Unverhoffte Nachbarn von Jeanne-Kamikaze- (Wenn Nachbarn interessant werden) ================================================================================ Kapitel 14: Seltsamer Rat ------------------------- Eine Woche später stand Catherine Amell vor der Tür von 221b und zögerte. Sollte sie es wirklich tun? Andererseits war es ihre einzige Chance, dass sie vielleicht wieder in die Normalität zurückfand. Und was musste sie dafür tun? Genau, ausgerecht ihn fragen. Das war wirklich paradox, doch Catherine wusste sich mittlerweile nicht mehr anders zu helfen. Also holte sie noch einmal tief Luft und trat ein. Eine außergewöhnliche Stille herrschte im Hausflur und langsam ging Catherine die Stufen hoch. Irgendwie hatte sie jedes Mal, das Gefühl, dass sie die Höhle des Löwen betrat wenn sie diese Treppen hochging. Man hatte einfach nie eine Ahnung, was einen erwartete, außer dass es in fünfundneunzig Prozent der Fälle völlig abgedreht war. Alles andere wäre bei der Wohnung von Sherlock Holmes ja auch langweilig gewesen. Was würde wohl dieses Mal passieren? Sie rechnete ja fast damit, dass etwas explodieren würde. Damit würde sie garantiert nicht so verkehrt liegen. Das war nämlich häufiger der Fall. Das hörte sie selbst nebenan. Vorsichtig, als würde sie damit rechnen angegriffen zu werden, öffnete sie die Tür zum Wohnzimmer und spähte hinein. Noch immer blieb es ruhig und friedlich in der Bakerstreet. „Hallo?“, fragte sie und trat nun vollkommen ein. Catherine blickte sich um und entdeckte Sherlock über sein Mikroskop gebeugt am Küchentisch. Kurz blinzelte sie, trat dann aber an ihn heran. Er spielte gerade an den Feintrieben des Lichtmikroskops um das Bild schärfer zu stellen und war wie immer hochkonzentriert. Catherine wusste nicht, ob er sie bemerkt hatte, doch er beantwortete die Frage schneller, als sie sie sich hätte stellen können. „John ist nicht da.“, erklärte er kurz angebunden ohne vom Mikroskop aufzublicken. Catherine seufzte. Offensichtlich störte sie, doch sie konnte nicht mehr so weitermachen. Sie litt noch immer unter den Nachfolgen ihrer Entführung und sie hatte das Gefühl es würde sogar noch schlimmer als besser. Wie aus heiterem Himmel kehrten die Erinnerungen immer wieder zurück und überspülten sie, rissen die Ruhe fort, die sie sonst so mühsam aufrechterhielt. John hatte Recht gehabt. Ein Alltag oder gar Arbeiten war unter diesen Umständen nicht möglich und sie begann zu glauben, dass sie alleine diese Situation niemals meistern würde. Zwar kam John immer rüber, wenn es ihm möglich war, sprach mit ihr und lenkte sie ab, doch es half ihr nicht. Er musste schließlich wieder arbeiten und konnte deshalb nur selten für sie da sein, weshalb sie sich meist allein mit ihren Ängsten konfrontiert sah. Sherlock seufzte und riss sie dadurch aus ihren Gedanken. „Was wollen Sie? Ich versuche zu arbeiten.“ Er klang genervt und sah sie noch nicht einmal an. Catherine schluckte und wurde unsicher. Vielleicht sollte sie doch einfach gehen, aber es war ihre letzte Chance. Sie musste es wagen, auch wenn Sherlock kalt zu ihr war. „Was untersuchen Sie da?“, stellte sie eine Gegenfrage. Catherine hoffte, dass sie durch das Nachfragen über seine Arbeit es schaffte ihn ein wenig wohlgesinnter zustimmen. Der Trick war wahrscheinlich aber wohl zu simpel für Sherlock. „Proben untersuchen, sehen Sie doch.“, sagte Sherlock etwas ungehalten. „Und ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mich dafür in Ruhe lassen könnten.“ Kurz zögerte sie, doch dann nahm sie ihren Mut zusammen und trat näher heran. Auf dem Küchentisch verstreut lagen verschiedenste Rotkappengefäße, die mit unterschiedlichen Chemikalien und Nährlösungen versetzt waren. Ein Haufen fein säuberlich gestapelter, leerer Petrischalen stand daneben. Catherine kannte diese Objekte nur zu gut. „Sie untersuchen Bakterien auf Selektivböden.“, stellte sie fest und betrachtete sich eine mittlerweile bewachsene Platte. Fein säuberlich war der Boden eingeteilt und auf jedem Feld stand etwas: 22°C; 25°C und 33°C und dahinter jeweils eine Zahl. Entweder 159, 222 oder 505. Es handelt sich hierbei um Ausplattierungen von Mikroben auf ein Selektivmedium, welche vorher bei bestimmten Temperaturen inkubiert worden waren. Die Zahlen standen für bestimmte Stämme einer Art, meist Mutanten. Catherine zog die Augenbrauen zusammen und betrachtete die Felder. „Nein, s.pombe. Keine Bakterien.“, stellte sie fest. „Eine Komplementation, würde ich meinen.“ „Wie kommen Sie darauf?“, fragte Sherlock ohne aufzusehen, aber er klang nun ein weniger neugieriger. „Durch die Platten.“, erklärte sie und lächelte leicht. „Anhand des von Ihnen angesetzten Nährmediums konnte ich sehen, dass Sie die Spalthefe untersuchen. Für e. coli, s. cerevisiae oder gar Bakterien hätten Sie für das ideale Wachstum eine andere Aminosäuren Zusammensetzung nehmen müssen. Außerdem kenne ich die Nummern, ich habe diesen Versuch ebenfalls schon einmal durchgeführt. Sie beschreiben katalogisierte Plasmide.“ Plasmide waren ringförmige DNA Fragmente, die sich außerhalb des bakteriellen Zellkerns befinden. Ähnlich den Mitochondrien, ein Organell der höheren Zellen, welches für die Zellatmung verantwortlich war, vermehren Plasmide sich autosomal, das bedeutete, dass sie nicht zeitgleich mit der DNA im Kern replizierte. Plasmide trugen meist genetische Informationen für Resistenzen gegen Antibiotika, Toxine oder auch andere vorteilverschaffende Informationen. Sie verbesserten die Überlebenschancen. „Dass Sie die Proben bei verschiedenen Temperaturen inkubiert haben, sagt mir, dass die Mutation temperatursensitiv ist. Also vermutlich ein Protein. Schließlich arbeiten Proteine nur in einem geringen Temperaturspektrum wirklich effektiv. Ich denke mal die Letalität, also das Absterben der Zelle, tritt ab 31°C ein, so wie Sie die Temperaturintervalle gewählt haben. Auf die Komplementation kam ich wegen der drei Nummern. Das ist typisch bei diesem Verfahren. Ein Stamm von s.pombe ist wildtypisch, einer ist die Mutante mit einem Plasmid, welches keine nützliche Information enthält und der Dritte enthält einen vermeintlichen Interaktionspartner für das durch Mutation nicht mehr funktionsfähige Protein. Diese Suppressor können die Mutation bei ihren optimalen Bedingungen kompensieren, aber bei höheren nicht mehr. Meist handelt sind es dabei um sogenannte Chaperone, die dafür sorgen, dass sich die Proteine richtig falten oder aber das Suppressor Protein dient als Bindungsstelle des Mutierten. Bei Ihrem Experiment ist 159 der Wildtyp. Das erkennt man schön daran, dass bei allen drei Temperaturen die Kolonien gewachsen sind. Bei 505 ist das auch noch der Fall, allerdings ist bei 33° und 36° schon deutlich weniger Wachstum zu erkennen, als bei 159. Das zeigt, dass die Mutation in s.pombe noch kompensiert werden konnte, aber eben nicht so effektiv arbeiten kann wie beim Wildtyp. 222 ist das, in Anführungszeichen, leere Plasmid, denn der hat keine Möglichkeit die Mutation zu kompensieren.“ „Eine Deduktion anhand vom Wachstum auf einem Nährboden. Beeindruckend.“, sagte Sherlock ruhig und sie konnte sehen wie er leicht lächelte. Das erleichterte Catherine ein wenig. „Aber das untersuchen Sie gerade nicht. Für diese Auswertung braucht man kein Mikroskop. Es reicht, wenn man sich die Platten mit bloßem Auge ansieht.“ Catherine legte die Stirn nachdenklich in Falten. „Da haben Sie Recht.“ „Was untersuchen Sie dann?“ „Das Bewegungsmuster unserer Mikroben aus dem Lagerhaus bei verschiedenen Temperaturen.“ Sherlock Stimme war abweisend, wies auf eine automatisierte Antwort hin. Er war gedanklich nicht bei Catherine, weshalb sie schwieg. Sie ertrug es beinahe nicht, wie abweisend er zu ihr war und sie glaubte nicht, dass es nur daran lag, dass er arbeitete. „Aber genug vom Thema abgelenkt.“, sagte er schließlich. „Sie haben meine Frage nicht beantwortet. Was wollen Sie hier?“ „Was soll ich schon wo…“ „Sie sind nicht ohne Grund rübergekommen.“, unterbrach Sherlock sie, während er das Objektiv wechselte und somit eine stärkere Vergrößerung wählte. „Sie kommen nie ohne Grund herüber, Catherine. Sie haben uns regelrecht gemieden innerhalb der letzten Woche. Also, warum kommen Sie nun herüber? Garantiert nicht für Smalltalk.“ Catherine blieb einen Moment unschlüssig stehen, dann seufzte sie. „Sie haben Recht wie immer. Ich komme nicht ohne Grund rüber.“ Nun löste Sherlock sich endlich von diesem verdammten Mikroskop und drehte sich zu ihr um. Seine grauen Augen glitten einmal an ihr hinab, dann zog er eine Augenbraue hoch, schnaubte und drehte sich wieder ab. „Ich habe doch gesagt, dass John nicht da ist.“ „Bitte?“, fragte Catherine verwirrt. „Sie wollen offensichtlich über die Geschehnisse in Serbien reden. Tun Sie das mit John, der hat doch schließlich auch ein Trauma erlebt, und behelligen Sie mich nicht damit.“ „…“ Catherine zögerte. Sie wollte das bisschen, was es noch zwischen ihnen gab, nicht riskieren, aber sie lief Gefahr Sherlock zu Tode zu nerven, das spürte sie. Unruhig biss sie sich auf die Lippen und sie blickte zum Boden. Seit sie zurückgekehrt waren, wusste sie nicht mehr, woran sie bei Sherlock war, wusste aber nur zu genau, dass sie ihn nicht verlieren wollte. Von daher war ihr lockerer, selbstbewusster Umgang mit ihm dahin und sie wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte. Es war wie ein Zwiespalt, seit sie Sherlock hatte spielen hören. Einerseits war sie sich nun klarer denn je, was die beiden für sie waren, andererseits wusste sie es bei Sherlock nun umso weniger und sie hatte Angst, das zu verlieren, was noch blieb. „Catherine?“, fragte Sherlock nun doch irritiert und betrachtete sie mit hochgezogener Augenbraue. Es verwirrte ihn, dass sie ihm keinen Konter entgegen warf, weshalb er ein wenig nachdenklicher wurde. Lieber würde sie das auch tun, würde es vielleicht die Situation auflockern, doch sie konnte es nicht. Sie hatte nicht mehr die Kraft sich gegen seine Spitzen zu wehren, sie zu kontern, sie hatte generell kaum noch Kraft. Es kostete sie schon den kläglichen Rest um ruhig zu bleiben und nicht in Verzweiflungstränen auszubrechen. „Ich weiß, dass John nicht da ist.“, setzte sie schließlich an. „Ich habe gesehen wie er gegangen ist. Ich wollte mit Ihnen reden, Sherlock.“ „Mit mir?“, wiederholte er verwirrt und blinzelte sie an. Catherine nickte. „Wieso denn mit mir? Ich bin ja wohl kaum für Psychogespräche geeignet.“ Er sah sie skeptisch an und lehnte sich in abweisender Haltung im Stuhl zurück. „Bitte, Sherlock.“, sagte sie flehend. „Es ist mir sehr ernst.“ Um genauer zu sein, sie war verzweifelt. Wahrhaft verzweifelt. Innerhalb der einen Woche hatte sich nichts verändert. Sie litt noch immer unter den ständigen Panikattacken. Heute Morgen erst hatte sie zum zehnten Mal versucht zu duschen und es war ausgegangen wie jedes Mal. Sobald Wasser auch nur für den Hauch einer Sekunde ihr Gesicht berührte, kehrten all die Erinnerungen grausam zurück und sie schrie panisch auf, taumelte zurück und kauerte meist Ewigkeiten auf den Boden. John hatte sie einmal so vorgefunden, nachdem sie drei Stunden zitternd vor ihrer Badewanne gehockt und stumm geweint hatte. Sie konnte das nicht mehr, sie schaffte das nicht mehr. Irgendetwas musste nun getan werden, sonst würde sie noch nachhaltig verrückt werden. Sherlock betrachtete sie eingehend, wanderte mit seinen Augen an ihr auf und ab. „Also gut…“, seufzte er schließlich und schaltete das Licht am Mikroskop aus. „Aber erwarten Sie nicht, dass ich Tee koche.“ „Ich möchte auch gar keinen…“ ~*~ Spätestens jetzt wusste Sherlock, dass etwas nicht in Ordnung war. Catherine war zu ruhig, zu passiv. Er hatte ihr schon bewusst mehrere Vorlagen geliefert, doch sie hatte auf keine reagiert. Sie war beinahe schon nervtötend unterwürfig. Das war nicht die Catherine, die er kannte und die er ein wenig schätzen gelernt hatte. Einzige mögliche Schlussfolgerung war, dass sie mit ihren Nerven völlig am Ende war und mit der Belastung ihrer Entführung nicht zurechtkam. Doch warum kam sie damit zu ihm? John wäre da der bessere Ansprechpartner. Er hatte wirklich keine Ahnung wie er Catherine damit helfen sollte. Eigentlich wollte er ihr noch nicht einmal helfen sondern weiterarbeiten, aber er konnte leicht an ihren Augen sehen, wie verzweifelt sie war und dass er- warum auch immer- ihre letzte Hoffnung war und das wollte er ihr dann doch nicht verwehren. Sherlock bedeutete Catherine sich in den Sessel neben dem Kamin zu setzen und verstaute die Petrieschalen im Kühlschrank. Zeitgleich nahm er eine Flasche Saft heraus, goss ihn in zwei Gläser und ging ins Wohnzimmer. Catherine sah mit trübem Blick zu ihm auf, als er das Glas neben ihr abstellte und sich in den gegenüberliegenden Sessel niederließ. Seine Augen blickten sie nachdenklich an und sie erwiderte ihn, doch er konnte keine Emotionen feststellen. Catherine war schon beunruhigend ruhig. Als wäre ihre Seele verloren gegangen. Unruhig knetete sie ihre Hände im Schoß und schien nicht recht zu wissen, wo sie anfangen sollte. Sherlock wurde inzwischen ein wenig ungeduldig und spielte mit den Fingern an der Armlehne. Er hasste es nichts zu tun. Sein Körper stand ständig unter Strom und er musste einfach irgendetwas tun, doch Catherine hinderte ihn gerade daran. „Woher wussten Sie, dass ich über Serbien reden will?“, fragte sie schließlich und hob wieder den Blick zu ihm hoch. Sherlock schnaubte. War das ihr Ernst? Warum hielt sich mit einer solchen Belanglosigkeit auf, anstatt direkt zum Thema zu kommen? Trotzdem zwang er seine Unruhe hinab, und holte kurz tief Luft. „Außer der Tatsache, dass das Thema nun wirklich naheliegend war?“, antwortete er im ruhigen Ton und behielt dabei Catherine genau im Auge. „Wo fange ich da am besten an? Es sind eine Menge Anzeichen. Dass Sie selbst für Ihre Verhältnisse ungewöhnlich blass sind, muss ich glaube ich nicht erwähnen, das wissen Sie schon selbst, aber ihre Haut zeigt auch erste Anzeichen von Mangelerscheinungen. Außerdem hat John öfters seinen Unmut darüber geäußert, dass Sie nichts essen, es sei denn, er zwingt Sie quasi dazu. Dann noch Ihre Haare…bei allem Respekt, die sind so was von fettig, damit könnte man ein Auto schmieren. Also haben Sie nicht mehr geduscht seit wir zurück sind. Vermutlich weil Sie jedes Mal eine Panikattacke bekommen, sobald Wasser Sie auch nur berührt. Dann noch Ihre Klamotten. Weit, schlabberig, beschützend. Sie spenden Wärme und Bequemlichkeit, etwas woran Sie sich klammern. Außerdem haben Sie einen Fleck Saft auf dem Shirt. Nach Größe und Position zu urteilen, haben Ihre Hände stark gezittert, als sie ihn getrunken haben. Offensichtlich haben Sie in dem Moment die Erinnerungen überwältigt. Das nächste Indiz wären Ihre Mundwinkel.“ „Meine Mundwinkel?“, fragte sie und doch nahm ihre Stimme noch immer keine Emotion an. Sie klang nicht verwirrt, nicht ungläubig. Ihre Stimme pendelte um den immer gleichen Ton und das beunruhigte Sherlock nun wirklich. Es zeigte nur wie gefährlich nah sie daran war doch an psychische Belastung zu zerbrechen. Dabei hatte er gedacht, dass sie stärker wäre. „Sie sind eingerissen. Das ist häufig der Fall, wenn man sich oft übergibt. Nahrungsreste oder gar die eigene Zunge schädigen die Epithelzellen der Mundwinkel. Zumal man meist im Nachhinein noch unbewusst über die Lippen leckt. Das letzte was mir aufgefallen ist, ist Ihre Angespanntheit. Als ich Sie ignoriert habe, haben Sie die Arme ganz fest um sich geschlungen und auch, als ich Sie darauf ansprach, dass Sie darüber reden wollen. Das haben Sie immer getan, wenn es keine Ablenkung gab und Sie daran denken mussten was passiert ist. Offensichtlich denken Sie sofort daran, solange ihr Gehirn keine Stimulation hat, denn als Sie mir erklärt haben wie Sie auf die Komplementation gekommen waren, standen Sie vollkommen locker da und haben sogar leicht gelächelt. Folgerung: Sobald Sie Ruhe haben, fängt Ihr Gehirn automatisch an die Dinge zu verarbeiten und das macht Ihnen zu schaffen. Deshalb umarmen Sie sich auch selbst. Das ist ein natürlicher Instinkt um sich selbst Halt und Schutz zu geben, wenn Niemand da ist. Großes Resümee: Sie sind mit der Situation überfordert und wollen offensichtlich darüber reden, sonst wären Sie nicht rüber gekommen.“ Sherlock lehnte sich zurück und legte die Finger an die Lippen. Das war wirklich einfach zu erkennen gewesen, zumal es ohnehin auf der Hand gelegen hatte. Er verspürte keine große Lust mit Catherine ein Psychogespräch zu führen, nun wirklich nicht, aber wenn sie schon den Mut aufbrachte ihn darum zu bitten, obwohl er sie am Tag der Rückkehr oft herablassend oder genervt behandelt hatte, wollte er ihr doch eine Chance geben. Obgleich er sich noch immer nicht sicher war, ob er sie mochte, wusste er doch, dass sie nicht zerbrechen sollte. Niemand durfte mit dieser Psyche spielen, außer ihm selbst. Catherine seufzte und schloss die Augen. „Sehe ich wirklich so schrecklich aus?“, war das Einzige was sie murmelte. „Was erhoffen Sie sich von mir, Catherine? Ich bin für so ein Gespräch wohl kaum der richtige Ansprechpartner.“ Sherlock ging auf ihre Frage nicht ein, wusste sie doch die Antwort und er versuchte zeitgleich das Gespräch so ein wenig in Gang zu bringen. Noch nie hatte er Catherine so ruhig und unsicher erlebt. Aus irgendeinem Grund wusste die sonst schlagfertige Catherine nicht wie sie ihr Anliegen vortragen sollte. Hatte seine Abwehrreaktion an jenem Abend vielleicht doch eine Mauer gebaut und sie wusste nicht mehr wie man ihm die Stirn bot? Oder aber sie hatte einfach nicht mehr die Kraft dafür. „Sie haben Recht…“, setzte sie nun langsam an und legte kurz die Stirn in Falten. „Aber mit John kann ich darüber nicht reden. Wir haben es versucht, aber er ist zu mitleidig und das hilft mir nicht weiter so sehr ich seine Bemühungen schätze. Er versucht entweder krampfhaft mich abzulenken, wobei ich dann nur noch mehr daran denke, was passiert ist oder aber er bemuttert mich, guckt mich mit diesen traurig, verständnisvollen Augen an, dass ich sofort wieder erinnert werde. Es geht nicht, Sherlock.“ Unbewusst leckte sie sich über die Lippen. „Als ich ihm sagte, dass ich keine Kraft mehr habe, wollte er, dass ich psychologische Hilfe im Anspruch nehme.“ „Und wie soll ich nun dabei helfen?“, frage Sherlock nun doch etwas verwirrt. Catherine sah auf und blinzelte einmal kurz, dann holte sie tief Luft. „Ich erhoffe mir von Ihnen, dass Sie mir klar machen wie schwachsinnig und irrational mein Verhalten ist.“, sagte sie ruhig. „Wie bitte?“, fragte Sherlock verwirrt und sah sie überrascht an. Damit hatte er nun wirklich nicht gerechnet. ~*~ Catherine nahm einen Schluck Saft und betrachtete Sherlock ruhig, doch in ihrem Inneren tobte es. Alleine war sie ihrem Trauma nicht mehr gewachsen und sie brauchte Hilfe. Sie hatte sich schon gedacht, dass ihre Aussage Sherlock irritieren würde, doch sie wusste genau, was sie damit bezweckte. „Sherlock…ich schaffe das nicht mehr. Ich zerbreche unter dem Druck. Ich habe Panikattacken. Sobald Wasser mein Gesicht berührt schreie ich wie von Sinnen. Vorm Schlafen habe ich Angst, weil mich Alpträume verfolgen. Ich kann so nicht mehr weitermachen oder ich werde elendig daran zu Grunde gehen.“, erklärte sie und fuhr sich müde durch ihr strähniges Haar. „Ich hatte gedacht mit der Zeit würde ich es akzeptieren lernen, doch es wird immer schlimmer. Sie sind meine letzte Hoffnung.“ Catherine spürte wie sich ein Zittern ankündigte, weil sie so verzweifelt war, doch sie versuchte es zu verbergen. Sherlock war ihre letzte Rettung vor dem Psychologen. Sie wollte da nicht hin, denn dann wurde umso deutlicher wie schlimm es um sie stand. „Ich…“ Sherlock blinzelte und schien von ihrem Wunsch verwirrt. „Ich soll was?“ „Keine Ahnung! Irgendwas. Schreien Sie mich an, lachen Sie mich aus, weil ich so dumm bin. Ich weiß es doch auch nicht.“, rief sie verzweifelt aus. Ein Schluchzer entrang ihr, noch bevor sie ihn herunter hätte schlucken können und sie vergrub den Kopf in den Händen. „Bitte, Sherlock…helfen Sie mir! Wie schaffen Sie es die Gefühle auszublenden?“ ~*~ Bittend sah sie ihn an. Catherine vertraute ihm, das konnte er sehen und erhoffte sich von ihm, dass ihm irgendein Einfall hatte auf den normale Menschen nicht kamen. Sherlock betrachtete sie lange nachdenklich. Seine graublauen Augen verharrten auf ihr, während seine Finger vorm Kinn ruhten. Unsicher blickte sie auf und begegnete seinem Blick. „Ich versteh immer noch nicht ganz, was Sie von mir erwarten, Catherine.“, sagte Sherlock nach einigen Momenten des Schweigens. „Auch ich kann keine Wunder vollbringen.“ „Das weiß ich…“, erwiderte Catherine niedergeschlagen. „Ich weiß mir aber einfach nicht mehr anders zu helfen.“ Sherlock konnte ihre Verzweiflung sehen. Nur zu gut war das Zittern in ihren Augen zu sehen. Würde er sich nicht schnell was einfallen lassen würde, dann könnte es gut sein, dass sie anfing zu weinen. Oh, Himmel, bloß nicht. Was erwartete sie von ihm? Sollte er mit den Fingern schnipsen und schon wäre alles wie früher? Nein, so war Catherine nicht, aber dennoch dieses stille Flehen zeigte, dass sie eben doch war wie all die anderen Menschen. „Catherine…“, setzte er wieder an, dieses Mal noch ruhiger als zuvor und er sah, dass Catherine sich ein wenig entspannte. Nachdenklich runzelte er die Stirn. Ob seine Stimme ihr half? Es hatte auf jeden Fall den Anschein. Er hatte schon öfters gehört, dass Ruhe abfärbte. Ja, vielleicht sollte er eine Strategie ändern, wenn er ihr helfen wollte. Weg vom Sarkasmus und einfach ein ruhiges, sachliches Gespräch mit ihr führen. Aber wollte er ihr überhaupt helfen? Kurz dachte er darüber nach. Sherlock hatte keine Lust sich ausschweifenden Erläuterungen ihres Elends anhören zu müssen. Obwohl…es ging hier um Catherine. Catherine war anders als all die Menschen, die er kennengelernt hatte. Vielleicht würde sie nicht ganz so weinerlich sein. Obwohl es offensichtlich war, dass sie am Ende ihrer Kräfte war. Und da war es wieder. Dieses seltsame Gefühl tief in seinem Magen, was er es seit Serbien öfters verspürte, wenn er sie so sah. Es war wie ein kleines Ziehen, ein Verkrampfen und in diesem Moment beschloss er, dass es Zeit wurde einen anderen Weg einzuschlagen. ~*~ Catherine entspannte sich ein wenig, als sie hörte, dass Sherlocks Stimme ruhig war. Vielleicht war es doch noch so wie vor dieser ganzen Scheißsache und sie hatte sich nur zu viele Gedanken gemacht. Generell hatte sie das Gefühl, dass sie in letzter Zeit viel zu viel dachte und interpretierte. Sie musste wieder lockerer werden, gerade bei Sherlock, doch das war das Letzte, wozu sie gerade im Stande war. Seit sie zurück war und ihr Gehirn auf grausame Art anfing all das zu verarbeiten, da war sie nicht mehr locker, sie war nicht mehr sie selbst. Catherine war in Serbien verloren gegangen und nun entschied sich, wer sie werden würde. „Gut…“, seufzte Sherlock und legte seinen Kopf auf die gefalteten Hände. „Fangen wir am besten von vorne an, Catherine. Was genau belastet Sie?“ Seine Ruhe tat ihr wirklich gut, genauso wie sie es sich erhofft hatte. Mitleid machte es für sie nur noch schlimmer. Sie war immer eher der sachliche Typ gewesen und Sherlock schien den Draht zu ihr finden. Sicherlich, bei normalen Menschen hätte Johns Art mehr geholfen, aber Catherine war ja noch nie normal gewesen. „Ich….habe Panikattacken. Es gibt Zeiten, da bin ich ganz ruhig und dann überrollt es mich. Ich durchlebe alles noch mal haarklein, spüre all die Schmerzen und Ängste wieder, während ich von einem Weinkrampf gepackt werde. Wie Sie richtig sagten…hab ich es auch noch nicht geschafft zu duschen. Sobald Wasser nur mein Gesicht berührt, bekomme ich absolute Panik. Egal wie oft ich mir sage wie unsinnig das ist, es hilft nicht und dann noch die Alpträume…“ Catherine schüttelte den Kopf und fuhr sich fahrig durch die Haare. „Klingt nach klassischen Symptomen eines Traumas.“ „Ich weiß.“, gestand sie ein und blickte zu ihm auf. „Catherine…was soll ich Ihnen sagen? Dass es keinen Sinn macht sich weiter darüber Gedanken zu machen? Das wissen Sie bereits. Es ist vorbei und Sie leben. Das sollte alles sein, was zählt.“ Normalweise hätte Sherlocks Stimme herablassend oder genervt geklungen. Normalerweise, doch dieses Mal war es eher eine Feststellung, klang sogar ein klein wenig aufmunternd. Versuchte Sherlock gerade sie aufzubauen? Catherine sah ihn an, konnte aber keine Antwort in seinem Blick finden. „Ehrlich gesagt, ich weiß nicht, was ich mir erhofft habe, als ich hierhergekommen bin, Sherlock. Ich hatte einfach gehofft, dass Sie mir helfen können.“ „Auch ich kann keine Wunder vollbringen.“, sagte er noch einmal mit Nachdruck und wedelte kurz mit der Hand, als wollte er diesen Irrglauben wegwedeln. „Und das war Ihnen auch von Anfang an klar.“ Catherine war zu sehr mit ihrer Verzweiflung beschäftigt um zu merken, dass sie gerade ihr erstes, ernstes Gespräch führten. Eines ohne Spitzen, ohne ihre Spiele. Zum ersten Mal, seit sie sich kannten, sprachen Sherlock und Catherine ruhig und offen miteinander. Obwohl Catherine von Sherlock bei ihrem letzten Zusammentreffen abweisend behandelt worden war und sie das ziemlich verletzt hatte, war die Stimmung jetzt vertraut. Doch keiner der beiden bemerkte es, dass sich wirklich etwas zwischen ihnen verändert hatte und das war keine negative Entwicklung. Seit Catherine bei Sherlocks Geigenspiel erkannt hatte, dass sie ihm vertraute und ihn mochte, war sie an sich ruhiger geworden, denn dadurch waren zwei große Fragen, die sie beschäftigt hatte, beantwortet worden, doch sie wusste nun wirklich nicht mehr genau wie sie mit Sherlock umgehen sollte. Dafür hatte sie ihm einen viel zu großen Schritt zuerkannt und bot ihm damit auch eine größere Angriffsfläche. „Catherine?“, fragte Sherlock verwirrt, da sie nun eine Weile schwieg und auf den Fußboden starrte. „Um ehrlich zu sein, nein, ich habe damit nicht gerechnet. Ich…wollte einfach nur mit Ihnen reden.“ Beinahe schon scheu blickte sie zu ihm auf und Sherlock neigte fragend seinen Blick. „Fakt ist, ich muss es verarbeiten. Alleine schaffe ich das nicht, das zeigt die Woche mir nur allzu deutlich und normale Gespräche machen es auch nur schlimmer. Was bleibt ist der Sherlock Holmes Weg.“ Catherine sprach es aus wie eine Feststellung. Keine Spur ihres Sarkasmus. Momentan war sie nicht in der Lage den Weg des Humors zu gehen und Sherlock wusste das. „Da ich so was komplett ignoriere, gibt es keinen Weg des Sherlocks.“, sagte er ernst und zog die Stirn in Falten. „Aber wie?“ „Ich tu es einfach.“ Sherlock zuckte mit den Achseln. „Was kann ich tun, Sherlock? Was nur? Ich bin so kurz davor…“- Catherine deutete die Zeitspanne mit ihren Fingern an- „…mir die Haare vor lauter Verzweiflung auszureißen. Die Ruhe…ist nur die Ruhe vor dem Sturm. Noch etwas länger und ich fange an wie eine Irre mit mir selbst zu reden, zu kichern, nur um mich dann irgendwelchen Fantasien hinzugeben, weil sie so viel besser sind als meine Erinnerungen. Ich werde verloren gehen, Sherlock. Ich werde geistig sterben. Ist Ihnen das egal? Bedeute ich Ihnen nichts?“ Ihre Stimme war erschreckend leise geworden, war am Ende nur noch ein Flüstern, während sie zitterte und Sherlock ansah. Ihr Herz hämmerte mit voller Kraft gegen ihre Brust und sie hatte gar nicht realisiert, was sie da gefragt hatte, was sie gesagt hatte. Als sie es jetzt jedoch tat, stockte ihr der Atmen und sie biss sich auf die Lippe. Verdammt! Nun hatte sie zu viel preisgegeben. Viel zu viel. Wie würde Sherlock reagieren? Seine nächste Reaktion würde ihr indirekt verraten, wo sie beim ihn stand. Oh Gott, sie hatte Angst davor. Warum hatte sie sich nur hinreißen lassen? Sherlock sah sie lange an, lehnte sich in den Sessel zurück. Seine Augen durchdrangen sie, wollten sie verstehen, da sah sie an der in Falten gelegten Stirn. Er schien ein wenig erstaunt über ihren Ausbruch, aber nicht erbost. Zumindest sagte er nichts und sie sah auch keine Missachtung. „Hören Sie, Catherine.“, setzte er nach einiger Zeit mit ruhiger Stimme an. Seinen Kopf hatte er inzwischen auf seine Hände gebettet. „Es gibt kein Rezept dafür wie man mit so etwas umgeht und selbst ich kann ein wenig verstehen, dass Sie verstört sind, dennoch kann ich Ihnen keinen Rat geben. Sie müssen Ihren eigenen Weg finden. Klammern Sie sich zum Beispiel daran fest, dass die Typen tot sind und Ihnen nichts mehr passieren kann.“ „Die Killerzelle gibt es doch noch. Die, die mich vergiftet haben, das haben Sie doch gesagt.“, erwiderte sie und trank noch einmal einen Schluck Saft. Sie war Sherlock dankbar, dass er zu dem vorherigen Thema nichts sagte. Sie hatte sich vor den Antworten auf ihre Fragen gefürchtet. Manchmal war Unwissenheit doch ein Segen. „Und ich sagte Ihnen, dass ich mich darum kümmern werde.“ Als er ihren ungläubigen Blick sah, seufzte er, fuhr sich durchs Haar und beugte sich weiter vor. „Catherine, ich mag ja ein Soziopath sein, aber ich halte meine Versprechen. Meistens.“ Ein kleines Grinsen legte sich um seine Lippen. „Sherlock…“, flüsterte sie nur und klammerte sich leicht in ihre Armlehne. Der Blick, mit der er sie ansah, beunruhigte sie und sie war sogar ein ganz klein wenig froh darüber. Endlich fühlte sie etwas anderes als blanke, erschreckende Panik oder grausame Verzweiflung. Sein Gesicht war ausdruckslos, aber seine graublauen Augen blitzten, als hätte er eine Idee. Eine Falte zog sich zwischen ihren Augenbrauen hindurch, als sie versuchte herauszufinden, was er dachte. Kurz schien er noch zu überlegen, ob er sie wirklich durchziehen sollte, doch Catherine schien sich zu täuschen, denn statt irgendetwas zu tun, frage Sherlock sie: „Hat John Ihnen jemals die Geschichte von Dartmoor erzählt?“ „Offenkundig nicht.“, setzte er hinzu, als er sah wie Catherine irritiert blinzelte. „Nur die Geschichte mit Bluebell…weil ich ihn gefragt habe, warum Sie mich mitten in der Nacht anriefen und fragten wie man ein Kaninchen zum Leuchten bringt. Aber ich bezweifle, dass Sie darauf anspielen.“ „Nein…“, sagte er gedehnt und blickte kurz ins Feuer. „Das ist einer meiner unrühmlichsten und ruhmreichsten Geschichten gleichzeitig.“ „Wie?“ „Eines Tages kam ein junger Mann zu mir. Sein Name war Henry Knight und er erzählte mir, dass sein Vater zwanzig Jahre zuvor von einem Monster getötet worden sei. In einer Schlucht, die landsprachlich als Dewer‘s Hollow bezeichnet wird.“ „Die Schlucht des Teufels?“, fragte Catherine verwirrt. „Da wissen Sie schon mehr, als ich es zu diesem Zeitpunkt tat.“ Sherlock blickte sie an und lächelte leicht. Auch wenn Catherine sich fragte, was er mit dieser Geschichte bezweckte, kam sie doch nicht drum herum festzustellen, dass seine Stimme sich gut für Erzählungen eignete, solange sie ruhig blieb. Es war eine schöne, melodische Stimme. „Aber warum sind Sie hingegangen? Ein zwanzigjähriger Mord wird Sie wohl kaum gereizt haben.“ „Anfangs hat er das auch nicht.“, erklärte Sherlock. „Bis Henry sagte: ‚Mr. Holmes, da waren Abdrücke eines gigantischen Hounds‘.“ „Hound?“, wiederholte Catherine verwirrt und blinzelte Sherlock an. „Wer benutzt denn noch dieses alte Wort?“ „Das war die Frage, die mich reizte.“ Ein kleines Lächeln stahl sich um seine Lippen. „Und es wurde richtig spektakulär. Der Fall hätte Ihnen gefallen, Catherine. Viel biotechnologische Forschung, aber darauf will ich jetzt gar nicht hinaus.“ „Worauf dann?“ Sie verstand sowieso nicht, was Sherlock damit bezweckte, aber vielleicht wollte er sich auch nur profilieren. „Am ersten Abend habe ich mir zusammen mit Henry Dewer’s Hollow angesehen. Wenn ein Ort sämtliche Klischees einer Horrorgeschichte erfüllte, dann dieser. Eine tiefe Schlucht mit einer Art Höhle dahinter, Nebel, der unheilvoll über den Boden waberte. Abgelegen in einem dunklen Wald.“ Seine Stimme wurde dunkler und bekam einen unheilvollen Klang. Beinahe als würde er ein wenig darin aufgehen eine Gruselgeschichte zu erzählen. Wie abwegig war das denn bitte? Doch Catherine musste zugeben, dass sie gebannt zuhörte und für den Moment war alles andere vergessen. „Und dann?“ „Dann sah ich ihn.“, verkündete er mit unheilvoller Stimme. „Wen?“, fragte sie gebannt. „Einen riesigen, gigantischen Hund. Groß wie ein Pferd mit pechschwarzen Fell und rotglühenden Augen. Sein Körper war mit unzähligen Wunden und Narben überzogen.“ „Aber…das ist doch nicht möglich.“, flüsterte Catherine und beugte sich gespannt im Sessel vor. „Natürlich nicht.“, lächelte Sherlock und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Das änderte aber nichts daran, dass ich es gesehen habe und…“ Sein Gesicht verfinsterte sich. „…da geschah etwas, was ich nie für möglich gehalten hätte.“ Catherine hielt unweigerlich den Atem an und merkte gar nicht wie gefangen sie in der Geschichte war. „Und was?“ „Ich hatte Angst.“, sagte er mit dunkler Stimme. „Moment…Moment…“, sagte sie und wedelte abwehrend mit den Händen, während sie ihn ungläubig anblinzelte. „Sie wollen MIR sagen, dass SIE Angst hatten? Sie, Sherlock Holmes?“ „Ja, lachen Sie nur.“, grummelte er, aber seine Mundwinkel zuckten ein wenig. Er schien einen Plan zu verfolgen, doch Catherine bemerkte es noch nicht einmal. „Am Ende stellte sich heraus, dass wir unter Drogen standen, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass das Gefühl durchaus echt war.“ „Eine Droge?“ Sherlock nickte. „Eine Droge mit halluzinogener Wirkung und mit Stimulus arbeitend, was zu Panikzuständen führte. Sie sollte als biotechnologische Kriegswaffe eingesetzt werden.“ „Vermutlich stimuliert sie die Ausschüttung von Stresshormonen…“, murmelte Catherine und rieb sich über die Nase, als sie die Begebenheiten biologisch durchdachte. „Oder blockiert die Rezeptoren der…ich nenn es mal Glückshormone…Bei Stress werden im menschlichen Körper meist Adrenalin und Noradrenalin ausgeschüttet. Die beiden alleine würden aber nicht zu Angstzuständen führen.“ „Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Adrenalin und Noradrenalin?“, fragte Sherlock. „Sie wissen das nicht?“ Sie sah ihn erstaunt an. „Ich habe mich damit nie beschäftigt.“, erwiderte er ungerührt. „Nun…ich bin kein Neurophysiologe, aber wenn ich mich richtig an meine Vorlesung erinnere…so unterscheidet die beiden an sich nur darin, dass Noradrenalin keine Methylgruppe hat.“ Sie legte kurz die Stirn in Falten und suchte nach den Informationen, die sie vor vier Semestern gelernt hatte. „Das kann eine Menge ausmachen.“ „Das tut es auch…Dadurch, dass dem Stickstoffatom des Noradrenalins eine Methylgruppe fehlt, und somit ein Rest, können sie nicht an die 2-beta Rezeptoren binden. Diese sind aber notwendig um Einfluss auf den Stoffwechsel zu haben. Nur die Insulinausschüttung wird gehemmt, da dies über 2-alpha Rezeptoren geschieht. Kurz gesagt, Noradrenalin hat einen größeren Einfluss auf die Muskulatur als Adrenalin. Es führt zur Vasokonstriktion, also zur Verengung, der Blutgefäße, was den Blutdruck erhöht ohne dabei jedoch eine Stoffwechselauswirkungen zu haben im Gegensatz zu Adrenalin.“ „Das bedeutet, dass die beiden unter Stress wahrscheinlich zusammenarbeiten.“, folgerte Sherlock. Catherine nickte. „Ich glaube, dass der wirkliche Auslöser für Angst eine Mischung von Hormonen ist. Diese zu simulieren würde zu kompliziert sein. Einfacher ist wohl die Ausschüttung der Neurotransmitter zu simulieren, der im Hypophysenvorderlappen sowieso Angst auslöst. Ich weiß nicht genau, welcher das ist, aber ich meine mal gehört zu haben, dass unter Stress Corticotropin-releasing Hormone diese Vorgänge vermitteln. Aber genau weiß ich das nicht.“ Catherine hob kurz die Achseln und fuhr sich mit den Zähnen kurz über die Unterlippe. „Aber mal zurück. Ich…versteh nicht, was Sie mir damit sagen wollten, Sherlock.“ „Wirklich nicht?“, hakte er nach und zog eine Augenbraue hoch, doch es klang nicht ungeduldig oder genervt. „Was ich Ihnen sagen will, ist: Ich verstehe, was in Ihnen vorgeht. Ich kenne das Gefühl der Machtlosigkeit. Man weiß, dass es Unsinn ist, aber egal wie oft man es sich einredet, das Gefühl bleibt bestehen.“ Sherlock betrachtete sie aus nachdenklichen Augen. Catherine schluckte, presste ihre Hände zwischen ihre Beine und nickte. „Ja…so ist es. Während des Waterboardings wusste ich, dass ich nicht sterben kann. Schließlich hing ich mit dem Kopf nach unten, doch egal wie oft ich es mir wie ein Mantra in meinem Kopf wiederholte, mein Körper wollte nicht hören.“ Ihre Stimme wurde rau, als die Erinnerungen zurückkehrten und sie fragte trotzdem noch, warum er ihr das sagte. Natürlich überraschte und schätzte sie das Zugeständnis, was er ihr damit gemacht hatte, dennoch verstand sie den Sinn dahinter nicht. „Natürlich nicht. Dafür spielt die Methode zu geschickt mit den Urängsten und Instinkten.“ Sherlock blickte sie ruhig an, aber seine Mundwinkel zuckten ein wenig. „Sherlock…“, seufzte sie müde, halbherzig und fuhr sich durch die Haare. Sie war zu entkräftet um ihn einen Konter zu geben oder um empört zu sein. Dieser bemerkte das, denn Catherine entging nicht, dass er jede ihrer Mimik genau beobachtete. Schließlich seufzte er und blickte einmal kurz genervt nach oben, aber er blieb ruhig. Sie spürte aber, dass sie ihm allmählich auf die Nerven ging. „Bei Ihnen hat es aber den Vorteil, dass es nur eine Illusion Ihres Kopfes war. Sie können es auf die Droge schieben. Mein Trauma ist nur leider allzu real.“ „Hören Sie, Catherine…“, fuhr Sherlock nun versöhnlicher fort und seine Augen bekamen nun einen weicheren Glanz. „Sie sehen nur das Negative an der Geschichte. Konzentrieren Sie sich doch auf das Positive. Das soll helfen, habe ich gehört.“ „Positiv?“, rief sie beinahe aus. „Positiv? Was war daran positiv?“ Sie merkte noch nicht einmal, dass Sherlock Schritt für Schritt seinem Ziel näher kam. Ihre Gefühle kehrten langsam, aber stetig, wieder zurück. „Die ganze Geschichte hat eine Sache bewiesen, Catherine. Nämlich, wie stark Sie mental sind.“, erklärte er ruhig und unterstrich den Worten mit seinen Händen. Catherine blinzelte irritiert und neigte den Kopf. „Sie sind drei Tage wirklich mit allen Mitteln der Kunst psychisch gefoltert worden, doch Sie sind nicht daran zerbrochen. Ich muss zugeben, dass das beeindruckend ist. Das hätten nicht viele geschafft, also lassen Sie nicht zu, dass es Sie im Nachhinein zerstört, obwohl Sie doch eigentlich die Kraft haben das zu überwinden.“ Mit offenem Mund starrte Catherine ihn an. Was hatte er da gesagt? War das ein Lob? Von Sherlock? Träumte sie? Hatte sie Halluzinationen? Konnte sie mal Jemand bitte kneifen? „Sie können den Mund wieder zumachen, Catherine.“, sagte er leicht amüsiert. „Mir ist schon bewusst, was ich da gesagt habe.“ Sie zog die Augenbrauen zusammen, schloss aber ihren Mund wieder. „So habe ich das gar nicht gesehen.“, gestand sie sich schließlich ein und bedachte das, was Sherlock ihr gesagt hatte. „Dafür bin ja ich da.“, grinste Sherlock sie an und sie lächelte leicht. „Was würde ich nur ohne meinen arroganten Mistkerl machen?“, gab sie nun doch ein klein wenig bissig zurück und reckte herausfordernd das Kinn vor. Sherlock erwiderte es mit seinem selbstzufriedenen Lächeln. Er hatte es echt geschafft. Ihr alter Trotzwille war wieder da. „Ich lasse mich nicht gerne reduzieren, Catherine, das wissen Sie doch.“ „Entschuldigen Sie.“ Sie schmunzelte frech. „Ich versuche es noch einmal.“ Sie räusperte sich und fing an den Fingern an abzuzählen: „Arroganter, selbstbewusster und selbstgefälliger Mistkerl. Hochfunktioneller Soziopath, natürlich, mit leicht autistischen Anwandlungen. Klugscheißer, Nervensäge, Plagegeist, Grund für mein wahrscheinlich bald gescheitertes Studium. Gerne mal kindisch…hmmm…ach ja, natürlich Sarkast mit leichten Hang von Zynismus.“ Sie hielt kurz inne und dachte nach. „Habe ich irgendwas vergessen? Nein, nein ich glaub das war alles.“ „Was ist charmant, liebenswürdig und reizend?“ Beide sahen sich an und fingen an zu lachen. Es war wie eine Befreiung. Als hätte sich ein Knoten gelöst. Oh ja, Sherlock und all das. In seinen Träumen vielleicht. „Oh ja, so reizend wie eine Darmspiegelung.“, erwiderte sie trocken, als sie sich ein wenig beruhigt hatte. „Es gibt doch nichts Schöneres.“, grinste Sherlock. Catherine schüttelte nur amüsiert den Kopf und fuhr sich durchs Haar, aber schwieg. „Schön…nachdem diese ganze Scheiße doch einen positiven Aspekt hat, danke dafür nochmal.“ Sherlock neigte in einer übertrieben höflichen Geste den Kopf. „Bezweifele ich, dass es gegen alle Symptome helfen wird, Sherlock.“ „Nein, wohl kaum.“ Er wurde schlagartig wieder ernst. „Dafür ist das ganze Problem zu unterbewusst. Das Problem mit der Dusche wird wohl damit nicht…“ Sherlock stockte, weitete kurz die Augen und legte dann die Stirn in Falten. Plötzlich stand er auf, ging an ihrem Sessel vorbei in Richtung Schlafzimmer. „She…Sherlock?“, rief sie ihm irritiert hinterher und drehte sich im Sessel um. „Selbst ich muss mal wohin.“, erwiderte er knapp und war schon verschwunden. Catherine sah ihm völlig irritiert nach und fragte sich, was das alles sollte. Sicher, selbst ein Sherlock musste mal ins Bad, aber dass er noch nicht einmal den Satz beendet hatte, irritierte sie dann doch. Sätze abbrechen tat er doch nur, wenn er eine Idee hatte. Es dauerte gut zwei Minuten- sie hatte sich mittlerweile wieder richtig in den Sessel gesetzt- bis sie dumpf das Rauschen der Spülung hörte und den Wasserhahn. Sie zog die Stirn in Falten, achtete aber nicht wirklich darauf, sondern trank stattdessen einen Schluck Saft. Kurze Zeit später hörte sie ruhige Schritte hinter ihrem Rücken und sie wusste, dass Sherlock wiederkam. Jedoch hätte sie nie im Leben damit gerechnet, was jetzt geschah. Sie spürte wie Sherlock in ihrem Nacken stehen blieb und gerade, als sie den Kopf in den Nacken legen wollte, um ihn fragend anzusehen, spürte sie einen starken Druck am Hinterkopf. „Sher…“, setzte sie irritiert an, doch er hatte ihren Kopf schon nach beinahe gewaltsam nach vorne gedrückt und ehe sie sich versah, presste er ihr einen nassen Waschlappen vor Mund und Nase. Catherine erstarrte, weitete vor Schock die Augen und wurde augenblicklich von Panik überrollt. „Hmmm!“, schrie sie in das Tuch, versuchte ihn abzuschütteln, umklammerte seine Hand, doch der Griff war zu stark. Die Erinnerungen kehrten schlagartig zurück, als sie schnappartig versuchte zu Atmen. Ihre Umgebung verblasste und sie vergaß, dass sie in der Bakerstreet war. In diesem Moment war sie wieder eine Gefangene der Serben, hing kopfüber gefesselt auf diesen Gestell und kämpfte um ihr Leben. Wieder hatte sie dieses schreckliche Gefühl der Machtlosigkeit, des gefesselt auf dem Meeresboden sitzen und die animalische Angst zu ertrinken. Die Panik schnürte ihr die Brust zu, ihre Gedanken wurden zu einer zähen Masse und sie versuchte krampfhaft Luft zubekommen, während ihre Hand sich in Sherlocks Arm krallte- obwohl sie das längst nicht mehr wusste. „Catherine!“, hörte sie Jemanden weit entfernt ihren Namen rufen. „Catherine!“ Wieder diese ruhige Stimme. Doch wer war das? Catherine fühlte sich, als würde sie auf dem Meeresboden kauern, überall um sie herum Wasser, drohte zu ersticken und die Stimme klang so weit entfernt. Woher kannten die Serben ihren Namen? Und warum riefen sie nach ihr? „Catherine!“, hörte sie noch einmal, dieses Mal fordernder. „Ganz ruhig! Beruhigen Sie sich! Ihnen kann nichts passieren. Sehen Sie mich an!“ Sie reagierte nicht. Catherine wollte nicht wieder in diese vernarbte, hässliche Fratze sehen, die sie in ihren Alpträumen heimsuchte. Sie wollte nicht den sadistischen Glanz in den kleinen Augen erblicken. Nein! Lieber hielt sie die Augen geschlossen. „Catherine, sehen Sie mich an! Sie können das!“ Die Stimme ließ nicht locker. Catherine hielt kurz inne, denn etwas verwirrte sie. Seit wann klang die Stimme des Serben so sanft? Warum sollte sie ihn ansehen? Und warum versuchte er sie zu beruhigen? Nein, das war nicht der Serbe. Diese Stimme war vertraut. Nur allzu vertraut, doch woher…? Catherine sammelte all ihren Mut und öffnete die Augen. Es dauerte einige Augenblicke, bis sie wieder Umrisse erkannten. Sherlock hockte vor ihr und betrachtete sie aus ruhigen, graublauen Augen, während er ihr noch immer einen Waschlappen vors Gesicht drückte. Sofort kehrte das Gefühl zurück, denn sie bekam immer weniger Luft. Catherine schrie erneut, zerrte an seinem Handgelenk, versuchte durch Kopfschütteln sich loszureißen, doch Sherlock gab nicht nach, betrachtete sie weiterhin mit festem, durchdringendem Blick. Das simulierte Gefühl des Ertrinkens ließ sie nichts wahrnehmen, sie sah zwar Sherlock vor sich, realisierte es aber nicht. Sie bemerkte nicht, dass er auf sie einsprach, spürte nur die Angst des Todes und sah auch nicht, dass sein Arm mittlerweile von ihrem festen Griff blutete. „Catherine!“, sagte er noch einmal mit ruhigen, aber bestimmenden Ton. „Sehen Sie mich an! Sie werden nicht ertrinken, hören Sie? Sie sind sicher. Beruhigen Sie sich! Entspannen Sie sich! Es ist nur ein Waschlappen.“ Als Catherine nur noch heftiger zitterte und ihre Atmung immer hektischer, flacher, beinahe schon hechelnd wurde, nahm Sherlock seine Hand aus ihrem Haar und legte sie beinahe behutsam um ihr Handgelenk. Tiefe, graublaue Augen blickten mit einem Hauch Sanftheit zu ihr hoch und nahmen wie ein Magnet ihren Blick gefangen. Seine Ruhe ließ sie innehalten, zögern. Sherlock bemerkte, dass Catherine ihre Erinnerungen abgestreift hatte und mit der realen Angst kämpfte, nicht mehr mit dem Trauma. Sie war nicht mehr gefangen in den Erinnerungen, das sah er daran, dass sie ihm nun bewusst in die Augen blickte, ihn erkannte. Kurz strich er mit den Daumen über ihren Arm, wollte Wohlgesinnung ausdrücken. „Vertrauen Sie mir!“, flüsterte er. Catherine blickte ihn an, nickte und sie holte unbewusst tief Luft. Dieses Mal verstärkte dieser Atemzug ihre Panik jedoch nicht, obwohl das Gefühl des Ertrinkens blieb. Sie begriff, dass es nur eine Simulation war und allmählich wurde sie ruhiger. Sie vertraute Sherlock. Die Anspannung wich ein wenig aus ihrem Körper und der Griff um Sherlocks Arm lockerte sich. Sofort als Sherlock bemerkte, dass sie sich entspannte, nahm er den Waschlappen weg und blickte sie an. Seine graublauen Augen betrachteten sie durchdringend, beobachteten sie genau, wachten, ob die Panik zurückkehrte, doch das geschah nicht. Stattdessen schnappte Catherine gierig nach Luft, keuchte und umklammerte nun wieder die Armlehnen. „Sind Sie völlig verrückt?“, keifte Catherine ihn aufgebracht an, als sie realisierte, was Sherlock ihr da angetan hatte. Er hatte sie gewaterboardet. Sherlock hatte sie…Catherine erschauderte und wollte noch nicht einmal denk Gedanken zu Ende bringen. „Was haben Sie sich…“ Statt zu antworten, stand Sherlock auf und trat neben sie. Ohne ein Wort zu sagen drückte er seine feingliedrigen Finger gegen ihre Stirn. Sanft, aber bestimmt, legte er ihren Kopf in den Nacken und wrang den Lappen über ihr aus. Ein kleiner Bach fiel auf Catherine hinab. Das kühle Wasser traf auf ihre Stirn, prallte ab, spritzte und floss dann über ihre Augen, ihre Nase, ihren Mund. Kurz hielt sie instinktiv die Luft an, wartete auf die Panikattacke, doch zu ihrer Überraschung blieb sie aus. Verwirrt blickte sie zu Sherlock auf, der sie nun anlächelte und den Druck von ihrer Stirn nahm. „Sie haben den Schrecken überwunden, Catherine.“ Sherlock trocknete ihr Gesicht mit einem zweiten Lappen ab. Sie blinzelte ihn erstaunt an. Eigentlich hatte sie ihn anbrüllen wollen, doch die Tatsache, dass sie nicht zurückgeschreckt war, dass sie keine Erinnerungen überrollt hatten, hinterließ sie sprachlos. Noch immer überfordert ließ sich wieder normal in den Sessel sinken und strich sich ihren Pony aus dem Gesicht. „Schocktherapie…“, murmelte sie nur, als sie endlich ihre Stimme wieder gefunden hatte. Sie klang rau und trocken, war nur ein heiseres Krächzen. „Wenn gewöhnliche Mittel nicht greifen, muss man ungewöhnliche nehmen. Das sagten Sie doch.“, antwortete Sherlock, der ihr Glas wieder mit Saft füllte. Sie nickte und fuhr sich über die Lippen. Erst jetzt fiel ihr Blick auf seinen Arm. „Sherlock, Sie bluten ja!“, rief sie aus. Sherlock hielt inne, runzelte die Stirn und blickte auf seinen Unterarm. Hatte er es selber nicht bemerkt? Catherine war beinah überrascht, dass aus dem Übermensch Sherlock ebenfalls rotes Blut floss. Vorsichtig trat sie an ihn heran und ergriff seinen Arm. Catherine wollte sich die Wunde ansehen. „Sherlock, es…“ Gerade als sie sich entschuldigen wollte, entriss Sherlock ihr seinen Arm und ließ sie stehen. Verwirrt sah sie ihn an, doch Sherlock verließ das Wohnzimmer schon in Richtung Küche. Nur für einen Augenblick blieb er neben ihr stehen und blickte mit seinen ausdrucksstarken Augen zu ihr hinab. „Sie haben einen starken Willen, Catherine. Einen der Stärksten, den ich bisher je gesehen habe. Lassen Sie nicht zu, dass dieser von einen paar dummer Serben zerstört wird. Das wäre schade.“ Catherine starrte ihn mit großen Augen an, konnte nicht begreifen, was er ihr gerade gesagt hatte. Ihre Gedanken begannen zu rasen und sie versuchte zu verstehen, was Sherlock ihr zugestanden hatte, doch es war ihr nicht möglich. Er hingegen ließ sie stehen, legte aber im Vorbeigehen wie beiläufig eine Hand auf ihre Schulter. Sie wusste nicht, ob er es bewusst getan hatte, doch sie war gerade ohnehin mehr als überfordert. Einige Moment verharrte Catherine wie als wäre zu Eis erstarrt. Als sie ihn darauf ansprechen wollte, saß er bereits wieder über das Mikroskop gebeugt und ging seinem Experiment nach. Für Sherlock war das Thema abgeschlossen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)