch ein Automatismus, der sich durch so manch ähnliche Situationen eingestellt hatte. „Hallo, Bruder. Ich muss mit dir sprechen. Es gibt Gerü…oh!“, drang plötzlich eine ruhige, tiefe Stimme mit einem Hauch spöttischen Unterton von der Tür. Sherlock und Catherine sahen auf und stöhnten zeitgleich. Adrett wie eh und je gekleidet, stand Mycroft Holmes in der Tür und fuhr kurz mit der Zunge über seine Lippen, als er abschätzend Catherine und Sherlock betrachtete und sich auf seinen Regenschirm abstützte. „Das darf doch nicht wahr sein! Das darf doch einfach nicht wahr sein!“, fluchte Catherine. „Kann es noch schlimmer kommen?“ „Gut gemacht, Mycroft.“, fuhr Sherlock seinen Bruder an und schnaubte verächtlich, während Catherine bemühte sich möglichst schnell aus seiner Umarmung zu lösen. „Ich habe sie gerade erst beruhigt. Kannst du nicht jemand anderen mit deiner Neugierde nerven?“ John saß noch immer in der Küche und beobachtete halb amüsiert, halb besorgt das Geschehen im Wohnzimmer. Er hatte mittlerweile seinen Kopf auf die Hände gestützt und beobachtete wie Sherlock seinen Bruder wütend anfunkelte. Nicht, dass er dafür einen Grund dafür bräuchte, aber mit steigerte sich das Maß nur noch mehr- besonders wenn Mycrofts seltsame Art sich gegen Catherine richtete und Sherlocks Beschützerdrang durchdrang. Ob Sherlock selber wusste, dass er diesen besaß, bezweifelte John. Allerdings fühlte er sich ein wenig vergessen. Nichts Neues, nicht wirklich, aber in diesem Moment war er durchaus froh, dass keiner der drei ihn wahrzunehmen schien und an die Position des unsichtbaren Beobachters hatte er sich bereits seit Serbien gewöhnt. „Oh liebster Bruder.“, fuhr Sherlock spöttisch fort, als Mycroft nicht die Anstalten machte, etwas zu sagen und er blickte mit einem seltsamen, unruhigen Blick in seiner nun seefarben leuchtenden Iris an. Eine Mischung aus Abscheu, Wut, seinem üblichen Amüsement, was er beim ärgern seines Bruders empfand und Genervtheit. „Ich an deiner Stelle, würde nicht das aussprechen, was du denkst, ansonsten könntest du deinen geliebten, jüngeren Bruder tot auffinden. Erschlagen mit einem dumpfen Gegenstand und das wäre doch viel zu langweilig für meinen Abgang, findest du nicht auch?“ „Du? Ermordet?“, wiederholte Mycroft ungläubig und schnalzte. „Von wem denn bitte, von allen die es so gerne tun würden? Catherine? Als ob sie das könnte.“ Die blauen von dem Älteren der Geschwister wanderten zu ihr und betrachteten sie mit einem Blick, der in etwa so etwas sagte wie: Oder, Miss Amell? Diese schluckte und duckte sich unter diesem Blick weg. Sie hatte heute keine Kraft mehr sich gegen ihn aufzulehnen. „Ich wär mir da nicht so sicher, Mycroft. Catherine kann eine wahre Furie sein, wenn sie wütend ist. Es ist beängstigend. Sie macht aus jedem Kissen eine gefährliche Waffe.“, sagte nun John gelassen und erinnerte sich dabei daran wie Catherine auf Anderson und Donovan losgegangen war, als diese ihn so bedrängt hatten. Hatte stark etwas von einer Löwin gehabt, die ihre Jungen verteidigte. Verkehrte Welt. Sherlock blickte John verwundert an. „John! Seit wann bist du zurück? Ich hätte hier deine Hilfe gebrauchen können.“, brummelte er verstimmt. „Zurück?“ John zog eine Augenbraue hoch und runzelte seine Stirn. „Ich war die ganze Zeit hier.“ „Warst du?“, wiederholte Sherlock nachdenklich. „Ja.“, murrte John. „Also, was hat es mit dieser Geschichte auf sich?“, fragte Mycroft unverblümt und lenkte somit die Aufmerksamkeit wieder auf sich. Catherine blickte ihn nur an und hatte wohl in ihre alte Form zurück gefunden, denn sie wedelte mit ihrer Hand und sagte sarkastisch: „Wissen Sie es etwa noch nicht, Mr. Holmes? Ich bin nun die offizielle Lolita Ihres Bruders.“ Ihre Stimme triefte nur vor Sarkasmus und sie blickte ihn herausfordernd an. Mycroft erwiderte den Blick ebenso ausdruckslos wie man es von ihm kannte. „Um eine Lolita zu sein, müssten Sie einen kurzen Rock tragen, Mrs. Amell.“, sagte er ruhig. Catherine starrte ihn völlig baff an, ihr Mund weit offen vor Schock. „Wa…wa…wa…“, stotterte sie fassungslos.. „Mycroft, lass sie in Ruhe!“, fuhr Sherlock dazwischen und funkelte seinen Bruder an, der es zwar nicht zeigte, aber sich vermutlich köstlich über Catherines Sprachlosigkeit amüsierte. Sherlock verzog nur verächtlich sein Gesicht und sein Blick bekam beinah etwas Anklagendes. „Als ob ich mich jemals in Jemanden verlieben würde.“ Catherine zuckte bei den Worten zusammen, schnaubte und kreuzte die Arme vor der Brust. Nur John bemerkte diese kleine Geste und blickte sie verwundert an, die Stirn in tiefe Falten gelegt. „Sehr unwahrscheinlich, das gebe ich durchaus zu.“, sagte Mycroft sichtlich unberührt von Sherlocks Angriff. „Aber es wäre ja durchaus möglich, dass du diese angeblichen Annehmlichkeiten von…“ „ICH BIN NOCH IMMER HIER, VERGESSEN?“, fuhr Catherine aufgebracht dazwischen und sprang auf. „ICH WILL NICHTS DAVON HÖREN, DASS ICH SEX MIT…MIT…MIT…IHM HABE.“ Sie deutete auf Sherlock. „ICH KANN DAS NOCH NICHT EINMAL IN EINEM SATZ SAGEN!“ „Cath…“, sagte Sherlock beruhigend und stand auf, doch Catherine drehte sich von ihm weg. „Nein, ich bin raus! Für immer!“, sagte sie aufgebracht. „Ich werde mich einfach für den Rest meines Lebens in meinem Apartment verkriechen und ich hoffe für dich, Sherlock, dass ich niemals einen Paparazzo dabei erwische, wie er versucht ein Foto von mir unter der Dusche zu schießen… Was mich daran erinnert…ich habe noch diese alte Eiche genau vor dem Fenster.“ Sie schüttelte sich. „Ich sollte sie fällen lassen.“ Mit diesen Worten drehten sie sich herum und wollte gehen. „Catherine, bleib.“ „NEIN!“, rief sie nur wütend, bevor sie aus der Wohnung stapfte und dabei geräuschvoll die Tür ins Schloss knallte. Sherlock sprang auf und wollte ihr hinterher laufen. Sie war noch nie so wütend auf ihn gewesen. Er wusste nicht was er tun sollte. Normalweise diskutierten die beiden ihre Streits direkt aus. John stand jedoch auf und drückte ihn sanft, aber bestimmt zurück. „Lass es, Sherlock. Lass sie gehen. Das ist alles einfach zu viel für sie. Sie muss sich erst beruhigen.“, sagte sein bester Freund wohlgemeint. „Aber…!“ „Ich bin der gleichen Meinung wie John. Es ist einfach zu viel für ein kleines Mädchen, wenn sie plötzlich die gesamte Macht der Klatschkolumnen handhaben muss.“ „Sie ist kein Kind mehr.“, fuhr Sherlock seinen Bruder an und knurrte. „Nein…“, fuhr Mycroft gelassen fort. Er hatte längst bemerkt, dass Sherlock in Bezug auf Catherine keinen Spaß verstand. Vor allem wenn man schlecht von ihr sprach. „Aber sie ist immer noch eine junge Frau.“ „Welche gerade erst eine imaginäre Beziehung mit der wohl außergewöhnlichsten Persönlichkeit von ganz Großbritannien führt. Gib ihr Zeit, das zu verdauen.“ John blickte ihn beruhigend an und klopfte ihm kurz auf die Schulter. „Aber…“, setzte Sherlock noch einmal an. „Kein aber, Sherlock.“, unterbrach John ihn, diesmal bestimmter. „Lass sie jetzt einfach in Ruhe um das sacken zu lassen. Sie wird schon damit zurechtkommen.“ „Und was, wenn sie mir nie vergibt?“, flüsterte Sherlock leise- mehr zu sich selbst- als er zum Sofa zurückging. John und Mycroft warfen sich einen irritierten Blick zu, doch dann zuckte John mit den Schultern und Mycroft verließ die Wohnung. Sherlock hingegen schaute nachdenklich aus dem Fenster und beobachtete den Tanz der Schatten auf den gegenüberliegenden Häuserwänden. Er war sich nicht so sicher, ob John Recht behalten würde und auch nicht wie er mit der Situation umgehen sollte. Das Verhalten von Menschen einzuschätzen fiel ihm noch immer schwer, gerade wenn er sie kannte. Bei Fremden sah er sie an und zog seine Schlüsse, doch bei denen, doch je näher sie ihm standen, desto facettenreicher und undurchdringlicher schien es zu werden. Grübelte er vielleicht dann nur einfach mehr? Nein, er glaubte eher, dass es daran lag, dass er versuchte bei ihnen die Ursache nachzuvollziehen. „Wir werden sehen.“, flüsterte Sherlock nur abwesend und versank dann in seinen Gedanken. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)