Fremde Welten: Das Schloss am Meer (#2) von Purple_Moon (Crimsons eigene Serie, yay!) ================================================================================ Kapitel 22: Nachts im Schloss ----------------------------- Irgendetwas weckte ihn mitten in der Nacht... Crimson setzte sich auf uns sah sich um. Es war dunkel, aber seine Magieraugen konnten dennoch alles in ausreichender Form erkennen. Dark schlief auf der Seite, das Gesicht ihm zugewandt. Mava lag auf dem Rücken und schnarchte leise. Auf der anderen Seite Yami... er war noch immer in einem komatösen Zustand, und das nach sieben Tagen... oder nein, er hatte schon vorher die Symptome gezeigt. Für Crimson waren es jetzt sieben Tage. Wenn er nicht bald aufstehen durfte, drehte er noch durch... vor allem aber wollte er nicht mehr dieses Lotuszeug essen müssen. Da er jetzt nicht mehr ständig im Fieberwahn war, konnte er durchaus auch andere Nahrung zu sich nehmen, was er auch musste, damit er nicht zu sehr geschwächt wurde. Aber dreimal am Tag gab es Lotus in unterschiedlichen Zubereitungsformen. Soweit Crimson das mitbekommen hatte, war sein Großvater für die Küche zuständig, denn das war sein größtes Hobby. Der große Dunkle Gelehrte, Vater der Skill-Brüder, einer der ganz Großen im Zirkel des Bösen, verbrachte seine Freizeit damit, im Schloss seines Enkels eklige Hausmittelchen zuzubereiten. Nun ja, von irgendwem muss ich es ja haben, dachte Crimson. Und gegen das andere Essen von Opa Sage konnte man nichts sagen. Besonders seine Kräuterkekse waren unvergleichlich. Ah! Da war es wieder! Als würde jemand in der Ecke tuscheln... aber niemand außer den vier Kranken war hier... außerdem waren die Worte schwer zu verstehen, es klang wie durch eine geschlossene Tür. Es dauerte eine Weile, bis er darauf kam, was er da hörte. Nämlich etwas, das er gar nicht hören sollte. Etwas zögerlich kroch er aus dem Bett, zog sich den bereitliegenden Morgenmantel über und verließ in Hausschuhen das Zimmer. Nicht dass es im Schloss kalt war, aber doch etwas kühl um diese Zeit, und sowohl Olvin als auch Lily würden schimpfen, wenn er sich nur im Nachthemd herumtrieb. Zumindest hatte er jetzt ein Nachthemd – die Bewohner des Dorfes, das das Schloss mit Nahrungsmitteln belieferte, hatte eine Ladung mitgeschickt. Leise erreichte er das Nebenzimmer und schlüpfte vorsichtig hinein. Auch dieses war mit vier Personen belegt: Blacky, Appi, Cross und Yugi. Es gab noch ein weiteres Zimmer für die weiblichen Patienten, aber Crimson interessierte sich nur für eine bestimmte Person. Er schlich zu dessen Bett. „Hey, Yugi... kannst du nicht schlafen?“ Der Junge erschrak ein bisschen. „Huch, Crimson! Ich hab dich gar nicht kommen hören!“ „Du warst vermutlich zu sehr mit dem Versuch beschäftigt, Yami zu erreichen.“ „Ja, ich mache mir Sorgen um ihn...“ „Ich bin ja selber nicht allzu geschickt in Telepathie, aber du schirmst deine Versuche nicht besonders gut ab.“ „Oh,,, tut mir Leid. Ich kann anscheinend nicht schlafen. Hast du nicht irgendwas, das hilft?“ Das wusste Crimson gar nicht so genau. „Vermutlich ist im Krankenzimmer noch was. Aber da war ich seit einer Weile nicht mehr.“ Yugi stand auf. „Lass uns zusammen gehen... dann kann ich mir etwas die Beine vertreten.“ Der Junge hatte keinen Morgenmantel, aber seine Jacke aus seiner Welt, und zog diese und ein Paar Hausschuhe über. Anscheinend war auch ihm eingebläut worden, nur so außerhalb des Bettes herumzulaufen. Er trug ansonsten einen gemusterten, blauen Schlafanzug, der Crimson fast besser gefiel als die robenähnlichen Nachthemden. Leise schlossen sie von außen die Tür. Ein kleines Funkeln erregte Crimsons Aufmerksamkeit. „Nanu? Da ist irgendwas...“ Seine Augen sahen ganz gut im Dunkeln, doch er verwendete trotzdem ein Licht für Einzelheiten, zumal Yugi kein Finsternismagier war. „Siehst du das?“ Auf die Tür und an die Wand waren mit Kreide Runensymbole gemalt. Sie schimmerten einmal der Reihe nach, als die Tür sicher verschlossen war. Die Zeichen waren in einer sehr sauberen, regelmäßigen Handschrift geschrieben. Als sie die andere Tür überprüften, fanden sie auch dort welche, allerdings hatte er das beim Verlassen des Raumes gar nicht bemerkt – was vielleicht daran lag, dass diese hier von einem anderen Magier stammten, die Schrift sah anders aus. Sie war grober, weiter auseinandergezogen. Aber beides war das gleiche Siegel. „Jemand hat es für nötig gehalten, ein Schutzsiegel gegen unbefugte Eindringlinge an der Tür anzubringen,“ stellte Crimson fest, nachdem er sich die Schrift etwas genauer angesehen hatte. „Dieses hier könnte von Onkel Kuro sein. Die andere Handschrift kenne ich nicht.“ Yugi und Crimson tauschten einen verwunderten Blick aus und zuckten mit den Schultern. Es war keineswegs zu abwegig, ein Zimmer mit kranken Magiern auf diese Weise zu schützen. Die Krankenstation war nicht weit entfernt, praktisch nur um die Ecke. Das Schloss war ruhig, wie es sich gehörte. „Gruselig,“ murmelte Yugi auf einmal und klammerte sich an Crimsons Arm. Er war nicht mehr so klein, dass er als Kind durchging, insofern war es merkwürdig. „Alles in Ordnung?“ hakte Crimson nach. Allerdings fühlte auch er sich seltsam, als wäre er auf verbotenem Gelände. Eventuell lag es nur daran, dass er eigentlich noch nicht aufstehen sollte. Auch die Krankenstation hatte ein Schutzsiegel auf der Tür. In diesem Fall war es die auf groteske Weise kleine, pingelig saubere Handschrift von Olvin. Der Mann hatte eine eigentümliche Art, die Runen zu formen, aber das Schriftbild wirkte einheitlich. Sie huschten schnell hinein, holten eine Phiole mit Schlaftrunk und huschten wieder hinaus. Drinnen herrschte ein Gefühl der Geborgenheit vor, während auf dem Flur eine gewisse Bedrohung zu spüren war. Etwas war nicht wie sonst. Normalerweise streunte Crimson nachts durch das Schloss und fühlte sich so sicher wie in Begleitung seiner ganzen Familie. „Uhm... Crimson...“ Yugi schaute den Gang hinunter, entgegen der Richtung, aus der sie gekommen waren. „Da war etwas... ein Schatten... Ob noch jemand wach ist?“ Crimson löschte sein Licht. Er fühlte sich in der Finsternis sicherer, was in seinen Augen logisch war, wenn man nicht entdeckt werden wollte. „Nimm meine Hand, Yugi. Oder möchtest du lieber ins Zimmer zurück?“ „Auf keinen Fall! Nicht, wenn sich Unbefugte hier herumtreiben!“ Yugi ergriff seine Hand mit festem Druck. Der Schlossherr streckte seinen Geist nach Cathy aus... und erhielt keine Antwort. Cathy war beschäftigt, aber womit, fand er nicht heraus. Dafür hatte er das Gefühl, dass er störte, und mischte sich lieber nicht weiter ein. Die beiden Magier schlichen lauschend weiter. Vor ihnen war ein leises Geräusch zu hören... doch Crimson fiel kein Tier ein, das es verursachen könnte. Es klang eher wie der leise Ton, den eine Robe oder ein Umhang aus edlem Stoff machte, wenn er über glatten Boden schleifte. Es fehlten die Schritte der Person, die das Kleidungsstück trug. Plötzlich bewegte sich etwas neben ihm – ein dunkler Fleck an der Wand, dunkler als seine Umgebung, und seine Ränder stießen ganz feine Blitze aus, als das Ding sich ihm näherte. Als nächstes klatschte etwas gegen Crimsons Kopf und Oberkörper wie ein nasses Handtuch, kalt und... Die Oberfläche war nicht zu beschreiben, es gab nur das Gefühl von Kälte. Er schrie erschrocken auf, ließ sich instinktiv zu Boden fallen, um dem Angriff zu entgehen, aber das Ding klebte an ihm. Wo es Kontakt mit seiner bloßen Haut hatte, am Hals und an seiner linken Gesichtshälfte, entstand ein unangenehm prickelndes Gefühl, als würden winzige Nadeln blitzschnell immer wieder zustechen. Dann explodierte der ganze Korridor in gleißendem Licht. Er hörte wieder das Geräusch von schleifendem Stoff und ein entsetztes Zischen. Der Angreifer war von einer Sekunde auf die andere verschwunden, und Crimson lag zitternd vor Schreck auf dem kühlen Schlossfußboden, der sich aber wesentlich angenehmer anfühlte als das von eben. Geblendet stellte er fest, dass Yugi beide Hände hell leuchtend erhoben hatte. Das Licht ließ nach, erlosch aber nicht ganz, so dass Crimson Yugis große, vor Furcht geweiteten Augen erkennen konnte. Vorsichtig erhob er sich auf die Füße. „Hier ist definitiv... irgendwas nicht in Ordnung...“ Yugi nickte eifrig. Ohne dass sie ein Wort darüber verloren, behielt er eine Lichtkugel in der Hand, die einen Umkreis von drei Metern erhellte. Umkehren kam für beide trotz allem nicht in Frage. Wenn es einen Feind gab, würden sie ihn finden und konfrontieren. Sie schlichen weiter, lugten um jede Ecke, in jeden Seitengang. Aber anscheinend waren sie nicht in Gefahr, solange sie ein Licht hatten. Crimson war geneigt, es zu löschen und abzuwarten, aber er konnte Yugi nicht in Gefahr bringen, solange sie nicht wussten, womit sie es zu tun hatten. „Warte, hörst du das?“ flüsterte der Junge plötzlich. Crimson war in Gedanken gewesen, doch da war etwas... ein Geräusch von schleifendem Stoff. Das Licht zu löschen, kam somit nicht mehr in Frage. Gebannt blieben sie stehen und starrten nach vorne. Crimson machte sich auf einen Angriff gefasst und bereitete schon einen Verteidigungszauber vor, als sich ein Schatten um die Ecke schob. Er war größer als der andere, und soweit man das beurteilen konnte, sah er dreidimensional aus... Crimson hob die Hand, um einen Zauber zu werfen, der den Gegner bannen und festsetzen sollte. „Was bitte tust du da, Jungchen?“ “Wah!“ Crimson zuckte beim Klang der Stimme unwillkürlich zusammen, weil er nicht damit gerechnet hatte, dass ihn das Ding ansprach. Seit Zauber verpuffte an der Decke. Yugis Licht flackerte ein wenig, aber insgesamt hielt der Junge sich gut. Olvin trat in den Lichtschein. „Könnt ihr zwei mir mal sagen, was ihr hier treibt, statt im Bett zu liegen? Ihr braucht noch mindestens zwei Tage Ruhe, wenn nicht sogar drei oder vier!“ Beide machten sich schuldbewusst etwas kleiner. „Wir wollten nur... also es ist so... da war ein komisches Schattending...“ stammelte Crimson. „Schattending?“ Olvin wirkte alarmiert. „Hat es euch berührt?“ „Es hat mich angefallen, ja...“ „Zieh dich aus.“ „Wie bitte?“ Zweifellos hatte er sich verhört, oder Olvin trieb mal wieder Scherze mit ihm. „Zieh dich aus!“ wiederholte der untersetzte Necromant. „Ich muss nachsehen, ob es noch an dir klebt.“ „Aber... ich habe es mit dem Licht verscheucht,“ bemerkte Yugi vorsichtig. „Bürschchen!“ wandte sich der Alte an ihn. „Ich muss nachsehen, ob es noch an ihm klebt. Ende der Diskussion. Zieh dich am besten auch gleich aus, nur zur Vorsicht.“ „Waaaaah...?!“ „Olvin, hast du etwas... oh!“ Eine zweite Gestalt tauchte auf: Aqua Madoor, Erias Vater. Crimson war ihm noch nicht begegnet, seit er hier war, er hatte nur erfahren, dass der Mann seine Körpertemperatur so niedrig halten konnte, dass Schattenfieber bei ihm nicht gedeihen konnte, bevor das Immunsystem den Erreger beseitigte. Leider hatte Eria den Trick wohl noch nicht drauf. Mit Mads Auftritt wurde es gleich fünf Grad kühler. Und da sollten sie sich ausziehen?! „Was ist hier eigentlich los?“ wollte Crimson endlich wissen. „Merasfresser,“ sagte Olvin, als würde das alles erklären. Crimson dachte scharf nach, denn er wollte sich nicht schon wieder sagen lassen, dass er im Unterricht nie aufpasste. „Ähm... Meras ist diese Einheit, in der Magie gemessen wird, oder?“ „Kann man so sagen,“ nickte Olvin. „Es ist die wissenschaftliche Bezeichnung für das, was der Laie einfach nur Magie nennt. Dabei wird unterschieden zwischen der Magie, die ein Magier benutzt, und jener, die zum Beispiel ein Unterweltler hat... aber ich schweife ab. Merasfresser befallen Schlossherzen. Sie saugen die gespeicherte Energie aus den Speichertanks und vermehren sich durch eine Art Zellteilung. Anfangs mag der Befall harmlos erscheinen, aber wenn sie zu viele werden, können sie mit Leichtigkeit den Energiekern lahmlegen.“ Crimson spürte, wie alles Blut aus seinem Gesicht wich. „Warum hat mir das keiner gesagt? Wie lange ist das schon so?“ Olvin seufzte, als hätte er es mit einem unbelehrbaren Kind zu tun. „Jungchen... du bist krank. Die Aufregung ist deiner Genesung nicht förderlich. Catherine hat uns gestern davon in Kenntnis gesetzt. Er hat erst versucht, selbst damit fertig zu werden, es aber nicht geschafft. Anscheinend war es ihm peinlich, so dass er nichts sagen wollte... etwa so, als hättest du eine Geschlechtskrankheit.“ „Aber wo kommen diese Dinger denn her?“ fragte Yugi verständnislos. „Hat sie jemand von uns eingeschleppt?“ „Das wäre möglich, aber es kann auch gut sein, dass sie schon länger im Schloss waren. Manchmal überdauern sie in einem Ruhezustand, der erst aufgehoben wird, wenn das Schlossherz genug Energie hat.“ Olvin rieb sich ernst das Kinn, wobei man hörte, dass er Bartstoppeln hatte. „Catherine hat vor etwa einer Woche angefangen, Tank vier zu füllen.“ „Als all die Magier und Krieger da draußen ihr Lager aufgeschlagen haben,“ begriff Crimson. „Seitdem hat er keine Energieprobleme mehr.“ „Stimmt,“ nickte Olvin. „Inzwischen ist Tank vier stillgelegt, aber die Tanks eins bis drei sind befallen.“ Crimson spürte sein Herz rasen. „Was ist mit dem Energiekern?“ „Da haben wir natürlich zuerst nachgesehen,“ versicherte Mad. „Dieses Schloss ist ziemlich alt, also befürchteten wir, dass die Schutzmechanismen vielleicht versagt haben. Aber es gibt einen inaktiven Runenzauber in dem Raum. Er scheint so gestaltet zu sein, dass er sich aktiviert, wenn dem Kern Gefahr droht. Allerdings kann niemand diese Zeichen lesen außer Ray, und wir haben sie überhaupt nur entdeckt, weil wir nach so etwas gesucht haben. Ray meinte, wir müssten uns keine Sorgen machen. Wir haben diese Zeichen auch an vielen Wänden entdeckt und vermuten, dass es sich um das Werk eines früheren Schlossherrn handelt.“ Dazu hätte Crimson sich äußern können, doch er schwieg lieber, da nicht jeder von der Information begeistert gewesen wäre, die er zu bieten hatte. „Wo ist Sorc?“ fragte er statt dessen. „Hat sich mit deinem oberwichtigen Trank im Alchemieturm verschanzt,“ gab Olvin Auskunft. „Das ist wohl auch ganz ratsam, denn sonst könnte niemand garantieren, dass das Gebräu unbeschadet bleibt.“ Überraschenderweise schien der Alte das zu befürworten. Obwohl... er wusste, dass es in seinem Interesse war, dass der Trank erhalten blieb, insofern war das so verwunderlich dann nun auch wieder nicht. „Die Merasfresser können sich vermehren, indem sie Ableger auf einen Wirt legen, normalerweise einen Magier,“ deutete er an. „Also, Jungchen... genierst du dich zu sehr vor einem Heiler oder...“ Crimson zog sich aus. Er glaubte sogar, dass er noch nie so schnell seine Klamotten losgeworden war. Seine ganze Haut fing an zu kribbeln allein bei der Vorstellung, dass so ein Ding an ihm saß. Wie musste sich da erst Cathy fühlen? Crimson hatte noch nie diese Energiespeicher gesehen, aber er stellte sie sich vor wie einen Arm oder ein Bein. Mad und Olvin suchten im Schein des Lichtzaubers seinen Körper nach verdächtigen Stellen ab, und es dauerte nicht lange. „Da!“ Mad holte etwas aus seiner Gürteltasche und hantierte in Crimsons Nackenbereich, wobei er einen Spruch murmelte. Es gab ein schlürfendes Geräusch und ein ziehendes Gefühl, das den Eindruck erweckte, die ganze Haut ginge mit ab. Crimson biss die Zähne zusammen. Nach wenigen Sekunden war es überstanden. Mad zeigte ihm eine kleine verkorkte Glasflasche, in der sich ein winziger Merasfresser befand. Wie eine gefangene Spinne suchte er nach einem Ausgang. Crimson rieb sich unbewusst den Nacken, der sich ziemlich wund anfühlte. Dann erinnerte er sich daran, sich wieder anzuziehen. Yugi war im Anschluss nicht schwer dazu zu überreden, die gleiche Untersuchung auf sich zu nehmen, aber bei ihm war nichts zu finden. „Ihr solltet wieder ins Bett gehen,“ befand Mad. „Wir haben die Türen mit Siegeln versehen, in den Zimmern seid ihr sicher.“ „Ich kann mich doch jetzt nicht wieder hinlegen, als wäre nichts geschehen!“ protestierte Crimson. „Hier geht es um mein Schlossherz...“ „Wir haben für diese Nacht eine Offensive gegen die Merasfresser geplant, dabei wärt ihr vielleicht im Weg,“ gab der Wassermagier zu bedenken. Olvin nickte bedächtig. „Wir patrouillieren das Schloss in Zweierteams, um die Merasfresser auszumerzen, die sich im Schloss herumtreiben. Feuer und Licht kann sie vernichten. Dieser junge Bursche, den Ray mitgebracht hat, ist ein Feuermagier, der einzige, den wir momentan haben. Er und Ray sind auf dem Weg zu den Energiekontainern, um dort aufzuräumen.“ Crimson war verwirrt. „Welcher junge Bursche?“ Mad tauschte einen Blick mit Olvin aus. „Oh... hat er dir den noch nicht vorgestellt?“ „Nein, keineswegs.“ Doch dann erinnerte Crimson sich: „Oh! Ist das der ehemalige Schüler der Eisigen Universität, den er erwähnt hat?“ Doch das wussten die beiden nicht. Es war auch im Moment nicht wichtig. Olvin bestand darauf, dass Yugi und Crimson ins Bett zurückkehrten. Er drohte ihnen sogar an, seine Heilerkenntnisse zu missbrauchen, um sie zu betäuben und wegtragen zu lassen. Also hatten sie keine Wahl und gaben nach. Für den Schlossherrn war die Situation völlig unbefriedigend. Yugi konnte mit dem Schlaftrunk wahrscheinlich zur Ruhe kommen, aber er nicht. Vielleicht sollte er sich auch nicht darüber wundern – sein Schlossherz war beunruhigt, und das färbte immer ein wenig auf ihn ab. Cathy ließ ihn jedoch nicht an seinem Problem teilhaben. Er fand es vermutlich wirklich ziemlich peinlich, von Parasiten befallen zu sein. Oder hatten sie ihm gesagt, dass Crimson nicht gestört werden sollte? Nun ja... es war ja wohl möglich, dass ein paar erfahrene Magier mit so etwas fertig wurden, nicht wahr? Er machte sich wahrscheinlich zu viele Sorgen. War es nicht die Aufgabe eines Anführers, sich darauf zu verlassen, dass seine Lakeien auch mal was hinbekamen? So langsam begriff Crimson, was damit gemeint war, wenn jemand von der Last der Verantwortung sprach, die ein Anführer hatte. Am Morgen kam wieder Ray mit dem Essen. Er trug einen Verband an der Stirn und hatte deshalb seine Haare zusammengebunden. Mit dieser Frisur sah er besonders ernst aus, fand Crimson. Aber so wurde auch deutlich, dass Rays Gesicht etwas weichere Konturen hatte als Sorcs, wobei es natürlich möglich war, dass die Hautfarbe optisch ihren Teil dazu beitrug. Bisher fehlte noch der direkte Vergleich. „Obstsalat mit ganz kleinen Stücken Lotus drin!“ verkündete der Lichtmagier. „Er ist gut durchgekocht, du bemerkst ihn vielleicht gar nicht.“ Sie waren inzwischen längst beim Du, Crimson hätte es auch komisch gefunden, Sorcs Bruder die ganze Zeit so förmlich anzureden, wo der Mann doch so einen offenherzigen Eindruck machte. Skeptisch schaute er in den Salat. Wenn er sich einbildete, dass die grünen Dinger irgendwas anderes waren... Aber nein, der Geschmack war einfach zu penetrant und der Lotus verlieh dem ganzen Gericht eine schleimige Konsistenz. Bloß gut, dass jeder nur einmal im Leben Schattenfieber bekommen konnte. Er aß brav, während Ray auch an die anderen eine Portion verteilte. Nur Yami bekam noch einen Becher mit dem Knochensalzgebräu. Er war wach, aber nur so weit, dass seine Augen offen waren. Anscheinend war er noch nicht ganz klar im Kopf. „Ist mit Yami alles in Ordnung oder gibt es Probleme?“ erkundigte Crimson sich leise. „Olvin meint, es liegt nur daran, dass Yami aus der Welt des Blauen Lichts stammt,“ informierte Ray ihn. „Es ist sein erster Besuch hier, und er kennt die Krankheitserreger überhaupt nicht. Aber sein Wille ist stark...“ Der Lichtmagier lies jetzt das Tuch auf Yamis Stirn weg, dafür stellte er ihm einen Vitamintrunk auf den Nachttisch. „Wer hat eigentlich diese Medizin gekocht?“ wollte Crimson neugierig wissen. Ray hob eine Augenbraue. „Weiß ich gar nicht... wahrscheinlich Olvin, der Heiler. Vielleicht aber auch einer von denen da draußen, da gibt es sicher auch Alchemisten.“ Ah, die hatten sicherlich auch das Knochensalz mitgebracht... oder gleich den fertigen Trank. „Du hast mir gar nicht erzählt, das du einen Jungen von der Universität mitgebracht hast,“ erinnerte Crimson sich. „Wie ist es heute Nacht gelaufen?“ Ray seufzte, lächelte aber dabei. „Ich wollte dir Fire vorstellen, wenn du wieder bessere Nerven hast, denn er ist etwas anstrengend. Wir konnten leider nicht alle Parasiten beseitigen. Beim zweiten Energiebehälter sind sie erfolgreich über uns hergefallen und haben all unsere Magie abgesaugt. Nach so einem Erlebnis weißt du erstmal, wie lange es braucht, den körpereigenen Speicher wieder aufzufüllen. Ganz zu schweigen davon, dass es eine halbe Stunde gedauert hat, alle Ableger von uns zu entfernen.“ Obwohl mit dem Thema an sich nicht zu spaßen war, entfuhr Crimson ein Kichern. „Du hast Parasiten Im Schloss?“ mischte Dark sich in das Gespräch ein. „Klingt wie Merasfresser.“ Er verzog schmerzlich das Gesicht. „Drakoniel lacht sich kaputt.“ „Der soll lieber mit ein paar Tipps zu dem Thema rausrücken, wenn er es so viel besser weiß,“ zischte Crimson seinen Cousin an, wobei er eigentlich das arrogante Schlossherz meinte. Dark schwieg eine Weile, in der sein Blick abwesend wirkte, und sagte dann: „Drakoniel warnt uns davor, dass die Viecher eine Schwarmintelligenz haben. Das heißt...“ „Ja, ich weiß, was das bedeutet,“ unterbrach Crimson ihn. „Sie lernen, und zwar die ganze Population, weil sie ein kollektives Bewusstsein haben oder so. Mist.“ „Hm, ich hätte sonst die Idee gehabt, dass wir sie in eine Falle locken,“ teilte Ray ihnen mit. „Sie gehen auf Magier los, also benutzen wir einen als Lockvogel und vernichten sie mit einem Bannkreis oder so. Wie Motten.“ „Das gilt dann aber wohl nur für die, die ins Schloss entwischt sind, statt bei den Speichern vernichtet zu werden,“ vermutete Crimson. „Im Moment sind wir einfach zu wenige, sonst wären wir gewiss erfolgreicher gewesen,“ meinte Ray. „Ein Schloss zu durchsuchen und alle zu vernichten, die an den Energiespeichern kleben, ist einfach nicht zu schaffen für... ich glaube acht waren wir. Und da kannst du Sorc abziehen, weil er den Alchemieturm verteidigt hat.“ Dark war etwas verwirrt. „Bestand Gefahr für den Turm?“ „Ja, weil Crimson da oben Glutsteine benutzt, die Merasfresser interessieren, und es sollte generell keines dieser... uhm... Wesen in einem Raum sein, wo ein wichtiges alchemistisches Werk stattfindet,“ antwortete Ray. „Wir sollten darauf warten, dass die meisten von uns genesen sind, und es dann noch einmal versuchen,“ beschloss Crimson. „Bis dahin halten wir die Population so gut wie möglich in Grenzen.“ „Wir machen das schon,“ versprach Ray. „Ich verlasse euch dann mal wieder, denn Olvin will, dass ich mich ausruhe...“ Crimson grinste. „Ja, kann ich mir vorstellen.“ Während der Lichtmagier sich verabschiedete, legte er sich auch wieder hin, aber er hatte so eine Ahnung, dass es ein langweiliger Tag werden würde, wenn er wieder nicht aufstehen durfte... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)