Mind Game von Mikita (A Dreamrealm) ================================================================================ Kapitel 3: Kapitel 3 -------------------- Kapitel 3 Alice Eine Alice ist ein Phänomen, das lediglich innerhalb des Wonderlandrealms anzutreffen ist. Wie bereits der Name darauf hinweist, wird das Wonderlandrealm oft dem Wunderland aus Alice im Wunderland nach Lewis Carrol nachempfunden, jedoch mit der eigenen Fantasie bestückt und weiter ausgebreitet. Kommt es zur Dialysion des Realm und dem betroffenen Anwender findet sich jener in seinem Wonderlandrealm wieder, wird er in seinem Realm als „Alice“ identifiziert und wird einer sogenannten „Charakterschlüsselkartenprüfung“ unterzogen. Dieses Phänomen ist bislang nur 3 mal vorgekommen, doch in allen auftretenden Fällen wurde berichtet, dass schwere Folgen der Amnesie und der Demenz auftraten. [Quelle: Sankturium über die Illusion] Es war vollkommen still, bis auf das leise Rascheln unter ihren Füßen, während sie den Weg entlang gingen, beide vollkommen barfuß. Der Junge strauchelte ab und zu und setzte so vorsichtig wie möglich einen Fuß vor den anderen. Der Boden schmerzte selbst durch seine Hornhaut und er biss die Zähne zusammen. Die Frage, wieso der Grinser überhaupt Anziehzeug mit sich führte, hatte er bereits verdrängt. Es brachte doch nichts, ihn zu fragen. Etwas in Gedanken lief der Junge weiter, ehe sich vor ihm seine Sicht wieder klärte und er auf einen leeren Weg sah. Dort, wo gerade eben noch der Grinser gelaufen war, war plötzlich niemand mehr. Der Junge sah sich um, doch er fand nirgends ein Anzeichen auf die Katzengestallt. „Seltsam...“ „Was ist seltsam?“ Der Junge fuhr herum und starrte den Grinser an, der hinter ihm kopfüber von einem Ast baumelte. Irgendetwas war anders an dieser Gestalt. „Du siehst anders aus.“ Schwungvoll ließ sich der Grinser vom Ast fallen und landete leise und katzengleich -wie es sich nunmal gehörte- auf dem Boden. Als er sich herumdrehte, erkannte der Junge, was anders war. Der Grinser sah vollkommen anders aus. Das einzige, was noch an die Katzengestallt von vorher erinnerte, war der Pony vor den Augen, seine Haarfarbe und die katzenartigen Ohren, sowie der Schweif hinten an seinem Gesäß. Sein Haar war länger und glatter. Am Hinterkopf besaß er einen zerzausten Haarbuschel, der wie eine Pflanze aussah und ein leichter, dünner Zopf Haare fiel ihm über die Schultern. Er trug ein weißes Hemd und eine blaue Hose und aus seinem Kopf ragten zwei dunkelblaue Fühler, die der Junge verwirrt anstarrte. „Warum siehst du plötzlich so aus?“ „Weil wir ihm näher kommen.“ „Wer ist ihm?“ „Nicht IHM. Er heißt Absolem.“ Absolem. Der Name kam ihm bekannt vor, doch irgendwie wollte sein Gedächtnis ihn unbedingt im Stich lassen. Nein. Bis auf das stetige Gefühl dass da etwas war, er aber nicht genau wusste, was, war er erneut wie leergefegt. Der Junge seufzte resigniert. „Und weshalb kleidest du dich so, wenn wir Absolem näher kommen?“ „Weil ich dir zeigen möchte, wie er aussieht.“ Der Junge hatte bereits einen Verdacht, worauf der Grinser hinauswollte und schluckte leicht. „Du wirst nicht mitkommen?“ „Er kann mich nicht ausstehen und das beruht nun wirklich auf Gegensätzligkeit.“ Der Junge verstand nicht genau, was der Grinser damit meinte, ließ es aber so im Raum stehen und musterte ihn anständig. „Kannst du mir dennoch sagen, wer genau Absolem ist?“ „Jemand dir sehr Wichtiges. Jemand, der allgemein sehr wichtig ist. Wichtig, weise und leider oft im Recht.“ „Leider?“ „Ich komme nicht gut mit ihm aus“, gestand der Grinser. Erst jetzt fiel dem Jungen auf, dass, seit es um Absolem ging, der Grinser kein einziges Mal gegrinst oder gelächelt hatte. Sein Gesicht war ernst und seine Haltung sogar leicht verkrampft. „Du wirst ab hier alleine gehen müssen“, sagte der Grinser und leckte sich leicht über seinen Handrücken, um mit der feuchten Stelle seine Ohren zu putzen. Er war nunmal eine Katze, so war es doch. Der Junge seufzte erneut. „Nun gut. Dann werde ich wohl alleine gehen“, sagte der Junge und sah erneut den Weg hinab. Eine Weile blieb er vollkommen ruhig so stehen, ehe er sich erneut umdrehte, um zu fragen, ob er nur den Weg weiter laufen müsse. Doch der Grinser war spurlos verschwunden. Der Junge schnaubte. „Katzen... Wenn du sie suchst sind sie unauffindbar...“ Ohne einen weiteren Gedanken an den Grinser zu verschwenden, schlug der Junge den Weg nun ein und lief vorbei an seltsamen Bäumen, märchenhaft aussehenden Vögeln und weiteren Bewohnern dieses Waldes, die vollkommen still blieben und ihn einfach nur neugierig musterten. Er fühlte sich fremd in dieser Umgebung. Fremd und falsch. Doch nichts desto trotz kam ihm alles hier vertraut vor. Die Gestalten, die Bäume, der immer wieder kurz durch die Baumkronen schimmernde Himmel und auch die anderen merkwürdigen Wesen dieser Welt. Als würde all das zu ihm gehören. Nach kurzer Zeit erreichte der Junge das Ende des Weges und blickte auf eine kleine, sattgrüne Wiese, umgeben von den größten Pflanzen, die er bisher in diesem Wald gesehen hatte. Er sah sich um und versuchte, sich das Bild einzuprägen, ehe er auf die Gestalt vor sich sah. Es war ein dunkelhaariges, männliches Wesen mit zwei dunkelblauen Fühlern aus seinem Kopf ragend, auf einer offenen Blüte sitzend, die sehr bequem aussah. Die Gestalt saß auf einem Bein, das andere baumelte herunter an einem Blütenblatt. Und wie der Grinser zuvor, trug die Gestalt ein vollkommen weißes Hemd und eine dunkelblaue Hose. Der Junge schien vorerst unbemerkt zu bleiben und er räusperte sich etwas. Das Geräusch schien die Gestalt auf ihn aufmerksam zu machen und er hob den Blick, ohne von seiner Wasserpfeife abzulassen. Er pustete den Rauch aus, der sich bereits wie leichter Nebel um die Füße des Jungen legte und musterte den Jungen. „Absolem?“ „Nein. Ich bin Absolem. Doch wer bist du?“ Der Junge schwieg eine Weile. „Ich brauche deine Hilfe.“ „Nein, nein. Erst beantwortest du mir meine Frage. Wer bist du?“ „Darum geht es ja!“, beharrte der Junge und sah ihn etwas hilflos an. „Ich weiß es ja nicht.“ Es herrschte einen Moment Stille, ehe Absolem einen weiteren Zug aus der Pfeife tat und den Rauch dem Jungen entgegen pustete. „Seltsam. Dabei stehst du direkt vor mir.“ „Wie meinst du das?“ Erneut herrschte Stille, in der Absolem seine Wasserpfeife mit einer indigofarbenen Flamme anzündete. „Die Frage ist schließlich, wer du bist, nicht wahr? Also? Kennst du die Antwort?“ „Nein...“ „Wie willst du existieren, wenn du nicht mal weißt, wer du bist?“ Das gab dem Jungen zu denken. Doch er fand keine Antwort und schüttelte nur etwas verzweifelt den Kopf. „Das möchte ich ja rausfinden.“ „Dann kann ich dir nicht weiterhelfen.“ Panik stieg in dem Jungen auf und er suchte fieberhaft in seinem Kopf nach einer Antwort, die er Absolem geben konnte. Er fand aber keine. Wer war er? War er nicht hergekommen, um das herauszufinden? Und dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. „ALICE!“ „Wie bitte?“ Etwas überrascht senkte Absolem seine Pfeife und sah den jungen verblüfft an. „Du bist ALICE?“ „Ja... ich meine natürlich nein. Ich bin nicht ALICE.“ Absolem schien verstimmt und pustete den Rauch dem Jungen direkt ins Gesicht. „Und warum behauptest du, ALICE zu sein, wenn du nicht ALICE bist?“ „Halt, ich bin ALICE! Naja. Ein Alice.“ Der Dunkelhaarige nickte wissend. „Aber ALICE ist nicht gleich ein Alice, musst du verstehen.“ „Ja, ich weiß.“ Es herrschte erneut eine etwas unsichere Stille, ehe Absolem ihm eine Frage stellte. „Woher willst du wissen, ob du ein Alice bist?“ War es klug den Grinser zu nennen? Oder würde ihn das nur in Schwierigkeiten bringen? Er entschied sich, es doch zu tun. „Die Grinsekatze aus dem Nebel hat es mir verraten. Er meinte ich sei ein Alice. Und dass du mir helfen könntest...“ Absolems Gesichtsausdruck veränderte sich sobald die Grinsekatze erwähnt wurde. Es war als hätte man die Wärme plötzlich aus der Lichtung gestrichen. Als wäre es abrupt dunkel geworden und keiner habe damit gerechnet. Absolems Blick war eiskalt und vernichtend, fast schon verachtend und strafend, dass es dem Jungen unbehaglich wurde. „Die Grinsekatze sagst du?“ „Ja.“ Erneut trat Stille ein. Eine eisige Stille, die wie eine dicke Mauer zwischen dem Jungen und der Gestalt stand. Fast schon genervt pustete Absolem seinen Rauch aus und schloss für kurze Zeit die Augen. Erst als Absolem seine Augen wieder öffnete, erkannte der Junge die verschiedenen Augenfarben der Gestalt. Das eine Auge war glutrot, das andere tiefblau. Ob das einen besonderen Grund hatte? Ob deswegen auch der Grinser seine Augen versteckte? „Die Frage ist, ob er recht behält und du wirklich ein Alice bist.“ „Was ist denn an A- ich meine an einem Alice so besonders?“ „ALICE ist eine festgelegte Rolle dieser Welt. Eine Rolle, auf die das Wunderland keinen Einfluss hat.“ „Wunderland...“ ,wiederholte der Junge ehrfürchtig und starrte Absolem an. „Ein Alice dagegen ist jemand fremdes, dem alle Wege hier offen stehen. Er kann die Geschichte unseres Reiches gestalten, wie er es will. Allerdings... sind die Auswirkungen auf diesen einen Alice und auf das Wunderland umso vernichtender und heftiger.“ Der Junge verstand nicht ganz und Absolem sah direkt in die tiefen Smaragde des Jungen, als wolle er etwas in ihnen finden. „Dann stimmt es wohl. Du bist ein Alice.“ „Nicht die Alice, nicht der Alice und nicht ALICE sondern ein Alice.“ „Findest du das etwa lustig?“ Der Junge schüttelte heftig den Kopf. „Gut, ich werde dir helfen ein Alice.“ Erleichtert atmete der Junge aus und lächelte etwas. Endlich konnte ihm jemand mit seinem Problem helfen. „Doch zuvor musst du dich an etwas aus deinem vorherigen Leben erinnern.“ Erneut sah der Junge verwirrt die Gestalt vor ihm an. Vorheriges leben? Erinnern? Er verstand nicht ganz. „Ganz einfach. Du bist fremd hier. Diese Welt hat dich aufgenommen wie ein Waisenkind. Und du musst dich an früher erinnern. Besser gesagt an eine einzige Sache. Wenn du das schaffst, dann kann ich dir helfen.“ „Und diese eine Sache wäre?“ „Dein Name.“ Fassungslos starrte der Junge Absolem an und blinzelte. Es war also doch hoffnungslos. Wie sollte er sich an seinen Namen erinnern? Er wusste nicht wo und wer er war, wie sollte er sich seinen Namen da ins Gedächtnis rufen? Es war wohl wirklich zum Verzweifeln. „Und wie soll ich das anstellen?“ „Du führst dich auf wie ein Säugling“, beschwerte sich Absolem mürrisch und nahm einen weiteren Zug seiner Pfeife. „Denk an die ersten Worte in deinem Kopf, die dir einfallen und irgendwo dort findest du deinen Namen.“ Es klang einfach, aber das war es nicht. Wie sollte er einfach an die ersten Worte denken, die ihm einfielen? Dennoch schloss der Junge die Augen und versuchte an Worte zu denken. Bäume, Schmetterlinge, Motten, Wetter, Himmel- es ging eine ganze Weile so weiter und er dachte selbst an Worte, die er nicht kannte- Nebel, Illusionen, Meister- ehe er schon aufgeben wollte. Kokuyo, Ruinen, Sterne, Sternenbilder, Dreizack, Frösche, Mäuse, Essen, FRAN,- Er riss die Augen auf und verweilte einen Moment, ohne an etwas anderes zu denken. Die vier Buchstaben prangten in seinem Kopf wie eine Leuchtreklame und er starrte vor sich hin. Fran also... das war sein Name? Er sah auf und blickte in Absolems Gesicht, als er vermeinte, einen zweiten Namen zu vernehmen. MUKURO. „Mukuro?“, verwirrt sprach der Junge den Namen aus und sah Absolem an, der sich kein bisschen rührte. „Dein wahrer Name ist Mukuro, habe ich recht? Absolem ist nur eine Rolle, die du einnimmst.“ Es war das erste Mal, dass der Junge Absolem lächeln sah. Und dieses Lächeln blieb erhalten. „So ist es. Du bist wirklich ein Alice, ich bin erstaunt“, sagte Mukuro und nahm einen weiteren Zug seiner Pfeife, ehe er den Jungen wieder ansah. „Und nun? Wie lautet dein Name?“ „Fran. Ich bin Fran.“ Mukuros Lächeln wurde kurz noch einen Tick wärmer. „Na bitte. Du bist jemand, Fran. Du bist du selbst. Ein waschechter Fran.“ Der Junge legte den Kopf schief. Doch auch er musste lächeln. Ein Rätsel war gelöst. Er war also Fran. „Und nun hör mir genau zu Fran. Diese Welt ist nicht deine Realität. Doch das ist kein Traum, in dem du steckst. Es geht nicht darum, dich zum Aufwachen zu zwingen. Doch um diese Welt zu verlassen und in deine eigene Realität zurückzukehren, musst du dich einer Prüfung unterziehen.“ Gespannt hörte Fran Mukuro zu und nickte immer wieder, um ihm zu zeigen dass er auch zuhörte. „Diese Welt hat einen Ausgang. Es ist ein riesiges Tor aus Glas, das im Pikwald steht. Dieses Tor ist durch einen Generalschlüssel verschlossen. Doch um das Schloss für den Generalschlüssel zu öffnen, brauchst du 4 Schlüsselkarten. Um diese Schlüsselkarten zu erhalten, musst du durch das Wunderland reisen und mit so vielen Gestalten reden, wie du nur kannst. 4 Gestalten besitzen diese Karten nämlich, aber sie werden sie dir nicht einfach so heraus geben. Du musst für deine Freiheit kämpfen. Und diese Kämpfe sind hier Wirklichkeit. Denn nur, weil du hier nicht in deiner Realität bist, heißt das nicht, dass du hier nicht genauso Schmerzen, Kälte, Krankheit und auch den Tod erleiden kannst, verstehst du das?“ Fran nickte erneut und versuchte, die neuen Informationen so gut es ging aufzunehmen, ehe er weiter lauschte. „Während du durch das Wunderland läufst, wirst du dich an deine wahre Realität erinnern, denn jede Rolle des Wunderlands nimmt das Gesicht jemandes an, den du kennst aus deiner eigenen Realität. Und es wird dir einfacher fallen, diese Karten zu gewinnen, desto mehr du über dich und deine eigene Realität weißt. Sollte ich dir eine Information geben, die du alleine finden musst, wirst du für immer hier gefangen bleiben. Also bitte andere Gestalten niemals um Hilfe, wenn du dich erinnern willst.“ Mukuros Gesichtsausdruck verfinsterte sich. „Denn nicht alle wollen es dir einfach machen. Einige, die du triffst könnten Feinde sein und deinen Tod wollen. Denn wenn du stirbst, gehört deine Seele dem Wunderland und es wird sich von ihr ernähren. Ich gehöre nicht zu der Sorte, die das wollen, aber ich weiß, dass es solche Gestalten unter uns Wunderländlern gibt, also sei auf der Hut, Fran. Und sage niemals jemandem, dass du ein Alice bist!“ Fran nickte mit ernstem Gesichtsausdruck. Diese ganze Geschichte war ihm noch irgendwo seltsam, doch er dachte nicht darüber nach, sondern akzeptierte sein Schicksal einfach nur. „Und noch eine letzte Sache Fran.“ Der Junge nickte und erstaunte etwas über den ernsten Gesichtsausdruck Mukuros, der ihn ansah, als wolle er ihn vor etwas warnen, das noch schlimmer war, als alles andere im Wunderland. „Vertraue niemals der Grinsekatze aus dem Nebel.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)