Lullaby von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 2: 2. Kapitel - Feelings (Bella POV) -------------------------------------------- 2. Kapitel – Feelings Bella POV Wir erreichten die Maschine in allerletzter Sekunde. Die Stewardessen gingen gemächlich den schmalen Gang zwischen den Sitzen auf und ab und kontrollierten, ob auch alle Gepäckstücke sicher in den Gepäckfächern über den Sitzen verstaut waren. Ich lehnte mich seufzend in meinen Sitz und verbarg mein Gesicht in meinen Händen. Es war mir nicht möglich, ein Schluchzen zu unterdrücken. Was, wenn wir zu spät kommen würden? Was, wenn er, die Liebe meines Lebens, zu Tode kommen würde, nur weil Alice und ich Volterra nicht rechtzeitig erreichen konnten? Alice bedachte mein Schluchzen und mein angestrengtes Atmen mit einem mitleidigen Blick ihrerseits. Sanft strich sie mir über meinen Arm und diese, wenn auch kaum spürbare Geste, machte ihre Hoffnung das wir es noch rechtzeitig schaffen würden, ihren Bruder zu retten, sehr deutlich. Nervös trippelte ich mit meinen Füßen auf den Boden, als das Flugzeug endlich auf die Rollbahn zufuhr, um uns unserem Ziel ein Stück näher zu bringen. „Schhhh... Bella, beruhige dich“, sagte Alice neben mir und reichte mir daraufhin den Becher Kaffee, den die Stewardess uns eben gebracht hatte. Ich schüttelte den Kopf. Im Augenblick war ich nicht in der Lage, etwas zu mir zu nehmen. Meine Gedanken waren viel zu wirr und ließen mich nicht los, sodass es mir unmöglich war, mich auf anderes zu konzentrieren. „Wenn wir laufen würden, wären wir sicherlich auch nicht viel schneller“, bemerkte sie nach mehreren Minuten der Stille. Das Flugzeug entfernte sich gemächlich vom Flughafengebäude und beschleunigte so langsam, dass es fast schon eine Qual war, dabei zuzusehen. Als die Maschine sich endlich in die Lüfte erhob und die erste, dünne Wolkendecke durchbrach, tauchte die untergehende Sonne den Rahmen der schmalen Fenster in ein warmes, angenehmes Rot und ich genoss für einen kurzen Moment die Wärme auf meiner Haut, die die warmen Strahlen der Sonne hinterließen. „Ja... vermutlich...“, entgegnete ich, ohne Alice anzusehen. Sie ignorierte die missbilligenden Blicke der Stewardess, die zu ihr herüber sah und nahm ihr Handy, von ihrem kleinen Tisch vor ihrem Sitz. Entschlossen schritt die Stewardess den Gang herunter, um Alice darauf hinzuweisen, dass das Telefonieren während des Fluges nicht erlaubt wäre, doch irgendetwas in Alice' Blick hielt sie davon ab und sie blieb mitten im Gang stehen, um sich weiter um die anderen Fluggäste zu kümmern. Ich versuchte auszublenden, was Alice leise flüsternd mit Jasper besprach. Mir war mehr als bewusst, dass Edward in schrecklicher Gefahr war und ich wollte nicht noch einmal hören, wie sie Jasper davon erzählte. Das kleine Kissen, welches an der Kopflehne des Sitzes befestigt war, war angenehm und ich lehnte mich zurück und schloss die Augen. Das warme Rot der Sonne färbte meine Lider in ein kräftiges Gelb mit unterschiedlichen Nuancen und erhitzte meine Haut und mir wurde schlagartig warm. Es war fast so, als würde Jacob mich wieder so berühren, wie er es noch vor einigen Stunden getan hatte und ich konnte nicht anders, als meine Wangen zu berühren, auf denen ich immer noch die heißen, zärtlichen Berührungen seiner Hände spüren konnte. Ich konnte nichts dagegen tun, dass meine Gedanken immer wieder zu Jacob schweiften, den ich allein und verletzt zurückgelassen hatte. Für ihn war es nur schwer zu begreifen, dass ich alles zurückließ, was mir etwas bedeutete, um meine große Liebe, Edward Cullen, zu retten. Mein Zusammensein mit ihm und seine Welt stellten eine große Gefahr für mich da, dessen ich mir durchaus bewusst war, doch in Jacobs Augen war diese Gefahr für mich weitaus weniger harmlos, als sie es für mich war. Auch ich liebte Jacob, meinen besten Freund, meinen Beschützer, aber es war nicht genug um meine Vergangenheit hinter mir zu lassen und Edward zu vergessen. Es würde nie genug sein. Das wusste ich. Dennoch konnte ich nicht leugnen, dass unser Kuss in der Küche meine Gefühle schlagartig verändert hatte und mehr denn je sehnte ich mich danach von ihm noch einmal so berührt zu werden, ihm noch mehr von mir zu geben und ihm noch näher zu sein, als ich es gewesen war. Es war eine völlig neue Erfahrung für mich gewesen von ihm so geküsst und berührt zu werden. Seine Nähe und seine Leidenschaft lösten in mir ein Verlangen aus, dass ich vorher nie so intensiv wahrgenommen hatte. Doch war ein Leben mit ihm möglich, würde ich ihn irgendwann so lieben können, wie ich Edward liebte, wenn meine Gefühle für ihn wachsen würden? Ich brauchte Zeit um mir darüber klar zu werden. Zeit, die ich nicht hatte, um zu entscheiden, ob ich richtig oder falsch handelte. Nur eines war mir klar: Edward hatte mich vor den Gefahren aus seiner Welt beschützt, indem er gegangen war und jetzt machte ich mich auf den Weg, um ihn zu retten, ohne Rücksicht auf die Gefahren zu nehmen, die hinter den Mauern Volterras auf mich lauerten. Alice sprach noch immer leise mit Jasper und ich hatte das Bedürfnis mir die Beine zu vertreten, um mich etwas auf andere Gedanken zu bringen. Ich löste den Sicherheitsgurt und drängte mich an ihr vorbei, während sie mir prüfend hinterher sah. Viel Zeit blieb mir nicht, denn sie würde sicher nach mir sehen, wenn ich zu lange weg war. Die meisten Passagiere hatten ihre Sitzlehnen zurück gestellt und schliefen, hörten leise Musik oder lasen Zeitschriften. Ich drängte mich an einer Stewardess vorbei, die gerade damit beschäftigt war, dass Geschirr von den Tischen der Passagiere in einen kleinen Speisewagen zu räumen. Ich zog den feinen Vorhang zu, der den Passagierraum von dem kleinen Vorraum trennte, indem sich die Toiletten befanden und lehnte mich gegen die helle Wand aus Holz. Neben dem kleinen Vorraum befand sich ein Aufenthaltsraum, der mit kleinen, modernen Sofas und Tischen ausgestattet war. Ich steuerte darauf zu und ehe ich ihn erreicht hatte, lief ich in die Arme eines jungen Mannes, der einen erschrockenen Laut von sich gab. Seine Hände umfassten meine Arme, um zu verhindern, dass ich fiel. Ich hielt den Atem an, als ich in sein Gesicht sah und sein Lächeln, welches sich daraufhin auf seinem Gesicht ausbreitete, versetzte mir einen Schlag in die Magengegend. Es war so, als würde mein bester Freund vor mir stehen und mir zulächeln. Dieser mir völlig fremde Mann hatte fast den selben Hautton wie Jake, dasselbe markante Kinn, die feinen Gesichtszüge, sogar dieselben braunen Augen und hätte ich es nicht besser gewusst, wäre ich mir nicht hundertprozentig sicher gewesen, dass er nicht hier sein konnte, dann hätte ich geglaubt, ich würde ihm gegenüberstehen. Das Einzige, was ihn äußerlich von Jake unterschied war seine Körpertemperatur. Nicht so angenehm warm wie Jakes, doch sicher nicht so kalt wie die von... Der junge Mann sagte etwas auf Italienisch mit einem eigenartigen Akzent, ich wollte mich bei ihm für den kleinen Zusammenstoß entschuldigen, doch ehe ich mich versah, war er durch den dünnen Vorhang in den Passagierraum verschwunden. Während ich mir versuchte klar zu machen, dass ich träume, setzte ich mich auf eines der hellen Sofas die kreisförmig angeordnet waren, um meine wirren Gedanken unter Kontrolle zu bringen. Er war nicht hier und ich würde ihn nie wiedersehen. Ich hatte Jake zurück in Forks gelassen, um mich auf den Weg nach Volterra zu machen und Edward zu retten und ich war mir sicher, dass er mir das nicht so einfach verzeihen würde. Ich hatte Jake meinen Standpunkt klar und deutlich gemacht. Ich liebte ihn, doch es war nicht genug, um Edward zu vergessen. Doch das reichte ihm nicht. Solange er die Gewissheit hatte, dass ich mehr für ihn empfand, als nur Freundschaft, würde er nicht aufgeben, um mich zu kämpfen. Er war in mich verliebt und meine Gefühle für ihn waren viel, viel größer, als ich angenommen hatte, das hatte ich in dem Moment gespürt, indem unsere Lippen sich berührt hatten. „Wenn du jetzt gehst, wirst du niemals erfahren, wie es ist, mit jemandem zusammen zu sein, der sich nicht ständig in Acht nehmen muss, um dir nicht wehzutun. Du wirst nicht wissen, wie es sich anfühlt, den Atem und die Herzschläge eines anderen spüren zu können, weil er weder atmet noch ein schlagendes Herz hat. Er wird dich niemals so küssen können, wie ich dich vorhin geküsst habe und du ihn ebenso wenig, weil er mit deinem Leben spielen würde, sobald du es nur versuchst.“ Seine Lippen streiften meine hauchzart. „Wirst du das...“, abermals küsste er mich zärtlich, „...nicht vermissen?“ Die Erinnerung an ihn war zu kostbar, um sie loszulassen. Ich konnte es einfach nicht. Meine Finger fuhren zittrig über meine Arme, auf denen seine Berührungen heiße Spuren hinterlassen hatten, meinen Hals, den er mit zarten Küssen bedeckt hatte, mein Schlüsselbein, das seine rauen Hände liebkost hatten, bis ich schließlich an meinen Lippen angelangt war, auf denen die Süße seiner sinnlichen Lippen immer noch deutlich zu schmecken war. „Doch... Ich werde es vermissen“, flüsterte ich, während meine Finger noch immer über meine Lippen strichen. Ich wollte ihn nur noch einmal spüren, mich ihm nur noch einmal hingeben, um zu wissen, wie es sein würde, auf seine Nähe zu verzichten, auf ihn zu verzichten. Doch diese Gelegenheit würde er mir nicht mehr geben, sollte ich ihn je wiedersehen. Ich musste mich voll auf das Hier und Jetzt konzentrieren, ohne an die Vergangenheit zu denken und Dingen nachzutrauern, die ich nicht haben konnte. Edward zu retten war mir wichtiger als alles andere. Für ihn war ich bereit, auf mein größtes Verlangen und meine Sehnsüchte zu verzichten. Nur für ihn. Als der Himmel inzwischen sternenklar und die Sonne untergegangen war, machte ich mich auf den Weg zurück in den Passagierraum, um mich zurück auf meinen Platz zu setzen. Ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen und tat so, als hätte es den kleinen Vorfall mit dem Unbekannten nicht gegeben und hoffte ebenso, dass sich meine ständigen Gedanken an meinen besten Freund, Jacob, bald von selbst verflüchtigten. Alice hatte ihr Telefonat mit Jasper inzwischen beendet und legte ihr Handy zurück auf den kleinen Tisch vor ihrem Sitz. „Hast du mit Jasper gesprochen?“, fragte ich und versuchte sie in ein Gespräch zu verwickeln, weil ich befürchtete, dass sie bemerken würde, was in mir vorging. Außerdem wollte ich wissen, was sie mit Jasper besprochen hatte. Sie nickte. „Jazz wollte sich zusammen mit Emmett und Rose auf den Weg nach Volterra machen. Doch ich habe ihm erklärt, dass es viel zu gefährlich ist. Wenn Edward bemerkt, dass einer von uns versucht ihn aufzuhalten, wird er umso schneller handeln. Du bist womöglich unsere einzige Chance...“ Ihre Lippen verzogen sich zu einem dünnen Strich und meine Kehle fühlte sich schlagartig staubtrocken an. „Kannst du nicht sehen... was er vorhat?“ „Nicht wirklich. Er entscheidet sich ständig um. Er hat vor, sie zu provozieren. Das erleichtert die Sache nicht gerade für uns...“ „Aber wenn er deine Gedanken hört, müsste er doch wissen... das ich noch... lebe.“ „Meinst du nicht, dass ich auch schon daran gedacht habe, Bella? Doch ich bezweifle, dass er mir zuhören wird. Es ist auch möglich, in Gedanken zu lügen...“ „Was... kann ich tun, Alice? Bitte sag es mir“, flehte ich und ergriff ihren kühlen Arm. Ihre freie Hand legte sie auf meine und strich leicht über meine Haut. Es war nur eine kleine Geste, doch sie schaffte es, mich ein wenig zu beruhigen. „Sobald ich sehe, was er vorhat, ist es einfacher für uns... Er wird mir nicht glauben, dass weiß ich, deswegen muss er dich sehen, dann weiß er, dass du noch lebst und es gibt für ihn keinen Grund mehr sich umzubringen...“ Ihre kühlen Finger strichen wieder und wieder über meine Haut. „Ich werde alles tun, was ich kann, alles. Das verspreche ich...“ „Wenn ich das hier irgendwie ohne dich machen könnte, würde ich dich sicher nicht in eine solche Gefahr bringen. Es ist nicht richtig.“ Ich knirschte leise mit den Zähnen. „Sei nicht albern. Ich bin die Letzte, um die du dir Sorgen machen solltest.“ Ich tat ihre Bedenken mit einem ungeduldigen Kopfschütteln ab. Wahrscheinlich war sie sich nicht darüber bewusst, dass ich alles tun würde, was in meiner Macht stand, um Edward zu retten. Sie reichte mir den Kaffee, der inzwischen kalt geworden war, doch ich nahm einen Schluck. Es tat gut, weil mein Hals zwischenzeitlich ziemlich ausgetrocknet war. Ich stellte den Becher wieder vor mich auf den Tisch und sah erneut zu Alice. Sie beobachtete mich, als wüsste sie, dass ich etwas zu verbergen hatte, doch ich kam ihr zuvor und ging damit unangenehmen Fragen aus dem Weg. „Wie gefährlich ist es, Alice?“ Sie wusste sofort, worauf ich hinaus wollte. Sie warf einen finsteren Blick über ihre Schulter und ich konnte gerade noch sehen, wie ein Mann auf dem Platz am Gang rasch wegschaute, als würde er uns gar nicht beachten. Er widmete sich wieder seinem Buch und Alice senkte die Stimme. „Ein bisschen hat dir Edward ja schon über die Volturi erzählt. Sie sind die mächtigste Familie in unserer Welt. Aro, Caius und Marcus waren ursprünglich nur zu dritt, doch im Laufe der Zeit kamen noch zwei Frauen hinzu. Auch ihre Wache, so wie man sie nennt, hat sich im Laufe der Zeit vergrößert. Viele besitzen unterschiedlich Talente und Gaben. Ähnlich Edwards oder meiner Gabe. Zugegeben meine Gabe wirkt gegen die mancher Wachen wie ein simpler Zaubertrick. Aro wählt sie gezielt nach ihren Begabungen aus und das macht sie so mächtig.“ Ich hielt den Atem an und wollte eigentlich gar nicht wissen, wie schlecht unsere Aussichten wirklich waren. Alice zeigte sich unbeirrt von meiner Reaktion auf ihre Worte und fuhr leise mit ihrer Erklärung fort. „Es hat einige Gründe, wieso sie als königliche Familie bezeichnet werden. Sie sorgen dafür, dass die Regeln in unserer Welt eingehalten werden und das heißt nichts anderes, als Missetäter zu bestrafen. Darum kümmern sie sich akribisch.“ Während sie sprach, hatte ich die ganze Zeit über die Luft angehalten und nun wurde mir langsam klar, wieso Edward sie versuchte zu provozieren. „Also ist es eine ihrer... Regeln, dass ihr eure Existenz geheim halten müsst und Edward hat vor, dass genaue Gegenteil zu tun“, stellte ich panisch fest und sie versuchte meine zitternden Hände zu beruhigen. Sie gab mir keine Antwort, aber ihre stumme Zustimmung reichte mir. „Du kannst dir sicher nun besser vorstellen, welcher Gefahr ich dich aussetze“, fragte sie ernst. Ich gab keine Antwort, starrte sie nur an. „Bella, wenn wir wirklich zu spät kommen sollten, werde ich alles tun, um dich zurück zu Charlie zu bringen. Aber du musst mir versprechen, dass du mir keine Schwierigkeiten machst. Hast du verstanden?“, sagte sie im ernsten Ton und ich sah in ihrem Gesicht, dass sie keinen Widerspruch duldete. „Wir... werden... nicht... zu spät... kommen“, erwiderte ich und sie warf mir daraufhin einen finsteren Blick zu. „Bella?! Versprichst du es mir?“ Ihre makellosen Gesichtszüge verzogen sich leicht. „Ich... verspreche es. Großes Indianerehrenwort“, murmelte ich. Sie lehnte sich zurück in ihren Sitz und seufzte, ohne ihren Blick von mir zu nehmen. Ihre goldenen Augen musterten mich eindringlich und ich sah einen Schimmer Vorwurf darin. Doch ich wurde aus ihr nicht schlau. „Apropos Indianer...“, äußerte sie spitz. Ich nestelte nervös an dem Saum meiner Bluse und hatte keine Ahnung, worauf sie hinaus wollte. „Ich will dich nicht drängen, aber ich denke, du bist mir eine Erklärung schuldig.“ Ich starrte sie nur an und als ich nach mehreren Sekunden immer noch keinen Ton hervorbrachte, redete sie weiter. Ich hatte das Gefühl, einen Fehler begangen zu haben, obwohl ich mich überhaupt nicht schuldig fühlte, doch der Ausdruck des Vorwurfs in ihren Augen führte dazu, dass ich mich mehr und mehr unbehaglich fühlte. „Dir ist sicher klar, dass ich gesehen habe, was zwischen Jacob und dir in der Küche passiert ist?“, fragte sie ohne Umschweife. Mein Herz setzte einen Schlag aus und die Röte stieg mir ins Gesicht, als mir klar wurde, dass Alice alles mit angesehen haben musste. „Alice, es ist nicht so, wonach es für dich vielleicht ausgehen hat...“, brachte ich stotternd hervor. Sie schüttelte leicht den Kopf, als ob das, was ich gerade gesagt hatte, nicht stimmte. „Ach nein, ist es nicht? Bella, ich möchte dir wirklich keinen Vorwurf machen, aber ihr habt euch geküsst und das mehr als eindeutig...“ „Es... hatte nichts zu bedeuteten“, wiegelte ich ab und mir war sofort klar, dass ich mich damit nur selbst belog. Jacob war mein bester Freund und er war in mich verliebt und ich konnte nicht leugnen, dass auch meine Gefühle für ihn weit über Freundschaft hinaus gingen. Genauso wenig wie ich leugnen konnte, dass er mit diesem Kuss meine tiefsten Sehnsüchte erfüllt hatte. Dass er die Leidenschaft in mir entfacht hatte, die ich so lange Zeit verdrängt hatte und dass er in der Lage war, mir das zu geben, wonach ich mich so sehr sehnte. Es war verrückt, dass gerade er mir die Geborgenheit und Nähe geben konnte, die ich so sehr brauchte. „Nun, ich möchte deine Gefühle nicht aufwühlen, Bella. Es liegt mir fern, dich in irgendeiner Weise zu verletzen, aber für mich sah dieser Kuss zwischen euch alles andere als bedeutungslos aus.“ Natürlich hatte sie bemerkt, dass ich versuchte meine Gefühle für Jake zu verdrängen. Sie waren zweifellos da, ich konnte nichts dagegen tun, auch wenn ich es noch so sehr gewollt hätte. Doch wenn man es genau betrachtete, waren diese Gefühle für ihn nur ein schwacher Abklatsch davon, was ich für Edward empfand und ich bereute es keine Sekunde lang mich zusammen mit Alice auf den Weg nach Volterra gemacht zu haben, um ihn zu retten. Sobald wir wieder in Forks waren, würde sich alles von selbst klären. Zumindest hoffte ich das... „Niemand wird dir etwas vorwerfen, Bella. Du hast unter Edwards Abwesenheit so gelitten und Jacob war für dich da, die ganze Zeit über. Das musste seine Spuren hinterlassen. Bei euch beiden.“ Diese Spuren waren tiefer, als sie sich vorstellen konnte... Ich nickte nur, war nicht fähig, noch ein Wort zu sagen. Meine oberste Devise war es nun, mich auf Edward zu konzentrieren und zu hoffen, dass wir es noch rechtzeitig schaffen würden. Egal wie groß meine Gefühle für Jake waren, oder wie groß die Spuren war, die er in meinem Leben hinterlassen hatte, meine Gefühle für Edward würden sich nie ändern. Er war Teil meines Lebens und ich war nicht bereit mein Herz für jemand anderen zu öffnen. Ich brauchte ihn mehr denn je. „Alice, ich liebe deinen Bruder und ich kann mir nicht vorstellen mit jemand anderem zusammen zu sein.“ „Wie auch immer. Ich weiß, dass du Edward liebst, sonst wärst du jetzt nicht hier. Doch deine Gefühle für Jacob scheinen dich völlig durcheinander zu bringen und dann brichst du mit mir nach Volterra auf um Edward zu retten und tust so, als wäre nichts gewesen.“ „Alice, du musst mir glauben. Ich liebe Edward und ich werde ihn immer lieben und daran ändert auch ein Kuss von Jacob nichts.“ „Ganz wie du meinst“, entgegnete sie und ich wusste, dass ich sie noch nicht restlos überzeugt hatte. Doch ich konnte ihr einfach nicht sagen, wie es um meine Gefühle für Jake stand und dass ich mich so sehr danach sehnte, von ihm wieder berührt zu werden, erneut von ihm so leidenschaftlich geküsst zu werden, wie ich es mir in meinen kühnsten Träumen nicht vorstellen konnte. Doch das Schlimmste daran war: Ich belog mich nur selbst und vor allem belog ich Edward, obwohl ich seine Liebe zu mir, so wie ich meine zu ihm, nie in Frage gestellt hatte. Für den Rest des Fluges verdrängte ich meine Gedanken an Jacob, zumindest so gut wie ich konnte. Ich war mir sicher meine Gefühle für ihn, meine Sehnsucht nach seiner Nähe, seinen Küssen, seinen Berührungen nie wieder hervor zu holen. Je weniger ich an ihn dachte, desto einfacher war es, ihn loszulassen. Kurz vor der Landung in Florenz hatte Alice es sich bequem in ihrem Sitz gemacht, um sich ganz auf ihre Visionen zu konzentrieren. Ich hoffte inständig, dass sie sah, was Edward vorhatte, so war es einfacher für uns, ihn aufzuhalten. Doch sie erzählte mir nichts und als das Flugzeug gelandet war und wir unser Gepäck geholt hatten, waren ihre feinen Gesichtszüge kaum zu deuten. Ich wusste nicht, ob sie etwas gesehen hatte, oder nicht, rechnete aber damit. Vor der Eingangshalle des Flughafengebäudes bat sie mich einen Moment zu warten und verschwand dann blitzschnell zwischen den Passanten, die alle auf den großen Parkplatz gegenüber des Flughafengebäudes zusteuerten. Wenige Minuten später hielt direkt neben mir mit quietschenden Reifen ein gelber Porsche. Alle Umstehenden starrten wie hypnotisiert auf das Auto. „Mach schon, Bella!“, rief mir Alice aus dem offenen Fenster zu. Ich lief auf die andere Seite des Wagens und schmiss die Taschen in den Fußraum, um mich dann neben Alice zu setzen. Kaum hatte ich den Sicherheitsgurt angelegt, fuhr sie los und ich wurde in den Sitz gedrückt. Alice fuhr in viel zu hoher Geschwindigkeit durch den dichten Flughafenverkehr und ich stöhnte. „Ich dachte du würdest nichts gegen Autodiebstahl haben.“ „Heute nicht“, erwiderte ich. „Aber hättest du nicht ein noch auffälligeres Auto klauen können?“ „Nicht die Optik ist entscheidend, sondern die Schnelligkeit.“ Da hatte sie wieder einmal recht und ich konnte nichts darauf erwidern. Je schneller wir in Volterra ankamen, desto besser. Nach einigen Minuten hatten wir die Stadt verlassen und fuhren nun ich Hochgeschwindigkeit auf der Landstraße. Ich konnte keine Schilder erkennen, die auf Geschwindigkeitsbegrenzung hin deuteten und es schien niemand sonst, außer uns, auf der schmalen Straße unterwegs zu sein. Ich atmete erleichtert auf. „Hast du gesehen, was er vorhat?“ „So wie es aussieht, wird er sich an die einfachste Methode halten, um sie zu provozieren. Er tritt einfach hinaus in die Sonne. So wie ich angenommen habe.“ Urplötzlich schob sich ein Bild aus meiner Vergangenheit in mein Gedächtnis. Edward auf der Lichtung – glühend, schimmernd, als bestünde seine Haut aus einer Million Diamanten. Dieses Bild würde ich niemals vergessen. Das konnten die Volturi unmöglich zulassen. Nicht, wenn sie an ihren Regeln festhielten und die Existenz der Vampire für immer geheim halten wollten. „Wir kommen zu spät“, flüsterte ich vor mich hin, während ich die Olivenbäume betrachtete, die an uns vorbei sausten. Alice schüttelte den Kopf. „Er wird bis Mittag warten. Er will das größte Aufsehen erregen, deswegen hat er die große Piazza gewählt, direkt unter dem Glockenturm. Er wird warten bis die Sonne direkt im Zenit steht.“ „Dann könnten wir es noch schaffen“, sagte ich erleichtert und fasste mir an die eiskalte Stirn. „Wenn wir Glück haben und er seine Entscheidung nicht ändert.“ Während dem Rest der Fahrt vermied ich es auf die Uhr am Armaturenbrett zu sehen, um mich nicht noch nervöser zu machen. Als wir an einem kleinen Hügel vorbei gefahren waren, wies Alice auf eine steinerne, ockerfarbene Mauer. Die Stadt thronte hoch auf einem Hügel und war wie eine Festung von hohen Mauern umgeben. Mein Herzschlag beschleunigte sich, als wir das Stadttor passierten. Alice steuerte den Porsche durch die engen Gassen und mehrere Leute sprangen an den Straßenrand. Jeder Einzelne von ihnen trug einen karmesinroten Umhang, dessen kräftiges Rot sich deutlich von den hellen, steinernen Wänden abzeichnete. „Wieso tragen die alle Rot?“ „Das Fest des heiligen Marcus. Sie feiern die Vertreibung der Vampire aus der Stadt. Eigentlich ein perfekter Zeitpunkt...“ Alice fuhr den Wagen durch eine enge Gasse und als wir um eine Kurve am Ende der Straße bogen, erkannten wir, dass die Straße abgesperrt war. Mehrere Polizisten in Uniform standen uns im Weg und es gab keine Möglichkeit mehr weiter zu fahren. Mein Puls raste. Alice packte mein Handgelenk und der Wagen kam zum Stehen. „Bella, hör mir zu. Du musst zu Fuß weiter gehen. Denk immer daran: Er muss dich zuerst sehen, bevor er in die Sonne tritt. Du hast nur diesen einen Versuch...“ Noch bevor sie zu Ende gesprochen hatte, hatte ich die Türe des Wagens geöffnet und den Gurt gelöst. Mit einem Bein stand ich schon auf der gepflasterten Straße. „Beeil dich und lauf immer geradeaus. Dann müsstest du direkt zum Glockenturm kommen. Dem Campanile. Wenn du nicht weiter weißt, frag nach dem Palazzo dei Priori. Edward wird am Glockenturm auf der Nordseite der Piazza stehen. Rechts davon ist eine schmale Gasse, dort steht er im Schatten. Du musst seine Aufmerksamkeit auf dich lenken, ehe er in die Sonne tritt. Ich fahre außen herum und suche eine abgelegene Stelle, wo ich über die Mauer klettern kann.“ Ich nickte heftig und schlug die Türe des Wagens mit einem lauten Knall zu. In meinem Kopf wiederholte ich ständig den Namen des Glockenturms und der Piazza, um mein Ziel nicht zu vergessen. Ich drängelte mich zwischen den Menschen in roten Umhängen hindurch, die fast die ganze Gasse versperrten und hielt den Atem an als ich hörte, wie der Glockenturm einmal schlug. Mein Puls beschleunigte sich und mein Herz hämmerte so fest gegen meine Brust, dass mir die Tränen in die Augen stiegen. Ich kämpfte mich durch die schmalen, dunklen Gassen, vorbei an den Menschen die mir den Weg versperrten. Sie steuerten alle auf die große Piazza zu und das erschwerte mein Vorankommen zusehends. Sekunden verstrichen, Minuten. Panik erfüllte mich und lähmte jede empfindsamste Stelle meines Körpers. Mein Herz schlug inzwischen so schnell und heftig, dass ich befürchtete, es würde mir aus der Brust springen, während das Blut in meinen Ohren rauschte und mich so von jeglichen Geräuschen außerhalb abschirmte. Erneut schlug der Glockenturm, und ich wusste, dass ich den Wettlauf mit der Zeit verloren hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)