Unter den Apfelbäumen von maidlin (Prequel zu Drachenkind) ================================================================================ Kapitel 8: Die 5. Begegnung - Teil 2 ------------------------------------ Als ich später eintraf hatte sich Jonathan etwas beruhigt. Ich hatte ihn und Mary ein paar Jahre nicht gesehen und war angenehm überrascht, wie sich beide verändert hatten. Sie waren erwachsen geworden. Mary besaß nicht die Schönheit der reichen Damen, zumindest nicht auf den ersten Blick, was wohl an dem grauenhaften braunem Kleid lag. Doch bei genauerem Hinsehen, musste man zweifelsohne ihre Schönheit feststellen. Sie hatte eine schöne Haut und ihre Locken waren einfach prächtig. Sie hatte etwas Reizvolles an sich. Ich würde sagen, sie strahlte von innen heraus und dass machte sie so anziehend. Jonathan war ein stattlicher junger Mann, wahrlich gutaussehend. Mit seinem blonden Haar und die grünen Augen war er für die Damen wirklich eine Augenweide. Er trug zwar nur seine Malkleidung, wie ich später erst bemerkte, doch schien auch diese sorgfältig ausgewählt worden zu sein. Es waren dunkle Farben, in grün und braun, doch waren es feine Stoffe, die ihm auf den Leib geschneidert waren. Er begrüßte mich höflich und bedankte sich für mein schnelles kommen, dennoch konnte ich die unterdrückte Wut in seinen Augen sehen. Ich fragte mich, was wohl vorgefallen sei. Es war mehr als ungewöhnlich, dass ein Herr einen Arzt kommen ließ, nur weil sich eine Dienstmagd verbrannt hatte. Mary begrüßte mich freundlich, wenn auch verhalten und entschuldige sich viele Mal, dass ich ihretwegen so viele Umstände hatte. Jonathan hingegen war ehrlich und sagte, dass das auch meine Pflicht sei. Während ich mir Marys Wunde besah, bedrängte Jonathan sie weiter damit, sich genau zu erinnern, wer von den Mädchen in den Raum gekommen sein könnte. Jonathan wusste, dass Mary ihre Schritte sehr genau kannte und sie den Dienstmädchen zuordnen konnte. Außerdem fragte er sie weiterhin, was noch vorgefallen sei. Ich konnte anhand ihrer Atmung und Mimik erkennen, dass sie sich von Jonathans bedrängt fühlte. Statt ihm zu antworten, tat sie etwas anderes, was mir einen kleinen Einblick in die Beziehung der beiden gewährte. Mary sprach Jonathans Namen aus – nicht scharf oder ermahnend, sondern sanft und ein leichter Tadel schwang darin mit. So wie man vielleicht mit einem Kind reden würde. Jonathan verstummte augenblicklich und bedrängte sie nicht weiter. Dass das Thema damit für ihn jedoch noch nicht beendet war, sah man deutlich auf seinem Gesicht. Dieser kurze Moment zeigte mir, wie viel Einfluss sie auf ihn ausübte. Auch ich hatte diverse Geschichten über Jonathan gehört und pflegte spärlichen Briefkontakt mit beiden seiner Eltern, so dass ich über sein Verhalten und Wesen ungefähr informiert war. Außerdem war Jonathan von klein auf niemand, der sich von jemanden aus einem tieferen Stand, etwas sagen ließ. Es lag schlicht nicht in seiner Natur. Marys Tadel wiederstandlos anzunehmen, passte also gar nicht zu ihm. Ein Blick zu Clara bestätigte mir meine Vermutung. Sie schien jedoch nicht besonders glücklich über die Nähe der beiden zu sein. Als ich meinen Blick schweifen ließ, sah ich auch das riesige Gemälde, was mitten im Raum stand. Es war verdeckt, doch an der Seite war der Stoff etwas verrutscht, so dass man ein wenig von dem Bild sehen konnte. Ich sah nur einen Frauenkörper in einem weißen Kleid und doch erkannte ich an den Haaren, dass es wohl Mary war. Das wenige, was ich sah schien für mich, als Laie, von großem Können zu sprechen. Es waren bis zu diesem Zeitpunkt nur das Kleid fertig und die Umrisse des Körpers, doch schien es beeindruckend zu werden. Jonathan, der meinem Blick gefolgt war, bemerkte wohin ich sah und zog den Stoff rasch über das Bild. Wütend funkelte er mich an, sagte jedoch nichts. Ich ahnte etwas von Jonathans Gefühlen für Mary, doch sicher war ich mir nicht, schließlich waren mir auch genügend Gerüchte über seine Liebschaften zu Ohren gekommen. Ich dachte auch nicht näher darüber nach, weil ich mit Marys Behandlung beschäftigt war und Magdalena und Mathew das Zimmer betreten hatten. Misses Collest hatte berichtet, was vorgefallen war und sie verlangten von Jonathan eine Antwort. Sie wollten Jonathan allein sprechen und er fügte sich ihnen, wenn es auch offensichtlich war, dass er dies nur widerwillig tat und lieber bei Mary blieben wollte. Jahre später, als er mir auch all das andere erzählte, berichtete mir Jonathan, was zwischen ihm und seinen Eltern gesprochen wurde. Mathew hatte ihm sehr deutlich gemacht, dass er keinerlei Recht hatte, so eine Drohung auszusprechen, ganz gleich was geschehen war. Noch hatte Magdalena die Verantwortung über die Hausmädchen und nur sie allein entschied, wie sie zu verwarnen oder zu bestrafen seien. Außerdem sei Angst zu verbreiten noch nie eine Möglichkeit gewesen, irgendetwas zu erreichen, sondern verursache eher das Gegenteil. Reibereien unter den Dienstmädchen seien zudem keine Seltenheit und verschwinden oft von selbst wieder. Er hätte zuerst mit ihnen sprechen müssen, bevor er irgendwelche Maßnahmen veranlasste. Vor seinen Eltern gab Jonathan seinen Fehler zu, im Inneren jedoch sah er nichts Falsches an seinem Verhalten. Sie hatten seiner Mary wehgetan und sollten wissen, was ihnen blühte, sollten sie es noch einmal versuchen. Marys Verletzung war durchaus schmerzhaft. Langsam hatte sich auch eine Brandblase gebildet. Jedoch konnte ich ihr zu diesem Zeitpunkt nicht viel helfen. Ich gab ihr eine Salbe und verband die Wunde neu. Weiterhin sollte sie den Arm möglichst schonen, um weitere Schmerzen zu vermeiden und die Wunde sauber halten, damit sie sich nicht entzündete. Jonathan versprach, dass er dafür sorgen wollte. Zwei Tage später kam ich noch einmal, um nach Mary zu sehen. Trotz meiner Warnung und Jonathans Versprechen, hatte sich die Wunde leicht entzündet. Die Brandblase hatte sich geöffnet und nässte. Ein roter, dunkler Rand hatte sich herum gebildet. Dass es sich entzündet hatte, lag nicht an Jonathans Unaufmerksamkeit, sondern eher an Marys mangelnder Rücksicht auf sich selbst. Jonathan konnte Mary nicht von allen Arbeiten entbinden lassen – auch wenn er das gern getan hätte - aber er hatte Misses Collest gebeten, Mary nicht allzu schwere Aufgaben aufzutragen. Aber Mary hatte ihren eigenen Kopf und wollte sich noch nutzloser fühlen. Ich ermahnte sie streng und sie versprach sich an meine Anweisung zu halten. Als ich wiederum zwei Tage später zu ihr kam, hatte sie schon Fieber und hütete das Bett. Jonathan stand während meiner Untersuchung und Behandlung vor der Tür und trat ein, als ich endete. Ich teilte ihm mit, dass Mary im Bett bleiben müsste, bis das Fieber vollkommen abgeklungen war und die Wunde vollständig geheilt. Ansonsten hätte die Gefahr bestanden, dass es sich immer wieder entzündet und sie den Arm vielleicht nie wieder würde nützen können. Jonathan bedachte sie mit einem strafenden Blick, den sie natürlich nicht sah. Trotzdem sagte sie einen Augenblick später: „Sei nicht böse auf mich, Jonie.“ Es war das erste Mal, dass ich diesen Kosenamen hörte und war zutiefst erstaunt, dass Jonathan ihr nicht wiedersprach, sondern nur tief seufzte. „Du weißt, dass ich das sowieso nicht sein kann“, erwiderte er nach kurzer Zeit. Ich sagte nichts dazu, wunderte mich aber doch sehr darüber. Ich glaube es war ungefähr zwei oder drei Wochen nach meinen ersten Besuch bei Mary, als Jonathan eine sehr interessante Unterhaltung anhörte. Er sagte mir, dass er das folgende noch nie jemanden erzählt hatte und ich glaubte ihm. Nach Marys Unfall ging Jonathan mit offenen Augen durch das Haus und beobachtete die Dienstmädchen sehr genau. Er wusste, dass er vorsichtig vorgehen musste. Zum einen wollte er eine Auseinandersetzung mit seinem Vater vermeiden, zum anderen waren die Dienstmädchen nun auf der Hut. Doch eines Tages hörte er, wie sich zwei der Mädchen hinter einer Tür stritten. Neugierig geworden, öffnete Jonathan so leise er konnte die Tür. Ein Spalt, gerade einmal ein Finger breit genügte ihm schon und er konnte ihre Stimmen deutlich hören. Es dauerte einen Moment bis er ihren Stimmen Namen zuordnen konnte, erkannte dann aber dass es sich bei den beiden um Angelica und Babette handeln musste. Angelica war blond, mit einem eckigem Gesicht und einer kleinen Nase. Ihr Mund saß etwas schief und ihre Augen waren grün. Babette hatte schwarzes Haar, war kleiner als alle anderen und etwas rundlich. Überhaupt schien alles an ihr runder zu sein, als bei anderen - selbst ihre Nase. „Dieses dumme Mädchen! Musste sie es ausplaudern! Konnte sie nicht den Rand halten! Jetzt müssen wir ihre Arbeiten mitmachen, während sie es sich gut gehen lässt! Ich sage dir, dass hat sie mit Absicht gemacht. Macht einen auf hilflos, dabei hat sie es faustdick hinter den Ohren, glaube mir! Dass sie damit auch noch gleich zu dem jungen Herren gerannt ist, dieses Biest! Und jetzt müssen wir sie bedienen! Ich könnte sie ohrfeigen!!!“, schimpfte Angelica wütend. Jonathan hörte Babette seufzen. Offenbar hatten sie diese Unterhaltung schon öfter gehabt. „Sie lässt sich nicht von uns bedienen, ihre Mutter ist doch immer bei ihr. Und die Wunde sieht wirklich schlimm aus, ich habe es gesehen, als ich Doktor Storm geholfen habe, den Verband zu wechseln. Damit bist du wirklich zu weit gegangen. Ein paar Scherze mögen ja noch in Ordnung sein, aber das war einfach nur gemein von dir. Du kannst froh sein, dass sie sich nur den Arm verbrannt hat und nicht mehr geschehen ist. Außerdem kann ich mir nicht vorstellen, dass sie es dem Herrn sofort erzählt hat. Dann hätte sie das schon viel früher getan.“ „Ach, halt doch den Mund! Bist du jetzt auch noch auf ihrer Seite?!“ „Das habe ich nicht gesagt, aber ich finde dein Verhalten nicht gut und ich möchte meine Stellung hier nicht verlieren. Ich darf mir das nicht erlauben und du auch nicht. Aus irgendeinem Grund hat der junge Herr Mary ausgesucht und will eben nur sie malen. Damit müssen wir uns abfinden, ob wir wollen oder nicht. So einen Wutausbruch möchte ich nicht noch einmal erleben.“ „Was findet er nur an ihr? Was hat sie zu bieten, was ich nicht habe? Ich bin größer und schlanker als sie und ich bin nicht blind! Also, was ist es dann? Nur, weil sie als Kinder schon zusammen gespielt haben? Ihr muss doch klar sein, dass er sich nur mit ihr abgegeben hat, weil niemand anderes da war und er Mitleid mit ihr hatte. Wahrscheinlich hat er das immer noch und leistet ihr nur aus Großzügigkeit Gesellschaft!“ „Mary hat ein nettes Wesen. Jeder kommt mit ihr aus und ich glaube Mitleid ist das letzte was sie von irgendjemand möchte. Ich mag sie recht gut leiden, obwohl ich noch nicht lange hier bin.“ „Ach, was weißt du denn schon, du dumme Gans! Hätte ich mir ja denken können! Sei still und mach deine Arbeit! Hauptsache du verpetzt mich nicht!“ „Nein, das mache ich nicht. So jemand bin ich nicht. Ich hoffe nur, es war dir eine Warnung“, sagte Babette nun etwas leiser. Einen Moment stand Jonathan noch wie erstarrt vor der Tür und versuchte das gerade gehörte zu verarbeiten. Dann schlich er leise davon. Die Wut war jedoch von neuem in seinen Inneren entfacht. Jetzt da er wusste, wer Mary geschadet hatte, würde er ihr eine Lektion erteilen, die sie nicht vergessen würde. Er bestellte Angelica einen Tag darauf in sein Zimmer. Sie verbeugte sich tief vor ihm und er sah bereits bei ihrem Eintreten, wie ihre Wangen sich röteten. Jonathan saß in seinem Sessel und beobachtet jede ihrer Bewegungen. „Schließ die Tür hinter dir ab“, wies er sie kurz an. „Sir?“, fragte Angelica überrascht, wurde aber noch eine Spur röter. „Mach schon.“ Sie drehte sich um und schloss die Tür ab. Er ließ sie nicht zu sich kommen, sondern erhob sich. Jonathan hatte nur ein schlichtes, weißes Hemd an. Eines welches er auf seinen Reisen oft getragen hatte und dessen Ausschnitt einem V glich und einen Teil seiner Brust zeigte. Dazu eine einfache braune Hose und keine Schuhe. Bei einem Blick in den Spiegel hatte er zuvor gesehen, dass seine Haare leicht zerzaust waren, weil er an Skizzen gesessen hatte. Jonathan wusste nur zu gut welche Wirkung dieses Auftreten auf Frauen hatte. Mehr als einmal hatte er es erfahren, immer mit dem gleichen Ausgang. Und es war genau das, was er auch Angelica spüren lassen wollte. Langsam, so als hätte er alle Zeit der Welt, ging er auf sie zu und lächelte dabei schief. „Ich habe dich in letzter Zeit beobachtet“, begann er mit leiser Stimme. Angelica blickte nach unten. Das Rot breitete sich nun auch auf ihre Ohren aus. Immer näher kam er ihr und auch wenn sie versuchte zurückzuweichen, so hatte sie doch bald die Tür im Rücken. „Du gefällst mir“, flüsterte er weiter. „Sir, ich…“ Jonathan stütze einen Arm an der Tür ab und blickte dann langsam ihren Körper hinab. Er konnte Angelica schlucken hören. „Du bist hübsch. Ich könnte mir vorstellen, dass man mit dir eine Menge Spaß haben kann. Oder Angelica? Kann man mit dir Spaß haben?“ Angelica keuchte hörbar auf. Er fasste mit seinen Fingern ihr Kinn und hob es sacht an. Nur ein wenig brauchte er den Kopf zu neigen und seine Lippen lagen dicht über ihren. „Du sagst ja gar nichts? Ich habe dich etwas gefragt?“ „Ich… ich… Sir, ich…“, stotterte sie unbeholfen. Jonathan fuhr sein Daumen über ihren Mund und sie gab ein leises Wimmern von sich. Seine Finger wanderten ihren Hals entlang, während sein Mund noch immer über ihrem schwebte. Inzwischen zitterte sie. Seine Hand glitte weiter ihren Körper entlang, ihren Hals hinab, über ihr Schlüsselbein und schließlich berührte er ihren Busen. Das Geräusch, welches Angelica vor Schreck machte, klang für Jonathan wie ein Quieken. „Sir, nicht…“ „Was denn? Ich dachte, dir gefällt das?“, fragte er unschuldig und sah ihr eindringlich in die Augen. Die rechte Hand nahm er von der Tür und legte sie auf ihre Taille. Von dort wanderte sie über Angelicas Becken und ihren Oberschenkel. „Nicht!“, rief sie kurz, stöhnte gleich danach aber vor Schmerz auf. Jonathan hatte ihre Brust fest gedrückt. „Komm schon Angelica, hab ein bisschen Spaß mit mir“, bedrängte er sie weiter. Sie schüttelte den Kopf und kniff die Augen zusammen, wohl um ihn nicht länger ansehen zu müssen. Mit rechts begann er ihre Röcke anzuheben und knetete ihren Busen weiterhin. „Nein, nicht…“, schluchzte sie nun. „Ich dachte du willst es? Die Blicke mit denen du mich angesehen hast, waren doch eindeutig.“ Heftig schüttelte sie den Kopf, doch er ließ sie nicht gehen. Jonathans linke Hand öffnete die Bänder ihres Kleides, während seine rechte Hand die Röcke inzwischen so weit gehoben hatten, dass er ihre Unterwäsche berührte. „Nein, bitte, nicht! Hören sie auf, bitte…“, flehten sie und Tränen rannen ihre Wange hinab. Er hörte ihre Worte und doch machte er erbarmungslos weiter. Jonathan war so grob zu ihr, wie noch nie zu einer Frau. Dennoch sagte er später, dass er sich zurückhielt. Angelica versuchte ihn von sich zu stoßen, doch er presste seinen Körper nur noch mehr gegen ihren. Sie war zwischen ihm und der Tür gefangen. Jetzt liefen die Tränen unendlich aus ihren Augen. Wenn es Jonathan nicht ertragen konnte Mary auch nur mit feuchten Augen zu sehen, so verschaffte ihn der Anblick von Angelicas verweintem Gesicht ein unglaubliches Gefühl von Genugtuung und Macht. Noch einmal versuchte sie sich gegen ihn zu wehren. Doch Jonathan reagierte schneller. Er drückte den Arm fest gegen ihren Hals, so dass sie nach Luft rang. Mit der anderen Hand kniff er ihre Brust noch ein letztes Mal schmerzhaft. Aus schreckgeweiteten Augen sah sie ihn an. „Wage es nie wieder ihr wehzutun“, zischte er schließlich. „Hast du mich verstanden? Sonst wirst du es bitter bereuen.“ Ihre Augen schienen noch größer zu werden. „Was ist? Hast du mich verstanden?“, fragte er noch einmal zwischen zusammengepressten Zähnen hindurch. Sie nickte zitternd. „Gut.“ Dann ließ er sie los und ihr Körper sackte gegen die Tür. Diese schloss er auf und zog Angelica mit der anderen Hand von der Tür weg. „Du kannst gehen“, sagte er kalt. Mit diesen Worten öffnete er die Tür und zerrte sie nach draußen. Dann schloss er sie wieder und ließ sie allein und zitternd im Gang stehen. Nur ganz kurz verspürte Jonathan den Anflug eines schlechten Gewissens. Vielleicht war sein Handeln nicht ehrenhaft, aber wenn es ihm so gelang Mary in Sicherheit zu wissen, war ihm eigentlich jedes Mittel recht. Außerdem hatte er ihr nicht richtig geschadet und mit ihr geschlafen hätte er sowieso nie. Dazu hätte er sich niemals überwinden können, schließlich hatte auch er seinen Stolz. Er hatte Angelica Angst machen wollen und ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, war ihm das ordentlich gelungen. Selbstverständlich ging Jonathan davon aus, dass Angelica diese Begegnung für sich behalten würde. Daran hatte er keine Zweifel und er würde auch Mary nie etwas davon sagen. Er wollte sich gar nicht erst ausmalen, wie sie reagieren würde, sollte sie davon erfahren. Der Gedanke, dass sie ihn für seine Tat verachten würde, ließ sein eigenes Herz vor Angst schneller schlagen. Nein, Angelica würde es schon für sich behalten und wenn nicht, würde er von seiner ersten Drohung Gebrauch machen. Im Haus wurde es danach tatsächlich ruhiger. Mary erholte sich vollständig und als Jonathan sie nach weiteren Vorfällen fragte, antwortete sie mit einem nein. Sie musste ihm versprechen, dass sie ihn nicht anlog. Der Herbst zog schnell dahin, ebenso der Winter. Jonathan bemerkte es kaum, denn er war vollkommen in sein Gemälde vertieft. Nachdem Mary genesen war, kam sie allein in das Zimmer, zog sich um und dann bürstete Jonathan ihr die Haare. Er liebte es das zu tun. Er konnte ihren Locken stundenland dabei zustehen, wie die Bürste sie erst glättete und sie im nächsten Moment wieder in ihre unbändige Form zurücksprangen. Aber es war ihm auch ein Vorwand geworden sie zu berühren. Nicht selten kam es vor, dass seine Finger ihren Nacken streiften, ihre Schulter oder Arm, ganz gleich was, Hauptsache er konnte sie spüren. Ständig musste er sich daran erinnern, dass er sie nicht so berühren sollte und schon gar nicht durfte er sie küssen. Dabei wollte er doch nichts mehr. Sie hatten darüber gesprochen, sagte er sich selbst. Mary würde nicht in seiner Gesellschaft akzeptiert werden und er konnte einfach nicht in ihrer leben. Sie würden beide unglücklich sein. Es würde schlicht nicht genügen, wenn sie nur sich selbst hätten – auch wenn er das gern glauben würde. Es würde ihm einfach nicht genügen. Als das Gemälde fast beendet war, im späten Winter des kommenden Jahres, wurde sich Jonathan immer mehr bewusst, dass seine Zeit mit Mary bald vorbei sein würde. Wenn das Gemälde erst fertig war, würden sie keinen Grund mehr haben Zeit miteinander zu verbringen. Sie würden wieder Ausreden erfinden müssen und dann… Was dann? Es würde sich nichts ändern. Im Frühling und Sommer würden sie sich wieder im Garten treffen, wenn Mary Zeit dafür hatte und dann würde wieder ein Herbst und Winter kommen, wo sie nicht in den Garten konnten. Es würde immer so weiter gehen. Sie würden befreundet bleiben, mehr nicht. Mehr durfte sie nicht. Das konnte er nicht. Dies wurde Jonathan eines Winterabends kurz vor dem Jahreswechsel klar und ihm wurde noch etwas anderes schmerzlich bewusst: Er konnte einfach nicht mit ihr in einem Haus leben, wenn er sie nur ansehen durfte. Er wollte mehr, sehr viel mehr. Mary schien es ebenso zu gehen, zumindest glaubte Jonathan das. Jedes Mal, wenn ihre gemeinsame Zeit um war, sah er Sorge und Traurigkeit auf ihrem Gesicht. Es musste sie genauso bekümmern wie ihn. Anfang des kommenden Jahres traf er eine Entscheidung, die ihm richtig erschien und ihm und Mary weitere Qualen ersparen würde. Es war der einzige Weg, der ihm einfiel und den er auf Dauer ertragen konnte. Er würde wieder auf Reisen gehen. Mary nicht zu sehen war immer noch einfacher, als sie ständig um sich zu haben und nicht berühren zu dürfen, zumindest wollte er sich das einreden. Seine Eltern zeigten sich am Anfang wenig erfreulich, sollte er doch langsam mehr Aufgaben in der Verwaltung des Landes übernehmen. Doch auch dieses Mal blieb Jonathan beharrlich und ließ sich nicht davon abbringen. Er sagte ihnen, dass die Arbeit an dem gegenwärtigen Bild ihm gezeigt hätte, wie viel er noch zu erlernen hatte. Außerdem hätte sein alter Meister ihn mehrfach zu seiner Familie eingeladen und wollte ihm weitere Künstler vorstellen. Ebenso wollte sich Jonathan verstärkt der Architektur zu wenden und damit konnte er seine Mutter sehr wohl beeindrucken. Seinen Vater erklärte er weiterhin, dass er so auch die Möglichkeit hätte weitere einflussreiche Kontakte zu knüpfen. Sie stimmte schließlich zu. Welche Gründe genau sie überzeugen konnten, hat er nicht erfahren, aber es war ihm egal. Vielleicht ahnten sie auch, dass er nach neuen Herausforderungen suchte, die ihn von Mary ablenkten und das Verlangen in seinem Herzen betäubten. Seine Abreise wurde für Ende März festgelegt. Bis dahin, so rechnete Jonathan aus, würde er das Bild auf jeden Fall beenden können und es würde noch Zeit bleiben es Mary zu zeigen. Mit diesem Entschluss im Herzen, hatte er das Gefühl nicht länger als nötig bleiben zu können. Er sehnte den Tag seiner Abreise beinah herbei. Mary würde er erst kurz vorher davon erzählen. Eher brachte er es einfach nicht über sich. In einer der letzten Sitzungen mit Mary begann sie plötzlich zu weinen. Jonathan, der gerade noch einmal an ihren Augen gemalt hatte – die Farbe wollte ihm einfach nicht gelingen – hielt erschrocken und fasziniert zugleich inne. Er konnte sich absolut nicht erklären woher ihre Tränen kamen. Er hatte doch nichts falsch gemacht – nicht schon wieder. Jonathan legte Pinsel und Farbpalette zur Seite und ging langsam auf sie zu. „Warum weinst du Mary?“, fragte er leise und setzte sich auf den Boden vor ihr. Es würde ihn davon abhalten etwas Dummes und Unüberlegtes zu tun. Behutsam nahm er ihre Hand in seine und strich mit dem Daumen über ihren Handrücken. „Wann wolltest du es mir eigentlich sagen?“, fragte sie und wischte mit der anderen Hand eine Träne weg. Jonathan wusste nicht, wie oft er sie bereits zum Weinen gebracht hatte, er wusste nur, dass jedes Mal einmal zu viel gewesen war. Dabei liebte er ihr Lachen und Kichern so sehr. Warum konnte er ihr das nicht schenken? „Oh, Mary…“, stieß er atemlos aus und drückte einen Kuss auf ihren Handrücken, bevor er seine Stirn dagegen lehnte. „Es ist also doch schon bis zur Küche vorgedrungen. Ich hatte gehofft, es würde länger dauern.“ „Du weißt, dass uns nichts entgeht. … Du hast meine Frage nicht beantwortet.“ „Ich wollte es dir sagen, später, vor meiner Abreise. Aber es ist so schon schwer genug.“ „Erkläre es mir“, forderte sie ihn auf. „Ich habe immer stärker gemerkt, dass es mir einfach nicht genügt dich nur anzusehen oder mit dir zu reden. Ich will so viel mehr mit dir tun. Ich will dich berühren, dich küssen, dich… lieben.“ An dieser Stelle hörte er sie aufkeuchen, doch er redete weiter: „Du weißt nicht, wie oft ich mir vorgestellt habe, dir dieses Kleid auszuziehen, deinen Hals zu küssen, deine Schulter, deinen…“ Mit heißer Stimme brach er ab. Er konnte nicht weiter reden, ohne dass es ihn verrückt machte. „Mir genügt es auch nicht“, sagte Mary ehrlich in die Stille hinein. Mit weit aufgerissenen Augen starrte Jonathan sie einen Moment an. Dann zog er ihre Hand nach vorn und erhob sich gleichzeitig. Sein Mund fand ihre Lippen von selbst und er küsste sie stürmisch. Viel zu schnell brach Mary den Kuss ab, legte jedoch die Arme um seinen Hals und zog ihn an sich. Er atmete in ihr Haar, das für ihn immer nach Äpfeln roch und schluckte heftig. Dann legte auch er seine Arme um ihren Körper. Jonathan spürte ihren Herzschlag an seiner Brust, der schnell und unregelmäßig ging. Ihr ging es wie ihm. „Bringst du mir ein paar Bilder mit?“, flüsterte sie an sein Ohr und ein Schauer lief ihm über den Rücken, als er ihren warmen Atem spürte. „Ja“, sagte er mit gebrochener Stimme und musste ein Schluchzen unterdrücken. Er wollte weg von ihr und sich gleichzeitig doch ganz tief in ihr vergraben. Mit ihr empfand er Dinge, die er noch nie zuvor kennengelernt hatte und alle lagen sie so nah beieinander. Es machte ihn glücklich und gleichzeitig unendlich traurig. Mary löste sich wieder von ihm und lehnte ihre Stirn gegen seine. „Ich würde dir gern etwas sagen, aber es ist besser, wenn ich es nicht tue“, wisperte sie. Noch einmal zog er sie in seine Arme und drückte sie fest an sich. Es würde schrecklich werden jeden Tag ohne sie zu verbringen, aber alles wäre immer noch besser, als das, was sie im Moment hatten. Später würde Jonathan sich für diese Entscheidung mehr hassen, als alles andere. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)