Tatsächlich...Liebe von Lady_Emily ================================================================================ Kapitel 1: Once Upon A Time --------------------------- Hier kommt ein kleines Introducing Kapitel, in dem alle Paare einmal vorgstellt werden :) Ich wünsche euch ganz viel Spaß beim lesen! „Honey, ist das dein Ernst?“ Vorsichtig sah Max von seinem Ordner auf und blickte prüfend zu seiner Freundin, die im Türrahmen stand. „Ähm, ja?“ Emily sah ihn stirnurnzelnd an. „Bist du sicher?“ Nervös spielte er mit seinem Kuli. „Nein?“ „Warum hast du nicht gleich die Big Size Packung genommen?“ „Weil die hier nicht Big Size heißt, Schatz.“ „Du weißt, was ich meine!“, sie wedelte aufgeregt mit ihren Händen vor Max herum, „Damit kommen wir nicht einmal über das Wochenende.“ „Ok, dann bring ich morgen auf dem Weg nach Hause noch eine Packung mit.“ „Aber damit überschreiten wir unser Wochenbudget.“ „Das passt schon.“ Er lächelte sie an. „Nein, eigentlich passt das nicht.“ Verstimmt sah sie ihn an. Max winkte sie mit einer Hand zu sich und etwas widerwillig setzte sie sich auf seinen Schoss. „Das passt schon“, sagte er noch einmal zuversichtlich. „Deinen Optimismus möchte ich mal haben“, murrte sie ein wenig, ließ sich aber von ihm doch noch besänftigen. Besonders als er ihr einen liebevollen Kuss auf die Lippen drückte. Sie legte einen Arm über seine Schulten und intensivierte den Kuss etwas, bis sie sich seufzend abwandte. Neugierig sah sie auf die ausgebreiteten Unterlagen auf dem Esstisch. „Du bist ja diesmal richtig fleißig.“ „Stell dir vor, ich fände es auch nicht all zu schlecht mit einer vernünftigen Note zu promovieren“, neckte er sie. „Hat dein werter Herr Professor schon einmal durchklingen lassen, ob die Uni dein Stipendium erhöht?“ „Das ist eher unwahrscheinlich...“ Sie seufzte schwer und lehnte ihre Stirn an seine. „Vielleicht sollte ich dann doch jetzt schon wieder ein wenig nebenbei arbeiten? Oder zumindest meinen Master wieder aufnehmen, damit ich irgendwann noch einmal fertig werde?“ „Nein, wirst du nicht.“ „Aber...“ „Nein“, sagte er erneut ruhig. „Warst du schon immer so stur?“, fragte sie lächelnd. Er lächelte einfach nur zurück. „Dann müssen wir wohl darauf warten, dass etwas Geld vom Himmel regnet.“ „Die Waschmaschine lässt sich also nicht mehr reparieren?“ „Nope. Die ist schrott. Kannst du dich nicht wieder mit deiner Mutter vertragen, damit wir sie anhauen können.“ „Ganz bestimmt nicht.“ „Also, doch auf den Geldregen warten....“ „Ich weiß nicht, ob das als Geldregen zählt, aber ich hab die Stelle als studentische Hilfskraft in meinem Institut bekommen.“ „Hast du?“ Vor Freude sprang Emily spontan auf, beugte sich dann aber doch wieder vor, um ihren Freund einen leidenschaftlichen Kuss zu geben. „Juhu, wir können wieder vernünftiges Waschmittel kaufen“, jubelte sie und klatschte vor Freude in die Hände, „Ich hasse den Geruch von dem Billigzeug.“ Max lachte nur. „Dann lass ich dich mal weiter schaffen, damit das Geld verdient....“, sie wurde unterbrochen von einem ausgedehnten Schrei. „Oh je, Mittagsschlaf vorbei“, sagte sie grinsend und folgte dem Schreien. Der Blonde wandte sich wieder seinen Aufgaben zu, kam aber nicht weit. Es klingelte an der Tür. „Ich geh schon“, rief er und machte schon Anstalten aufzustehen, als Emily mit Baby Hannah auf dem Arm an ihm vorbeirauschte. „Bleib sitzen, ich bin schon da.“ Er ließ sich wieder auf seinen Hintern fallen. Unkonzentriert blätterte er in einem Buch herum und konnte im Hintergrund ausmachen, dass Mariah zu Besuch gekommen sein musste. Keine drei Sekunden später, stand sie mit einem Grinsen im Esszimmer. „Hey Maxi, kannst du Kai kurz unten helfen?“ Fragend hob er eine Augenbraue und ließ seinen Blick zu seiner Freundin wandern, die auch nur ratlos die Schultern hob. „Klar.“ Mit einem Lächeln verschwand er aus der Tür. „Was hat Kai den Schweres mitgebracht?“ „Ist Hannah schon wieder gewachsen?“, stellte die Chinesin als Gegenfrage. Aufgeregt sah Mariah zu Emilys Tochter, die immer noch auf ihrer Hüfte saß. „Das tut sie doch jeden Tag“, erwiderte die Rothaarige grinsend. „Aber so schnell!“ Während die Chinesin sich die Jacke auszog und selbst einen Babybauch enthüllte, sah sie weiter fasziniert zu dem sechs Monate alten Baby. Bis ein Fluchen sie von dem Anblick ablenkte. „Was war das denn?“, wunderte sich Emily und ging Richtung Hausflur, wo die Tür immer noch offen stand. „Gott sei Dank, wohnt ihr nicht ganz oben!“, konnte sie Kai's Stimme vernehmen. „Tja, Erdgeschoss wäre jetzt schon besser“, hörte sie dann ihren Freund etwas außer Atem sagen. „Man kann halt nicht alles haben.“ Neugierig lugte Emily in den Hausflur und stand dann da als hätte sie der Schlag getroffen. Mit großen Augen sah sie zu Mariah, die sie wiederum mit einem verschmitzten Grinsen ansah. „Das könnt ihr doch nicht machen!“ „Klar können wir“, antwortete diese vergnügt. „Das ist zu viel!“ „Nein, ist es gar nicht“, sie drückte Emily einen Kuss auf die Wange und räumte dann den Eingangsbereich frei, damit Kai und Max die neue Waschmaschine in die Wohnung hieven konnten. Eine nigelnagelneue Waschmaschine!! „Oh, das können wir unmöglich annehmen.“ Mit Hannah auf dem Arm stand Emily immer noch erschrocken im Flur. Kai und Max ließen die Maschine in der Küche nieder und der Russe wandte sich prompt an die Rothaarige. „Also, Erstens: das ist euer Hochzeitsgeschenk. Herzlichen Glückwunsch! Zweitens: das werdet ihr sehr wohl annehmen. Das hab ich Max auch gerade schon gesagt, wenn nicht sind wir nämlich total beleidigt.“ Bekräftigend nickte Mariah. „Und drittens: ich schleppe das Ding ganz bestimmt nicht wieder runter“, endete der Graublauhaarige total ruhig. Verdutzt sah sein ehemaliger Teamkollege zu ihm. „Emily und ich wollen doch gar nicht heiraten.“ „Irgendwann werdet ihr heiraten und dafür, voila, bekommt ihr eine Waschmaschine von uns.“ Strahlend sah Mariah in die Runde und blickte von dem überrumpelten Paar zu ihrem Mann, der mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck zurück blickte. „Vielen Dank!“, sagte Max nachdrücklich und sah seine beiden Freunde ernst an. „Gern geschehen“, erwiderte Kai genauso ehrlich. „Brzblub.“ „Oh, Hannahs erstes Wort!“, stieß Emily aus und alle sahen zu dem kleinen, blonden Baby. Die grinste über beide Backen die Erwachsenen an. „Oh, sag noch einmal was“, auch Mariah stand nun direkt vor der Kleinen und sah sie flehentlich an, was ihrem Mann zum Lachen brachte. „Du sei mal still, wenn klein Thomas oder klein Lee erst einmal da sind, wirst du auch gar nicht mehr aus dem Staunen raus kommen.“ Max wandte sich sofort zu dem Russen um und fragte beinahe lautlos: „Lee?“ Der erwiderte nur resigniert: „Das ist noch nicht ausdiskutiert.“ „Natürlich ist das schon ausdiskutiert“, kam es dann prompt von der Rosahaarigen und Kai hütete sich noch irgendetwas zu dem Thema zu sagen. „Wessen Idee war das noch mal?“ „Tyson's“, erwiderten Kai und Max gleichzeitig und mussten dann beide darüber schmunzeln. „Eigentlich habe ich so gar keine Lust“, moserte Emily ein wenig und vergrub ihr Gesicht etwas tiefer in ihrem Schal um die kalte Winterluft nicht näher an sich heran kommen zu lassen. „Ach, dir tut es auch mal gut, von Hannah weg zu kommen und etwas anderes zu sehen“, warf Mariah fröhlich ein. „Aber zu einem Pärchenabend mit allen Bladebreakers?! Nicht gerade eine entspannte Erholung...No offense guys“, fügte sie noch an Max und Kai gewandt hinzu. „Keine Sorge, ich bin ganz deiner Meinung“, erwiderte der Russe nur. Den restlichen Weg bis zum Restaurant verbrachten sie plaudernd und scherzend. Angekommen am Lokal stellten zu ihrer absoluten (nicht)-Überraschung fest, dass sie die ersten waren. „Und ich kann heute Abend noch nicht einmal Alkohol trinken.“ Seufzend stützte Mariah ihren Kopf auf ihre Hände und sah sehnsüchtig zu den Gin Tonic ihres Mannes. Die anderen am Tisch mussten lachen. „Hey Leute.“ Freudig winkend kam Ray mit seiner Freundin Salima in das Lokal. „Und los geht's“, murmelte Emily und fing sich damit einen Rippenstoß von Max ein. „Hey ihr beiden“, begrüßte dieser die beiden Neuankömmlinge. „Hey ihr Süßen“, quietschte Salima in die Runde. Max und Kai wechselten einen ersten amüsierten Blick über den Rand ihrer Gläser hinweg. „Oh mein Gott, diese Treffen sind so eine gute Idee! Dann kann ich euch endlich mal so richtig gut kennen lernen“, fuhr die Rothaarige fort. „Jaahh“, erwiderte Max als einziger lahm. Seine Freundin verkniff sich jeden Kommentar, Mariah war nicht in der Stimmung für Small Talk mit Salima der Bikerbraut und Kai hätte wahrscheinlich irgendetwas sarkastisches gesagt, was Salima wahrscheinlich sowieso nicht verstanden hätte, also ließ er es gleich sein. Gut, dass sie Max hatten. „Wie geht’s klein Hannah?“, fragte Ray an seinen blonden Freund gewandt, nachdem auch er sein Getränk geordert hatte. „Sie schreit“, war die simple Antwort. „Durchgehend“, ergänzte seine Freundin noch. „Klingt ja...toll.“ „Mehr oder weniger. Wenn man keinen regelmäßigen Schlaf braucht, ist es eigentlich ganz ok.“ „Du brauchst nicht zu schlafen?“ Salima sah Emily erstaunt an. Die blickte ausdruckslos zurück und sagte bierernst: „Niemals.“ Es dauerte keine drei Sekunden bis Max anfing zu lachen und alle mehr oder weniger einstiegen. Die rothaarige Amerikanerin lächelte Salima entschuldigend an, welche das mit einem Schulterzucken abtat. „Ihr seid ja schon genau in der richtigen Stimmung.“ Fröhlich sah Tyson in die Runde, eine strahlende Hilary neben sich. „Das wird ein super Abend heute“, ergänzte sie noch. „Sahnepuffelchen, bestellst du mir eine Weinschorle, während ich noch schnell aufs Töpfchen verschwinde?“ Mit offenen Mund sah Mariah zu Tysons Freundin. „Klar Spatzi“, erwiderte der Blauhaarige. Als Hillary verschwunden war wandte sich Max an seinen besten Freund. „Ihr habt euer Kosenamen Repertoire ja noch einmal erweitert.“ Mit hochgezogenen Augenbrauen sah er ihn an. „Ach kommt, als würdet ihr euch keine Spitznamen geben.“ Tyson sah offensiv in die Runde. „Nein, tun wir nicht“, erklärte Kai ruhig. „Bei uns läuft es auf ein 'Honey' pro Woche hinaus“, gab dann Emily zu. „Also wir benutzen schon Kosenamen.“ Enthusiastisch sah Ray in die Runde. „War ja klar“, murmelte Mariah und lehnte ihren Kopf seufzend auf Kais Schulter. Der legte ihr beruhigend eine Hand auf den Oberschenkel. „Mit was könnt ihr denn so auffahren?“, fragte Tyson keck, als würde es sich um einen Wettkampf handeln. „Am liebsten nenne ich meine kleine Frühlingsrolle 'Schnurzl'!“ Verliebt sah Salima zu ihrem Freund, der ihr auch prompt einen Kuss auf die Nase drückte. „Ist das politisch korrekt?“, fragte Max Emily flüsternd. „Was denn? Schnurzl oder Frühlingsrolle? Wenn du mich fragst, ist beides Körperverletzung.“ Kai, der neben der Amerikanerin saß und das Gespräch mitgehört hatte, musste prompt in sein Glas prusten. „Alles gut, Kai?“, fragte die Rothaarigen auch sogleich verschmitzt grinsend. „Also, jetzt da wir alle was zum trinken haben“, fing Tyson an und erhob auch sofort sein Bierglas, „können wir auf unser erstes Pärchen-Quattro-Date anstoßen!“ „Grundgüter Tyson, war das gerade ein Fremdwort?!“ Gespielt entsetzt sah Ray seinen ehemaligen Teamkollegen an. Über das Lachen der anderen hinweg, hielt der Japaner sein Glas noch einmal demonstrativ höher und alle stimmten bei seinem 'Kampai' mit ein. „Wie laufen eure Hochzeitsvorbereitungen?“ „Ach, das läuft schon irgendwie“, winkte Tyson ab. „Entschuldige Mal! Also, es ist noch eine ganze Menge zu tun. Es sind ja auch nur noch fünf Monate!“. „Sind fünf Monate nicht genug?“, fragte Salima die aufgebrachte Hillary. Die schüttelte vehement den Kopf. „Wir haben zwar den Termin und den Saal, aber es fehlt noch alles andere. Die Blumen, die Einladungen, die Band, das Essen...und das Kleid! Mädels ihr müsst mit mir Kleider shoppen gehen!“ „Au ja!“, aufgeregt klatschte Salima in die Hände. „Klasse, machen wir das doch gleich morgen!“ Erwartungsvoll sah die brünette Japanerin zu Mariah und Emily. „Ich hab ein Baby“, erwiderte die Amerikanerin schlicht. „Ich will nicht.“ Emily stieß ihr rosahaarige Freundin an. „Oh, sorry“, sagte diese daraufhin, „ähm, ich habe einen Arzttermin.“ Sie kniff Kai in den Oberarm, als der grinsen musste. „Ach kommt schon“, beschwerte sich Hilary. „Emily, du kannst Hannah doch mitbringen.“ „Du willst ein sechs Monate altes, spuckendes, schreiendes Baby zur Brautkleidprobe mitnehmen?“ Zweifelnd sah die Orangehaarige zu der Japanerin. „Naja...vielleicht nicht die beste Idee. Max kannst du deine Tochter nicht mal hüten?“ „Es tut mir leid, Hilary, ich muss morgen ein Tutorium leiten.“ Mit flehenden Blick sah Tyson Freundin zu Mariah, in der Hoffnung, dass diese sie nicht mit Salima allein lassen würde. Immerhin war die immer noch nicht ganz in die Gruppe integriert und akzeptiert. Die Chinesin fühlte sich langsam unwohl in ihrer Haut. „Na schön“, warf sie schließlich kapitulierend die Hände in die Höhe. „Ich komme morgen mit.“ „Jaaa!“, jubelte Hilary. „Mein Beileid“, murmelte Emily ihrer besten Freundin ins Ohr und erntete dafür nur einen finsteren Blick. „Das verzeih ich dir nie, dass du mich mit Schnatterinchen und der rothaarigen Bikerbraut alleine lässt.“ „Salima fährt doch gar kein Motorrad.“ „Ich weiß, das war auch mehr so metaphorisch gemeint.“ Für einen kurzen Moment herrschte etwas Schweigen am Tisch. „Ray, Salima, wie ist es denn so mit eurer neuen Wohnung? Gefällt euch das Zusammenleben?“, fragte Max, um die Stimmung etwas aufzulockern und das Thema zu wechseln. „Man ist dein Freund gut erzogen“, sagte Mariah flüsternd zu ihrer besten Freundin. „Ich weiß, ist er nicht toll“, grinsend sah sie zuerst zu der Chinesin und dann zu ihrem Freund, der immer noch zu dem anderen Paar blickte. Sie streckte die Hand aus und streichelte seinen Nacken, was ihr ein warmes Lächeln von ihm bescherte. „Oh, es läuft super“, sagte Ray enthusiastisch. „Die Wohnung ist klasse. Die Räume sehen jetzt richtig gut aus. Danke noch einmal, dass ihr alle beim renovieren geholfen habt“, Salima sah alle lächelnd der Reihe nach an. „Hier ist er, der goldene Schlüssel“, sagte Ray stolz und zeigte seinen Schlüsselbund mit dem besagten 'goldenen' Schlüssel zu seiner Eigentumswohnung. Seine Freunde haben mehr oder weniger den Kopf darüber geschüttelt, dass er sich in so jungen Jahren, unverheiratet und alleine, eine so schäbige Bruchbude am Rande von Tokio gekauft hatte. Davon abringen ließ er sich trotzdem nicht. „Sag mal, hast du da zwei identische Schlüssel dran?“, fragte Tyson verwundert, der neben ihm saß. „Ja, einer ist meiner“, erklärte Rays Freundin. „Und warum ist der dann nicht an deinem Schlüsselbund?“, fragte Emily verwundert. „Naja, von den vorherigen Eigentümern haben wir die Schlüssel zusammen am Bund bekommen und irgendwie, naja, stehen sie doch für unsere Liebe und unseren Wunsch, für immer zusammen zu sein. Also haben wir beschlossen, sie niemals zu trennen.“ Sie blickte verträumt in die Runde. „Was ist?“, fragte sie dann verwundert, als ihr eine Welle von Schweigen entgegen schlug. Tyson sah total verwirrt aus, Emily bekam den Mund nicht mehr so und Mariah war irgendwie bleich geworden. „Ist das nicht...unpraktisch?“, fragte Max vorsichtig. „Nein gar nicht, wir kommen doch immer zusammen nach Hause“, warf dann Ray fröhlich ein. „Ich glaube, mir wird schlecht“, sagte Mariah. „Mir auch. Das ist ja so zuckersüß, das klebt ja schon richtig“, sagte Emily zu ihr. „Nein, ich glaube, mir ist wirklich schlecht.“ Kai wandte sofort seine gesamte Aufmerksamkeit auf seine Frau und sah mit Besorgnis, wie diese immer blasser wurde. „Komm wir gehen auf die Toilette. Bleib ruhig sitzen, Kai.“ Emily fasste Mariah auffordernd an die Schulter und sah danach den Russen aufmunternd an. Der sah immer noch mit gemischten Gefühlen zu, wie die Amerikanerin die Rosahaarige zur Toilette geleitete. „Mach dir keine Sorgen“, sagte dann Max von der Seite. „Oft wird Schwangeren auch noch bis vor der Geburt jeden Tag schlecht.“ „Ich hatte eigentlich gehofft, wir hätten das jetzt hinter uns“, sagte der Graublauhaarige resigniert und stützte seinen Kopf auf seine Hand. „Soll ich euch ein Taxi rufen?“ An der Art der Frage und der darauffolgend Handbewegung konnte Kai schlussfolgern, was Max wollte. „Danke, ich komm mit.“ „Oh, Kai, geht ihr schon?“ Salima sah den Russen erstaunt an. Sie hatte erwartet, dass Mariah sich nach ihrem Toilettengang einfach wieder zu ihnen setzte. „Ja“, erwiderte Kai lediglich auf ihre Frage. Er verabschiedete sich von seinen Teamkollegen und machte sich mit Max auf den Weg nach draußen. Dort holte der Blonde zuerst sein Handy und dann eine Packung Zigaretten aus seiner Jackentasche. „Hier“, er reichte Kai die Packung, während er selbst eine Nummer auf dem Handy wählte. Der Russe zündete sich seinen Glimmstängel mit Hilfe des sich ebenfalls in der Packung befindenden Feuerzeug an und reicht beides dann an den Blonden weiter. Der telefonierte und machte sich gleichzeitig ebenfalls eine Zigarette an. „Interessanter Abend“, sagte Kai dann, als Max sein Handy wieder ausstellte. „Kann man so sagen. Der Schlüsselbund ey...“ Spontan musste Kai lachen. „Wer hätte gedacht, dass Ray so ein Romantiker ist.“ „Das ist schon ein bisschen mehr als nur romantisch.“ Mit konzentrierten Blick blies Max eine kleine Rauchwolke in die dunkle Nacht. „Hör mal, wegen der Waschmaschine...“ „Darüber diskutiere ich nicht mit dir.“ „Kai...“ „Nein, Max, es ist ein Geschenk. Nehmt es einfach an. Du weißt, dass das für mich keine nennenswerte Ausgabe war.“ Der Blonde sah seinen Freund an. „Danke.“ „Jederzeit.“ Sie rauchten im einvernehmlichen Schweigen. „Wusste ich doch, dass ich euch hier finde.“ Eine grinsende Emily stand ohne Jacke in der Tür und sah die beiden Männer halb tadelnd, halb belustigt an. Sie hatte versucht Max die Raucherei auszutreiben, die er sich während seines Studiums angewöhnt hatte, kam jedoch auf nicht weniger, als 1-2 Zigaretten pro Tag und beließ es schließlich dabei. Das Leben war halt ein Kompromiss. Hinter ihr tauchte eine Mariah auf, dick in einen Mantel gepackt und mit etwas mehr Gesichtsfarbe als zuvor. „Wie geht’s dir?“, fragte Kai besorgt und nahm ihre Hand in seine. „Besser.“ „Gut, das Taxi kommt gleich.“ „Danke.“ Die beiden sahen sich in die Augen und mal wieder wunderte sich Emily wie harmonisch die Beziehung des Paares war. Durch ein Zupfen an ihrem Ärmel bemerkte sie, wie Max zu sich zog und sie in seinen offenen Mantel einhüllte. Sie lächelte ihn danken an, was er ebenfalls nur mit einem Lächeln erwiderte. Kurz darauf tauchte das Taxi auf und die beiden Paare verabschiedeten sich voneinander. „Los, gehen wir wieder rein“, sagte Max und versuchte Emily mit sich zur Tür zu schieben, die wieder mit ihm in seinem Mantel steckte. „Zurück zu dem honigverklebten Pärchen und der hochzeitsverrückten Hilary? Wollen wir nicht lieber nach Hause?“ „Sorge um Hannah?“ „Ai hat sie bisher nur zweimal gehütet!“ „Und beide Male hat Hannah danach noch gelebt. Wir können also mit voller Zuversicht davon ausgehen, dass es dieses Mal genauso ist.“ „Bist du sicher?“ „Natürlich.Außerdem hab ich vorhin nochmal zu Hause angerufen und gehorcht, wie der Stand der Lage ist.“ „Ha, also hast du dir auch Sorgen gemacht!“ Triumphierend sah sie ihn an. „Vielleicht ein bisschen“, gestand er lachend ein. „Außerdem hab ich angekündigt, dass wir später kommen.“ „Später? God, Max, willst du etwas noch länger hier bleiben als sowieso schon geplant?“ „Nein, aber das ist der erste Abend seit zwei Monaten an dem wir nur zu zweit sind. Ich dachte mir, wir verlängern die Nacht etwas und machen was schönes.“ Verschmitzt grinsend sah er sie an. „Hach, auch wenn sich das auch wie süßer Honig anhört: ich liebe dich!“ Lachend küsste er sie. Ob ihr es glaubt oder nicht: das mit dem Schlüssel hab ich mir nicht ausgedacht^^ Das hat mir allen Ernstes meine beste Freundin erzählt - ich bin ja fast vom Stuhl gefallen und konnte den Mund nicht wieder zu kriegen :D Kapitel 2: Bride Wars - Beste Feindinnen ---------------------------------------- „Er hat dich gefragt?!“ „Ja, ist das nicht traumhaft?“ „Soll ich dir etwas unglaubliches sagen?“ „Was denn?“ „Ich wurde auch gefragt!“ „Neeeein?!“ Mariah musste angesichts Hilarys erstaunten Ausruf lachen. Lächelnd blickte sie auf ihren Ring an der linken Hand. Emily neben ihr verdrehte die Augen und steckte ihren Löffel noch einmal beherzt in die Eispackung. „Oh mein Gott, wir werden beide heiraten!“ „Ist das nicht wunderbar?“ Mariah stieß ihrer rothaarigen Freundin in die Rippen, als diese wiederholt mit den Augen rollte. „Lass uns gleich mal morgen treffen“, rief Hilary durchs Telefon. „Du, ich hab schon für morgen einen Termin bei Laura Okinara vereinbart. Komm doch einfach mit.“ „Bei DER Hochzeitsplanerin?“ „Jup“, grinste die Chinesin. Endgültig genervt stand Emily auf und ging ins Nachbarzimmer. „Stör ich dich?“ „Nö, komm ruhig rein.“ Zögerlich stand Emily noch im Türrahmen. „Ich will dich nicht aufhalten.“ Max winkte sie lediglich lächelnd zu sich. „Wie läuft es denn?“, fragte sie, während sie sich auf den Hocker neben dem Schreibtisch setzte und auf die Massen an Büchern und Notizen sah. „Ganz gut eigentlich. Nur seit eine Stunde höre ich ständig so ein Kreischen aus dem Wohnzimmer. Versucht Mariah Lautstärke Rekorde zu brechen?“ Amüsiert sah die Amerikanerin zu ihrem Freund. „Kai hat ihr einen Heiratsantrag gemacht.“ „Ich weiß.“ Überrascht sah sie ihn an. „Oha, ich hätte nicht gedacht, dass Kai der Typ ist, der das vorher mit seinen Freunden bespricht.“ „Tyson hat es aus ihm herausgekitzelt.“ „Wo wir schon bei Tyson sind...“ „Der Hilary heute auch einen Antrag gemacht hat?“ „Menno, du weißt ja schon alles!“ Max lachte auf. „Also telefonieren Hilary und Mariah ganz aufgeregt über unser Telefon?“ „Jup.“ „Wenn sowieso schon alle so voller Glückshormone sind, wäre das nicht der große Moment um es ihnen zu sagen?“ „Nein, das ist ihr Tag.“ „Welcher? Der von Hilary oder der von Mariah?“ „Der von beiden“, sagte sie lachend und stand auf. „So und jetzt weiter mit deiner Masterarbeit. Und ich geh wieder zu dem hysterischen Mädels zurück.“ ___________________________________ „Wie bist du bloß an den Termin gekommen?“ Staunend stand Hilary vor der Bürotür von Laura Okinara. „Ich habe einfach gesagt, dass ich Kai Hiwatari heirate.“ „Wow, ich wusste ja das Kais Name einiges hermacht, aber so viel...?“ „Ich war auch erstaunt“, erwiderte Mariah lachend. „Also, lass uns rein gehen.“ „Und es ist wirklich ok, dass sie auch meine Hochzeit plant?“ „Klar.“ Mit beschwingten Schritten ging die Rosahaarige vor und Hilary folgte ihr schließlich. „Es freut mich, Ihnen mitteilen zu können, dass wir noch drei freie Termine im Plaza Hotel haben. Zwei am 26. Juni und einem am 29. Juni.“ „Oh mein Gott, das ist perfekt! Dann können wir beide, bei der Hochzeit des jeweils anderen Brautjungfer sein!“ Mit einem strahlenden Gesicht sah Hilary zu Mariah, die das Lächeln erwiderte. „Meine Eltern haben am 26. geheiratet. Macht es dir etwas aus, wenn ich den Termin nehme?“, fragte die Chinesin. „Nein gar nicht! Super, dann nehme ich den 29.!“ „Gut, die Damen, dann freue ich mich auf eine gute Zusammenarbeit!“ _____________________________ „Im Plaza! Stell dir vor!“ „Ich kann es praktisch schon bildlich vor mir sehen“, erwiderte Emily trocken. Sie saß zusammen mit Mariah in ihrem Lieblingscafe, nachdem diese von ihrem Termin gehetzt kam. „Ich hab das Gefühl, du kannst dich für die ganze Hochzeitssache nicht so begeistern.“ „Du weißt, dass ich nicht viel vom Heiraten halte“, erwiderte die Rothaarige lediglich. „Trotzdem hätte ich gedacht, dass du dich mehr freust...“, etwas enttäuscht sah sie zu ihrer besten Freundin. Die seufzte tief. „Ich freue mich für dich. Wirklich. Und für Hilary auch. Aber...eine große Hochzeit im Plaza? Korrigier mich, aber ist es auch das was Kai will? Ich sehe ihn ehrlich gesagt noch nicht ganz vor einer Meute von 300 Menschen und einem ganzen Orchester stehen und Hochzeitsschwüre sprechen.“ Zum ersten Mal darüber nachdenkend sah Mariah ihre Freundin bestürzt an, was diese mit einem erschrockenen Blick. „Oh Gott, ich wollte dir keine Zweifel einreden!“, sagte sie schnell und ergriff die Hand ihrer Freundin. „Nein, du hast recht! Ich sollte mit ihm darüber reden.“ „Mach das.“ In diesem Moment klingelte das Handy der Rosahaarigen. „Geh ruhig ran, ich muss sowieso schnell mal aufs Klo.“ Überrascht sah sie auf den eingehenden Anruf. 'Laura Okinara's Büro' Als die inzwischen etwas blasse Rothaarige von der Toilette wieder kam, sah sie eine erschütterte Mariah an. „Was ist los?“ „Es gab einen Buchungsfehler. Hilary und ich werden am selben Tag heiraten!!“ „Oh...“ „Was ist mit dir?“ prüfend sah die Chinesin zu ihrer Freundin, die noch blasser war. „Ich bin schwanger.“ _________________________________ „Also, eine von uns muss ihren Termin verlegen.“ „Ja, eine von uns sollte das machen.“ „Was war der nächst mögliche Termin nochmal?“ „15. April 2014.“ „...“ „Also...“ „Also?“ „Welche von uns könnte am ehesten auf das Plaza verzichten und an einem anderen Ort heiraten?“ „Das Plaza war schon immer mein Traum.“ „Meiner auch.“ „Meine Eltern wollten dort immer heiraten.“ „Du spielst die tote-Eltern-Karte?“ „Nein, natürlich nicht. Ich wollte damit nur andeuten, wie wichtig mir das Plaza ist.“ „Aber ich spare schon seit Jahren für meine Hochzeit.“ „Denkst du ich nicht?“ „Aber du hast einen Verlobten, der reicher ist als der Premierminister von Japan!“ Kai zog eine Augenbraue hoch und sah über den Rand seines Sudokus zu seiner Verlobten, die am anderen Ende des Sofas saß und beim telefonieren heftig diskutierte. Hilarys letzte Worte hatte er gehört. „Ach, aber jetzt darfst du die arme-Mädchen-Karte spielen? Deine Eltern leben auch nicht gerade auf der Straße, wenn ich mich recht entsinne!“ Tyson sah wie seine Freundin heftig nach Luft schnappte, während sie mit der Chinesin telefonierte und führte deswegen seine Fußmassage umso intensiver fort. „Entschuldige mal!“ Aufgeregt stand Mariah jetzt auf und lief im Wohnzimmer auf und ab. Kai legte sein Rätsel beiseite und beobachtete sie interessiert. „Ok“, schnaufte Hilary ins Telefon und stand von ihrem Sofa auf. Ihren Verlobten ignorierte sie völlig, der das Achselzuckend hinnahm und sich wieder bequem hinsetzte. „Machen wir einen Deal“, schlug Mariah schließlich vor und sah finsteren Blickes aus dem Fenster. „Keine von uns beiden befasst sich mit den Hochzeitsvorbereitungen, solange wir keine Lösung gefunden hat.“ „Klingt fair.“ „Gut.“ „Gut.“ „Na dann...“ „Ciao.“ „Ja. Ciao.“ Frustriert drückte Mariah auf den roten Knopf und drehte sich dann wieder zum Zimmer um. Kai sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Was hab ich denn nicht mitgekriegt?“ „Du weißt, dass ich schon immer im Plaza heiraten wollte?“ „Natürlich“, sagte er und nahm es hin, dass sie zum Sofa kam und sich an ihn schmiegte. „Und Hilary wollte dort auch schon immer hin.“ „Ich weiß.“ „Aber wir können dort nicht gleichzeitig heiraten.“ „Nun, dann muss einer von uns wo anders heiraten.“ Unglücklich mit der treffenden Wahrheit konfrontiert sah Mariah zu dem Russen auf. „Hilary kriegt immer ihren Willen“, maulte sie ein bisschen. „Ich dachte, es geht darum, dass wir beide heiraten, nicht darum, ob Hilary ihren Willen kriegt oder nicht.“ Die Chinesin schwieg. „Hast recht“, sagte sie schließlich seufzend. „Na gut, lassen wir den Grangers das Plaza.“ Als Antworte drückte Kai seiner Verlobten lediglich einen Kuss auf die Haare. ____________________________________ „Was verstehst du eigentlich unter neutrale Farbe?“ „Gelb ist doch wohl die neutralste Farbe, die es gibt!“ „Hast du schon einmal einen Jungen in einem gelben Strampler gesehen?“ Fragend sah Emily zu ihrer rosahaarigen Freundin. „Irgendwie...hast du recht. Max, du bist der Vater, sag doch auch einmal was dazu.“ Auffordernd sah Mariah zu dem Amerikaner. „Lieber nicht“, erwiderte dieser nüchtern, was Kai neben ihm zum schmunzeln brachte. „Wir wollten doch nur schon mal nach Kindermöbeln gucken, wir müssen ja nicht gleich ein komplettes Zimmer kaufen“, fügte er noch hinzu. Zu viert standen sie in der Kinderabteilung von Ikea. Da Mariah und Kai ein neues Bett brauchten und Max und Emily schon langsam ihre Möglichkeiten ausspähten, war das Quartett kurz entschlossen zu dem schwedischen Einrichtungshaus gefahren. „Eine neutrale Farbe muss es aber geben, eine Wickelkommode kann sowieso unmöglich komplett rosa sein.“ Erleichtert seufzend zog sich Max mit seinem klingelnden Handy aus der Bredouille und klinkte sich aus dem Farben Gespräch aus. „Hey Dude“, sprach er in sein Telefon und ein genervter Tyson antwortete. „Ich soll dich fragen, was ihr euch für eure Babyparty wünscht. Hilary und ich sind gerade am shoppen.“ „Witzig. Wir auch“, amüsiert sah Max zu Kai und bedeutet ihm, dass ihr blauhaariger Kollege am anderen Ende der Leitung war. „Ich finde das alles andere als witzig. Meine Güte, wer hätte gedacht, dass Hochzeitseinladungen aussuchen so anstrengend sein kann.“ Der Blonde musste lachen. „Anyway, es ist uns egal was ihr schenkt, hauptsache ihr kommt.“ „Ernsthaft Max, was braucht ihr? Nicht, dass ihr nur Handtücher von uns bekommt!“ „Das geht schon klar“, grinste Max ins Handy. „Ok, gut, dann quäl ich mich hier weiter durch das Tokihama Shopping Paradies....“ „Viel Spaß!“ Der Amerikaner legte auf und sah dann mit einem Blick, dass die Frauen immer noch nicht weiter waren. „Lasst uns doch für heute das Experiment abbrechen“, schlug er vor. „Hm, aber ich habe irgendwo mal einen Laden gesehen, in dem es relativ vernünftige Möbel zu einem vernünftigen Preis gab.“ „Hilary und Tyson sind gerade im Tokihama, wir können fragen, ob sie für uns die Augen offen halten.“ „Ohje, wie hat Hilary Tyson denn dazu überredet gekriegt, mit ihr shoppen zu gehen?“, fragte Emily lachend. „Sie suchen zusammen Hochzeitseinladungen aus.“ „WAS?!“ Mariahs Kopf schoss zu dem Blonden herum, der sie verwundert ansah. „Ok, das bedeutet Krieg!“ Mit hochrotem Kopf und Dampf der aus ihren Ohren schoss, stürmte die Chinesin Richtung Ausgang. „Oh, oh“, machte die Rothaarige nur bestürzt und auch Kai sah alles andere als glücklich aus. „Was war das denn?“, fragte Max verwirrt. „Hilary und Mariah haben einen Pakt getroffen, dass keine von beiden mit ihren Hochzeitvorbereitungen anfängt, bevor sie ihr Plaza Problem nicht in den Griff bekommen haben“, erklärte der Graublauhaarige. „Oh, oh“, machte der Amerikaner nur. „Reagier bitte nicht über.“ „Ich soll nicht überreagieren?! Sie hat sich nicht an die Abmachung gehalten!“ Beruhigend legte Kai seiner Freundin die Hand auf den Oberschenkel, um sie zu beschwichtigen. Sie hatten gerade Max und Emily an deren Wohnung raus gelassen und machten sich nun durch den Tokioter Abendverkehr auf den Heimweg. „Gib mir bitte dein Iphone.“ „Das ist keine gute Idee.“ „Gib es mir einfach bitte.“ Zögernd holte der Russe das Handy aus seiner Jacken Innentasche, während er gleichzeitig auf die Linksabbiegerspur wechselte. „Was hast du vor?“ Sie antwortete nicht. Sie loggte sich in ihr Email Postfach ein und gab als Empfänger ihr gesamtes Adressbuch ein, abgesehen von Hilary. „Mit großer Freude darf ich ankündigen, dass Kai und ich am 26. Juni diesen Jahres im Plaza Hotel den Bund der Ehe eingehen werden. Bitte haltet euch den Termin frei, wir würden uns freuen, wenn ihr alle kommen könnt. Mit vielen lieben Grüßen Mariah & Kai“ „Und senden“, murmelte die Rosahaarige zufrieden. Stirnrunzelnd sah Kai sie an, nachdem er eingeparkt hatte. ________________________________ „Sie hat WAS?“ Unsaft stellte Hilary den Topf auf die Herdplatte und nahm das Telefon, welches sie die ganze Zeit zwischen ihrem Ohr und ihrer Schulter eingeklemmt hatte, in ihre rechte Hand. „Ich fand es auch etwas geschmacklos, aber nun ja, das ist ihre Sache. Ein wenig mehr Stil hätte ich ihr schon zugetraut.“ Salima schien am anderen Ende des Telefons den Ernst der Lage überhaupt nicht zu begreifen. „Diese Miststück!“ Tyson, der gerade durch den Flur vom Schlaf- zum Wohnzimmer gehen wollte, blieb überrascht in der Tür stehen. „Das kriegt sie wieder!“ Stirnrunzelnd sah er zu seiner Verlobten. __________________________________ „Kriegt gefälligst eure Frauen unter Kontrolle!“ Unsanft zog Max den nächstbesten Stuhl nach hinten, was ein furchtbar kratzendes Geräusch verursachte und ließ sich sichtlich schlecht gelaunt auf eben diesen sinken. Selbst Kai schreckte ein wenig zusammen. Zu ungewohnt war das Bild eines schlecht gelaunten Max. „Was ist los?“, fragte Ray erstaunt. Sie saßen in ihrer Stammkneipe, in der sie sich mindestens einmal im Monat trafen. Ohne Freundinnen, versteht sich. „Bei mir zu Hause klingelt ständig das Telefon! Sei es wegen grüner Haar, nicht mehr passenden Hochzeitskleidern, versauten Brautjungfernabenden, plötzlich aufgetauchten Strip Tapes aus dem Mädelsurlauben oder fälschlicherweise orange gefärbter Haut!“ Die anderen drei Jungs sahen ihn perplex an. „Meine schwangere Freundin ist sowieso schon hormongeplagt, zurzeit hochsensibel, ständig den Tränen nahe und mit den ganzen Sorgen eurer Verlobten völlig überfordert und ich komme dadurch kein Stück mit meiner Masterarbeit voran!“ Er nahm sich ungefragt ein Schluck von Kais Bier und fuhr dann fort. „Die Hochzeiten sind in zwei Wochen. Entweder ihr regelt das oder es wird so oder so in einer Katastrophe enden!“ Fertig mit seiner Rede, sah Max Kai und Tyson noch einmal streng an und ließ sich dann in seinem Stuhl zurück sinken. Kurz herrschte unangenehmes Schweigen. „Wie lange haben die beiden nicht miteinander geredet?“, fragte Ray schließlich. „Zwei Wochen“, antwortete Kai etwas säuerlich. „Das sind wie 100 Jahre in Mädchenzeit“, fügte der blauhaarige Japaner noch hinzu. „Ich weiß ja nicht, wie ihr beide dazu steht, aber...wir können doch sowieso nicht auf zwei Hochzeiten gleichzeitig sein.“ Verstimmt sahen sich Tyson und Kai an. __________________________________ „Nein.“ „Bitte?“ „Kai, nein!“ Etwas ungehalten klopfte er mit den Fingern auf den Küchentisch. „Nein“, sagte sie erneut, obwohl er noch gar nichts weiter gesagt hatte. „Das ist lächerlich.“ „Das ist mir herzlich egal.“ Er streckte eine Hand aus. Sie zierte sich. Schmunzelnd bedeutete er ihr mit seinen Fingern näher zu kommen. Sich immer noch etwas zierend, folgte sie dem Wink und stellte ihre Tätigkeit, Einkäufe ein zu sortieren und dabei die Küche zu verwüsten, ein und ging zu ihm. Er zog sie fester zu sich. „Liebe Mariah, können wir bitte, bitte mit diesem Zirkus aufhören?“ „Nein!“, rief sie und stand wieder auf. Seufzend legte er seinen Kopf in beide Hände. _____________________________ „Ehrlich gesagt, hätte ich eher Tyson erwartet.“ „Der sagt doch immer 'Ja' und 'Amen' zu allem“, erwiderte Kai trocken. „Auch wieder wahr. Komm rein.“ Max öffnete die Tür weiter und ließ seinen Teamkollegen ein. Der stellte seine Tasche im Flur ab. „Oh, hallo.“ Überrascht stand Emily in der Tür zum Wohnzimmer und sah Kai an. „Wow, im wievielten Monat bist du?“ „Gefühlt im 13.“, gab diese lachend als Antwort. Sie sah auf die Tasche in seiner Hand. „Du kannst gerne im Kinderzimmer übernachten. Noch brauchen wir es nicht und es ist sowieso noch total chaotisch, aber es steht eine Ausziehcouch drin.“ „Ich danke euch.“ „Kein Thema“, sagte Max und schob Kai und mitsamt Tasche in Richtung Kinderzimmer. Seine Freundin bedeutete ihm, dass sie mit dem Telefon im Schlafzimmer verschwinden würde. _____________________________ „Es sind nur noch fünf Tage bis zur Hochzeit.“ „Ist mir aufgefallen.“ „Und was gedenkst du jetzt zu tun?“ „Ich denke nach.“ „Kai...“ „Soll ich dir bei dem da helfen, was auch immer du dort machst?“ Emily stöhnte genervt auf. „Nein, geht schon.“ Langsam stand der Russe von der Couch im Wohnzimmer auf und ging zu Emily ins Kinderzimmer, die dort ständig Sachen hin und her räumte. Sie waren alleine in der Wohnung, da Max zu einem Seminar in der Uni musste. „Setz dich doch mal hin.“ Kai stand in der Tür und sah, wie die Rothaarige sich abmühte. „Ich kann irgendwie nicht“, seufzte diese und stand unentschlossen im Raum, eine Hand in ihre Hüfte gestützt. „Kann ich dir irgendetwas helfen?“ „Nein, eigentlich will ich mich einfach nur bewegen und deswegen räume ich einfach immer wieder alles um.“ Mit Kais Hilfe hatte Max in den letzten Tagen die Kinderzimmermöbel aufgebaut und platziert, sodass das in ca. drei Wochen geplante Baby ein heimeliges zu Hause hat. Der Russe selbst hatte sich in der Wohnung des befreundeten Paares verschanzt, ging nicht ins Büro und arbeitet nur vom Laptop aus. Sein Handy war ausgestellt. Mit Mariah hatte er seit seinem Auszug nicht mehr geredet. „...Kai?“, die zögerliche Stimme der Amerikanerin riss den Graublauhaarigen aus seinen Gedanken. „Ja?“, er wandte sich ihr zu. „Ich glaube, meine Fruchtblase ist geplatzt.“ Er starrte sie an. „Jetzt?!“ Sie verdrehte die Augen. „Wenn es dir lieber ist, frag ich das Baby, ob es noch ein wenig drin bleiben möchte.“ „Grundgütiger – wir müssen ins Krankenhaus! Wo sind eure Autoschlüssel?“ Er sprang aus dem Türrahmen in den Flur. „Kai, wir haben doch gar kein Auto“, erwidert die Rothaarige belustigt. „Richtig“, fiel es dem Russen wieder ein. Er stand etwas unschlüssig wieder in der Tür. „Kannst du bitte ein Taxi rufen?“, half ihm Emily, immer noch amüsiert. „Taxi, natürlich!“ Mit einem Satz war er im Wohnzimmer verschwunden. Die Amerikanerin atmete tief durch und ging langsam in den Flur, um mit bedacht ihre Jacke zu nehmen. „Max und du, ihr seid viel zu unordentlich! Wo ist euer verdammtes Telefon?“ „Unter dem linken Sofakissen.“ „Ich habs!“ Mühselig zog Emily ihre Jacke an. „Was jetzt?“, fragte Kai atemlos, nachdem er die Taxizentrale verrückt gemacht hat. „Jetzt ziehst du dir deine Schuhe an, nimmst deine Jacke und holst die grüne Tasche aus unserem Schlafzimmer. Und dann hilfst du mir die Treppe runter, dafür brauch ich nämlich ewig und bis dahin ist das Taxi auch da.“ Überraschend fügsam kam Kai allem nach, was Emily gesagt hatte, was diese wieder grinsen ließ, während sie in ihre Gesundheitslatschen schlüpfte. Die einzigen Schuhe, die sie noch bequem fand. „Ok“, sagte Kai und stand angezogen mit Tasche im Flur. „Ok“, sagte dann auch die Amerikanerin und ging aus der Tür. „Kannst du bitte abschließen?“ „Klar.“ Während der Russe nun auch noch anfangen musste, die Wohnungsschlüssel zu suchen, fluchte er vor sich hin: „Natürlich muss das passieren, wenn Max nicht da ist!“ Ehe er die Schlüssel gefunden hatte, war die All Star schon fast die Treppe runter. „Denk an dein Handy!“, rief sie noch nach oben. Kai, der die Tür gerade zu schließen wollte, stürmte erneut in die Wohnung. Auf dem Weg nach unten rief er zuerst Max an. Dann Mariah. ___________________________________ „Sie ist so süß.“ „Ja.“ „Komm Kai, bei so einem Anblick, musst selbst du zum Softie werden.“ Der Russe sah lächelnd zu der kleinen Hannah, die mit so vielen anderen Babys in der Säuglingsstation lag. Dann zu Mariah, die lächelnd neben ihm stand. Er nahm ihre Hand in seine. „Also“, fragte sie schließlich zögerlich, „gibt es noch eine Hochzeit?“ „Ja“, sagte ehrlich und küsste sie. „Gut, denn ich will auch so eins!“, sagte sie lachend und deutete auf die vielen kleinen Babys. _______________________________ Tag der Hochzeit (-en) „Ich kann nicht heiraten wenn ich mit Hilary zerstritten bin und Emily nicht da ist!“ Aufgewühlt stand Mariah im Hochzeitskleid in ihrer Garderobe. „Dann vertrag dich doch wieder mit ihr. Euer Streit ist doch sowieso lächerlich.“ Gelassen wie der Dalai Lama saß Ray auf einem Stuhl und sah zu, wie seine älteste Freundin hin und her tigerte. „Jetzt ist es zu spät dafür. Beide Hochzeiten finden in einer Stunde statt.“ „Dann...“ „Dann was?!“, fuhr sie fauchend zu ihm herum und sah ihn mit funkelnden Augen an. Der Chinese hütete sich auch noch ein Wort zu sagen, sondern schob sich nur noch eine weitere Praline in den Mund. Es klopfte an der Tür. „Ja, wenn es nicht der Bräutigam ist“, rief die Rosahaarige genervt. „Huhu.“ Max steckte seinen Kopf durch die Tür. „Mariah, du siehst zauberhaft aus.“ Er schenkte ihr sein schönstes Lächeln und breitete seine Arme aus. „Danke dir“, sagte sie gequält lächelnd und ließ sich einmal von ihm drücken. „Dann verschwinde ich mal wieder.“ Ray und Max hatten untereinander ausgemacht, dass sie immer abwechselnd bei den jeweiligen Leuten vorbei schauten, damit niemand sich vernachlässigt fühlte. Da der Blonde jetzt hier war, konnte er nun Hilary einen Besuch abstatten. „Wie geht es dir?“, fragte der Amerikaner nachdem Ray verschwunden war. „Ganz gut...ich freu mich auf Kai.“ „Und ansonsten?“, fragte er mit hochgezogener Augenbraue. „Ansonsten finde ich alles furchtbar.“ Sie stand da, mit bezaubernden Haaren, wunderbaren Make-Up, einem traumhaften Kleid und fühlte sich grauenhaft. „Geh rüber zu Hilary“, sagte Max sanft. „Ok“, sagte diese den Tränen nahe. „Es tut mir alles so leid!“ „Mir auch!“ „Und das mit deinen Haaren!“ „Schon gut. Mir tut das mit dem Kleid so leid!“ „Lass uns nie wieder wegen so einen Quatsch streiten!“ „Nie wieder!“ Heulend lagen sich Hilary und Mariah in den Armen. Belustigt sahen Ray und Max von der Seitenlinie aus zu. „Gott sei Dank ist das jetzt vorbei“, sagte der Chinese leise. Der Blonde nickte nur zustimmend. „Also, Mädels“, räusperte sich Ray, „ihr müsste beide in fünfzehn Minuten vor dem Traualtar stehen. Es wird Zeit.“ „Oh ja, richtig“, lachte Mariah und wischt sich etwas von dem verschmierten Mascara von der Wange. „Ich wünschte, ich könnte bei deiner Hochzeit dabei sein.“ „Oh, ich wäre auch so gerne bei deiner dabei!“ Max konnte nicht anders als sich an den Kopf zu fassen. Wieso waren Mädchen so unglaublich kompliziert?! „Wir gucken mal, ob sich etwas machen lässt“, sagte Ray lächelnd und zog Max mit sich aus dem Raum. Zuerst schauten sie bei Kai vorbei, bei dem... Emily saß? „Was machst du denn hier?“, fragte ihr Freund überrascht. „Du glaubst doch nicht allen ernstes, dass ich das hier verpassen würde, oder?“, erwiderte sie lächelnd. „Hannah ist bei unserer Hebamme und in einer Stunde bin ich wieder zu Hause. Ich will nur die Trauungen sehen. Und ehrlich gesagt, hätte ich euch Jungs hier am ehesten erwartet“, erklärte sie und sah wieder zu Kai, der bis eben noch komplett alleine in seiner Garderobe war und entspannt ein Buch gelesen hatte. Seitdem er unfreiwillig bei den ersten Wehen der Rothaarigen dabei war, ehe Max sich durch den Tokioter Berufsverkehr gekämpft hatte, verstanden sich die Amerikanerin und der Russe blendend. Prägende Ereignisse verbinden also doch. „Mit großer Freude kann ich verkünden, dass Hilary und Mariah sich wieder vertragen haben.“ „Ach was“, kommentierte Emily erstaunt. Kai zog lediglich eine Augenbraue hoch. „Und jetzt wollen sie bei der Hochzeit des jeweils anderen dabei sein. Also, könnten wir eine Trauung nach der anderen machen?“ „Solange ich am Ende des Tages verheiratet bin“, erwiderte der Russe gelassen. „Gut, gehen wir zu Tyson.“ „Oh“, stieß Max aus und sah sich kritisch um. „Anscheinend haben wir Tysons Nervenkostüm etwas überschätzt.“ Ray sah sich in der Garderobe des Blauhaarigen um. Sie war chaotisch. Viel zu chaotisch. Als hätte sich jemand durch alle Gegenstände durchgewühlt. „Tyson ist alles in Ordnung?“ „Klar“, sagte Angesprochener mit einer derart nervösen Stimme, das sofort klar war, dass eigentlich das Gegenteil zutraf. „Tyson, du machst jetzt keinen Rückzieher oder?“, fragte Max unsicher und sah zu dem Japaner, der apathisch auf einem Stuhl saß. „Ich weiß noch nicht“, er war kurz still, „Nein, eigentlich nicht.“ „Gut, denn wir haben fantastische Neuigkeiten. Hilary und Mariah haben sich wieder vertragen!Und sie wollen nacheinander heiraten, um bei der Hochzeit des jeweils anderen dabei sein zu können.“ „Yeah?“, sagte Tyson zögerlich. „Könnt ihr mich jetzt bitte einfach zum Altar bringen?“ Die Musik setzte ein. Die Leute erhoben sich. Alle schauten zu der Braut. Mariah strahlte in die Runde. Nachdem sie den Raum einmal überblickt hatte, blieb ihr Blick an Kai hängen, der ihr leicht lächelnd entgegen sah. Ihr Grinsen wandte sich in ein sanftes Lächeln um. Es war die richtige Entscheidung gewesen. Die Trauung war einfach und unglamourös, genau wie das Paar. Alle waren sich einig, dass es perfekt zu Kai und Mariah gepasst hatte. Nachdem die beiden so richtig und komplett offiziell verheiratet waren, setzten sie sich zu ihren Freunden und wie bei einem Deja vú setzte die Musik erneut ein. Die Leute erhoben sich. Alle schauten zu Braut. Hilary strahlte in die Runde. Als ihr Blick an Tysons unsicheren hängen blieb, brach ihr Lächeln kurz.. Dann setzte sie es wieder auf. „Ist alles gut bei dir?“, fragte sie leise, als sie vorne bei ihm stand. „Klar“, erwiderte er. „Bist du sicher?“ „Natürlich!“ Der Pfarrer begann seine Rede erneut. Er wandelte sie leicht ab, um nicht genau dasselbe zu sagen, wie bei dem Paar zuvor. Hilary blickte erneut nervös zu ihren Verlobten. „Tyson du sieht...“ „Sag einfach nichts.“ „Aber Tyson...“ „Ok, es reicht“, sagte er, diesmal etwas lauter, sodass auch ihre Freunde in der ersten Reihe etwas von ihrem Gespräch mitbekamen. „Was ist denn mit dir los?“, fragte Hilary unsicher. „Das ist einfach alles schrecklich falsch“, zischte Tyson und herrschte den Pfarrer mit einer Handbewegung an, mit seiner Predigt aufzuhören. „Das alles ist einfach lächerlich!“ „Was?“, fragte die Braunhaarige verwirrt. „Oh, oh“, murmelte Max und Emily ergriff seine Hand. „Diese ganze Hochzeitshysterie! Erst dieses, dann jenes und jetzt ist wieder alles anders! So sollte das nicht sein!“ „Aber wir sind doch jetzt hier...“, mit Tränen in den Augen sah die Japanerin zu ihren langjährigen Freund. „Ja, aber der Weg hat mich an der gesamten Sache zweifeln lassen.“ Kapitel 3: Ist das Leben nicht schön? ------------------------------------- „Sie verstehen das nicht!“ „Ich verstehe das sehr gut, Mr. Kinomya. Ich kann Ihnen nur leider nicht helfen.“ Fassungslos sah Tyson den Bankangestellten an. „Wieso nicht?“, fragte der Blauhaarige aufgebracht. „Wir können Ihnen den Kredit nicht verlängern, wenn Sie keine Einnahmen aufweisen können, die uns das Geld wieder einbringen.“ „Es wird wieder Einnahmen geben! Das Dojo befindet sich nur gerade in einer Flaute.“ „Es tut mir leid.“ Mit hängenden Kopf stand Tyson auf und zog sich geschlagen die Jacke an. Das Leben war zurzeit einfach nur anstrengend. Als er auf die schneebedeckte Straße hinaustrat, schenkte er der Winterlandschaft keinen Blick, sondern suchte in seinen Taschen nach seinem Handy, während er sich auf den Weg zur U-Bahn machte. Zum wiederholten Male rief er Hilary an. Es dauerte ewig, eh sie ans Handy ging. „Hör auf mich anzurufen“, waren ihre ersten Worte an ihn. „Hilary...“ „Nein! DU hast mich vor dem Altar stehen lassen! Vor all unseren Freunden und meiner Familie! Weißt du, wie peinlich das war?!“ „Es tut mir leid“, sagte der Japaner geknickt ins Telefon. „Das weiß ich. Ich brauch trotzdem etwas Zeit.“ „Ok.“ Damit legte er auf. Gedankenverloren ging er über den glatten Gehweg. Wozu war er überhaupt noch nutze? Ohne auf seine Schritte zu achten, setzte er einen Fuß auf die Treppe des U-Bahn Eingangs. Und rutschte aus. ~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~* „Haben Sie sich etwas getan?“ „Was?“, verwirrt versuchte Tyson seine Augen zu öffnen. „Das sah aber nach einem ganz schön schlimmen Sturz aus!“ Vorsichtig richtete sich Tyson auf. Er sah sich um und erkannte, dass er am Ende der Treppe in der U-Bahn Station lag und neben ihm ein besorgt drein blickender, älterer Herr stand. Dieser reichte ihm eine Hand und der Japaner ließ sich aufhelfen. „Dankeschön.“ „Soll ich einen Krankenwagen rufen?“ „Nein, es geht schon.“ „Gut, mein Jungen, dann komm man gut nach Hause.“ „Ja, danke“, erwiderte der Bladebreaker abwesend. Noch immer etwas neben der Spur stieg Tyson in die U-Bahn und machte sich endgültig auf den Heimweg. Auf den letzten Metern vor dem Dojo zog er noch einmal die Jacke fester um sich, da der Dezemberwind kräftig wehte. Dann blieb er auf einmal stehen und sah sich um. War er gerade tatsächlich am Dojo vorbei gelaufen? Er hätte doch schon längst da sein müssen! Er ging wieder ein paar Schritte zurück. Was er zu sehen bekam, machte ihn sprachlos. Man konnte das Dojo noch erkennen. Wenn man wusste, wonach man suchen musste. Das Schild fehlte, die Mauer war brüchig und vor dem Eingang hingen schwere Ketten. „Wie kann das sein...?“, murmelte er. „Hey“, rief er zu einem Mann, der gerade vorbei lief, „Was ist mit dem Kinomya Dojo passiert?“ „Die sind schon vor Jahren pleite gegangen. Der Großvater ist gestorben und der Enkel hatte keine Lust es weiterzuführen. Jetzt versucht er es zu verkaufen, aber das abgewrackte Grundstück will ja keiner haben.“ „Aber...“, krampfhaft dachte Tyson nach, „was ist mit dem anderen Enkel?“ „Anderer Enkel?“, fragte der Mann und kratzte sich nachdenklich am Kopf, „Der Alte hatte doch nur einen Enkel. Hiro hieß er, glaub ich.“ „Ah, ok. Danke.“ Der Blauhaarige wandte sich eiligen Schrittes ab und ging weg ohne über sein Ziel nachzudenken. Sein Großvater war tot? Er existierte nicht? Er schüttelte den Kopf. Nein, das könnte ja überhaupt nicht sein. Offensichtlich hatte er sich bei dem Sturz schwerer verletzte als gedacht. Wahrscheinlich war er in seiner Gedankenlosigkeit an der falschen Station ausgestiegen und hatte sich anschließend im Haus geirrt. Er blieb stehen und versuchte sich konzentriert zu orientieren. Anhand des Straßenschildes konnte er ausmachen, dass seine und Hilarys Wohnung nicht weit entfernt lag. Obwohl er gerade temporär ausgezogen war, ist Hilary immer noch seine Bezugsperson Nummer 1. Vor der Haustür angekommen, zögerte er nicht lange zu klingen. Es dauerte keine zwei Sekunden, bis er sehen konnte, wie sich hinter der Tür jemand regen konnte. „Ja?“ Tyson stand sprachlos da. „Was kann ich für Sie tun?“ „Garland?“ „Woher kennen Sie meinen Namen?“ „Wieso erkennst du mich nicht?“ „Woher sollte ich Sie kennen?“ Fassungslos sah Tyson zu dem Silberhaarigen. „Ist...Hilary da?“, stammelte er hilflos. „Klar. Einen Moment.“ Und die Tür ging zu. Der Japaner starrte auf die grüne Tür, die er schon immer mal abschleifen wollte und sah sich deren makellose, frisch gestrichene Oberfläche an. „Hallo, wie kann ich Ihnen helfen?“ Plötzlich stand Hilary vor ihm und sah ihn ausdruckslos an. Sie erkannte ihn offensichtlich nicht. Er versuchte es trotzdem. „Hilary..“, er stockte kurz, „erinnerst du dich an mich?“ „Sollte ich?“, fragend sah sie ihn an. „Ich bin Tyson.“ Sie schüttelte den Kopf. „Tut mir leid, das sagt mir nichts.“ Etwas ratlos stand er da. „Darf ich eine blöde Frage stellen? Gibt es Beyblade?“ „Natürlich gibt es Beyblade!“, antwortete die Brünette in ihrem typischen Tonfall. „Hilary, hör auf mit dem fremden Mann zu reden und komm sofort wieder rein!“, rief es aus dem inneren der Wohnung. „Das klang nicht besonders freundlich...“ „Er...ist manchmal etwas eifersüchtig. Und etwas jähzornig. Ich rede sonst nicht so oft mit anderen Männern, deswegen ist er wohl etwas nervös.“ „Wieso redest du nicht oft mit fremden Männern? Du bist Dolmetscherin!“ Verwirrt sah sie ihn an. „Wovon reden Sie? Ich bin Hausfrau.“ Mit offenen Mund sah Tyson sie an. Was war mit seiner toughen, schlagfertigen Hilary geworden? „Kommst du wohl jetzt wieder rein!“, erscholl erneut Garlands Stimme. „Ja...“, sagte sie kleinlaut und wollte die Tür schon wieder zu machen. „Moment noch! Gab es die Baldebreakers? Wenn ja, hast du eine Nummer von ihnen für mich?“ Er starrte auf sein Handy. Dann auf den Zettel mit der Nummer von Max. Seufzend trank er einen Schluck von seinem Kaffee. Sein Großvater war angeblich tot, die Liebe seines Lebens erinnerte sich nicht an ihn und er wurde anscheinend überhaupt nicht geboren. Sollte er wirklich noch seinen besten Freund anrufen und sich von ihm seine Nicht-Existenz bestätigen zu lassen? Andererseits – was hatte er jetzt noch groß zu verlieren? Er wählte die Nummer. An der Vorwahl erkannte er, dass sich Max anscheinend gerade in Amerika aufhielt. „Hello?“ „Hey Max, hier ist Tyson“, mental schlug sich der Japaner vor die Stirn für diese Begrüßung. Hätte ihm nichts unverfänglicheres einfallen können? „Wer?“, fragte der Blonde auch prompt misstrauisch. „Ein Bekannter aus Japan. Wir haben uns vor ein paar Jahren beim Beybladen kennen gelernt. Hilary hat mir deine Nummer gegeben.“ „Hilary?..Ach ja, Hilary.“ Etwas störte Tyson an Maxs Stimme. Es dauerte eine Weile bis er darauf kam. Max hatte einen Akzent. Den hat er sonst nicht. „Was kann ich für dich tun?“ „Ich...hätte ein paar merkwürdige Fragen an dich.“ „Ähm“, ertönte Max Stimme verwirrt am anderen Ende der Welt, „oh whatever. Welche denn?“ „Bist du oft in Japan?“ „Eigentlich nie. Ich war mal für zwei Monate während meiner Schulzeit da, aber es hat mir dort nicht besonders gefallen. Irgendwie habe ich einfach keine Freunde gefunden.“ „Oh...“, sagte der Japaner lediglich. „Was sagtest du noch einmal, woher wir uns kennen?“, dass sein japanisch eingerostet war, konnte man nun eindeutig heraushören. „Ich hab gebeybladet, zum selben Zeitpunkt in dem ihr Bladebreakers berühmt ward. Ich habe euch ziemlich bewundert.“ „Berühmt? Junge, uns gab es gerade mal einen Monat und wir haben nur die japanische Meisterschaft gewonnen. An der asiatischen sind wir dann gescheitert. Nach der Niederlage konnten wir uns nicht mehr zusammenraufen.“ „Und was machst du jetzt?“ „Ich jobbe hier und da.“ 'Aber du wolltest doch immer Politik & Geschichte studieren', dachte Tyson bei sich. „Was ist mit Emily?“, fragte der Blunette fast atemlos. „Wer?“ 'Die Liebe deines Lebens mit der du gerade ein Kind bekommen hast!', schrie er fast in seinem Inneren. „Emily von den All Starz.“ „Was soll mit ihr sein?“ „Nichts“, sagte Tyson schnell. „Ok“, er kniff die Augen zusammen, „anscheinend habe ich grade einen lauen Moment und weiß gar nicht, nach was ich genau suche. Kannst du mir die Nummer von Kai geben?“ „Holy crap, why sollt ich die haben?“ „Seid ihr nicht mehr befreundet?“ „Befreundet mit Kai? Kennst du Kai? Niemand ist mit diesem Kühlschrank befreundet!“ Es tat Tyson regelrecht weh, solche Worte aus Max Mund zu hören. Er wusste, dass sich der Amerikaner und der Russe sehr nahe standen, besonders als sie älter wurden. „Oh, ok. Was ist mit Ray?“ „Der ist wieder in seinem Dorf und hat Mariah geheiratet.“ „Hm, na dann, danke.“ Und damit legte er auf. Es dauerte drei Stunden, unzählige Anrufe und einer Menge kostenpflichtiger Hotlines bis er endlich die Nummer von Kai herausfinden konnte. In Russland. War ja klar. „Biovolt Cooperation, Dienststelle Moskau.“ „Ähm, ich würde sehr gerne mit Kai Hiwatari sprechen.“ „Mit welchem Anliegen?“ „Mit einem privaten.“ „Tut mir leid, da kann ich sie nicht durchstellen.“ „Ich bin ein Freund.“ „Mr. Hiwatari hat keine Freunde.“ Dann ertönte ein Tuten in der Leitung. „Die hat einfach aufgelegt...“, fassungslos sah Tyson zu seinem Handy. „Entschuldigen Sie, Sir, wir schließen gleich.“ Überrascht sah der Bladebreaker zum Kellner auf. Dann sah er auf seine Uhr. 1:25. Ach herrje. „Tut mir leid, ich hab mich wohl in der Zeit verschätzt.“ „Kein Problem“, erwiderte der Kellner freundlich. Nachdem er das Lokal verlassen hatte, wanderte er langsamen Schrittes zum Takayuma Platz. Zur Weihnachtszeit war dieser herrlich beleuchtet und praktisch die ganze Nacht belebt. Tyson setzte sich auf eine Bank und beobachtet das Treiben um sich herum. Völlig in Gedanken versunken, bemerkte er nicht, wie sich eine Person ihm näherte. „Tyson? Richtig?“ Überrascht drehte er sich um. Dort stand Hilary und sah ihn mit unsicheren Blick an. „Öhm, ja, richtig.“ Sie sahen sich für einen Moment weiter an. „Willst du dich vielleicht setzen?“ „Gerne.“ Sie saßen schweigend da. „Ich komme gerne hierher“, brach Tyson schließlich die Stille. „Ich auch“, erwiderte die Brünette ohne sich zu ihm umzudrehen. Er konnte nicht anders, als ihr ein herzliches Lächeln zu schenken. Dies war immer ihr Treffpunkt gewesen, wenn sie von der Arbeit kam oder sie sich in dem Gewusel Tokios verloren hatten. Und es war auch hier, dass er ihr einen Antrag gemacht hatte. „Wie geht es dir Hilary?“, fragte er direkt hinaus und sah sie an. „Ich weiß nicht. Mein Leben ist das reinste Chaos.“ „Das geht doch jedem so.“ „Dir auch?“ Sie sah ihn aus großen, braunen Augen an. „Ja, mir auch.“ Ihre Augen schienen in seinem Gesicht nach etwas zu suchen. „Warum kommt es mir so vor, als wenn ich dich kennen müsste.“ „In einem anderen Leben kannten wir uns.“ „Wow, wir müssen uns wirklich gut verstanden haben.“ Tyson bekam Kopfschmerzen. „Ja, das haben wir.“ Auf einmal dröhnte sein ganzer Kopf. „Tyson? Tyson?!“ ~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~* „Tyson? Tyson, mach die Augen auf!“ „Au...“ Mühsam versuchte er seine Augen zu öffnen. Als er sie einen Spalt breit auf hatte, konnte er sehen, wie sich jemand über ihn beugte. „Hilary?“, murmelte er verwirrt. „Ja, ich bin hier“ „Bin ich wieder in der Realität?“ Verdutzt sah Hilary ihn an. „Nun ja, man könnte zumindest sagen, dass du auf dem Boden der Tatsachen bist. Ziemlich kalter Tatsachen, um genau zu sein, also komm endlich hoch.“ „War das gerade Sarkasmus?“ „Jetzt tu nicht so, als wärst du es nicht gewohnt.“ Die Brünette verdrehte die Augen. „Gott, bin ich froh dich so reden zu hören!“ „Ich erinner dich bei Gelegenheit dran“, erwiderte sie trocken. Doch bevor sie noch etwas sagen konnte, zog er sie zu einem Kuss zu sich herunter. „Wofür war das denn?“ „Ich liebe dich.“ „Danke, ich dich auch.“ „Lass uns heiraten.“ „Jetzt sofort?“ Er küsste sie nur noch einmal. „Ok, komm erst einmal hoch und dann sammeln wir die locker gewordenen Schrauben und deinen Verstand wieder ein.“ „Was machst du überhaupt hier?“, fragte Tyson, nachdem er sich wieder aufgerichtet hatte. „Ich...hatte vergessen, dass du heute deinen Termin bei der Bank hattest“, sie sah zerknirscht aus, „Ich war zu hart zu dir. Das tut mir leid. Also wollte ich dir entgegen kommen und dich abholen.“ „Das ist furchtbar lieb von dir.“ „So bin ich“, sagte sie grinsend. „Und jetzt lass uns zu dir nach Hause gehen.“ „Ok“. Handzahm wie er nur mit Hilary sein kann, folgte er ihr und gemeinsam machten sie sich auf den Weg zum Dojo. „Willst du Heiligabend nicht bei deinen Eltern verbringen?“ „Ach iwo, die haben mich doch auch schon den Rest des Jahres.“ Gemeinsam betraten sie das Dojo und Tyson klappte der Mund auf. Alle seine Freunde standen dort und der Tisch war mit lauter Köstlichkeiten gedeckt. „Was ist denn hier los?“, völlig geplättet sah der Japaner in die Runde. „Weißt du, Hillary hat erzählt, dass du heute zur Bank musstet. Erst einmal gibt es einen Tadel, dass du uns so etwas nicht verheimlichst!“, fing Ray an. „Und dann haben wir uns überlegt, wie wir dir helfen können“, fuhr Mariah fort. „Deine Freunde sind einfach unglaublich“, fuhr Tysons Großvater begeistert dazwischen. „Aber warum seid ihr nicht zu Hause? Ich meine, zumindest für euch ist das doch wirklich ein Feiertag!“, er zeigte auf Max, Emily und Kai. „Ja, aber wohin soll ich schon fliegen“, sagte der Russe lediglich achselzuckend, „alle die ich liebe, sind hier.“ „Oh, das hast du süß gesagt“, lachte Mariah und streichelte ihrem Mann über die Wange. „Und wir können nicht fliegen, weil Hannah noch zu klein ist und außerdem hat sich Max mit Judy gezankt“, erzählte Emily und hielt ihre gerade einmal ein Monat alte Tochter im Arm. „Und da Weihnachten ein Fest ist, dass man nicht alleine verbringen sollte, haben wir beschlossen alle hier zu feiern. Und dir mitzuteilen, dass das Dojo noch nicht vor dem Aus steht“, schloss Ray die Rede ab. „Aber die Bank gibt mir keine Kreditverlängerung“, sagte Tyson fast erschöpft. „Weil sie nicht wissen können, ob du das Geld je zurückzahlst. Hättest du einen Bürgen, wäre das etwas anderes.“ „Du willst für mich bürgen?“, erstaunt sah der Blauhaarige zu Kai. „Ich würde ja deine Schulden einfach komplett bezahlen, aber das würdest du ja nicht zulassen.“ „Nein, wahrscheinlich nicht“, lachte Tyson, „aber Kai, was ist, wenn ich keine Einnahmen mehr haben werde?“ „Da komme ich ins Spiel“, meldet sich nun Max zu Wort. „Du weißt, dass ich Kurse an der Uni gebe. Ich hab ein wenig Werbung für dich gemacht und siehe da: hier sind fünfzehn Neuanmeldungen!“ Der Amerikaner überreichte seinen bluenetten Freund die Anmeldeformulare. „Und ich kann dir bei den Unterrichtsstunden helfen. Ein bisschen vom Kampfsport verstehe ich ja auch und dann müsste ihr nicht noch extra jemanden einstellen.“ Augenzwinkernd sah Ray zu Tyson. „Leute...“, er war zum ersten Mal in seinem Leben sprachlos. „Merry Christams, Tyson“, flüsterte Hilary neben ihm und drückte seine Hand. Er erwiderte den Druck. Fröhliche Weihnachten euch allen! Kapitel 4: Freundschaft Plus...oder doch eher Friends with Benefits?! --------------------------------------------------------------------- Freundschaft Plus...oder doch eher Friends with Benefits? „Darf ich dir was ausgeben?“ „Warum muss mich heute bitte jeder Idiot anquatschen?!“, zischte Mariah. „Ok, dann geh ich wohl wieder“, bei dem amüsierten Tonfall drehte sie sich überrascht auf ihren Barhocker herum und entdeckte denjenigen, der ihr da was spendieren wollte. „Oh shit, sorry, Kai! So meinte ich das nicht!“ „Ach nein?“, immer noch leicht amüsiert, drehte er sich wieder um und kam näher. „Setz dich“, forderte die Rossahaarige ihn auf. „Ein Idiot wie ich?“, mit hochgezogenen Augenbrauen sah er sie an. „Als ob du nicht wüsstest, dass ich dich damit nicht gemeint habe“, sie konnte nicht anders, als die Augen zu verdrehen. Er setzte sich auf den freien Platz an der Theke neben ihr und winkte dem Barkeeper. „Also, was darfs sein?“, erwartungsvoll sah er sie an. „Einen doppelten Wodka pur bitte.“ „Na, das hat doch Stil...machen Sie zwei draus“, sagte Kai zum Barkeeper und wandte sich dann wieder an die Chinesin. „Dann erzähl mal: welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen?“ „Es war eher eine Ratte namens Yamato.“ „Der scheint ja einen bleibenden Eindruck hinterlassen zu haben.“ „Männer sind Scheiße!“ „Bitte, scherr doch meine Rasse nicht komplett über einen Kamm.“ Erheitert sah Kai, wie praktisch kleine Rauchwolken aus Mariahs Ohren kam. Als die Drinks kam, kippte sie ihren in einem Schluck runter. Kommentarlo schob er ihr seinen rüber und auch diesen vernichtete sie innerhalb von drei Sekunden. „Wow, Yamato muss sich ja wirklich von seiner schlimmsten Seite gezeigt haben.“ Mit einem Handzeichen bestellte er noch eine Runde Wodka für sie beide. „Was machst du hier?“, fragte Mariah dann abprupt. „Verzeihung?“, etwas verwirrt über den spontanen Themenwechsel sah er sie an. „Was machst du hier in dieser Bar? Wir sind meilenweit von Shinjuku entfernt, ich wusste nicht mal, dass du dich hier in dem Viertel auskennst.“ „Und was machst du dann hier, wenn wir meilenweit von Shinjuku entfernt sind?“ „Die Wohnung der Ratte ist zwei Straßen von hier entfernt.“ „Wenn er hier wohnt, dann ist er es sowieso nicht wert gewesen.“ Spontan lachte Mariah auf. „Ja, das ist wohl war. Also, was treibt dich hier her?“ Er zuckte unbestimmt mit den Schultern. „Dieses und jenes.“ „Ich liebe konkrete Antworten“, sagte sie Augenverdrehend, aber mit einem Lächeln. Dann betrachtete sie ihn etwas genauer. Kai trug ein gut tailliertes, schwarzes Hemd, an dem der oberste Knopf offen war. Sein Jeans war verdammt eng und wenn sie sich nicht komplett täuscht, roch sie Emporio von Armani. Er sah gut aus. „Ich fasse es nicht“, sie grinste ihn an. „Du bist hier um Frauen aufzureißen!“ Unschuldig sah er sie an. „Ich doch nicht!“, beteuerte er schmunzelnd. „Das glaube ich ja nicht. Der große Kai Hiwatari geht in eine Bar um Frauen abzuschleppen! Ich dachte immer, die Mädels laufen dir auf dem Campus sowieso immer sabbernd hinterher.“ „Tun sie ja auch..“ „Nur nicht so viel Bescheidenheit“, lachend sah sie ihn an. „Aber das ist ja keine Herausforderung“, er grinste sie schelmisch an. Interessant. Kai war hier ganz anders drauf als normalerweise. Sie drehte sich mit ihrem Körper komplett zu ihm um, nachdem die nächste Runde Wodka über die Theke gereicht wurde. „Was ist deine Taktik?“ „Meine Taktik?“ Er legte leicht den Kopf schief. „Wie bekommst du die Frauen dazu mit dir ins Bett zu steigen?“ „Wer sagt, dass ich die Frauen dazu bekommen muss?“ Er lehnte sich auf seinen Hocker zurück und sah sie mit blitzenden Augen an. „Charming. Also, sitzt du den ganzen Abend da und wartest, dass jemand dich anspricht?“ „Schau nicht so. Als würdest du so eine Taktik nicht auch ab und an anwenden.“ „Wie kommst du darauf?“, fragte sie zwischen zwei Schlucken Wodka. Bedeutungsvoll sah er einmal an ihr rauf und runter. Na gut, sie hatte ihr kleines Schwarzes an. Na schön, vielleicht war dieses etwas kürzer und der Ausschnitt etwas weiter, als es sich gehört, aber hey, wozu war man denn bitte eine Frau im 21. Jh? „Ich war gerade bei meinem sogenannten Freund und für den darf man sich ja wohl noch hübsch anziehen!“ „Und wie hast du denn nochmal kennen gelernt?“, erwartungsvoll sah er sie an. Erwischt! Ärgerlich drehte sie sich wieder zur Theke um und bestellte für sie beide noch eine Runde. Kai lachte leise. „Wie oft kommst du hierher?“, fragte er sie schließlich. „Nicht oft. Nur ein bis zweimal im Monat. Ein bisschen Entspannung. Und du?“ „Genauso. Interessant, dass wir uns in einer Mega Metropole wie Tokio, am anderen Ende von unserem Wohn- und Studienort dieselbe Bar ausgesucht haben.“ „Um Leute aufzureißen.“ „Ja“, lachte Kai, „um Leute aufzureißen.“ „Gegen guten Sex ist ja auch nichts einzuwenden. Das tut während des stressigen Studiums ab und an mal gut.“ „Keine Einwände dagegen.“ Sie schwiegen kurz. Über die Wendung des Abends war Mariah positiv überrascht. Kai so zu erleben, hätte sie nie gedacht. Und dass es so viel Spaß machen würde, sich gegenseitig aufzuziehen auch nicht! „Wen hast du heute im Blick?“, fragte sie schließlich. „Wie meinen?“ „Auf welches scharfe Eisen hast du heute ein Auge geworfen?“ „Oh, die da dahinten, in dem grünen Kleid. Allerdings hat sie, nachdem sie sehr genussvoll und sexy an ihrem Strohhalm gesaugt hat, alles wieder zurückgespuckt.“ „Uha.“ „Ganz genau. Das hab ich mir auch gedacht. Und dann hab ich dich entdeckt und dachte mir, du bist das Beste was mir heute Nacht noch passieren kann.“ „Oh, das hast du aber schön gesagt.“ „Gern geschehen.“ „Also, Kai“, sie trank den letzten Schluck Wodka und stellte das Glas klangvoll auf die Theke, „zu dir oder zu mir?“ „Was ist mit dir?“ „Was soll mit mir sein?“ Forschend sah Emily zu ihrer Freundin, die beschwingt neben ihr entlang lief. „Ich weiß nicht, du bist so gut drauf.“ „Ach und ist das jetzt schon ein Verbrechen?“ „Natürlich nicht, aber...es ist die Art des gut drauf seins. Du bist so – voller Lebensenergie“, die Rothaarige sagte das in einem Tonfall, als handle es sich um Haare im Abfluss. „Em, du bist schon wieder zu negativ. Wo ist denn deine gute Laune von letzter Woche hin?“ „Die ist zusammen mit der 5,0 in der Methodenklausur verschwunden. Die ich übrigens immer noch nicht verstehe. Wie hab ich es nur geschafft, trotz Spickzettel und der Beantwortung von allen Fragen auf neun Seiten Fragebogen eine 5,0 zu bekommen?!“ „Keine Ahnung, aber das ist eine beachtliche Leistung, die gefeiert werden muss. Oh, sieh mal, das Kleid ist aber süß!“ Schnell stürmte Mariah in einen Laden und ließ eine verwirrte Emily zurück. „Was ist nur mit ihr?“ Kopfschüttelnd folgte sie ihrer Freundin. „Was hälst du von dem?“, freudig zeigte die Chinesin auf das besagte Kleidungsstück. „Oh, es ist fantastisch. Wenn du nächste Woche im Stripclub anfängst, werden die Männer schlange stehen.“ „Sehr witzig“, kommentierte Mariah trocken. „Ernsthaft, das Ding ist komplett rückenfrei. Und der Ausschnitt ist gigantisch. Und es ist hauteng. Und...hey, ich glaube, ich hab auch son Kleid im Schrank.“ Lachend sah die die Rosahaarige zu der Amerikanerin, die sich nachdenklich am Kopf kratzte. „Also, wo ist dann das Problem?“ „Naja, wenn ich so was anziehe, dann tue ich das erstens für meinen Freund und zweitens habe ich einen Freund, der mir die aufdringlichen Kerle anschließend vom Leib hält.“ „Und nur weil ich keinen Freund habe, darf ich mir das dann nicht kaufen?“, fragte sie augenzwinkernd. Mit schmalen Augen sah Emily ihre Freundin an. „Ok“, sagte sie und verschränkte ihre Arme vor der Brust, „mit wem schläfst du?“ „Bitte?“, fragte Mariah verwirrt. „Mhm, tu nicht so unschuldig. Du kaufst dir in letzter Zeit viele hübsche Kleider, du hast viel mehr Reizwäsche in deinem Schrank als sonst und diese ätzend, fröhliche Laune hast du immer nur, wenn du viel Sex hast. Also, wer ist der Knabe?“ „Woher weißt du, dass ich mehr Reizwäsche habe?“ „Hab ich gesehen, als ich mir beim letzten Mädelsabend eine Strickjacke aus deinem Schrank genommen habe.“ Tadelnd sah sie Mariah an. „Es ist nix festes“, antwortete diese nur Augen verdrehend. „Du hast eine Affäre und sagst mir nichts davon?“ „Dann wäre es ja keine geheime Affäre mehr.“ „Der besten Freundin davon zu erzählen, tut der geheimen Affäre in der Regel keinen Abbruch.“ „Es ist nur Sex, ok?“ „Und auch wenn du nur Sex hast, ist das was, was man seiner besten Freundin erzählen sollte.“ „Ich habs geschnallt Emy. Bei allen zukünftigen Affären und sexuellen Abenteuern ruf ich dich sofort an.“ „ I appreciate that. Und wer ist es nun?“ „Das verrat ich nicht.“ „Du textest zu viel!“ Genervt sah Tyson zu Kai. „Und das hat dich zu interessieren, weil...?“ „Weil wir hier grade nen Stammkneipen-Männerabend haben!“ „Wenn du das so sagst, hört sich dass an, als würden wir gleich die Knarren auf den Tisch legen und um Millionen von Dollar Poker spielen“, sagte Ray grinsend. „Das wäre witzig“, lachte Max und nahm einen Schluck von seinem Bier. „Und hier kommt Ihr Schoko-Milchshake“, sagte die Bedienung freundlich und stellte den Shake vor Tyson hin. Auf die Blicke der anderen hin, rief er nur: „Was?! Ich hatte halt einen schweren Tag!“ „Is klar“, grinste Ray. „So viel zum Männerabend...“, kopfschüttelnd drückte Kai auf seinem Smartphone auf senden. „Also, was gibt’s neues in der Welt?“, fragte Max in die Runde. „Klausuren.“ „Klausuren.“ „Mündliche Prüfung.“ „Klausuren.“ „Mensch, sind wir spannend...“, Ray schüttelte seinen Kopf. „Es ist halt Vorlesungsfreie Zeit. Da schreibt man nunmal Klausuren und Hausarbeiten. Zu was anderem kommt man ja in den Ferien gar nicht.“ „Och, naja, das ein oder andere an Freizeit wird ja wohl drin sein“, sagte Kai gedankenverloren, während er wieder auf seinem Handy rumtippte. „Ich nehm dir das Ding gleich weg“, warnte der Chinese. „Ich stecks ja schon ein.“ „Oh, könnte ich vielleicht kurz eine SMS von deinem Handy aus an Emily schreiben? Mein Akku ist vorhin gestorben“, fragte Max. „Klar.“ Kai reichte ihm sein Telefon und wandte sich dann wieder an Ray, der gerade anfing über seinen Mathe Professor zu schimpfen. Max wollte gerade eine neue Unterhaltung auf dem Display beginnen, als eine aktuelle aufploppte. 'Wann kommst du endlich?' 'Häng mit dem Jung ab. Wird später.' 'Zur Info: ich hab mir heute einen wahnsinnig stofflosen, feuerroten BH mit Spitze gekauft. Aber vielleicht pack ich den einfach wieder in die Tüte.' 'Wahrscheinlich komm ich doch eher früher als später!' Max Augen wurden riesig. Und sie wurden noch riesiger als er den Absender sah: Mariah. WTF?, dachte er bei sich. „Bist du fertig?“, fragte da Kai neben ihm. Schnell schloss er die Unterhaltung. „Äh, sorry, eine Sekunde noch, das ist hier ein wenig anders, als mein HTC, ich muss mich kurz orientieren.“ „Einfach da drauf.“ „Ok, danke, alles klar.“ „Zu spät.“ „Mariah!“ „Ich hab gesagt, ich warte eine halbe Stunde und die ist vor einer Stunde vorbei gewesen.“ In Jogginghose stand Mariah in der Tür und war kurz davor, diese Kai vor der Nase zuzuschlagen. „Und warum konntest du bitteschön nicht warten?“ „Weil ich jetzt an meiner Hausarbeit schreiben muss!“ Kai runzelte die Stirn. „Es ist Freitagabend 22:30“, argumentierte er. „Ja, aber morgen muss ich arbeiten und abends ist die Party bei Mystel und wenn ich mich zwischen Sex mit dir und einer gepflegten Party entscheiden muss, entscheide ich mich eher für die Party.“ „Na besten Dank auch.“ Er wollte gerade noch etwas sagen, als die Chinesin kurz in ihre Wohnung verschwand und eine halbe Minute später mit ihrem Terminkalender zurück kam. „Da hab ich Zeit für uns eingeplant. Wenn du den Termin nicht wahrnimmst, verfällt er.“ Kai starrte auf den Plan für Freitag. Genau zwischen 19:00 Maniküre mit Hilary und 22:00 Gliederung Hausarbeit stand 21:00 Sex mit Kai. „Du hast für uns nur eine Stunde eingeplant?“ „Heute wollten wir doch den Kranich machen. Das schaffen wir sowieso nicht mehr als einmal.“ „Auch wieder wahr“, murmelte der Russe und blätterte die nächsten Tage durch. In so ziemlich jeder größeren Lücke war sein Name eingetragen. „Das ist irgendwie heiß...“ Mariah grinste spitzbübisch. „Oh, an dem Donnerstag kann ich nicht. Da treff ich mich mit meinem Referatspartner.“ „Ok, wie wäre es ersatzweise mit dem Samstagvormittag?“ „Was gibt’s schöneres zum Frühstück?“, grinste Kai verschmitzt. Mariah trug den Termin um und sah ihn dann erwartungsvoll an. Leicht deutete sie mit dem Kopf zum Treppenaufgang. „Ich kann dir nicht zufällig bei deiner Gliederung helfen?“, in seine Augen trat ein Funkeln. „Verstehst du was Niklas Luhmans Diskursanalyse?“ „Das ist praktisch mein Zweitfach“, flüsterte er und kam ihr gefährlich nahe. „Glaub bloß nicht, dass du mich so einfach um den Finger wickeln kannst, Mister“, murmelte sie, Sekunden bevor er seine Lippen auf ihre drückte. „Eigentlich wollte ich dir den Verstand rauben“, er küsste ihren Hals und wanderte weiter zu ihrem Schlüsselbein. „Ausnahmsweise“, murmelte Mariah wohlig und schmiss die Tür hinter sich zu, nachdem sie den Graublauhaarigen in die Wohnung gezogen hatte. „Na, sag schon“, murmelte Emily und trommelte mit den Fingern auf den Tisch. „Was denn?“, fragte Max aus der Küche. „Nicht du. Mariah.“ Mit einem fragenden Blick steckte Max seinen Kopf ins Wohnzimmer und sah zu seiner Freundin, die ungeduldig vor ihrem Laptop saß. „Nichts weiter. Ich hab sie nur grade was im Chat bei facebook gefragt und schon herrscht Stille im Walde.“ „Habt ihr Streit?“, fragte der Blonde während er das Gemüse in die Pfanne tat. „Nein. Nur Geheimnisse voreinander.“ „Was für Geheimnisse hast du denn vor Mariah? Ihr erzählt euch doch sonst alles.“ „Anscheinend nicht wenn es um geheime Affären geht...“, murmelte die Rothaarige. In der Küche fiel etwas scheppernd herunter. „Alles ok?“, fragte sie verwirrt in Max Richtung. „Klar. Ich war nur überrascht“, er kam in das Wohnzimmer und sah sie an, „über Mariah und eine Affäre meine ich.“ „Ich find's auch seltsam“, sie sah von ihrem Laptop zu ihm hoch. „Na so lange sie ihren Spaß dabei hat“, meinte sie schließlich achselzuckend. „Ach, dabei geht’s um Spaß?“ „Darum geht’s doch in einer Affäre, oder?“ „Ist es denn nur eine Affäre?“, etwas an Max Tonfall ließ sie erneut aufblicken. Sie sah ihn prüfend an. Seine Mimik war ausdruckslos. Zu ausdruckslos. Die meisten glaubten es nicht, aber Max war wahnsinnig gut darin, Dinge für sich zu behalten. „Weißt du was?“, fragte sie deswegen mit zusammen gekniffen Augen. „Weißt du was?“, erwiderte er, verblüfft darüber, dass seine Freundin offensichtlich was wusste, was er vielleicht auch wusste, was aber besser niemand wissen sollte. „Ich weiß nur von zwanglosen Sex.“ „Kai und Mariah haben zwanglosen Sex?!“ „Du meine Güte, Mariah hat Sex mit Kai?!“ Fassungslos starrten sie sich an. „Woher weißt du davon?“, fragte er und kam zum Esstisch. „Ja und woher weißt du davon?“ „Ich hab eine SMS in Kais Handy gefunden.“ „Gosh...ich wusste, dass sie grade mit jemanden eine richtig heiße Sexbeziehung hat aber...Kai?!“ „Sexbeziehung...?“, Max zog die Stirn kraus. „Das...“, fing er an, „ist doch mal eine interessante Wendung.“ „Das kann man wohl so sagen.“ Einen kurzen Moment schwiegen sie und verdauten das eben erfahrene. „Was riecht hier eigentlich so verbrannt?“ „Rauchen ist schlecht für die Gesundheit.“ Grinsend drehte sich Kai zu Mariah um. Diese stand nur in seinem Hemd bekleidet in der Balkontür und sah spitzbübisch zu ihm. Er wandte sich komplett zur Wohnung um und lehnte seinen nackten Rücken an das Balkongeländer. Sie kam auf ihn zu, nahm ihm die Zigarette aus der Hand, zog daran, schmiss sie anschließend weg und verschloss ihre Lippen mit seinen. „Ich fürchte, ich brauche erst einmal eine Pause bevor wir zu Runde vier kommen“, grinste der Russe in den Kuss hinein. „Schon ok“, murmelte die Rosahaarige und küsste ihn intensiver, „ist auch mal ganz nett.“ „Aber der Sex ist doch noch gut, oder?“, verschmitzt lächelnd sah er sie an. „Der Sex ist gigantisch“, lachte Mariah. Sie verharrten einen Moment in ihrer Stellung. Die Chinesin hatte ihre Arme um seine Hüfte geschlungen, während er sie mit einem Arm um die Schulter an sich heranzog. Den Kopf hatte sie in seine Halsbeuge gelegt. „Bleibst du über Nacht?“ „Hm, weiß noch nicht. Es ist schon ganz schön spät.“ Er holte tief Luft und bemerkte zum ersten Mal, wie vertraut ihm der Geruch von Mariah inzwischen schon war. „Wenn ich darf, würde ich gerne bleiben.“ „Ok.“ Und zum ersten Mal, verbrachten Mariah und Kai die erste gemeinsame Nacht miteinander. Ganz ohne Sex. „Hey!“ „Oh, hi. Hab dich gar nicht bemerkt.“ „Ist mir aufgefallen“,sagte Max amüsiert, nachdem er Kai durch das halbe Bistro Oeconomicum hinterher gerufen hat. „Was machst du hier?“, fragte der Graublauhaarige. Demonstrativ hob sein Teamkollege einen Kaffeebecher. „Ach, gibt es bei euch am Leonardo Campus keinen Kaffee mehr?“ Da es sich bei der Tokio Uni um keine Campus Universität handelte, waren die einzelnen Institute und Fachbereiche in der ganzen Stadt vertraut. „Ich hab hier heute und morgen eine Blockveranstaltung.“ „Ah, ok.“ Sie liefen schweigend nebeneinander. „Alles in Ordnung?“, fragte der Amerikaner prüfend. „Klar, warum fragst du?“ „Keine Ahnung, du wirkst so zerstreut.“ Und das war Kai wirklich. Er wechselte nervös den Pappbecher von einer Hand zur anderen, während aus seiner Tasche beinahe sein Block hinaus fiel. Max fing ihn in letzter Sekunde auf. „Hier“, sagte er nur und reichte ihm dem Russen. „Danke.“ „Also, was ist los?“ Kai seufzte schwer. „Ich glaube, ich hab...Frauenprobleme.“ „Bereitet Mariah dir solche Kopfschmerzen?“ Ruckartig fuhr sein Kamerad zu ihm herum und sah ihn mit zusammengezogenen Augenbrauen an. „Hat Mariah getratscht?“, fragte er betont langsam. „Natürlich nicht. Aber ich bin nicht blöd, weißt du.“ Max sah ihn einfach nur an. Kai wusste, dass ihm der Blonde damit eine Gelegenheit geben wollte, darüber zu reden, wenn er wollte. Als der Graublauhaarige nichts erwiderte, ergriff Max die Initiative: „Wie wäre es mit einer weiteren Runde Kaffee?“ „Was ist mit deinem Seminar?“ „Ich hab nette Kommilitonen, die ganz ausgezeichnet darin sind, meine Unterschrift zu fälschen.“ Nach einem kurzen Zögern gab der Russe nach. Sie holten sich noch einen Kaffee und setzten sich auf die Rasenfläche des Instituts, welcher ein beliebter Treffpunkt für Pausenzeiten war. „Also, wo hapert es denn?“ Kai schwieg erneut. „Wird der Sex langsam bedeutungsvoller?“ „Alter...“, fing der Wirtschaftsstudent an, „woher weißt du das?“ Angesprochener zuckte nur unbestimmt mit dem Schultern. Kurz blieb Kai ruhig. Dann gab er es zu. „Ja, es wird bedeutungsvoller.“ „Und du hast damit ein Problem, weil...?“ „Das ist nicht die Art von Beziehung, die wir haben.“ „Ach“, sagte Max halb belustigt, „und in einer Beziehung legt man am Anfang fest wie sie verlaufen soll und dann funktioniert das auch genauso.“ Er schüttelte den Kopf. „Kai, that's not the way it works.“ „Vielleicht will ich ja aber keine gefühlvolle Beziehung.“ „Willst du es denn beenden?“ „Nein, natürlich nicht.“ „Dann müsst ihr eure Beziehung auf eine andere Ebene ziehen.“ Der Russe blieb stumm und legte dann seufzend seinen Kopf in seine Hände. „Kai, werd nicht böse, aber wenn du diese Art von Beziehung nicht willst, dann beende sie bitte. Sonst wird noch jemand verletzt.“ Jetzt ließ Kai sich nach hinten fallen und starrte in den blauen Himmel. „Was soll ich nur tun?“, murmelte er. „Das...ist keine Pizza.“ „Das hast du verdammt gut erkannt“, lachte Mariah und winkte Kai in ihre Wohnung. Manchmal trafen sie sich nach einem langen Arbeits- und Unitag und bestellten sich erst einmal von einer Fast Food Kette um etwas in den Magen zu bekommen, bevor sie mit dem Matratzen Sport anfingen. Aber heute stand die Chinesin am Herd und kochte. „Ich bin ehrlich gesagt etwas verwirrt.“ Kai schmiss seine Tasche in eine Ecke und näherte sich dem Kochbereich der Ein-Zimmer-Wohnung. „Naja, ich hatte noch Reste und bevor ich morgen nach Hause fliege, muss ich die sowieso aufbrauchen. Du weißt, wie sehr ich es hasse Lebensmittel wegzuschmeißen.“ „Stimmt“, antwortete Kai nur, setzte sich an den aufgeklappten Küchentisch und klaute sich eine Tomate. Sein Bauchgefühl sagte ihm, dass irgendetwas anders war. In der Luft lag so eine bestimmte Stimmung. Sie unterhielten sich beim Essen über ihren Tag und tauschten den neuesten Tratsch von ihren Freunden aus. Dann hatten sie wie gewohnt Sex. Allerdings viel sanfter, viel intiuitiver, viel gefühlvoller. Anschließend lag sie in seinen Armen und sie genossen die Stille. „Es könnte öfter so sein“, sagte sie schließlich. „Was meinst du?“, fragte er schläfrig. „Das wir in Ruhe zusammen essen und Zeit miteinander verbringen. Das ist schön, findest du nicht?“ „Hm“, machte der Russe nur. „Kai?“, hakte sie nach und stupste ihn an. „Ja?“ „Findest du nicht?“ „Was nochmal?“, eigentlich war er schon halb eingeschlafen. „Wir zwei in einer richtigen Beziehung.“ Schlagartig war er wieder wach. „Bitte?“, fragte er nochmal. Sein Tonfall gefiel ihr nicht und sie drehte sich richtig zu ihm um. „Wir beide. Beziehung.“ „Das...ist etwas plötzlich.“ „Plötzlich?“, sagte sie in einem ätzenden Tonfall, „Wir schlafen seit drei Monaten miteinander.“ „Ja und hatten wir uns nicht darauf geeinigt, dass es genau das ist was wir beide wollen und dass es dabei bleibt?“ Mit einem Ruck stand sie auf und fing an sich anzuziehen. Sie schmiss ihm seine Jeans zu. „Dann kannst du ja jetzt gehen!“ „Mariah...was?“ „Nein, du hast recht! Darauf haben wir uns geeinigt. Sex und das wars. Also, bitte verlass jetzt meine Wohnung.“ Noch bevor er wusste wie ihm geschah, hatte sie ihn schon in Richtung Tür gescheucht, schmiss ihm Stück für Stück seine Klamotten hinterher und als sie sicher war, dass sich kein Kleidungsstück mehr von ihm in der Wohnung befand, warf sie die Tür knallend zu. Kai starrte perplex auf die geschlossene Tür. Dann öffnete sich diese noch einmal und Mariah drückte ihm eine CD gegen die Brust. „Hier hast du deine 'Airbone Toxic Event' CD wieder. Die war sowieso scheiße.“ „Es ist zwei.“ „Ich weiß. Lässt du mich trotzdem rein?“ „Kai, es ist zwei Uhr nachts.“ „Bitte?“ „Schön“, seufzte Max, nahm den Kopf von dem Türrahmen an dem er diesen angelehnt hatte und hielt Kai die Wohnungstür auf. Dieser schlüpfte schnell hinein und ging ins Wohnzimmer, nachdem der Blonde auf dieses deutete. „Kannst du Kaffee machen?“ „Gott, nein. Ich will heute noch schlafen.“ „Kaffee ist die wichtigste Mahlzeit des Tages.“ „Nicht um zwei Uhr nachts.“ Der Amerikaner setzte sich an die eine Ecke des Sofas, zog die Beine an, verschränkte die Arme und sah mit verschlafenen Augen zu seinem Teamkollegen. „Du musst mir bei was helfen. Irgendwie versteh ich da was nicht.“ Der Graublauhaarige erzählte Max von dem Streit zwischen ihm und Mariah und wie sie ihn blitzschnell aus der Wohnung komplementiert hat. „Weil sie Gefühle für dich hat“, antwortete der Blonde schlicht. „Aber wir haben am Anfang gesagt...“ „Scheiß drauf, was ihr am Anfang gesagt habt. Sie ist ein Mädchen. So läuft das bei ihnen. Mädchen funktionieren nicht wie ein Roboter. Sie reagieren emotional und reden über alles offen.“ „Ja, das ist mir auch schon aufgefallen...“ Max seufzte tief und legte den Kopf in den Nacken. „Gott Kai, ich hätte dir dieses Ende sowas von vorraussagen können.“ „Warum hast du's nicht?!“ „Hallo?! Vielleicht weil du nichts gesagt hast.“ „Oh man, was mach ich denn jetzt?!“ Kai ließ sich tiefer in die Couch gleiten. Max stand auf und holte aus der Küche eine eisgekühlte Wodkaflasche und zwei Schnapsgläser. „Du hast zwei Möglichkeiten: entweder du beendest das was ihr habt sofort und ich meine wirklich !sofort! oder ihr fangt eine vernünftige, ganz normale Beziehung an so wie jeder andere normale Mensch“, erklärt er, während er die Gläser vollmachte. „Ich will es nicht beenden.“ „Also, hast du Gefühle für sie.“ „Das hab ich nicht gesagt.“ „Kai...“ „Was?!“ „Bist du gerne mit ihr zusammen?“ „Klar.“ „Erzählst du ihr gerne aus deinem Leben?“ „Natürlich, wir sehen uns fast täglich.“ „Teilst du ihr Sachen mit, die du sonst keinem verrätst?“ „Wird das ein Verhör?“ „Kai, du bist verliebt in sie ohne es zu bemerken.“ Der Russe schwieg daraufhin eine Weile. Dann trank er gedankenverloren seinen Wodka. „Ich bin nicht gut darin Beziehungen zu führen.“ „Das gibt sich.“ „Du hast leicht reden, du bist schon seit tausend Jahren mit Emily zusammen. Und bei euch sieht das total einfach aus.“ „Ist es nicht, glaub mir. Auch wir haben unsere Kämpfe auszufechten.“ Der Russe seufzte wieder schwer. Wieder lehrte für einen kurzen Moment Stille ein. „Herrgott, geh doch endlich zur ihr!“, rief Emily auf einmal aus dem Schlafzimmer zu ihnen rüber. Die beiden Jungs sahen sich einen Moment mit großen Augen an. „Wenn ihr irgendwann mal umzieht, versucht doch eine Wohnung mit etwas dickeren Wänden zu finden.“ „Ok...“ „Lässt du mich rein?“ „Nein!“, erscholl Mariahs Stimme von drinnen. „Können wir darüber reden?“ Als Antwort bekam er ein eisiges Schweigen. „Ok, ich kann warten“, sagte er und ließ sich mit dem Rücken an der Tür hinabgleiten. Sie wartete 3 Stunden und 23 Minuten, bevor sie die Tür öffnete. Kai war inzwischen eingeschlafen und fiel rücklings in die Wohnung. Mit einer schwungvoll hochgezogenen Augenbraue sah sie ihn von oben an. „Hey“, wisperte er. Sie drehte sich ohne etwas zu sagen um und verschwand aus seinem Sichtfeld. Er erhob sich. Dass sie die Tür nicht wieder geschlossen hatte, sah er als Zeichen. Langsam folgte er ihr. „Also, was willst du?“, fragte sie, von der anderen Seite des Appartements. „Reden.“ „Ach, hast du vorhin nicht schon alles gesagt?“ „Nein. Und das weißt du.“ Er ging vorsichtig auf sie zu. „Ich wollte dich was fragen.“ „Was?“, erwiderte sie noch immer etwas gereizt. „Hast du Lust mit mir zusammen zu ziehen?“ Völlig perplex sah Mariah ihn an. Damit hatte sie nicht gerechnet. „Ernsthaft?“ Er nickte nur. „Du weißt, dass wir dann offiziel in einer Beziehung leben würden?“ Wieder nickte er nur. „JA!“, rief sie laut und ließ sich hocherfreut von einem lachenden Kai in die Arme ziehen. „Also,“, sagte er, nachdem sie sich atemlos voneinander gelöst hatten, „zu dir oder zu mir?“ Kapitel 5: Extrem laut und unglaublich nah ------------------------------------------ 10.September 2011 21:23 „Möchten Sie Gepäck aufgeben, Sir?“ „Nein, Danke, ich reise leicht.“ „Dann wünsche ich Ihnen einen angenehmen Flug.“ „Vielen Dank.“ Max steckte sich wieder beide Stöpsel seines Ipods ins Ohr und nahm seinen Handgepäckkoffer auf. Gemütlich machte er sich auf den Weg zum Sicherheitscheck. Auch wenn das Fliegen im Laufe der Jahre zur Gewohnheit geworden war, konnte er Flughäfen grundsätzlich trotzdem nichts abgewinnen. Erst das Warten am Check-In Schalter (und auch wenn man heutzutage online einchecken konnte, musste man ja trotzdem wegen seines Gepäcks dorthin), dann das Warten bei der Sicherheitskontrolle und dann natürlich die Sicherheitskontrolle an sich. Alles ablegen, Laptop raus, Gürtel raus, manchmal Schuhe ausziehen. Mindestens zweimal durch den Sicherheitsrahmen, denn könnte ja sein, man hat beim ersten Mal den Sprengstoff übersehen und mal ehrlich, das Ding geht sowieso bei jeder fünften Person allein aus Prinzip los, einfach nur um seine Quote zu erfüllen, egal ob derjenige tatsächlich irgendetwas an sich hat oder nicht. Dann wieder alles an sich nehmen, aber bloß nicht, dass Sicherheitspersonal stressen, warum auch, immerhin ist man ja nicht dort, um noch in letzter Sekunde einen Flieger zu erwischen oder? Im Sicherheitsbereich angekommen, stieß Max die Luft aus, die er unmerklich angehalten hatte und machte sich nun auf die Jagd nach der günstigsten Wasserflasche, denn von den Mini Portionchen Flüssigkeit, die man zum Frühstück im Flieger bekam, konnte ja kein Mensch leben. Bewaffnet mit 1,5 Liter Wasser und drei Zeitschriften machte er sich letztendlich auf den Weg zu seinem Abfluggate. Die geschäftige Betriebsamkeit des Tages nahm allmählich ab und der gesamte Flughafen schien langsam in den Ruhemodus über zu gehen. Max Flug war einer der letzten, die heute Nacht noch abheben würden. Nachdem er auf seinen Ipod sein aktuelles Lieblingsalbum eingestellt hatte (the Airbone Toxic Event), kontrollierte er noch einmal sein Handy, bevor er es für die Dauer des Fluges abschalten würde. Drei verpasste Anrufe seiner Mutter und zwei SMS von seinem Vater. Der Blonde verdrehte die Augen und schrieb einfach nur seinem Vater, dass er die Nachtmaschine nahm und morgen früh in New York landen würde. Dankend nahm er die Bordkarte von der Airline Angestellten entgegen und ging durch die Schleuse ins Flugzeug. An seinem Sitzplatz angekommen, verstaute er seinen Koffer in der Handgepäckablage und schob seine Laptoptasche unter seinen Sitz. Als er sich umsah und die wenigen Leute erblickte, die mit ihm fliegen würden, war er sich fast sicher, dass er die Sitzreihe für sich behalten würde und sich demnach in der Nacht lang machen konnte. Sehr gut. Er stöpselte seinen Ipod ab und verstaute ihn vor sich im Fach. Nach einem Blick auf die Uhr stellte er fest, dass der Flug ein wenig Verspätung hatte. An sich nichts ungewöhnlich, jedoch fragte er sich, was um diese Uhrzeit für die Verzögerung gesorgt haben könnte. Er ließ seinen Blick aus dem Fenster gleiten und starrte auf den dunklen Flughafen, der nur durch viele verschiedene, blinkende Lichter erhellt wurde. Aus den Augenwinkeln nahm er war, dass noch ein Passagier in letzter Sekunde einstieg und sich beeilte auf seinem Sitz platz zu nehmen. Überrascht drehte Max seinen Kopf und stellte mit Erstaunen fest, dass es sich bei dieser Person um Kai handelte. Dieser packte gerade haargenau denselben Handgepäckkoffer den er selbst auch hatte in das Fach und ließ sich auf seinen Sitz gleiten. Noch bevor Max sich schnell abschnallen konnte, kam endlich die Durchsage: „Boarding completed. Crew prepare for start.“ Er versuchte den Russen weiter zu beobachten, was jedoch dadurch erschwert wurde, dass dieser fünf Reihen vor ihm auf der anderen Seite saß. Während des Startvorgangs starb der Blonde praktisch vor Neugierde. Kai hatte mit keinem Wort erwähnt, dass er über das Wochenende in die USA reisen wollte. Andererseits erzählte der Graublauhaarige ja selten, wohin er verschwand, wenn er denn mal verschwand. Und wenn er mal ehrlich mit sich selbst war, hatte auch er keinem erzählt, wohin er reiste. Nicht, dass er mit seinen 19 Jahren noch irgendjemanden Rechenschaft schuldig wäre. Kaum waren die Anschnallzeichen verschwunden, machte Max seinen Gurt los und stand auf. Sanft tippte er seinen Teamkameraden auf die Schultern, welcher sich daraufhin zuerst ärgerlich umdrehte und dann überrascht zu ihm aufblickte. „Hey“, sagte Max nur und ließ sich auf den freien Sitz neben Kai plumpsen. „Fancy meeting you here“, sagte er lächelnd. Der Graublauhaarige hob lediglich eine Augenbraue. „So könnte man es wohl ausdrücken.“ Kurz kam ein unangenehmes Schweigen auf, bis der Blonde sich schließlich ein Herz fasste. „Warum fliegst du nach New York?“, fragte er endlich. „Ich wüsste nicht, was dich das angeht.“ „Wow, ice, ice, baby. Ich dachte darüber wären wir schon hinweg?“ „Max...“, stieß Kai genervt aus und ließ sich tiefer in seinen Sitz sinken. „Du bist aber dünnhäutig heute“, stellte sein Nebenmann amüsiert fest. „Warum hast du uns denn nicht erzählt, dass du heute weg fliegst?“, stellte der Russe daraufhin die Gegenfrage. „Ich hab mich eher spontan dafür entschieden. Um meinen Eltern einen Gefallen zu tun.“ „Na, du klingst aber auch nicht gerade wie die pure Freude.“ „Wenn’s nach mir ginge, würde ich dieses Wochenende mit Emily und ihren Kommilitonen nach Hokkaido fahren“, erwiderte Max schulterzuckend. Dann entdeckte der Blonde einen Flyer, der aus Kais Tasche am Boden hervorlugte und schluckte schwer. „Du fliegst für die Gedenkfeier nach New York“, stellte er einfach fest. Ruckartig drehte der Russe seinen Kopf zu ihm um. „Woher weißt du das?“, fragte er scharf. Angesprochener deutet lediglich auf das Papier. „Und selbst wenn, geht es dich nichts an“, sagte Kai eisern. Max atmete tief ein und zog dann einen gefalteten Zettel aus seiner Hosentasche. Es handelte sich um den gleichen Flyer. Zum ersten Mal sah Kai wirklich und ernsthaft überrascht aus. Es wäre komisch gewesen, hätte es nicht so einen ernsten Hintergrund gehabt. „Das wusste ich nicht. Tut mir leid“, sagte dieser leise. „Muss es nicht. Aber mein Beileid auch an dich. Deine Eltern?“, sanft sah der Blonde zu seinen Sitznachbarn. „Nur mein Vater. Er war im 106. Stock im Südturm. Meine Mutter starb schon drei Jahre zuvor.“ „Sorry about that.“ Kai zuckte nur mit den Schultern. „Wer war es bei dir?“ „Mein Bruder.“ „Ich wusste nicht, dass du einen Bruder hattest.“ Diesmal war es an Max die Schultern zu zucken. „9/11 ist passiert, lange bevor wir uns kennen gelernt haben. Mein Bruder was wesentlich älter als ich. Er machte gerade seine Ausbildung zum Feuerwehrmann.“ Kai schwieg daraufhin. Er bekam ein schlechtes Gewissen. Oft vergaß er, dass nicht nur die Menschen in den Towern betroffen waren. Und ab und an, fluchte er auf die Rettungskräfte, die nicht effektiver gearbeitet hatten. Dabei waren es gerade die beherzten Helfer der Feuerwehr, die sich ohne nachzudenken in die Türme stürzten um zu helfen und dann von dem Einsturz überrascht wurden. „Ich hätte nicht gedacht, dass ich noch vor der Landung das Thema angehen müsste.“ „Me either.“ In dem Moment rollte die Stewardess mit dem Getränkewagen vorbei. „Zwei Wodka, bitte. Und etwas Wasser“, sagte Max lediglich. „So“, fing der Amerikaner nach einem Schluck von seinem Wodka an, „weißt du schon, wo du bleiben wirst?“ „Keine Ahnung. Eigentlich wollte ich gar nicht kommen. War mehr ein spontaner Entschluss. Ich werde mir einfach ein Hotel suchen, falls noch irgendwo ein Zimmer frei ist.“ „Macht es dir etwas aus, wenn ich dich begleite?“ Kai zog beide Augenbrauen fragend zusammen. „Du hast Eltern“, stellte er nüchtern fest. „Ich habe trauernde, nichts mehr um sich wahrnehmende und in ihrem Schmerz versinkende Eltern.“ „Das klingt ernsthaft deprimierend.“ Der Blonde lachte kurz hart auf. „Ja, das ist es auch. Jason war halt immer der Gute.“ „Du bist nun auch nicht gerade ein Schwerverbrecher.“ „Ich bin rastlos“, erwiderte Max tonlos. „Unwillig meinen Eltern zu gehorchen, immer auf der Suche nach meinem eigenen Weg.“ „Klingt traumhaft in meinen Ohren.“ „Sag nicht, du wärest nicht genauso gewesen.“ Max hatte es als Scherz gemeint. „Bis mein Vater gestorben ist, war ich es nicht. Ich hab ihn vergöttert. Ich habe gerne das gemacht, was er wollte.“ Der Blonde konnte den Schmerz in der Stimme seines Freundes hören, der tiefer in seinen Sitz gesunken war und die Augen auf den Becher mit Wodka vor sich fixiert hatte. Er hatte Kai selten so verletzlich und offen gesehen. „Kannst du dich noch daran erinnern, was du an dem Tag gemacht hast?“ „Jede Sekunde.“ „Erstaunlich.“ „Du nicht?“, fragte der Graublauhaarige und sah wieder zu ihm. Sein Nebenmann zuckte unbestimmt mit den Achseln. „Ich konnte es lange nicht. Es war einfach ein so normaler Tag bis dahin. Sozusagen total banal.“ Er schwieg kurz. „Ich weiß noch, dass sie uns früher von der Schule nach Hause geschickt haben, wobei kein Lehrer sagen wollte, was wirklich passiert ist. Also bin ich mit mehreren Umwegen zurück in unsere Wohnung. Wir haben in Queens gelebt und dort habe ich von den Anschlägen selbst nicht viel mitbekommen. Natürlich die Menschen sind auch dort unruhig hin und her gehuscht. Aber ich fand es einfach schön, dass ich so früh Schulschluss hatte und hab mich wenig darum gekümmert. Als ich zu Hause ankam, hatte Mum bereits eine Nachricht aufs Band gesprochen, dass sie ebenfalls früher kommen würde und Dad hatte aus Japan angerufen und gefragt ob alles in Ordnung sei. Ich hab den Trubel ernsthaft nicht verstanden. Erst als ich den Fernseher angeschaltet habe, wusste ich, dass irgendetwas ganz falsch war.“ Sie hatten den Wodka ausgetrunken und Kai orderte mit winkendem Arm eine neue Runde. „Wir...wohnten damals in Manhattan. Auch in einem Hochhaus. Ich wurde zu Hause unterrichtet. Und ich hab’s gesehen. Nicht alles!“, sagte er schnell, als Max Kopf zu ihm herum schoss, „aber mein Vater hatte angerufen, um mir zu versichern, dass es ihm gut ginge. Dass sie nur auf Anweisung warten würden, was sie machen sollen. Dass alles schon wieder in Ordnung kommen würde. Dass er mich liebe.“ Die letzten Worte kamen nur geflüstert heraus und er hielt den Becher fest umklammert. In einer fast schwachen Bewegung, legte er seine linke Hand über seine Augen, als würde er versuchen die Bilder in seinen Kopf auszuschließen. „Und ab da hab ich mich ans Fenster gestellt.“ Auch wenn er wusste, dass Kai Berührungen nicht mochte, konnte er sich selbst nicht davon abhalten, seine Hand auf Kais rechten Unterarm zu legen und diesen kurz zu drücken. „Vielleicht hätte ich nicht in dieses Flugzeug steigen sollten“, sagte der Russe mit belegter Stimme. „Vielleicht war es aber auch genau das richtige.“ „Wie kommst du darauf?“ „Du wirkst nicht so, als hättest du den Tod deines Vaters verarbeitet.“ „Natürlich nicht, er war mein Vater!“, erwiderte der Graublauhaarige aufgebracht, nur um sich daraufhin innerlich selbst zu schelten. Nicht nur er hatte jemanden verloren. „Du scheinst damit jedenfalls besser zu Recht zu kommen.“ Max schnaubte. „Ja, jetzt. Glaub mir, damals habe ich Zeter und Mordio geschrien, tief getrauert und mindestens ein Jahr lang mit niemandem geredet. Unser Haus war das reinste Mausoleum. Ist es übrigens immer noch. Und ich hatte permanent Angst. Angst das Haus zu verlassen, Angst mit den Öffentlichen zu fahren, Angst über Brücken zu gehen, Angst vor Menschenmassen, Angst vor Leuten, die in den Himmel blicken, Angst vor der Dunkelheit, Angst vor Treppenhäusern, Angst in stickigen Räumen, Angst vor rennenden Menschen, Angst vor Anrufbeantworten, Angst vor geschlossenen Räumen. Ich konnte die Vorstellung nicht loswerden, wie diese letzten Minuten gewesen sein mussten. Eingeschlossen in einem endlosen Treppenhaus, das hunderte Stockwerke hoch geht, man kann weder vor noch zurück und überall ist Rauch. Das Atmen ist schwer und man merkt, dass man einen Fehler gemacht hat, schon in dem Moment, in dem man das Gebäude betreten hat. Man weiß, dass es jeden Augenblick vorbei sein kann. Und dann stürzt alles auf einen ein und erdrückt einen. Dabei wollte man doch nur helfen. Ist das gerecht?“ Er holte tief Luft und schloss die Augen, die zuvor ziellos durchs Flugzeug geglitten waren. „Und irgendwann habe ich es nicht mehr ausgehalten, hab die Schule geschwänzt, bin zum Ground Zero gefahren und hab Mülleimer zertreten.“ „Warum Mülleimer?“ „Die standen da gerade halt. Aber es hat mir geholfen, die Wut in meinem Bauch los zu werden. Als ich dann vor den Löchern im Boden stand, war ich wie leer. Und dann habe ich mir vorgestellt was mein Bruder mir in einer solchen Situation geraten hätte. Und ich habe mir vorgestellt, dass er in der Erfüllung einer Pflicht gestorben ist, der er gerne nachgegangen ist. Das hat geholfen.“ Er schwieg kurz. „Danach...habe ich mir eine Liste von Überlebenden besorgt und nach jemanden gesucht, der meinen Bruder an jenem Tag gesehen hat. Ich habe hunderte Menschen aufgesucht, ihre Geschichten gehört und verzweifelt jeden gefragt, ob er sich sicher nicht an einen ganz jungen Feuerwehrmann mit blonden Haaren erinnern könne. Wie unsinnig mein Vorhaben war, war mir durchaus völlig bewusst. Wie sollten diese, damals panisch aus dem Gebäude stürmenden Menschen, sich an einen Mann erinnern, der genau dieselbe Uniform und denselben Helm trug, wie all die anderen. Aber stell dir vor: ich fand einen Mann. Er schwor Stein und Bein, dass Jason ihm aus dem Gebäude geholfen hatte, weil er sich den Knöchel gebrochen hatte. Und nachdem er den Mann an Rettungssanitäter übergeben hatte, wäre er wieder reingegangen in das Inferno.“ Max nahm einen Schluck Wasser. Seine Kehle war unangenehm zu geschnürt. „Das hat geholfen. Ich wusste nun, dass mein Bruder Menschen geholfen hatte. Ich weiß nicht warum, aber dadurch hatte ich das Gefühl sein Tod wäre nicht ganz so sinnlos. Nicht nur der Akt von ein paar todessehnsüchtigen Terroristen.“ Er bemerkte erst, dass seine Hand immer noch auf Kais Unterarm lag, als dieser mit seiner anderen Hand seine drückte. Kurz schloss er die Augen und atmete tief durch. „Es war der schlimmste aller Tage. Aber es sind wieder bessere gekommen. Und es werden noch bessere bevor stehen.“ „Du bist mit Abstand der unverbesserlichste Optimist den ich je kennen gelernt habe.“ Daraufhin musste Max tatsächlich lachen und sorgte damit dafür, dass auch Kai kurz mit den Mundwinkeln zuckte. „Seid ihr deshalb nach Japan ausgewandert?“ „Nur mein Vater. Meine Mutter hat sich nach dem Tag in Arbeit verkrochen und begann ernsthaft Karriere zu machen. Sie war praktisch nie zu Hause. Letztendlich ist die Ehe meiner Eltern daran und an der Trauer zerbrochen. Sie haben nie verwunden, dass ihr perfekter Sohn nicht mehr da ist.“ Kai seufzte tief. „Wie wäre es, wenn wir das Selbstmitleid bis morgen begraben und uns jetzt nen richtig schönen Film anschaun?“ Enthusiastisch wandte Max seinen Kopf um. „Oh klasse, ich hab American Pie 4 auf meinem Laptop. Warte, ich hol ihn kurz!“ Der Russe verdrehte die Augen, während der Blonde aufsprang. Also, doch alles so wie immer.... Kapitel 6: Das Leuchten der Stille... ------------------------------------- „Von all deine dummen Ideen ist das mit Abstand die Dümmste!“ „Es ist nicht nur eine Idee“, erwiderte Max ruhig. „Eine Idee wäre es, wenn es ein unausgereifter, spontaner Gedanke wäre. War es aber nicht.“ Frustriert ließ sich Emily auf das Bett des Blonden fallen und sah ihn mit finsteren Blick an. „Wie kann ich dich davon abhalten?“ „Gar nicht“, sagte er schlicht und wandte sich wieder seinem Mathebuch zu. „Es ist nicht so, als hätte ich das aus heiterem Himmel entschieden. Ich hab dir schon früher gesagt, dass es so kommen wird.“ „Ehrlich gesagt, dachte ich, dass du nur herumalberst.“ „Emily“, fing er mit weicher Stimme an, „alle aus meiner Familie erwarten das von mir.“ „Von allen dummen Gründen, sollte das der allerletzte sein!“ Max stand auf und kam rüber zum Bett. Er nahm ihre Hand. „Ich mach das, weil ich es für das Richtige halte. Und ich würde mich freuen, wenn du mich dabei unterstützt.“ Sie seufzte schwer und sah ihn an. „Und wann wolltest du dich bei der U.S. Army melden?“ „Gleich nach den Abschlussprüfungen.“ *+*+*+*+* „Du hast einen Abschluss von 1,3.“ „Ich weiß.“ „Eine 1,3!“ „Bitte, hör auf so überrascht zu klingen.“ „Tut mir leid.“ Sie küsste ihn auf die Wange. Kurz lagen sie in kompletter Stille da und genoßen die gemeinsame Ruhe nach dem turbolenten Tag. „Ich meine, ich weiß ja, dass du nicht der schlechteste Schüler warst, aber....“ „Emily!“, rief Max halb erbost, halb belustigt. „Sorry“, grinste sie schließlich. Sie veränderte ihre Position im Bett und legte ihre rechte Hand auf seine Brust um anschließend ihren Kopf darauf zu stützen, damit sie ihn ansehen konnte. „Du hättest damit an so vielen Universitäten studieren können...“, murmelte sie und sah ihn unbestimmt an. „Das kann ich immer noch.“ Sie waren in seinem Elternhaus und hatten sich nach der lauten und vollen Abschlussfeier zurückgezogen. Die beiden hatten sich so wie sie waren, aufs Bett gelegt, wobei die Rothaarige Max Jacket anhatte, da ihr während der Feier in ihrem kurzen Kleid kühl geworden war. Morgen früh musste sich Max zu seiner Grundausbildung in der Kaserne melden. „Ich will nicht, dass du gehst“, sprach sie schließlich leise aus, was sie die letzten Tage ihm zu liebe immer zurück gehalten hatte. „Ich weiß. Es ist ja nicht für immer.“ „Ja, die Grundausbildung. Danach wirst du dann aber nach Afghanistan oder in den Irak geschickt.“ „Das steht doch noch gar nicht fest“, meinte er versöhnlich. „Aber du kannst es auch nicht ausschließen.“ Mit diesen Worten wandte sie das Gesicht von ihrem Freund ab und legte den Kopf komplett auf seine Brust, sodass sie seinen Herzschlag hören konnte. Wie sehr würde sie ihn vermissen! Er legte einen Arm um ihre Schulter und küsste sie aufs Haar. „Bist du noch da, wenn ich wiederkomme?“, fragte er leise. „Natürlich. Wohin sollte ich sonst gehen?! Außerdem muss doch einer auf deinen Hund aufpassen.“ Max lachte kurz auf und beide sahen zu Zeus, dem Schäferhund, der wie immer sein Quartier neben der Zimmertür bezogen hatte und die beste Eltern-Alarm-Glocke war, die sich ein Teenager wünschen konnte. „Deine Mutter würde das arme Tier doch verhungern lassen.“ Diesmal lachte Max laut auf. „Ja wahrscheinlich“, sagte er und ließ seinen Blick noch einmal kurz bei Zeus verweilen, der ihn aus halb offenen Augen ansah. Dann wandte er sich an Emily. „Schreibst du mir ab und an mal?“ „Nur, wenn du mir schreibst“, antwortete sie grinsend, sich sein Unbehagen über Briefe schreiben in Erinnerung rufend. Er lächelte zurück. „Hab ich dir heute eigentlich schon gesagt, dass ich dich liebe?“ „Erst vier oder fünfmal.“ „Na das geht ja gar nicht.“ Er legte eine Hand in ihren Nacken und zog sie zu einem Kuss zu sich heran. „Ich liebe dich“, sagte er nach ein paar Sekunden atemlos. „Und ich dich erst!“ *+*+*+*+* Liebe Emily, dein letzter Brief war unglaublich! Die Geschichte von Michael und dem Hamster kann ich bis jetzt noch nicht richtig glauben und hat die Jungs in meinem Schlafsaal ordentlich zum lachen gebracht. Ich hätte nicht gedacht, dass das möglich ist, aber die Ausbildung wird tatsächlich immer noch jeden Tag härter. Und ich dachte Kai wäre ein Sadist.... Schmunzelnd las Emily den Rest des Briefes im Gehen. Sie war gerade auf dem Weg zu ihrer Computer AG in der Schule und hatte auf den Weg nach draußen einen Brief von Max im Postfach gefunden. Seit fünf Monaten war ihr Freund nun schon in der Kaserne und für sie hatte das neue Schuljahr schon vor einer Weile angefangen. Obwohl sie sich freute, dass auch sie nun ein Senior in der High School war, konnte sie es einfach nicht so genießen, wie gedacht. Max fehlte ihr doch erheblich und auch wenn er einmal im Monat Ausgang bekam, war es einfach nicht dasselbe. „Dir fehlt er auch, oder?“, wandte sie sich an Zeus, der ihr ein steter Freund und Begleiter geworden war. Seit sie ihn da erste Mal mit in die AG genommen hatte, war er dort herzlich willkommen und sie nutzte diese Chance aus. Sie konnte die High School schon von weitem erkennen und genoss die letzten Meter, die durch eine Kastanienbaumallee fürten und voll im Herbst standen. „Hey!“ Aus den Gedanken gerissen, drehte sie sich erschrocken um. Hinter ihr stand ein brünetter Junge ihres Alters. Komisch, sie hätte gedacht, dass sie alleine wäre, denn sie hatte keine Schritte hinter sich ausmachen können. „Du bist Emily oder?“ „Ja?“ „Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken. Ich kenn dich vom sehen aus der Schule und wollte auch so gerne in die Computer AG“, er lächelte sie an. „Ich hab dich gerade gesehen und dachte, ich könnte mich dir einfach anschließen.“ „Gerne“, sagte die Rothaarige nach kurzen Zögern, „wie heißt du denn?“ „Ryan.“ „Nett dich kennen zu lernen, Ryan.“ „Ebenso.“ Gemeinsam gingen sie die letzten Meter zu dem Schulgebäude. „Einen wunderschönen Hund, hast du da“, fing Ryan ein Gespräch an. „Danke. Er gehört meinen Freund“, auch wenn sie dies ohne einen zweiten Gedanken äußerte, war es ihr wichtig, gleich klarzustellen, welche Art von Freundschaft Ryan zu erwarten hatte. „Ja, der Blondschopf oder?“ Sie drehte überrascht ihren Kopf zu ihm um. Er hob entschuldigend die Hand: „Ich hab euch bei dem letzten Nachbarschaftsfest gesehen. Nette Uniform hatte er an.“ „Er wird beim Marine Corps ausgebildet.“ „Das klingt beeindruckend. Und einsam.“ „In der Kaserne ist er bestimmt nicht einsam“, schnaubte Emily belustigt. „Nein, ich meine, es ist bestimmt ein einsames Leben für dich.“ Er sah sie offen an. Sie waren am AG Raum angekommen und standen vor der Tür. Sie blickte zurück. „Ich habe genug Freunde, keine Sorge.“ Damit ließ sie ihn stehen und betrat zusammen mit Zeus den Raum. „Ok, Leute, bis nächste Woche“, sagte der AG Leiter über das laute Stühle rücken der Schüler hinweg. Aus irgendeinem Grund war Zeus ziemlich unruhig und sah Emily schwanzwedelnd und auffordernd an. „Was hast du denn?“, fragte sie ihn verwundert und machte sich zusammen mit ihm auf den Weg zum Ausgang. Zeus war so gut trainiert, dass er grundsätzlich keine Leine brauchte, selbst bei ihr nicht, doch jetzt lief er ungewohnterweise knapp zehn Schritte vor ihr. Als sie das Gebäude verließen stürmte er davon. „Zeus!“, rief sie überrascht und lief ihm hinterher. Dann erkannte sie, warum der Schäferhund so unruhig war. „Max!“ Von weitem erkannte sie ihren Freund, der sich zu seinen Hund hinunter gebeugt hatte, als dieser ihn freudig begrüßte. Sie lief auf ihn zu und bevor sie überhaupt alles richtig realisieren konnte, schloss sie schon ihre Arme um seinen Hals. „Hey!“, sagte er lächelnd und zog sie näher zu sich ran. „Was machst du hier?“, fragte sie nach dem ersten Moment der Freude. „Du warst doch erst vor zwei Wochen da.“ „Besten Dank auch“, antwortete der Blonde lachend. „Nein, du weißt, was ich meine“, erwiderte sie augenverdrehend mit einem Lächeln. Sie legte ihre Arme auf seinen Rücken und sah zu ihm hoch. Normalerweise bekam er nur einmal im Monat Ausgang. Er strich ihr die Haare hinter ihr rechtes Ohr und ließ seine Hand auf ihrer Wange verweilen. Mit einem Hauch Wehmut in den Augen sah er sie an. „Ich hab noch einmal vier Tage Urlaub bekommen, um mich verabschieden zu können.“ Das Lächeln verschwand augenblicklich aus ihrem Gesicht. „Du gehst in den Irak“, stellte sie einfach nur fest. „Nach Afghanistan“, sagte er. Zeus jaulte neben ihm auf. *+*+*+*+* Lieber Max, die Tage hier sind lang ohne dich. Der Winter hält uns nun völlig gefangen und selbst Zeus mag nicht mehr lange draußen verweilen. Hast du meine letzten Briefe bekommen? Ich vermisse dich... Emily hielt inne und starrte auf das, was sie bisher geschrieben hatte. Heute war einer ihrer sehr wehmütigen Tage. Vierzig Zentimeter Schnee waren heute gefallen und ihr altes Auto ist nicht mehr angesprungen, sodass sie sich selbst unfreiwillig schulfrei gab. Sie hatte den Tag damit verbracht auf dem Bett in Selbstmitleid zu versinken und Snow Patrol rauf und runter zu hören. Erst als Michael angerufen hatt, um zu fragen, ob sie Lust hatte vorbei zu kommen, konnte sie sich aufraffen. Zusammen mit Zeus kämpfte sie sich durch die Schneemassen und verbrachte den Nachmittag in der wohligen Gesellschaft ihrer Teamkameraden. Sie verabschiedete sich früher, damit sie heute noch den Brief fertig schreiben konnte. Um nicht Gefahr zu laufen, völlig in einen Wahn zu verfallen, hatte sie es sich zur Regel gemacht nur einmal in der Woche an Max zu schreiben. Seit fünf Wochen war er nun drüben in Afghanistan und er hatte noch kein einziges Mal zurückgeschrieben. Natürlich wusste sie, dass die Post im Schneckentempo arbeitet und ein Militärstützpunkt nicht dasselbe war, wie eine Kleinstadt in Ohio, aber trotzdem...war sie enttäuscht. Bevor sie erneut ansetzen konnte, klingelte das Telefon. Zeus hob den Kopf. „Schon gut, alter Junge“, murmelte Emily und hangelte nach dem Telefon. „Oh, hallo Ryan“, antwortete sie, nachdem der Sprecher sie begrüßt hatte. „Du hast schon wieder deine Notizen verlegt? Was für ein unglücklicher Zufall“, sagte sie augenverdrehend. Das dritte Mal im letzten Monat wohlgemerkt. „Natürlich bringe ich sie dir morgen zur Computer AG mit.“ Sie begann bereits nach den Unterlagen ihrer letzten Mathematik Stunde zu kramen. „Was? Achso, ja, mein Auto ist heute nicht angesprungen, deswegen war ich nicht da.“ Ryan redete kurz am anderen Ende des Hörers. Emilys Augenbrauen verschwanden unter ihrem Pony. „Nein, du brauchst mich nicht abholen. Sicher nicht. Ganz sicher.“ Der Brünette schien noch weitere Argumente aufführen zu wollen, aber die Amerikanerin würgte ihn an. Mit ungutem Gefühl sah sie auf ihr Telefon. Ryan war ihr einen Tick zu anhänglich für ihren Geschmack. Besonders, wenn man bedacht, wie oft sie beiläufig erwähnte, dass sie einen Freund hatte. Mit einem tiefen Seufzen wählte sie eine Nummer. „Hey Steve, kannst du mich morgen mit zur Schule nehmen?“ *+*+*+*+* Liebe Emily, ich vermisse dich ganz fürchterlich! So, das musste als erstes gesagt werden. Und ich weiß, du stirbst vor Neugierde, deswegen als nächstes: Ja, es geht mir gut! Mach dir keine Sorgen. Ich darf dir nicht genau sagen, wo wir hier sind, aber es ist alles in Ordnung. Die Hitze ist unbeschreiblich, ich kann kaum fassen, dass bei euch jetzt Minusgrade sind! Es ist sogar eigentlich ganz interessant hier auf dem Stützpunkt, wenn ich ehrlich bin.... Emily schnaubte. Na toll, jetzt gefiel ihm der Army Mist auch noch. Hinter ihr schepperte etwas gewaltig. Seufzend steckte sie den Brief weg und nahm sich vor, in später zu Hause in Ruhe zu Ende zu lesen. „Was habt ihr wieder angestellt?“, fragte sie amüsiert und ging von dem Büro in den Gemeinschaftsraum der PPB All Starz. Ein bedröppelter Michael stand mit einem Football in der Hand, vor der zerstörten Glasvitrine mit ihren Pokalen. „Ups“, sagte er lediglich und sah sich unschuldig um wie ein kleiner Schuljunge, der beim Klauen erwischt wurde. Emily konnte darüber nur lachen. „Machs bloß weg bevor Judy kommt“, sagte sie amüsiert. „Uh, vorsicht Großer.“ Michael schubste Zeus der neugierig angekommen war, ein bisschen nach hinten, damit er nicht in eine der Scherben trat. Er war jedoch schnell abgelenkt, als er von weitem Judy hörte und ihr schwanzwedelnd entgegen lief. Auch wenn Max Mutter mit Tieren grundsätzlich nichts anfangen konnte, mochte sie den Schäferhund und begrüßte diesen mit einem Kopf tätscheln. „Hallo ihr“, sagte sie in den Raum. Hinter ihr tauchten Eddy und Steve auf, sodass ihr Team komplett war. Dann konnte das wöchentliche Teammeeting im PPB Forschungszentrum ja beginnen. „Als aller erstes, möchte ich euch unser neuestes Team Mitglied vorstellen“, fing Judy an. Alle horchten auf. „Wie bitte?“, fragte Steve erstaunt. „Nun, Max war zwar kein festes Mitglied mehr in den letzten zwei Jahren, aber er hat immer wieder ausgeholfen und bei den nächsten nationalen Meisterschaften wird sein Fehlen sich bemerkbar machen. Deswegen habe ich mir gedacht, dass wir uns einen neuen zweiten Ersatzmann suchen.“ „Und du hast dir einfach gedacht, du suchst denjenigen ganz alleine aus?“, fragte Michael ziemlich verärgert. Er fühlte sich als Teamcaptain gerade etwas zurück gesetzt. „Oh, ich habe dieses Mal keinen Unbekannten genommen. Er geht mit euch seit diesem Jahr auf die Schule. Das heißt, dass, du, Michael, ihn vielleicht nicht mehr kennst, da du ja schon seit dem Herbst aufs College gehst, aber ihr anderen dürftet ihn kennen. Ryan, komm doch bitte herein!“ Emily musste schwer an sich halten. Zeus unter ihrem Stuhl merkte ihre Unruhe und wandt sich durch den Tisch durch um die Tür besser beobachten zu können. „Hey...“, sagte Eddy als einziger lahm, während der Rest den neuen Teamkameraden mit Schweigen begrüsste. „Und du sagst, er ist creepy?“ „Nein, das nicht, aber...“, Emily verlor sich kurz in ihren Gedanken, während sie für Zeus die Tür ihres Pick Ups öffnete, „er ist...“ „Ja?“, fragte Michael und sah sie an. „Ach, keine Ahnung. Er rückt mir einfach nen bisschen zu sehr auf die Pelle.“ „Er tut was?“, fragte nun auch Steve erstaunt. Die drei standen auf dem Parkplatz, um das Meeting noch unter sich nach zu besprechen. „Er ist ganz nett dabei“, erwiderte die Rothaarige schulterzuckend und schloss die Beifahrertür. „Es ist egal, wie nett er dabei ist. Stalking ist nicht gerade die englische feine Art.“ „Er stalked mich ja nicht richtig. Er ist halt...sehr präsent.“ „Weiß er, dass du in einer Beziehung bist?“ „Wohl eher: weiß er, dass dein Freund mit ner Waffe umgehen kann?“, sagte Michael schnaubend. „Ja und ja.“ „Sollte ich dich deswegen letztens mit zur Schule nehmen?“ Sie wollte die Frage eigentlich nicht beantworten. Vielleicht interpretierte sie zu viel in die Sache hinein und sah Dinge, die überhaupt nicht da waren. Dann wäre es blöd, wenn die Jungs gegenüber Ryan schone eine vorgefertigte, unschöne Meinung hätten. „Also ja“, schlussfolgerte Steve. „Du meine Güte, weiß Max davon?“, wollte Michael wissen. „Natürlich nicht! Es gibt auch nichts zu wissen. Ryan ist nur ein bisschen zu nett. Und jetzt entschuldigt mich; es ist spät und ich will nach Hause.“ Mit diesen Worten schwang sie sich auf den Fahrersitz ihres Autos und winkte den beiden Jungs noch einmal zu bevor sie losfuhr. Diese sahen ihr zweifelnd nach. *+*+*+*+* „Ja, bis nachher!“, rief Emily und wandte sich von ihren Klassenkameradinnen ab, um zu ihren Spind zu gehen. Dort wartete Ryan auf sie. Sie konnte das Augen verdrehen kaum verhindern. „Hey“, sagte sie und er sah sie mit einem enntwaffnenden Lächeln an. „Hey. Danke für deine Notizen.“ Er reichte ihr die Mathe Notizen von der vorletzten Stunde. „Du solltest dir endlich einen vernünftigen Ordner beschaffen, dann müsstest du mich nich ständig fragen“, erwiderte sie ziemlich auffordernd und nur einen Hauch unfreundlich. Er lachte und legte verlegen die Hand in den Nacken. „Ja, ich habs nicht so mit Ordnung. Aber da wir ja jetzt ein Team sind, macht es dir doch bestimmt nichts aus, oder?“, augenzwinkernd sah er sie an. Diesmal verdrehte sie wirklich die Augen. „In unserem Team herrscht Disziplin und Ordnung“, (Lüge), „Ohne wären wir nicht so weit gekommen.“ „Ja, wahrscheinlich hast du Recht.“ Er schien für einen kurzen Moment gedankenverloren. Dann setzte er an: „Sag mal, hast du vielleicht Lust...“, wurde aber von Emily Handyklingeln unterbrochen. Überrascht zog sie es aus der Tasche. Niemand rief sie an, während sie in der Schule war. Und dann auch noch mit unterdrückter Nummer? „Ja?“ Ryan beobachtet, wie ihr fragendes Gesicht sich in ein freudig erregtes wandelte. „MAX!“ Sie drehte sich von ihm weg und verschwand in der Masse der Schülerschaft. Ihren Spind hatte sie jedoch offen gelassen. „Du meine Güte, bist du's wirklich?“ Völlig aus dem Häuschen stand Emily draußen in der Kälte, um dem Lärm der Schule zu entgehen. „Ja“, erwiderte Max lachend am anderen Ende des Hörers. Seine Stimme kam etwas verzerrt und schwach bei ihr an, aber das war völlig egal. Seit vier Monaten hatte sie seine Stimme nicht mehr gehört und sie könnte Luftsprünge machen. „Ist alles bei dir in Ordnung? Geht's dir gut? Bist du verletzt?“ „Bei mir ist alles ok, aber geht es dir auch gut?“ Sie konnte ernsthafte Sorge raushören und wunderte sich darüber. Immerhin war er als Soldat in Afghanistan. „Natürlich geht es mir gut, warum sollte es nicht?“ „Ich hab heute einen Brief von Michael bekommen, der mich...ziemlich besorgt gemacht hat.“ Emily seufzte tief und schlug sich die Hand vor die Stirn. „Es ist nichts. Nur ein Junge, der ein bisschen in mich verschossen ist.“ „Das kann ich ihm nicht verübeln“, sagte der Blonde lächelnd und ihr wurde einfach nur warm ums Herz. „Ich vermiss dich so schrecklich.“ „Ich dich auch. Aber es sind nur noch drei Monate bis ich Urlaub habe.“ „Ich weiß....“, sie seufzte schwer, „wie kommt's dass du mich anrufen durftest?“ „Ähm...“, räusperte er sich verlegen und sie sah praktisch vor sich, wie er sich in einer verlegenen Geste durchs Haar fuhr und musste bei dem Gedanken lächeln, „Ich hab meinen Captain ein bisschen angeschwindelt und gesagt, es wäre ein familiärer Notfall. Man darf das Satellitentelefon eigentlich nur benutzen, wenn es nicht anders geht. Und ich hab nur fünf Minuten, damit werden mir alle Privilegien für den Monat gestrichen.“ Sie machte ein bestürztes Geräusch. „Nein, mach dir keine Sorgen“, wandte er sofort ein, „ich musste dich einfach anrufen, nachdem was Michael geschrieben hat und hören, ob es dir gut geht. Und deine Stimme bedeutet mir tausend Mal mehr als meine Ausgehprivilegien. Hier kann man sowieso nirgednwo hin gehen.“ Sie war nicht der sentimentale Typ. Wirklich nicht. Sie konnte schon immer besser mit Jungs als mit Mädchen, weil ihr diese meist zu verweichlicht waren. Aber jetzt konnte sie die Tränen kaum zurückhalten, die ihr in die Augen traten, weil sie Max in diesem Moment so schmerzlich vermisste, wie sonst nichts anderes auf der Welt. „I love you“, flüsterte sie in den Hörer. „Love you more“, erwiderte er und sie konnte das verschmitzte Grinsen praktisch vor ihr sehen, war sie es doch immer, die diese Worte sagte. Dann war die Zeit um und Max beschwor ihr auf sich aufzupassen, was fast lächerich klang, was sie ihm auch sagte, mit der Erwiderung, dass er gefälligst auf sich aufzupassen habe, was ihn wiederum nur zum lachen brachte. Die Verbindung brach mit einem unschönen Knarzen in der Leitung und Emily nahm nur langsam den Hörer vom Ohr. Sie starrte kurz darauf und führte dann das Handy an ihre Stirn, schloss die Augen und rekapitulierte das Gespräch noch einmal. Bis sie auf einmal eine Jacke auf ihren Schultern spürte. Sie drehte sich überrascht um und sah zu Eddy, der sie warm anlächelte. „Dir wird noch kalt“, sagte er, während er seine Jacke noch fester um sie zog. „Danke“, erwiderte sie, noch immer Tränen in den Augen und er legte einen Arm um ihre Schulter, um sie zurück ins Warme zu führen. *+*+*+*+ „Seid ihr ready!?“, rief Michael enthusiastisch in die Runde. Sein hochmotiviertes Team antwortete ihm jubelnd. Endlich waren die Vorrunden der nationalen Meisterschaft vorüber, die sie als amtierende Meister nicht bestehen mussten und nun konnten auch sie aktiv in den Wettkampf einsteigen. Gerade als durch die Tür in den Korridor treten wollten, klopfte es und ein rosafarbener Kopf erschien. „Hey ihr lieben!“ „Mariah!“, hocherfreut schob sich Emily an Eddy vorbei und schloss ihre langjährige Freundin in die Arme. „Überraschung!“, rief diese noch lachen und winkte dem Rest des Teams zu. „Mariah, schön dich zu sehen“, sagte Michael und zeigte aber gleichzeitig mit einer Handbewegung, dass sie jetzt wirklich los müssten. „Ich komm gleich nach“, sagte Emily schnell. „Nein, ich will euch nicht aufhalten. Geh ruhig. Ich wollte euch nur noch viel Glück vorher wünschen“, die Chinesin hob die Daumen in Richtung des Teams, dass sich auf dem Weg machte und ihr dankend zunickte. „Alles ok bei dir?“, fragte Emily als die anderen schon aus der Tür wären, „Wusste ich dass du kommst?“ „Nein, ich bin eine Überraschung. Hoffentlich keine all zu negative?“ „Keine Sorge“, beteuerte die Rothaarige sofort, „Ich freu mich, dass du da bist.“ „Gut, und jetzt los! Immerhin müsst ihr noch eine Meisterschaft gewinnen, wir wollen uns doch bei den World Champion Ship wiedersehen!“ Mit dieser Aufforderung verschwand auch Emily lachend aus der Tür. Es war nach dem Ende des Viertelfinales, als Emily bemerkte, dass Judy ungewöhnlich blass und still war. Die Rothaarige beobachtet das eine Weile und kurz bevor sie die Arena für das Halbfinale betraten, hielt sie die blonde Frau unauffällig an ihrem Ärmel zurück. „Judy, ist bei Ihnen alles in Ordnung?“ „Es ist nichts“, sagte diese schnell. Viel zu schnell. „Also, ist etwas?“, schlussfolgerte Emily sofort. „Nichts, woran man jetzt etwas ändern könnte.“ „Judy, das klingt nicht gut“, sie sah ihre Trainerin verwirrt an. Diese seufzte nur. „Vielleicht ist es wirklich nichts und ich möchte euch nicht vom Wettkampf ablenken. Mit diesen Worten wandte sie sich ab und lief die letzten Meter in die Arena. Emily folgte ihr forsch. Sie setzte sich auf die Bank und nahm das Notebook von Judy entgegen, um die Daten ihrer Gegner abzurufen. Steve machte sich währenddessen auf den Weg zum Tableau. Als Emily das Notebook aufklappte, sah sie mehrere offenen Fenster. In gewohnter Routine gab sie Daten ein und öffnete Tabellen. Dann blieb ihr Blick an einem der Tabs hängen, der zwar nicht ungewohnt war, aber nicht in eine Wettkampfsituation gehörte. Der Nachrichten Ticker von n-tv. Überrascht klickte Emily darauf, während Steve sein Blade das erste Mal startete. In ihrem Magen bildete sich ein Knoten und ein eiskalter Schauer überlief sie. Drei Transporter des 22th Marine Expeditionary Unit sind Opfer einer Landmine geworden. 9 Tote, 14 Verletzte. Max Einheit. Ihr wurde schlecht. Steve gewann sein Match spielend. „Emily, du bist dran!“ Michael boxte sie gespielt in den Oberarm und grinste sie an. „Ich kann nicht“, whisperte sie. „Was?“, fragte der Brünette überrascht und sah sie erstaunt an. „Sorry, Michael...ich...also, gott, ich kann nicht“, sie schluckte, „Eddy, bitte spring für mich ein“, sagte sie und sah ihren Teamkollegen bittend an. „Geht es dir nicht gut?“, erwiderte dieser nur und musterte sie besorgt. „Bitte...bestreite einfach das Match.“ Sie überlegte kurz, ob sie Probleme hatte Luft zu bekommen, entschied sich dann aber dafür, dass sie nur überreagierte und konzentrierte sich darauf nicht die Fassung zu verlieren. Judy erkannte sofort was los war und auch ihr Gesicht zeigte die offene Besorgnis, die sie die letzten Stunden verborgen hatte. „Emily, wir wissen gar nicht, ob er dabei ist. Vielleicht hatte er gerade Dienstfrei oder er war auf dem Stützpunkt oder er ist nur verletzt oder...“, ihre Stimme verlor sich und die Rothaarige erkannte, dass Judy sich nur selbst gut zurredete. Michael schaute besorgt und verwirrt zwischen den beiden Frauen hin und her. „Weißt du, vielleicht...“, setzte Max Mutter an, aber Emily hob nur die Hand um sie zum Schweigen zu bringen. Sie rang jetzt um Fassung. „Das ist alles nur eure Schuld!“ Sie wusste, dass dem nicht so war und dass sie irrational handelte, aber irgendwo musste die Angst und der Ärger hin. Judy sah sie entsetzt an. „Er ist nur wegen euch dort!“ Mit diesen Worten stand Emily auf, drückte Michael das Notebook in die Hand und verschwand in Richtung der Kabinen. Auf dem Weg dahin fielen die ersten Tränen. „Em, ich hab dich lieb und ich weiß, dass du ihn gerne hast und er dich an Max erinnert, aber muss das Vieh auf dem Bett liegen?“ Zum ersten Mal seit Stunden lachte Emily wieder und kraulte Zeus hinter den Ohren. Als ausgewachsener Schäferhund nahm er ausgesprochen viel Platz in ihrem Bett ein. „Na los mein Großer“, sanft schob sie den großen Hundekopf von ihrem Schoss und Zeus gehorchte. „Bitte, lass uns jetzt die Bettwäsche wechseln“, sagte Mariah angewiedert. Mit einem Schmunzeln stand die Rothaarige auf, warf ihrer Freundin frische Wäsche aus ihrem Schrank zu und verschwand im Bad. Sie wusch sich das Gesicht und blickte anschließend in den Spiegel. Alles andere als ein erheiternder Anblick. Sie hasste sich, wenn sie so schwach war. Keine halbe Stunde nachdem sie aus der Arena gestürmt war, hatte sie Judy angerufen und sich entschuldigt, was ihre Trainerin wortlos hingenommen hatte. Dafür hatte sie Emily jedoch versprochen sich zu melden, sobald weitere Informationen bekommen hatte. „Emy, du strangulierst dich da drinne nicht gerade mit dem Duschvorhang oder?“ „Bin gleich da“, rief sie zurück. Als sie zurück kam saß Mariah in Schlafsachen auf dem frischbezogenen Bett und lächelte sie erwartungsvoll an. Emily stand kurz im Türrahmen. Das Gesicht der Rosahaarigen fiel. „Oh, Emily“, sagte sie nur, breitete ihre Arme aus und ihre beste Freundin konnte nicht anders, als sich von diesen Armen umschließen zulassen. Nach einer Weile fühlte die Rothaarige sich zum ersten Mal etwas schläfrig. Ihr Kopf lag in Mariahs Schoß und diese fuhr ihr immer wieder sanft mit den Fingern durchs Haar, während sie leise chinesische Schlaflieder summte. Emily schloss entspannt die Augen. Natürlich konnte sie nicht verhindern an Max zu denken, aber dieses Mal waren es rein positive Gedanken. Wie sie sich vor über zwei Jahren zufällig bei einem Linkin Park Konzert im Central Parc trafen und eine total verrückte Nacht in New York verbrachten oder an ihren ersten Kuss in einer total abgerantzten Bar um 4:35 hatten, wo die beste Band der Welt ein spontanes Konzert gab oder der Moment am See wo Zeus zum ersten Mal auf ihr Kommando gehört hatte und sie vor Freude mit Klamotten vom Steg gesprunge war, Zeus hinter ihr her und Max lachend draußen stand. Sie lullte sich in alle diese Gedanken ein, mit Mariahs Stimme als Hintergrundmusik und nur am Rande nahm sie war, dass ein Telefon klingelte und ihre Freundin ran ging. Das Telefon und das Handy gingen an diesem Tage permanent, alle Freund von Max auf der ganzen Welt waren anscheinend der Meinung, dass eher Emily irgendwie wissen müsste, was passiert war. „Ok, ich sag es ihr“, hörte sie Mariah sagen und wandte ihr sofort den Kopf zu. „Emily...“, fing diese an, „das war Judy.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)