Time to remember von seththos ================================================================================ Kapitel 58: Ein Museumsbesuch mit Tod im Gepäck ----------------------------------------------- Hiho. 2 Jahre Auszeit. Und weiter geht's. ^_^ Viel Spaß beim Lesen! (p.s. Entschuldigung, dass ich so lange gebraucht habe) ~~~~~~~~~~ Seto schrie. Schmerz durchzuckte ihn, Schmerz und tiefe Verzweiflung. Keuchend setzte er sich auf, hielt die Hand auf seine Brust gepresst und atmete schwer. Hinter ihm machte er ein ihm unbekanntes Geräusch aus. Wie ein feines Knacken. Immer lauter wurde es um ihn herum. Der Atem immer noch stoßweise, erspürte er die Vibration eher in der Luft, als dass er sie sah. Ein letztes Mal krampfte sich seine Hand zusammen. Seine Augen weit aufgerissen. Die Scheibe zersprang. Erst eine, dann noch eine und noch eine und auch die letzte zersplitterte mit einem berstenden Geräusch. Als hätte die Druckwelle einer Explosion sie von innen auseinander gerissen, verteilten sich die zahlreichen winzigen Scherben sowohl im Inneren des Raumes als auch außerhalb, im Garten. Es dauerte nur Sekunden, bis zwei Hausmädchen, sein Butler und sein kleiner Bruder in das Zimmer gestürmt kamen. Voller Entsetzen betrachteten sie sich das Unheil und Mokuba rannte auf ihn zu, "Großer Bruder! Bist du verletzt?" Noch immer um Luft ringend, sah Seto zu dem kleinen schwarzen Schopf. "Keine Sorge", brachte er schließlich mit gepresster Stimme hervor. "Sicher?" "Ja. Ich habe mich wohl nur erschrocken." Beruhigt aber mit tiefem Stirnrunzeln sah Mokuba auf die zahlriechen Scherben. "Wie ist denn das passiert?" Seto war noch halb in der Traumwelt seiner Erinnerung gefangen, dennoch gelang es ihm irgendwie, eine halbwegs plausible Erklärung abzuliefern. Schnell fischte er das nächst Beste, das er in seinen Erinnerungen finden konnte und schusterte es zu einem vollständigen Satz zusammen. "Vermutlich wurden die Scheiben falsch eingesetzt und standen unter Spannung. Es kann vorkommen, dass sie dann einfach irgendwann zerbersten, wenn der Druck zu groß wird." Skeptisch sah Mokuba zu seinem großen Bruder. Da ihm jedoch auch keine bessere Erklärung einfiel, beließ er es bei einem zögerlichen Nicken. Seto hatte seinem kleinen Bruder bisher noch nichts von seinen magischen Fähigkeiten erzählt. Und eigentlich hatte er es auch nicht vor. Er wusste genau, was die Scheiben in seinem Zimmer gesprengt hatte - oder wer. Wenn auch unbewusst. Nach ein paar Minuten, in denen er es schaffte, sich restlos von seinem morgendlichen Schockzustand zu erholen, schickte er alle Anwesenden hinaus. Im Stillen dankte er dem Zufall, dass Joey heute noch einmal bei sich zu Hause genächtigt hatte. Genauso, wie er es auch morgen nochmal tun würde, um seine Sachen zu Ende zu packen. Er brauchte Zeit, um das Geträumte zu verdauen. **********zwei Tage später********* Hellbraune Fliesen reihten sich, in immer neuen Mustern, aneinander. Der Eingangsbereich war sehr weitläufig und hell. Große Oberlichter sorgten für lichtdurchflutete Räume, in welchen die Ausstellungsstücke perfekt zur Geltung kamen. Ein kurzer Blick auf die Hinweistafeln klärte darüber auf, dass man sich derzeit in der Ausstellung von erst kürzlich gefundenen Keramiken befinde. Seto orientierte sich kurz, ehe er sich für den rechts von der Halle abzweigenden Weg entschied. Dieser führte in Richtung der Pharaonenausstellung. Aufmerksam sah sich der Firmenchef auf seinem Weg um. Die Ausstellungen waren offenbar sehr gut besucht, denn selbst um diese Uhrzeit strömten bereits erste interessierte Gruppen durch die verschiedenen Räumlichkeiten. Lauschte man aufmerksam, konnte man hören, dass das scheinbar allgegenwärtige Murmeln nicht nur japanischer, sondern auch deutscher, englischer, spanischer, koreanischer oder chinesischer Natur war. Die Museumsleitung hatte bereits vor zwei Jahren, zu Beginn der Dauerausstellung, mehrere Führer angestellt, welche mindestens zwei Fremdsprachen beherrschten. Da nur wenige Japaner des Ägyptischen mächtig waren, verwunderte es dementsprechend nicht, dass die Bewerbung eines gewissen Atemu Muto schnell regen Zuspruch gefunden hatte. Immerhin kamen auch aus Ägypten, der eigentlichen Heimat all dieser Gegenstände, viele Menschen zu Besuch. Meist Professoren und Archäologen, welche das eine oder andere Fundstück ergänzten, ein paar Dinge untersuchen wollten oder denen einfach nur daran gelegen war zu prüfen, wie die kostbaren Schätze hier untergebracht waren. Dementsprechend, soviel hatte Seto Kaiba inzwischen in Erfahrung gebracht, wurde Atemu vorrangig damit betraut, diese Fachbesucher in den Räumlichkeiten herumzuführen. Es war zu vermuten, dass dies nicht immer eine einfache Aufgabe für den ehemaligen Pharao darstellte. Stirnrunzelnd blieb Seto kurz vor einem langen Schaukasten stehen, in welchem eine der zahlreichen Mumien ausgestellt war. "Pharao Ramses lebte von…", stand unter dem Kasten auf einer kleinen Tafel geschrieben, doch sofort ließ Seto seine Augen weiterwandern. Makaber zu sehen, dass die Menschen, die einst bis in alle Ewigkeit in Frieden hatten ruhen wollen, nun der größte Unfriede überhaupt zuteil wurde. Nur mühsam unterdrückte er das Gefühl, sich schütteln zu müssen. Er nahm an, dass Atemu ganz froh war, dass man seine Leiche nie gefunden hatte. Es würde wohl reichlich makaber anmuten, wäre er heute dazu verdammt, jeden Tag an seiner eigenen mumifizierten Leiche vorbeizulaufen und sie irgendwelchen Experimenten zur Verfügung zu stellen. Im Stillen hoffte er, dass nicht auch sein eigener Körper noch irgendwo herum lag. Zwar reichten seine eigenen Erinnerungen noch nicht bis zu seinem Tod, doch er wusste zumindest, das einst auch hohe Würdenträger einbalsamiert und mumifiziert worden waren. Vom heutigen Standpunkt aus betrachtet, konnte er darauf gut verzichten. Mit festem Schritt ging er weiter. Ohnehin war er heute nicht hierhergekommen, um sich über sein eigenes Ableben Gedanken zu machen. /Zumindest nicht in dieser Form/, schränkte er wenig später ein, während er langsam den Saal der Pharaonenschätze betrat. Überall funkelten ihm vergoldete Ausstellungsstücke entgegen. Er wusste, dass es sich nur um simple Imitationen handelte. Die waren Schätze lagen im Keller des Museums hinter dicken Stahltüren mit einem von ihm entwickeltem Sicherheitssystem verborgen. Niemand wäre in der Lage, dies mit den derzeit bekannten Mitteln zu überwinden. Stirnrunzelnd dachte Seto an eine Begebenheit vor wenigen Tagen zurück. /Niemand außer Joey vielleicht. Aber selbst das setzt menschliches Versagen voraus, was wohl im Endeffekt bedeutet, dass mein System noch immer nicht narrensicher ist./ Im Stillen vermerkte er sich die Notwendigkeit eines Gesprächstermins mit dem hiesigen Direktor. /Vielleicht/, überlegte er, /sollte ich auch Joey zu diesem Gespräch hinzu bitten. Ich vermute, dass er ein paar interessante Verbesserungen einbringen könnte./ Doch bevor dies geschehen konnte, musste er zuerst sicherstellen, dass er einen der besten Museumsführer dieses Hauses, wie der Direktor ihm versichert hatte, nicht bei nächstbester Gelegenheit aufschlitzte oder zu Asche verbrannte, sobald er ihm über den Weg lief. Solche drastischen Vorgehensweisen waren meist ein schlechter Ausgangspunkt für weitere Verhandlungen mit dem entsprechenden Arbeitgeber. Zumindest, wenn er dies in der Öffentlichkeit tat. Tiefe Falten gruben sich in seine Stirn, als er an die Fenster seines Schlafzimmers dachte. Diese waren vorgestern in tausend kleine Stücke zerborsten - auf Grund eines Traumes, den er lieber gestern als heute wieder aus seinem Gedächtnis verbannt hätte. Wenn es denn ein Traum gewesen wäre. Leider handelte es sich dabei um Erinnerungen und er würde den Teufel tun, sich diesen Erinnerungen zu verschließen. Die Bilder zu verdrängen würde bedeuten, dass er vor den damit einhergehenden Problemen davon lief - aber ein Kaiba rannte niemals davon. Schon gar nicht, wenn die Ursache der besagten Probleme so leicht aus dem Weg zu schaffen war. Er hatte sein Ziel erreicht. Aufmerksam sah er sich in dem kleinen Raum um. Dämmriges Licht sorgte dafür, dass allein die angestrahlten Exponate zur Geltung kamen. Der Blick eines jeden Besuchers wurde beinahe automatisch von der Mitte des Raumes angezogen, in welchem sich eine Glasvitrine mit den Herrschersymbolen der alten Pharaonen präsentierte. Sowohl die rot-weiße Doppelkrone, als Symbol der Herrschaft über Ober- und Unterägypten, als auch Krummstab und Geißel waren zu bewundern. Wie merkwürdig musste es dem Pharao erscheinen, jeden Tag an den Insignien seiner Macht vorbeizuwandern und sie wissbegierigen Archäologen zu präsentieren, die mit allerlei wissenschaftlichen Methoden die winzigsten Hinweise daran suchten. Und das alles, während er selbst ihnen binnen einer Stunde mehr über das tägliche Leben sowohl der Ober- als auch Unterschicht hätte erzählen können, als sie in über zweihundert Jahren penibler Suche herausgefunden hatten. Allein die pure Existenz Atemus in dieser Zeit, an diesem Ort, war ein Hohn für alle Wissenschaftler. Da sollte noch einmal jemand behaupten, die Götter hätten keinen Sinn für Humor gehabt. Kaum hatte er diesen Gedanken beendet, als durch einen im Dunkel liegenden Seiteneingang Atemu hereintrat. Es dauerte einen kurzen Augenblick, ehe Seto begriff, dass der Kleinere, während seiner Erklärungen, fließend die ägyptische Sprache benutzte. Angesichts all der Dinge, die ihm in der letzten Zeit passiert waren, hätte es ihn eigentlich nicht verwundern müssen, dass er alles, was er sagte, wunderbar verstehen konnte. Die Leute, welchen er gerade eines der Exponate näher erläuterte, schienen jedoch nicht ganz so vertraut mit seinem Dialekt zu sein. Wäre er unter anderen Umständen hergekommen, hätte Seto Kaiba es sich wohl nicht nehmen lassen, sich über die stupiden Männer zu amüsieren, welche noch nicht einmal die altägyptische Sprache verstanden, jedoch ebenso alte Texte entziffern wollten. Von seinem Standpunkt aus, Atemu hatte ihn noch nicht gesehen, konnte er beim Näherkommen der Gruppe hören, wie diese Leute den ehemaligen Pharao in höchsten Tönen lobten. "Herr Muto, ich muss sagen, der Herr Direktor hat in keiner Weise übertrieben. Sie sind wahrlich ein Meister Ihres Faches! Ich habe noch niemals zuvor jemanden diese alte Sprache so fließend sprechen hören, wie Sie. Sie müssen Jahre gebraucht haben, sich diese Aussprache und Betonung anzueignen. So wie Sie es sprechen, könnte man wahrlich annehmen, haben es vielleicht auch die alten Ägypter getan." Seto kam nicht umhin Atemu für seinen gelassenen Gesichtsausdruck zu bewundern. Mit einem unverbindlichen Lächeln nahm er die Bewunderung zur Kenntnis. Im gleichen Zuge verkniff er es sich jedoch, den Mann darauf hinzuweisen, dass er die Sprache schwerlich erst hatte studieren müssen. "Sagen Sie, wie steht es um Ihr Interesse, einmal selbst an einer bedeutenden Ausgrabung teilzunehmen? Ich bin sicher, Sie wären eine nicht zu unterschätzende große Hilfe." Höflich lehnte Atemu das Angebot ab. "Ich danke Ihnen vielmals für dieses Angebot. Derzeit bin ich mit meinem Beruf in diesem Museum jedoch hinlänglich beschäftigt." "Oh, ich denke nicht, dass Sie Ihren Beruf hier dafür aufgeben müssten. Sicherlich findet sich eine Möglichkeit, eine Absprache mit dem Direktor zu treffen", ließ der Mann nicht locker. "Das mag sein und ich denke, dass mein Chef Ihnen gewiss zustimmen wird. Ich selbst bin hier jedoch familiär gebunden. Bis auf einen gelegentlichen Urlaub, um zu sehen, wie sich alles entwickelt, zieht mich, um ehrlich zu sein, nichts nach Ägypten." "Aber Ihr Gehalt!", protestierte der Mann. "Einer ansprechenden Entlohnung führ Ihre Mühen, können Sie doch schwerlich abgeneigt sein." Ein mildes Lächeln zierte Atemus Lippen, als er zum Widerspruch ansetzte. "Ich habe hier alles, was ich brauche", beendete er die Diskussion mit einem bestimmten Unterton, der keine weiteren Einwände zuließ. Seto Kaiba hatte genug gehört. Es war an der Zeit, die sich anschließende Diskussion über nichtige Details betreffend eines der Ausstellungsstücke zu unterbrechen, um selbst mit dem ehemaligen Pharao zu sprechen. Ohne noch länger zu warten, löste er sich aus dem Schatten und schritt auf die kleine Gruppe aus fünf Personen zu. Er war gerade noch zehn Schritte entfernt, als er unvermittelt innehalten musste. Es bedurfte keiner weiteren Untersuchung, um festzustellen, dass der Pharao jedes Vorankommen seinerseits verhindern würde. Ruhig und abwartend sah dieser ihn an, während die vier anderen der Gruppe munter weiterdebattierten und von dem Geschehen um sich herum nur wenig mitbekamen. Seto ertastete kurz die mentale Barriere, welche ihn davon abhielt, sich dem jungen Mann weiter zu nähern. Spöttisch registrierte er, dass diese bei weitem nicht stark genug wäre, um ihn vollkommen von der schmalen Gestalt fern zu halten. Dieser kleine Zauber stellte lediglich eine Botschaft, eine Warnung, dar. Unsichtbar für jeden anderen. Atemu hatte nicht vor, hier zu sterben. Das traf sich gut. Denn er hatte auch nicht vor, ihn hier umzubringen. Zumindest nicht, bevor er nicht ein paar Antworten erhalten hatte. "Wir sollten reden", informierte er den Pharao, ohne weitere nichtige Begrüßungsfloskeln. Dieser nickte, hielt seine Barriere aber weiter aufrecht. Seine Körpersprache ließ vermuten, dass er bereits mit seinem Besuch gerechnet hatte. "Nicht hier", war alles, was er sagte. Seto nickte. Er war einverstanden. Kurze Zeit später befanden sich beide auf den Weg in Richtung Stadtgrenze. Während Atemu in seinem Kleinwagen platzgenommen hatte, folgte ihm Kaiba in kurzem Abstand auf einem seiner Motorräder. Es hatte nur einer kleinen Andeutung seitens des ehemaligen Pharaos bedurft, dass Seto Kaiba detaillierte Informationen zum alten Ägypten wünsche, um ihn kurzfristig freizustellen. Jemand anderes hatte seine Führung übernommen. Unzweifelhaft spekulierte der Direktor des Museums auf eine großzügige Spende seitens Kaibas, sollte Atemu ihn für ihre Ausstellung erwärmen können. Dementsprechend hinterfragte er auch nicht weiter, weshalb Atemu, um dem Firmenchef einen Einblick in die alte Zeit zu geben, das Museum verlassen musste. Seto nahm sich indes vor, dem Museum tatsächlich einen nicht geringfügigen Betrag zukommen zu lassen. Immerhin würden sie bald den Tod eines sehr kompetenten Mitarbeiters zu bedauern haben. Inzwischen war er sich beinahe sicher, dass er den Pharao nicht nur verletzen wollte. Das Gefühl, ihn zu Asche verbrennen zu wollen, wurde während ihrer kleinen Fahrt in die nähere Umgebung mit jedem Kilometer stärker und drängender. Die Fahrt dauerte, bedingt durch den nur zäh fließenden Verkehr in der Stadt, nahezu 20 Minuten. Für den Firmenchef der Kaiba Corporation war es nur schwer abschätzbar, ob Atemu genau das Ziel vor Augen gehabt hatte, an das sie am Ende gelangten. Da der Pharao, das wusste Seto aus seiner Erinnerung, selten etwas tat, ohne vorher genau überlegt zu haben, handelte es sich bei dieser menschenleeren Gegend mit nichts als Feldern um sie herum, vermutlich tatsächlich um den gesuchten Ort. Kaiba war es recht. Keine Menschen bedeutete keine Zeugen. Nachdem beide ihre Fahrzeuge auf einem selten genutzten Feldweg abgestellt hatten, wanderten sie schweigend ein paar Meter auf den inzwischen schon teilweise gemähten Acker. Erst, als sie sich noch ein weiteres gutes Stück von der nahe liegenden viel befahrenen Straße Richtung Domino City entfernt hatten, und sie von nichts mehr außer Bäumen und Gräsern umgeben waren, hielt Atemu schließlich inne. Aufmerksam sah er sich ein letztes Mal um, um sicherzustellen, dass sich niemand in ihrer Umgebung aufhielt. Scheinbar zufrieden mit seinen Beobachtungen, wandte er sich um. "Also gut. Lass uns 'reden'", hob er seine Stimme an, wobei Seto spürte, dass er noch immer seine Barriere aufrecht erhielt. Inzwischen jedoch ungleich stärker, als noch einige Minuten zuvor im Museum. Der Braunhaarige, welcher die ganze Zeit über Abstand zu seinem ehemaligen Herrscher gehalten hatte, trat zwei Schritte näher, ehe ihn die Barriere erneut vom Weitergehen abhielt. Überlegen lächelnd, strich er beinahe sanft über die unsichtbare Wand und spürte das leichte Kribbeln in seinen Fingern, ehe er aufsah. "Und du glaubst, das hier", er deutete vage von oben nach unten in die Luft, als sei dort wirklich ein festes Hindernis, welches ihn am Weitergehen hinderte, "würde mich aufhalten?" Atemu legte den Kopf schief. Nachdenklich maß er ihn von oben bis unten mit einem kurzen Blick. "Ja", antwortete er schließlich ungerührt. "Dass du überhaupt hierauf zurückgreifst, zeugt davon, dass du dir da nur halb so sicher bist, wie du tust", stellte Seto fest. Atemu ging darauf nur bedingt ein. "Ich lege keinen gesteigerten Wert auf Verletzungen. Gleich welcher Art. Und Jono ist heute nicht hier, um mir als Schutzschild zu dienen." Der Pharao wusste, dass er damit einen empfindlichen Nerv bei seinem einstigen Hohepriester traf. Es war klar, dass ihn die Erinnerung daran verletzte. Doch es war ein notwendiges Übel. Denn wie Atemu es bereits gesagt hatte: Sein Interesse an weiteren Verletzungen war vorerst gedeckt. Den Braunhaarigen daran zu erinnern, dass sein Geliebter keineswegs mit solchen Verletzungen einverstanden wäre, war die wohl effektivste Methode, Seto von eben diesen Taten abzuhalten. Der Hinweis zeigte Wirkung. Zufrieden registrierte der Kleinere, dass sein Gegenüber die Finger von der Barriere ließ und sogar einen Schritt zurück wich. "Ich hatte nicht vor, dich zu verletzen." In Gedenk ihrer letzten Begegnung maß der Pharao ihn mit einer gehörigen Portion Skepsis. "Sicher", stimmte er mit einem Hauch von Ironie zu. "Nein", bekräftigte Seto, ehe er ohne Umschweife fortfuhr. "Um genau zu sein, würde ich dich gern töten." Atemu nickte. Dies stellte scheinbar keine Neuigkeit für ihn dar. "Das kann ich verstehen", erwiderte der Pharao beschwichtigend… und ehrlich. "Doch bevor du etwas tust, was du hinterher womöglich bereust, will ich dir erst meine Sicht auf die damaligen Ereignisse zeigen." "Ich bezweifle, dass ich hinterher irgendwas bereuen werde", stellte Seto richtig. "Denn dein Verrat war es, der Jono das Leben gekostet hat. Du hast mich hintergangen und Jono in den sicheren Tod geschickt. Er war an dich gebunden! Er hatte den Eid geleistet und so wie es seine Aufgabe gewesen wäre, dein Leben zu beschützen, warst du auch für sein Leben verantwortlich. Ihr wart sicher. Damals. In dem Tempel. Ich hatte einen Schutzzauber über euch gelegt. Das zumindest, weiß ich noch. Jono hätte gar nicht auf dem Schlachtfeld sein dürfen! Doch du…!" Seto bebte vor nur noch mühsam unterdrückter Wut. "DU hast dein Versprechen gebrochen!" Atemu nickte. Trauer spiegelte sich in seinem Blick. "Das habe ich", gestand er leise ein. "Doch du kannst mir glauben: niemals zuvor und niemals danach musste ich eine solch schwere Entscheidung treffen." Der Größere fluchte. Er hatte nicht damit gerechnet, dass Atemu seine Schuld am Tod Jonos so einfach eingestehen würde. Ihm wäre es lieber gewesen, er hätte es geleugnet. Dann hätte er wenigstens einen Grund, ihn anzugreifen, ihn in die Knie zu zwingen und um Vergebung für sein Vergehen zu bitten. "Ich habe schwere Schuld auf mich geladen", fuhr Atemu mit gesenkter Stumm fort. "Auch wenn ich wusste, dass es die richtige Entscheidung war, lastete sie doch den Rest meines Lebens unendlich schwer auf meinen Schultern." Eine kurze Pause folgte. Dann: "Denn ich wusste, um was ich dich gebracht habe. Und mich", setzte er hinzu. "Es wird dich vielleicht erstaunen zu hören, wer diese Schuld am Ende von mir nahm." Seto lag bereits eine harsche Antwort auf den Lippen. Zu gern hätte er zum Ausdruck gebracht, dass Atemu für seine Tat seinetwegen gern bis ans Ende der Ewigkeit Schuldgefühle haben konnte, als die Realität um sie herum aufflackerte. Das Feld um ihn verschwand und wurde durch kleine Stände ersetzt. Irritiert wandte er seinen Kopf in Richtung Atemu, welcher sich keinen Meter bewegt hatte. Dieser deutete vage nach rechts. Setos Blick folgte dem ausgestreckten Finger und blieb an Joey hängen, welcher binnen einer bunten Menschenmenge stumm ein paar Schritte entfernt neben ihm stand. Es dauerte einen Moment, ehe Seto die Szenerie als das vor ein paar Wochen stattgefundene Schulfest erkannte. Eine Illusion. Eine Erinnerung Atemus. Joey gegenüber, in gewisser Entfernung, stand der Kindergarten und in ihrer Mitte … ein weiterer Atemu. Gekleidet in ein ähnliches Gewand wie zu Pharaonen Zeiten. Die kleine Truppe tauschte ein paar belanglose Nettigkeiten aus, ehe sich alle von einander verabschiedeten. Seto erinnerte sich, dass er und Joey sich damals kurz darauf am Schießstand auf dem Fest begegnet waren. Stirnrunzelnd verfolgte er, wie der Blonde und Atemu sich kurz umarmten. Es dauerte nur wenige Augenblicke, dann schloss der Kleinere sich den anderen an. Während sie sich immer weiter von ihm entfernten, huschte ein kleiner wehmütiger Schimmer über die Miene des Blonden. Kurz darauf schlich sich ein ehrliches Lächeln in seine Züge. Er rief noch einmal nach Atemu. Dieser wandte sich um. "Danke", war alles, was Joey sagte. Die Szene verschwand. Zurück auf dem Feld, wandte er sich wieder in die Richtung seines früheren Pharaos. Beide schwiegen einen Moment, ehe Atemu das Wort ergriff. "Er hat mir vergeben", war alles, was er sagte und Seto wusste, dass er Recht hatte. Seinen Wunsch nach Rache linderte dieses Wissen jedoch nicht. "Erwarte nicht von mir, das ich das ebenfalls tue! Letzten Endes warst du es, der ihn getötet hat. Nicht die Soldaten, nicht die Schützen … du allein trägst die Schuld! Wenn du…" "Du kennst nur die halbe Wahrheit, Seth", unterbrach ihn der Kleinere. "Jono hätte sein Leben nie in die Hände eines anderen gelegt. Du, von allen anderen, hättest das am besten wissen müssen." Leichte Verunsicherung machte breitete sich in Seto aus und ließ ihn kurz stocken. "Das stimmt nicht… Er hat einen Eid geleistet und dieser Eid beinhaltete…" Der Pharao unterbrach ihn abermals. Kopfschüttelnd. "Es gab keinen Eid." "Aber wie…" Langsam trat Atemu näher. Hilfreich streckte er seine Hand aus. Offenbar fürchtete er nicht, dass Seto ihn doch noch angreifen könnte. "Lass mich dir ein paar Wahrheiten zeigen, Seth. Und dann urteile selbst, wer Schuld an Jonos Tod hat. Versteh mich nicht falsch. Auch ich habe meine Rolle gespielt und es gibt viele Augenblicke, in denen ich diese Rolle bedauert und auch verflucht habe, denn sie hat mich einen sehr guten Freund gekostet. Eigentlich sogar zwei. Doch ich bin nicht so arrogant zu glauben, dass ich genügend Einfluss auf Jono gehabt hätte, um allein alle Schuld an Jonos Tod zu tragen." Zweifel lag in Setos Augen, als er auf die ausgestreckte Hand starrte. Doch was blieb ihm anderes übrig? Er hatte nach der Wahrheit verlangt und Atemu war bereit, sie ihm zu zeigen. Es wäre ihm nicht möglich, ihn zu täuschen, dazu waren seine eigenen mentalen Fähigkeiten viel zu ausgeprägt. Entschlossen ergriff er die Hand des Pharaos. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)