DQ8: Il Santuario in Cielo von Phantom (Das Heiligtum im Himmel) ================================================================================ Prolog: Matutin --------------- Ein Kirchenchor. In demütiger Ordnung trugen weiß gekleidete Knaben das Gloria in excelsis Dea vor. Flüssigem Perlmutt gleich, das in bunten Farben schillert, strömten die klaren Klänge an den Wänden der Kapelle empor; schmiegten sich um die hölzernen Fassungen jener Fenster, durch die weit verreiste Äbte wachsam zurück in das Diesseits schauten. Von beiden Seiten hafteten die Augen der alten Väter an den jungen Stellvertretern von Reinheit und Göttinnentreue, und zuweilen ertappte man eines der Kinder dabei, für den Hauch einer Sekunde wieder irdisch zu werden und ehrfürchtig nach den Porträts zu spähen – hoffend, die Abgebildeten nicht enttäuscht zu haben, als wüsste es genau, dass die bleibende Präsenz der Heiligen Väter in Maella über Tod und Begräbnis erhaben war. „Laudamus te, benedicimus te, adoramus te…“ Selbst ihn, der er für sein Amt unangemessen wenig abergläubisch war, deuchte, im Wald der verzauberten Zuhörer einmal die unverwechselbare Mitra jenes Mannes auszumachen, der ihm vor vielen Jahren gewährt, was er kurz zuvor verloren hatte, und mit dem seinen stockte der Atem aller Anwesenden, da nun weihrauchträchtige Luft die Lungen der Jungen schwellte, das Klavier grob verstummte und es plötzlich friedhofsstill war, sodass man die Geister der Verstorbenen hätte munkeln hören können… „Die Stimmen sind stumm.“ …ehe sich fontänengleich, explosionsartig, die erstarrte Zeit aufholend alles entlud, was sich mit enormer Anstrengung hatte stauen müssen, der abschließende Schrei in himmlischer Höhe aus den flachen Busen der Buben sprengte und das Auditorium sekundenlang in die Sphäre befriedigender Faszination versetzte. „Hm… zwei zu eins. So sehen die Gewinnchancen aus, vorausgesetzt wir gewinnen… Wir haben Jessica retten können, aber die anderen beiden Träger des Zepters sind tot… Ich habe nicht vor, mich zurückzuhalten, aber… was ist, wenn er stirbt?“ Scherbensplittern. Millionen Fragmente mit der Eigenschaft des Spiegelns klirrten ohrenbetäubend auf den Grund, um in noch mehr Einzelteile zu zerspringen, und jedes von ihnen, wie winzig es auch war, führte ihm anschuldigend vor Augen, was aus ihm geworden war. „Seid ihr auf materiellen Reichtum aus, dann geht jetzt und werdet Händler oder Söldner! Zu Tempelrittern jedoch macht euch die Bereitschaft, den gegenständlichen Gütern entschieden den Rücken zu kehren! Die Göttin strahlt heller als jedes Gold!“ Die Feste des Himmels hatte sich blutrot verfärbt, und dort, wo man sich der Göttin am nächsten glaubte, gebar sich das erschreckende Übel aus dem Nabel der Erde, als hätte das steinerne Monument der Großen Mutter niemals einem anderen Zweck gedient denn jenem, den Leib des Bösen zu beherbergen, bis dessen Bewusstsein aus seinem für ewig erachteten Schlummer zurückfand. „Rhapthorne hat bereits seine vollständige physische Gestalt angenommen. Es ist jetzt zu spät, ihn zu versiegeln. Wir haben keine andere Wahl – wir müssen ihn im Kampf besiegen.“ Auf den himmelblauen Schwingen des ebenfalls erwachten Willens der Göttin stellten sich ihm sieben Mutige entgegen und wiederholten das uralte Wunder einer weisen und mächtigen Generation. „Dieser Kampf, den ihr nicht seht, ist vielleicht einer der meistbedeutenden der Menschheit. Der Frieden unserer Zukunft und der Zukunft der auf uns folgenden Generationen – er lastet auf den Schultern dieses schlafenden Mannes.“ In weiter Ferne der Kirchenchor: „Quae tollis peccata mundi, misere nobis…“ „Hallo. Tja, es scheint, als würden wir uns demnächst öfter sehen. Ich hoffe, es macht Euch nichts aus, dass ich mit Euch komme. Ich tue das nicht, weil Marcello es mir befohlen hat. Ich tue es für Abt Francisco. Er war wie ein Vater für mich. Dieser Hofnarr… Dhoulmagus… Er darf nicht ungestraft davonkommen.“ „Es ging alles so schnell. Ich habe das Gefühl, als ich mich umdrehte, wart ihr alle schon fort. Ich habe mich einsam gefühlt… Wie das kleine Kind, das weinend auf die Rückkehr seines großen Bruders wartet… der nie wieder heimkommt.“ „Quae tollis peccata mundi, suscipe deprecationem nostram...” Nichts und niemandes tatsächliches Sein muss seinem angedichteten oder selbst auferlegten Schein entsprechen. Einer Welt, in der ein trauriger Hofnarr keinen anderen Ausweg weiß, als dem Fürsten der Finsternis seinen Körper zu unterwerfen, und ein verstoßener Bastard sich gezwungen sieht, durch List und Mord der Stellvertreter der Göttin auf Erden zu werden, droht Gefahr nicht allein durch die Wiedererweckung des manifestierten Bösen. Es ist die Fehlbarkeit der Menschen, die Rhapthornes Rache ermöglicht, und es ist die Fehlbarkeit der Menschen, welche sie schließlich über Rhapthorne triumphieren lässt. Die Göttin in Ihrer Weisheit schuf die Menschen unvollkommen, doch stattete sie mit dem Bedürfnis aus, sich der Vollkommenheit anzunähern, was sie bestrebt sein lässt, Erfahrungen zu machen, und fähig, an ihren Erfahrungen zu reifen, sodass sie sich stetig weiterentwickeln, wie auch die Erde niemals aufhört, sich zu drehen. „Es ist vorbei. Es ist nun vorbei.“ Nicht jedem Menschen gelingt es, über seine Fehler zu wachsen und sich zu entwickeln. Manche drohen daran zu zerbrechen. Die hämischen Schatten ihrer Fehlbarkeit wickeln sie dicht und laut ein. Nun ist es an anderen, sie aus dem teerigen Kokon zu ziehen. Jeder Mensch sei angehalten, einem anderen während der Überwindung seiner Fehler beizustehen, denn auch er wird einst diesen Kampf zu bestreiten haben und dann auf die Bereitschaft seiner Freunde hoffen. So will es die Göttin. „Heiliger Vater, ich habe gesündigt. Es handelt sich nicht um den Mord am Obersten Hohepriester oder meine Intrigen, denn dies alles sollte inzwischen auf der gesamten Welt bekannt sein. Nein – es gibt da jemanden, dem gegenüber ich nicht ehrlich bin. Ich verschweige ihm die Wahrheit… die Wahrheit über unsere Beziehung zueinander. Ehe das göttliche Gericht über mich urteilt, will ich sie jedoch ausgesprochen haben.“ Diese Geschichte erzählt von Fehlern – von alten wie neuen – und davon, wie manche von ihnen überwunden werden. Sie erzählt von Schuld und Vergebung, von Verfeindung und Freundschaft, und sie erzählt, dass Schein nicht immer Sein ist. Sie erzählt, wie wichtig es ist, jemanden nicht aufzugeben, und vielleicht auch davon, wie man jemanden endlich lieben lernt. Es ist die Geschichte eines Mannes, den ein einziger Augenblick seiner Kindheit nicht mehr loslässt; die Geschichte einer Frau, die große Angst davor hegt, in Verdrängung zu geraten. Besonders aber ist es die Geschichte eines Jemanden, der die Chance erhält, seine vergangenen Fehler gutzumachen; dem vergeben wird; der vielleicht sogar sich selbst vergeben kann, um endlich zurück zu finden; nach Hause, in sein persönliches Sanktuarium. Und sie beginnt damit, dass jemand wider seine eigene Erwartung die Augen öffnete und so die Aufmerksamkeit einer sich gerade abwenden wollenden Göttinnendienerin auf sich zog, welche sich mit erhellender Miene zurück an sein Bett begab. In gloria Deae Matris… Von irgendwo ein Kirchenchor. 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