Unter den Apfelbäumen von maidlin (Prequel zu Drachenkind) ================================================================================ Epilog: Als er starb... ----------------------- „Warum erzählen Sie mir das alles? Dieser Mann interessiert mich nicht im Geringsten und er tut mir auch nicht leid. Dann hatte er eben einen geliebten Menschen verloren, aber das ist noch lange keine ausreichende Entschuldigung für seine Handlungen! Wenn Sie mich fragen, hat er es nicht anders verdient! Wir sollten zurückgehen. Ich habe noch einiges zu erledigen und auch keine Lust mehr, mir irgendwelche Geschichten über einen Mann anzuhören, den ich wohl umbringen würde, würde er noch leben!“ Ah, höre mir doch bitte bis zum Schluss zu, Luan. Denn jetzt kommt der Teil, der dich schon noch interessieren wird. „Das kann ich mir nicht vorstellen.“ Du hast recht, lass uns langsam umkehren. Auch meine Geschichte ist bald zu Ende. Weißt du, Luan, es ist erstaunlich, wie viele Fehler man machen kann, wenn man doch nur das Gute im Sinne hat. Nie habe ich das deutlicher zu spüren bekommen, als an jenem Tag, an dem ich Jonathan von dem Kind erzählte und denen, die darauf folgten. Ich muss dir nicht erzählen, was geschehen ist, nicht wahr? Du weißt es ebenso gut, wie ich. Wenn nicht sogar besser. Nachdem deine Mutter John ihr Geschenk präsentierte und sie die Feierlichkeit verlassen konnte, begegnete sie auf einem Treppenabsatz Jonathan. Er hatte gesehen, was sie getan hatte und versuchte… sich ihrer zu bemächtigen. Aus Angst um ihr ungeborenes Kind, versuchte Annie sich zu wehren und stieß ihn dabei die Treppe hinab. Wie grausam das Schicksal doch sein kann. In dem Augenblick, in dem Jonathan wieder leben wollte, starb er. Warum Jonathan sich in der Burg aufhielt und nicht bei der Feier war, fand ich erst später heraus. „Was gibt es da noch zu erklären? Er hat sich mit einem Mädchen vergnügt und ist auf dem Rückweg meiner Mutter begegnet! Er wollte sie haben und sie hat sich gewehrt.“ Nein, nein, Luan. Das denke ich nicht, obwohl ich es natürlich nicht mit Sicherheit sagen kann. Wieder kann ich nur Vermutungen anstellen. Am nächsten Morgen wollte ich Jonathan noch einmal aufsuchen und wissen, wie er sich entschieden hatte. Ich hatte warten wollen, konnte die Anspannung aber selbst nicht mehr ertragen. Als ich erfuhr, dass man seinen leblosen Körper am Fuße einer Treppe gefunden hatte, war ich mehr als entsetzt. Ich muss gestehen, zuerst dachte ich an einen Selbstmord. Er hatte schließlich so oft davon gesprochen. Doch als ich die Leiche sah und auch untersuchte, wurde ich mir immer sicherer, dass es ein Unfall gewesen war. Dann erzählte mir dein Ziehvater Alexander, was in jener Nacht geschehen war und erst da begriff ich das ganze Ausmaß dieser Tragödie. Bei meiner Untersuchung hatte ich in Jonathans Westentasche nämlich einen Brief gefunden. Darin stand sehr deutlich, was er vorgehabt hatte. Neben mir hat diesen Brief nur noch ein einziger Mensch gelesen und du wirst der nächste sein. „Warum sollte ich das tun? Was kann darin stehen, das für mich jetzt noch von Bedeutung ist?“ Das wirst du begreifen, sobald ich dir den Namen von Jonathans und Marys Tochter genannt habe. Hast du dich noch nicht gewundert, dass ich ihn bisher noch nicht ausgesprochen habe? „Was geht es mich an? Ich habe mit all dem nichts zu tun!“ Oh, doch das hast du. Mehr, als die selbst bewusst ist. „Was meinen Sie damit?“ Höre mir zu und du wirst es bald erfahren. Jonathan hatte sich nämlich für das Kind und seine damit verbundene Verantwortung entschieden. Ich glaube, er wollte Clara noch am gleichen Tag aufsuchen, aber Barrington lief ihm wohl über den Weg und hielt ihn davon ab. Selbst Jonathan konnte sich ihm nur bis zu einem bestimmten Punkt wiedersetzten. Vielleicht veranlasste das Verbot zu gehen, Jonathan diesen Brief zu schreiben und seine Gefühle und Gedanken zu ordnen. Er war wohl gerade auf dem Weg den Brief einem Boten zu überreichen, als er deine Mutter im Hof sah. Jonathan sah, was sie tat. Ich glaube, er war eifersüchtig auf sie. „Tss, das ist ja nun vollkommen absurd! Warum sollte er?“ Wenn du genau darüber nachdenkst und dich erinnerst, was ich dir bisher über Jonathan erzählt habe, dann nicht. Jonathan hatte immer Angst davor gehabt seinen Status und sein Ansehen zu gefährden, indem er sich offen zu Mary bekannte. Er wollte nicht darauf verzichten und war an Regeln gebunden, die seinem Stand irgendwann einmal auferlegt worden waren. Auch Mary fühlte sich diesen Regeln verpflichtet. Als sich Jonathan für Mary entschieden hatte, war es bereits zu spät und sie hatte einen anderen geheiratet. Annie hat mit ihrer Tat weit mehr riskiert, als nur ein paar Regeln zu brechen oder im Ansehen anderer Leute zu sinken. Sie hat nicht nur ihr Leben aufs Spiel gesetzt, sondern auch deines. Sie war weitaus mutiger, als Jonathan es je gewesen war. Vielleicht war es genau das, was ihn hatte so zornig werden lassen. Deine Mutter hatte ihm in dieser Nacht seine größte Schwäche aufgezeigt. Es würde mich nicht überraschen, wenn er sie dafür gehasst hat. Ich entschuldige nicht das, was er getan hat, aber… Ich weiß auch nicht… Ich wünsche mir nur, dass du beginnst ihn zu verstehen. Es ist äußerst wichtig für dich. „Das sagten Sie bereits und ich verstehe es immer noch nicht. Deswegen werde ich mich an dieser Stelle von Ihnen verabschieden. Einen schönen Tag noch.“ Luan einen Moment noch. Nur noch zwei Dinge: Mathew und Magdalena haben den Tod ihres einzigen Kindes nie verkraftet. Mathew gab sich selbst die Schuld, wo er doch hätte ahnen können, wohin Jonathans Weg führte. Er folgte seinen Sohn nur zwei Jahre später. Seit Jonathans Tod war auch Magdalena nie wieder die Gleiche. Sie verfiel ihn einen Art Starre und nachdem auch noch ihr Mann gestorben war, schien sie ihren Verstand gänzlich zu verlieren. Sie lebt noch, ist inzwischen fast siebzig und wartet immer noch darauf, dass ihr Sohn eines Tages nach Hause kommen wird. Jeden Tag sitzt sie im gleichen Sessel mit Blick auf den Weg und wartet darauf, dass Jonathan irgendwann zu ihr kommt. Ich habe den beiden nichts von dem Kind erzählt. Clara wollte es unter keinen Umständen und drohte sogar damit, mit dem Kind ganz fortzugehen, so dass man sie niemals finden würde. Ich weiß nicht, warum sie so einen Groll hegte. Vielleicht war es auch einfach nur Angst, man würde ihr das Kind wegnehmen. Ich werde nun gehen und dir den Brief dalassen. Ich bitte dich inständig ihn zu lesen. Wenn du fertig bist, hoffe ich, dass du das richtige tun wirst. Ich für meinen Teil hoffe, dass ich Jonathans Geschichte damit doch noch zu einem guten Abschluss bringen kann. Sie hat mich darum gebeten, dir von Jonathan zu erzählen. Sie selbst kannte ihn ja nicht und weiß um die Dinge, die er deiner Familie angetan hat. „Sie?“ Lies den Brief. Dann wird dir auch der Rest klar werden. Inzwischen habe ich keinerlei Zweifel mehr daran, dass das Mädchen wirklich seine Tochter ist. „Und wie hieß sie nun? Das haben Sie immer noch nicht gesagt.“ Mary nannte ihr Kind nach dem Ort, an dem sie und Jonathan am glücklichsten gewesen waren und der voller Erinnerungen für sie war. Sie nannte sie Apple. Jonathans Tochter ist deine Frau, Luan. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)