Unter den Apfelbäumen von maidlin (Prequel zu Drachenkind) ================================================================================ Prolog: Als er ein kleiner Junge war ------------------------------------ Als er ein kleiner Junge war, da traf er dieses Mädchen. Jonathan Mathew Semerloy war ein glückliches Kind. Und damit meine ich glücklich in jeglicher Hinsicht. Er wurde von seinen Eltern abgöttisch geliebt und hatte alles, was sich ein Kind nur wünschen konnte und noch mehr. Sein Vater, Mathew Valentine Semerloy war ein Lord und verwaltete viel Land, das saftig grün und fruchtbar war und Ernten einbrachte, von denen manch andere nur zu träumen wagten. Es lebten viele Menschen in seinem Einflussgebiet und doch kam es kaum zu Unruhen. Jonathans Vater war ein respektierter Mann, der zwar mit Strenge über seine Leute wachte, aber auch mit Gerechtigkeit. Mathew arbeitete hart dafür, war oft unterwegs und kümmerte sich persönlich um die Anliegen seiner Untergeben. Durch geschicktes Wirtschaften brachte er es sogar fertig, dass sich der Reichtum, den sein eigener Vater - der alte Semerloy - ihm hinterlassen hatte, stetig vermehrte. Ich weiß noch genau, wie Mathew aussah. Er war groß gewachsen und konnte kräftig zupacken, was man ihm jedoch bei seiner schlanken, ja beinah zierlichen Statur, nicht ansah. Mathew hatte strohblondes Haar, das er sich regelmäßig auf Wunsch seiner Gemahlin schneiden ließ. Sie hielt nicht viel davon mit der Mode mitzugehen, wo langes Haar schick war, sondern war eher auf gutes Aussehen bedacht. Es ließ ihn strenger wirken, da sein Gesicht ohnehin recht schmal war. Seine Augen waren grün, mit kleinen bernsteinfarbenen Sprenkeln darin. Mathews Nase war gerade, eines Aristokraten würdig, würde man vielleicht sagen. Seine Haut war recht hell und im Sommer neigte er schnell zu einem Sonnenbrand. Erst mit 22 heiratete Mathew. Er war der letzte seiner Freunde und damit recht spät dran. Zu diesem Zeitpunkt hatte er das Erbe seines Vaters schon seit einem Jahr verwaltet, denn dieser starb leider viel zu früh. Es geschah sehr plötzlich und Mathew bedauerte es hin und wieder, dass er keine Geschwister hatte, die diese Aufgabe hätten übernehmen können. Der Vorteil lag jedoch darin, dass er mit niemanden sein Erbe teilen musste. Mathews Braut war eine Schönheit. Sie war erst sechszehn gewesen, doch in ihrem Geiste schon sehr viel reifer. Sie hatte blondes Haar, das leicht rötlich schimmerte. Sie war zierlich und hatte feine und schmale Hände, wofür sie von vielen beneidet wurde. Auch der Rest ihres Körpers war ganz fragil, als müsste man Sorge haben, sie würde zerbrechen. Sie hatte eine kleine Nase, einen kleinen Mund und ganz reizende Ohren, die sie mit den edelsten Kreationen zu schmücken wusste. Selbst ihr Name war wunderschön: Magdalena Christina. Noch nie zuvor habe ich solch einen anmutig klingenden Namen gehört. ‚Das klingt ja fast, als wären sie in sie verliebt gewesen.‘ Ah, vielleicht war ich das. Nur ein Blinder oder Tauber hätte sich ihr entziehen können. ‚Aber warum erzählen sie mir das? Was hat das mit mir zu tun? Sie sollten wissen, dass ich darüber nichts hören will.‘ Nur Geduld, das ist es was euch Jungen fehlt. Höre mir bis zum Schluss zu und du wirst verstehen. Und nun sei so gut und reiche mir deinen Arm. Ich bin nicht mehr der Jüngste, wie du vielleicht weißt und möchte unseren Spaziergang möglichst lange fortsetzen, denn auch meine Geschichte wird lang sein. Also, wo war ich? ‚Magdalena Christina, sie war so schön…‘ Ah ja, danke. Mathew heiratete sie nicht ihrer Schönheit wegen, sondern wirklich aus Liebe. Damals war das noch sehr selten, besonders da Magdalena ebenfalls eine beachtliche Mitgift hatte und sich einige um sie bewarben. Doch da Mathew genug Land und Eigenvermögen vorweisen konnte und Magdalena ihn selbst wählte, bekamen sie rasch den Segen. Das erste Jahr ihrer Ehe war, so kann ich sagen, wirklich vom Glück beschieden, nur ein eigenes Kind hätte dies noch perfekter machen können. Doch leider war ihnen lange Zeit ein gesunder Erbe vergönnt. Das erste Kind gebar Magdalena mit 17, fast ein Jahr nach ihrer Hochzeit. Es war ein Mädchen und wirklich entzückend. Doch nur wenige Tage später fanden sie es tot im Kindbett. Die Ursache war nicht festzustellen, denn das kleine Wesen schien vollkommen gesund. Im Jahr darauf war Magdalene erneut schwanger. Doch Magdalena, die schon immer eine Liebe für das Reiten hatte und sich sicher darin glaubte, stürzte von während der Schwangerschaft von ihrem Pferd und verlor das Kind. Es wäre ein Junge geworden. Kurz vor ihrem neunzehnten Geburtstag trug sie wieder ein Kind unter ihren Herzen. Sie wurde vorsichtiger und verzichtete auf vieles, was ihr sonst so viel Lebensfreude bereitet hatte. Das machte sie zwar sehr launenhaft, doch Mathew ertrug es mit einer erstaunlichen Geduld. Die Schwangerschaft verlief normal, doch bei der Geburt ergaben sich Komplikationen. Das Kind hatte sich nur halb gedreht und hatte sich mit der Schulter verkeilt. Ich hatte erst ein paar Jahre als Arzt praktiziert und es war einfach furchtbar. Magdalena verlor schrecklich viel Blut und mit jedem Augenblick, den das Kind in ihrem Leib blieb, kamen sie beide dem Tod ein Stückchen näher. Ich will dir die genauen Details ersparen, aber ich habe selten etwas in der Art gesehen – Gott sei Dank! Es ist für mich immer noch ein Wunder, dass beide überlebt haben. Jedenfalls, nach einer endlosen Nacht, in der ich die Hoffnung schon aufgegeben hatte, hielt ich dann doch einen gesunden Jungen in den Armen. Magdalena war sehr geschwächt und es sollte Monate dauern, ehe sie wieder ihr altes Selbst war. Sie nannten das Kind Jonathan Mathew. Jonathan war der Name von Magdalenas Großvater und Mathew, nun... es war einfach üblich, dem Kind den Namen des Vaters oder der Mutter als Zweitnamen zu geben. Magdalena, die schon zwei Kinder verloren hatte, liebte dieses Kind über alle Maßen. Sie hütete ihn sicherer, als ihren wertvollsten Schmuck und ließ ihn nur äußerst selten allein. Weitere Kinder wollten sowohl Magdalena sowie Mathew nicht. Beide hatten wohl Angst, dass sie sie wieder verlieren könnten und Magdalena eine weitere Geburt nicht überleben würde. Also investierte sie all ihre Liebe in ihren einzigen Sohn. Jonathan war ein kräftiger kleiner Bursche und wuchs prächtig heran. Er hatte die Augen und Haare seines Vater geerbt, jedoch die feinen Gesichtszüge seiner Mutter. Seine Haare waren damals noch leicht lockig und legten sich wie ein Heiligenschein um seinen Kopf. Ach und seine Hände... auch sie waren schlank und schmal, wie die eines Künstlers. Die Liebe seiner Mutter schien ihn jedoch zu erdrücken. Ständig war sie um ihn besorgt, kontrollierte ihn auf Verletzungen und beim kleinsten Husten musste er für einige Tage das Bett hüten. Ständig wollte sie wissen, was er tat und mit wem. Magdalena erlaubte ihm nur selten mit gleichaltrigen zu spielen. In der Nachbarschaft gab es ein paar einfache Höfe, mit einer ganzen Scharr von Kindern, aber sie hatte zu große Angst, dass er sich dort irgendwelche Krankheiten einfing. Auch sonst achtete sie sehr darauf, dass Jonathan sich nicht schmutzig machte. Sie vermieden einfach alles, was ihm irgendwie schaden konnte. Also verbrachte der Junge die meiste Zeit mit seinen Eltern oder den Kindermädchen. Mathew und Magdalena waren zudem recht Anspruchsvoll, was seine Bildung anging. Neben dem üblichen Erziehungsunterricht, brachte man ihm bereits im Alter von vier Jahren Grundkenntnisse im Schreiben und Rechen bei. Ein Jahr später erhielt er seine ersten Stunden im Schwertunterricht und Reiten. Jonathans Tage waren ausgefüllt und da Magdalena ihn nie aus den Augen ließ, war es für ihn eine Selbstverständlichkeit an den Empfängen seiner Eltern teilzunehmen. Tadelloses Verhalten war eine Voraussetzung und das beherrschte er ausgezeichnet. Jonathan liebte seine Eltern sehr und war glücklich. Alles was sie taten, geschah aus Liebe zu ihm und das begriff er schon sehr früh. Außerdem erhob Mathew nicht einmal die Hand gegen ihn. Obwohl er das wusste, obwohl er von seinen beiden Geschwistern wusste, die nicht leben durften und von der Angst seiner Mutter auch ihn zu verlieren, fühlte er sich manchmal eingesperrt. Deswegen verwundert es wohl nicht, dass er sich eines Tages, als seine Eltern außer Haus waren, heimlich davon stahl. Er war gerade einmal sieben. Seine Kinderfrau war eingeschlafen und auf Zehnspitzen schlich er durch das Haus und zur Hintertür hinaus. Selbst in der Küche, durch die er durch gehen musste, bemerkten sie ihn nicht. Er war ganz leise und ging geduckt, so dass sie ihn ach ja nicht bemerken und verraten konnten. Als er es schließlich geschafft hatte, sah er sich einen Moment ratlos um. Seine Flucht war zwar geglückt, aber er hatte keine Vorstellung davon, wohin er gehen sollte. Und lange würde sein Verschwinden sicher auch nicht unbemerkt bleiben. Jonathan entschied sich in den Garten zu gehen. Er war gern dort, roch es doch so herrlich da. Außerdem hatte seine Mutter ein Labyrinth anlegen lassen, von dem er hoffte, dass es ihn noch ein wenig länger versteckt halten würde. Kaum hatte er es jedoch erreicht, entschied er sich wieder anders. Wenn er schon einmal die Gelegenheit hatte, allein zu sein, so wollte er das auch ausnutzen und das Land auf eigenen Beinen erkunden. Also lief er durch den gesamten Garten hindurch. Hin und wieder streiften seine Finger eine Blüte der Frühjahrsblumen oder zupften ein Blatt von einem Strauch, welches er dann zwischen den Fingern zerrieb. Am Ende des Gartens gelangte er zu den Obstwiesen. Zuerst lief er an Erdbeerfeldern vorbei, dann an Sträuchern von Stachelbeeren, Himbeeren und Brombeeren. Dahinter wuchsen Weinreben und dahinter standen dann die Obstbäume, die in voller Blüte waren. Als er ankam blieb er stehen und schaute sich um, unschlüssig, was er als nächtest tun sollte. Dann sah er sie plötzlich zwischen den Apfelbäumen sitzen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)