Bis dass der Tod sie scheidet von Lovienna (BBC Sherlock) ================================================================================ Prolog: Prolog -------------- Titel: Bis dass der Tod sie scheidet Fandom: Sherlock Holmes (BBC) Pairing: Sherlock Holmes x John Watson Anmerkung: Im Sherlock Holmes Universum bin ich in Sachen Fanfiction noch ein ziemlicher Frischling, deswegen hoffe ich sehr, dass ich die Charaktere zumindest nahezu realistisch getroffen habe. Für konstruktive Kritik, Tipps und Tricks bin ich immer offen. :) Disclaimer: Ich habe keinerlei Rechte an der "Sherlock"-Serie der BBC oder den Sherlock Holmes- Geschichten. Die folgende Geschichte entstammt allein meinen Hirngespinsten und ich verdiene kein Geld damit. --------------------------- „Um Himmels Willen, Sherlock!" Sherlock Holmes, selbsternannter Consulting Detective, bequemte sich nicht einmal dazu den Kopf zu heben, als ein ohrenbetäubendes Scheppern, gefolgt von einem dumpfen Aufschrei durch den Hausflur der 221B Baker Street tönte und selbst, als John keine fünf Sekunden später aufgebracht mit einem Bademantel bekleidet im Türrahmen erschien, ließ sich Besagter wie üblich nicht im Geringsten irritieren. „Was in aller Welt-" begann John, unterbrach sich jedoch selbst, um einmal tief durchzuatmen und sich entnervt an den Kopf zu fassen. „Was hat der Leichnam eines Mannes mittleren Alters in unserer Dusche zu suchen?" „Ich habe ihn dort vorübergehend deponiert." „Und warum ausgerechnet in der Dusche?" „In der Küche war kein Platz mehr", war die schlichte, mehr oder minder einleuchtende Antwort. John fuhr sich mit der Hand über das matte Gesicht. „Hören Sie, es ist schlimm genug, dass Sie die Küche für Ihre Experimente missbrauchen, nun fangen Sie bitte nicht auch noch an das Badezimmer als Abstellkammer zu benutzen. Haben Sie denn nichts Besseres zu tun? Kein Fall, der Sie zumindest annähernd interessiert? „Nein." „Was ist denn mit der Einbruchserie in Canterbury? Die ist doch schon seit Wochen in den Zeitungen." „Nicht mal eine vier, John. Ergo: Uninteressant." Seufzend ließ sich John auf dem Sofa nieder und zog seinen Laptop heran. „Und der vergiftete Mann im Greenwichpark?" „Langweilig, unkreativ und mehr als offensichtlich. Natürlich war es die Ehefrau." „Haben Sie-" „Lestrade weiß Bescheid." „Na schön", sagte John und öffnete die Homepage der BBC News, um nach tauglichen Freizeitbeschäftigungen für seinen offenkundig gelangweilten Freund zu suchen. „Wie wäre es mit einem Banküberfall in Kingston?" „Langweilig." „Brandstiftung in Harrow?" „Langweilig." „Hausfriedensbruch und-" „Langweilig, langweilig langweilig!", fiel ihm Sherlock unwirsch ins Wort. "Sie können sich die Suche sparen, John, es gibt kei-" „"Neues Opfer in der „Ring -Mordaffäre"", las John die Eilmeldung vor, die im selben Moment aufgepoppt war, und zum zweiten Mal an diesem Nachmittag dröhnte nur einen Augenblick später ein lautes Krachen durch das Haus in der Baker Street. John brauchte nicht einmal aufzusehen, um zu wissen, dass Sherlock aus seinem Sessel aufgesprungen war und offenbar den nächstbesten Gegenstand - dem Geräusch des Aufpralls nach zu urteilen war es die Fernbedienung gewesen - einmal quer durch den Raum geschleudert hatte. „Diese Vollidioten!" fluchte Sherlock lautstark und begann nun damit aufgebracht im Wohnzimmer auf und ab zu stapfen. „Habe ich es diesen Hampelmännern nicht gesagt, John? Ich habe es ihnen gesagt!" „Sie kümmern sich um die Beschaffung eine neue Fernbedienung, nur damit das klar ist", teilte ihm John beiläufig mit, während er die Eilmeldung anklickte, um den ganzen Artikel zu lesen. „Wie kann man nur so verbohrt sein! Es war doch vorauszusehen gewesen, dass es nicht lange dauern würde, bis er wieder zu schlägt, wenn die Polizei mich nicht an dem Fall arbeiten lässt. Und voilà, wieder eine Leiche mehr. Bravo!" Sherlock schnaubte verächtlich. Johns Blick glitt für einen Moment hinüber zu dem verärgerten Detektiv, der nach wie vor seine Runden in dem kleinen Wohnzimmer drehte. Er wusste, wie scharf Sherlock auf diesen Fall war. Schon seit Wochen. Das Problem war, dass sich die Morde bisher alle außerhalb Londons ereignet hatten und der Fall somit nicht von der Metropolitan Police bearbeitet wurde. ...Was Sherlock Holmes natürlich nicht davon abgehalten hatte trotzdem zu den Tatorten zu fahren. „Vielleicht hätten Sie dem zuständigen Inspector nicht gleich ins Gesicht sagen sollen, dass er für seinen Beruf nicht geeignet sei und er die Abschlussprüfungen seiner Ausbildung damals nicht umsonst zweimal vergeigt hat. Möglicherweise hätten Sie sich dadurch das Tatort-Verbot erspart", merkte John an und erinnerte sich lebhaft an die hitzige Diskussion vor zwei Wochen in Portsmouth. Wieder ein verächtliches Schnauben. „Dieser Mann ist ein Stümper, John. Große Klappe, nichts dahinter, ein hervorragendes Beispiel. Haben Sie gesehen, wie er um die Leiche herumgetänzelt ist?" „Sherlock..." „Wie ein Clown mit seiner lächerlichen Sonnenbrille. Die Polizei sollte sich ihre Leute in Zukunft besser aussuchen, sonst-" „Sherlock!" „Was ist?" „"Es ist inzwischen das zwölfte Opfer in der Serie der Ring-Morde"", begann John einen Absatz des Artikels zu zitieren. „"Wie Augenzeugen berichten soll der Ehemann den Leichnam seiner Frau in ihrem gemeinsamen Haus in Sutton, London aufgefunden haben. Der Fall wurde an Scotland Yard übergeben."" John blickte von seinem Laptop auf und sah zu, wie Sherlock in seiner Bewegung erstarrte. Es grenzte wahrlich immer wieder an ein kleines Schauspiel, jedes Mal wenn sich die Laune seines Freundes binnen kürzester Zeit um genau 180° drehte. Nachdem sich also die eben noch missmutige Miene des Detektiven innerhalb von Sekunden aufgehellt hatte, folgte eine halbe, freudige Pirouette durch das Wohnzimmer und ein vergnügtes "Großartig!", ehe Sherlock seine Hand kurz in seiner Hosentasche verschwinden ließ, um sein Handy herauszuziehen, welches im selben Augenblick - als hätte er es geahnt - anfing zu klingeln. „Wo?", fragte er sogleich in den Hörer, ohne seinen Gesprächspartner - vermutlich Lestrade - auch nur ansatzweise zu Wort kommen zu lassen. Sherlock lauschte kurz, als er mit einem schlichten „Schon unterwegs." wieder auflegte. Mit drei schnellen Schritten war er auch schon im Hausflur, warf sich dort den langen Mantel über die Schultern, kehrte wieder zurück ins Wohnzimmer und blickte mit einem erwartungsvollen Schmunzeln zu seinem Blogger auf dem Sofa, während er den Kragen seines Mantels richtete. „Auf geht's, John." „Könnten Sie nicht wenigstens vorher noch die Leiche aus der Dusche entfernen?" „Später. Wir haben Wichtigeres zu tun." Kapitel 1: Der Andere --------------------- Dass nicht nur Sherlock Holmes ein großes Interesse an den aktuellen Serienmorden zeigte, wurde spätestens deutlich, als das Taxi in das kleine Wohnviertel am Rande Londons einbog und den Blick auf eine riesige Traube von Journalisten und Fotografen frei gab, die sich vor dem Haus am Ende der Straße großflächig versammelt hatten. Die Sicherheitsleute vor Ort schienen tatsächlich größte Schwierigkeiten zu haben die Massen davon abzuhalten den Tatort zu stürmen oder sich wie die Geier auf jeden zu stürzen, der auch nur im Entferntesten aussah wie ein potenzielles Opfer, aus dem man die so erhofften Informationen heraus quetschen konnte. Und wie erwartet blieben natürlich auch Sherlock und John, nachdem sie das Taxi verlassen hatten und nun in Richtung Tatort marschierten, nicht von dem mörderischen Presserummel verschont. „Da ist Mr. Holmes!" „Mr. Holmes! Hierher!" „Mr. Holmes, was können Sie uns über den neuesten Mordfall sagen?" „Glauben Sie, dass Sie den Mörder endlich fassen werden?" „Wie kann es sein, dass er immer noch frei herumläuft?" „Ist die Polizei unfähig? Was sagen Sie dazu?" „Was können wir tun, um unsere Frauen zu schützen?" „Mr. Holmes! Ein Foto, bitte!" „Sie hatten Recht. Wir hätten doch den Weg über den Gartenzaun nehmen sollen..." murmelte John Sherlock zu, während sie sich hintereinander durch die Menschenmenge vor der Absperrung kämpften. „Dr. Watson!" Gerade, als John hinter Sherlock unter dem Absperrband hindurch schlüpfen wollte, wurde er jedoch grob am Arm gepackt und sogleich wieder zurück gezogen, woraufhin ihm rabiat ein Mikrofon unter die Nase gehalten wurde. „Dr. Watson, werden Sie und Mr. Holmes von nun an in dem Fall ermitteln?" „Wären Sie so freundlich und würden meinen Arm loslassen?" Doch der Mann dachte gar nicht daran. Vielmehr verstärkte er den Griff, als er merkte, dass John sich losreißen wollte. „Bitte beantworten Sie die Frage!" „Hören Sie mal, das ist Freiheitsberau-" entgegnete John entrüstet, wurde jedoch unterbrochen, als plötzlich Jemand an sie herantrat und die Hand des Reporters barsch von ihm wegstieß. Verdutzt blickte der Mann hinauf in ein hellgraues Augenpaar, das ihn gefährlich von oben herab taxierte. Dann, ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen, drehte sich Sherlock auf dem Absatz um und verschwand wieder hinter dem Absperrband. John folgte ihm hastig. „Sie sollten Ihre höflichen Umgangsformen gegenüber dreister Individuen wie diesem Herren noch einmal explizit überdenken, John", sagte Sherlock, als John zu ihm aufschloss und sie zusammen das Haus betraten. „Ich weiß nicht, ob es unbedingt förderlich für unser Image wäre, wenn ich eine Prügelei mit einem Reporter anfinge", erwiderte John, woraufhin Sherlock mit einem leichten Schmunzeln auf den Lippen stehen blieb und sich flüchtig in dem schmalen Flur des Hauses umsah. „Ah, da sind Sie ja!", begrüßte sie auch schon die vertraute Stimme Lestrades aus dem angrenzenden Zimmer, wo sich der Inspector gerade mit zwei Polizisten unterhielt. "Ich soll Ihnen übrigens schöne Grüße von Inspector Walton ausrichten", sagte er an Sherlock gewandt, als er aus dem Zimmer auf sie zu kam. „Er schien irgendwie nicht sonderlich begeistert, als ich ihm mitteilte, dass ich vorhabe Sie für die künftigen Ermittlungen hinzuzuziehen. Er hatte wohl schon das Vergnügen mit Ihnen, mh?" Doch Sherlock ignorierte den Seitenhieb und kam gleich zur Sache. „Wie ist die Lage?" Lestrade gab ihnen ein Zeichen ihm zu folgen. „Mrs. Wendy Henley, 37. Vor 1 ½ Stunden kam ihr Mann verfrüht von einer Geschäftsreise zurück und hat sie in der Küche aufgefunden. Eine Stunde zuvor hatte er noch mit ihr telefoniert. Hat sie auf dem Handy angerufen und ihr gesagt, dass er heute schon zurück komme. Die Geschäftsreise sollte eigentlich noch zehn Tage länger andauern. Wir haben bereits alles überprüft. Es stimmt, was er sagt." Inspector Lestrade lotste sie in die Küche des Hauses und blieb schließlich neben dem am Boden liegenden Leichnam der Frau stehen. Sherlock schritt geradewegs an ihm vorbei, nahm ein Paar Gummihandschuhe aus seiner Manteltasche und zog sie über. „Der Mörder ist genauso vorgegangen wie bei seinen anderen Opfern. Er hat sie von hinten mit einem Seil erwürgt, hat danach den Ehering der Frau entfernt und ist dann geflüchtet." „Irgendeine Spur von dem Seil?" „Das hat er wie üblich mitgenommen." „Mhm..." Gedankenverloren kniete sich Sherlock neben dem Leichnam auf den Boden, um ihn anschließend genauer zu untersuchen. John und Lestrade blieben ein paar Meter entfernt stehen und sahen erwartungsvoll dabei zu, wie der Blick des Detektives in Windeseile über den leblosen Körper huschte. Gleichmäßige, zirkuläre Striemen um den Hals, tiefe Einschnürungen, Würgemale ---> gewaltsame Strangulation Kleidung des Opfers ---> elegant Frisur --> ordentlich Gesicht --> geschminkt Offene Make Up Dose neben Leiche auf dem Boden, daneben kleine Wasserlache --> ? Nummer "503" mit Kugelschreiber auf die Hand geschrieben --> verblasst, kaum noch zu erkennen Schuhe --> Dreck an den Sohlen noch frisch Handtasche, Portemonnaie --> Kein Bargeld Mit weiterhin konzentriertem Gesichtsausdruck richtete sich Sherlock nach eingehender Prüfung der Leiche anschließend wieder auf und ließ seine Lupe zurück in seiner Manteltasche verschwinden. „Und?" fragte Lestrade. "Haben Sie etwas?" Schwungvoll drehte sich der Detektiv zu ihm herum. „Nun, wie Sie ja bereits festgestellt haben wurde Mrs. Henley Opfer einer gewaltsamen Strangulation. Die Frage ist nun: Warum? Warum hat er sie und all seine anderen Opfer stranguliert? Es waren geplante Morde. Warum also keine Waffe mit der alles so viel einfacher und schneller gegangen wäre? Möglicherweise hatte er einfach Angst durch das Geräusch eines Schuss entdeckt zu werden. Aber nein, das ist Unsinn. Sein letztes Opfer wurde auf dieselbe Weise getötet und diese Frau lebte mit ihrem Mann außerhalb der Stadt auf dem Land. Ein Schuss dort wäre jedenfalls unbedenklich gewesen. Das kann nicht der Grund sein. Warum also wählte er dann gerade die mühevolle Strangulation mit einem Seil? Fakt ist, dass der Mörder eine maßlose Wut gegen das Opfer hegte. Er wollte das Opfer leiden sehen. Dafür sprechen unteranderem die tiefen Einschnürungen an ihrem Hals. Fakt ist weiterhin, dass Mrs. Henley den Mörder entweder gekannt oder ihn zumindest freiwillig ins Haus gelassen hat, da sich weder an der Tür, noch an einem der Fenster Einbruchspuren befinden. Er hat sie von hinten überrascht, ohne ihr die Möglichkeit zu geben sich zu wehren." Den Augenblick sichtlich genießend, faltete Sherlock die Hände hinter dem Rücken und begann in der Küche auf und ab zu laufen, wissend, dass ihn die Blicke der Answesenden gespannt verfolgten. „Ferner ist Mrs. Henley erst kurz vor ihrem Tod nach Hause gekommen. Und sie schien in ziemlicher Eile gewesen zu sein. Allein der Küche nach zu urteilen war die Dame ein überaus ordentlicher Mensch. Sie würde das Haus niemals mit dreckigen Schuhen betreten, so wie es kurz vor ihrem Tode getan hat. Sie war also unterwegs und ist dann überstürzt nach Hause gekommen." "Vermutlich weil ihr Mann angerufen hat. Sie wollte sich noch zurecht machen, bevor er nach Hause kommt", warf Lestrade ein und deutete auf die kleine Make Up Dose am Boden. „Aber wieso sollte sie sich schminken, wenn sie bereits geschminkt war? Nein, da ist noch etwas anderes. John?" „Ja?" Sherlock blieb neben der Leiche stehen, hockte sich erneut neben sie und winkte John heran. „Diese beiden Hämatome hier an ihrem Hals nahe der Einschnürung. Wurden die durch die Strangulation verursacht?" John trat an Sherlock heran, ließ sich neben ihm nieder und untersuchte den Hals der Toten bis er schließlich den Kopf schüttelte. „Nein, definitiv nicht", sagte er bestimmt und blickte zu Sherlock. „Das sind hypobare Sugillationen." „Hypobare Su..gil..." murmelte Sherlock langsam und mit einem Mal begannen sich die Augen des Detektives zu weiten, ganz so, als sei ihm gerade der Leibhaftige persönlich erschienen. „Natürlich!" „Moment mal bitte!", unterbrach Lestrade verstört. „Hypobare Sugilla-was? Könnte ich vielleicht eine Übersetzung bekommen?" „Hypobare Sugillationen!" wiederholte Sherlock aufgeregt. "Liebesmale. Oder im Volksmund auch „Knutschflecke" genannt. John, können Sie mir sagen, wann diese Male entstanden sind?" „Sie sind noch ziemlich frisch. Vielleicht 2-5 Stunden alt." Sherlock richtete sich wieder auf und rieb sich begierig die Hände. „Ein Liebhaber also. Interessant. Das erklärt so einiges. Unteranderem ihre auffallend elegante, wenn nicht gar aufreizende Kleidung, die sie jedoch ihrem Zustand zufolge bereits am Tag zuvor getragen hat. Rekapitulieren wir die Geschehnisse also noch einmal. Mrs. Henley nutzt die Abwesenheit ihres Ehemannes aus und verbringt eine Nacht zusammen mit ihrem Liebhaber. Am nächsten Tag bekommt sie einen Anruf von ihrem Ehemann, der ihr sagt, dass er heute schon von seiner Geschäftsreise zurückkehrt. Sie will umgehend nach Hause, um die Spuren ihrer Affäre so gut es geht zu vertuschen, bevor ihr Mann zurückkehrt. Daraufhin fährt der Geliebte sie also zu ihrem Haus. Warum sie gefahren wird? Nun, sie und ihr Ehemann besitzen offensichtlich kein zweites Auto und mit der U-Bahn hätte es zu lange gedauert, da die nächste Haltestelle von hier aus ungefähr 20 Minuten Fußweg entfernt ist. Ein Taxi kommt auch nicht in Frage, da sie niemals Bargeld mit sich herumgetragen hat. Bleibt nur eins: Sie wurde von dem Mann her gefahren. Zuhause angekommen geht sie schließlich sofort in die Küche, nimmt sich dort ein paar Eiswürfel aus dem Gefrierschrank und kühlt die Blutergüsse an ihrem Hals, um die Ausbreitung zu verhindern. Daher die kleine Pfütze neben der Leiche. Danach nimmt sie sich das Make Up und will die Male an ihrem Hals verdecken, doch dann-", Sherlock klatschte in die Hände. „- schlägt er zu. Ihr Geliebter ist ihr in die Küche gefolgt, bringt sie dort um, nimmt ihren Ehering und verschwindet." „Sie meinen also, der Täter ist bei allen zwölf Opfern auf diese Weise vorgegangen? Bevor er sie umbrachte, hatte er noch ein Techtelmechtel mit ihnen?" „Das ist genau das, was sie überprüfen müssen, Inspector. Untersuchen Sie die anderen Mordfälle. Ich bin mir sicher, dass jede der Damen eine Affäre aufweisen kann. Finden Sie heraus, ob es derselbe Mann ist und geben Sie mir sofort Bescheid, wenn Sie auf etwas gestoßen sind." „Okay. Aber was macht der Mörder mit den Eheringen der Frauen? Wieso nimmt er sie mit?" „Er behält sie vermutlich als Trophäe. Solch ein Verhalten ist typisch für diese Art Täter." „Ja, klingt plausibel", pflichtete ihm Lestrade kopfnickend bei. Für Sherlock zumindest schienen die Untersuchungen am Tatort nunmehr abgeschlossen zu sein. Zügig zog er seine Handschuhe aus, drückte sie daraufhin einem irritierten Polizisten in die Hand und marschierte schließlich ohne ein weiteres Wort aus der Küche. John warf Lestrade noch einen recht vielsagenden Blick zu, ehe er Sherlock rasch hinaus auf den Flur folgte. „Moment!" rief Lestrade ihnen nach. „Was haben Sie beide denn nun vor?" „Wir, Inspector-" erwiderte Sherlock ohne sich umzudrehen, während er mit wehendem Mantel durch die offene Haustür spazierte. „- schnappen uns den Mörder!" ---- „Und wo sollen wir damit anfangen?", fragte John Sherlock, als sie zusammen in das Taxi stiegen mit dem sie hergekommen waren und dessen Fahrer Sherlock vorhin gebeten hatte zu warten. „503." „Ehm, wie bitte?" „503", wiederholte Sherlock. „Die Zahl hatte sich Mrs. Henley auf ihre Hand notiert. Die Nummer eines Hotelzimmers." „Sie waren die Nacht über also in einem Hotel?" „Natürlich waren sie das." „Wo soll's jetz' hingehen?", schaltete sich die Stimme des Taxifahrers ein. „Oxford Road, Harrow." „'Kay." „Harrow?" Verwirrt sah John zu Sherlock, der mal wieder drei Schritte weiter als alle anderen zu sein schien. „Harrow, ja. Um 14:30 Uhr hat Mrs. Henleys Ehemann sie auf dem Handy angerufen. Eine Stunde später schließlich, um 15:30 Uhr, ist er Zuhause angekommen und hat seine Frau in der Küche am Boden liegend aufgefunden. Sie war noch nicht lange tot, so viel ist sicher. 15 Minuten vielleicht. Was bedeutet, dass Mrs. Henley ungefähr 40 bis 45 Minuten gebraucht haben muss, um vom Hotel zu ihrem Haus zu gelangen, wenn sie und ihr Liebhaber gleich nach dem Telefonat losgefahren sind, wovon aber auszugehen ist. Der Verkehr um diese Zeit ist noch nicht allzu dicht. In Frage kommen würden alle Hotels im Umkreis von etwa 20 Meilen. In Mrs. Henleys Handtasche war ein Schlüsselanhänger mit dem Logo des Schuhgeschäfts "Russell & Bromley". Solche Läden verschenken Schlüsselanhänger für gewöhnlich nur, wenn es sich um die Neueröffnung einer Filiale oder etwas in der Art handelt. Wie es der Zufall will hat in Harrow gestern die Neueröffnung einer Filiale eben jenes Schuhgeschäfts stattgefunden. Das grenzt die Suche nach Hotels schon mal deutlich ein, da sie auf dem Weg ins Hotel gestern an dem Geschäft zumindest vorbei gekommen sein muss. Dann die Nummer des Hotelzimmers. 503. In Harrow gibt es zehn Hotels. Aber nur drei davon haben, soweit ich weiß, Zimmernummern, die über die 500 hinaus reichen. In einem dieser drei Hotels muss das kleine Stelldichein unseres Pärchen also stattgefunden haben." Sherlocks Blick huschte für einen Augenblick zu seinem Freund neben ihm. „Sie können den Mund wieder zu machen, John." John schreckte ein wenig auf, als ihm bewusst wurde, dass er Sherlock die ganze Zeit über leicht verblüfft angestarrt hatte. Man könnte meinen, er sei inzwischen an die genialen Deduktionskünste seines Freundes gewöhnt. Trotzdem, und da konnte er machen was er wollte, erstaunte Sherlock ihn damit jedes Mal aufs Neue. Leise räusperte sich John und sah eilig wieder aus dem Fenster. „Brilliant. Wie immer", gestand er in Richtung Fensterscheibe. „Nun, ich hatte Unterstützung", kam es von der anderen Seite, woraufhin John ein kleines Schmunzeln nicht verbergen konnte. „Aber mal ehrlich. Wer ist denn so leichtsinnig und lässt sich einen Knutschfleck von seiner Affäre machen? Uns mag es ja nun geholfen haben, aber ihr Mann wäre doch ziemlich schnell dahinter gekommen." „Sie wusste ja nicht, dass er so viel früher nach Hause kommen würde. Nach spätestens einer Woche wäre das Mal an ihrem Hals verheilt gewesen." „Mag sein. Trotzdem. Ein Knutschfleck." John schüttelte verständnislos den Kopf. "Sowas hatte ich zuletzt mit fünfzehn." „Sie haben diesbezüglich also schon Erfahrungen gesammelt?" „Sicher. In dem Alter galten diese Dinger ja noch irgendwie als "cool". Aber als Erwachsener?" John schnaubte. „Nichts weiter als Reviermarkierung." „Verstehe." „Was ist mit Ihnen? Hatten Sie früher-" „Ich meine Ihnen schon einmal gesagt zu haben, dass mein Gebiet ein anderes ist." „Es stimmt also", sagte John und wandte sich vom Fenster ab. „Sie hatten noch nie zuvor eine Beziehung." „Überrascht Sie das?" „Ich weiß nicht." Sherlock warf John einen Seitenblick zu. „Stört es Sie?" „Nein. Nein, natürlich nicht. Ich denke nur..." John sah hinab auf seine Hände. „Sie verpassen etwas." „Was sollte ich Ihrer Meinung nach verpassen?" „Na, zum Beispiel das Gefühl-" „Sie wissen doch, mit Gefühlen habe ich nichts am Hut", unterbrach ihn Sherlock, doch John ließ sich nicht beirren. „- das Gefühl einen Partner zu haben, auf den Sie sich verlassen können. Der immer für Sie da ist. Dem sie vertrauen könnnen. Mit dem Sie gerne Zeit verbringen und in dessen Nähe Sie sich wohlfühlen. Der Sie in- und auswendig kennt, mit all Ihren doch recht zahlreichen Macken", sagte John und sah auf. „Verstehen Sie?" Fragend zog Sherlock seine Augenbrauen zusammen. „Aber das trifft doch alles auf Sie zu, John. Wozu brauche ich da eine Beziehung?" „Nein!", rief John lauter als gewollt, schüttelte hastig den Kopf und fuhr dann etwas leiser fort. „Nein, das meinte ich nicht. Vielleicht...vielleicht hab ich das falsch ausgedrückt. Ich..." Er biss sich auf die Unterlippe. „Egal. Vergessen Sie's. ...Aber danke", setzte er noch hinzu und fragte sich gleichzeitig, wieso er sich ständig in solche Situationen verrannte. Mit weiterhin fragender Miene sah Sherlock zu, wie John sein Gesicht schnell wieder dem Fenster zuwandte, ehe er es ihm gleichtat. „Was machen wir, wenn wir am Hotel sind?", fragte John, teils aus Interesse, teils auch nur um das Thema zu wechseln. „Ganz einfach. Sie werden die Person an der Rezeption ablenken, damit ich unbemerkt herausfinden kann, wer für die letzte Nacht Zimmer 503 gebucht hat." „Na prima...", erwiderte John, wenig begeistert von dem waghalsigen Vorhaben seines Freundes. Das konnte ja heiter werden... Kapitel 2: Der Untermieter -------------------------- „Halten Sie bitte hier", wies Sherlock den Taxifahrer an, als sie nach einer 45 minütigen Fahrt endlich das Hotel in der Oxford Road passierten, woraufhin das Taxi einen kleinen Schlenker nach links machte und schließlich hinter einem parkenden Lastwagen zum Stehen kam. „Soll ich wieder warten?", kam es vom Fahrersitz. „Wenn es keine Umstände macht", erwiderte Sherlock und reichte ein paar Geldscheine nach vorn, die der Mann breit grinsend entgegen nahm. "Tut's nich'." Ein leises Stöhnen neben sich ließ Sherlocks Blick zur Seite wandern. „Gut geschlafen?“ Benommen blinzelnd sah John bezüglich dieser Frage auf, doch dauerte es einige Sekunden, bis sein Gehirn es schaffte ihren Inhalt zu verarbeiten und er selbst zu realisieren begann, dass er offenbar auf halber Strecke eingenickt war. „Mittelmäßig“, entgegnete er schließlich, nachdem er sicher war, dass alle Gehirnregionen samt Sprachzentrum wieder halbwegs funktionierten, und rieb sich den verspannten Nacken. „Sie sollten nicht immer bis spät in die Nacht an Ihrem Blog schreiben, John. Erst recht nicht, wenn am nächsten Tag ein interessanter Fall wie dieser hier ansteht.“ „Wenn ich mich recht entsinne war ich um 23 Uhr im Bett und demnach auch nicht derjenige, der unbedingt bis 2 Uhr nachts an irgendwelchen menschlichen Überresten herum sägen musste.“ „01:46 Uhr. Und es waren keine menschlichen Überreste, sondern der Küchentisch.“ „Das macht es nicht viel besser. Könnten Sie vielleicht- ...Moment, was?“ „Ich habe bereits einen neuen bestellt“, sagte Sherlock, öffnete die Autotür und stieg aus. „Herr Gott, Sherlock!“, schimpfte John und folgte ihm. „Würden Sie mich freundlicherweise das nächste Mal zumindest einweihen, wenn Sie wieder vorhaben unsere Einrichtung zu zersägen?“ „Sie haben den Tisch doch ohnehin nie benutzt.“ „Ja, weil Sie ihn ja komplett in Anspruch genommen haben mit Ihren Experimenten! Was hat der Tisch Ihnen denn überhaupt angetan, dass Sie Ihn zersägen mussten?“ „Er war zu klein.“ „Zu klein…“ murmelte John, rieb sich entnervt die Nasenflügel und ließ die Autotür hinter sich ins Schloss fallen, drehte sich noch einmal um und bekam deswegen gerade noch mit, wie der Taxifahrer ihm durch das Fenster ein ganz offenkundig vielsagendes Grinsen schenkte und ihm zuzwinkerte, ehe er das Taxi ein Stück weiter auf einen Parkplatz lenkte. Verwirrt zog John die Augenbrauen zusammen und sah ihm nach. „Der Taxifahrer hat mir zugezwinkert.“ „Welch eine bodenlose Frechheit“, erwiderte Sherlock beiläufig, während er ein Blick auf sein Handy warf, woraufhin John nur den Kopf schüttelte, um sich anschließend wieder ihrem eigentlichen Thema zuzuwenden. „Jedenfalls kann man das auch anders regeln, wissen Sie? Vor allem muss man nicht mitten in der Nacht damit anfangen.“ „Haben Sie sich schon überlegt, wie sie die Dame dort an der Rezeption ablenken wollen?“, fragte Sherlock, während sie den Eingang des Hotels ansteuerten. „Könnten Sie nicht wenigstens so tun, als ob sie mir zuhören würden?“ „Tisch nicht mitten in der Nacht zersägen“, wiederholte Sherlock geistesabwesend. „Sher-“ Doch Sherlock war bereits durch die Drehtür hindurch ins Innere des Hotels geschlüpft. Sich zur Ruhe besinnend atmete John einmal tief durch und blieb vor dem Eingang des Hotels stehen. Dafür, dass er diese Wohngemeinschaft bis jetzt ohne auch nur ein einziges Mal Amok zu laufen überstanden hatte, hätte er sich eigentlich schon einen Orden verdient. Wenn nicht gar einen ganzen Sack voll. Bei jedem anderen, der plötzlich mitten in der Nacht anfing Experimente durchzuführen, Leichenteile im Kühlschrank aufbewahrte oder sich auch sonst wie die größte Nervensäge aller Zeiten aufführte, hätte er mit Sicherheit schon nach der ersten Woche die Koffer gepackt. Aber Sherlock Holmes war nun mal nicht ‘jeder andere‘. John seufzte innerlich. Wie auch immer. Einen Plan, wie er die Empfangsdame ablenken sollte, hatte er natürlich auch nicht. Schön, dann eben improvisieren, dachte er sich, während er die gottseidank nahezu menschenleere Eingangshalle betrat und es sich nicht nehmen ließ, Sherlock noch einen Das Thema ist noch nicht erledigt – Blick zu zuwerfen, ehe er an ihm vorbei schritt. „Kann ich Ihnen helfen, Sir?“, fragte die blonde Frau an der Rezeption lächelnd, als John auf sie zu kam. „Bestimmt“, sagte er, erwiderte das Lächeln und breitete vor ihr einen Stadtplan von London aus, den Sherlock ihm kurz zuvor im Vorbeigehen unauffällig in die Hand gedrückt hatte. „Ich bin auf der Suche nach ein paar schönen Cafés hier in der Gegend. Können Sie mir da welche empfehlen?“ „Gern.“ Sie zückte einen Stift und beugte sich über den Stadtplan. „Das hier zum Beispiel ist ein exzellentes-“ „Ah verzeihen Sie, aber können wir hier rüber gehen? Da ist das Licht etwas besser“, unterbrach sie John und deutete nach links. „Natürlich“, erwiderte die Frau höflich, kam hinter der Rezeption hervor und ging mit John ein Stück weiter zu einer Sitzgruppe. Sherlock, der derweil vorgegeben hatte die Menükarte des Restaurants zu studieren, beobachtete die beiden aus den Augenwinkeln heraus und als er sicher war, dass die Aufmerksamkeit der Frau einzig und allein John und dem Stadtplan galt, huschte er flink hinter die Rezeption und nahm kurzum den Computer in Augenschein. „Das hier kann ich Ihnen auch sehr empfehlen. Die Aussicht auf London ist wirklich atemberaubend“, hörte Sherlock die Frau sagen, während er die Buchungen für letzte Nacht aufrief. „Na das hört sich doch gut an“, entgegnete John. „Freut mich, dass ich Ihnen helfen konnte. Dann geh ich mal wieder zurück“, sagte die Frau, woraufhin Sherlock alarmiert aufsah, Johns Blick kreuzte und kaum merklich den Kopf schüttelte. „Ehm, warten Sie“, stammelte John eilig, um die Empfangsdame davon abzuhalten sich umzudrehen. „Vielleicht haben Sie ja Lust…ehm… Irgendwann mal, versteht sich…“ Er räusperte sich vernehmlich. „Also…mit mir in eines dieser Cafés zu gehen? Vielleicht das mit der schönen Aussicht?“ „Oh…“ Sherlock rollte mit den Augen, als er zusah, wie die Frau peinlich berührt anfing zu lachen, widmete sich dann aber rasch wieder dem Computer. Buchungen vom 25.09. Zimmer 495 Prof. Dr. Alan Woodstone, 1 Person, 2 Übernachtungen, kein Frühstück Er scrollte weiter. Zimmer 498 … Zimmer 500 … Interessiert beugte er sich vor, als endlich Zimmernummer 503 auf dem Bildschirm auftauchte. Zimmer 503 Mr. Alexander Pawlow, 4 Personen/2Kinder 5 Übernachtungen Frühstück inklusive Etwas enttäuscht richtete Sherlock sich wieder auf. Fehlanzeige. Schnell, bevor ihn womöglich doch noch jemand bemerkte, schloss er das Fenster der Buchungen vom vergangenen Tag und kam zügig wieder hinter der Rezeption hervor, gab John ein Zeichen, der daraufhin noch ein paar letzte Worte mit der Empfangsdame wechselte, ehe er Sherlock hinaus nach draußen folgte. „Und?“, fragte John erwartungsvoll, als sie vor dem Hotel standen. Sherlock schüttelte den Kopf. „Aber wie ich sehe hatten zumindest Sie Erfolg“, bemerkte er mit einem Hauch Geringschätzung in der Stimme und deutete auf den kleinen Zettel in Johns Hand. „Ja, doch, ich muss sagen, das hat sich sogar gelohnt“, erwiderte John grinsend und steckte das Stück Papier mit der Telefonnummer der Frau in die Hosentasche. „Also auf zum nächsten?“ „Natürlich.“ --- Das zweite Hotel, das in Betracht kam, lag am anderen Ende des Stadtbezirks und wirkte zumindest von außen um einiges pompöser als das erste. Was für ihre Zwecke wohl eher von Nachteil war, da sie auf Grund dessen davon ausgehen konnten, dass die Eingangshalle diesmal nicht ganz so leer sein würde. Und genauso war es auch. „Das dürfte schwierig werden“, murmelte John, als sie das geräumige Foyer betraten und sich umsahen. „Sieht so aus. Aber immerhin haben Sie die Aussicht auf eine zweite Telefonnummer“, sagte Sherlock und nickte in Richtung Rezeption, wo sich ein hochgewachsener junger Mann gerade mit einem älteren Ehepaar unterhielt. „Nicht witzig, Sherlock, nicht witzig. Und nur damit Sie’s wissen, ich werde mich hier nicht zum Affen machen, nur damit Sie an Ihre Informationen kommen.“ Demonstrativ verschränkte er seine Arme, doch Sherlock schenkte John lediglich ein kurzes, wissendes Lächeln, das ihn aus irgendeinem Grund an Mycroft erinnerte und soviel bedeutete wie „Oh doch, das werden Sie“, ehe er sich anschließend zielsicher zur Rezeption auf machte. Mit grimmiger Miene sah John ihm nach. Das Schlimmste an der ganzen Sache war, dass Sherlock wie immer Recht hatte. „Ach verdammt…“ fluchte John leise und war schon dabei den Stadtplan wieder aus seiner Jackentasche zu ziehen, als er plötzlich vehement von hinten angestoßen wurde, ein Stück weit nach vorne stolperte und noch bevor er sein Gleichgewicht wieder finden konnte, blieb er obendrein unglücklich mit dem Fuß an einem Blumentopf hängen und fiel schließlich elegant vornüber gen Boden, wo er unsanft auf der Seite landete. „Herrje, entschuldigen Sie bitte! Ich habe die Stufe nicht gesehen! Ist alles in Ordnung?“, rief eine Frau aufgeregt hinter ihm. „Keine Sorge, alles in-“, begann John ächzend, doch als ihm auffiel, dass so ziemlich alle Augen auf ihn gerichtet waren, stockte er unverzüglich. Und noch ehe er ausgiebig über die Idee, die ihm im selben Moment gekommen war, nachdenken konnte, fing er auch schon an sich mit gespielt schmerzverzerrtem Gesicht das Bein zu halten. „Argh…“, stöhnte er laut auf und kam sich dabei doch reichlich bescheuert vor. So hatte er sich sein Ablenkungsmanöver zwar nicht vorgestellt, aber gut. Effektiv war es allemal, dachte er sich, als er die aufgewühlte Menge um sich herum „Er hat sich am Bein verletzt!“ und „Schnell, ist ein Arzt hier?“ rufen hörte. Allerdings hoffte er für Sherlock, dass sie diesmal das richtige Hotel erwischt hatten. Noch einmal würde er das hier garantiert nicht durchziehen. Sherlock, der Johns bühnenreifen Auftritt und den nachfolgenden Aufruhr natürlich prompt ausgenutzt hatte, stand indes erneut hinter einer verlassenen Rezeption und durchsuchte den Computer, was diesmal jedoch gottseidank um einiges schneller ging. Schon nach kurzer Zeit wurde er fündig. Zimmer 503, Suite Mr. Theodore Marshall, 2 Personen, Doppelbett 1 Übernachtung, Frühstück inklusive „Schon besser…“ murmelte Sherlock leise, notierte sich eilig den Namen sowie die Adresse des Mannes und sah erst wieder auf, als er bemerkte, dass der Rezeptionist aus der Menge mit erhobenem Finger auf ihn zu gelaufen kam. „He, was machen Sie da?“ rief er laut. Rasch klickte Sherlock das Fenster weg. „Oh, ich dachte, ich rufe mal lieber einen Krankenwagen. Der arme Mann scheint schlimm gefallen zu sein“, log er und deutete auf das Telefon. Der Mann vor ihm musterte ihn misstrauisch, doch Sherlock hatte sich schon umgedreht und lief nun durch die kleine Menschentraube hindurch zu John, der nach wie vor am Boden lag und seine Schauspielkünste zum Besten gab. „Ich helfe Ihnen. Keine Sorge, ich bin Arzt“, sagte er so laut, dass ihn auch die Umstehenden verstehen konnten. „Ich bringe Sie erstmal raus.“ Vorsichtig half er dem vermeintlich Verletzten hoch, legte die Arme seines Freundes um seine Schultern und stützte ihn auf dem Weg nach draußen, begleitet von den Blicken und dem Getuschel der Leute um sie herum. „Nicht schlecht“, flüsterte Sherlock John zu. „Danke. Aber Sie schulden mir etwas“, erwiderte John leise, während sie zusammen durch die Eingangstür gingen und erst als sie außer Sichtweite waren, ließ Sherlock ihn los. „Schön. Und jetzt sagen Sie mir bitte, dass Sie den Namen haben“, sagte John und atmete erleichtert auf, als Sherlock den Zettel hoch hielt. „Kenton Avenue. Das ist nicht weit von hier.“ „Sollen wir Lestrade Bescheid sagen?“ „Später. Ich würde sagen wir statten Mr. Theodore Marshall erst einmal höchstpersönlich einen Besuch ab.“ --- Die unverwechselbare Melodie des Big Ben drang dumpf zu ihnen nach draußen, als John die Türklingel des Hauses drückte. „Er wohnt schon mal nicht allein hier“, bemerkte er und deutete auf die beiden Namensschilder neben der Klingel. Sherlock nickte. „Untermieter höchstwahrscheinlich. Solche altmodischen Gardinen würde er sich niemals vor die Fenster hängen.“ Beide sahen auf, als die Tür mit einem Ruck von innen aufgezogen wurde und ein kleines Mädchen von vielleicht fünf Jahren im Türrahmen erschien. „Jaa?“, fragte sie und blickte mit großen Augen zu ihnen auf. Sherlock und John sahen sich kurz an, ehe John schließlich die Initiative ergriff und sich zu dem Mädchen herunter beugte. „Wir wollen mit Theodore Marshall sprechen. Ist er da?“ „Nein, nur ich und Tante Sofia.“ „Lily? Wer ist denn da?“, hallte eine Stimme – vermutlich die Tante Sofias – durch den Hausflur. „Zwei Männer! Und sie wollen Teddy sprechen, Tante Sofia! Soll ich sie rein lassen?“, rief Lily zurück. „Theodore? Oh natürlich, lass sie ruhig rein“, kam als Antwort, woraufhin Lily die Tür ganz öffnete und Sherlock und John herein winkte. Sie folgten dem Mädchen den Hausflur entlang bis ins Wohnzimmer, wo sie auch schon von einer älteren Frau in einem Sessel sitzend und mit einem warmen Lächeln empfangen wurden. „Willkommen. Entschuldigen Sie, ich kann leider nicht aufstehen.“ „Nicht doch, bleiben Sie bitte sitzen“, sagte John schnell. „Sind Sie Freunde von Theodore?“ „So ungefähr.“ „Verstehe“, sagte Tante Sofia lächelnd. „ Möchten Sie vielleicht etwas trinken?“ „Nein danke, Mrs. Adams“, meldete sich Sherlock zu Wort. „Wir hätten da einige Fragen bezüglich Theodore. Können Sie uns vielleicht sagen, wie lange er inzwischen schon bei Ihnen wohnt?“ „Oh, es dürfte inzwischen ein Jahr her sein. Nachdem der junge Mann, der hier vor Theodore zur Miete gelebt hat, in eine andere Stadt gezogen ist, habe ich eine Anzeige in der Zeitung aufgegeben. Daraufhin hat sich Theodore gemeldet. Er ist wirklich ein lieber Junge. Er hilft mir, wo er nur kann.“ John warf Sherlock einen Seitenblick zu. Das klang irgendwie nicht nach einem eiskalten Serien Mörder. Doch Sherlock schien gerade andere Probleme zu haben, denn das kleine Mädchen hatte offenbar Gefallen an ihm gefunden. Kichernd zupfte sie an seinem Mantel herum und es war Sherlock deutlich anzusehen, dass er nicht so wirklich wusste, was er mit dem Mädchen anfangen sollte. „Lily, lass den armen Mann in Ruhe“, sagte Tante Sofia streng. „Aber er hat so einen lustigen Mantel.“ „Lily!“ Beleidigt zog Lily eine Schnute und ließ von Sherlocks Mantel ab. „Verzeihen Sie bitte, Lily ist manchmal recht stürmisch. Sie ist die Tochter unserer Nachbarn. Sie kommt oft herüber und dann spielen wir zusammen Karten. Sie ist ein aufgewecktes Mädchen. Und sie scheint Sie zu mögen“, sagte sie lächelnd an Sherlock gewandt, der davon allerdings nicht sonderlich begeistert schien, schon allein deshalb, weil Lily inzwischen wieder damit begonnen hatte sich an seinem Mantel zu schaffen zu machen und sich nun giggelnd unter ihm versteckte. John musste sich auf die Unterlippe beißen, um sich das Grinsen zu verkneifen. Das Bild war zu herrlich. Und Sherlocks Miene unbezahlbar. „Ahh, Tante Sofia!“, rief Lily plötzlich und kam wieder unter Sherlocks Mantel hervor gekrabbelt. „Heute ist wieder ein Päckchen für dich gekommen! Hab ich ganz vergessen dir zu geben!“ Eilig lief sie in den Hausflur und kam kurze Zeit später mit einem kleinen brauen Packet zurück ins Wohnzimmer, wo sie es Tante Sofia auf den Schoß legte. „Ist es wieder von Charlie? Ein neuer Engel?“ „Ich denke schon“, lachte Tante Sofia. „Wissen Sie, Charlie ist mein Enkel. Er bastelt immer diese hübschen Engelsfiguren. Er hat mir schon so viele geschickt. Sind sie nicht wunderschön?“ Sie deutete auf eine Vitrine an der Wand, in der sorgfältig aufgereiht bestimmt an die zehn Engelsskulpturen standen - eine kitschiger als die andere. „Das ist sehr schön, Mrs. Adams“, sagte Sherlock ungeduldig. „Aber können Sie uns vielleicht sagen, wo sich Theodore derzeit aufhält?“ „Nein, tut mir Leid. Ich weiß nur, dass er heute Abend ausgehen wollte. Auf einen Ball oder so ähnlich. Ach er liebt das Tanzen, müssen Sie wissen. Ich glaube, die Veranstaltung findet in einem Hotel in Harrow statt, wenn ich mich recht erinnere.“ Sherlock und John wechselten einige Blicke. „Aber die Karten sind wohl schon ausverkauft. Theodore hat eine der letzten ergattern können.“ „Danke, Mrs. Adams. Wir wollen Sie dann auch nicht länger belästigen“, sagte Sherlock schließlich und war schon auf dem Weg in Richtung Haustür. „Aber nicht doch. Ich freue mich immer über Gesellschaft. Sie können gern wieder kommen.“ „Vielen Dank, das werden wir bestimmt, Mrs. Adams“, rief John ihr über die Schulter zu, kurz bevor er eilig das Wohnzimmer verließ und Sherlock nachlief. „Hörst du? Du musst unbedingt wieder kommen, Onkel!“, hörten sie Lily noch rufen, als sie in das wartende Taxi vor dem Haus stiegen. „Das Hotel, in dem er die Nacht mit Mrs. Henley verbracht hat“, sagte John hastig. „Dann wird er sich heute Abend auf dieser Veranstaltung doch bestimmt in aller Ruhe sein nächstes Opfer aussuchen!“ „Gut möglich“, erwiderte Sherlock ruhig. „Jedenfalls werden wir heute Abend auch da sein.“ „Wie denn? Sie sagte doch, die Karten seien ausverkauft.“ Doch Sherlock hatte schon sein Handy gezückt. „Ah, hallo Bruderherz! Sag, was macht die Diät?“ Kapitel 3: Der Liebhaber ------------------------ „John!" Es war in der Tat kein großartiger Scharfsinn von Nöten, um die Ungeduld in der Stimme des Detektiven auszumachen. „Sind Sie fertig?" „Ich kann nicht zaubern, Sherlock!", rief John, der gerade dabei war in persönlicher Rekordzeit seine Krawatte zu binden, zurück in Richtung Flur. In Anbetracht der Tatsache, dass sie eigentlich noch genug Zeit gehabt hatten bis zum Beginn der abendlichen Veranstaltung, so hatte ihnen der mörderische Berufsverkehr Londons gehörig einen Strich durch die Rechnung gezogen. Nicht einmal zehn Minuten waren ihnen geblieben, um sich ordentlich umzuziehen. „Fünfundzwanzig Minuten, John! Das Taxi wartet!" „Das beschleunigt die Sache nicht im Geringsten." „Vierundzwanzig Minuten und fünfundfünfzig Sekunden." „Ist Ihnen bewusst, dass Sie unheimlich nerven?" Rasch richtete John noch den Kragen seines Hemdes, schnappte sich daraufhin das schwarze Jackett vom Bett, warf im Vorbeigehen einen flüchtigen Blick in den Spiegel und eilte dann hinaus in den Flur, wo Sherlock schon sichtlich unruhig auf ihn wartete. „Oh, Sie beide haben sich aber schick gemacht", sagte Mrs. Hudson entzückt, als sie ihnen auf der Treppe entgegen kam, während Sherlock mit einem knappen „Keine Zeit für Schmeicheleien, Mrs. Hudson" an ihr vorbei nach draußen in den inzwischen strömenden Regen rauschte und das wartende Taxi vor ihrer Haustür ansteuerte. „Haben Sie die Karten?", fragte John, der sich noch eilig sein Jackett überzog, ehe er seinem Freund ins Taxi folgte. „Karte", korrigierte ihn Sherlock. „Nur eine?" „Genau das sagte ich gerade. Preston Hill, Crystal Palace, bitte", wandte sich Sherlock an den Taxi Fahrer. "Wenn möglich, so schnell wie es geht." ‚So schnell wie es geht' dauerte letzten Endes dann doch länger als erhofft. Rechtzeitig schienen sie glücklicherweise dennoch zu sein, zumindest was den Nacheinlass betraf. Schnellen Schrittes durchquerten sie das Foyer des Hotels in Richtung Festsaal, als jedoch jäh die vertraute Melodie von Sherlocks Handy aus dessen Hosentasche ertönte. „Lestrade", sagte er nach einem kurzen Blick auf das Display. „Hier, gehen Sie schon mal vor." Er drückte John die Eintrittskarte in die Hand und deutete auf den Mann, der für den Nacheinlass verantwortlich war, bevor er sich abwandte und Lestrades Anruf entgegennahm. Hoffentlich hatte der Inspector positive Neuigkeiten, dachte sich John, während er auf den Mann zuging und ihm gedankenverloren die Karte reichte. Nicht, dass sie doch zu spät waren und es bereits ein neues Opfer gab. Kurz warf er einen Blick über seine Schulter, um aus Sherlocks Gesichtsausdruck vielleicht irgendetwas deuten zu können, aber der Detektiv war inzwischen ein paar Schritte zurück in Richtung Ausgang gewandert und stand nun mit dem Rücken zu ihm. „Wo ist Ihre Partnerin?" „Mhm? Wie bitte?" Aus seinen Gedanken gerissen wandte sich John mit leicht verwirrter Miene wieder dem Mann zu. „Ihre Partnerin. Ihre Begleitung", wiederholte der Mann und hielt ihm die Karte entgegen. „Das ist eine ermäßigte Karte für Paare, die Sie hier haben." Entgeistert starrte John auf die Eintrittskarte vor seiner Nase. Das war doch wohl ein schlechter Scherz. „...Für Paare?" „Es tut mir sehr Leid, aber ich kann Sie ohne Begleitung mit dieser Karte nicht hereinlassen." „Nein, nein, ich hab...ich bin..." Zerknirscht deutete John hinüber zu Sherlock, der das Gespräch mit Lestrade im selben Moment beendete und nun auf sie zu kam. „Das ist meine Begleitung." „Oh...Ich verstehe." „Verzeihung, ich wurde aufgehalten. Gibt es ein Problem?", fragte Sherlock in die Runde. Der Mann schüttelte eilig den Kopf und gab John die Karte zurück. „Kein Problem, Sir. Einen schönen Abend wünsche ich Ihnen." „Herzlichen Dank." „Ermäßigte Karte für Paare!? Was hat sich Mycroft bitte dabei gedacht? Als ob er nicht genug Einfluss hätte uns zwei normale Eintrittskarten besorgen zu können", beschwerte sich John mit gedämpfter Stimme, während sie die Garderobe passierten. „Reden die Leute denn nicht schon genug?" „So sehr ich Ihren Missmut gegenüber Mycroft in der Regel auch mit Freuden teile... Momentan haben wir Wichtigeres zu tun." John atmete einmal tief durch. „Na schön. Also, was wollte Lestrade?" „Theodore Marshalls DNA wurde, wie ich bereits vermutet hatte, sowohl an Wendy Henleys, als auch an Abigail Clarksons Leiche gefunden. Die der anderen Frauen werden zurzeit noch untersucht, aber ich gehe von keinen größeren Überraschungen aus. Jedenfalls dürfte das Beweis genug sein." „Schön und gut, aber wie sollen wir Ihn hier finden? Wir haben doch keine Ahnung, wie er aussieht", merkte John an, als sie den großen, gut besuchten Saal des Hotels betraten, wo die Band gerade einen Langsamen Walzer anstimmte. „Diese Veranstaltung findet meist zweimal im Monat statt und meinen Recherchen zufolge, ist sie eine der einzigen dieser Art in der näheren Umgebung und ohnehin sehr beliebt. Mrs. Adams sagte vorhin, Theodore Marshall sei ein leidenschaftlicher Tänzer, deshalb wird er sicherlich häufig herkommen. Einigen Stammgästen oder dem Personal dürfte er zumindest kein Unbekannter sein." „Das heißt, wir fragen uns durch." „Exakt", erwiderte Sherlock, der offenbar sein erstes Ziel bereits ins Auge gefasst hatte. Zielstrebig schlängelte er sich durch die auf die Tanzfläche strömenden Paare hin zur Bar auf der anderen Seite des Saals, wo er sich an den Tresen stellte und auf den Barkeeper wartete. „Wir sind auf der Suche nach Theodore Marshall", sagte er, als der Barkeeper sich ihm kurze Zeit später zuwandte. Der Mann überlegte kurz, schüttelte dann aber den Kopf. „Kenn ich nicht, tut mir Leid." "Was ist mit ihrem Kollegen?" Sherlock nickte hinüber zum dem etwas älteren, der beiden Männer hinter der Bar, der mittlerweile auch schon aufmerksam geworden war und zu ihnen hinüber sah. „Ich denke nicht, dass wir Ihnen da helfen können, Sir", erwiderte der jüngere etwas unsicher. „Aber vielleicht kann ich helfen", erklang eine Stimme neben Sherlock. Umgehend huschte sein Blick zur Seite und blieb an einer dunkelhaarigen Frau in einem eleganten roten Kleid haften, die neben ihm am Tresen stand und ihn mit einem Lächeln auf den Lippen neugierig musterte. "Ich kenne Theodore flüchtig." „Wissen Sie, wo wir ihn finden können?", meldete sich John zu Wort. „Ja. Ich kann Sie zu ihm führen, wenn Sie möchten. Unter einer Bedingung jedoch", erwiderte die Frau, ehe ihr Blick zurück zu Sherlock glitt. „Ich will einen Tanz." John musste ein dezent geringschätziges Schnauben unterdrücken. Als ob Sherlock sich auf diese fadenscheinige Weise erpressen lie- „Einverstanden." Verblüfft hob John seine Augenbrauen, als sein Freund plötzlich - völlig entgegen seiner Erwartung - ohne jegliche Widersprüche in die Bedingung einwilligte, und sah mit ungläubiger Miene zu, wie Sherlock die Frau ohne ein weiteres Wort in Richtung Tanzfläche führte, wo sie sich sogleich den anderen Walzer tanzenden Paaren anschlossen. Aber nicht nur die Tatsache, dass Sherlock sich so unerwartet von einer fremden Frau entführen lies, überraschte John - vor allem, da sie definitiv nicht hergekommen waren, um das Tanzbein zu schwingen. Er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass sein Freund jemals aus freien Stücken heraus so etwas "Triviales" wie einen Tanzkurs besucht hatte. Also wo in aller Welt hatte er so tanzen gelernt? Völlig in Gedanken versunken beobachtete er weiterhin das tanzende Paar. Jedenfalls machte die Frau keinen sonderlich großen Hehl aus ihrer Intention. Allein ihre Blicke und Körperhaltung sprachen ja schon fast Bände. Das konnte er ja sogar vom Tresen aus erkennen. Sherlock mochte das Interesse einer Frau normalerweise nicht einmal bemerken, geschweige denn erwidern, aber Frauen wie diese waren anders. Sie waren interessant. Sie hatten Charm und natürlich hatten sie es auch faustdick hinter den Ohren. Das ließ sogar Jemanden wie Sherlock nicht gänzlich kalt. Immerhin gab es schon einmal solch eine Frau, dachte John in Erinnerung an Irene Adler. Eigentlich sollte er sich freuen, dass sein Freund manch einer Dame vielleicht doch nicht so abgeneigt war, wie er immer zu behaupten pflegte. Aber irgendetwas schien ihn daran zu hindern. Ungeduldig, den Blick weiterhin auf Sherlock und die Frau im roten Kleid gerichtet, trommelte John mit den Fingernägeln auf dem Tresen herum. Kam es ihm nur so vor oder dauerte dieses Stück tatsächlich eine halbe Ewigkeit? ----- „Ich hatte ehrlich gesagt nicht erwartet Sie so leicht rumzukriegen, Mister..." „Holmes." „Mister Holmes", setzte die Frau in rot schmunzelnd hinzu und ließ sich von Sherlock in eine Drehung führen. „Nun, diese Variante erschien mir um einiges zeitsparender." "Zeitsparender? Oh Mister Holmes, das verletzt mich zutiefst", erwiderte sie, wirkte jedoch nicht im Mindesten enttäuscht. „Wieso suchen Sie nach Theodore? Sind Sie von der Polizei?" „Nein." „Schade, die Uniform hätte Ihnen sicher gut gestanden." Seufzend ließ sie Ihre Hand an an Sherlocks Oberarm herunter gleiten, bevor sie zu einer erneuten Drehung ansetzte. "Ich gehe davon aus, dass ich Sie nie wieder sehen werde, nachdem ich Sie zu Theodore gebracht habe, liege ich da richtig?" „Vermutlich." „Und was würden Sie dazu sagen, wenn ich meine Bedingung ein wenig erweitern würde? Zum Beispiel um Ihre Telefonnummer?" „Ich denke nicht, dass Ihr Mann sonderlich angetan von dieser Idee wäre." Überrascht huschte Ihr Blick für einen kurzen Moment zu ihrer linken Hand an Sherlocks Arm. „Woher wissen Sie-" "Der leichte Abdruck an Ihrem Ringfinger", fiel ihr Sherlock trocken ins Wort. „Und die vielleicht noch offensichtlichere Tatsache, dass ich gesehen habe, wie Sie den Ring vorhin in Ihre Tasche gesteckt haben." Die Frau lachte leise auf. „Ich gebe zu, das war keine Meisterleistung. Dennoch, Sie sind der erste, dem es aufgefallen ist." Schmunzelnd ließ sie ihre Hand zu seinem Nacken wandern. „So ein interessantes und noch dazu gutaussehendes Exemplar. Sind Sie sicher, dass Sie mir nicht Ihre Telefonnummer geben wollen?" Doch noch bevor sie ihren Satz beendet hatte, spielte die Band ihre letzten Akkorde, woraufhin die Musik allmählich ausklang und die Tanzpaare um sie herum zum Stehen kamen. „Schade", sagte die Frau, nun doch mit leicht enttäuschter Miene, und ließ von Sherlock ab. „Also, bringen Sie uns nun zu Theodore Marshall?", erinnerte er sie ohne Umschweife an ihre Abmachung. Die Lippen der Frau verzogen sich zu einem Lächeln. „Versprochen ist versprochen", erwiderte sie achselzuckend. Prompt wandte sich Sherlock in Richtung Bar, um John heranzuwinken, aber der war bereits auf dem Weg zu ihnen. „Na? War es schön?", fragte John Sherlock mit einem Hauch von Vorwurf in der Stimme, während sie der Frau durch die Menschenmenge folgten. „Ich habe das lediglich für unseren Fall getan." „Ach wirklich?" „Dort drüben." Sherlock und John sahen auf, als die Frau in rot stehen blieb und auf einen jüngeren Mann mit hellbraunen Haaren deutete, der von einer Traube weiblicher Personen umringt war. Sherlock nickte der Frau zu, die seine Geste mit einem Lächeln erwiderte. „Ich hoffe, Sie rufen mal an", flüstere sie ihm zu, als sie an ihm vorbei schritt und ihm einen Zettel mit ihrer Telefonnummer und Adresse in die Hände drückte, ehe sie schließlich in der Menschenmasse verschwand. John warf seinem Freund einen recht vielsagenden Blick zu, doch der hatte seine Aufmerksamkeit schon wieder ihrem Verdächtigen zugewandt. Schnurstracks ging er auf ihn zu. „Theodore Marshall?“ „Ja?“ Fragend sah sich der Mann um und blickte abwechselnd von Sherlock zu John. „Hätten Sie kurz Zeit?“ Marshalls Gesichtszüge veränderten sich kaum merklich, als er in das ernste Gesicht seines Gegenübers sah. „Ehm…Natürlich…“, stammelte er unsicher und entschuldigte sich bei den Damen. Er folgte Sherlock und John in eine etwas ruhigere Ecke, doch noch bevor sie sich ihm zuwandten konnten, machte er plötzlich mit einem Mal kehrt und lief wie von der Tarantel gestochen los in die entgegengesetzte Richtung. Johns Versuch ihn reflexartig am Arm festzuhalten scheiterte, woraufhin Sherlock unverzüglich die Beine in die Hand nahm und zusammen mit John hinter dem flüchtenden Mann her hastete. Sie folgten Marshall durch den Notausgang hindurch nach draußen in den Hinterhof des Hotels, wo der Abstand allmählich immer geringer und geringer wurde, bis Sherlock mit einem Hechtsprung nach vorn ihrer Verfolgungsjagd ein schnelles Ende setzte. Unsanft gingen sie beide zu Boden. „Ich war es nicht!!“, rief Marshall verzweifelt, als Sherlock ihn, nachdem er sich im nach wie vor strömenden Regen wieder ein Stück weit aufgerichtet hatte, am Kragen packte. „Bitte glauben Sie mir!“ „Eine Flucht macht Sie nicht unbedingt weniger verdächtig, das sollten Sie eigentlich wissen.“ „Bitte! Glauben Sie mir doch! Ich war es nicht! Ich hab Aby nicht umgebracht!! So etwas würde ich niemals tun!“ „Sie meinen Abigail Clarkson? Und was ist mit Wendy Henley? Was ist mit all den anderen Frauen?“ „Was?“, panisch und gleichzeitig verwirrt sah er hinauf zu Sherlock. „Wendy? …Was ist mit ihr?“ „Sie haben sie noch vor einigen Stunden umgebracht, haben Sie das etwa schon wieder vergessen? Sie müssen ja ein armseliges Gedächtnis haben.“ „W…Wendy ist tot?“ Völlig bestürzt sackte Marshall in sich zusammen. „Das kann doch nicht- … Nein, ich…Ich schwöre Ihnen, ich habe sie nicht umgebracht. Hören Sie… Ja, ich…kannte Aby…Ich…Naja, wir hatten was miteinander. Es war vor einer Woche. Ich hab sie nach Hause gebracht und…einen Tag später hab ich dann von ihrem Tod erfahren. Und jetzt... dasselbe mit Wendy!? Da will mir irgendjemand was anhängen. Glauben Sie mir, ich würde niemals-“ „Sie wollen uns weismachen, dass Sie rein zufällig mit all den Frauen lediglich ein Verhältnis gehabt hatten und mehr nicht?“ „All den Frauen!? Welche Frauen!?“ „Die, die Sie umgebracht haben.“ „Ich habe niemanden umgebracht, verdammt nochmal!!“ „Was haben Sie mit den Ringen gemacht?“ „Herr Gott, welche Ringe!? Wovon reden Sie!? Hören Sie doch... Ja, ich hatte mit Aby und Wendy ein Verhältnis. Mit DIESEN beiden Frauen, ansonsten mit keiner anderen! Und ich bin abgehauen, weil ich WUSSTE, dass Sie mir den Mord an Aby früher oder später in die Schuhe schieben wollen. Ja verdammt, Ich weiß, ich bin ein schlechter Mensch undsoweiter, aber ich habe NIEMALS einen Menschen getötet!“ „Sie lügen.“ „Ich lüge nicht!“ „Sherlock…“ „Er lügt, John!“ „Nein“, sagte John leise und ließ sein Handy sinken. „Er sagt die Wahrheit…" Kapitel 4: Der Falsche ---------------------- Eine Spur der Verwirrung zeichnete sich auf dem Gesicht des Detektiven ab, als er innehielt, um John seinen Kopf zuzuwenden. „Was sagen Sie da?“ John zögerte einen Augenblick. „Das war Lestrade. Sie hatten Recht. Er sagte, sie haben alle Opfer überprüft und wie Sie gesagt haben, war in jedem der Fälle kurz vor dem Tod der Ehefrauen eine Affaire im Spiel. Nur waren es abgesehen von Abigail Clarkson und Wendy Henley immer unterschiedliche Männer.“ Er deutete mit dem Handy in der Hand auf Theodore Marshall, den Sherlock unverändert am Kragen festhielt. „Ich fürchte, wir haben den falschen Mann.“ „Das hab ich doch gesagt!“, rief Marshall zornig und riss sich los. „Ich hab damit nichts zu tun!“ „Trotzdem wird die Polizei Sie mitnehmen, damit Sie aussagen. Also wagen Sie es nicht wieder abzuhauen.“ John ignorierte Marshalls erbosten Blick und widmete seine Aufmerksamkeit stattdessen wieder Sherlock, der allem Anschein nach in seiner Haltung erstarrt war. Für einen Normalsterblichen mochte es in der Regel an eine Unmöglichkeit grenzen Sherlocks Gedanken auch nur im Entferntesten zu erfassen und trotzdem konnte John zumindest erahnen, was in diesem Moment im Kopf seines Freundes vorging. Sie hatten sich geirrt. Schlichtweg geirrt und waren der falschen Spur gefolgt, die bis gerade eben noch so fehlerlos schien. Und das aufgrund eines blöden Zufalls. Für John eine herbe Niederlage, für Sherlock dagegen ein Weltuntergang. Denn Sherlock Holmes irrte sich nicht. Niemals. John hätte am liebsten laut aufgelacht, als einer der Polizisten, die kurze Zeit später gekommen waren, um Theodore Marshall abzuholen, Sherlock noch im eigentlich Gutgemeinten zu rief: „Machen Sie sich nichts draus, Mr. Holmes! Jeder haut mal daneben. Wir schnappen uns den Kerl schon.“ Wie schlecht sie ihn doch alle kannten. In Gedanken versunken, den leeren Blick starr nach vorn gerichtet, erinnerte Sherlock an eine dieser menschlichen Statuen, die ab und zu in den Einkaufsstraßen Londons zu finden waren. Allerdings machte John auch nicht die geringsten Anstalten ihn aus den Tiefen seines Gedankenpalastes herauszuholen, sondern verschränkte stattdessen die Hände auf dem Rücken und wartete schweigend ab. Erst als der Regen nach einer Weile allmählich begann immer stärker zu werden, unterbrach John die Stille zwischen ihnen. „Sie werden noch krank, wenn Sie weiter im Regen stehen bleiben.“ Doch wie erwartet blieb eine Reaktion aus. John seufzte. „Sherlock…“ Es dauerte noch einen kurzen Moment, aber schließlich regte sich der Detektiv. Wortlos setzte er sich plötzlich in Bewegung und ging durch ein heruntergekommenes Tor hinaus auf die Straße vor dem Hotel, wo er geradewegs eines der davor wartenden Taxis ansteuerte. John folgte ihm eilig nach draußen, doch Sherlock hob abwehrend seine Hand, woraufhin natürlich kam, was kommen musste. „Sie nehmen das Nächste. Ich muss nachdenken“, sagte Sherlock, warf die Autotür hinter sich zu und ließ John im wahrsten Sinne des Wortes im Regen stehen. Na bitte. Da zeigte sich mal wieder, wer der eigentlich Leidtragende in solchen Situationen war. Sichtlich verärgert stapfte John hinüber auf die andere Straßenseite, um sich das dort stehende Taxi unter den Nagel zu reißen, bevor ihm noch Jemand zuvor kam. „Baker Street, 221b“, wies er den Fahrer mit mürrischer Miene an, doch noch bevor der den ersten Gang einlegen konnte, wurde die Hintertür erneut schwungvoll aufgerissen. „‘Tchuldigung, aber könnt‘ ich noch mitfahren?“ Ein dunkelhaariger Mann, etwa in Johns Alter, grinste ihn an und wartete auf sein Okay. "Ist mir doch ein wenig zu ungemütlich hier draußen." „Ehm, ja sicher“, erwiderte John entgegen seiner eigentlichen Gemütslage und rutschte weiter auf den nächsten Sitz, um dem Mann Platz zu machen. „Ah, vielen Dank. Was für ein Mistwetter, nicht wahr? Wo geht’s denn hin?“ „Baker Street“, kam es vom Fahrer. „Prima, das liegt ja sogar auf dem Weg.“ Als das Taxi losfuhr, war John mit den Gedanken inzwischen schon wieder bei ihrem Fall. So wie es aussah mussten sie ja nun quasi wieder von null anfangen. Dabei war er sich so sicher gewesen, dass sie den Mörder an diesem Abend dingfest machen würden. Trotzdem war seiner Ansicht nach eines so klar wie Kloßbrühe: Auch wenn es sich vielleicht nicht um einen mordlüsternen Schürzenjäger handelte, irgendwie schienen die Affairen der Ehefrauen etwas mit den Morden zu tun haben. Ein SO großer Zufall wäre dann doch mehr als unrealistisch. „Moment mal…John? John Watson?“ Verdutzt sah John auf, als er plötzlich seinen Namen vernahm, und blickte geradewegs in das ungläubige Gesicht seines Mitfahrers zu seiner Rechten. „Woher-“ „Mensch, das Gesicht kam mir doch gleich so bekannt vor. Ich fass es nicht! Das ist ja Ewigkeiten her!“ Der Mann lachte auf und deutete mit dem Finger auf sich. „Simon Reeves! Erinnerst du dich?“ John kramte eilig in den Tiefen seines Gedächtnisses, bis ihm schließlich wieder einfiel, woher er den Namen kannte. Simon war sein alter Studienfreund gewesen, der das Medizinstudium allerdings nach zwei Jahren abgebrochen hatte, um die Welt zu bereisen und danach hatte sich der Kontakt irgendwie verflüchtigt. Dass er ihn tatsächlich jemals wiedersehen würde, damit hätte er beim besten Willen nicht gerechnet. „Simon, Ja natürlich! Wie geht’s dir?“ „Och naja, ich kann nicht klagen. Bin jetzt im Marketing tätig und will mich wieder in London niederlassen. Und was ist mit dir? Erfolgreicher Mediziner?“ Er zwinkerte ihm zu und John erwiderte sein Lächeln matt. „Mehr oder weniger.“ „Sag mal, was hältst du davon, wenn wir gleich zusammen was Trinken gehen würden? Dann kannst du mir ja erzählen, was du die letzten Jahre so getrieben hast.“ John überlegte kurz, schüttelte dann aber mit dem Gedanken an Sherlock lächelnd den Kopf. „Ein anderes Mal, okay?“ „Wann immer du Zeit hast.“ Simon ließ seine Hand kurz in seiner Hosentasche verschwinden und drückte ihm anschließend eine Visitenkarte in die Hand. „Ruf mich einfach an.“ „Mach ich“, versicherte ihm John und steckte die Karte ein. Sie redeten noch eine Weile über alte Zeiten, bis das Taxi schließlich in die Baker Street einbog und John sich mit einem Händedruck von seinem alten Freund verabschiedete. Kopfschüttelnd über die Tatsache, dass ihn die Zufälle heute irgendwie heimzusuchen schienen – so viel zum Thema unrealistisch -, öffnete John die Tür und stieg die Treppe hinauf Ins Wohnzimmer, wo sein Blick sofort auf Sherlocks vertraute Silhouette im Sessel fiel. Waren das etwa immer noch seine pitschnassen Sachen, die er da an hatte? „Sie haben sich ja noch gar nicht umgezogen.“ „Ihre Beobachtungsgabe in allen Ehren, John.“ „Sie holen sich noch den Tod!“ „Reden Sie keinen Unsinn.“ John verdrehte die Augen. „Tun Sie bitte Ihnen und mir den Gefallen und ziehen Sie sich etwas Trockenes an.“ „Keine Zeit.“ „Okay. Schön. Machen Sie, was Sie wollen“, gab John auf, während er sein eigenes klammes Jackett aufknöpfte und es zum Trocknen über die Stuhllehne nahe der Heizung hing. Schlimmer als jedes Kleinkind, dachte er sich entnervt, ließ sich auf dem Stuhl gegenüber nieder und zog seinen Laptop heran, um einen kurzen Blick auf seinen Blog zu werfen. Nicht, dass das etwas Neues wäre. „Es war kein Zufall.“ „Mhm?“ „Es war kein Zufall, John“, wiederholte Sherlock eine Spur energischer. „Dass der Mörder zwei Frauen umbrachte, die mit dem selben Mann ein Verhältnis hatten. Es war kein Zufall, sondern ein grober Fehler seinerseits. Wendy Henley war kein wahlloses Opfer.“ „Sie meinen, er wollte Theodore Marshall den Mord tatsächlich anhängen?“ Sherlock schüttelte leicht den Kopf. „Das wäre allerhöchstens ein angenehmer Nebeneffekt für ihn gewesen. Wichtig ist, wieso gerade Theodore Marshall? Der Mörder muss ihn kennen. Er weiß, dass Marshall sich oft und gern auf allerlei Liebschaften einlässt und genau das passte ihm natürlich ins Konzept. Verheiratete Frauen mit einer Affaire. Sein Opferprofil. Und es ist natürlich anzunehmen, dass Marshall den Mörder umgekehrt genauso kennt. Unbewusst seiner Taten wohlbemerkt. Jedenfalls müssen wir dringend nochmal mit ihm sprechen.“ „Nicht mehr heute, Sherlock“, meinte John schnell, denn er ahnte schon, dass der Detektiv am liebsten sofort wieder aufgesprungen wäre, um der Polizeizentrale einen abendlichen Besuch abzustatten. „Ich weiß“, sagte Sherlock missgestimmt. „Dasselbe hat mir Lestrade eben auch schon gesagt. Sehr ärgerlich.“ „So oder so. den Mörder werden Sie heute ohnehin nicht mehr fassen können. Tee?“ „Bitte.“ Der Rest des Abends verlief ruhig. Während Sherlock seine Gedanken weiterhin dem Fall widmete, schrieb John noch ein wenig an seinem Blog weiter, bis ihn einige Zeit später die Müdigkeit übermannte – seine letzte Nacht war dank Sherlocks nächtlichem Mord an dem Küchentisch ja deutlich zu kurz gekommen - und er schließlich noch am Tisch einschlief. Wach wurde er wieder, als sein Ellenbogen plötzlich von der Tischplatte rutschte und er dadurch aus dem Schlaf aufschreckte. Er brauchte erst mal einige Sekunden, um sich gedanklich wieder zu sortieren, ehe sein Blick zu dem flimmernden Bildschirm seines Laptops huschte. 22 Uhr. Er hatte nicht mal zwei Stunden geschlafen. Ächzend rieb er sich den schmerzenden Nacken, hielt jedoch inne, als er spürte, wie ihm etwas von den Schultern rutschte. Überrascht stellte er fest, dass es die Decke war, die vorhin noch über dem Sessel gehangen hatte und sofort zeichnete sich ein warmes Lächeln auf seinem Gesicht ab. John hob die Decke wieder auf und sah sich um, um nachzusehen, ob Sherlock noch da war. Er war es. Aber etwas stimmte nicht. Ohne zu zögern sprang John von seinem Stuhl auf und war mit zwei schnellen Schritten an Sherlocks Seite, der nach wie vor in seinem Sessel saß – schweratmend und mit hochrotem Kopf. John biss sich auf die Unterlippe, als er seine Hand auf die glühende Stirn seines Freundes legte. „Verdammt, ich hab’s Ihnen doch noch gesagt.“ Eilig stürmte John ins Badezimmer, ignorierte den Verwesungsgestank der Leiche in ihrer Dusche, der sich langsam aber sicher auszubreiten begann und kam daraufhin mit einem feuchten Waschlappen zurück ins Wohnzimmer. „Sie müssen aus den Klamotten raus“, sagte John eindringlich, während er den Waschlappen auf Sherlocks Stirn platzierte. „Sherlock? Hören Sie?“ Doch sein Freund reagierte nicht. Okay, es half nichts. Mit flinken Fingern begann John Sherlocks Jackett sowie das darunter liegende Hemd aufzuknöpfen, und befreite ihn anschließend von den inzwischen vom Schweiß durchnässten Klamotten. Er legte Sherlocks Arm um seine Schultern und half ihm so gut es ging hinüber zum Sofa, wo er ihn vorsichtig niederließ, damit er sich hinlegen konnte. Dann zögerte er kurz und fuhr sich ein wenig verzweifelt mit der Hand durch die Haare, bevor er den Entschluss fasste, Sherlock auch noch seiner Hose zu entledigen, in der unterschwelligen Hoffnung, dass Mrs. Hudson nicht auf einmal in ihrem Wohnzimmer auftauchte. Nachdem er ihm zusätzlich noch zwei Wadenwickel gemacht und schließlich die Decke über ihn gelegt hatte, setzte sich John neben Sherlock auf den Boden und sah nun ein wenig erleichterter zu, wie sich die Atemzüge seines Freundes allmählich wieder beruhigten. Ohne großartig darüber nachzudenken wischte John seufzend ein paar dunkle Haarsträhnen aus Sherlocks schweißnasser Stirn. „Wenn Sie doch nur einmal auf mich hören würden…“ Mit Ausnahme von ein paar Gängen ins Badezimmer, um den Waschlappen neu zu befeuchten, wich John die nächste halbe Stunde lang nicht von Sherlocks Seite. Schlafen konnte er sowieso nicht und außerdem wollte er verhindern, dass sein Freund irgendeinen Unsinn trieb, sobald er wieder wieder aufgewacht war. Gerade als John sich erneut aufrichten wollte, um ein Glas Wasser zu holen, begann Sherlock sich langsam zu regen. „John…?“, stöhnte er leise und drehte ihm seinen Kopf zu. „Was machen Sie da auf dem Boden…?“ „Wie fühlen Sie sich?“ „Ausgezeichnet“, antwortete der Detektiv heiser und machte Anstalten sich aufzusetzen, doch John hielt ihn zurück. „Liegen bleiben.“ „Ich sagte doch, mir geht es gut.“ „Und ich sagte, liegen bleiben.“ Widerwillig ließ sich Sherlock wieder zurück sinken. Er wollte es nicht zugeben, aber er fühlte sich tatsächlich ziemlich gerädert. Wie er es hasste keine Kontrolle über seinen Körper zu haben. Er fasste sich an den schmerzenden Kopf. Wie sollte sein Gehirn unter diesen Umständen anständig funktionieren? „Es ist Ihre eigene Schuld, wenn Sie das beruhigt.“ „Was ist das da an meinen Beinen?“ „Wadenwickel“, sagte John und stand auf. „Ich werde mal Neue machen.“ Sherlock sah John kurz nach und schloss dann seine Augen. Er musste sich dringend wieder auf den Fall konzentrieren. So einen fatalen Irrtum wie heute konnte er sich kein zweites Mal leisten. Theodore Marshall. Mrs. Adams zufolge war er ein recht fürsorglicher Mann. Sonderlich viele Freunde schien er jedoch nicht zu haben, wenn er es vorzog seine Abende lieber allein auf derartigen Tanzveranstaltungen zu verbringen. Das würde den Kreis seiner Bekanntschaften immerhin schon deutlich eingrenzen. Sherlock zuckte zusammen, als er plötzlich Johns Finger an seinem Bein spürte, deren angenehme Wärme sich mit einem Mal in seinem ganzen Körper auszubreiten schien. Ein wenig verstört über diesen völlig seltsamen Umstand, versuchte er seine Gedanken wieder auf das eigentliche Problem zu fokussieren. Also war es sogar fast wahrscheinlich, dass sich der Mörder ebenfalls unter den Anwesenden der Tanzveranstaltung befand. Und wenn er so wie bei seinen letzten beiden Morden vorging, dann- Wieder durchfuhr ihn ein plötzlicher Schauer, als Johns Finger ohne Vorwarnung seine Wange berührten. „Was machen Sie da?“ „Sie haben immer noch Fieber.“ Seine Finger wanderten ein Stück höher und legten sich auf seine Stirn. „Aber wenigstens glühen Sie nicht mehr.“ Ungewohnt schummerig im Kopf ließ Sherlock seine Lider langsam zufallen und gab sich der behaglichen Berührung hin, die auf einmal zusammen mit Johns vertrautem Duft Etwas in dem Detektiven auslöste, das für ihn derart bizarr war, dass es ihm urplötzlich zu viel wurde. Unwirsch schlug er Johns Hand weg. „Lassen Sie das.“ Überrascht blickte John in das verärgerte Gesicht seines Freundes. „Ich wollte nur Ihre Temperatur-“ „Hören Sie auf damit“, wiederholte Sherlock barsch und drehte sich weg. „Sie stören, ich kann mich nicht konzentrieren.“ „Wollen Sie mich auf den Arm nehmen?“ „Nicht im Geringsten. Lassen Sie mich allein. Ich brauche Sie nicht, mir geht es bestens.“ John starrte sprachlos auf den ihm zugedrehten, bloßen Rücken und es dauerte eine ganze Weile, bis er sich wieder einigermaßen gefangen hatte. „Ganz wie Sie meinen“, erwiderte er mit unnatürlich ruhiger Stimme, stand wortlos auf, nahm seine Jacke und fand sich kurze Zeit später umhüllt von der kühlen Abendluft draußen vor ihrer Haustür wieder. Er atmete einmal tief durch, um den in ihm brodelnden Zorn notdürftig unter Kontrolle zu bringen. Warum schaffte es dieser Mann nur immer und immer wieder ihn derartig auf die Palme zu bringen? Es war ihm wirklich schleierhaft. Kopfschüttelnd und in der Absicht ein paar Runden durch den Park zu gehen, um seinen Kopf frei zu bekommen, ließ er seine Hände in den Hosentaschen verschwinden, wo seine Fingerspitzen im selben Moment auf Etwas stießen, das er schon wieder vollkommen vergessen hatte. Er zog die Visitenkarte heraus und betrachtete sie einen Augenblick lang nachdenklich, ehe er schließlich sein Handy nahm und die angegebene Nummer eintippte. „Simon? Hey, hier ist John. Steht dein Angebot mit heute Abend noch? Ich hätte doch Zeit…“ Kapitel 5: Der Freund --------------------- Gedankenverloren stocherte John mit dem Strohhalm in seinem leeren Glas herum und hörte daher auch nur mit halbem Ohr zu, wie Simon ihm voller Begeisterung von seinen Abenteuern und Erlebnissen in Südamerika vor einigen Jahren erzählte. Eigentlich war er ja hergekommen, um sich abzulenken, sich vielleicht sogar ein wenig zu amüsieren. Aber es war zwecklos. Sherlocks Worte ließen ihn einfach nicht los. Im Grunde genommen ärgerte ihn ja noch nicht mal die Tatsache, dass er ihn so einfach weggeschickt hatte, obwohl er ihm nur helfen wollte. Ein „Danke“ hatte er sowieso nicht erwartet. Und es war auch nicht diese typisch schroffe Art, mit der er ihn vor die Tür gesetzt hatte. An die war er nach all der Zeit nun weiß Gott gewöhnt. Nein, es ging ihm vielmehr darum WAS er gesagt hatte: Sie stören. Lassen Sie mich allein, ich brauche Sie nicht. Nicht unbedingt die Worte, die man von seinem Freund hören wollte. Und das Schlimmste an der ganzen Sache war, dass er wahrscheinlich der einzig Dumme war, der sich darüber nun den ganzen Abend Gedanken machte, während Sherlock- „John? Hey, John! Noch da?“ John schreckte auf, als plötzlich eine Hand vor seinem Gesicht hin und her winkte. „Entschuldige, was hattest du gesagt?“ Simon musterte ihn mit gerunzelter Stirn. „Du bist schon die ganze Zeit so abwesend. Was ist denn los?“, wollte er wissen, bevor seine Lippen sich zu einem zweideutigen Grinsen verzogen. „Liebeskummer?“ „Was? Nein!“ erwiderte John, vielleicht eine Spur zu hastig. „Nein, ich…“ Er zögerte. Er war definitiv nicht der Typ Mensch, der gerne über seine Probleme sprach. „Es ist nichts. Mein Mitbewohner treibt mich zurzeit nur in den Wahnsinn.“ „Du hast einen Mitbewohner? Wieso, was ist denn mit ihm?“ „Er ist…“ John suchte nach den passenden Worten. „…schwierig. Anstrengend. Launisch, überheblich und wenn er nichts zu tun hat, unausstehlich. Mal redet er wie ein Wasserfall, dann spricht er plötzlich für drei Tage überhaupt nicht mehr. Die Küche hat er quasi für sich und seine Experimente eingenommen, von den ganzen Leichenteilen überall mal ganz zu schweigen. Heute erst hätte ich um ein Haar mit einem toten Mann geduscht und ja, ich kann mir durchaus Romantischeres vorstellen. Und dass er auch nur einmal loszieht, um einkaufen zu gehen, darauf warte ich bis heute noch“, zählte er wild und in rasender Geschwindigkeit die Dinge auf, die ihn zwar des Öfteren an den Rand der Verzweiflung brachten, aber natürlich nicht der Grund für seinen eigentlichen Zorn waren. Überhaupt, was tat er hier eigentlich? War nicht sein ursprünglicher Plan gewesen, das Thema „Sherlock“ für den Rest des Abends aus seinem Kopf zu verbannen? Verflucht sei dieser Detektiv, der nicht einmal anwesend war und ihn trotzdem nicht in Ruhe ließ! Während John Sherlock innerlich zum Kuckuck wünschte, sah Simon ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Ehm…Leichenteile?“, fragte er noch einmal langsam nach und verzog das Gesicht. „Das klingt irgendwie abgefahren. Und, mal abgesehen davon, eindeutig nach einem alten Ehepaar, Johnny.“ „Wir sind kein Paar!“, machte John mit Nachdruck in der Stimme deutlich, erntete jedoch lediglich einen amüsierten Blick. „Wunder Punkt, was? Aber das trifft sich eigentlich ganz gut. Ich bin selbst auf der Suche nach einem Mitbewohner. Wenn du die Nase voll hast, zieh doch einfach aus und wir machen unsere eigene WG auf.“ „Ausziehen?“ Dieser Gedanke war für ihn so abwegig, dass John bisher nicht mal im Traum darüber nachgedacht hatte. „Ja genau! Überleg doch mal, wir könnten die alten Zeiten wieder aufleben lassen.“ „Wir sind aber nicht mehr fünfundzwanzig, Simon“, meinte John, fast schon ein wenig belustigt. „Na und? Hey, ich hätte sogar schon die perfekte Wohnung! Ein wenig außerhalb von London, aber preisgünstig und mit einer guten Anbindung.“ „Simon, ich-“ „Schau sie dir doch einfach mal an“, fiel ihm sein alter Freund ins Wort, zog einen kleinen Notizblock aus seiner Hosentasche und schrieb die Adresse der Wohnung auf, um sie John daraufhin in die Hand zu drücken. „Glaub mir, das wird super. Und ich kann dir versprechen, ich habe weder was mit Leichen am Hut, noch mit-“ „Verzeihung.“ John erstarrte augenblicklich in seiner Bewegung, als plötzlich eine ihm viel zu vertraute Stimme an sein Ohr drang, während Simon, ein wenig irritiert von der abrupten Unterbrechung, zu dem Mann aufsah, der kurz zuvor an ihren Tisch getreten war. „Ja?“ „Ist der Stuhl hier noch frei?“ „Klar, nehmen Sie ihn ruhig. Wir brauchen ihn nicht.“ „Zu freundlich.“ Der Mann zog den Stuhl ein Stück zurück, doch anstatt ihn anschließend an einen der anderen Tische zu tragen, ließ er sich kurzum an ihrem eigenen nieder und während John mit versteinerter Miene dabei zusah, wie sich der Mann wie selbstverständlich seines langen Mantels entledigte, räusperte sich Simon ein wenig verstört. „Ehm, eigentlich hatte ich gedacht-“ „Oh, wie unverschämt von mir. Ich habe mich ja noch gar nicht vorgestellt. Sherlock Holmes.“ Er hielt Simon seine Hand entgegen, der die Geste allerdings nur sehr zögerlich erwiderte und sofort glitt sein verwirrter Blick hinüber zu John. „Ist das ein Bekannter von dir?“ John sparte sich eine Antwort und wandte sich stattdessen direkt an Sherlock. „Was zum Teufel machen Sie hier?“, zischte er ihm zu, doch der Detektiv ignorierte ihn in gekonnter Manier. John ahnte Schreckliches. „Simon, nicht wahr? John hat noch nie von Ihnen erzählt, aber ich nehme an, Sie kennen sich von früher. Alte Studienfreunde?“ Wieder huschte Simons Blick flüchtig zu John. „Ehm, ja, das stim-„ „Naja, zumindest bis Sie beschlossen haben nach China zu reisen und das Studium abzubrechen.“ Unbeeindruckt langte Sherlock nach der Getränkekarte. „Wann? Viertes Semester? Nicht eine Ihrer besten Entscheidungen, aber das wissen Sie ja selbst. Jedenfalls blieben Sie allem Anschein nach eine Weile in China und lebten dort ganz offenkundig deutlich über Ihren Verhältnissen. Partys, schicke Autos, gutes Essen…Sie wissen schon, das Übliche eben. Die Uhr, die Sie da tragen ist ein Geschenk einer Frau, die sie dort kennenlernten. Sie war verliebt, sie hätte vermutlich alles für Sie getan, aber dumm wie Sie waren haben Sie sie sitzen lassen. Wieder eine Entscheidung, die sie bereuen sollten.“ „So ein ausgemachter Blödsinn! Was bilden Sie sich eigentlich ein!?“, rief Simon aufgebracht, aber ihm war deutlich anzusehen, dass Sherlock mitten ins Schwarze getroffen hatte. John, der zwischenzeitlich versucht hatte den Detektiv zu bremsen, hatte indes erfolglos aufgegeben und konnte nur noch inständig hoffen, dass er es nicht noch weiter auf die Spitze trieb. Doch Sherlock schien in seinem Element und fuhr daher recht unbeirrt fort. „Anschließend führte Sie Ihr Weg über Umwege nach Amerika, wo sie zu spielen begannen. Sie verloren nicht nur das letzte Bisschen, das sie noch hatten, sondern häuften Schulden an, die Sie wahrscheinlich ohne die Hilfe Ihrer viel zu großzügigen Eltern niemals hätten zurück zahlen können.“ „Hören Sie auf!“ „Dann kamen Sie zurück nach England, wo ein Bekannter Ihnen einen mehr schlecht als recht bezahlten Job verschaffte, auch wenn Sie allen mit Ihrem ach so teuren Anzug etwas Gegenteiliges weißmachen wollen. Und nun beabsichtigen Sie sich in einer schäbigen Wohnung in London niederzulassen und suchen verzweifelt einen Mitbewohner, der-“ „Aufhören!“ Geräuschvoll schlug Simon mit der flachen Hand auf den Tisch, sodass sich einige Leute schon nach ihnen umdrehten, und stand auf. „Es reicht. Ich hab keine Ahnung, wer Sie eigentlich sind, aber das muss ich mir nicht bieten lassen. Sorry John, aber ich verschwinde.“ Er deutete auf den Zettel mit der notierten Adresse. „Kannst es dir ja nochmal überlegen. Meine Nummer hast du ja.“ Er griff nach seiner Jacke und warf Sherlock im Vorbeigehen noch einen vernichtenden Blick zu, ehe er schließlich wütend die Bar verließ. „Schade, dabei ist es doch gerade so nett geworden.“ Mit finsterer Miene fixierte John den seufzenden Detektiven. „Bravo. Ganz toll gemacht, wirklich.“ „Vernehme ich da etwa einen Hauch von Ironie?“ „Was um Himmels Willen haben Sie sich dabei gedacht!?“, fuhr ihn John an. „Zuerst schmeißen Sie mich raus und jetzt verderben Sie mir auch noch den Rest des Abends! Haben Sie nichts Besseres zu tun!?“ Zornig stand er auf und bemühte sich um Selbstbeherrschung. „Gehen Sie wieder zurück“, sagte er und kehrte Sherlock den Rücken zu. „Gehen Sie wieder zurück und legen Sie sich ins Bett. Sie haben immer noch Fieber, vergessen Sie das nicht.“ Dann verließ auch er die Bar. Er wollte weg. Einfach nur irgendwohin, wo er sich in Ruhe abreagieren konnte. Doch noch bevor er die andere Straßenseite erreicht hatte, hörte er auch schon Sherlocks Stimme hinter sich. „John.“ „Lassen Sie es gut sein, Sherlock.“ Es folgte ein kurzes Schweigen, ehe der Detektiv erneut das Wort ergriff, dieses Mal deutlich zögernder. „Wenn es Sie glücklich macht, dann könnte ich es vielleicht einrichten, Ihnen ab und an mit den Einkäufen zu helfen.“ Verdutzt über diese auf den ersten Blick wirre Aussage blieb John stehen und drehte sich um. „Was?“ Er beobachtete, wie Sherlock auf ihn zu kam, den Blick gen Boden gerichtet und die Hände tief in seinen Manteltaschen vergraben. „Und vielleicht könnte ich es auch einrichten, für meine Experimente künftig nur den halben Küchentisch zu verwenden. Wenn es Sie glücklich macht.“ „Wovon reden Sie da bitt-?“ Doch er stockte, als ihm allmählich dämmerte, was Sherlock damit bezweckte. „Moment mal. Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass ich auch nur eine Sekunde lang in Erwägung gezogen habe, tatsächlich mit Simon zusammenzuziehen?“ Fassungslos starrte er Sherlock an und als dieser darauf nichts erwiderte, konnte er einfach nicht anders, als im nächsten Moment in ein geradezu erlösendes Lachen auszubrechen. „Ein schöner Detektiv sind Sie“, sagte er schließlich, wischte sich einige Lachtränen aus den Augen und es war, als würde die ganze Last, die er den lieben langen Abend mit sich herum getragen hatte, mit einem Mal von ihm abfallen. Offenbar war er doch nicht der Einzige gewesen, der sich Gedanken gemacht hatte. Irritiert über Johns plötzlichen Lachanfall, legte Sherlock den Kopf in eine leichte Schieflage und taxierte seinen Freund aufmerksam. „Sie haben nicht einmal darüber nachgedacht?“ „Als ob ich Mrs. Hudson mit Ihnen allein lassen würde. Die arme Frau.“ Ein flüchtiges Lächeln huschte über Sherlocks Gesicht. Für ihn war das Antwort genug. Dann wurde seine Miene jedoch wieder ernst. „Hören Sie…Das, was ich vorhin sagte…“ „Vergessen Sie’s“, unterbrach ihn John, um ihnen beiden ein möglicherweise peinliches Gespräch zu ersparen. Seine Wut und seine scheinbar grundlosen Bedenken hatten sich gerade eben sowieso in Luft aufgelöst. „Aber auf die Sache mit den Einkäufen werde ich definitiv noch zurück kommen.“ Erneut zeigte sich ein Schmunzeln auf dem Gesicht des Detektivs. „Diesbezüglich möchte ich Sie darauf hinweisen, dass meine Betonung auf dem Wort vielleicht lag.“ „Und ich möchte Sie darauf hinweisen, dass sich die Adresse dieser wunderschönen Wohnung am Rande Londons immer noch in meiner Tasche befindet.“ „Tut sie nicht“, erwiderte Sherlock und wandte sich um. "Gehen wir?" Es war überflüssig zu erwähnen, dass er Recht hatte. Und dass Sherlock seine Finger da im Spiel hatte, war John natürlich auch sofort klar. Seufzend schloss er zu seinem Freund auf, der sich bereits in Bewegung gesetzt hatte, und gemeinsam machten sie sich schließlich auf den Weg nach Hause, zurück in Richtung Baker Street. "Sagen Sie...", begann Sherlock nach einer Weile, während Sie durch die immer noch recht belebten Straßen Londons schlenderten. "Was fanden Sie damals nur an diesem Idioten?“ „Simon? Er ist kein Idiot, Sherlock. ....Naja gut, er hat sich wohl im Laufe der Zeit zu einem entwickelt und ja, auch damals ist er ganz sicher kein Engel gewesen, aber so wie ich ihn kannte war er eigentlich immer ein recht netter und hilfsbereiter Kerl.“ „Nun, viel ist davon nicht mehr übrig geblieben.“ „Da haben Sie wohl Recht“, seufzte John und drehte sich um, als Sherlock plötzlich stehen blieb. „Was ist los?“ „Was haben Sie da eben gesagt?“ „Ich sagte: Da haben Sie wohl Recht.“ „Nein, das davor.“ „Ehm…Simon war kein Engel, aber ansonsten immer ein netter und hilfsbereiter Kerl. Wieso? Was ist denn?“ Sherlock sah aus, als hätte ihn die Erkenntnis in Form eines Blitzes getroffen. „Gott, wie konnte ich nur so blind sein. Wir hatten es doch vor unseren Augen!“ „Bitte? Was hatten wir vor Augen?“ „Die Lösung, John! Die Lösung unseres Falls!“ Kapitel 6: Die Himmelsboten --------------------------- Noch ehe John den Mund aufmachen konnte, packte Sherlock ihn kurzer Hand am Oberarm und zog ihn in Richtung Straße. „Sh-Sherlock! Was haben Sie denn vor?“ „Wir machen einen Ausflug.“ „Besteht auch nur die geringste Chance, dass Sie mir verraten wohin?“ „Das werden Sie gleich sehen.“ Ungeduldig sah sich Sherlock nach einem Taxi um und John wusste, dass es sinnlos war, weiter nachzuhaken. Aus den Augenwinkeln beobachtete er, wie der Detektiv sich einmal flüchtig mit dem Handrücken über seine Stirn fuhr, eine Geste, die nicht nur dem Arzt in ihm Grund zur Besorgnis gab. So begierig er auch war, zu erfahren, welche Erleuchtung seinen Freund da gerade eben bezüglich ihres Falls heimgesucht hatte, das einzig Richtige wäre gewesen, ihn auf der Stelle zurück nach Hause zu schleifen und gnadenlos ans Bett zu fesseln. Doch war es vermutlich einfacher am helllichten Tage in den Buckingham Palace einzubrechen, als Sherlock davon zu überzeugen, die Aufklärung eines Falls auf später zu verschieben, um sein Fieber auszukurieren. Wie auch immer, es war ohnehin zu spät. Auf Sherlocks Winken hin, steuerte ein vorbeifahrendes Taxi den Straßenrand an und noch bevor der Wagen endgültig zum Stehen kam, riss der Detektiv auch schon die Hintertür auf und stieg ein. „Na so‘n Zufall. Das nette Paar von heut‘ Nachmittag!“ Der Fahrer des Taxis, der sich als derselbe entpuppte, der sie heute bereits zum Tatort und danach durch halb London kutschiert hatte, grinste sie durch den Rückspiegel an und entblößte dabei ein paar hübsche Zahnlücken. „Wir sind kein Paar“, entgegnete John, während er die Tür hinter sich zu fallen ließ. „Oh… Versteh‘ schon, sorry. Ich dacht‘ nur, weil Sie vorhin die ganze Zeit so selig mit’m Kopf auf seiner Schulter geschlafen haben.“ Sein Grinsen wurde breiter. „Aber keine Sorge, sowas stört mich nich‘.“ Irritiert hielt John inne. „Moment, was? Wie bitte?“ Kurz sah er geschockt aus, dann lachte er jedoch auf und schüttelte den Kopf. „Unsinn. Nein, tut mir Leid, da müssen Sie uns verwechseln. Ich hab ganz bestimmt nicht-“ Doch als sein Blick an Sherlock hängen blieb, entgleisten seine Gesichtszüge. „…Hab ich doch…?“ „Kenton Avenue, bitte“, überging Sherlock die entsetzte Frage seines Freundes und bestätigte somit Johns Befürchtung. „Kenton Avenue, wird erledigt“, flötete der Taxifahrer fröhlich, während John einfach nur stöhnend in sich zusammensackte. Jetzt war ihm natürlich klar, weshalb ihm der Mann am Steuer vorhin so seltsam zugezwinkert hatte. Er biss sich auf die Unterlippe, als unwillkürlich eben jenes Bild von ihm und Sherlock auf dem Rücksitz des Taxis vor seinem geistigen Auge aufflackerte. Schnell schüttelte er den Gedanken wieder ab. „Hätten Sie mich nicht wecken können?“ „Wieso hätte ich Sie wecken sollen?“ „Weil durch genau solche Situationen diese dummen Missverständnisse entstehen!“ „Der Kumpel von ‘nem Kumpel von mir-“, meldete sich der Fahrer erneut zu Wort. „Der is‘ früher so‘n richtiger Schwerenöter gewesen, wissen Sie? Hat sich mit jeder vergnügt, die nich‘ bei drei auf’m Baum war. Naja, der hat jetz‘ vor kurzem seinen besten Freund geheiratet. Eigentlich lustig, weil es irgendwie jeder vor ihm wusste. Ach, und dann war da noch der Cousin von ‘nem anderen Kumpel von mir, der-“ „Okay, danke, das reicht. Anderes Thema“, fiel im John energisch ins Wort, da er irgendwie ahnte, auf was der Mann hinaus wollte. Schnell wandte er sich an Sherlock, bevor ihr Fahrer die nächste Geschichte über einen Bekannten und dessen Liebesleben auspackte. Die ganze Sache war ihm schon unangenehm genug. „So, können Sie mir jetzt bitte verraten, weshalb wir zu Theodore Marshall fahren? Was hat das für einen Sinn? Er ist doch bestimmt noch bei der Polizei.“ „Wir fahren nicht zu Theodore Marshall. Wir fahren zu Mrs. Adams.“ „Mrs. Adams? Was hat sie damit zu tun?“ „Engel, John.“ „Engel?“ Sherlock seufzte. „Ich habe es Ihnen schon einmal gesagt. Sie sehen, nehmen aber nicht wahr. Sie müssen dringend daran arbeiten.“ John verdrehte die Augen, doch auch die nächsten Versuche Sherlock eine brauchbare Antwort zu entlocken, blieben erfolglos. Als das Taxi kurze Zeit später in die Kenton Avenue einbog und schließlich vor Mrs. Adams Haus zum Stehen kam, sprang Sherlock ohne Umschweife aus dem Wagen und schritt durch das kleine Holztörchen geradewegs auf die Haustür zu. „Sherlock!“, zischte John, während er dem Taxifahrer durch Handzeichen vermittelte, dass er warten solle. „Sie können doch nicht einfach klingeln, wir haben kurz nach Mitternacht!“ „Sie sehen doch, es brennt noch Licht“, meinte Sherlock und drückte gleichzeitig auf den Klingelknopf. Sofort ertönte die vertraute Melodie des Big Ben, die sich kurz darauf mit eiligen Schritten vermischte, ehe die Tür schwungvoll aufgerissen wurde und sie in das verärgerte Gesicht einer ihnen unbekannten Frau blickten. „Was wollen Sie? Es ist mitten in der Nacht, falls es Ihnen nicht aufgefallen sein sollte!“ „Verzeihen Sie bitte die nächtliche Ruhestörung, wir-“ „Wir wollen zu Mrs. Adams“, unterbrach Sherlock eiskalt Johns Bemühung einer höflichen Erklärung. „Mrs. Adams erwartet keinen Besuch und erst recht nicht um diese Uhrzeit!“ „Wer ist da, Martha?“, hörten sie Mrs. Adams Stimme aus dem Wohnzimmer. „Zwei Männer, die zu Ihnen wollen!“ „Oh! Sag, trägt einer der beiden vielleicht einen langen, dunklen Mantel?“ Die Frau musterte Sherlock mit mürrischer Miene. „Ja!“ „Dann lass sie ruhig rein, Martha, ich kenne die Herren.“ Sherlock schenkte der Dame an der Tür ein kurzes, süffisantes Lächeln und trat anschließend, gefolgt von John, an ihr vorbei in Richtung Wohnzimmer. „Na sowas, heute hatte ich nicht mehr mit einem Besuch von Ihnen gerechnet“, sagte Mrs. Adams lächelnd, als sie den Raum betraten. „Theodore ist leider noch nicht nach Hause gekommen, aber wenn Sie wollen, können Sie gerne noch auf ihn warten. Ich hatte sowieso noch nicht vor schlafen zu gehen und Martha ist sicher so nett uns allen einen Tee aufzusetzen.“ „Wir wollten nicht zu Theodore, Mrs. Adams. Es geht um etwas anderes.“ „Worum geht es denn?“ „Wir würden uns gerne nochmal Ihre Engelsfiguren ansehen.“ „Oh, das freut mich aber, dass sie Ihnen so gut gefallen. Bitte, schauen Sie ruhig.“ Sherlock warf John einen Blick zu, ehe er hinüber zu der Vitrine an der Wand ging, um die kleinen Engelsskulpturen kurzum in Augenschein zu nehmen. John trat an seine Seite und beugte sich ein wenig vor, um es ihm gleichzutun, auch wenn er keine Ahnung hatte, wonach Sherlock eigentlich suchte. „Es ist, wie ich vermutet habe, John“, hörte er seinen Freund neben sich murmeln. „Was?“ „Sehen Sie genauer hin. Die Heiligenscheine.“ John tat wie ihm geheißen. Auf den ersten Blick fand er nichts Ungewöhnliches, doch dann fiel ihm etwas auf. Auf einem der goldenen Heiligenscheine konnte man sehr schwach auf der Innenseite zwei winzig kleine Gravuren erkennen. Die eine war eine Jahreszahl. Seltsamer war jedoch die kaum zu erkennbare Gravur daneben. Es sah aus wie der Anfang eines Namens, bevor der Kopf des Engels den Rest verdeckte. Und plötzlich weiteten sich Johns Augen, als er endlich begriff. „Ringe“, keuchte er. „Die Eheringe der toten Frauen!“ „Elf Engel, elf Ringe, zwölf Opfer. Der Ring unseres letzten Opfers befindet sich wahrscheinlich noch in der Verarbeitung. Immerhin war der letzte Mord erst heute Mittag. Wirklich sehr ärgerlich, dass mir das nicht früher aufgefallen ist.“ John verzog das Gesicht über die Geschmacklosigkeit dieses Machwerks. „Dann ist unser Täter also-“ Sherlock nickte und wandte sich um. „Mrs. Adams, wir müssen dringend wissen, wo sich Ihr Enkel derzeit aufhält. Haben Sie eine Adresse?“ „Charlie?“, fragte sie verwundert. „Nein, er ist sehr viel unterwegs. Manchmal kommt er mich aber besuchen. Und er schickt mir, wie schon gesagt, seit einiger Zeit diese wunderschönen Engel zu. Er hat wirklich Talent, finden Sie nicht auch?“ „Haben Sie ein Bild von ihm?“ „Natürlich. Dort in der Schublade liegen ein paar, die ich noch einrahmen lassen wollte.“ Sherlock zog die oberste Schublade der Kommode neben ihm auf und nahm fünf einzelne Fotos heraus. Auf den ersten vier lachte ihnen ein kleines blondes Kind entgegen, das auf einem Spielplatz im Sandkasten spielte. Auf dem letzten war ein erwachsener Mann zu sehen, der ein wenig steif in die Kamera blickte. John erkannte ihn sofort wieder. „Das ist einer der Barkeeper von der Veranstaltung im Hotel!“ „Sagen Sie, ist alles in Ordnung?“, hörten sie Mrs. Adams ein wenig unsicher fragen. „Hat Charlie irgendetwas angestellt?“ „Etwas angestellt?“ Sherlock tat, als würde er kurz überlegen. „Nein. Nun ja, zumindest nicht, wenn man mal davon absieht, dass er zwölf Frauen kaltblütig erm-“ „-ahnt hat, nicht bei Rot über die Ampel zu laufen", führte John den Satz eilig zu Ende. "Ach wissen Sie, die Frauen haben das irgendwie falsch aufgefasst und… Egal, nur ein Missverständnis. Machen Sie sich bitte keine Gedanken, Mrs. Adams.“ John sah unauffällig zu Sherlock und erntete sogleich einen empörten Was soll das? Sie wird es so oder so erfahren – Blick, den John daraufhin mit einem strengen Aber nicht jetzt und vor allem nicht SO, Sherlock – Blick erwiderte. Sherlock verdrehte leicht die Augen, beließ es aber glücklicherweise dabei. John räusperte sich. „Ich denke, wir werden uns dann mal wieder verabschieden, Mrs. Adams. Es ist ja schon spät“, sagte er und die alte Dame nickte daraufhin lächelnd. „Ich werde Theodore von Ihnen grüßen. Kommen Sie doch irgendwann noch einmal auf eine Tasse Tee vorbei. Lili würde Sie sicher auch gern wiedersehen.“ John bedankte sich höflich und versicherte ihr, dass sie sie bestimmt mal wieder besuchen würden, bevor sie beide von Martha ein wenig lieblos wieder nach draußen gelotst wurden. Seufzend stand John vor der verschlossenen Haustür. „Arme Mrs. Adams. Vielleicht ist es besser für sie, wenn sie es niemals erfährt.“ „Wieso wäre das besser für sie?“ „Wieso? Sherlock, er ist ihr Enkel. Haben Sie nicht bemerkt, wie stolz sie auf ihn ist? Es würde ihr das Herz brechen.“ „Es gibt keinen Grund, stolz auf einen Mörder zu sein.“ „Shhhh“, zischte John und sah besorgt zu dem gekippten Küchenfenster. „Schon gut, vergessen Sie’s“, warf er schnell noch hinterher, da es ohnehin keinen Sinn hatte mit Sherlock ein normales Gespräch über derartige Gefühle einer Großmutter zu ihrem Enkel zu führen. „Und nun? Fahren wir zurück zum Hotel und hoffen darauf, dass Charlie noch da ist?“ „Noch nicht“, erwiderte Sherlock, nahm sein Handy und zog einen kleinen Zettel aus seiner Hosentasche. John hob seine Augenbrauen, als er den Zettel wiedererkannte. „Sie haben ihn behalten?“ „Wie Sie sehen können, habe ich das wohl.“ „Verstehe. Ihre Tanzpartnerin im roten Kleid muss Sie ja sehr beeindruckt haben.“ „Ich weiß nicht, worauf sie hinaus wollen“, sagte Sherlock, während er die Nummer der Frau auf dem Stück Papier in sein Handy eintippte und es sich anschließend ans Ohr hielt. John verschränkte die Arme. „Ich habe Augen im Kopf, Sherlock.“ „Das möchte ich in keinster Weise anzweifeln.“ „Ich meine, Sie hätten genauso gut auf anderem Weg an die Information kommen können und da lassen sie sich einfach so von einer Frau, die nebenbei gesagt auch noch mysteriöserweise große Ähnlichkeit mit einer gewissen anderen Frau-“ „Sie geht nicht ran“, unterbrach ihn Sherlock und versuchte es ein zweites Mal. „Wieso rufen Sie sie überhaupt an?“ „Sie war nicht zum ersten Mal auf dieser Tanzveranstaltung. Sie kannte Theodore Marshall, dann wird sie zweifellos auch das Personal kennen. Mit Sicherheit kann sie uns sagen, wo wir unseren Barkeeper finden können.“ Er wartete eine Weile, probierte es schließlich ein drittes Mal, als wieder niemand abnahm, doch erneut meldete sich lediglich die Mailbox. Sherlock drückte auf „Anruf beenden“ und ließ sein Handy sinken. „Ich denke, ich weiß, wo er ist.“ „Moment. Sie glauben doch nicht, dass- Sherlock!“, rief John, als sein Freund plötzlich loslief. „Sie passt ins Opferprofil, John! Er hat uns beobachtet!“ Der Detektiv stoppte vor ihrem Taxi und drückte dem Fahrer durch das offene Fenster den Zettel in die Hand. „Fahren Sie uns zu dieser Adresse. Möglichst schnell, bitte.“ „Geht klar.“ „John, beeilen Sie sich!“, rief er und seine Lippen verzogen sich zu einem siegessicheren Grinsen. „Wir haben einen Mörder zu fassen.“ ------- Vielen vielen Dank für all eure lieben Kommentare zu den vergangenen Kapiteln! Kapitel 7: Das Ende ------------------- Während Londons Innenstadt um diese Uhrzeit erst so richtig zum Leben erwachte, hatte sich über die entlegeneren Wohnviertel, durch die sie nun fuhren, bereits eine mitternächtliche Stille gelegt, die in Anbetracht der lauernden Gefahr in einem dieser Häuser fast schon gespenstisch wirkte. Ungeduldig blickte John hinaus in die tiefe Dunkelheit, die nur gelegentlich von einer Straßenlaterne verscheucht wurde. Hoffentlich waren sie nicht zu spät, dachte er. Hoffentlich waren sie nicht zu spät und Charlie hatte den Ehering der Frau längst von ihrem steifen, kalten Finger gezogen, um ihn später als Heiligenschein für seine scheußlichen Engelsfiguren zu missbrauchen. Erneut tauchte Mrs. Adams vor seinem geistigen Auge auf und was John verspürte, war tiefstes Mitleid. Obwohl er die alte Dame heute erst kennengelernt hatte, war sie ihm bereits ans Herz gewachsen. So viel war sicher: wenn das alles hier vorbei war, würde er sie besuchen. Und zwar so oft es ihm möglich war. Und er würde mit ihr und Lily zusammen Karten spielen und Tee trinken. Darüber würde sie sich sicher freuen. John wurde aus seinen Gedanken gerissen, als das Taxi plötzlich stoppte. Sein Blick glitt hinüber zu Sherlock, der ihm kurz zu nickte, dann stiegen sie aus und standen nun vor einem Haus, das in Johns Augen den Inbegriff moderner Architektur darstellte. Das gesamte Gebäude war schlichtweg ein einziges, gigantisches Gebilde aus Glas. Riesige Fenster, wo man nur hinsah. Und trotzdem gaben diese nichts von dem preis, was sich möglicherweise dahinter abspielte. Nichts als Dunkelheit. John atmete einmal tief durch und machte Anstalten das Grundstück zu betreten, aber Sherlock hielt ihn zurück. „Rufen Sie Lestrade.“ John überlegte kurz. In der Tat eine äußerst sinnvolle Idee, wie er fand. Ein kurzer Blick auf das Display seines Handys ließ ihn jedoch innerlich fluchen. „Kein Netz“, schimpfte er leise, während er das Handy in jede erdenkliche Himmelsrichtung richtete. Er schüttelte den Kopf. „Keine Chance. Ich muss es nochmal ein Stück weiter weg versuchen.“ „Tun Sie das.“ „Und Sie werden solange hier warten! Sie gehen da nicht alleine rein!“, raunte John ihm zu, doch wie nicht anders zu erwarten gewesen, hatte Sherlock seine Ohren bereits auf taub gestellt und steuerte auf das Haus zu. „Sherlock!“, zischte John ihm nach und stöhnte entnervt auf, als der Detektiv keine Sekunde später und ohne sich noch einmal umzuschauen in der Dunkelheit verschwand. Zwiegespalten sprang  Johns Blick abwechselnd von der Stelle, an der er Sherlock gerade noch zuletzt gesehen hatte, hin zu seinem Handydisplay, das immer noch keinen Empfang anzeigte. Leise stieß er einen Fluch aus und rannte schließlich los in die entgegengesetzte Richtung. Charlie war gefährlich. Sie brauchten Lestrade. Dringend. Ihm blieb nichts anderes übrig, als zu hoffen, dass Sherlock keine allzu leichtfertigen Dummheiten trieb. --- Sie schrie nicht. Kein einziges Mal. Nicht, als er sie von hinten in ihrem Wohnzimmer überwältigte. Nicht, als er sie auf den Boden stieß und sich rücklings auf sie setzte. Nicht, als er ihr das Seil um ihren Hals legte. Sie schrie nicht. Sie wiederholte nur immer wieder ein und dieselbe Frage: „Warum, Charlie? Warum?“ Es machte ihn wütend. All die anderen abtrünnigen Frauen, die er bereits bestraft hatte, hatten sich bis zum Ende gewehrt, um sich getreten, geschrien, bis das Seil ihnen ihre Stimme genommen hatte. Und es hatte sich gut angefühlt, ihr Leid. Wie ein warmer, befriedigender Schauer, der seinen Körper durchfuhr. Warum schrie sie also nicht? Zornig zog er die Enden des Seils mit aller Macht zu sich heran, sodass er nur noch ein Röcheln aus ihrer Kehle vernahm. „Du weißt genau warum!“ Sein Unterton war scharf. Er sah zu ihrer linken Hand, die krampfhaft versuchte das Seil um ihren Hals zu lockern. „Dein Ehemann hat dir diesen Ring im Vertrauen auf deine Treue vor Gott auf den Finger geschoben, doch offenbar hat dir das nicht das Geringste bedeutet. Es ist immer wieder dasselbe mit euch ehebrecherischen Frauen: Hauptsache, ihr habt euren Spaß, nicht wahr?“ Er spuckte neben ihr auf den Boden. „Du hast diesen Ring nicht verdient und damit auch dein Leben nicht mehr.“ Er hatte sich das Ganze viel zu lange mit ansehen müssen. All diese Männer, die diese Frau Abend für Abend mit zu sich nach Hause genommen hatte. Sie, die sie ihren Mann auf so schändliche Weise und unzählige Male betrogen und damit gepeinigt hatte, sollte leiden, wie keine andere vor ihr. „Hure“, zischte er und wollte das Seil weiter anziehen, als ihn plötzlich eine ruhige Stimme hinter seinem Rücken innehalten ließ. „Lassen Sie es gut sein, Charlie.“ Charlies Kopf wirbelte herum. Mit versteinerter Miene starrte er in das Gesicht des Mannes, der kurz zuvor unbemerkt in das Zimmer getreten war und nun seelenruhig auf der anderen Seite des Raumes stand. Es dauerte einen Moment, doch dann verzogen sich Charlies Mundwinkel zu einem leichten Schmunzeln und er richtete sich auf, wobei sich das Seil um den Hals der Frau augenblicklich lockerte und sie hastig nach Luft schnappte. „Mr. Holmes. Ich wusste, Sie würden früher oder später kommen. Ich muss allerdings gestehen, dass ich heute nicht mehr mit Ihnen gerechnet habe.“  Immer noch grinsend griff er in die Innentasche seiner Jacke und zog eine Pistole heraus, die er anschließend auf den Kopf der Frau richtete. Sein Blick ließ Sherlock dabei nicht aus den Augen. „Als Sie heute meinen Kollegen an der Bar auf Theodore ansprachen, haben Sie mich ganz schön beunruhigt, Mr. Holmes. Ich habe mich über Sie informiert. Sie sind gut in ihrem Fach. Aber dass Sie so gut sind, hatte ich nicht erwartet. Charlie seufzte. „Theodore…“, sagte er mit bekümmertem Gesichtsausdruck. „Der arme Kerl hatte sich von diesen beiden verräterischen Frauen um den Finger wickeln lassen. Ich wusste Bescheid über seine Affären. Über ihre Untreue. Es juckte mir einfach in den Fingern. Im Nachhinein wäre es wohl klüger gewesen sie nicht innerhalb so kurzer Zeit zu töten. So habe ich Sie auf Theodore aufmerksam gemacht, nicht wahr? In der Tat sehr unachtsam von mir. Aber wenigstens haben die beiden Ehebrecherinnen bekommen, was sie verdienten. Nun verraten Sie mir aber eines: Wie sind Sie letztlich auf mich gekommen?“ „Nun, Ihre Großmutter hat elf sehr aufschlussreiche Engelsfiguren in ihrer Vitrine stehen.“ Charlie lachte auf. „Brillant! Sie beeindrucken mich zutiefst, Mr. Holmes.“ „Nicht der Rede wert“, überging Sherlock das Kompliment. „Und nun verraten Sie mir eines:  Warum das alles?“ „Warum ich Frauen töte, die ihre Ehemänner mit anderen Männern oder Frauen betrügen? Kommen Sie, ist es nicht offensichtlich? Sie sind Sünder gegenüber Gott und ihren Ehemännern, denen Sie Treue geschworen haben. Ein Leben wie dieses steht Ihnen nicht zu.“ Sherlock erwiderte nichts. Stattdessen suchte er sein Gegenüber nach Hinweisen ab, scannte ihn mit einem unauffälligen Blick, um auf diese Weise mehr Charlie herauszufinden. In Windeseile verband er jeden einzelnen Anhaltspunkt in seinem Kopf zu einer logischen Erklärung. „Ihre Mutter...“, sagte er schließlich langsam und bemerkte, wie Charlies Augen plötzlich aufblitzten und sich seine Hand um die Pistole anspannte. Sein Grinsen verschwand und er schnaubte verächtlich. „Meine Mutter“, er spie das Wort geradezu, „war ein verdammtes Miststück. Sie-“ Er stockte. Es war ihm anzusehen, dass er unentschlossen darüber war, ob er weiter sprechen sollte, doch sein innerlich aufbrodelnder Zorn bei dem Gedanken an seine Vergangenheit setzte sich offenbar über jedwede Zweifel durch und es brach aus ihm heraus: „Wissen Sie, Mr. Holmes, Ich war nicht mal zehn Jahre alt und musste mit ansehen, wie diese Frau meinen Vater mit jedem dahergelaufenen Mann betrog. Als mein Vater davon Wind bekam, hat er sie nicht - wie man meinen könnte - vor die Tür gesetzt. Nein, er hat sie geradezu angefleht ihn nicht zu verlassen. Können Sie das glauben? Er liebte sie so sehr, dass er ihr nicht mal böse war. Doch sie hat seine Liebe mit Füßen getreten. Ist durchgebrannt mit irgendeinem Typen von ihrer Arbeit. Hat uns beide zurückgelassen. Einfach so. Eines Tages, als ich aus der Schule nach Hause kam, sah ich meinen Vater. Bleich und reglos hing er von der Decke. Und das alles war allein ihre Schuld. Sie hat ihn in den Tod getrieben!“ Charlies Hand begann zu zittern. „Doch ich rächte mich für das was sie ihm und mir angetan hatte. Jahre später legte ich ihr dasselbe Seil, mit dem sich mein Vater das Leben genommen hatte, um den Hals und zog so fest, bis sie ihren letzten Atemhauch tat.“ Wieder schnaubte er. „Möge sie in der Hölle schmoren.“ Eine Stille machte sich breit, in der einzig und allein das schwere, unregelmäßige Atmen der Frau am Boden zu hören war. „Ich verstehe. Und nun spielen Sie den Rächer und sehen es als ihre Aufgabe an, Ehefrauen mit Affären auf die gleiche Art und Weise zu töten“, unterbrach Sherlock schließlich die Stille. „Glauben Sie nicht, ihre Männer würden es mir tief in ihrem Inneren danken?“ „Das bezweifle ich. Sie haben nicht das Recht über andere zu richten.“ „Wenn nicht ich, wer tut es dann?“ Charlie fand sein Lächeln wieder. „Und nun möchte ich Sie bitten zu gehen, Mr. Holmes. Ich hege in keiner Weise einen Groll gegen Sie, aber wenn Sie mich nicht meine Arbeit machen lassen, kann ich sehr ungehalten werden, sollten Sie wissen.“ „So ein Zufall“, sagte Sherlock trocken. „Genau dasselbe kann ich ebenso von mir behaupten.“ Und dann ging alles ganz schnell. Blitzartig griff der Detektiv hinter sich, wo er eine Schale auf einem kleinen Tisch zu fassen bekam, deren Inhalt von sandiger Konsistenz im nächsten Moment durch die Luft flog und in Charlies überraschten Augen landete. Erschrocken stolperte er zurück und Sherlock nutzte den Augenblick. Er stürzte sich auf ihn, um ihm die Pistole aus der Hand zu reißen, doch Charlie war flink genug, um sie vor Sherlocks Angriff zu schützen. Beide gingen zu Boden und kämpften nun verbissen um die Oberhand. Zu seinem großen Ärger spürte Sherlock, wie seine Kräfte ihn von Sekunde zu Sekunde immer weiter verließen. Das Fieber machte ihn schwach. Verdammt. Charlie schaffte es schließlich, Sherlock von sich zu stoßen und richtete die Pistole nun auf ihn. „Sayonara, Mr. Holmes“, sagte er grinsend, doch nur einen Moment später wurde ihm die Pistole aus der Hand geschlagen. Ein Schuss löste sich und durchschlug die Fensterscheibe hinter Sherlock mit einem lauten Knall, während die Waffe weiter über den Boden unter das Sofa rutschte. Schweratmend beobachtete der Detektiv, wie die Frau im roten Kleid nun mit zornigem Gesichtsausdruck über Charlie stand und ihm sogleich einen Schlag nach dem anderen verpasste. „Ich hab dir vertraut! Du Arschloch! Du verdammtes Arschloch!  All diese Frauen! Du hast sie ermordet! Alle!“ Charlie schützte sein Gesicht vor dem Hagel von Fausthieben und erst als er merkte, wie der Frau über ihm die Energie allmählich entschwand, richtete er sich auf und schubste sie mit aller Macht von sich, sodass sie mit dem Hinterkopf gegen die Wand prallte und benommen an ihr herunterrutschte. Sherlock hatte sich zwischenzeitlich wieder halbwegs erhoben, aber sein Fieber ließ ihn aufgrund der Anstrengung nur noch verschwommen sehen. „Sherlock!“ Schemenhaft konnte er erkennen, wie John in das Zimmer stürzte und sofort versuchte, die Situation einzuschätzen. Der Detektiv wischte sich mit dem Handrücken über die schweißnasse Stirn. Er wollte loslaufen, doch plötzlich versagten seine Beine und er klappte erneut zusammen. Das verschwommene Bild vor seinen Augen konnte ihn nur noch erahnen lassen, wie Charlie auf John zu rannte. Dann wurde alles schwarz. ---- Das nächste, was Sherlock wahrnahm, war Johns Stimme ganz in seiner Nähe. „Sherlock? Hey, alles okay mit Ihnen?“ Der Detektiv brummte leise, als er seine Augen einen Spalt breit öffnete. Es dauerte eine kurze Zeit, bis sich die Szenerie allmählich wieder zusammen setzte. John war das erste, was er sah. Er hockte neben ihm und sah reichlich besorgt drein. Ein paar Meter hinter ihm lag Charlie reglos am Boden und die Frau im roten Kleid lehnte immer noch bewusstlos an der Wand. Er hustete. „John“, krächzte er heiser. „Ja?“ John kam näher, um ihn besser verstehen zu können. „Warum-“ Sherlock hustete erneut. „Warum haben Sie mich mit nassen Kleidern schlafen lassen? “ John schloss die Augen, um diesen Satz erst einmal auf sich wirken zu lassen. „Moment, habe ich das richtig verstanden? Sie machen mich für Ihre Dummheiten verantwortlich, vor denen ich Sie auch noch ausdrücklich gewarnt hatte?“ „Korrekt.“ „Na fabelhaft.“ Eigentlich sollte er sich Sherlock dorthin wünschen, wo der Pfeffer wächst, aber in diesem Augenblick war John einfach nur heilfroh, dass sein Freund offenbar weitestgehend wohlauf war. Nach dem Pistolenschuss vorhin hatte er fast schon mit dem Schlimmsten gerechnet. John stand auf und nickte hinüber zu der Frau. „Es geht ihr den Umständen entsprechend gut, aber sie sollte trotzdem in ein Krankenhaus gebracht werden. Lestrade müsste eigentlich jeden Moment hier sein. Er-“ Doch weiter kam er nicht. Mit einem Mal wurde er nach hinten gerissen und landete unsanft auf dem Fußboden. „John!“, rief Sherlock, der Charlie genauso wenig wie John hatte kommen sehen. Mit Wucht trat der wütende Mann John in den Bauch, sodass dieser sich mit schmerzverzerrtem Gesicht am Boden zusammenkauerte. Charlie warf ihnen beiden noch einen vernichtenden Blick zu, ehe er sich umdrehte und etwas vom Tisch nahm, dass die Form einer handgroßen Kugel besaß und offenbar als Briefbeschwerer diente. Dann ging er auf die nach wie vor bewusstlose Frau zu. Sherlock richtete sich mühsam auf, doch John war trotz aller Schmerzen schneller. Er warf sich nach vorn, um Charlie zu Fall zu bringen, doch der schaffte es ihn abzuschütteln. Bestärkt von ungezügelter Wut holte Charlie aus und warf die Kugel in seiner Hand mit aller Macht in Johns Richtung, der gerade noch ausweichen konnte, sodass sie mit einem lauten Klirren das Glas hinter ihm durchschlug. John, der seinen Arm vor sein Gesicht hielt, um es vor herumfliegenden Glassplittern zu schützten, sah Charlie ein weiteres Mal nicht kommen. Erneut rief Sherlock Johns Namen, so laut, wie es seine angeschlagenen Stimmbänder nur zuließen, doch zu spät. Charlie stürzte sich auf John und stieß ihn nach hinten. Sherlocks Eingeweide zogen sich mit einem Mal schmerzhaft zusammen, als er  zusehen musste, wie Johns Körper die bereits kaputte Fensterscheibe rücklings durchbrach und wie in Zeitlupe, der Kugel folgend, in die Tiefe stürzte. Fassungslos starrte Sherlock , während die Gedanken und Bilder in seinem Kopf anfingen in Milisekundenschnelle umher zu schwirren wie ein aufgescheuchtes Wespennest: Zweite Etage. Höhe einer Etage: ca. 2,40 Meter. Fall aus knapp 5 Metern. Mit einem Winkel aus 90°: Möglicherweise Knochen- und Rippenbrüche, Prellungen, wahrscheinlich Gehirnerschütterung. Untergrund? Gras? Stein? Er konnte sich nicht erinnern. Ein Bild von Johns reglosem Körper. Zerstörtes Fenster. Glasscherben. Schnitte. Blut. Aufprall in einem Winkel aus 180°. Ein Bild von Johns leblosen Augen. Sherlock schüttelte es eilig ab. „Sehen Sie, Mr. Holmes? Ich habe Ihnen doch gesagt, ich kann sehr ungehalten werden“, hörte er Charlies Stimme irgendwo von ganz weit her. Sherlock spürte, wie plötzlich eine über das Fieber hinausgehende Hitze in ihm aufstieg. Zorn übermannte ihn. Ein irrationaler Zorn, wie er ihn selten empfand. Er wollte diesem Mann wehtun. Er wandte seinen Kopf und sah, wie Charlie auf ihn zu kam, seine Pistole inzwischen wieder in der Hand. Sherlock ballte die Fäuste, als er das schiefe Grinsen bemerkte. „Es tut mir sehr Leid, wirklich, aber Sie haben mich schon lange genug aufgehalten. Ich denke, wir sollten es nun beenden. Und glauben Sie mir, ich mache das sehr ungern. Sie sind wahrlich eine bemerkenswerte Person und Sie haben meine Hochachtung, das sollten Sie wissen. Aber leider sind Sie mir im Weg. Und außerdem wird Ihr Freund bestimmt schon auf Sie warten.“ Er hob die Pistole an. Sherlock versuchte angestrengt Ordnung seinen Kopf zu bringen und suchte Charlie fieberhaft nach einem Schwachpunk ab, den er in seiner derzeitigen Verfassung ausnutzen konnte, aber seine Gedanken huschten immer wieder zu John. Er konnte sich nicht konzentrieren. Und war damit völlig hilflos. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als zu einem letzten, völlig vernunftwidrigen Sprung nach vorn anzusetzen, doch er stoppte jäh, als er bemerkte, wie sich Charlies Miene plötzlich veränderte. Der Mund geöffnet, die Augen weit aufgerissen ließ sein Gegenüber die Pistole fallen und stürzte im nächsten Moment zu Boden. Blut klebte an seinen blonden Haaren. Sherlock sah auf. „Puh, das war knapp, was?“, sagte der Mann, der nun vor ihm stand und grinsend die blutige Eisenstange in seiner Hand schulterte. „Als ihr Freund eben durch die Scheibe da krachte, dachte ich, Sie könnten Hilfe gebrauchen.“ Das Grinsen des Taxifahrers wurde noch eine Spur breiter und er hielt Sherlock seine andere Hand hin. Sherlock starrte zu ihm hinauf und wusste nicht, was er sagen sollte. „John“, war das einzige, was er herausbrachte. „Ihr Freund? Keine Sorge, der hat’s überlebt. Dachte schon, das war’s für Ihn. Is ja ganz schön tief gefallen, der Gute. Aber is‘ im Gebüsch gelandet. Hab ihn da rausgeholt und bin dann schnell hoch gelaufen. Was ham ‘Se denn hier veranstaltet?“ Eine plötzliche Welle der Erleichterung überkam den Detektiven und auch seine Anspannung löste sich allmählich. John lebte. Er zögerte kurz, griff dann aber nach der Hand des Taxifahrers und ließ sich hochhelfen. Er musste sich selbst überzeugen. Er wankte durch das Zimmer Richtung Tür, drehte sich dann aber noch einmal um. „…Danke“, sagte er und versuchte sich an den Namen des Fahrers zu erinnern, von dem er wusste, dass er auf einem Schild im Taxi gestanden hatte. „Trevor. Einfach nur Trevor“, erwiderte der Taxifahrer augenzwinkernd. „Und keine Ursache.“ Sherlock nickte. Er bedankte sich nicht oft. Jedenfalls nicht aufrichtig. So wie in diesem Fall. Dann verließ er das Wohnzimmer. --- Die Polizei war inzwischen mitsamt Krankenwagen angerückt und begann nun mit ihrer Arbeit am Tatort. Nachdem Sherlock sich mit verhohlener Besorgnis genauestens davon überzeugt hatte, dass John den Sturz auch wirklich ohne ernsthafte Verletzungen überstanden hatte, ließ er nahezu widerstandslos die vorgeschriebene Untersuchung durch die Sanitäter über sich ergehen und sich mit fiebersenkenden Schmerzmitteln behandeln. Sogar gegen die Decke wehrte er sich nicht (Lestrade hatte darauf bestanden). „Unser lieber Taxifahrer hat sich übrigens mit Begeisterung als Privat-Chauffeur angeboten“, sagte John, der über und über mit Pflastern, Verbänden und einer Armschlinge im hinteren Teil des Krankenwagens saß und ebenso wie Sherlock eine Tasse Tee in der Hand hielt. „Er sagt, so viel Action hat er lang nicht mehr erlebt.“ Schmunzelnd hob der Detektiv seine Tasse an die Lippen. „Nun, einen besseren Chauffeur werden wir kaum finden.“ Er nahm einen Schluck, während er und John dabei zusahen, wie ein Sanitäter die Frau im roten Kleid davon abzuhalten versuchte, von Ihrer Trage herunter zu steigen, doch sie schlüpfte fast mühelos zwischen seinen Armen hindurch und kam zu Ihnen hinüber. „Mr. Holmes, Dr. Watson! Ich wollte mich unbedingt noch bei Ihnen bedanken.“ Sie klang heiser und die roten Striemen an ihrem Hals waren unverkennbar. „Aber das war doch selbstverständlich“, erwiderte John und winkte ab, vergaß jedoch seinen verletzten Arm und zuckte mit schmerzverzerrtem Gesicht zusammen. Sie lächelte traurig. „Es ist so ein seltsames Gefühl. Ich kannte Charlie schon lange. Freunde waren wir sicherlich nicht, dafür war er viel zu verschlossen. Aber wir haben ansonsten viel miteinander geredet. Viel herumgealbert.“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich hatte nicht damit gerechnet, dass er in Wahrheit einen solchen Hass gegen mich hegte. Und gegen all die anderen Frauen…“ Sie schwieg einen Moment, dann wandte Sie sich an Sherlock. „Mr. Holmes, ich hoffe, Sie denken nichts Schlechtes von mir. Mein Mann und ich leben in einer sehr offenen Beziehung. Er ist zurzeit in New York und er weiß von meinen Liebschaften, genauso wie ich von seinen. Es mag für andere vielleicht bizarr klingen, aber wir sind beide sehr glücklich.“ Sherlock sah sie an. „Glauben Sie mir, mein Interesse an dem Privatleben anderer hält sich außerhalb meiner Arbeit in höchstem Maße in Grenzen und daher sehe ich erst recht keinerlei Anlass in irgendeiner Weise über Ihres zu urteilen.“ Die Frau lachte leise auf. „Sie sind wirklich etwas ganz Besonders, Mr. Holmes. Aber ich fürchte, eine Chance werde ich wohl bei Ihnen nicht haben, nicht wahr?“ Ihr Blick huschte unauffällig zu John, der immer noch mit seiner Armschlinge beschäftigt war und daher nichts davon mitbekam. Dann zwinkerte sie Sherlock zu und wandte sich um. Sofort war der Sanitäter wieder an ihrer Seite, um sie zurück zu ihrer Trage zu lotsen. „Und ihren Namen kennen wir immer noch nicht“, sagte John, der seine Armschlinge inzwischen wieder gerichtet hatte und den beiden nachsah. „Caitlyn“, erwiderte Sherlock, woraufhin John lediglich seufzte. Natürlich kannte er ihren Namen. Wie konnte es anders sein. Er sah auf, als zwei Polizisten den Krankenwagen passierten, zwischen ihnen Charlie, der sein Bewusstsein offenbar wiedererlangt hatte, jedoch immer noch ziemlich wackelig auf den Beinen war. John beobachtete, wie er hinüber zu Caitlyn blickte und anschließend kaum merklich nickte, bevor er den Anweisungen der Polizisten Folge leistete und in das bereitstehende Polizeiauto stieg. John nahm einen Schluck von seinem Tee und fragte sich gleichzeitig, warum Charlie sich so seltsam verhielt. Vorhin hatte er beim Anblick Caitlyns nur so gesprüht vor Zorn. Er blickte wieder zurück zu der Trage, auf der Caitlyn gerade in Richtung des zweiten Krankenwagens geschoben wurde, und verschluckte sich jäh an seinem Tee, als er den Grund für Charlies Benehmen erkannte. Und dieser war nicht Caitlyn. „Sherlock“, japste er alarmiert. „Der Sanitäter!“ Der Detektiv brauchte keine zwei Sekunden, um zu verstehen, was John meinte. Er erkannte den Mann, der sein Gesicht unter der grau-grünen Kappe möglichst versteckt gehalten hatte, sofort. Augenblicklich ließ Sherlock die Tasse in seiner Hand fallen und lief, aufgrund der Medikamente inzwischen wieder auf sicherem Fuß, auf den Sanitäter zu, während John verzweifelt nach Verstärkung suchte. „Theodore Marshall“, raunte Sherlock dem Mann ins Ohr, als er hinter ihm zum Stehen gekommen war. „Interessant, dann habe ich letzlich ja doch nicht ganz so falsch gelegen.“ Theodore wirbelte erschrocken herum und erst jetzt bemerkte Sherlock die Pistole in seiner Hand. „Sherlock!“, hörte er John noch hinter sich brüllen. Dann löste sich ein Schuss.   Epilog: Epilog -------------- Es war, als würde ein kalter Windhauch an ihm vorbei ziehen, als John den großen Raum betrat. Er sah sich um. Karge, weiß-graue Wände starrten ihm von allen Seiten entgegen und sahen aus, als hätten sie dringend mal wieder einen Anstrich nötig. Auch im Übrigen war die Einrichtung eher dürftig. Allein die zahlreichen Blumen, die sich durch den hinteren Teil des Raumes ergossen, ließen ihn trotz der ansonsten bescheidenen Ausgestaltung fast schon wieder freundlich wirken. Die Kälte, die John bis in die Fingerspitzen spürte, konnten sie allerdings nicht gänzlich verdrängen. Er fühlte sich in diesem Augenblick einfach nur völlig fehl am Platz. Seine Gedanken wanderten weg von dem Blumenmeer, hin zu der vorgestrigen Nacht, die ihn das Szenario wider seinen Willen im Kopf erneut durchspielen ließ. Theodore, der Schuss, Sherlock, wie er von der Wucht der Pistolenkugel getroffen zurück geschleudert wurde, das plötzliche Gefühl von Panik, Verzweiflung und Einsamkeit. John fuhr sich mit der Hand über die müden Augen. Es hätte alles anders kommen können. „Dr. Watson.“ John wandte sich um, als sich von hinten eine Hand auf seine Schulter legte und ihn aus seinen Gedanken riss. „Ist mit Ihnen alles in Ordnung?“ fragte der alte Mann ihm gegenüber mit leicht besorgter Miene. John musste sich kurz sammeln, bevor er nickte. „Ich war nur in Gedanken.“ Der Mann sah ihn verständnisvoll an und räusperte sich anschließend. „Ich möchte Ihnen noch einmal sagen, dass wir Ihren Verlust außerordentlich bedauern. Bitte, lassen Sie sich so viel Zeit, wie Sie brauchen.“ John nickte erneut, schenkte ihm ein flüchtiges Lächeln und sah zu, wie der Mann den Raum auf seinen Gehstock gestützt verließ. Dann drehte er sich um und trat an den Sarg heran. Es war ein schöner Sarg, wie John auffiel. Schwarz, mit einer schlichten aber geschmackvollen Verzierung aus Silber, im Inneren mit dunkelrotem Samt ausgelegt, auf dem Sherlock mit ineinander verschränkten Händen ruhte und aussah, als würde er schlafen. Es war bizarr ihn so zu sehen. Unwirklich und doch viel zu real. Es schauderte ihn. Sein Blick blieb an Sherlocks blassem Gesicht haften und wieder rasten seine Sinne zurück. Nach dem Schuss war alles ganz schnell gegangen. Sofort waren Sanitäter zur Stelle gewesen und drei Polizisten hatten sich auf Theodore gestürzt, ihn seiner Pistole entledigt und ihn anschließend festgenommen. Nach den ersten Ermittlungen hatte sich herausgestellt, dass Charlie Theodore bereits vor einiger Zeit in einer Bar kennengelernt hatte. Dort fand er heraus, dass Theodore kürzlich von seiner Frau für einen anderen Mann verlassen worden war und nutzte dessen Wut und Enttäuschung für seine Zwecke aus. Er überzeugte ihn sich ihm anzuschließen. Lestrade hatte berichtet, dass Theodore bei seiner Befragung nur in höchsten Tönen von Charlie gesprochen habe, ja geradezu ins Schwärmen geraten wäre, als er erzählte, wie sehr er Charlies Ambitionen und seine Entschlossenheit bewundere und Caitlyn deshalb nicht einfach hatte gehen lassen können. Er wollte zu Ende bringen, was Charlie begonnen hatte. Was ihm dank Sherlock jedoch nicht gelungen war, dachte John. Caitlyn lebte und war derzeit im Krankenhaus. Im Gegensatz zu Theodore hatte Charlie laut Lestrade bei seiner polizeilichen Befragung kein einziges  Wort verloren. Stattdessen hatte er nur vor sich hin gelächelt und ins Leere gestarrt, bis er abgeführt worden war. Die elf Engel und der Ring von Wendy Henley waren inzwischen sichergestellt worden. Mrs. Adams hatte die Nachricht über die Taten ihres Enkels bemerkenswert gefasst aufgenommen. John war sich nicht sicher, aber er vermutete, dass Mrs. Adams überhaupt die einzige Frau in Charlies Leben war, die ihm etwas bedeutete. Charlie wusste, wie sehr sie unter dem Selbstmord ihres Sohnes gelitten hatte. Möglicherweise fühlte er sich mit ihr auf diese Weise verbunden und hatte ihr deshalb die Engel geschenkt. Als Beweis seiner Rache für ihren Sohn und seinen Vater. So etwas in die Richtung. Und Sherlock… John presste die Lippen aufeinander. Immer noch lag sein Blick auf Sherlocks regungslosem Körper. Dann wandte er ihn eilig ab. Es reichte. Der Raum, die Blumen, der Sarg – allmählich wurde es ihm wirklich zu viel. „Verdammt Sherlock, kommen Sie endlich da raus!“ Nichts tat sich. Dann ein leises Seufzen. „John, wie soll ich mich konzentrieren, wenn Sie mich nicht mal für zehn Minuten in Ruhe denken lassen?“, erwiderte der Detektiv und bewegte sich dabei keinen Millimeter. „Warum können Sie nicht woanders denken? Warum ausgerechnet in diesem verfluchten Ding?“ Wieder ein Seufzen. „Ich habe es Ihnen doch erklärt. Ich muss die Situation aus der Sicht unserer vermeintlichen Leiche betrachten. Sonst kommen wir hier keinen Schritt weiter. Ganz ehrlich John, Sie kennen doch meine Methoden.“ John rollte mit den Augen. Nach den Geschehnissen der vorletzten Nacht war es nun wirklich alles andere als ein Vergnügen Sherlock so zu sehen. Wie gesagt, es hätte genauso gut alles anders kommen können: Noch bevor Theodore sich in jener Nacht umgedreht hatte, hatte Sherlock sich offenbar bereits ein im Krankenwagen liegendes Instrumententablett geschnappt, in der Absicht, es dem als Sanitäter verkleideten Mann im Notfall über den Kopf zu ziehen oder ihn damit in sonstiger Weise an einer Flucht zu hindern. Dass die Kugel ihn nicht getroffen hatte, sondern in dem Tablett stecken geblieben war und Sherlock nicht tatsächlich hier und heute leblos in diesem Sarg lag, war also - und da konnte sein lieber Freund erzählen, was er wollte - pures Glück. Zufall. Nichts weiter. John seufzte innerlich tief. Dieser leichtsinnige Detektiv. Ständig brachte er sich durch solche leichtfertigen Aktionen in Gefahr und John damit jedes Mal an den Rand der Verzweiflung. Dieses Mal war es wirklich knapp gewesen. Und nun hatte sie ihr neuer Fall in das Beerdigungsinstitut von Mr. Finley geführt, das für John jedenfalls derzeit nicht unbedingt der schönste aller Orte war, während Sherlock es sich in einem der Särge im Aufbahrungsraum gemütlich machte, um herauszufinden, wie eine totgeglaubte Leiche nach ihrer Beerdigung zehn Kilometer vom Friedhof entfernt gesehen wurde, wie sie gerade einen Mord beging. Wunderbar. „Geben Sie mir Ihr Handy, ich muss mit Lestrade sprechen“, forderte Sherlock John auf und holte ihn damit wieder zurück ins Hier und  Jetzt. „Es ist weg, Sherlock. Das habe ich Ihnen doch schon gesagt. Ich muss es irgendwo anders verloren haben. Hier ist es jedenfalls nicht.“ „Vielleicht sollten Sie noch einmal in der Empfangshalle nachschauen. Und wenn Sie es dort gefunden haben, wären Sie so freundlich es mir zu bringen?“ Noch bevor John etwas erwidern konnte, kam Mr. Finley, der alte Leichenbestatter, freudig winkend mit Johns Handy in der Hand zu ihnen in den Raum zurück gehinkt. „Dr. Watson! Ich habe Ihr Handy gefunden! Es lag vorne in der Empfangshalle. Sehr merkwürdig, dass wir es nicht früher dort gesehen haben.“ John nahm das Handy entgegen, bedankte sich herzlich bei Mr. Finley und wandte sich dann mit zutiefst düsterer Miene wieder an Sherlock. „Heißt das, Sie wussten die ganze Zeit, dass es dort liegt und lassen mich für nichts und wieder nichts das halbe Bestattungsinstitut auf den Kopf stellen, um es zu finden?“ „Ich? Woher sollte ich denn wissen, wo Sie Ihr Handy liegen lassen?“ Es war deutlich zu hören. Sherlocks Stimme sprühte nur so vor Scheinheiligkeit. John unterdrückte einen kurzzeitig aufbrodelnden Tobsuchtsanfall. Als Sherlock daraufhin seine Hand nach dem Handy ausstreckte, schüttelte John nur heftig den Kopf. „Oh nein, auf gar keinen Fall. Mir reicht es für heute.“ Er steckte das Handy in seine Hosentasche und sah auf die Uhr. „Abgesehen davon wird es Zeit für unseren Besuch bei Mrs. Adams. Also kommen Sie jetzt endlich da raus!“ „Ich denke nicht, dass-“ „Wenn ich Sie daran erinnern darf, hat die kleine Lili Sie bei unserer letzten Partie Cluedo ganz schön abgezogen. Wollen Sie das wirklich auf sich sitzen lassen?“ Damit hatte er ihn. Es dauerte eine Weile, dann aber schlug Sherlock seine Augen auf. „Dieser Satansbraten hat gemogelt.“ „Hat sie nicht. Wie soll sie denn gemogelt haben?“ „Das werde ich noch herausbekommen, verlassen Sie sich drauf.“ Zu Johns Erleichterung schwang sich Sherlock endlich aus dem Sarg. „Eventuell könnten wir auf dem Weg zu Mrs. Adams noch kurz beim Friedhof-“ „Nein.“ Und damit schob John Sherlock eilig aus dem Aufbahrungsraum und wünschte sich in Gedanken inständig, seinen Freund niemals, aber auch niemals wieder in einem Sarg liegend sehen zu müssen. Davon hatte er nun weiß Gott genug. --------------------------- Und hiermit endet unser Fall :). Ich danke euch allen, dass ihr euch die Zeit genommen habt, diese Fanfiction zu lesen und hoffe sehr, dass euch das Ende gefallen hat! Liebe Grüße, eure Hikaru :) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)