Time to remember von seththos ================================================================================ Kapitel 59: Zurück in die Vergangenheit - Oder: Ein unmoralisches Angebot ------------------------------------------------------------------------- Hiho liebe Leser! Danke für die lieben Kommis. Heute habe ich endlich wieder Zeit, ein weiteres Kapitel zu veröffentlichen. Ich hoffe, es bringt ein wenig Licht ins Dunkel und Spaß in eure Arbeitszimmer... oder wo auch immer euer Computer steht, an dem ihr meine Geschichte lest! Herzliche Grüße und wie immer freue ich mich wie ein Schneekind über jeden hinterlassenen Kommentar. ^.~ _____________________________________________________________________________________ Es dauerte nur Sekunden. Kurz darauf befanden sie sich bereits ein gutes Stück von ihrem Ausgangspunkt entfernt. Sogar ein ziemlich großes Stück. In etwa 5000 Jahre. Seto störte sich nicht daran. Er kannte die Prozedur bereits, hatte er diese Magie in der Vergangenheit doch selbst häufig angewandt. Die Frage war nur, wohin genau der Pharao sie beide gebracht hatte und was er ihm zeigen wollte. Aufmerksam musterte er erst sich, dann seine Umgebung. Einen kurzen Fluch ausstoßend, bemerkte er, wie ein Diener durch ihn hindurch glitt, als sei er überhaupt nicht anwesend. Was bei genauerer Betrachtung auch der Fall war, immerhin konnte er, mit ein wenig Mühe, durch seine Füße hindurch den Boden erkennen, auf dem er stand. Graugelb. Stirnrunzelnd blickte er auf. Eine Säule links, eine Säule rechts. Bemalt und beschrieben mit allerlei wichtigen Hieroglyphen. Aha. Der Palast. Regierungssitz des Pharaos. Es blieb zu ergründen, in welchem Jahr sie sich befanden. "Seth!", rief ihn die Stimme seines Reiseführers zu und forderte ihn damit auf, ihm zu folgen. Missgestimmt wies er den inzwischen nur noch geringfügig Kleineren darauf hin, dass er in der gegenwärtigen Zeit einen anderen Namen trug. Atemu sah sich ob dieser Bemerkung nur vielsagend um. "In der 'gegenwärtigen' Zeit, erscheint mir der Name 'Seth' weitaus passender… Zumal 'Seto' sich nicht wesentlich davon unterscheidet." "Ich wüsste nicht, wann ich dir je gestattet hätte, mich 'Seto' zu nennen", stellte dieser richtig. "In Anbetracht dessen, dass du mein Leben vorzeitig beenden wolltest, ist meiner Meinung nach jegliche Art von höflicher Anrede zwischen uns überflüssig." "'Wollte' trifft es nicht ganz. Mein Wunsch, dir ein Messer in den Rücken zu rammen, ist nach wie vor nahezu unbezwingbar." "Nun, dann bin ich beruhigt. Da man mit einem Messer im Rücken durchaus Überlebenschancen hat, gehe ich davon aus, dass dein Wille, mich zu töten, bereits merklich nachgelassen hat", warf Atemu die Schultern zuckend ein und wandte sich von ihm ab. Nachdem Seto erfolgreich den dringenden Wunsch unterdrückt hatte, dem in seiner Zeit Älteren mit Hilfe eines kleinen Windzaubers seinen Namen auf die bloße Haut einzuritzen, gingen sie weiter. Letztlich, dessen war Seto sich bewusst, wäre es in seiner geisterhaften Gestalt ohnehin schwer gewesen, den Anderen zu verletzen. Eigentlich sogar unmöglich. Weshalb er den Gedanken nicht komplett fallen ließ, sondern ihn nur an einem sicheren Ort im hintersten Winkel seines Kopfes verwahrte. Immerhin würden sie nicht auf ewig als halbdurchsichtige wabernde Körper unterwegs sein. Halbwegs zufrieden mit diesen Überlegungen, widmete Seto sich wieder ihrer näheren Umgebung. Es dauerte ein paar Schritte, ehe der frühere Hohepriester sich orientieren konnte - was nach einer 5000jährigen Abwesenheit wohl halbwegs verzeihlich war. Doch mit jedem Schritt wurde die Erinnerung an diesen Ort klarer. Sie waren auf dem Weg zu den privaten Gemächern des Pharaos. Kurze Zeit später glitten sie durch eine geschlossene Tür und fanden sich in einem geräumigen weitläufigem Saal wieder, an welchen sich auf der gesamten gegenüberliegenden Seite eine breite und mit Stoff überdachte Terrasse anschloss. Ob man diese Einrichtung schon damals so genannt hatte, wusste Seto derzeit nicht mehr zu sagen. Sein Augenmerk lag indessen auf dem Pharao, welcher sich suchend umsah. Seto folgte seinem Beispiel, konnte jedoch nichts Besonderes entdecken. Nach einer Erklärung verlangend, sah er Atemu an. "Ich hatte angenommen, wir wären schon da", murmelte dieser nur und zuckte halbwegs entschuldigend mit den Schultern. "Wir?", erkundigte sich Seto. Bezeichnend sah er auf sich und Atemu. "Meiner Ansicht nach sind 'Wir' in jedem Fall schon da." Ein kurzes Stirnrunzeln gepaart mit einer genauen Begutachtung seiner nahezu durchsichtigen Hände folgte. "Zumindest zur Hälfte", schränkte er missmutig ein. Selbst vor 5000 Jahren hatte ihm diese Art der Magie schon keine besondere Freude bereitet. Atemu ließ seinen Kommentar unbeachtet. Stattdessen sah er zur Tür, durch welche sie zuvor ohne Widerstand hindurch geglitten waren. Beinahe lautlos schwangen die großen Flügel kurz darauf auf. Nun ließ auch Seto dem Eingang zu den Räumlichkeiten des Pharaos seine volle Beachtung zuteilwerden. Zwei Diener hielten die schweren Bronzetüren offen. Eine zweite Ausgabe, wesentlich jünger und nur geringfügig kleiner als die geisterhafte Erscheinung neben ihm, trat ein. Mit einem kurzen Wink gab er der Dienerschaft zu verstehen, dass diese ihn allein lassen solle. Seinem Wunsch wurde ohne Weiteres entsprochen und seine Untergebenen zogen sich zurück. Seto wartete ab. Ihm wurde klar, dass Atemu mit seinen Worten nicht von ihrem gegenwärtigem Ich gesprochen hatte. Offenbar warteten sie, ebenso wie die jüngere Ausgabe des Pharaos, auf einen weiteren Gast. Dieser ließ nicht lange auf sich warten und betrat ebenfalls den Raum - wenn auch aus von Seto unerwarteter Richtung. Ein schabender Ton erklang rechts von ihnen. Dementsprechend wurde er nicht durch die aufschwingenden Türen verursacht, welche sich nach wie vor im absoluten Stillstand befanden, sondern von einer Person, welche die Funktion solcher Türen zur damaligen Zeit offensichtlich noch nicht für sich entdeckt hatte. Stirnrunzelnd betrachtete Seth, ebenso wie Atemu, sowohl der vergangene als auch der gegenwärtige, wie sich eine schmale Hand auf den Sims der großzügigen schattigen Terrasse legte. Halbwegs elegant stemmte sich die betreffende Person hoch und schwang erst ein Bein, dann ein zweites auf die sichere Seite des Gemäuers. Ein kleines Zeichen des durchsichtigen Pharaos, bedeutete ihm, zuzuhören. "Jono", wurde der Fassadenkletterer von dem Pharao begrüßt. Seto sah genauer hin. Tatsächlich. Nachdem die Gestalt sowohl den schon bekannten sandfarbenen Mundschutz als auch sein gleichfarbiges Kopftuch zurückgestreift hatte, kamen die blonden Haare und braunen Augen zum Vorschein. Angelegentlich deutete der Pharao auf die großen Türflügel. "Wir haben auch einen Eingang, weißt du?" Ein schmales Grinsen bildete sich auf einer Ausgabe von Jono, welche zu diesem Zeitpunkt in etwa zwanzig Jahre alt sein musste. Bis zu ihrer erneuten Begegnung im alten Ägypten würden demnach noch fast vier Jahre vergehen, registrierte Seto nebenbei. Dankend nahm der Blonde das mit Wasser gefüllte Gefäß entgegen, welches Atemu ihm reichte. "Sicher. Davon habt Ihr sogar mehrere. Ich für meinen Teil, bevorzuge den sichersten." "Was verleitet dich zu der Annahme, dass es sicherer wäre, an einer steilen Mauer empor zu klettern, statt einen Gang zu nutzen, bewacht von zahlreichen Soldaten?", verlangte Atemu mit deutlicher Belustigung in der Stimme zu wissen. Aus dem lockeren Umgangston, welche beide miteinander pflegten, ließ sich schließen, dass sie sich zu diesem Zeitpunkt schon eine Weile kannten und Atemu den jungen Mann zu schätzen wusste. "Nun, unter anderem, dass mindestens zwei der in diesem Gang postierten Soldaten bestechlich sind." "Womit du dir selbst ein mangelndes Urteilsvermögen ausspricht, wenn man bedenkt, dass du es warst, der meine Leibgarde zusammengestellt hat." "Im Gegenteil. Wenn überhaupt belegt es EUER mangelndes Urteilsvermögen, weil Ihr mir, einem syrischen Spion, so viel Vertrauen bei der Auswahl EURES Schutzes entgegenbringt." "Er hatte schon immer eine entwaffnende Logik", wisperte Atemu neben Seto leise. Da es der Wahrheit entsprach, hatte Seto nichts zu entgegnen und schnaubte nur unwillig. Noch immer fragte er sich, was er hier sollte. Es erfreute ihn nicht unbedingt, dass er Jono mit dem Mann muntere Wortgefechte austragen sah, der ihn Jahre später das Leben kosten würde. Die Unterhaltung der Beiden, welche in der Zwischenzeit etwas getrunken hatten, ging derweil weiter. "Was vor allen Dingen damit zu tun hat, dass du mir bereits sehr viel Anlass für dieses Vertrauen gabst." Immer noch durstig goss Jono sich einen weiteren Becher mit dem belebenden Wasser ein. "Ich habe versucht, Euch umzubringen", korrigierte er geflissentlich. Atemu zuckte die Schultern. "Mehrmals", unterstrich der Blonde. Der Pharao blieb ungerührt. "Und doch lebe ich noch." "Was die Frage aufwirft, wer von uns beiden wohl weniger von seiner Aufgabe versteht. Entweder ich, der anscheinend nicht in der Lage ist, seine Waffen vernünftig zu führen oder Ihr, der es fertig bringt, sein Vertrauen in einen ehemaligen Söldner Eurer Feinde zu stecken und ihm sein Leben quasi auf einem goldenen Teller zu servieren." "Du", konterte der Herrscher Ägyptens ohne lange zu überlegen. "ICH weiß, dass ich dir vorbehaltlos vertrauen kann." Jono hob zum Zeichen, dass er sich geschlagen gab, die Hände. "Ich bin sicher, ihm lagen damals noch mehr Argumente auf der Zunge", kommentierte Atemu abermals leise das Geschehen. "Mit Sicherheit", rutschte es Seto, in Gedenk zahlreicher anderer 'Unterhaltungen' mit dem Blonden, brummend heraus. Geschäftig machte sich der Pharao an einem Kästchen zu schaffen, welches auf einem der niedrigen Tische stand. Neugierig trat Jono ein paar Schritte näher. Doch er kam nicht weit, denn schon kurz darauf drehte sich sein Herrscher mit einem noch halb verborgenen Gegenstand in seinen Händen zu ihm um. "Wie dem auch sei, Jono", sein Ton wurde eine Spur ernster. "Ich habe dich hergebeten, weil ich etwas Wichtiges mit dir zu besprechen habe. In den letzten Jahren, ist es dir mehr als nur einmal gelungen, mein Leben vor allen Gefahren zu schützen. Du hast dich nicht nur als Soldat in meiner Armee, sondern auch als ein ausgesprochen guter Taktiker und Führer meiner Truppen erwiesen." Der Blonde runzelte die Stirn angesichts dieser Aneinanderreihung von Lob und Dankbarkeit. Es bereitete ihm offenkundig keine Freude, so gepriesen zu werden. Was wohl auch daran lag, dass er den Pharao zu diesem Zeitpunkt bereits eine vergleichsweise lange Zeit diente und ahnte, welchen Preis er für ein solches Lob womöglich bezahlen musste. "Aus diesem Grund… und noch diversen anderen, die sich an dieser Stelle nicht alle lohnen aufzuzählen… wünsche ich, dass du die Stelle des Heerführers in meinem Land übernimmst." Protestierend wich Jono zurück. "Nein", schlug er die Ehrung, für die jeder andere sich dankbar auf die Knie geworfen hätte, ohne Umschweife beinahe panisch aus. "Mir liegt nichts an einer solchen Position." Zufrieden nickte der Pharao.. "Und genau deshalb, Jono, bekommst du sie." Abermals schüttelte der zukünftige Heeresführer den Kopf. "Ich kann noch nicht mal mich selbst kontrollieren, geschweige denn eine ganze Armee!" Er atmete tief durch. "Ich fühle mich geehrt, Pharao. Nein. Mehr als das. Aber wenn es zu einem Kampf käme, würde ich im Zweifel vermutlich mehr von Euren Männern töten, als Feinde. Das müsstet Ihr wissen, besser noch als jeder andere. Ihr habt es selbst erlebt. Verzeiht also, wenn ich Euer Angebot ausschlage, Pharao. Ich arbeite lieber weiterhin allein, wenn Ihr nichts dagegen habt." Der Pharao fixierte ihn mit festem Blick. "Ich glaube, du hast mir nicht richtig zugehört, Jono. Dies war keine Bitte und auch kein Angebot, das man ausschlagen könnte. Einen geeigneteren Mann als dich, gibt es nicht, der diesen Posten ausfüllen könnte. Du weißt ebenso wie ich, dass meine Armee einen verlässlichen starken Mann braucht, der nicht nur gut im Taktieren ist, sondern auch mit den Männern umzugehen weiß. Jemand, der mir treu ergeben ist." Widerwillig schüttelte Jono den Kopf und starrte auf den kleinen feinen Dolch, den Atemu in seinen Händen hielt. Dieser Dolch war aus wertvollem seltenen Metall gefertigt. Jeder, der ein solches Stück sein eigen nennen durfte, genoss das uneingeschränkte Vertrauen des Pharaos. -Seitdem der alte Herrscher ermordet worden war und Atemu seinen Platz eingenommen hatte, hatte er noch niemandem einen dieser kunstvoll verzierten Dolche gegeben. Fieberhaft suchte Jono nach weiteren Argumenten, mit denen er den Pharao noch von seiner Entscheidung abbringen konnte. "Mahmud und Majod vereinen diese Eigenschaften ebenfalls in sich und stehen schon seit weit längerer Zeit in Eurem Dienst." Ablehnend schüttelte Atemu den Kopf. "Sie sind stark und zäh und mir treu ergeben. Doch trotz ihrer Jahre haben sie nie an einer großen Schlacht teilgenommen, können weder die tatsächlichen Stärken noch die Schwächen ihrer Gegner einschätzen. Das weißt du ebenso wie ich." "Nayyr jedoch schon." "Sicher. Doch er ist arrogant und überschätzt sich selbst zu leicht." "Auch Sahid wäre eine gute Wahl." "Sahid ist ein guter Mensch und gewiss ein guter Soldat", stimmte ihm Atemu zu. "Er weiß es, Leute zu führen und kämpfte schon in mancher Schlacht. Doch er ist alt geworden und seine Sehnsucht nach Frieden könnte an vielen Stellen, an denen Durchgreifen notwendiger wäre, fehl am Platze sein." "Mir war nicht klar, dass Jono gezwungen werden musste, dieses Amt zu übernehmen", kommentierte Seto das Geschehen für Atemu deutlich hörbar. Dieser nickte. "Es gibt Einiges, was du noch nicht über ihn weißt und was er dir sicher nie erzählt hat. Aber es ist, wie ich es ihm damals schon sagte: Keiner wäre geeigneter gewesen. Ihm war selbst nicht klar, dass das, was er vermeintlich für seine größte Schwäche hielt, seine größte Stärke war. Gerade weil er solche Angst hatte, andere zu verletzen, war er die beste Wahl als Heeresführer." Seto wusste, worauf Atemu anspielte, ließ ihn jedoch fortfahren. "Nachdem er das Amt übernommen hatte, war er darauf bedacht, die Männer seiner Armee nie einem größerem Risiko auszusetzen, als unbedingt notwendig. Er versuchte sich stets auf alle Möglichkeiten einzustellen, um die Gefahr für seine Männer und damit auch meine, so gering wie möglich zu halten. Und wenn er kämpfte, hielt er sich selbst nie zurück, schonte sich kein einziges Mal. Obwohl die meisten nicht wussten, wer er wirklich war, bewunderten ihn alle für seinen Mut, seine Entschlossenheit, seine Stärke und sein Geschick, die Truppen zu motivieren und zu führen. Im Gegensatz zu vielen anderen, welche ich für dieses Amt noch erwogen hatte, taktierte er mit meinen Soldaten nicht wie mit Schachfiguren. Da er sich selbst nie über sie stellte und unter ihnen lebte, wusste er, was sie bewegte und konnte dieses Vertrauen weitergeben. Jeder, der unter ihm diente, spürte das." Seto nickte nur. Er erinnerte sich an einige Schlachten, an denen er teilgenommen hatte. Selbst bei ihrem ersten gemeinsamen Einsatz mit Ilai, Yannis, Aziz und Elias waren all die Eigenschaften, von denen Atemu berichtete, zutage getreten. Das Gespräch des jüngeren Pharaos und seines baldigen Heerführers war inzwischen weiter vorangeschritten. Der Blonde hatte noch einige weitere Argumente ins Feld geführt, welche von seinem Pharao allesamt zerschlagen worden waren. Stille kehrte ein, in welcher Jono unruhig auf und ab ging. Sein Herrscher beobachtete ihn stumm und sagte vorerst nichts weiter. "Du hättest ihn damals einfach zwingen können", stellte Seto fest. Die durchsichtige Gestalt neben ihm schüttelte den Kopf. "Welchen Wert hat ein Heeresführer, der sein Amt nur mit Widerwillen antritt?" Sein Blick wanderte zu Jono, welcher, am ganzen Körper angespannt, an einem der Fenster stand und eine Lösung zu finden versuchte. Bedächtig fuhr Atemu fort. "Um ein Land zu führen, braucht es zwei Arten von Männern. Das eine sind Männer, die einem folgen, egal was man tut. Männer, auf die man sich verlassen kann und einem treu ergeben sind. Das andere, sind Männer, die sich nicht scheuen, einem die Wahrheit ins Gesicht zu sagen. Die einen davon abhalten, zur falschen Zeit das Falsche zu tun und einen an das erinnern, was richtig ist." Atemu deutete mit den Händen zwei Waagschalen an. "Der Frieden eines Landes befindet sich stets in der Waage. Treue Männer, die dir überall hin folgen, egal was du tust, sind der Grundstein. Doch ohne richtige Führung, sind sie wie Schafe. Leitet der Hirte sie falsch, sterben sie." Seine rechte Hand sank nach unten, während eine Augenbraue Setos deutlich nach oben wanderte, auf Grund dieser unerwartet belehrenden philosophischen Anwandlung des einstigen Pharaos. Dieser fuhr trotz des vielsagenden Gesichtsausdruckes seines unfreiwilligen Zuhörers ungerührt fort. "Deshalb brauchst du auch die, welche die steinigen Wege kennen. Die, die wissen, wo es Wasser gibt, welche Gefahren man meiden sollte und welchen es sich zu stellen lohnt." Die linke und rechte Hand glichen sich wieder an. "Doch sollte es sich dabei um Männer handeln, die nur auf ihr eigenes Wohl bedacht und nicht in der Lage sind, zur rechten Zeit ihre Stimme zu erheben, wird auch das Vertrauen der anderen Männer schwinden." Bezeichnender Weise sank nun die linke Hand ein gutes Stück nach unten. "Das Land würde zu Grunde gehen und mit ihm sein Herrscher." Ein zutiefst zufriedener und dankbarer Ausdruck legte sich auf sein Gesicht, als er seine Arme ineinander verschränkte. "Es ist schwer, Menschen zu finden, die sich nicht scheuen, einem ihre ehrliche Meinung zu sagen. Besonders als Pharao. Deshalb bin ich voller Dankbarkeit" Der Braunhaarige kam nicht umhin, dem Anderen einen fragenden Blick zuzuwerfen. "Mir wurde das Glück zuteil, gleich zwei dieser besonderen Menschen gefunden zu haben." Der ehemalige Pharao bedachte den Größeren mit einem vielsagendem Blick. Dieser wandte die Augen nicht ab, sagte aber nichts weiter dazu. Inzwischen schien Jono zu einer Entscheidung gelangt zu sein. Erneut trat er zu seinem Pharao, welcher bis eben geduldig an Ort und Stelle verharrt und ihn ebenso wie sein älteres Ebenbild beobachtet hatte. "Wenn ich dieses Amt annehme, Atemu, müsste ich Euch das Wertvollste geben, das ich besitze." Die Miene des Pharaos zeigte an, dass er nicht wusste, worauf der Jüngere anspielte. "Als ich aus meinem Dorf floh, hatte ich nichts. Als ich nach Syrien ging, hatte ich noch weniger. Doch eines ist mir immer geblieben." Jono unterbrach sich kurz, dachte nach, dann redete er weiter. "Und dieses eine, ist mein Leben. Mehr habe ich nicht. Nur das. Ich schätze Euch sehr, Pharao. Ihr wisst, dass ich alles in meiner Macht stehende tun würde, um Euch zu dienen. Doch dieses Amt würde verlangen, dass ich Euch mein Leben verspreche. Wenn ich das täte, wäre es ein Meineid und damit hätte ich das Vertrauen, von dem Ihr so oft spracht, verwirkt." Nachdenklich maß Atemu ihn von Kopf bis Fuß. Diesem Argument hatte er nur wenig entgegenzusetzen, denn es entsprach der Wahrheit. Der Eid, der seit Urzeiten sowohl vom Heeresführer als auch vom Hohepriester verlangt wurde, beinhaltete, dass sie ihr ganzes Leben in den Dienst des Pharaos stellten. Mit diesem Eid erlangte der Pharao als Einziger das Recht, über Tod oder Leben seiner zwei engsten Vertrauten zu entscheiden und auch darüber, wie sie ihr Leben in Zukunft verbrachten. Eine schiere Notwendigkeit, wenn man bedachte, wie viel Macht diese zwei Amtsinhaber haben würden. Wäre ihm daran gelegen, hätte er Ihnen sogar befehlen können, sich selbst umzubringen. Es dauerte einige Zeit, bis der Pharao wieder das Wort an Jono richtete. Doch als er es tat, überraschte er nicht nur den Blonden, sondern auch einen weiteren ungesehenen Zuhörer. "Dann erlasse ich dir den Eid." Sowohl die Augen des Blonden als auch des Braunhaarigen weiteten sich in Erstaunen. Ruckartig drehte Seto seinen Kopf in Richtung von Atemu, welcher nur weiter auf die Szene vor ihnen sah. Seine frühere Ausgabe sprach indessen ungerührt weiter. "Ich stelle dir frei, dein Leben zu führen, wie du es für richtig hältst. Als Gegenleistung erwarte ich nichts weiter von dir, als dass du mir treu ergeben bist, dein Amt gewissenhaft erfüllst und mir stets deine ehrliche Meinung mitteilst… was dir allerdings nicht schwer fallen dürfte, da du ohnehin ständig allem widersprichst, was ich sage." Jono konnte nicht anders, als ihn entsetzt anzustarren. Ihm war bewusst, welch großes Risiko sein Pharao damit einging. Ohne einen magisch gestützten Eid wäre er jederzeit in der Lage, ein Attentat auf ihn zu verüben, denn als Heerführer durfte er sich dem Pharao zu jedem Zeitpunkt nähern. Der Eid hätte selbst den bloßen Gedanken, sein Leben in den Dienst eines anderen Herrn zu stellen, zunichte gemacht. So stand es ihm jederzeit frei zu wählen. Gleichzeitig war es jedoch genau dieses Zugeständnis, welches dafür sorgte, dass Jono sich seinem Pharao zu lebenslanger Treue verpflichtet fühlte. Ohne länger nachzudenken, ließ er sich auf beide Knie sinken und dankte Atemu, indem er Stirn und Hände auf den Boden presste. Eine schmale Hand legte sich auf seine Schulter. "Darf ich deine ungewohnte Ehrerbietung so verstehen, dass du bereit bist, das dir anvertraute Amt zu übernehmen?" Jono nickte. Ein unwilliges Schnauben ertönte und der Pharao verlangte, dass er sich erheben solle. "Wenn dem so ist, Jono, dann hoffe ich, dass ich dich zum ersten und letzten Mal so ergeben vor mir knien sehe. Zumindest, wenn wir unter uns sind", schränkte er ein. Der Blonde erhob sich und ein berechnendes Lächeln breitete sich auf seinen Zügen aus. Kopfschüttelnd sah er in das Gesicht seines Herrschers. "Ich hoffe, Ihr wisst, auf was Ihr Euch mit mir eingelassen habt. Nicht alle meine Entscheidungen als Heeresführer werden Euch gefallen", warnte er ihn vor. Atemu nickte lediglich, ehe er verfolgte, wie Jono nun doch den Dolch von ihm entgegen nahm. Bewundert strich er über die scharfe Klinge und die feinen Verzierungen im Griff der Waffe. Sorgsam wog er sie in der Hand, ehe er sie zweimal in die Luft warf und sicher wieder auffing, ohne sich zu schneiden. "Eine schöne Waffe", urteilte er schließlich. Nicht nur Seto zuckte zusammen, als Jono das dritte Mal den Dolch auffing, ehe er seinen Arm ohne zu zögern nach hinten schnellen ließ und in die Richtung des Pharaos zielte. Nur einen Augenaufschlag später entglitt die Waffe seiner Hand und zog knapp neben Atemus linkem Ohr an ihm vorbei, um sich kurz darauf in einer hölzernen Wand hinter ihm zu vergraben. Gemächlichen Schrittes ging Jono an seinem Pharao vorbei. Dieser, das musste Seto ihm lassen, hatte lediglich kurz mit der Wimper gezuckt. Jono befreite die Klinge wieder aus dem Holz und reichte das edle Stück an Atemu zurück. "Hört also meine erste Entscheidung, Pharao. Diese Klinge… so gut sie auch sein mag… werde ich nicht annehmen. Wer sieht, dass ich sie trage, weiß, dass ich hoch in Eurer Gunst stehe. Ich gedenke jedoch, trotz meiner Funktion, weiter zu verfahren wie bisher. Letztlich bin ich Euch nur dann von Nutzen, wenn sich meiner kein anderer bemächtigen kann. Der Eid hätte Euch davor geschützt. Da dies nun nicht der Fall ist, halte ich es für das Sinnvollste, dass niemand je erfährt, wen Ihr zu Eurem Heerführer ernannt habt. Ich gebe zu, inzwischen wäre ich untröstlich, wenn mich jemand mit einem Zauber manipulieren würde, um Euch am Ende doch noch umzubringen", schloss der neue Heerführer seinen kurzen Vortrag. "Wie gedenkst du dann, deiner Funktion als Heeresführer gerecht zu werden und meine Soldaten anzuführen, wenn niemand weiß, wer du bist?", erkundigte sich der Pharao gutmütig. "Oh, seid unbesorgt. Sie werden wissen, wer ich bin. Zumindest werden sie erkennen, wem sie zu folgen haben, wenn es soweit ist. Sie brauchen nur nicht zu wissen ist, dass es 'Jono' ist, der sie anführt." Ein wenig skeptisch maß ihn der Pharao mit seinen Blicken. Dennoch war er einverstanden. Nur wenige Augenblicke später begann das Bild vor Setos Augen und die Umgebung um sie herum, sich aufzulösen. Es war gerade noch zu erkennen, wie Jono, nun wieder vollständig verhüllt, abermals die Tür großzügig ignorierte und sich mit einer geschmeidigen Bewegung über den Rand der Terrasse begab, ehe er auf der anderen Seite verschwand. Zurück blieb ein resignierender Pharao, welcher erkennen musste, dass ein weiterer Hinweis auf den eigentlichen Aus- und Eingang ebenso wenig bringen würde, wie der vorangegangene. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)