Time to remember von seththos ================================================================================ Kapitel 44: Schlagabtausch -------------------------- @Lunata: Ja. Die Erinnerungen gehen weiter, denn noch ist die Vergangenheit nicht fertig erzählt und es gibt noch ein paar kleine offene Fragen. Den 'Tod' des kleinen Jono hast du richtig interpretiert. In diese Richtung ging es in etwa. ^.~ Du nimmst mir den Fehler also übel? Nun, damit muss ich wohl leben. @Athene-Chan: Danke, dass du dir die Mühe gemacht hast, mir einen Kommi zu hinterlassen. Was noch passiert ist, erfährst du, zumindest zu einem kleinen Teil, in den kommenden zwei Kapiteln. ^_^ Dazu sage ich daher an dieser Stelle lieber nichts. @DarkTiger: Wie er das überlebt hat, erzählt er später noch. Aber nicht in diesem oder dem nächsten Kapitel. Immer schön langsam. Ob es eine Fügung Gottes war, weiß ich nicht zu sagen. Frei nach Jonos Prinzip: Die Götter helfen denen, die sich selbst helfen', mag man das aber bejahen. @Shakti-san: Ja, er ist das Kind gewesen. Was die Waffen anbelangt und wie man sich verhalten hätte... ich weiß es nicht. Zumindest, wenn der Mensch noch nicht tot ist, sollte man das Messer aber erstmal drin lassen. Zwecks verbluten, wenn man das Messer raus zieht. Erstmal sollte man sich vorab um Verband kümmern. Aber dazu hatte Jono als Kind in dieser Situation wohl kaum die Nerven. Schön, dass du mit Jono mitfühlen konntest. _________________________________________________________________________________________ Bedrückt sah sich die vormals so fröhliche Runde gegenseitig an. Niemand schien recht zu wissen, wie er mit den Worten umzugehen hatte. Zögernd aßen sie weiter. Die Sekunden verstrichen, doch niemand schickte sich an, dem Blonden zu folgen. Seth verweilte noch einen Moment, ehe er sich langsam erhob und sich mit einem kurzen Gruß in die Runde ebenfalls verabschiedete. Es dauerte nicht lange und er hatte den Blonden nahe ihres Nachtlagers eingeholt. „Jono! Warte.“ Angesprochener blieb stehen und wandte sich wie gewünscht dem Hohepriester zu. „Es tut mir leid“, ließ Seth ihn wissen und meinte damit die Anschuldigungen der Dorfbewohner. Jono lächelte schmerzlich. „Das muss es nicht. Denn alles, was sie gesagt haben, ist wahr.“ Die Augen von Seth weiteten sich. „Ich habe meinen Vater getötet.“ Fordernd streckte er seine Arme aus und präsentierte Seth seine Handflächen. „Mit diesen Händen habe ich ihn getötet. Sieh hin, denn sein Blut klebt noch immer an jedem einzelnen meiner Finger.“ Dem Hohepriester entging die Wortwahl des Jüngeren nicht. Sanft umfasste er die Glieder, welche ihm entgegengestreckt wurden. „Aber nicht deine Mutter, nicht wahr?“ Die Hände des Blonden zitterten. Schnell entzog er sie den wärmenden schmalen Fingern des Priesters. „Keine Geheimnisse mehr, Jono.“ Der Kleinere gab nach. „Du bist ein guter Zuhörer“, stellte der Blonde erschöpft fest. „Du lässt mir ja keine andere Wahl. Wer dich verstehen will, braucht eben gute Ohren“, stimmte Seth ihm mit halbem Lächeln zu. „Erzähl es mir. Was ist damals geschehen?“ „Was glaubst du?“ Nachdenklich schaute der Braunhaarige zurück auf die kleine Versammlung. Von ihrem Standpunkt aus konnte man die Flammen des Lagerfeuers durch die Palmen blitzen sehen. „Nun, ich glaube, dass dein ‚Vater‘ nicht ganz so großzügig und liebevoll war, wie die Dorfbewohner zu denken scheinen.“ Als sehe er sein Leben noch einmal vor sich, starrte Jono ins Leere. „Nein. Das war er nicht. Jeder Mensch trägt eine Maske, Seth. Die von meinem ‚Vater‘ war besonders gut gemacht und sorgfältig ausgearbeitet. Für die Dorfbewohner trug er die des großen, siegreichen Soldaten, der für sie im großen Krieg gekämpft hatte. Der immer nur das Beste für das Dorf wollte. Er war einer der angesehensten Männer.“ Abfällig spuckte der Blonde aus. „Doch zu Hause nahm er sie ab und zeigte sein wahres Gesicht. Unter ihr kam ein Mann zum Vorschein, der jeden Tag meine Mutter verprügelte und schlug, so dass sie sich kaum aus dem Haus wagen konnte, um auf den Feldern zu arbeiten. Ein Mann, der seine Frau immer und immer wieder vergewaltigte, wenn ihm danach war und ihr dabei den Mund zuhielt, so dass man ihre Schreie nicht hören konnte und sie fast erstickte.“ Zähneknirschend holte er Luft. „Ein Mann, der niemals im Stande gewesen wäre, das Kind eines Anderen als sein Eigenes zu sehen“, setzte Seth nachdenklich hinzu. Die Wut über all die Ungerechtigkeit von damals, stand Jono ins Gesicht geschrieben. Voller Hohn und Zorn richtete sich sein Blick in die Vergangenheit. „Nein, er war jemand, der mich zu illegalen Kämpfen mitnahm und dort zwang, gegen meine Altersgenossen und auch wesentlich Ältere anzutreten. Er lehrte mich schon früh den Umgang mit den Waffen und das Ringen. Aber nicht, weil er so unglaublich stolz auf mich war oder mich zu einem guten Soldaten ausbilden wollte, wie er den Dorfbewohnern glauben machte, sondern um an mir zu verdienen. Nachdem der große Krieg vorbei war, gab es für ihn nichts weiter zu tun. Er war ein Söldner. Die Arbeit auf den Feldern missfiel ihm. Zu seiner persönlichen Unterhaltung drillte er mich jeden Tag, schlug mich, wann immer ihm danach war und wenn meine Mutter es nicht verhindern konnte. Er stukte mich oft so lange unter Wasser, bis ich das Gefühl hatte, zu ertrinken oder verweigerte mir Nahrung, bis ich vor Hunger fast starb. Ich stahl, um meine Mutter und mich überhaupt am Leben zu erhalten. Für ihn war ich kein Mensch. Für ihn war ich ein Nichts, sein Eigentum, mit dem er machen konnte, wonach immer ihm der Sinn stand. Und meine Mutter? Sie hatte mich geboren und mich auch noch leben lassen. Das machte sie in seinen Augen zu weit weniger wert, als der geringste Sklave, weit weniger, als das letzte bisschen Dreck unter seinen Füßen.“ Grimmig warf er einen Blick zu den Asyutern zurück. „Asyut war damals noch ein Dorf, Seth. Sie alle wussten es. Aber alle haben weggesehen. Sie wollten es nicht sehen. Bis heute nicht. Warum auch? Letztlich war mein Tod auch ihr Wunsch. Es war angenehmer, sich blind und taub zu stellen. Auch meiner Mutter gegenüber, die anfangs noch um Hilfe bat und im Dorf um Essen bettelte. Sie waren blind der Wahrheit gegenüber, weil sie es sein wollten. Genauso, wie sie lieber glauben wollen, dass ich nicht der Jono von damals bin. Dass der Jono, der angeblich seine Eltern umbrachte und den sie zu Unrecht verurteilten und als Zeichen des Unheils am liebsten tot gesehen hätten, dass dieser Jono genau derselbe ist, der sie vor zwei Tagen gerettet hat. Ironie des Schicksals, würde ich sagen, dass all der Drill meines Vaters letztlich dazu geführt hat, dass ich einer der besten Krieger dieses Landes wurde.“ Der Körper des jungen Kriegers, der schon so viel in seiner Kindheit hatte ertragen müssen, war bis in die Fingerspitzen angespannt. Stolz hatte er seinen Kopf erhoben. Kalte Verachtung spiegelte sich in seinen Augen. „Was geschah in dem Haus, an jenem Tag?“, hakte Seth noch einmal nach. Er hatte das Gefühl, das vieles leichter werden würde, wenn Jono es einmal ausspräche. Tonlos und dunkel klang seine Stimme, als er eine beinahe schon sachlich zu nennende Schilderung des Tages preisgab. „Mein Vater war betrunken. Er hatte zu viel Gerstenbier zu sich genommen, schon am frühen Morgen. Wenn er betrunken war, das wussten meine Mutter und ich, wurden seine Launen schlimmer. Und so kam es auch. Es begann eigentlich wie immer. Nach dem Aufwachen verlangte er nach Essen und Trinken. Meine Mutter war ihm nicht schnell genug… Sie war ihm nie schnell genug. Er nahm sie und verprügelte sie anschließend. Dann widmete er sich mir. Meine Mutter wollte mich beschützen. Vielleicht war es geplant, vielleicht hatte sie aber auch erst an diesem Tag eine Entscheidung getroffen… Plötzlich war dieses Messer in ihrer Hand und sie versuchte, sich zwischen mich und ihn zu drängen. Sie traf ihn am Arm. Doch er war ein Krieger – natürlich war er noch immer um einiges stärker, als sie. Er entwand ihr die Waffe und stach auf sie ein. Wieder, und wieder, und wieder. Ich konnte nur zusehen. Überall war ihr Blut und sie schrie mich an, ich solle fortlaufen und nicht wiederkommen. Ihre Schreie waren überhaupt das Schlimmste. Aber ich konnte nicht. Meine Beine waren wie gelähmt. Ich sah sie zusammenbrechen. Sie hat geweint. Doch nicht für sich, für mich. Ich konnte es in ihren Augen sehen. Sie selbst… Ich denke, sie war froh, dass endlich alles ein Ende haben würde…“ Jono schluckte, Schmerz hing in der Luft. „Ich weiß nicht mehr genau, wie das zweite Messer in meine Hand kam. Doch ich weiß noch genau, wie es sich anfühlte, als ich es ihm in den Arm rammte, so dass sein eigenes zu Boden fiel. Er hatte mich gut ausgebildet.“ Grimmig sah Jono auf seine Hände. „Ich schnappte mir sein Messer. Danach ging alles ganz schnell. Es war ganz leicht. Ich glaube, das war das erste Mal, dass etwas in mir aussetzte. Mir war, als würde ich alles aus weiter Ferne beobachten, mich, das Messer, und das, was ich tat.“ Leere Augen richteten sich auf den Hohepriester. „Ich habe ihn umgebracht, Seth. Aber ich bereue es nicht. Für viele Richter dieses Landes mag es nichts Schlimmeres geben, als ein Kind, das seinen Vater tötet." Ein letztes Mal holte er tief Luft. Seine Stimme zitterte leicht. "Aber das war nicht mein Vater. Ich habe nie einen gehabt. Es gibt Vieles, das ich bereue, getan zu haben. Das nicht. Und nun…“, erschöpft atmete er aus, „… kannst du mich gern verurteilen.“ „Und warum, bei Rah, sollte er das tun?“, mischte sich eine weitere Stimme ein, noch ehe Seth etwas dazu sagen konnte. „Was?“ Überrascht starrten Seth und Jono auf die vier Soldaten, welche sich aus dem Schatten der Nacht lösten. Yanis wiederholte seine Frage. „Warum sollte irgendjemand Euch verurteilen? Ich hätte an Eurer Stelle ebenso gehandelt. Das, was dieser Mann tat, war eines Kriegers unwürdig.“ „Als Soldaten ist es unsere Aufgabe, unsere Frauen und Kinder zu schützen. Hätte einer von ihnen dasselbe erlebt, wie Ihr“, bezeichnend sah Elias auf die Asyuter zurück, „würden sie wohl nicht so vorschnell ein Urteil gefällt haben.“ „Seid gewiss, dass Ihr nichts falsch gemacht habt. Dieser Mann war nicht besser, als die Söldner, die einst das Dorf überfielen“, stellte Aziz fest. Ilai sah das ähnlich. „Niemand von uns wird Euch verurteilen, für das, was Ihr getan habt. Selbst für Maat werden die Seelen, die Ihr gerettet habt, schwerer wiegen, als die schwarze Seele dieses Mannes.“ „Ihr habt gelauscht“, war das Einzige, was Jono spontan beim Anblick der vier Soldaten einfiel, welche ihm und Seth nun gegenüber standen. Offenbar war er selbst zu gefangen in seinen Emotionen gewesen, um seiner Umgebung angemessene Beachtung zu schenken. Unter anderen Umständen wäre ihm ein solcher Fehler nicht unterlaufen. „Was blieb uns anderes übrig, wenn Ihr mit Informationen handelt, als wäre es eine seltene Ware, die niemand zu Gesicht bekommen darf, ANOUBIS?“, erkundigte sich Aziz herausfordernd. „Ilai, Ihr habt es ihnen…“ „Nein“, wurde Jono augenblicklich unterbrochen. Abwehrend hob Ilai die Hände. „Sie sind selbst darauf gekommen.“ „Was ja auch nicht wirklich schwer ist, wenn man Euch hat kämpfen sehen. So schwer sind wir nun auch nicht von Begriff“, brummte Yanis. „Immerhin habe ich schon in der letzten großen Schlacht im Norden an Eurer Seite gekämpft. Niemand weiß ein Chepesch so zu führen, wie Ihr. Und dann auch noch zwei davon.“ „Warum habt ihr solange geschwiegen?“, erkundigte sich Seth an Jonos Stelle. „Was hätten wir sonst tun sollen? Ich gebe zu, niemand von uns wusste, wie er nun mit Jono umgehen sollte. Immerhin lernten wir ihn in der Position eines Rekruten kennen. Und mit einmal müssen wir feststellen, dass dieser Rekrut, den wir die ganze Zeit durch die Gegend gescheucht und den Yanis sogar geschlagen hat, unser oberster Befehlshaber ist.“ Als hätte er sich durch die Worte von Elias soeben an etwas erinnert, starrte Yanis vorwurfsvoll auf Jono. „Ihr hättet meinem Schlag ausweichen können!“, empörte sich der schwarzhaarige, kräftig gebaute Mann. Erschöpft von all den Enthüllungen des heutigen Tages, hatte Jono für seine Worte nur ein müdes Lächeln übrig. „Sicher. Doch so habe ich etwas gut bei Euch.“ Skeptisch sah Yanis auf die kleinere und schmalere Gestalt vor ihm. „Ihr glaubt wirklich, dass Ihr mich schlagen könntet?“ Beinahe verlegen kratzte sich der deutlich Größere am Kopf. „Nehmt es mir nicht übel, aber…“ Seth konnte spüren, wie sich die Spannung in Jonos Körper veränderte. Sicherheitshalber zog er sich unauffällig zwei Schritte zurück. Immerhin hatte er inzwischen mehr als nur einen Übungskampf gegen den Blonden geführt und kannte die Warnsignale. „… auch, wenn Ihr mit dem Chepesch recht flink seid, glaube ich doch nicht, dass…“ Weiter kam er nicht. Mit einem herzlichen und freundlichen Lächeln im Gesicht, wurde er von Jono unterbrochen. „Ein Schlag in den Magen. Zwei blaue Flecken am rechten Oberarm. Danach werde ich Euch aus dem Gleichgewicht bringen und Euch auf den Boden der Tatsachen befördern.“ Verdutzt starrte Yanis auf den blonden jungen Mann, dessen Lächeln sich nun zu einem frechen Grinsen verzog. „Nicht, dass Ihr hinterher sagt, ich hätte Euch nicht gewarnt.“ Der größere und gleichzeitig kräftigere Mann kam nicht mehr dazu, etwas zu erwidern. Er schaffte es gerade noch, ein Bein nach vorn zu schieben, sich in Verteidigungshaltung zu begeben, als Jono bereits direkt vor ihm stand. In einer fließenden Bewegung war er in den Ausfallschritt gegangen, hatte sich vom Boden abgestoßen und den Schwung genutzt, um dem Soldaten seine rechte Faust in den Magen zu rammen. Das Keuchen des erfahrenen Kämpfers untermalte anschaulich, wie ihm die Luft aus den Lungen gepresst wurde. Reflexartig riss er die Arme zur Verteidigung hoch, als Jonos linker Unterarm dessen ersten Schlag abwehrte. Ein gezielter Griff nach seinem Handgelenk brachte den Blonden wieder ins Gleichgewicht und gab ihm zugleich die Chance, sein linkes Bein hochzureißen, um Yanis wie angekündigt am rechten Oberarm zwei blaue Flecken zu verpassen. Doch da Jono seine Vorgehensweise vorher angekündigt hatte, langte die rechte große Hand des Kriegers augenblicklich nach vorn, hielt Jonos Bein am Knöchel fest und zog es nach oben. Inmitten des kurzen Gefechtes sah Seth abermals das Lächeln von Jono aufblitzen, als dieser sich plötzlich auf seine Hände fallen ließ und so seinen Gegner überraschte. Erstaunt sah Yanis nach unten, auf den halben Handstand des Heerführers, während er noch immer dessen Bein in der Luft festhielt. Doch lange wurde ihm dieser Blick nicht gewährt, denn bereits in der nächsten Sekunde schloss sein Kinn Bekanntschaft mit dem rechten Fuß von Jono. Ein kurzer Laut, eher aus Überraschung statt Schmerz, erklang, als Yanis Kopf zurückgeschleudert wurde. Doch Jono ließ ihm keine Zeit, sich zu erholen. Flink stieß er sich mit seinen Händen ab und landete sicher auf seinen zwei Füßen. Ohne dem Anderen Zeit zum Reagieren zu geben, sank er zu Boden und schlug ihm mit einem gezielten Tritt die Beine weg. Kaum, dass Yanis Körper hart auf dem Boden aufgekommen war, war Jono bereits über ihm und eine Hand lag fest an seiner Kehle. Ein Messer, zuvor unsichtbar in den Falten der Kleidung getragen, blitzte in den Händen des Jüngeren auf. Mit zufriedenen Augen sah Jono schmunzelnd auf den Älteren hinab, welcher sich nun mit der scharfen Klinge seines Gegners konfrontiert sah. Die Spitze deutete genau auf sein rechtes Auge. Abwehrend hob er die Hände zum Zeichen, dass er sich geschlagen gab. Immer noch vollkommen überrumpelt, sank sein Kopf zu Boden. Mit neu gewachsenem Respekt sah er zu seinem Heeresführer auf. Dieser hatte den kurzen Kampf anscheinend sehr genossen. Belustigt zog er sich zurück und ließ sein Messer ein ums andere Mal in der Luft wirbeln, ehe er es mit derselben Hand wieder auffing und schließlich wieder in den Falten seiner Tunika verschwinden ließ – niemand der Anwesenden wusste zu bestimmen, wo er diese kleine Waffe die ganze Zeit verborgen hatte. Feixend halfen Aziz und Elias ihrem Kameraden auf. „Siehst du, wie wir es gesagt haben.“ Fordernd streckten die zwei ihre Hände aus. Missmutig starrte der Größte der drei auf die geöffneten Hände. „Ist ja gut. Ihr bekommt es später.“ Neugierig trat Jono wieder näher. „Um was habt ihr gewettet?“, erkundigte er sich, da er die Freude seiner Männer an solchem Zeitvertreib bereits hinlänglich kannte. Aziz und Elias grinsten freimütig, als sie ihm von dem bescheidenen Wetteinsatz erzählten. „Zwei Schläuche von dem Gerstenbier, das er von einem der Viehtreiber erhalten hat und zwei seiner Messer.“ „Nun, da es in der Wette ganz offensichtlich um mich ging, fordere ich selbstverständlich die Hälfte des Bieres. Die Messer könnt ihr hingegen behalten. Ich habe selbst genug davon.“ „Ja, und mich würde sehr interessieren, wo, bei Rah, du die überall an deinem Körper versteckt hast.“ Fröhlich zwinkerte Jono dem Hohepriester zu, ehe er, nur für ihn sichtbar, mit seinem Mund lautlos die Silben ‚Ge. Heim. Nis‘ formte. Seth gab sich damit vorerst zufrieden. Er würde es schon herausfinden. Spätestens bei seiner nächsten… nächtlichen Inspektion. Jetzt war er erstmal froh zu sehen, dass das kleine Gefecht Jono wieder aus seinen trüben Gedanken gerissen hatte. Er war sich nicht ganz sicher, doch er vermutete, dass Yanis in diesem Fall sehr berechnend reagiert hatte. Wenn er das Verhalten der vier Soldaten richtig einschätzte, so hatten auch sie sich während des Lagerfeuers um Jono Sorgen gemacht. In dieser gelösten und merklich entspannteren Stimmung, nachdem nun alle Karten offen auf dem Tisch lagen, machte sich die kleine Gruppe schließlich zu ihrem eigenen Nachtlager auf. Dies lag in dieser Nacht etwas abseits der anderen, da es noch Einiges für die nächsten Tage zu besprechen gab. Man verabredete, dass man Jonos Glück nicht überstrapazieren durfte und sie die Leute nur bis an den Rand der Stadt begleiten würden. Danach war es besser, sich von der großen Gruppe zu trennen und direkt zum Tempel zu gehen, wo sie das Artefakt in Empfang nehmen konnten. Es galt zu vermeiden, dass Jonos ungewöhnliche Haare am Ende doch noch für Aufsehen in der Stadt sorgten. In der Hauptstadt war diese Farbe inzwischen nicht mehr so selten, wie noch vor einigen Jahren, da einige der Nordmänner sich den Ägyptern angeschlossen hatten. Hier in den Randgebieten, welche noch immer von Syriern und Söldnern aus dem Norden überfallen wurden, war dies freilich etwas Anderes. Zudem konnten sie nicht sicher sein, ob tatsächlich jeder der Dorfbewohner des heutigen Abends, die Vergangenheit von Jono auf sich beruhen lassen würde. Trotz aller Vorkommnisse war es noch immer ihr oberstes Gebot, möglichst ohne größeres Aufsehen wieder zurückzukehren. Dennoch würden Aziz und Elias vor Antritt des Rückweges noch in die Stadt gehen, um ein paar Decken oder Ähnliches zu erwerben, welche sie nutzen würden, um besser auf den Pferden sitzen zu können. Die ersten Tage der Rückreise, so prophezeite es Jono, würde den vier Soldaten der Hintern weh tun. Es galt, sich möglichst schnell damit abzufinden und sich daran zu gewöhnen. Mit den Pferden wären sie in jedem Fall schneller, als zu Fuß. Jono wollte dementsprechend die Gelegenheit nutzen, seinen neuen Vertrauten das Reiten beizubringen. Seth konnte es bereits, auch wenn er schon seit ein paar Monaten nicht mehr auf diese Fähigkeit zurückgegriffen hatte. Noch am selben Abend legten alle vier Männer vor Jono einen Treueschwur ab, welcher von Seth magisch versiegelt wurde, und leisteten einen Eid auf ihre Verschwiegenheit, was Jonos Identität als Anoubis anbelangte. Würden sie ihn einst brechen, wäre ihr Leben verwirkt, denn der Zauber war an Jono gebunden, so dass er wusste, wer ihn verraten hatte. Auch ohne diese Magie, so offenbarte der Blonde später Seth, vertraute er den Männern. Doch Folter und Schmerzen waren eine wirksame Methode, um Zungen zu lockern und er selbst hatte über die Jahre schmerzlich lernen müssen, dass zu viel Vertrauen auch tödlich sein konnte. Aziz, Yanis, Elias und Ilai verstanden ihn und leisteten den Schwur ohne Gegenwehr. Als der Mond bereits die fernen Dünen der Wüste in kaltes Licht tauchte, ließen sich alle zum Schlafen nieder. Seth und Jono hatten es sich ein wenig abseits der anderen bequem gemacht. Beiden war klar, dass sie vorerst keine Gelegenheit mehr haben würden, miteinander zu schlafen, doch das war ihnen egal. Es war beiden gleichermaßen wichtig, in der Nähe des anderen zu sein. Zufrieden und in einvernehmlichem Schweigen ließen sie sich nieder. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)