Secretary von Joker_ ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Die wummernden Bässe dröhnten in seinen Ohren und er konnte den Schweiß der vielen tanzenden Menschen, vermischt mit dem Geruch von Alkohol, Deo und Parfum riechen. Normalerweise machte ihm das nie etwas aus, doch heute reagierte Yang Yoseob auf alles empfindlich. Es war ein verdammt beschissener Tag gewesen, der wohl für immer als Schwarzer Tag in seinem Lebenslauf stehen würde. Und er hatte mal wieder bewiesen, dass er das lebende Beispiel für Murphys Gesetz war, denn alles, was schiefgehen konnte, ging schief. Zuerst die Nachricht, dass er statt übernächste Woche schon am kommenden Montag – also in zwei Tagen – bei der neuen Firma anfangen sollte (adieu geliebter Urlaub), danach fing der Toaster in seiner Küche an zu spinnen, weshalb der Schwarzhaarige letzten Endes sein Toastbrot samt Toaster mit einem Feuerlöscher löschen musste. Kurz darauf war er aus dem Haus gegangen um einzukaufen, nur hatte er vergessen – wie das möglich war, fragte er sich noch immer – dass der Supermarkt um die Ecke keinen automatischen Türöffner hatte, weshalb er prompt gegen die Glasscheibe lief, was ihm eine schmerzende Nase bescherte und dann fiel auch noch eine der Milchpackungen, welche er mit seinen restlichen Einkäufen auf den Armen balanciert hatte, auf dem Heimweg zu Boden und platze auf. Doch immerhin war danach Schluss und Yoseob von den unglücklichen Geschehnissen befreit. Dachte er zumindest, als sein Freund ihn anrief und fragte, ob sie sich treffen konnten. Er hatte sich gefreut, doch sein Freund machte den schlechten Tag komplett. Er machte Schluss. Das hatte ihm den Rest gegeben und ihn in diesen Club getrieben, in welchem er nun an der Bar saß und einen Drink nach dem anderen seine Kehle hinab kippte. Er wusste nicht, wie viel er schon getrunken hatte, denn nach dem Fünften hatte er aufgehört zu zählen. Es war jedenfalls nicht gerade wenig. Schon seit dem vorletzten Glas hatte er gemerkt, wie seine Sicht verschwommen und alle Geräusche dumpfer wurden. Es war ihm gleichgültig. Eigentlich war er nie wirklich jemand gewesen, der viel trank. Natürlich genehmigte er sich auf Partys den ein oder anderen Cocktail, doch er hatte noch nie einen über seinen Durst getrunken, geschweige denn einen Hangover gehabt. Er hatte das Gefühl, dass sich das mit dem heutigen Abend ändern würde. Aber auch das war ihm egal. Auch er durfte einmal abstürzen, es war schließlich sein gutes Recht. Und heute war dafür der perfekte Zeitpunkt. Nachdem er sein nächstes Glas geleert hatte, erhob er sich von dem Barhocker, auf dem er saß, wobei er sich an den Tresen festhalten musste, um nicht umzukippen, da sich einen Moment lang alles zu drehen schien. Dann bewegte er sich langsam auf die Tanzfläche zu, wobei er mehr torkelte als ging. Verdammt war er voll. Er fand den Gedanken irgendwie richtig lustig und musste lachen, was ihm einen irritierten Blick eines Braunhaarigen einbrachte, den er dann auch noch aus Versehen anrempelte. „Schorry“, nuschelte Yoseob, während er sich kurz an dem Größeren festhielt, um nicht auf dem Boden zu landen. „Alles klar?“, fragte der mit einer hochgezogenen Augenbraue und musterte seinen Gegenüber einen Augenblick lang, als der sich endlich wieder aufgerichtet hatte und auf die Frage hin wild nickte. „Klaaar! Mir geht’s suuupa!“ Der Schwarzhaarige grinste breit, wobei er gar nicht zu merken schien, dass er so gut wie jedes zweite Wort dehnte – ein sicheres Zeichen dafür, dass man stockbesoffen war. „Ich geh jetzt ma tanzen. Kannst ja mitkommn“, sagte er noch hyperaktiv und verschwand dann auch schon weiterhin torkelnd in der sich zu dem Beat bewegenden Menge, während der Größere ihm – immer noch sichtlich verwirrt – nachsah. Aber da Yoseob heute nun mal seinen Mir ist alles egal-Tag hatte und der übermäßige Alkohol dafür sorgte, dass seine Sorgen zumindest für den Moment wie weggeblasen zu sein schienen, wollte er einfach nur Spaß haben. Soweit das eben möglich war. Auf der Tanzfläche musste der Schwarzhaarige jedoch feststellen, dass es nicht so einfach war, wie gedacht. Die Leute waren für seinen Geschmack viel zu nahe an ihm dran, er hatte das Gefühl sich kaum bewegen zu können und das Atmen fiel ihm in der stickigen Luft schwer. Zu allem Überfluss meldete sich auch noch sein Schwindel zurück, sodass er nach zwei Songs die Flucht ergriff. Es merkte, dass es das Beste wäre, wenn er einfach hier raus ging. Aber was sollte er dann tun? Heim wollte er noch nicht, denn er wusste, dass dann alle Geschehnisse wieder auf ihn einstürzen würden. Als er durch die dicke Tür nach draußen in die frische Nachtluft trat, atmete er tief durch. Da es Sommer war, war es nicht zu warm und nicht zu kalt. Genau richtig für ihn. Er ging die Straße ein Stück entlang, ehe er sich in der Nähe des Clubs vor einer Hauswand auf den Boden setzte und den Kopf gegen die kalte Mauer hinter sich lehnte. Es half ihm, den Nebel in seinem Kopf zumindest für den Augenblick etwas zu vertreiben und der Schwindel ließ ebenfalls nach. Er zog die Beine an, stützte seinen Kopf mit der Hand ab und die Ellenbogen auf die Knie und stöhnte leise. Mit seinem betrunkenen Zustand ließ auch der positive Effekt des Alkohols nach und langsam drängte sich die Realität in seinen Verstand. Ebenso wie die Übelkeit. Er wusste, dass er nicht sehr viel vertrug und hatte dennoch kräftig gebechert. Nun musste er auch mit den Konsequenzen leben. Sein Plan vom Spaß haben war gescheitert und jetzt wollte er im Moment plötzlich nichts mehr als in seinem Bett zu liegen und zu schlafen. Was hatte es auch für einen Sinn, wieder zurück in den Club zu gehen, wenn er sich doch sowieso kaum mehr richtig auf den Beinen halten konnte. Alkohol und Koordination waren noch nie besonders gute Freunde gewesen. Als er von weitem Schritte näher kommen hörte, dachte sich Yoseob, dass es langsam an der Zeit war, nach Hause zu gehen. Er erhob sich von seinem Platz auf dem Boden und taumelte einige Schritte. Er war zu schnell aufgestanden und der Schwindel kam mit seiner vollen Wucht zurück, während vor seinen Augen grellweiße Punkte zu tanzen schienen. Die Person, deren Schritte er zuvor gehört hatte, eilte auf ihn zu. „Hey alles klar?“ Yoseob erkannte diese raue, aber dennoch angenehme Stimme. Sie gehörte dem gutaussehenden Typen, den er zuvor im Club angerempelt hatte. „J-ja, schon okay“, nuschelte der Schwarzhaarige leise und richtete sich schnell wieder auf. Natürlich stimmte das nicht, zumal sich nun auch noch vom Rand seines Blickfelds eine Schwärze ausbreitete, die langsam aber sicher alles verschluckte, während die Geräusche um ihn herum immer dumpfer wurden, als hätte er Watte in den Ohren. Aber erstens wollte er sich von dem Fremden nicht helfen lassen – immerhin war er ein Mann und Männer brauchten keine Hilfe – und zweitens hatte er sich heute schon zur Genüge die Blöße gegeben, er musste jetzt nicht auch noch einen drauf setzen. Also drehte er dem Unbekannten kurzerhand den Rücken zu und marschierte davon, in der Hoffnung, es bis nach Hause oder zumindest ein paar Straßen weiter zu schaffen, ehe er das Bewusstsein verlor. Doch das Schicksal war gnadenlos und gönnte es ihm nicht. Die Schwärze hatte sich mittlerweile so sehr ausgebreitet, dass er kaum noch sah, wo er hin lief und seine Beine fühlten sich an, als wären sie aus Gummi. Das Letzte, was er hörte, waren irgendwelche gerufenen Worte und Schritte, die sich ihm rasch näherten, ehe er das Bewusstsein verlor. Yoseob runzelte die Stirn. Es war komisch. Seit wann, war sein Bett denn so verdammt hart? Und er konnte sich nicht daran erinnern, dass er sich auf die Couch in seinem Apartment gelegt hatte. Und selbst die war nicht so unbequem wie das, worauf er im Moment lag. Bis auf das Kopfkissen natürlich. Das war richtig bequem, aber irgendwie auch nicht so, wie er es in Erinnerung hatte. Erneut furchte er die Stirn und versuchte sich daran zu erinnern, wo er denn war. Erst allmählich drangen die Geräusche an sein Ohr. Etwas entfernt hörte er fahrende Autos und die Sirenen der Polizei. Wo war er? Zu Hause sicherlich nicht. Er sollte die Augen öffnen und nachschauen, doch seine Lider waren so schwer wie Blei. Er grummelte leise und regte sich kurz, während er versuchte, endlich die Augen zu öffnen. Dabei bewegte sich sein Kopfkissen und plötzlich war eine Stimme an seinem Ohr. „Bist du wieder wach? Hey! Kannst du mich hören?“ Er spürte, wie ihn etwas leicht an den Schultern rüttelte, was ihn dazu brachte, nun doch endlich mal zu sehen wo er war. Und dann blickte er direkt in dunkelbraune, fast völlig schwarze Augen, die ihn besorgt musterten. Das Gesicht des Anderen war nur wenige Zentimeter von seinem entfernt. Yoseob entwich ein erschrockenes Keuchen und er rappelte sich so schnell er konnte auf und weg von dem Kerl, wobei er sich kurz seinen Kopf hielt, der bei der zu raschen Bewegung dröhnte. Sein Nebenmann gab ein amüsiertes Lachen von sich und stand auf. „Komm, der Boden ist kalt“, sagte er, während der Schwarzhaarige einen Augenblick lang irritiert auf die Hand starrte, die ihm angeboten wurde, ehe er sie ergriff und sich von dem Braunhaarigen hochziehen ließ. „Was..was ist passiert?“, fragte er als er sich umsah. Erst jetzt erinnerte er sich langsam wieder, dass er eigentlich heim gehen wollte, doch dann war plötzlich alles schwarz und das Nächste, was er wusste, war, dass er – mit dem Kopf im Schoß des Unbekannten – hier auf dem Boden wieder aufgewacht war. „Du bist umgekippt. Musste mich ganz schön beeilen um dich aufzufangen, bevor du auf den Boden knallst“, sagte der Fremde und musterte ihn einen Augenblick besorgt. „Geht es dir besser?“ Der Angesprochene nickte langsam. Ihm ging es auf jeden Fall besser als zuvor. Der Schwindel nistete nur noch vage in seinem Kopf und auch die Übelkeit, die er zuvor verspürt hatte, war fast völlig verschwunden. „Ich bin übrigens Junhyung“, grinste der nun nicht mehr ganz so fremde Mann und reichte ihm die Hand. „Yoseob“, erwiderte der Schwarzhaarige und ergriff die Hand. „Danke. Dass du dich um mich gekümmert hast, meine ich.“ Es war ihm peinlich, dass sich Junhyung um ihn gekümmert hatte, obwohl er sich doch eh schon völlig vor ihm blamiert hatte. Er seufzte leise. Er hasste diesen Tag. Bisher war nichts Gutes geschehen und irgendwie hatte er das Gefühl, dass es auch nicht besser werden würde. Er fuhr sich mit einer Hand durch sein mittlerweile wirres Haar. Ihm war gerade einfach nur zum Heulen zumute und er spürte, wie sich salzige Tränen in seinen Augen sammelten, die er hastig versuchte wegzublinzeln. Verdammter Alkohol. Normalerweise war er nicht so eine Heulsuse. Der Braunhaarige schien zu merken, dass etwas nicht stimmte, denn er beugte sich näher zu ihm. „Was ist? Hast du dir doch wehgetan?“ Yoseob schüttelte schnell den Kopf und schniefte. „N-nein. Nein hab ich nicht.“ Er wischte sich ärgerlich eine Träne weg, die sich leider Gottes einen Weg über seine Wange nach unten gebahnt hatte. Es war wirklich ein Schwarzer Tag. Ein verdammt schwarzer. „Was ist dann? Wieso weinst du?“ Der Andere beobachtete ihn hilflos und schien nicht zu wissen, wie er sich verhalten sollte. Und verdammter Alkohol. Er war schuld, sonst hätte Yoseob dem Braunhaarigen nie etwas erzählt. Aber die zu vielen Drinks lockerten seine Zunge, als er in die Knie ging – mitten auf dem Gehweg – und in Tränen ausbrach. Wenigstens hatte das Schicksal dieses eine Mal Mitleid mit ihm, weshalb außer Junhyung keine weiteren Leute in der Nähe waren, die seinen Zusammenbruch miterleben konnten. Er schluchzte laut auf und vergrub sein Gesicht in den Händen. „Ich hasse es! Ich hasse diesen verdammten Tag. Einfach alles geht schief! Und dann macht Minhyuk Schluss und ich dachte zuerst, es wäre ein Scherz. Aber er war völlig ernst und meinte, dass ich ihn nerve. Ich wäre ihm zu langweilig und so n Kram. Ich meine… ich wusste ja, dass er mir schon ein paar Mal fremdgegangen ist. Aber ich wollte darüber hinweg sehn. Weil ich ihn mag. Ich mag ihn wirklich sehr, aber er… ich bin ihm egal. Zu langweilig. Zu einfach zu haben. Hallo? Ich und einfach zu haben? Ha! Das ich nicht lache!“ Yoseob wurde immer wütender und wischte sich immer wieder die Tränen aus dem Gesicht, die weiterhin aus seinen mittlerweile roten Augen quollen. Junhyung war nun neben ihm in die Hocke gegangen und klopfte ihm unbeholfen auf die Schulter, schwieg aber. „Ich meine… wir hatten natürlich unsere Differenzen. Und wir haben uns natürlich auch gestritten. In letzter Zeit öfter. Und manchmal hat er auch Sachen nach mir geworfen. Er.. er hat mich auch schon mal geschlagen. Aber trotzdem. Ich komme nicht von ihm los. Verdammter Minhyuk! Ich dachte er würde bei mir bleiben, wenn ich es nur aushalten würde. Aber ich habe mich getäuscht.“ Der Schwarzhaarige schniefte und versuchte, den Tränenschwall zu stoppen, was ihm langsam auch gelang. Der Andere räusperte sich leise. „Vielleicht solltest du in Erwägung ziehen, dass es besser war, dass er sich von dir getrennt hat. Nach Allem, was ich gerade mitbekommen habe, war er schlecht zu dir. Er wäre nicht der Richtige gewesen“, sagte er und seufzte. „Lass dich davon nicht runterziehen. Es ist nicht das Ende der Welt. Geh lieber heim und schlaf ne Nacht drüber. Morgen sieht bestimmt alles wieder ganz anders aus.“ Da Yoseob immer noch betrunken war, merkte er nicht, dass der Braunhaarige etwas amüsiert über sein Verhalten war, auch wenn er ihm ernst zugehört hatte. Junhyung stand auf und zog den Kleineren mit sich hoch. „Komm, ich bring dich heim“, sagte er nur, während er Yoseob einen Arm umlegte und ihn zu seinem Wagen navigierte. Der merkte gar nicht, wie er auf den Beifahrersitz befördert wurde, sondern kauerte sich dort einfach nur zusammen und schloss die Augen, nachdem er – er musste überlegen, bis es ihm wieder einfiel – dem Anderen seine Adresse genannt hatte. Was machte es denn noch für einen Unterschied, wenn der Braunhaarige ihn nach Hause fuhr. So kam er wenigstens schneller an und den Kerl würde er eh nie wieder sehen. Er war eingedöst, als sie vor seinem Apartment ankamen. Junhyung weckte ihn und ließ ihn aussteigen, wobei er ihm einen undefinierbaren Blick zuwarf. Dann brauste er davon, als Yoseob in seinem Zuhause verschwunden war. Ohne weiteres warf sich der Betrunkene auf sein Bett und machte sich nicht einmal die Mühe, sich umzuziehen oder gar seiner Schuhe zu entledigen. Er war fix und fertig und schon nach wenigen Minuten eingeschlafen. Dem Alkohol sei Dank. Als er am nächsten Tag gegen Nachmittag wieder aufwachte, hatte Yoseob das Gefühl, von einem Panzer überrollt worden zu sein. Ihm tat alles weh, von den Kopfschmerzen ganz zu schweigen. Und ihm war wieder übel. Die Sonne schien viel zu hell durch das große Fenster in sein Zimmer, was ihn dazu brachte, grummelnd die Decke über seinen Kopf zu ziehen. Er schwor sich, nie wieder in seinem Leben so viel zu trinken. Diese Erfahrung musste er nicht noch einmal machen. Nachdem er eine weitere Stunde im Bett verbracht hatte, entschied er sich, endlich mal aufzustehen und zu duschen. Ein Blick in den Spiegel verriet ihm, dass er tiefe und dunkle Ringe unter den Augen hatte. Seine Klamotten waren völlig zerknittert, doch da sie eh nach Alkohol und Rauch rochen, schmiss er sie sofort in die Wäsche. Die Dusche war eine wahre Wohltat und er fühlte sich gleich um einiges besser, als er das Wasser über sein Gesicht und den Rest seines Körpers laufen ließ. Dabei versuchte er, die vergangene Nacht Revue passieren zu lassen, was ihm aber eher misslang. Er hatte ein paar Gedächtnislücken und wusste auch nicht mehr, wie er es in seinem gestrigen Zustand überhaupt geschafft hatte, nach Hause zu kommen, denn seine letzte Erinnerung war, dass er aus dem Club und den Gehweg entlang gegangen war. Alles andere war komisch verschwommen, egal wie sehr er auch versuchte, den Nebel in seinem Kopf zu lichten. Was solls, dachte er sich. Wenn er sich nicht daran erinnern konnte, dann war es sicherlich auch nicht so wichtig gewesen. Nachdem er geduscht und sich frische Kleidung angezogen hatte, fühlte Yoseob sich wie ausgewechselt. Die Kopfschmerzen waren zwar immer noch vorhanden, aber er fühlte sich nicht mehr dreckig und die Energie kehrte langsam aber sicher in seinen Körper zurück. In Gedanken ging er die Anti-Kater-Liste durch, die er zuvor im Internet gefunden hatte. Die warme Dusche war schon erledigt, das Einzige was nun noch fehlte, war, viel Wasser zu trinken – er hatte schon eine eineinhalb Liter-Flasche geleert – und sich eine Brühe ohne Alles zu kochen. Also machte er sich auf den Weg in die Küche und tat Besagtes. Als er fertig war, füllte er die heiße Flüssigkeit in eine Schüssel und machte es sich auf seiner Couch bequem, wo er dann vorsichtig die Suppe schlürfte. Immer noch versuchte er, sich an das Vergangene zu erinnern, doch da all seine Erfolge fruchtlos waren, gab er es vorerst auf und schaltete den Fernseher ein. Es lief irgendeine Schnulze, in der das Mädchen gerade auf dem Boden kauerte und weinte, während ihr Freund sie fest in seine Arme zog und tröstete. Um ein Haar wäre dem Schwarzhaarigen seine noch halbvolle Schüssel aus den Händen gefallen. Bei dem Anblick dieser Szene blitzen plötzlich Bilder in seinem Kopf auf. Bilder der vergangenen Nacht. Er, der ohnmächtig wurde. Er, der von diesem Fremden – Junhyung? – aufgefangen wurde. Er, der auf dem Boden saß und weinte. Während er dem Anderen alles erzählte. Er hatte buchstäblich eine Gesichtsentgleisung, denn seine Kinnlade war gerade so weit wie möglich nach unten gesackt und er hatte seine Augen aufgerissen, während er blind in die Luft starrte. Scheiße. War er noch ganz bei Trost? Was hatte dieser verdammte Alkohol da nur mit ihm angestellt? Nicht genug, dass er sich sowieso schon den ganzen Abend über mit seinem betrunkenen Verhalten blamiert hatte, nein, jetzt musste er auch noch einem Wildfremden seine erbärmlich Story erzählen und sich dann auch noch von ihm heimbringen lassen, obwohl der Andere was-auch-immer mit ihm hätte anstellen können (auch wenn Yoseob sich nicht vorstellen könnte, dass der Braunhaarige so ein Mensch war). Der Scham brannte auf seinen Wangen und er vergrub sein Gesicht in seinen Händen. Hätte er sich doch bloß nicht daran erinnert. Die Unwissenheit wäre leichter zu verkraften gewesen, als diese erdrückende Wahrheit. Im Moment würde er nichts lieber tun, als im Erdboden zu versinken und für immer zu verschwinden, damit er diesem gutaussehenden Kerl nicht mehr begegnen musste. Und auch Minhyuk nicht. Der war eh an allem Schuld. Hätte dieser Scheißkerl nicht mit ihm Schluss gemacht (bei dem Gedanken daran spürte er sofort wieder seinen harten Kloß in seinem Hals), dann wäre das Alles gar nicht erst passiert. Er wäre nie in diesen Club gegangen, hätte sich niemals so sehr betrunken und wären dem Kerl letztendlich auch niemals begegnet. Doch dann kam ihm ein Gedanke. Warum machte er sich denn überhaupt Sorgen darüber? Er lebte immerhin in einer Millionenstadt. Seoul war riesig und die Wahrscheinlichkeit, ihm noch einmal über den Weg zu laufen, verschwindend gering. Diese Erkenntnis erleichterte ihn sofort und er lehnte sich entspannt in die Polster der Couch. Er machte sich einfach zu viele Gedanken. Ihn wieder zu sehen wäre einfach zu viel des Unglück gewesen, so gemein würde das Schicksal sicherlich nicht zu ihm sein. Und selbst wenn Yoseob den Anderen eines Tages mal wieder sehen würde, auf der Straße zum Beispiel oder in einem Club – was eher unwahrscheinlich war –, so konnte er ihm auch aus dem Weg gehen. Den restlichen Tag verbrachte er damit, auf der Couch rumzuliegen und fern zu sehen. Seine Kopfschmerzen waren mittlerweile verschwunden. Als er gegen 23 Uhr dann ins Bett legte um zu schlafen, war er sogar recht guter Laune. Die Gedanken an Minhyuk hatte er den gesamten Tag über erfolgreich verdrängt und die Sache mit dem Kerl von Gestern war ihm nun völlig egal. Außerdem freute er sich auf den morgigen Tag, an welchem er endlich bei seinem neuen Arbeitsplatz anfangen würde. Da die Firma einen guten Ruf hatte, machte er sich keinerlei Sorgen und war der Ansicht, dass es sicher eine wunderbare Arbeit sein würde. Er hatte ja keine Ahnung, wie sehr er sich irrte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)