Weißer Nebel, Schwarzer Schatten von Kurai_Cheri ================================================================================ Kapitel 2: ----------- Vor der Tür der Wohnung bleibe ich stehen, greife nach der Klinke, nur um einen Moment später inne zu halten. Mein leicht gequälter Gesichtsausdruck verzieht sich zu einer genervten Fratze, so wie es sich für mich gehört. Ein letztes Mal atme ich tief durch, bevor ich schließlich die Tür öffne. Leise Musik dringt an meine Ohren und Gekicher. Eine schief singende Stimme hängt im Raum und lässt mich angewidert die Nase rümpfen. Meine grauen Iriden erblicken Jack, wie er ein schwarz-blaues Mirkophon in der Hand hält und krampfhaft versucht, die richtigen Töne zu treffen. Zu meinem Missfallen gelingt ihm das nicht. Das Kichern, welches von Luana kommt, schwillt zu einem ausgewachsenem Lachen an, wesswegen sich ihre Hände auf den Bauch drücken und sie sich auf dem Sessel hin und her windet. Kopfschüttelnd wollte ich mich vorbei schmuggeln, um in meinem Zimmer zu verschwinden, doch habe ich die Rechnung ohne Luana gemacht, welche sich genau in dem Moment zu mir umdreht. Schlagartig liegt ein breites Grinsen auf ihrem Gesicht und sie winkt mich fröhlich zu der Gruppe. "Komm her Asna und setz dich zu uns," flötet sie mir munter entgegen und deutet auf das Sofa zu ihrer Rechten, auf welchem noch genau eine Person Platz hätte. Ich jedoch schüttel zur Antwort nur mit dem Kopf. "Nein, danke. Ich bin müde und will nur ins Bett," brumme ich ihr zu und versuche so, ihr meinen Unmut kunt zu tun. Doch das Einzige, was ich bewirke, ist ein schmollender Ausdruck auf ihrem Gesicht. Wie ein Kleinkind sitzt sie im Sessel und blickt mich aus großen, bittenden Augen an. "Bitte Asna, leiste uns Gesellschaft, nur heute," fleht sie mich regelrecht an. Für den Bruchteil einer Sekunde flammt eine alte Erinnerung in mir auf: Meine Schwester, wie sie mich ebenso bettend angesehen hat, damit ich sie mit nehme, wohin ich auch immer wollte. Ein resigniertes Seufzen entkommt mir, als ich mich schließlich doch in Richtung Couch bewege. Freudig quitscht die Rothaarige auf und strahlt mich an, wie ein radioaktives Atom. Innerlich verfluche ich mich, das ich nachgegeben habe, während ich mich in die Polster nieder lasse. Mit verschränkten Armen lasse ich mich nach hinten gegen die Rückenlehne fallen und beobachte so aus dem Augenwinkel heraus meine beiden Sitznachbarn. Links neben mir, auf dem großen Sessel sitzt Luana und starrt wie gebannt auf den Bildschirm des Fernsehrs. Rechts neben mir befindet sich Logan, welcher sich ebenfalls zurück gelehnt hat und gelangweilt auf die Flimmerkiste schaut. Sein rechtes Bein hat er so angewinkelt, das sein Knöchel auf dem Knie des anderen Beines ruht. Für einen kurzen Moment treffen sich unsere Blicke, ehe ich meinen abwende und ebenfalls das TV-Gerät fixiere. Missbilligend stelle ich fest, das die Jugendlichen doch tatsächlich Singstar auf ihrer Playstation 2 spielen. Gerade so kann ich mir ein abfälliges Schnauben verkneifen, als die platinblonde in der Runde ein neues Lied einstimmt. Glücklicherweise kann sie besser singen als Jack. "Kleinkinder," murmel ich kaum hörbar zu mir selbst, jedoch versichert mir das kurzweilige Grinsen von Logan, das er meine Aussage gehört hat. Einige Zeit wandert das Mirko durch die Runde, lediglich der Schwarzhaarige und ich halten uns strikt aus dieser kindlichen Beschäftigung heraus. Doch auch diese Gnadenfrist soll nicht lange andauern, da mir Luana auffordernd das Mirko vors Gesicht hält. Mit erhobener Augenbraue sehe ich sie fragend an, was sie nur grinsend zur Kenntnis nimmt. "Was soll ich damit?" bringe ich schließlich heraus, da es so scheint, als könne sie meinen Blick nicht deuten. "Singen sollst du, was denn sonst? Ich wette du kannst toll singen. Ich kann mir das zumindest gut vorstellen, weil du die perfekte Singstimme hast, finde ich," erklärt sie mir, weiterhin grinsend. Ein Schnauben kann ich mir nicht verkneifen, ehe ich zu einer Antwort ansetze: "Das ist ja schön und gut, doch das heißt noch lange nicht, das ich auch singen werde." Wieder einmal bringen meine Worte sie zum schmollen und sie schiebt ihre Unterlippe beleidigt nach vorne. Zum zweiten Mal an diesem Tag, sieht sie mich mit einem Dackelblick an, in der Hoffnung, mich umzustimmen. Stur erwider ich ihren flehentlichen Blick, während sich keine Regung auf meinem Gesicht zeigt. Innerlich jedoch sieht das ganz anders aus. Immer mehr Erinnerungen an meine kleine Schwester überfluten meinen Geist und es fällt mir immer schwerer, nicht nachzugeben. Als schließlich auch noch ihre Unterlippe leicht zu beben beginnt, um so ihrer Trauer über meine Entscheidnung Ausdruck zu verleihen, kann ich nicht länger Stand halten. "Kirottu kahara,*" knurre ich leise vor mich hin und schnappe ihr das Mirkophon aus der Hand. Freudig kichert sie auf und greift ihrer seits nach dem Kontroler der Konsole. Misstrauisch beobachte ich, welches Lied sie für mich aussucht und kann gerade so ein seufzen unterdrücken, als sie das Lied All good things von Nelly Furtado wählt. Musste es ausgerechnet dieser Song sein? Das erinnert mich nur noch mehr an meine Schwester und das liegt nicht nur an dem Text, denn wir haben dieses Lied oft zusammen geträlert. Mich meinem Schicksal ergebend schließe ich einen Moment die Augen und atme tief durch. Als die leise Musik einsetzt, richte ich mich in eine aufrechte Position auf und fixiere den Bildschirm. Honestly what will become of me I don't like reality It's way too clear to me But really life is daily We are what we don't see We missed everything daydreaming Gekonnt spielt meine Stimme mit den Worten, senkt und hebt an den richtigen Stellen die Stimmlage. Fast schon sanft schwebt meine Stimme durch den Raum, scheint alles auszufüllen und doch leer zu lassen. Es wirkt, als würde etwas fehlen, als wäre mein Gesang alleine nicht komplett. Allzu deutlich spüre ich die verwunderten und zu gleich anerkennenden Blicke der Anderen auf mir, während ich kontzentriert das Mikro mit meiner Hand umklammer. Flames to dust Lovers to friends Why do all good things come to an end come to an end, come to an end, come to an… Why do all good things come to an end come to an end, come to an end, come to an… Why do all good things come to an end Immer mehr finde ich mich in das Lied ein, passe mich an die Melodie und die Geschwindigkeit an, obwohl ich das eigentlich nicht brauche. Eigentlich könnte ich dieses Lied im Schlaf vortragen, so oft habe ich es schon gesungen. Darum wundert es mich umso mehr, warum ich das Gefühl habe, als wäre mein Gesang nicht vollständig. Travelling I always stop at exits Wondering if I'll stay Young and restless Living this way I stress less I want to pull away when the dream dies The pain sets it and I don't cry I only feel gravity and I wonder why Flames to dust Lovers to friends Why do all good things come to an end come to an end, come to an end, come to an… Why do all good things come to an end come to an end, come to an end, come to an… Why do all good things come to an end Die innere Unvollkommenheut, die mein eigener Gesang in mir auslöst, macht mich scheir verrückt, lässt mich unruhig werden. Immer fester umschließen meine Finger das Plastikgehäuse, das sich in meiner Hand befindet, während ich versuche, herauszufinden, was fehlt. Dogs were whistling a new tune Barking at the new moon Hoping it would come soon so that they could die Dogs were whistling a new tune Barking at the new moon Hoping it would come soon so that they could die Wie einen Schlag trifft mich die Erkenntnis. Wut flammt in mir auf, lässt mich rot sehen. Wie konnte ich das nicht bemerken, was diese Unvollkommenheit auslöst. Ich bin so dumm. Ich hätte dieses Lied nicht singen dürfen, nicht heute, nicht morgen, niemals. Dieser Song, was unserer, von mir und meiner Schwester und jetzt sitze ich hier, singe ihn alleine, ohne einen Gedanken an sie zu verschwenden. Ungeachtet dessen, dass das Lied noch nicht beendet ist, lasse ich das Mirko zu Boden fallen und erhebe mich ruckartig. "Asna, was ... ?" doch weiter kommt das Energibündel nicht, da ich sie mit einem tödlichem Blick zum schweigen bringe. An ihrem erschrockenem, ja fast schon ängstlichem Blick, kann ich erkennen, wie stark mir die Wut ins Gesicht geschrieben ist. Irgendwie tut sie mir leid, da meine Wut nicht ihr, sondern mir selbst gilt, doch kann ich mich darauf momentan nicht kontzentrieren. Das einzig wichtige ist jetzt, das ich so schnell wie möglich von hier verschwinde. Weg von meinen Mitbewohnern, weg von der Schule ab in den schützenden Wald. Im selben Moment, in dem mir diese Gedanken kommen, stürme ich aus dem Zimmer und lasse eine teils verwirrte, teils ängstliche und teils besorgte Gruppe zurück. *Kirottu kahara=verfluchte Göre (finnisch) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)