Unverhoffte Nachbarn von Jeanne-Kamikaze- (Wenn Nachbarn interessant werden) ================================================================================ Kapitel 3: Eine andere Ansicht auf die Welt ------------------------------------------- 3. Kapitel: Eine andere Ansicht auf die Welt John war an diesem Freitagabend eher nach Hause gekommen, als er ursprünglich geplant hatte. Grund dafür war ein heftiger Streit mit seiner Freundin Jeanette gewesen. Sherlock hatte mal wieder mitten beim Kuscheln eine SMS geschrieben und er hatte den fatalen Fehler gemacht ihm zu antworten. Er hatte sich entscheiden müssen: Zoff mit Sherlock und dessen darauf folgenden SMS Terror oder eine eingeschnappte Jeanette, weil er sie mal wieder wegen Sherlock abwies. Nach einigen Hin und Herüberlegen hatte er sich dann dafür entschieden Sherlock zu antworten. Er hatte Milch mitbringen sollen und dafür diesen Terz. Jeannette hatte es natürlich nicht gepasst und sie hatte ihm an den Kopf geworfen, dass er nur mit Sherlock eine Beziehung hätte. Witzig. Das hatte er schon ein paar Mal gehört. Auch von seinen anderen Freundinnen. Meist war das sogar der Trennungsgrund gewesen. Natürlich war das völlig absurd, aber es gab ihm allmählich doch zu denken. John seufzte und nahm sich ein wenig Scotch aus dem Schrank, ging zurück in das Wohnzimmer. Zumindest war Sherlock nicht zu Hause, sonst hätte er jetzt wieder irgendeinen Spruch zu hören bekommen und das konnte John gerade wirklich nicht gebrauchen. Er wollte in Ruhe seine Gedanken ordnen und Sherlock war dabei alles andere als hilfreich. Überhaupt nicht hilfreich. Wieso tat er das eigentlich? Jedes Mal, wenn Sherlock rief, sprang er wie ein folgsamer Hund. Kein Wunder, dass seine Freundinnen glaubten, dass er eher eine Beziehung mit ihm hatte, aber so war das Ganze nicht. Dieses seltsame Beziehungsgeflecht war viel komplizierter, als dass John es benennen könnte. Es war losgelöst von so simplen Gefühlbezeichnungen wie Liebe, Freundschaft und Loyalität. Sherlock brauchte ihn nicht, höchstens zum Einkaufen und Kochen, aber im Rest konnte er für ihn nur Recherchieren, Infos sammeln und Dinge für ihn überprüfen. Selbst damals bei dem dritten Spiel von Moriarty, wo John sich so sicher gewesen war eine Lösung gefunden zu haben, hatte er sich getäuscht. Noch immer begriff er nicht ganz wie Sherlock all das anstellte, doch es beeindruckte ihn. Es beeindruckte ihn mehr als alles andere. Dennoch blieb Sherlock ein arroganter Kerl mit eindeutig zu viel Selbstbewusstsein. Eigentlich hatte John diese Art von Menschen niemals ausstehen können und doch war es so gekommen. Er wohnte hier zusammen mit einem funktionierenden Soziopathen, wie er sich selber nannte, löste mit ihm Verbrechen und seltsamerweise funktionierte es. Besser, als John es sich selber eingestand. Auch wenn es für ihn alles andere als leicht einzugestehen war, so machte ihm Sherlocks Andersartigkeit nichts aus. Sicher, oft war er irritiert, genervt oder schockiert, doch all das machte es auch irgendwie interessant. John wusste nie, was ihn als nächstes erwartete, kein Tag glich dem anderen und genau das genoss er. Es war wie im Krieg, doch hier wusste John, dass die Menschen, die sie fingen, wirklich böse waren. Im Krieg selbst hatte er sich zu oft Gedanken um die gemacht, die er getötet hatte, denen er in die Augen gesehen hatte, als sie starben. Waren sie Väter? Ehemänner? Brüder? Diese Fragen hatten ihn lange nicht losgelassen. Die Menschen auf der anderen Seite des Schlachtfeldes wollten sie alle töten und doch...konnte John nie sagen, dass sie böse waren. Schließlich...kämpften sie doch nur für ihre Heimat, genauso wie er. John schüttelte den Kopf, stellte das Glas mit dem Scotch ab und lief unruhig durch die Wohnung. Zu viele Gedanken rannten durch seinen Kopf, ließen ihn unruhig werden. Er musste allmählich zu verstehen beginnen, was das hier genau war, er musste herausfinden, was er wollte. Was er sich von alldem erhoffte oder er würde nie sein Privatleben auf die Reihe kriegen. Da fiel ihm etwas auf und John hielt inne. Eine Akte lag fein säuberlich auf dem Sessel, in dem Sherlock sonst immer saß. Beinahe, als hätte er sie weggelegt und wäre dann ruhig aufgestanden. Das war ungewöhnlich, besah man sich doch das Chaos, das momentan in der Wohnstube der 221b herrschte. Türme aus Akten, Notizen und Ausdrucken stapelten sich bedrohlich auf dem Schreibtisch, schwankten hin und her, als würden sie jeden Moment umfallen. Sherlock hielt nie viel von Ordnung. Er legte alles einfach hin und dann wurde er wütend, wenn er es nicht wieder fand. John seufzte. Warum sollte sich so ein brillanter Verstand auch mit Haushalt aufhalten? Das war ja so was von abwegig. Das konnte ja der Lichtleiter John Watson machen, wenn es ihn denn störte, aber wehe er verstellte etwas Wichtiges. Er tat es nur noch bei Härtefällen, wenn er nicht mehr einen Schritt in der Wohnung machen konnte, ansonsten mied er es auch nur eine Kleinigkeit woanders hinzulegen. Deshalb irritierte es John, dass diese Akte nicht achtlos irgendwo hingepfeffert worden war, sondern aus dem Chaos herausstach. Kurz zögerte er, haderte mit seinem Drang keinen Zoff mit Sherlock zu provozieren, doch dann nahm er sie, setzte sich in den Sessel und begann zu lesen. Es dauerte nicht allzu lange, bis er begriff, um welchen Fall es sich handelte. Es war die Akte von dem Mord an Catherines Bruder, denn der Name stand dick auf einem kleinen weißen Zettel. Wann hatte Sherlock sie sich besorgt? John runzelte seine Stirn, dachte aber nicht weiter darüber nach, sondern las sich durch die Anzahl von Berichten. Bald kam er zu demselben Schluss, den auch Sherlock vor einigen Stunden gezogen hatte. Etwas stimmte nicht. Dafür brauchte meine keine besonderen Fähigkeiten in Deduktion, keinen überragenden Intellekt. Etwas war einfach schlicht faul an dieser Sache. Seit er mit Sherlock unterwegs war, hatte John eine Art Gespür entwickelt, wann etwas im Gange war, das größer war, als man eigentlich vermutete. Viele bezeichneten es als Paranoia, schoben es vielleicht sogar auf sein PSD, doch John begann allmählich zu verstehen, dass mehr hinter der Welt steckte, als man sah. Plötzlich hörte er wie es klingelte und schrak aus seinen Gedanken. Irritiert runzelte er die Stirn. Es war zu lang für einen Klienten und auch zu lang für Lestrade. Mycroft hätte sich vorher per Telefon angekündigt. Langsam stand er auf, ging zur Tür und öffnete diese. Vor ihm stand Catherine im Türrahmen, ihr Haar war leicht kraus vom Nebel, der sich allmählich über London legte. Sie zitterte vor Kälte in ihrem schicken, roten Kleid. Es war ein seltsamer Anblick, kannte John sie sonst in Jeans und Shirt, doch er kam nicht ohnehin zu bemerken, dass sie hübsch war. Eine schlanke, junge Frau, mit Kurven und langen, sich in den Spitzen leicht lockenden, braunen Haar und wachen, intelligenten, meeresblauen Augen. „Oh, Sie sind ja schon da, John.“, sagte Catherine irritiert und neigte ihren schmalen Kopf. Offensichtlich hatte sie nicht gerechnet, dass Jemand zu Hause war. „Hatten Sie Streit mit...Jeannette?“ John rollte kurz mit den Augen und seufzte. „Kann man so sagen...Wollen Sie reinkommen?“, bot John freundlich an. „Ich wollte eigentlich nur fragen, ob Sie Zucker dahaben. Ich hab keinen mehr und ich brauch unbedingt nen Kaffee.“ „Den brauch ich auch.“, seufzte John und ging in die Wohnung. „Wir können gerne einen zusammentrinken.“ Catherine zögerte kurz und fragte sich, ob sie wirklich noch mit John sprechen sollte, schließlich wollte sie nur schlafen, doch sie spürte, dass er nicht alleine sein wollte und deshalb wollte sie ihm den Gefallen tun. Sie nickte John kurz zu, der bereits in die Küche gegangen war und nahm im Wohnzimmer Platz. „Meine Güte, was für eine Unordnung...“, murmelte sie als sie ihren Blick durch die Wohnung schweifen ließ. „Und ich dachte meine Bude wär unaufgeräumt.“ Catherine war schon ein- zweimal in der Wohnung von Sherlock und John gewesen und da war es genauso unaufgeräumt gewesen. Damals hatte sie gedacht, dass sie vielleicht nicht dazugekommen waren aufzuräumen, da sie wieder einen Verbrecher gejagt hatten. Nun schien ihr diese Möglichkeit aber ausgeschlossen. „So sieht es hier immer aus.“, erklärte John, der es gehört hatte und kam mit zwei Tassen Kaffee zurück. „Sherlock hält nicht viel vom Aufräumen.“ „Wär ja auch ein Wunder, wenn...“ Catherine schüttelte nur den Kopf und sah den Arzt an. „Wollen Sie Milch in Ihren Kaffee?“, fragte er sie, als sie das Tablett auf den Tisch stellte. „Ja, bitte.“ John nickte und schenkte ihr erst einmal eine Tasse. Ein warmer Duft erfüllte den Raum und Catherine ließ sich genüsslich in die Kissen sinken. Sie war noch völlig durchgefroren von der eisigen Nacht, der Nebel war ihr bis in die Knochen gedrungen und das prasselnde Feuer vertrieb das klamme Gefühl aus ihrem Körper. „Ich weiß nicht wie die meisten Frauen das aushalten. In solchen Klamotten friert man sich ja zu Tode.“, murmelte Catherine und rieb sich über die Arme. „Tjaa...so ist das.“ John reichte ihr eine feine Keramiktasse mit Goldverzierung und der vertraute Geruch des Kaffees stieg in ihre Nase, ließ ihre Hände kribbeln. „Danke.“ „Gern geschehen.“ Der Arzt setzte sich ihr gegenüber und die beiden tranken erst einmal einen großen Schluck. Das warme Getränk vertrieb endgültig die Kälte aus ihrem Körper und Catherine schloss die Augen. So geschah es, dass sie einfach ein paar Minuten da saßen, den Kaffee tranken und die Ruhe ohne Sherlock genossen. Dann jedoch öffnete sie ihre Augen und sah John an. „Also...was ist passiert? Ich dachte Jeanette und Sie wollten ins Kino gehen.“ Kurz blickte Catherine auf ihre Armbanduhr und runzelte die Stirn. „Der Film sollte erst in frühestens einer Stunde aus sein.“ John seufzte, ließ sich in den Sessel zurückfallen und rieb sich die Augenbrauen. Müde blickten seine blauen Augen sie an und der Schein des Feuers, der sich auf seinem Gesicht widerspiegelte, ließen ihn alt aussehen. Oh je, wie sehr hatte Sherlock ihn denn die letzten Wochen auf Trab gehalten? Und wo nahm der Consulting Detective die Energie nur immer her? „Sherlock ist passiert...“, erklärte er müde und strich sich durch das Haar. „Wer auch sonst?“ „SMS?“ „Ich sollte Milch holen.“ Seine Stimme war schwarzgefärbt vom Spott und er verdrehte die Augen. „Und damit begann der Knatsch.“, seufzte Catherine und nahm noch einen Schluck. Natürlich begann er dann. Sherlock duldete keine Verzögerungen und sei es bei noch so banalen Dingen wie Milch holen. Dieses Leid hatte ihr John schon öfter geklagt. „Jeanette fand das gar nicht lustig.“ „Verständlich...“, sagte Catherine nach einigem Abwiegen. Sie wusste nicht wie sie verhalten sollte. Sollte sie John zustimmen oder nicht? Lag ihm etwas an der Beziehung zu der Lehrerin? Sie war sich da nicht so sicher, doch vermutlich wollte John das gar nicht hören. Jeanette war die zweite Freundin, die Catherine mitbekommen hatte und bei ihrer Vorgängerin war es auf Grund einer ähnlichen Situation zu Bruch gegangen. Sherlock. Natürlich war Sherlock der Grund gewesen. Damals war John deprimiert zu ihr herüber gekommen und hatte gefrustet erzählt, dass ihm jedes Mal an den Kopf geworfen worden war, dass er mit Sherlock eine Beziehung hätte. Dabei wäre er nicht schwul. Catherine war damals verwundert gewesen, dass er zu ihr gekommen war, doch vielleicht hatte er eine halbwegs neutrale Person zum Reden gebraucht. Sie hatte förmlich gespürt, dass er von ihr erwartet hatte, dass sie das als Dummheit abtun würde. Um aber ehrlich zu sein, sprach wirklich alles dafür, doch sie wollte Johns Gefühle nicht verletzten. Es hatte sie damals all ihre Feinfühligkeit gekostet um dieses Thema zu umgehen. Sie hatte John kaum gekannt und es war noch nicht das Verhältnis da gewesen, was ihnen erlaubte, zu scherzen. „Und dann komm ich hierher und Sherlock ist noch nicht einmal da.“, schnaubte John frustriert und verschränkte seine Arme vor der Brust. „Hätte mich gewundert, wenn. Sherlock ist Essen gegangen.“, erklärte Catherine mit einem Schulternzucken. „Achso...essen...“ John nickte hastig, hielt dann aber inne und sah sie fragend an. Catherine erwiderte den Blick und neigte den Kopf, zuckte kurz mit den Schultern. „Was? Ich habe ihn getroffen, als ich mich auf dem Weg zum Date mit Nate gemacht habe. Er kam gerade von einer seiner Shoppingtouren wieder. Wundern Sie sich also nicht, wenn Sie wieder was im Kühlschrank finden.“ John legte die Stirn in Falten und drehte sich zum Kühlschrank um, erschauderte und sagte: „Ok, den Shepards Pie, der da drin ist, werde ich nicht mehr essen.“ „Sie wissen schon, dass die Bakterien eh nicht überwandern können. Dafür ist es dort zu kalt.“ „Schon...“, gab er zu. „Besonders appetitlich finde ich das trotzdem nicht. Medizinisches Wissen hin oder her.“ Catherine lachte und strich sich ihren Pony aus dem Gesicht. „Verständlich, John.“, schmunzelte sie amüsiert. John erwiderte das Lächeln knapp, aber es erreichte seine Augen nicht ganz. „Glauben Sie, dass sich das mit Jeanette wieder einrenken wird?“ John seufzte schwer und schloss die Augen. „Nein, glaube ich ehrlich gesagt nicht. Es ist ja nicht das erste Mal, dass ich sie für Sherlock versetzt habe. Sie war wirklich ziemlich sauer.“ „Hmm...das tut mir leid, John. Wirklich.“ John Blick wurde frustriert, doch dann schüttelt er den Kopf. „Sie haben ja Recht. Jedes Mal, wenn Sherlock ruft, dann eile ich zu ihm…mir stellt sich eigentlich nie die Frage, ob ich es tun sollte oder nicht.“ Seine Stimme wurde mit jedem Satz immer leiser. „Sherlock lässt einem auch keine besonders große Wahl.“, gab Catherine zu bedenken. John lachte freudlos auf und stand auf. Mit hastigen Schritten ging er zu der Glasvitrine, indem sie immer ihren Alkohol aufbewahrten, und holte sich eine Flasche Brandy heraus. Sorgsam schüttelte er sich ein Glas ein und setzte sich dann wieder zu ihr. „Und? Lief Ihr Date mit Nate wenigstens besser?“, hakte er nach einigen Minuten nach und beobachtete sie. Catherine schluckte und mied seinen Blick. Das Unbehagen in ihr wuchs. Sie wollte John nicht anlügen, denn sie vertraute ihm und schätzte ihn, doch sie wusste, dass er es niemals gutheißen würde, was sie getan hatte. John hatte höchste moralische Ansprüche und er hatte ja Recht gehabt. Nate hätte es verdient, dass sie ihm einfach klarmachte, dass eine Beziehung nicht möglich wäre, doch sie hatte lieber den Weg des Sherlocks gewählt. „Es lief…ganz gut.“, antwortete sie zögernd und wich noch immer seinen Blick aus. Tief Luft holend schloss sie die Augen und wartete darauf, dass John etwas sagte. „Er weiß also, wo er steht?“ „Oh ja, das auf jeden Fall.“, sagte sie hastig und nickte eifrig. Sherlock hatte seinen Standpunkt ja mehr als deutlich gemacht. „Sie sind eine schlechte Lügnerin, ist Ihnen das bewusst?“ Johns Stimme klang vorwurfsvoll und er seufzte leise. „Sie können mich ja nicht einmal ansehen, Catherine.“ Nun seufzte auch sie und sah auf. Johns blaue Augen lagen forschend auf ihr und sie wusste, dass sie dem sensiblen Mann nichts mehr vormachen konnte. Sie hatte ihren Spaß gehabt, nun musste sie die Konsequenzen tragen. „Was haben Sie wirklich getan, Catherine?“ John faltete seine Hände im Schoß und runzelte die Stirn. Schuldbewusst verzog Catherine den Mund und biss sich auf die Unterlippe. „Nun…ich…also…“ „Catherine…“, mahnte John sie und rutsche in seinem Sessel etwas vor. „Sie können mir doch alles sagen.“ „Das wird Ihnen aber nicht gefallen.“, erwiderte Catherine leise und fuhr sich müde durch ihr Haar. „Haben Sie so wenig Vertrauen zu mir?“ „Ich habe zu großes Vertrauen zu Ihnen und genau das ist das Problem. Ich möchte Sie nicht enttäuschen.“ „Catherine…“, sagte er wieder, dieses Mal aber sanfter. „Ich lebe mit Sherlock zusammen. Ich habe schon so manches Schockierendes erlebt.“ „Da…haben Sie nicht ganz unrecht…nun…Sherlock…war daran beteiligt.“ Unruhig drehte Catherine ihre Kaffeetasse in den Händen. „Sherlock…war was?“, wiederholte John ungläubig und sie hörte wie er den Atem anhielt. „Ich war so verzweifelt. Ich weiß es war nicht richtig, aber als ich nach einem Taxi suchte, lief er mir über den Weg. Er kam gerade aus der Pathologie und er hat natürlich direkt bemerkt, dass ich auf dem Weg zu einem Date war, aber darauf gelinde gesagt keine Lust hatte.“ Kopfschüttelnd ließ sie sich in den Sessel zurückfallen und bedeckte ihre Augen. John beobachtete sie weiterhin, ließ sie nicht aus den Augen, doch er sagte nichts. Etwas, was das Unbehagen in ihr nur noch steigerte. John war sehr humoristisch, wusste immer einen Witz, aber dass er sie einfach nur betrachtete und kein Wort sagte, ließ ihr schwindelig werden. Was hatte sie nur angerichtet? Das Spiel mit Sherlock hatte ihr solchen Spaß gemacht und sie hatte die Folgen nicht sehen wollen. Nein, sie hatte sie bewusst ignoriert, weil das Spiel viel reizvoller gewesen war. Das war verantwortungslos gewesen und dafür musste sie nun Rechenschaft stehen. Auch wenn das bedeutete, dass John sauer auf sie werden würde. „Er fragte mich, warum ich überhaupt ginge, wenn ich doch keinen Bock hätte. Er verstand nicht, dass ich es tat um das Arbeitsklima zu retten. Warum sollte er das auch verstehen?“ Sie schüttelte ratlos den Kopf und seufzte schwer. „Also versuchte ich es ihm zu erklären und er meinte, dass er eine Idee hätte wie ich aus dieser Situation kommen würde.“ „Sagen Sie nicht, dass Sie darauf eingegangen sind, Catherine! Sie wissen doch wie Sherlock ist. Das konnte nicht gut gehen.“, fuhr John entsetzt dazwischen. Catherine sah ihn an und lachte leise, wurde aber stets lauter, bis er sie verwirrt ansah. „Oh, an sich lief es gut. Nate wird mich garantiert niemals mehr einladen und wir beide hatten unseren hellen Spaß.“ „Was…haben Sie getan?“ „Ein kleines Schauspiel aufgeführt.“, erwiderte Catherine schlicht und zuckte mit den Schultern. „Von dem Nate nichts wusste.“ „Natürlich nicht. Ebenso wenig wie ich, wie ich zu meiner Verteidigung sagen muss. Sherlock hatte mir nicht gesagt, was er vorhatte. Dann platzte er plötzlich in das Gespräch, schlug mit der Faust auf den Tisch und gab den eifersüchtigen Liebhaber. Glauben Sie mir, John. Ich habe mich total erschrocken.“ Der Arzt zog eine Augenbraue hoch und er schien schwer damit kämpfen zu müssen, nicht laut los zu lachen. „Der…eifersüchtige Liebhaber? Kann er das überhaupt?“, fragte John ungläubig. Catherine schmunzelte ein wenig und rieb sich das Kinn. „Kann er. Er musste ja nicht Liebe zeigen, sondern Wut und Eifersucht…und das…das kann er beängstigend gut. Der arme Nate ist so schnell geflohen wie Speedy Gonzales.“ „Wirklich jetzt?“ Noch immer blinzelten seine blauen Augen sie ungläubig an. Catherine nickte zögernd und dann konnte John ein Lachen nicht mehr verkneifen. „Das hätte ich zu gerne gesehen.“ „Ich hatte zumindest einen Heidenspaß.“, erklärte Catherine kichernd und sie fühlte sich befreit. Sie hatte wirklich geglaubt, dass John mit ihr schimpfen würde, dass er ihr sagen würde, dass das nicht so geht, doch die Vorstellung, dass Sherlock einen eifersüchtigen Gockel spielte, schien das alles zu überdecken. Sie hätte es auch bereut, wenn dieser dumme Scherz- denn das war es für sie gewesen- ihre gerade aufkeimende Beziehung zu John geschädigt hätte. „Und jetzt ist er essen gegangen?“ „Er hat das zumindest gesagt.“ Catherine wog ihren Kopf hin und her. „Aber bei Sherlock weiß man ja nie, ob er spontan eine andere Idee hat.“ John seufzte und schüttelte leicht den Kopf. „Zumindest wollte er mich einladen. Doch um ehrlich zu sein…ich hatte genug Sherlock für einen Abend…glauben Sie mir, John. Es war so schwer nicht zu lachen. Sherlock hat so übertrieben, dass ich echt dachte, Nate würde die Finte riechen. So richtig herrlich melodramatisch, doch Sherlocks Blicke haben ihn viel zu verängstigt.“ Sie kicherte leise. „Und dann musste ich ja auch noch versuchen ihn zu beruhigen. Also schön Süßholzraspeln. Ich habe ihn ernsthaft Liebling genannt. Selten ging mir etwas so schwer über die Lippen. Es war wirklich abstrus. Sherlock…Liebling…das sind zwei Dinge, die man nicht zusammen in einem Satz verwendet.“ „…mein aufrichtiges Beileid.“ „Dankeschön.“, lachte sie und sie strich sich die Haare über die Schulter. John schüttelte nur schmunzelnd den Kopf. „Für die Rolle hätten Sie einen Oskar bekommen sollen.“ „Das finde ich aber auch.“, stimmte sie ihm eifrig zu und faltete ihre Hände im Schoß. „Aber um ehrlich zu sein, es war ziemlich einfach. Sherlock hat mit meiner Verwunderung gespielt und sie genutzt. Wenn er will, ist er ein verdammt guter Schauspieler und er hat es sehr genossen.“ „Dieser Kerl…“ Ein leichtes Lachen schwang in seiner Stimme mit und noch einmal schüttelte er ungläubig den Kopf. „Man weiß bei ihm nie, was als nächstes kommt.“ „Aber das schätzen wir doch an ihm.“ Catherine lächelte zaghaft, denn sie spürte, dass Johns erste Verwunderung verschwand. „Ja, das stimmt.“, gestand John dann seufzend ein. Er nahm noch einen Schluck aus dem Glas und betrachtete sie nachdenklich. Catherine spürte, dass er nun nachdenklicher wurde. Nicht nur wegen dem, was sie getan hatte, sondern auch inwieweit Sherlock bereits sein Leben kontrollierte. Seine Augen wanderten durch den Raum, blieben an dem Schädel auf dem Kamin hängen und ein freudloses Lächeln zuckte um seine Mundwinkel. „Auch wenn es sicher amüsant war, fair Nate gegenüber war das nicht. Hatte er diesen Schrecken verdient?“ „Nein…natürlich nicht…“, sagte sie reumütig und senkte den Blick. John schaffte es auch immer wieder ihr ein schlechtes Gewissen einzureden. Bis gerade eben hatte sie noch blendende Laune gehabt, doch nun fühlte sie sich, als hätte sie einen Verrat begangen. Ihr Magen verkrampfte sich ein wenig. Es lag zwar kein Vorwurf in Johns Blick und auch keine Ermahnung und dennoch wurde ihr ganz flau, als er sie einfach nur stumm betrachtete. „Catherine…ich mach mir ehrlich gesagt Sorgen. Sherlock ist ein sehr einnehmender Mensch. Mein Leben kontrolliert er schon komplett und das ist in Ordnung. Aber Sie haben noch viel vor in Ihrem Leben. Lassen Sie nicht zu, dass er sich zu sehr einmischt. Ich mein das als Rat. Er wird die Grenzen nicht ziehen und Sie tanzen gefährlich nah an seiner Welt.“ Ernste, blaue Augen sahen sie an und etwas Warnendes lag in seiner tiefen Stimme. Es war Johns Ernst. Das war nicht zu übersehen. Er war um ihre Zukunft besorgt. Er kannte Sherlock besser als jeder andere und wusste, was es bedeutet, wenn man sein Leben miterlebte. Vermutlich glaubte John, dass sie selbst die Gefahren nicht abschätzen konnte. Vielleicht konnte sie das auch nicht, aber sie wollte es selbst bestimmen. Catherine ließ sich das Gesagte durch den Kopf gehen und stand dabei langsam auf. Ein Leben mit Sherlock Holmes hieß Gefahr, das hatte sie schnell erkannt. „Danke für den Kaffee, John. Der hat gut getan. Ich werd dann mal wieder rüber und schlafen…“ Demonstrativ streckte sie sich und gähnte herzhaft. „Ich bin hundemüde.“ Sie war schon beinahe an der Tür, als John sich ein letztes Mal an sie wandte. „Catherine…dieser Rat war mein Ernst.“ Sie blieb kurz stehen, holte tief Luft und nickte. „Ich weiß, John. Ich weiß…“, murmelte sie müde. „Warum lassen wir das eigentlich zu?“, sagte John leise- mehr zu sich selbst zu Catherine, während er in das Feuer starrte. „Weil wir in einem sherlockzentrischen Weltbild leben, John. Und ich befürchte, dass kein Kopernikus oder Galileo da sind um uns zu beweisen, dass es anders ist.“, erwiderte sie ruhig und ging zur Tür hinaus. ~*~ Jahuuu, schon wieder ein neues Kapitel. Es läuft wirklich gut, so schnell war ich in letzter Zeit selten :) Hoffe es hat euch gefallen. Im nächsten Kapitel stelle ich einen neuen Fall vor. ^-^ Ich hoffe ihr freut euch drauf. So viele Leser und keine Review sind nämlich irgendwie doch entmutigend... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)