Das Monster in mir von Sonica_Harinezumi ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Ich schlich durch den Flur, während ich Schreie vernahm. Es musste ein junger Mann sein, so von der Stimme her. Ich wusste zwar, dass wir Besuch hatten, aber dass es sich um einen Sterblichen handelte, wusste ich natürlich nicht. Aber Stefan machte das schon immer so, wenn er meinte, seine Gruppe wäre zu klein. Oder, wie in diesem Fall, dürften wir ein neues Mitglied für unserem „Stamm“ aussuchen, weil einer von uns vor kurzem von einem Jäger getötet wurde. Und dann sagte Stefan es nicht mal weiter. Ob diese Person jetzt auch das gleiche Ritual durchmachen musste wie wir alle? Na ja, um ehrlich zu sein, gab es keinen anderen Weg aus dieses Ritual. Ich lief weiter und war im Gedanken versunken. Der Geruch des Mannes stieg in meine Nase. Ich bemerkte, wie meine Zähne anfingen, spitz zu werden, und wie sich das Wasser in meinen Mund ansammelte. Doch ich beherrschte mich, als ich zu meiner linken eine weibliche Stimme vernahm: „Will, beherrsch dich.“ Ich drehte meinen Kopf nach links und blickte in Fionas dunkle Augen. Bevor ich mich zu ihren Worten etwas äußern konnte, zischte sie: „Was gibt’s da zu glotzen? Du weißt doch, dass ich das nicht mag!“ Als sie dies sagte, wendete ich mich von ihr ab. Doch weiterlaufen konnte ich nicht, als ich schließlich bemerkte, wie der Geruch verschwand, als ob meine Nase verstopft wäre. Nicht dass Vampire Heuschnupfen oder so was bekommen würden, aber... „Jetzt ist er einer von uns.“ murmelte Fiona. Ich brauchte ein paar Augenblicke, bis ich ihr Worte verstanden hatte. Ich konzentrierte mich und versuchte mich zu vergewissern, ob der Geruch tatsächlich weg war. Aber ich konnte nur den Geruch von Tod und altem Holz wahrnehmen. „Wenn ein Mensch zum Vampir wird, verschwindet der sterbliche Geruch. Wie oft muss ich dir das erklären?“ knurrte Fiona. Ich lächelte verlegen, aber dass brachte wohl nichts, vor allem, wenn man vor Fiona stand. Stefan meinte, dass sie als Mensch auch sehr streng gewesen war. Mein Name ist William, aber man nennt mich auch Will, weil es kürzer ist und leichter zum merken. Und ja, ich bin ein Vampir. Ich gehe tagsüber in meinem Sarg zum schlafen und komme erst wieder raus, wenn die letzten Sonnenstrahlen den Tag verließen. Denn die Sonne ist das tödlichste für uns. Ich brauche Blut, viel Blut, um zu überleben. Anfangs habe ich mich geweigert, Menschen zu töten, aber jetzt töte ich zwei Menschen in einer Nacht, um genügend Blut zu saugen. Das ist der Preis der Unsterblichkeit, auch, wenn ich es nicht ausgesucht hatte. Zu mindestens glaubte ich das, weil ich mich nicht an mein voriges Leben als Mensch erinnern kann. Alle anderen können es, nur ich wieder mal nicht. Das finde ich irgendwie schon unfair. Aber was kann ich schon machen? Die Beweggründe von meinen Schöpfer Stefan weiß niemand. Noch mal Fiona. Als ich mich bei Fiona entschuldigen wollte, ging hinter mir die Tür auf. Ich drehte mich um und sah einen blutverschmierten Stefan. „Wenn ihr wollt, könnt ihr reinkommen.“ – „Wie denn, schon fertig?“ piepste die kleine Lilith, die neben Anastasia stand. Ich zuckte ein bisschen zusammen, weil die beiden einfach so neben mir standen, ohne, das ich es bemerken konnte. Daran werde ich mich wohl nie gewöhnen, dachte ich. „Ja, das bin ich.“ sagte Stefan und lächelte. Dann bot er uns an, ins Zimmer zu kommen, um den Neuankömmling willkommen zu heißen. Er lag auf dem Bett. Wir konnten nur mit ansehen, wie sich das äußere des Mannes veränderte. Vorher war er ein dürrer, dreckiger Straßenpenner, jetzt hatte er das Antlitz eines gutaussehenden Grafen. Lilith kletterte auf das Bett und betrachtete den Typen aus nächster Nähe. Er öffnete langsam die Augen, und das erste, was er sah, waren fünf Vampire, zwei Männer, zwei Frauen und ein kleines Mädchen, dessen Augen immer größer wurden. „Er ist wach, er ist wach!“ rief Lilith entzückt und hüpfte auf dem Bett auf und ab, während Anastasia versucht, sie zu bändigen, damit sie den neuen Vampir nicht verletzte. Kaum war ich von Liliths Freude abgelenkt, spürte ich eine Hand auf meinem Hintern. Dann beugte Stefan sich vor und hauchte in mein Ohr: „Komm nachher in meinem Zimmer.“ Ich erschrak und entfernte mich weg von Stefan. Verwirrt lief ich zur Anastasia und nahm ihre kleine Schwester Lilith bei der Hand. „Jetzt lass doch den armen Kerl in Ruhe, sonst tust ihn auch noch weh.“ sagte ich zu ihr. Lilith schaute mich betrübt an. „Tut mir leid, Will.“ murmelte sie, was mich zum Lächeln brachte. „Wo... wo bin ich hier?“ hörten wir dann jemanden leise flüstern. Der Mann schaute zu uns hinauf und einem fragenden Blick. „Ach ja, diese Frage kann ich dir beantworten.“ sagte Stefan und beugte sich vor. Es war genau wie vor einem Monat, als ich eines Tages wie dieser Typ auf diesem Bett aufwachte, ohne zu wissen, wo ich war. Liliths Freude, ein Lächeln auf Stefans Gesicht, ein strenger Fionas-Blick und Anastasia versuchte, ihre kleine Schwester zu bändigen. Und da war noch einen anderen männlichen Vampir, Alexander hieß er glaube ich, der wie schon erwähnt von einem Jäger ermordet wurde. Ich wusste, wie sich der Typ auf dem Bett fühlte, weil ich das gleiche auch gefühlt hatte. Allerdings wusste er noch etwas von seiner Vergangenheit als Mensch. Schon wieder kam mir dieses Gefühl, als ein kleines, hilfloses Baby ohne Erinnerung geboren zu werden. Aber... „Wie heißt er denn eigentlich?“ fragte Lilith neugierig und riss mich zum Glück aus meinem Gedanken. „Ich...mein Name ist Vladimir.“ antwortete der Typ. „Das ist ein hübscher Name.“ meinte Stefan und fügte lächelte hinzu: „Ich bin Stefan. Der Anführer.“ Fiona schaute Stefan genervt an und drehte dann ihren Kopf zur Vladimir. „Fiona, die Lehrmeisterin über die Dunkelheit und Nachtgestalten.“ sagte sie. Lilith kicherte leise. „Ich bin Lilith. Und das ist meine große Schwester Anastasia.“ Sie zeigte auf Anastasia und fügte hinzu: „Sie ist leider stumm, schon seit ihrer Geburt.“ Dann drehte Vladimir seinen Kopf zur meiner Richtung und schaute mich an. Ich zuckte überrascht zusammen, zögerte kurz und schaute Stefan an. Er nickte nur. Und lächelte. „Ich... bin William, aber du kannst mich Will nennen.“ kam aus meinem Mund. Ich bemerkte, wie Vladimir mich anlächelte. Dann drehte er den Kopf wieder nach vorne. „Ich habe Durst.“ murmelte er. „Das glaube ich dir.“ sagte Stefan, beugte sich nach unten und hob einen Kelch mit Blut hoch. „Trink erst mal das.“ bot er Vladimir an. Der griff ohne zu fragen nach dem Kelch und trank alles aus. „Da ist jemand aber durstig.“ flüsterte Lilith mir zu. Ohne zu antworten, nickte ich zustimmend. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)