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Digimon Battle Generation

[Digimon Tamers] Wenn Welten kollidieren
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo meine Lieben!

Zwei Wochen sind rum, das nächste Kapitel ist da und jetzt kann ich sogar diese unglaublich schicken Funktionen mit Vorwort und Nachwort nutzen! Das finde ich ja einmal ganz supi :)

Zuerst einmal wollte ich euch auf die neue Umfrage aufmerksam machen. Die erste Origin-Geschichte wird von Shoji handeln. Doch über welchen Charakter wollt ihr danach lesen?

Nun, das kommende Kapitel wird nun wieder etwas länger und langsam näheren wir uns nun auch dem Ende des Aftermath von den Odaiba Ereignissen - zumindest vom direkten Aftermath. Nun war da allerdings noch die Sache mit dem Turnier...

Viel Spaß mit dem Kapitel!
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Vorwort zu diesem Kapitel:
So, es ist einmal wieder soweit.
Und ich muss mich entschuldigen, dass es so lang gedauert hat. Doch zwischen Prüfungen, dazugehörigen Vorbereitungen und sonstigen Verpflichtungen im realen Leben bin ich zuvor nicht dazu gekommen das Kapitel fertig zu schreiben :/ Tut mir aufrichtig leid!

Nun sind aber alle Prüfungen geschrieben und ich habe nun endlich wieder etwas mehr Zeit ;)
Damit kommt nun auch dieses Kapitel, das nun endlich die Auflösung von Takumis kleinem Arc gibt - versprochen! :)

Ich wünsche euch damit viel Spaß! Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
So und jetzt geht es auch hier weiter :3
Wundert euch nicht, sofern ihr das Kapitel sehr früh online findet - ich lade es nun Dienstagsabend hoch (aus Vorsicht, da im Moment über 160 Fanfics in der Freischaltung stehen).

An dieser Stelle möchte ich noch einmal auf die erste Origin-Story Aufmerksam machen. Und zwar handelt es sich um Shojis Geschichte ;) Allen, die mehr über ihn und seine Geschichte erfahren möchten, wünsche ich viel Spaß mit der Geschichte!

Ansonsten wünsche ich natürlich sowieso allen, die bis hierher gekommen sind viel Spaß mit dem Kapitel! Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Wieder einmal sind drei Wochen um und es geht mal wieder weiter :) Dabei bewegen wir uns langsam - aber sicher - auf das Halbfinale zu (bereitet euch schon mal auf viele, viele fiese Cliffhanger vor :D)

Mehr will ich am Anfang dieses Kapitels auch gar nicht sagen, außer: Viel Spaß! Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo meine Lieben!

Entschuldigt bitte, dass ihr länger, als vorher gesagt, auf das Kapitel warten musstet.
Dafür kann ich euch nun sagen: Die Frage zu Ruki wird zumindest teilweise in diesem Kapitel beantwortet werden ;) Damit ihr euch damit nicht noch länger herumquälen braucht (oder etwa doch?)

Ansonsten wollte ich euch auf diesen One-Shot aufmerksam machen, auf den hier indirekt Bezug genommen wird. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo meine Lieben,

Endlich ist es soweit: Ich habe meine letzten Klausuren geschrieben und Ferien, was soviel heißt wie: Es geht weiter! Und nun bis zum Ende des Halbfinales sogar wöchentlich ;)
Und während dieses Kapitel noch das Finale vorbereitet, erwarten euch ab dem nächsten Kapitel, gleich drei Kapitel mit dem mehr oder minder Halbfinalkampf, wobei ihr dann endlich erfahren werdet, was es mit dem Meister der Spiele - und zum Teil auch mit der Anomalie auf sich hat. Ihr dürft also gespannt sein!

Doch nun erst einmal viel Spaß mit dem heutigen Kapitel! Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Eine Woche ist vorbei und hier kommt das nächste Kapitel und damit auch das erste Kapitel mit Finalkampf ;)
Dabei hat nun auch der Spielemeister seinen ersten großen Auftritt.

Und da ich mehr am Ende des Kapitels zu sagen habe, wünsche ich euch an dieser Stelle erst einmal einfach viel Spaß! :3 Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo mal wieder!

Wie versprochen nun nach einer weiteren Woche (und einen Tag vor dem diesjährigen Odaiba Memorial) ein weiteres Kapitel Digimon Battle Generation – und das Finale geht weiter.
Letzte Woche wurde ich mehrfach gefragt, warum Takato und die anderen nicht direkt aufs Ultimate-Level gehen. Nun, das ist recht einfach: Man schießt nicht mit Kanonen auf Spatzen. Bei allem unguten Gefühl hat niemand damit gerechnet innerhalb des Finales von einem Turnier mit Adult-Digimon etwas stärkeres als ein Perfect zu bekommen, was – so behaupte ich – eigentlich Sinn machen sollte. Immerhin hat die größere Stärke der Ultimates auch Nachteile: Man kann mehr aus Versehen kaputt machen.

Als weitere kleine Ergänzung zum Kapitel: hier ein Skizzenhaftes Bild von Metamormon in meiner Version.

Und nun wo ich das losgeworden bin: Viel Spaß mit Kapitel 23! Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Und Hallo noch einmal,

Nun zum letzten Kapitel des Halbfinales. @.@
Und ja, wie ihr seht ist dieses etwas kürzer, als die beiden vorherigen, was vorragig daran liegt, dass ich Details, die ich für dieses Kapitel geplant hatte, ins letzte Kapitel vorgezogen hatte. ;)

Das ist an sich auch alles, was ich dazu jetzt vorher sagen möchte, und wünsche euch viel Spaß mit dem Kapitel! Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo,

zwei Wochen sind nun vorbei und ich kann nur Hoffen, dass ihr das Warten überlebt habt :D

Diese Woche gibt es ein einfaches Aftermath Kapitel, was nach dem Halbfinale auch wirklich nötig ist ;)

Übrigens gibt es nun auch ein neues Cover. Im Zentrum Takato, Denrei, Takumi und Partner, die von quirkYllogical gezeichnet wurden :)

Nun, das gesagt: Viel Spaß mit dem Kapitel! Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo meine Lieben,

Ja, dieses Kapitel kommt einmal nicht an einem Mittwoch - weil ich wegen dem langen Ausfall schon ein schlechtes Gewissen habe.
Ich hatte Prüfungen und dann leider auch noch eine Schreibblockade und das war dann etwas unvorteilhaft für's Schreiben. Aber nun geht es mehr oder minder wie gewohnt, wenngleich etwas langsam weiter. ;)
Die Tatsache, dass ich mit dem Trauma meiner Charaktere kämpfe, hilft auch nicht!

Viel Spaß mit dem Kapitel! Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo meine Lieben,

Ja, ich weiß, ich bin im Moment verdammt lahm und ich habe leider auch schon ein schlechtes Gewissen deswegen. Die Sache ist schlicht und ergreifend: Mein Nebenjob hat mich im Moment voll im Griff und wenn ich recht viel Zeit mit Programmieren - das in gewisser Weise auch ein kreativer Prozess ist - verbracht habe, bin ich so ausgelaugt, dass ich danach einfach keine Ruhe mehr zum Schreiben habe *seufz* Die Vorbereitungen für meine US-Reise erledigen ihr übriges und ich fürchte, dass dies auch das vorletzte Kapitel für dieses Jahr sein wird, da ich ja im Dezember erst einmal fort sein werde.

Das Positive daran jedoch: Ich kann in den USA beste Recherche, für einige der späteren Kapitel der Geschichte betreiben :D
Außerdem habe ich vor zwischendrin kürzere Geschichten zum Universum in One-Shots zu veröffentlichen. ;) Darauf könnt ihr eventuell auch gespannt sein!


Nun, soviel erst einmal des Vorwortes und der Entschuldigung.

Dennoch wünsche ich euch viel Spaß mit dem jetzigen Kapitel. :D Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
So, hier ist Kapitel 28!
Das vorerst letzte Kapitel - bis ich aus den USA wiederkomme. Also hofft, dass ich auch wiederkomme! (Ich traue Flugzeugen ja immer noch nicht xD Jedenfalls nicht wenn da so viel Wasser drunter ist!)
Dafür kann ich dort einige "Vor Ort Recherche" für einige der kommenden Kapitel anstellen. Also: Juhu.

Viel mehr sage ich an dieser Stelle gar nicht. ;)

Viel Spaß mit dem Kapitel! Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
So, nach längerer Pause geht es nun endlich weiter.
Ich gebe zu, dass ich mit der Position der Pause eigentlich ganz glücklich bin, weil nun das Übergangskapitel zur zweiten Hälfte der Serie kommt, das für euch ein paar Überraschungen bereit halten wird. ;)
Im übernächsten Kapitel beginnt der Plot der zweiten Hälfte (na ja, sagen wir mal von den letzten zwei fünfteln) der Serie.

Daher, dass dieses Kapitel den Übergang darstellt, hat es auch ein ein wenig anderes Format, als die anderen Kapitel ;)

Viel Spaß damit! Ich freue mich wie immer auf euer Feedback! Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo meine Lieben,

Wieder sind zwei Wochen vorbei und dieses Mal haben wir noch einen Teil Übergang, aber auch einen Teil Einleitung ins nächste Arc. Und ein verdammt volles Kapitel, weil beinahe jeder Charakter in irgendeiner Form mal kurz auftaucht. Inklusive einem Cameo von einem Charakter aus Digimon Alpha Generation, den ich zumindest einmal in der Geschichte auftauchen lassen wollte: Kayako.

Für all diejenigen, die Alpha Generation nicht gelesen haben, hier eine kurze Erläuterung des Charakterhintergrundes:
Kayako stammt eigentlich von Hokkaido, studiert aber in Osaka und lebte dort zu Beginn ihres Studiums mit Kii Toshi zusammen. Sie war aber auch Digimon-Fan und als ihr eigenes Digimon samt Digivice auftauchte, endeten sie und Toshi, in den sie sich verliebte, in der digitalen Welt. Als man Denrei, Shuichon und Shoji aus dieser zurückholte, konnten auch die beiden endlich in die reale Welt (inklusive Culumon, das die beiden in der digitalen Welt getroffen hatte), doch als D-Reaper erneut auftauchte, sind sie schließlich wieder mit in die digitale Welt gegangen, wo Toshi und Culumon partner wurden - nur um kurz darauf von D-Reaper getötet zu werden. Es war jedoch zum Teil Kayako gewesen, die jenes Wunder, das am Ende Ultimate Chaosmon besiegte, möglich machte. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
So,
weiter geht's!
Wegen meiner Wichtelgeschichte und dem Start von The Return schon wieder ein wenig verspätet - aber gut, alte Alaiya ist kein D-Zug ;)
Dafür geht es nun endlich mit dem US-Arc los und beinahe mit der digitalen Welt ;)
Es gibt also einige interessante Entwicklungen. Und ich verrate euch jetzt bereits: Innerhalb der Geschichte werden nur noch 12 Tage vergehen, bis alles endet! Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Zwei Wochen sind um und wieder kommt ein neues Kapitel.
Dieses Mal eins, mit doch ziemlich viel Action - allerdings ohne Kampf ;) Dafür einmal etwas ganz anderes. Hihi.
Jedenfalls geht es in diesem Kapitel mal wieder wirklich um unser Kernteam der neuen Tamer: Ai, Takumi und Rin!

Demnach bleibt mir nicht viel mehr, als euch VIEL SPAß zu wünschen! :3 Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
So. Das nächste Kapitel ist fertig :)
Dieses Mal bin ich sehr zufrieden mit dem Titel des Kapitels, weil ich das Gefühl habe, dass es jeden Handlungsfaden des Kapitels irgendwie beschreibt ;)

Na ja, was soll ich noch sagen?

Viel Spaß mit dem Kapitel! Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Das nächste Kapitel ist da. :)

Ein Kapitel, dass einmal wieder mit viel Action daher kommt - auch wenn tatsächlich die Beziehung zwischen Ruki und Ryou hier (wie sich aus dem Kapiteltitel vielleicht erschließen lässt) ebenfalls eine größere Rolle spielt.
Und sollte sich jemand fragen, wozu das große Drama da ist... Das verrate ich noch nicht ;)

Viel Spaß mti dem Kapitel! :3 Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Sooooo, nach einer langen Pause dank Bachelorarbeit geht es nun endlich weiter :)

Ihr erinnert euch noch an den Cliffhanger, mit dem ich euch in die Pause gelassen habe? Ja? Genau da setzt es nun wieder an :P
Mit mehr Drama, als ich eigentlich beabsichtigt habe, aber nun gut, Charaktere hören ja eh nie auf mich.

Ein wenig unzufrieden bin ich mit dem eröffnendem Zitat. Ich fand zu dem Kapitel passte nicht so wirklich ein Ausschnitt aus einem Zeitungsartikel oder dergleichen, daher habe ich ewig überlegt, was ich da machen kann, bin aber nur zu einem unzufriedenstellenden Ergebnis gekommen, das ihr da nun auch sehen könnt: Ein Zitat einer japanischen Autorin.
Wem eine bessere Möglichkeit einfällt: Schreibt es in die Kommentare! :)

So, das war's dann aber auch!
Viel Spaß mit dem Kapitel! Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
So, entschuldigt die eineinhalb Tage verspätung. Fakt ist: ich hatte das Kapitel eigentlich vorgestern hochladen wollen, aber hatte vorgestern meine Bachelorabschlussprüfung, habe bestanden und habe es dann vor lauter "feiern" (aka: Zockerabend mit meinem Mitbewohner xD) vergessen.
Und da ich gestern nicht zuhause war, habe ich es auch nicht geschafft, es reinzustellen.
Demnach... Ich habe euch versprochen, dass es diese Woche kommt, also kommt es Ausnahmsweise mal nicht am Mittwoch xD"

Viel Spaß mit dem Kapitel! Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Huhu meine lieben!

Das nächste Kapitel ist da - und irgendwie ist weniger drin, als ich es ursprünglich geplant hatte. Aber nur weil der Kampf ein wenig ausführlicher geworden ist - und wir hatten schon lange keinen schönen Kampf mehr, oder? :P
Also hier ein "kleiner Kampf" für euch. ;)

Dieses Kapitel kommt hoffentlich auch wieder regulär am Mittwoch (zur Notiz: Es ist Dienstag abend, als ich es hochlade). :3

Ich hoffe, das motiviert euch auch wieder zum Lesen ;) Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Puh, und nachdem ich nun endlich umgezogen bin, kommt auch das nächste Kapitel Digimon Battle Generation - während ich mich furchtbar schlecht fühle, dass es die ganze Zeit nur noch im Schneckentempo voran geht.

Wisst ihr, das Gespräch zwischen Megumi und Shibumi war eigentlich für die letzte Folge schon geplant, passte jedoch nicht mehr hinein. Und nun fiel mir auf, dass es eigentlich wunderbar passend ist, da Episode 38 bei Anime mit 50 Episoden immer die "Information Dump" Folge ist, in der einige offene Fragen aufgeklärt werden.

Ich warne übrigens vor: Die Handlungsstränge in diesem Kapitel passieren nicht genau Zeitgleich. Ab nächstem Kapitel werde ich wohl die Handlungen immer mit Ort und Ortszeit kennzeichnen xD"

Nun, soviel gibt es vorweg zu sagen. Ansonsten: Viel Spaß! Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo meine Lieben,

Das nächste Kapitel ist da und ja, schon wieder eine Woche zu spät - dieses Mal, weil ich letzte Woche krank war ^^"
Nun, ich will auch gar nicht viel sagen, außer:
Viel Spaß ;)
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Vorwort zu diesem Kapitel:
Huhu alle Miteinander,

Hier ist nun auch das 40. Kapitel von Digimon Battle Generation. Ja, wir nähren uns definitiv dem Ende. Allerdings, da ich schon von einigen gehört habe: "OMG, nur noch etwas mehr als 10 Kapitel" eine eventuell gute Nachricht: Digimon Battle Generation wird aller Voraussicht nach über 50 Kapitel haben. Meiner aktuellen Kapitelplanung nach werden es wahrscheinlich 54 Kapitel sein, wobei eine leichte Variation, so dass wir am Ende bei 53 oder 55 Kapiteln landen (Plus einem Epilog) durchaus möglich ist. Das es über 50 Kapitel werden, ist jedoch ziemlich sicher.

Falls sich übrigens jemand frage, wie er sich die Anomalie-Wesen vorstellen soll, so habe ich gestern mal ein wenig etwas skizziert. Hier könnt ihr euch ein Bild ansehen. Ich habe es etwas eingefärbt, damit man es auf den weißen Grund besser sehen kann. Eigentlich sind die Wesen (von Augen und Mund einmal abgesehen) farbloser ;)

So viel dann zum Vorwort.
Viel Spaß mit dem Kapitel! Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo meine lieben,

Schon wieder ein Kapitel und - wie ich zugeben muss - ein Kapitel, auf das ich mich sehr gefreut hatte.
Warum? Nun... Ihr dürft am Ende raten.

Aktuell gibt es nicht viel mehr zu sagen, außer: Ich hoffe stark, dass das Kapitel dieses Mal nicht fünf Tage in der Freischaltung hängt (zur Notiz: Es ist Montag Abend).

Viel Spaß! Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Entschuldigt die lange Auszeit. Wie gesagt, ich hatte wenig Zeit und mir fehlte auch der Antrieb.
Da allerdings offenbar wenige von euch die letzten beiden Kapitel gelesen haben, nehme ich an, dass es gar nicht so sehr gestört hat.

Wie dem auch sei. Ein weiteres Kapitel ist fertig und wie immer freue ich mich natürlich auf euer Feedback :D
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Vorwort zu diesem Kapitel:
Und ein weiteres Kapitel. Und dieses Mal eins mit Digimonkampf. Und ja, ich weiß, die Hälfte von euch jubelt und die andere Hälfte wird wohl eher so reagieren: "Meeeeeeeeeeh."
Aber ein wenig Kampf muss sein, nicht? :P

Und ja, dieses Kapitel wird vollkommen in der digitalen Welt spielen und ein wenig die Geschichte mit Takumi und Co weitertreiben :P

Also: Viel Spaß mit dem Kapitel. :P Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo meine Lieben,

Es tut mir leid, dass es letzte Woche nichts geworden ist, mit dem Kapitel. Dieses Kapitel hat ein wenig mehr Recherche erfordert, wegen einem neuen Digimon, das vorkommt.
Und ich kann euch sagen: Dieses Kapitel ist zudem tatsächlich sehr Actionlastig, da es gleich zwei Kämpfe beeinhaltet :)
Es hatten sich ja einige schon gefragt, was es mit dem merkwürdigen Kerl - den Tamer von Sanzomon - auf sich hat. Ich denke, langsam könnten einige draufkommen :P

Übrigens möchte ich euch an dieser Stelle noch auf ein kleines DBG-Nebenprojekt aufmerksam machen, das bereits fertig ist, aber nur Stück für Stück von mir hochgeladen wird: Nach dem Regen ist eine kleine Geschichte über Ruki und Ryou, durch die doch etwas klarer werden sollte, warum die beiden sich überhaupt zerstritten haben, bzw. warum Ruki sauer auf Ryou ist ;)
Alle, die das interessiert, sind demnach natürlich eingeladen, die Geschichte zu lesen!

Ansonsten bleibt nur nur eins: Viel Spaß mit diesem Kapitel! :) Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Puh, dieses Mal habe ich es wieder nach zwei Wochen geschafft, das neue Kapitel hochzuladen :D
Auch wenn ich zugeben muss, dass das fehlende Feedback ein bisschen demotivierend ist. *seufz* Aber gut, Prüfungsphase und dergleichen, nehme ich an.

Wir nähern uns jedenfalls mit großen Schritten dem Ende der Geschichte. In der Geschichte sind es nur noch fünf Tage bis zum Finale ;)

Nun, viel habe ich dieses Mal nicht zu sagen.

Ich wünsche euch auf jeden Fall viel Spaß mit dem Kapitel. :D Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo alle zusammen,

Wieder ein neues Kapitel. Und zwar ein Kapitel, dass wahrscheinlich gleich zwei WTF Momente beinhalten sollte. Und ich kann euch versichern: Einer der beiden WTF Momente war von Anfang an geplant und der andere etwas, dass ich kurzfristig entgegen meiner Planung beschlossen habe, nachdem wir bei unserer Wöchentlichen Pen & Paper Runde etwas ähnliches hatten.
Das ist einmal alles, was ich dazu sage ;) Ich überlasse es euch zu Rätseln, was, was ist. Bin darauf gespannt, was ihr sagt ;)

Viel Spaß mit dem Kapitel! Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo alle miteinander,

Hier das nächste Kapitel und zwar eins, dass wahrscheinlich einige Fragen beantworten wird ;) Wieder einmal Shibumi und nebenbei ein paar zusätzliche Informationen. :3
Außerdem endlich das Kapitel, wo ich das Zitat bringen konnte, dass ich bereits die ganze Zeit bringen wollte. Das Zitat kommt aus einen Philosophischen Aufsatz (auch wenn ich zugebe, dass ich ein bisschen Paraphrase), der 2003 erschienen ist - so dass diese Idee etwas war, das mich die ganze Zeit durch die Oberstufe begleitet hat. Daher hat es eine wichtige Rolle in der Entwicklung meines Headcanons zu Digimon Tamers gespielt :D

Soviel zum Vorgeplänkel!
Ich wünsche euch viel Spaß bei dem Kapitel!
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Vorwort zu diesem Kapitel:
So, das nächste Kapitel. @.@

Entschuldigt bitte, dass es letzte Woche kein Kapitel kam, aber da ich über die Osterferien an die Nordsee entführt wurde, bin ich einfach nicht dazu gekommen zu schreiben ;)

Ich hoffe jedenfalls, ihr hatte schöne Osterfeiertage (oder ein schönes Frühjahrsfest :P) und wünsche euch viel Spaß mit diesem Kapitel. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo meine Lieben!

Was sich nun einige von euch fragen werden: Ist der Kapiteltitel ein blöder Pun? Ähm... Ja, nein, vielleicht?

Aber ja, nach mehr als zwei Jahren habe ich endlich die Muse gefunden, die Reihe zuende zu schreiben. Wie ich schon in meinem Weblog (falls den hier überhaupt jemand liest) angekündigt habe, werden die Updates für die letzten fünf Kapitel und den dann folgenden Epilog in wöchentlichen Abständen kommen, da ich die Geschichte auf dem PC bereits vollständig habe. ;) Sprich: Ihr müsst nicht länger warten!

Davon einmal abgesehen möchte ich noch ein kleines bisschen Eigenwerbung für mein neues Schreibprojekt machen: A Hare Amoung Wolves ist eine Urban Fantasy Story mit Krimi- und Mystery-Elementen. Ich schreibe die Geschichte zusammen mit meinem Freund und Lebensgefährten und wir würden uns beide freuen, ein paar mehr Leser zu gewinnen. Also schaut vielleicht mal vorbei, ja? ;)

Aber gut, genug Eigenwerbung: Ich wünsche euch viel Spaß mit dem Kapitel! Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo wieder alle miteinander,

Wie vorher schon versprochen, geht es nun mit Digimon Battle Generation - bis zum Ende der Geschichte - wöchentlich weiter :)
Hier sind wir nun bei Episode 50. DAG hatte damals nur 50 Episoden, aber DBG wird gesamt 53 Episoden haben. Haha!

Nun, wie dem auch sei. Das nächste Kapitel. Ich wünsche euch viel Spaß und freue mich - wie immer - über Feedback. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Und damit geht es weiter. :)
Nur noch zwei Kapitel (nach diesem) bis zum Schluss. Na ja, und danach wird dann noch der Epilog kommen. Es wird seltsam sein, alles online zu haben. o.o

Ich frage mich ja zugegebener Maßen auch etwas, ob hier - außer dem lieben Caliburn - noch jemand liest. ^^" Aber gut, ist wohl zu erwarten nach zwei Jahren Pause. Na ja, schauen wir mal zu, dass wir die Geschichte zuende erzählt bekommen! :3 Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Vorletzte Episode (wenngleich, wie gesagt, nach dem Finale, noch ein Epilog kommen wird :D) Puh.

Dieses Mal ohne ein Charaktervorwort. Der Grund wird im letzten Kapitel klar werden.

Viel kann ich nicht sagen, außer, dass es jetzt sogar Zeitangaben gibt!

Ihr wisst, worauf es hinaus läuft.

Viel Spaß! xD Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Uuuuuuuuund das letzte Kapitel!

Ich will gar nicht viel mehr sagen, außer, dass ich wohl noch die Details des zeitlichen Ablaufes überarbeiten werde. Dafür gönne ich mir ein Nachwort. :P Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo zum letzten Mal, meine lieben Leserinnen und Leser.

Nun, zum letzten Mal im Rahmen von Digimon Battle Generation zumindest. Hier ist nun der angekündigte und tatsächlich relativ lange Epilog. Hach ja. ~

Ich sage hier gar nicht mal so viel und hebe mir meine Gedanken für das Nachwort des Kapitels auf!

Viel Spaß! Komplett anzeigen

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Episode 01: Reale Träume

Hallo meine Lieben!

Hier ist nun endlich, nach eineinhalb Jahren, die Fortsetzung von Digimon Alpha Generation. Und ich freu mich wirklich, die Geschichte endlich online zu setzen. Während DAG am Anfang, wenn man so will, mehr aus einer fixen Idee entstanden ist, die sich dann erst beim Schreiben manifestiert hat, habe ich hier jetzt gut ein halbes Jahr Vorbereitung reingesteckt. :)

Ob es sich gelohnt hat?

Nun, ich weiß nicht. Entscheidet selbst!
 

Mehr will ich auch nicht sagen ;) Ein ausführliches Vorwort gibt es im Verlauf des Tages in meinem Weblog.
 

So wünsche ich euch nur: Viel Spaß beim Lesen!
 


 

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Episode 01: Reale Träume
 

Wenn ich darüber nachdachte, konnte ich kaum glauben, dass es zehn Jahre her war. Die Zeit war so schnell vergangen, auch wenn sie Spuren hinterlassen hatte, die niemand verleugnen konnte. War es schon zehn Jahre her, dass ich Guilmon getroffen hatte? Auch heute kann ich mich noch daran erinnern, als wäre es gestern gewesen. Der Tag, an dem meine Träume war geworden waren, an dem die Digimon zu einem Teil meiner Realität geworden waren und unser erstes Abenteuer begann...

Wer hätte damals ahnen können, wie weit unsere Träume von damals unsere Welt einmal formen würden?
 

       - Takato Matsuda
 


 

Es war ein schöner Tag.

Zufrieden sah Takato, von der Sonne geweckt, aus dem Fenster seines kleinen Apartments am Rand von Shinjuku. Bis auf ein paar kleine, weiße Wolken war der Himmel blau und klar und die Struktur der Digiwelt deutlich sichtbar. Besser hätte er es sich nicht wünschen können.

Er lächelte und streckte sich etwas, ehe er zum Bett hinüber ging und das dort weiter selig schlafende Guilmon anstupste. „Hey, wach auf, Partner“, meinte er lächelnd.

Für einige Momente geschah nichts, doch dann begann das rote Reptiliendigimon sich langsam zu rühren und blinzelte.

„Alles Gute zum Geburtstag“, flüsterte Takato.

Es dauerte, bis diese Worte zu Guilmon durchdrangen, doch dann sprang es auf einmal so plötzlich auf, dass das Bett knarrte. „Geburtstag!“ Es sprang vom Bett und lief durch das Zimmer. „Kuchen!“

Der mittlerweile zwanzigjährige Mann lachte, als sein Partner in die Küche wuselte, wo es erwartungsvoll den Kühlschrank ansah, wohl wissend, dass der Kuchen, den Matsuda Takehiro, Takatos Vater, am Vortag gebacken hatte. Obwohl Guilmon bereits zehn Jahre in dieser Welt lebte, war es immer noch kindlich und manchmal naiv. Zwar hatte es viel gelernt in den letzten Jahren und doch war es irgendwo noch immer dem Digimon ähnlich, dass sich im April 2001 auf einer Baustelle im Westen des Viertels zum ersten Mal materialisiert hatte.

Er folgte dem Digimon und öffnete den Kühlschrank, was Guilmon aufgeregt beobachtete, und holte schließlich die Torte, die dieselbe Form hatte, wie das Guilmon-Brot, das sein Vater noch immer verkaufte, hervor. Zumindest hatte Guilmon mittlerweile gelernt zu warten, anstatt sich sofort auf die langersehnte Torte zu stürzen.

Es wartete, bis sein Tamer ein Stück abgeschnitten und auf einen Teller legte. Ja, es wartete sogar, bis er auch für sich ein Stück genommen hatte.

„Itadakimasu!“, rief es dann laut aus und natürlich war das Tortenstück (ein Guilmon-Torten-Ohr um genau zu sein) mit einem Bissen im Maul des großen Reptils verschwunden. „Lecker“, stellte es dann fest. „Guilmon mag Geburtstage.“

Takato lachte, ohne bisher mit seinem Stück angefangen zu haben, welches wahrscheinlich alles war, was er von dem Kuchen bekam, da er Guilmon den Geburtstag nicht verderben wollte und das Digimon einen sehr beträchtlichen Hunger hatte.

Nun, wahrscheinlich war Geburtstag nicht das richtige Wort. Immerhin wurden Digimon nicht geboren, doch ein besseres Wort fiel ihm kaum ein und letzten Endes war es für ihn jedes Jahr genauso ein Jubiläum, wie für seinen Partner. Immerhin war er nun auch zehn Jahre lang ein Tamer.

Ja, für ihn war der 18. April ein besonderer Tag.
 

Vielleicht eine Stunde später verließen Tamer und Digimon das Wohnhaus, in dem die beiden lebten und in dem es glücklicherweise keine Probleme gab – denn bei weitem nicht alle Wohnhäuser akzeptierten Digimon.

Doch wer hätte vor einigen Jahren nur gedacht, dass es darüber einmal eine Diskussion geben würde?

Obwohl es noch etwas mild war, trug Takato ein T-Shirt, zumal es gegen Mittag noch einmal wärmer werden sollte – immerhin war es gerade erst kurz nach zehn Uhr.

Guilmon war ausgelassener als sonst. Es lief immer wieder vor, nur um dann auf seinen Tamer zu warten, der die Sonne genoss, wie auch die Tatsache, dass er Guilmon nicht länger verstecken musste.

Nicht alle Menschen reagierten freundlich gegenüber den Digimon und es gab nicht wenige, die sie fürchteten, doch zumindest hier in Japan waren die Monster durch das Gesetz geschützt, so lang sie selbst keine Zerstörung anrichteten. Die neue Situation hatte beide Welten verändert und Menschen, wie auch Digimon, hatten sich anpassen müssen. Tatsächlich war dies mit weniger Problemen einhergegangen, als er es sich jemals hätte vorstellen können. Doch er hätte sich auch niemals vorstellen können, dass jemals so eine Situation zustande kommen könnte...

Er sah auf die Uhr. Es würde noch dauern, bis Ryou oder Hirokazu Mittagspause hatten und aufgrund des schönen Wetters und weil er frei hatte, entschloss er sich, zum Shinjuku Central Park zu laufen. Zwar waren es bis dort etwas mehr als drei Kilometer, doch letzten Endes hatte er keine Eile.

„Takato! Takato!“, warnte Guilmon zwischendurch und blieb stehen, ehe im nächsten Moment ein Birdramon über sie hinwegflog, nur wenige Meter über den Dächern der verhältnismäßig kleinen Wohnhäuser.

Gerade noch rechtzeitig hatte Takato sich geduckt, um nicht vom Wind, den das große Adult-Vogel-Digimon erzeugte, als es mit den Flügeln schlug.

„Pass doch auf!“, rief Guilmon ihm hinterher, als Birdramon wieder an Höhe gewann.

„Das war ein Digimon!“, hörte Takato das Rufen eines Kindes und sah eine Mutter, die mit ihrem vielleicht zweijährigen Sprössling im Kindergarten aus einer Seitegasse kam.

„Das war ein Birdramon“, erklärte Guilmon freundlich und grinste das Kind an.

Der kleine Junge schien ganz aus dem Häuschen zu sein, als er Guilmon erblickte. „Noch ein Digimon!“

Freudig ging Guilmon auf den Jungen zu, was jedoch einige Verunsicherung bei der Mutter hervorrief, die das übergroße, rote Reptil misstrauisch beäugte.

„Guilmon!“, rief Takato und ging nun ebenfalls zu Mutter und Kind hinüber, nicht zuletzt um Guilmon ein wenig zurückzuhalten. Von der allgemeinen Angst, die einige Leute den Digimon entgegenbrachten, war Guilmon, das über ein Meter groß war, nicht gerade klein und mit seinen scharfen Zähnen konnte es einem schon Angst machen.

Selbst Takato hatte Angst gehabt, als er Guilmon dem ersten Mal begegnet war, dabei war es das Digimon gewesen, das er sich selbst erdacht hatte. Doch welcher Zehnjährige hätte keine Angst vor einem Dino, der beinahe so groß wie er selbst ist, und aus Spieltrieb eine kleine Explosion verursacht?

Der Zweijährige in seinen Buggy schien jedoch keine Furcht zu kennen und streckte seine Arme nach Guilmon aus.

„Guilmon, sei vorsichtig“, ermahnte Takato seinen Partner und legte ihm die Hand auf den Kopf. „Mach den Leuten keine Angst.“

„Ich hab' keine Angst!“, nuschelte das Kind, das die Nervosität seiner Mutter offenbar nicht bemerkt hatte.

Takato verbeugte sich vor der Mutter. „Es tut mir Leid. Ich hoffe Guilmon hat Sie nicht erschreckt.“

Die Frau, die noch recht jung schien, atmete einige Male tief durch. „Nein, nein. Keine Sorge...“, erwiderte sie dann, wenn auch nicht wirklich überzeugend.

Da fiel dem Jungen im Buggy etwas anderes auf: „Du bist doch Takato, der Tamer!“, rief er auf einmal aus.

Verlegen horchte Takato auf. „Ja, der bin ich.“

Es kam öfter vor, dass er erkannt wurde, gerade von Kindern, doch irgendwie würde er sich nie wirklich dran gewöhnen.

„Du bist cool!“, plapperte der kleine Junge noch etwas undeutlich weiter. „Ich will auch mal Digimon Tamer werden! Glaubst du, dass ich auch einmal ein Digimon haben kann?“

„Naja...“ Der junge Mann war noch verlegener und sah ein wenig unsicher zur Mutter des Jungen, die gänzlich entgeistert aussah. „Vielleicht“, antwortete er dann und war sich recht sicher, dass der Ausdruck der Mutter soviel wie „Hoffentlich nicht“ hieß.

Schließlich räusperte sich die Mutter. „Nun ja, wir müssen weiter“, meinte sie. „Entschuldigen Sie, dass wir Ihre Zeit in Anspruch genommen haben.“

Erneut verbeugte sich Takato. „Ich hoffe nur, Guilmon hat Sie nicht zu sehr erschreckt.“

Ohne ein weiteres Wort schob die Frau den Kinderwagen an, während sich der Junge noch einmal herumdrehte. „Tschüss! Tschüss, Guilmon!“

„Bye bye!“, winkte Guilmon freundlich dem Jungen hinterher, während Takato leise seufzte.

Als das Parlament beschloss, die Digimon zu akzeptieren, wohl wissend, dass sie ohnehin wenig gegen sie ausrichten konnten, waren vor allem er, Ryou und Ruki im Fernsehen und auf verschiedenen Veranstaltungen aufgetreten, um die Menschen davon zu überzeugen, dass die Digimon harmlos waren und eine freundliche Partnerschaft sehr gut möglich war.

Während er selbst zum sinnbildlichen Vertreter der Regierungsinteressen bezüglich der Digimon geworden war, waren Ryou und Ruki, Digimon King und Digimon Queen, die Idole, denen so viele junge Kinder und Jugendliche nacheiferten. Damit war es ihre Aufgabe, besonders die jungen Tamer dazu aufzurufen, ihre Digimon unter Kontrolle zu halten und nicht einfach Kämpfe zu beginnen.

Denn Kämpfe gegen andere Tamer waren außerhalb bestimmter Richtlinien illegal und auch Kämpfe gegen Wilde waren von der Regierung ungerne gesehen, sofern die Wilden nicht durch feindliches Verhalten auffällig wurden. Immerhin brachten Digimonkämpfe immer wieder Schäden mit sich, die von umgeknickten Schildern und Straßenlaternen, hin zu Löchern in der Straße und eingefallenen Häusern reichten.

Doch dies kam, wie gesagt, wesentlich seltener vor, als man vielleicht hätte meinen können.

Obwohl die Digimon ursprünglich zum Kämpfen geschaffen worden waren, schienen sie sich überraschend gut an die neue Situation anzupassen und es gab wesentlich weniger aggressive Digimon, als es noch vor drei Jahren der Fall gewesen war.

Takato, der seinen Weg mittlerweile fortgesetzt hatte, sah zum Himmel hinauf.

Die Welt hatte sich so sehr verändert, in den letzten zehn Jahren. Zum besseren, dachte er. Auch wenn sicher nicht jeder ihm dabei zugestimmt hatte. Doch für Takato war es wie ein wahrgewordener Traum. Menschen und Digimon, die friedlich zusammen lebten. Zumindest hier, zumindest in Japan.

Vielleicht aber konnte er einfach nicht sehen, dass der Schein trog und Frieden schon immer ein sehr zerbrechlicher Zustand war...
 

Es war drei Jahre her, dass der Angriff der Demon Lords auf die reale Welt ein breites Tor zwischen den Welten geöffnet hatte und damit die Grenze so sehr schwächte, dass sie, als die digitale Welt durch D-Reaper und Ultimate Chaosmon schwer zerstört worden war, ganz eingebrochen war.

Seitdem war es ein leichtes von der Digiwelt in die reale Welt zu kommen und auch der umgekehrte Weg war einfacher geworden. Nicht nur, dass immer mal wieder Ports auftauchten, die einige abenteuerlustige Tamer anzogen und manchmal auch weniger abenteuerlustige Menschen, die einfach nur Pech hatten und hineinstolperten, es war auch wesentlich einfacher mit Hilfe von Technik ein Portal in die Digiwelt aufzureißen.

Natürlich hatte dies zu diversen Entwicklungen geführt.

Eine war, dass sich immer mehr Digimon in der realen Welt materialisierten und es immer mehr Tamer gab.

Daher war es nicht mehr möglich die Existenz der Digimon geheim zu halten. Selbst vorher war dies nur Dank einer ordentlichen Portion Ignoranz von einem Großteil der Gesellschaft möglich gewesen. Immerhin hatte es einige Geschehnisse im Verlauf der Jahre gegeben, bei denen die Digimon öffentlich zu sehen gewesen waren.

Ja, zumal damals, nach dem Vikaralamon-Vorfall und während der D-Reaper-Katastrophe, mehrfach das Wort „Digimon“ in verschiedenen Nachrichten aufgetaucht war. Damals schon hatte es eine Diskussion darüber gegeben, wie die Existenz dieser Wesen möglich war. Immerhin widersprachen die Digimon, spätestens, wenn sie sich materialisierten, nicht wenigen Gesetzen der bisherigen Physik, Biologie... Ja, wenn nicht sogar den meisten wissenschaftlichen Erkenntnissen.

Doch nachdem etwas Ruhe eingekehrt war, hatten sich damals die Diskussionen gelegt und es wurde ruhig um die Digimon.

Erst nach der Katastrophe, die die Demon Lords ausgelöst hatten, wurden erneut Stimmen in den Medien laut und nun, wo die Digitale Welt in ihrer Existenz allgemein anerkannt war, gab es nicht wenig Spekulationen und Theorien darüber, wie es sein konnte, dass Wesen aus einer aus Daten bestehenden Welt real werden konnten. Was bedeutete dies für die vermeintliche Realität?

Und natürlich war das nicht die einzige Frage, die mit der neuen Situation gekommen war.

Viele andere Fragen waren entweder unbeantwortet oder zumindest oft diskutiert. Und nicht alle waren wissenschaftlicher Natur...
 

Takato stand an der Straße, die südöstlich vom Metropolitan Government Building verlief. Nicht unweit von ihm war die Brücke unter der Guilmon zum ersten Mal digitiert war. Auch damals hatte er Angst gehabt. Angst vor Growmon, aber auch Angst, dass er seinen neuen Freund schon verloren hatte.

„Was ist, Takato?“, riss die Stimme seines Partners ihn aus seinen Gedanken. „Komm! Komm!“ Ungeduldig hüpfte das Digimon von einem Bein aufs andere.

„Wir haben es nicht eilig“, meinte Takato lachend.

„Du vielleicht nicht, aber Guilmon schon“, erwiderte es.

„Die anderen werden deswegen aber auch nicht früher da sein“, konterte der Tamer und sah sich um. Er fühlte sich wirklich nostalgisch, wenn er an all das dachte, was damals geschehen war.

„Jetzt komm schon!“, nörgelte Guilmon.

Der junge Mann konnte nicht anders, als zu lachen. „Ja, ja, ich komme.“ Damit folgte er dem Digimon über den Platz vor dem Government Building, wo sich die Leute wenig an Guilmons Anblick störten.

An einem der ersten Tage, nachdem sich Guilmon materialisiert hatte, waren sie hier auch reichlich unbedarft langgelaufen und eine Frau mit ihrem Kind hatte Guilmon für ein Kostüm gehalten. Etwas, was heute wohl nicht mehr passieren konnte.

Mittlerweile arbeitete er dort, wenn auch mehr aus der Notwendigkeit heraus, dass Hypnos Tamer brauchte, die halfen, eventuelle Zwischenfälle zu regulieren. Auch wenn Ryou schon seit einigen Jahren dort arbeitete, war er allein doch etwas wenig.

Gerade als Takato das dachte, hörte er die Stimme des älteren Mannes.

„Takato, hey!“ Ryou kam aus dem Haupteingang heraus und lief zusammen mit Monodramon auf ihn zu.

Erst als der Ältere ihn fast erreicht hatte, sah Takato auf und erntete ein Schnipsen vor die Stirn.

„Träumst du?“, neckte ihn Ryou.

„Ich bin nur etwas in Gedanken versunken“, entschuldigte sich Takato.

„Das hab' ich gemerkt.“ Der 24-jährige grinste. „Läufst über den Platz, wie ein Schlafwandler.“

„Entschuldige.“ Takato seufzte und sah auf seine Uhr. Es war gerade einmal Elf. „Sag mal, hast du nicht eigentlich erst in einer halben Stunde Pause?“

Ryou verschränkte die Arme hinter dem Kopf. „Och, ja, hab Megumi die Stellung überlassen – schöne Grüße übrigens von ihr – ist ja eh nicht viel los in letzter Zeit.“

Dazu verkniff sich Takato den Kommentar. Ryous Pflichtgefühl war nicht sonderlich ausgeprägt. Etwas worüber Yamaki sich des öfteren aufregte. Doch der Leiter von Hypnos konnte den „Digimon King“ hundert Mal ermahnen und würde doch nichts erreichen. Da hatte Ruki schon größere Chancen.

„Hallo erst mal, Guilmon“, grüßte Ryou nun das Digimon. „Alles Gute zum Geburtstag!“

„Danke!“, grinste Guilmon.

„Ich hab auch noch ein Geschenk für dich“, meinte der junge Mann.

Das schien Guilmon zu begeistern. „Ein Geschenk?“

Ryou zwinkerte ihm zu. „Ja, aber das gibt es erst, wenn die anderen auch da sind.“

Für einen Moment zögerte Guilmon. „Okay“, meinte es dann mit etwas, das wohl seine Version eines Seufzen war.

Monodramon sagte nichts, was jedoch nicht ungewöhnlich war. Es war ein eher schweigsames Digimon, das zwar des öfteren einmal rumalberte, dies aber meist schweigend tat.

„Wollen wir schon einmal in den Park gehen?“, schlug Ryou nun vor.

Takato zuckte mit den Schultern. „Gern.“
 

So kam es, dass die beiden jungen Männer etwas später vor dem kleinen Häuschen standen, das Guilmon vor zehn Jahren und Dracomon vor drei Jahren, sein Zuhause genannt hatte.

„Oh Mann“, seufzte Takato und lehnte sich zurück, um in den Himmel hinauf zu sehen. „Ich kann kaum glauben, dass es schon fast zehn Jahre her ist!“

„Ich weiß nicht, wie oft du das in den letzten schon Tagen gesagt hast“, kommentierte Ryou dies. „Aber es war sehr oft.“

Der Jüngere wurde verlegen. „Entschuldige. Es ist nur so... So...“

„Du wirst alt“, lachte Ryou.

„Hey, mach dich nicht lustig über mich“, protestierte Takato. „Es ist halt unglaublich. Ich mein, ich kenne Guilmon mein halbes Leben lang.“ Er sah zum Himmel hinauf, an dem sich die digitale Welt wiederspiegelte. „Außerdem... Hättest du gedacht, dass so etwas mal möglich ist?“

Früher, nein, früher hätte ich sowas nie gedacht“, meinte Ryou und mimte einen alten Mann, was er mit einem gekünstelten Husten abrundete.

„Du bist gemein“, schmollte der Jüngere, auch wenn das Schmollen nicht ganz aufrichtig war.

Da erklang eine weitere Stimme. „Ärgere ihn doch nicht!“

Sofort hellte sich Ryous Gesicht merklich auf. „Ruki!“

Die junge Frau, deren Haar mittlerweile lose über ihre Schultern fiel, war in Begleitung von Renamon und Kenta, so wie Penmon, Kentas Digimonpartner. Sie hatte außerdem einen Picknickkorb dabei.

„Ihr seid schon da?“, fragte Takato verwundert.

„Ja, bei mir ist eine Vorlesung ausgefallen“, meinte Ruki, die an der Todai studierte.

„Und ich schwänze“, gab Kenta unverhohlen zu, der sich im Studium zum Lehrer befand.

„Pipapo!“, schwatzte Penmon und gesellte sich zu Guilmon, das seiner Lieblingsbeschäftigung nachging: Es grub ein Loch.

„Hallo Penmon! Hallo Renamon!“ Guilmon zeigte sich ebenfalls erfreut über die neue Gesellschaft.

Derweil hatte Ryou Ruki an sich gezogen, wobei sie wieder einmal aus irgendwelchen Gründen sauer auf ihn zu sein schien.

Takato hatte jedoch gelernt sich nicht in die Probleme der beiden einzumischen. Wenn er es bisher versucht hatte, hatte er es bereut, und irgendwie schienen sich die beiden seit Jahren immer wieder zusammen zu raufen.

„Alles Gute zum Geburtstag, Guilmon“, meinte nun auch Kenta.

„Danke“, erwiderte das Digimon.

„Dann fehlen nur noch Hirokazu und Shoji“, stellte Ruki derweil fest.

„Er hat noch mehr als genug Zeit“, erwiderte Takato. „Wir sind offiziell erst in einer dreiviertel Stunde verabredet.“

„Oh Mann“, seufzte Kenta. „Ich hätte mir auf dem Weg etwas zu essen holen sollen.“

„Po, Pipapi!“, kommentierte dies Penmon und klopfte seinem Partner auf den Rücken.

„Danke“, meinte der Tamer, der mittlerweile eine eckige Brille trug, die wesentlich kompakter war, als seine alte. Er äugte zu dem Picknickkorb. „Wir könnten natürlich auch schon ohne sie anfangen...“

„Kenta!“ Takato sah ihn gespielt herrisch an. „Denk nicht mit dem Magen.“

„Entschuldige...“

„Guilmon hat aber auch Hunger“, meinte auf einmal sein Partner und schnupperte an Rukis Picknickkorb.

Die Tamer lachten. Natürlich hatte Guilmon Hunger. Das Digimon hatte beinahe immer Hunger, beziehungsweise zumindest immer dann, wenn etwas zu Essen in Sicht- oder Geruchsweite war.

„Jetzt geduldet euch doch mal“, meinte Ruki.

„Natürlich...“, seufzte Kenta. Er schwieg für einen Moment und sah wie schon Takato zuvor zum Himmel hinauf. „Kaum zu glauben, dass es zehn Jahre her ist...“

„Unglaublich, nicht wahr?“, meinte Takato verträumt, woraufhin Ryou nicht mehr an sich halten konnte und in lautes Gelächter ausbrach.
 

Schließlich kam auch Hirokazu zusammen mit Hagurumon und einer Tüte an.

„Alles Gute zum Geburtstag, Guilmon“, riefen beide im Einklang, als sie die unterste Stufe der Treppe erreichten, die zu dem kleinen Betonhäuschen hinaufführte.

„Du hast ganz schön lange auf dich warten lassen, Hirokazu“, grummelte Kenta und sah seinen besten Freund an.

„Entschuldige“, erwiderte der angesprochene schnippisch. „Aber im Gegensatz zu dir faulem Student habe ich was zu tun.“ Er sah sich um. „Und immerhin, im Gegensatz zu gewissen anderen glänze ich nicht durch Abwesenheit.“

„Naja, es fehlt nur noch Shoji“, meinte Takato. „Aber er meinte, er kommt erst etwas später.“

„Unglaublich, dass die anderen nicht kommen...“, seufzte Hirokazu.

„Würden wir uns abends treffen wäre es wohl besser gegangen“, meinte Ruki.

„Aber heute Abend hat unser lieber Takato ja ein Date“, ergänzte Ryou und grinste noch mehr als er es ohnehin die ganze Zeit tat. „Dabei hat doch Guilmon heute Geburtstag und nicht Takato...“

Daraufhin konnte Takato nicht viel erwidern und wurde stattdessen einfach nur rot.

„Können wir nun essen?“, fragte Guilmon aufgeregt.

„Gute Idee, Guilmon“, stimmte Kenta zu.

Ruki seufzte, begann aber den Picknickkorb auszupacken, in dem sie, sauber verpackt, einige Bentoboxen aufbewahrte.

Diese wurden durch einige Snacks ergänzt, die Hirokazu mitgebracht hatte.

„Schmeckt super“, kommentierte Kenta nach einigen Happen.

„Ja, Rukis Großmutter kann zumindest kochen“, meinte Hirokazu.

„Im Gegensatz zu Ruki“, murmelte Ryou und erntete dafür gleich einen heftigen Hieb in die Rippen. „Was?“, beschwerte er sich. „Ich mag dich ja trotzdem.“

Sein Partner seufzte und sagte zum ersten Mal etwas. „Man sollte meinen, dass er es irgendwann lernt.“

„Er wird es nie lernen“, erwiderte Renamon, das etwas Abseits kniete und als einziges Digimon das Bento mit Stäbchen aß.

Dem stimmte Takato innerlich zu.

„Sag mal, Takato, hast du eigentlich etwas von Jian gehört?“, fragte Kenta mit vollem Mund auf einmal.

Takato drehte sich zu ihm um, schluckte selbst aber erst, bevor er antwortete. „Ich hab letzte Nacht eine E-mail von ihm bekommen“, erwiderte er.

„Gibt es was neues?“, erkundigte sich nun auch Ruki, doch Takato schüttelte verneinend den Kopf.

„Nein, nicht wirklich. Er gratuliert Guilmon zum Geburtstag und sagt, dass alles gut wäre und viel mehr eigentlich nicht.“

„Er konzentriert sich halt aufs Wesentliche“, meinte Hagurumon, blieb dabei aber von den Tamern ignoriert, denn sie alle wussten, dass es nicht ganz so war. Es hatte andere Gründe, dass Jenrya, der bereits seit fünf Monaten in den USA lebte und studierte, sich selten bei ihnen meldete.

„Und er weiß es wirklich nicht?“, murmelte Ryou.

„Ich hoffe“, erwiderte Ruki.

Daraufhin aßen sie für eine Weile weiter und redeten dabei weniger, bis sich Shoji hinzugesellte.

„Tut mir leid, dass ich so spät bin“, entschuldigte sich der 18-jährige, als er zusammen mit Gazimon die Treppe hinaufkam. „Ich muss auch nachher zur Vorbereitungsschule.“

Takato lächelte den Jungen an. „Kein Problem“, meinte er. „Ich freue mich, dass du überhaupt gekommen bist.“

Der Jüngste der Gruppe wirkte verlegen, als er sich neben die anderen ins Gras setzte.

Ruki bot ihm ein Bento an. „Es ist das Letzte“, meinte sie. „Aber bisher hat es noch niemand weggessen.“

Dabei verrieten einige Blicke, dass dieser Zustand eventuell nicht lange halten würde.

Doch Shoji winkte ab und setzte seine Umhängetasche ab. „Danke, meine Mutter hat mir selbst etwas mitgegeben“, meinte er. „Sie würde sich Sorgen machen, wenn ich es nicht esse.“ Er sah zu Guilmon, welches das hölzerne Bentokästchen aufmerksam beobachtete. „Von mir aus kann Guilmon meine Portion haben. Als Geburtstagsgeschenk.“

„Danke!“, jubelte das Raptiliendigimon und machte sich sogleich über seinen Nachschlag her.

Mit Gazimon gab es ein zweites Digimon, das Stäbchen nutzte, auch wenn es für Gazimon weitaus schwerer war, als für Renamon, da seine langen Krallen ihm im Weg waren. Trotzdem schaffte das Digimon es, ganz im Gegenteil zu Guilmon, Monodramon und Penmon, seinen Anteil langsam zu verspeisen und ganz ohne auch nur ein Reiskorn zu verlieren.

Shoji hielt sich zurück, während die anderen – das hieß: Vor allem Hirokazu, Kenta und Ryou – scherzten und ihre Späße trieben. Er war schon immer etwas zurückhaltender gewesen, zumal er der einzige Tamer in dieser Runde war, der erst 2008 dazugekommen war. Im Gegensatz zu den anderen anwesenden besuchte er noch die Oberschule, wenn auch in der letzten Klasse, und bereitete sich momentan bereits für die Aufnahmeprüfungen für die Universität vor.

„Gibt es eigentlich etwas neues von Denrei und Shuichon?“, fragte er möglichst beiläufig an Takato gewandt, während die anderen scherzten.

Takato schüttelte den Kopf. „Nein, tut mir leid“, murmelte er.

Der Jüngere lächelte matt. „Du kannst nichts dafür“, meinte er. „Außerdem bin ich mir sicher, dass es ihnen gut geht.“

„Ja, sicher“, antwortete Takato.

So aßen sie weiter, bis sowohl das Bento, als auch die Snacks und Shojis Pausenbento restlos verputzt waren.

Feierlich stand Ryou auf und räusperte sich, ehe er ein Stück Stoff aus seiner Anzugsjacke hervorholte. „Wie versprochen, dein Geschenk“, meinte er dann ganz formell, wobei Ruki die Augen verdrehte. „Ich dachte, ich packe es besser nicht ein. Aus bekannten Gründen.“

Takato kannte diese Gründe wohl. Es hing damit zusammen, dass Guilmon auch verschiedene Weihnachtsgeschenke beim Auspacken komplett vernichtet hatte, da es seine Krallen nicht genug unter Kontrolle hatte.

Ryou breitete das gelborange Stoffstück, das sich als Schal herausstellte, aus.

„Was ist das?“, fragte Guilmon und legte den Kopf schief.

„Ein Schal“, erwiderte Ryou und zeigte mit einem Finger auf seinen eigenen. „Mindestens so cool wie meiner.“

Nun wurde ein weiteres Augenverdrehen von Ruki auch noch von einem Schnauben begleitet.

„Du musst den nicht anziehen“, flüsterte Monodramon Guilmon zu. „Mir wollte er auch schon einen andrehen.“

Doch Guilmon war ganz hin und weg von dem Geschenk. „Guilmon mag den Schal! Der Schal ist toll.“

Ryou schien damit zufrieden. „Zumindest einer hier hat Geschmack.“

„Hey!“, protestierte Hirokazu, der ebenfalls einen Schal trug, während Ryou Guilmon das neue Halstuch umband.

„Na gut, immerhin ganze Zwei“, gab Ryou zu. „Also... außer mir.“
 

Die kleine Feier, wenn man es so nennen wollte, löste sich nach einiger Zeit auf. Erst machte sich Shoji auf den Weg, der zur Vorbereitungsschule musste, wobei ihn Ruki, die an die Universität zurück musste, begleitete, wodurch auch Kenta Gewissensbisse bekam, dann erinnerte sich auch Hirokazu daran, dass seine Mittagspause eigentlich schon vorbei war, und schließlich erschien Yamaki höchstpersönlich, um Guilmon ebenfalls Geburtstagsgrüße von ihm selbst und Reika auszurichten und Ryou zurück in die Hypnoszentrale zu zerren.

Die jeweiligen Digimonpartner verschwanden natürlich zusammen mit ihren Tamern.

Takato selbst blieb noch eine Weile, während der Nachmittag verging. Er legte sich ins Gras und sah gedankenverloren in den Himmel. Guilmon döste derweil den Kopf auf seine Klauen gebettet vor sich hin.

Als es endlich halb vier war, machte Takato sich auf, um Juri abzuholen. Sein „Date“, wie Ryou es genannt hatte.

Das Mädchen, mit dem er mittlerweile auch schon beinahe zwei Jahre lang zusammen war, hatte am Mittag ihrem Vater geholfen, Essen für den Abend vorzubereiten und hatte auch auf ihren kleinen Bruder aufgepasst, weshalb sie nicht kommen konnte.

Takato wollte sich nicht beschweren, denn so sehr er seine anderen Freunde auch mochte, traf er sich mit Juri doch lieber allein (sprich: Nur in der Anwesenheit von Guilmon), ohne dass Hirokazu, Kenta oder Ryou jedes bisschen Dialog zwischen ihnen kommentierten.

Als er zusammen mit Guilmon die Gasse hinter der Bar der Familie Katou hinunterkam, wartete Juri bereits auf ihn. Sie trug ihre Haare mittlerweile länger als früher und hatte sie mit einer breiten Spange am Hinterkopf zurückgehalten.

„Takato! Guilmon!“, rief sie erfreut, als sie die beiden sah.

Sie lief auf ihren Freund zu, umarmte aber das Digimon zuerst. „Hallo Guilmon!“, meinte sie und gab dem Digimon einen Kuss auf die breite Stirn. „Alles Gute zum Geburtstag.“

„Danke, Juri“, erwiderte Guilmon.

„Hattest du einen schönen Tag?“, erkundigte sie sich weiter.

„Ja, sehr schön“, antwortete das Digimon. „Es gab viel leckeres Essen.“

Juri lächelte breit, ehe sie aufstand und zu Takato hinüberging, den sie ebenfalls umarmte. „Hallo“, flüsterte sie dann und küsste ihn auf die Wange.

„Hey“, antwortete Takato, der selbst nach zwei Jahren noch verlegen wurde.

„Tut mir leid, dass ich heute Mittag nicht kommen konnte“, entschuldigte sich das Mädchen dann.

„Kein Problem“, meinte Takato.

„Dafür hab ich heute den ganzen Abend Zeit“, fuhr sie fort, woraufhin Takato nichts erwiderte. Deswegen wandte sie sich wieder an Guilmon. „Was ist das für ein Schal?“

„Ein Geburtstagsgeschenk von Ryou“, antwortete das Digimon begeistert.

Juri sah ihren Freund an und er wusste, dass sie in etwa dasselbe dachte wie er: Ryous Geschmack war bestenfalls gewöhnungsbedürfig, schlimmstenfalls einfach nur seltsam.
 

Der Abend war genauso schön, wie der Tag zuvor. Auch wenn es noch etwas früh war, gingen sie zusammen essen. Nun wo Takato Geld verdiente, konnte er sie zumindest vernünftig einladen, und kam daher einer Empfehlung Reikas nach, ein koreanisches Restaurant im Nordwesten Minatos zu besuchen. Der Inhaber des Lokals beäugte Guilmon am Anfang zwar etwas misstrauisch, bewirtete es dann jedoch nicht anders, als seine menschlichen Gäste.

„Auf Guilmon“, meinte Juri beim Essen und hob ihr Glas mit Soda.

Das Digimon schaute verwirrt, während Takato etwas nach Worten suchte.

„Auf den Frieden“, sagte er dann schließlich und die beiden stießen an.

Da es April war, war es bereits dunkel, als sie um kurz nach sieben ein wenig durch die bereits recht verlassenen Gassen eines Wohngebiets von Minato schlenderten.

Nachts leuchtete der Schatten der Digiwelt, der am Himmel zusehen war, mit den Sternen um die Wette, auch wenn es in Tokyo weniger gut zu sehen war, als zum Beispiel auf Okinawa, wo Takato mindestens einmal im Jahr seinen Cousin besuchte.

„Frierst du nicht?“, fragte Takato an seine Freundin gewandt, die nur ein kurzärmeliges, helles Kleid und Sandalen trug.

Sie schüttelte den Kopf. „Nein, es ist doch recht warm“, erwiderte sie und sah zum Himmel hinauf. „Ich kann kaum glauben, dass es schon zehn Jahre her ist...“ Bei diesen Worten sah Takato einen Funken der vergangenen Trauer auf ihrem Gesicht.

Hilflos suchte er nach Worten. „Ja, zehn Jahre...“, meinte er. „Ich mein, wer hätte gedacht, dass wir einmal so leben. Mit den Digimon. Ich mein, damals...“

Sie lächelte ihn an. „Mach dir um mich keine Sorgen“, flüsterte sie, hatte dabei wohl seine Gedanken erraten. „Ich bin froh, dass es ist wie es ist. Ich mein... Natürlich hätte ich noch lieber auch jetzt Leomon bei mir... Aber Leomon wäre sicher auch froh die anderen Digimon so friedlich in dieser Welt leben sehen zu können...“ Sie seufzte. „Es ist wie ein Wunder...“

„Ja“, seufzte Takato und legte den Arm um sie.

Doch bevor sie den Augenblick weiter auskosten konnten, begann Guilmon auf einmal zu knurren.

Takato sah es an. „Was ist? Was hast du, Guilmon?“

Sein Partner jedoch antwortete nicht, sondern rannte auf einmal los.

„Was...?“, begann der junge Mann verwirrt. Er wechselte einen Blick mit Juri, die ebenso verwirrt aussah, wie er sich fühlte. „Warte, Guilmon!“, rief er dann und lief seinem Partner hinterher, wobei ihm seine Freundin folgte.

„Guilmon! Guilmon! Was ist denn los?“, versuchte Takato mehrmals die Aufmerksamkeit seines Partners zu erreichen, während er ihm die Gasse entlang auf eine größere Straße folgte, die Guilmon, ungeachtet des zum Glück nicht zu starken Verkehrs, einfach überquerte.

Da sah er auf einmal auch etwas, was er nicht erwartet hatte. Etwas, das aussah, wie ein Fetzen Nebel, der zwischen zwei Häusern schwebte. Doch irgendwas sagte Takato, dass es kein normaler Nebel war, obwohl dieser in Tokyo immer wieder mal vorkam.

Er folgte Guilmon und hatte Glück, dass ein Auto gerade noch so hielt.

„Takato! Sei vorsichtiger!“, rief Juri auf, als sie ihn auf der anderen Straßenseite endlich einholte. Sie keuchte und griff nach seiner Hand. „Was ist los?“

Takato zeigte auf das Nebelstück. „Ein Digital Field“, flüsterte er und lief wieder los.

„Aber...“, flüsterte Juri. „Das kann nicht sein... Es gibt keine Digital Fields mehr!“

Doch als sie in die Straße zwischen den Häusern liefen, sahen sie, dass Takato recht gehabt hatte. Die Struktur des dichten Nebelfeldes, in das Guilmon vor ihnen hineinrannte, war eindeutig die eines Digital Field.

Die beiden Menschen sahen sich an. Dann nickten sie sich zu und liefen Hand in Hand in den Nebel hinein.

Sie beide mussten blinzeln, da es im Field selbst wesentlich heller war, als in der Nacht um es herum, doch bald erkannten sie was.

Dort stand Guilmon und knurrte, während auf einer Grünfläche, die im Field eher hellviolett wirkte, zwischen den Häusern zwei Jungen standen. Zwischen ihnen drückte ein Dinohumon ein Gladimon auf den Boden und hob nun eine seine Äxte.

„Pyroball!“ Noch bevor das Adult-Digimon weiteres tun konnte, attackierte Guilmon es mit einem Feuerball.

Dinohumon wich zurück und Gladimon kam auf die Beine, während die beiden Jungen, beide noch recht jung, wie es schien, keiner von ihnen älter als 16, erschrocken zu den Neuankömmlingen sahen.

Beide Jungen hielten Digivices in den Händen – zumindest nahm Takato an, dass es Digivices waren, da sie sich von seinem eigenen unterschieden.

„Was geht hier vor?“, rief er. „Ich bin von Hypnos. Ihr wisst, dass es verboten ist, gegen die Digimon anderer Tamer zu kämpfen.“

Keiner der beiden Jungen erwiderte etwas, sondern starrten ihn erschrocken an.

Schließlich löste sich einer – der kleinere, ein braunhaariger Junge, den Takato nicht einmal auf 15 schätzte – aus seiner Starre. „Dinohumon!“, rief er aus und drehte sich um, ehe er loslief.

„Warte!“ Takato setzte ihm einige Schritte nach, ehe ihm der andere Junge einfiel.

Dieser jedoch nutzte den Aufruhr und lief in eine andere Richtung aus dem Digital Field hinaus, das nun langsam begann sich aufzulösen.

Unschlüssig blieb Takato stehen. Was sollte er tun?

„Takato?“, hörte er schließlich die Stimme Juris hinter sich.

Er sah sich zu ihr um, noch immer nicht sicher, was sie gerade gesehen hatten.

„Was war das?“, fragte auch Juri.

Der junge Mann schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht...“
 


 

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Anmerkungen & Erklärungen

Ich werde mal so frei sein und davon ausgehen, dass ihr alle in dem Kapitel vorkommenden Digimon, bis auf die letzten beiden, kennt ;)

Takato Matsuda: Takato Matsuki in der deutschen Fassung.

Ruki Makino: Rika Nonaka

Hirokazu Shiota: Kazu Shiota

Shinjuku: Einer der zentralen Stadtteile von Tokyo. Hier spielen Tamers und auch Alpha Generation zum größten Teil.

Dinohumon: Humanoides Reptiliendigimon, das seinen bisher einzigen Animeauftritt im siebten Digimon Film – Digimon Frontier: Revival of Ancient Digimon – hatte. Es ist auf dem Adult-Level und sein Typus ist Datei.

Gladimon: Ebenfalls auf dem Adult-Level. Es ist ein Kriegerdigimon vom Typus Serum.

Generell: Für all diejenigen, die Alpha Generation nicht gelesen haben, oder sich nicht mehr wirklich daran erinnern, noch einmal die kurze Erklärung zum Status Quo: Am Ende von Alpha Generation wurde die Grenze zwischen der realen Welt und der Digiwelt zerstört, als Ultimate Chaosmon in der Digiwelt erschien. Seither sieht man die Digiwelt als Spiegelung am Himmel der realen Welt. Dadurch können die Digimon, aber auch die Menschen, leichter von einer Welt in die andere und da menschliche Waffen sich schwer tun etwas gegen die Digimon auszurichten, mussten sich die Regierungen und das Militär eine andere Lösung ausdenken.
 

Mehr gibt es denke ich, erst einmal, nicht zu sagen :)

Das nächste Kapitel kommt in einer Woche. Ich hoffe es hat euch soweit gefallen und freue mich natürlich über jedwede Form von Feedback.
 

Bis nächste Woche!

Episode 02: Der illegale Tamer

Eine Woche ist vorbei und weiter geht es mit Digimon Battle Generation :D

Dieses Mal lernt ihr den neuen „Goggleboy“ Shirou Takumi kennen, der ein kleiner Dickkopf ist. Und natürlich seinen Partner, Kotemon.

Viel mehr möchte ich vorher nicht sagen ;)

Ich wünsche euch viel Spaß mit Episode 2!
 


 

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Episode 02: Der illegale Tamer
 

Seit dem Vorfall im Oktober 2008 hat die Anzahl der Digitalen Monster, kurz genannt Digimon, die sich im japanischen Raum aufhalten um ein vielfaches erhöht. Wie Yamaki Mitsuo, der Leiter der zuständigen Regierungsabteilung HYPNOS bestätigte, ist auch die Anzahl der registrierten Tamer angestiegen. Die Zahl, die drei Monate nach der Einführung der Registrierungpflicht im Juni 2009 bei über 300 lag hat sich seither beinahe verdreifacht. Allein in der Präfektur Tokyo gibt es laut aktuellem Stand 54 registrierte Tamer. Wie groß die Anzahl der sogenannten illegalen Tamer, die sich nie haben registrieren lassen, ist, lässt sich jedoch nicht genau bestimmen.
 

         Ausschnitt aus der Nikkei vom 02.04.2011
 

Es war schwer, viel über Shirou Takumi zu sagen. Selbst seine Lehrer taten sich dabei schwer. Einige erinnerten sich nicht einmal wirklich an ihn. Und das, obwohl er der Sohn von einem ihrer Kollegen war.

Doch Takumi war, alles in allem, meist ein eher ruhiger Junge. Nicht schlecht in der Schule, aber auch nicht gut genug um positiv herauszustechen. In den Stunden war er meist ruhig und gehorsam und in den Pausen unterhielt er sich meist mit seinen Mitschülern. Doch auch diese konnten erstaunlich wenig über ihn sagen.

Einzig Herr Kagawa, der Sportlehrer, der auch die Baseball AG der Yashio High School leitete, lobte Takumi in höchsten Tönen, sollte Herr Shirou sich in einer Pause oder nach einer Lehrerkonferenz einmal nach seinem Sohn erkundigen.

Es ließ sich also eines über Shirou Takumi feststellen: Er tat sein bestes, um nicht aufzufallen.

So lauschte er auch schweigend, während Shiragawa Rito, einer seiner Klassenkameraden, aus seinem Englischbuch vorlas.

Seine Augen waren brav auf seine eigene Ausgabe des Buches geheftet, aber er verfolgte die Sätze nur halbherzig und selbst das nur, um nicht erst die Stelle suchen zu müssen, sollte Herr Inaba ihn als nächstes aufrufen.

Er mochte kein Englisch. Genau so wenig wie er Mathe oder Naturwissenschaften mochte. Auch mit Japanisch oder Geschichte konnte er wenig anfangen. Nicht, weil er diese Fächer nicht verstand, sondern weil sie ihn langweilten. Die Schule langweilte ihn. Weil es jeden Tag dasselbe war, ohne irgendeine Abwechselung.

Einzig Sport und Informatik waren Fächer, für die er sich begeistern konnte. Doch da sie dieses Jahr kein Informatik hatten, fiel auch diese positive Abwechselung für ihn weg.

Die Schulglocke schlug zur Mittagspause bevor Takumi zum Lesen drankommen konnte. Für die meisten seiner Mitschüler war dies eine Erleichterung und sie begannen freudig miteinander zu reden, noch bevor der Lehrer den Klassenraum verlassen hatte, während das einzige, woran Takumi denken konnte, war, dass sie am Nachmittag noch Gesellschaftskunde hatten.

„Hey, Takumi“, hörte er eine Stimme und jemand klopfte ihm auf die Schulter. „Sag mal, schläfst du?“ Ozaki Ryoichi setzt sich neben ihm auf den nun freien Stuhl, von dem sich erst vor kurzen Misaki erhoben hatten.

Er grinste, noch bevor Takumi antworten konnte. „Na ja, kann ich auch verstehen. Englisch ist so langweilig.“

Nicht nur Englisch, dachte Takumi, sagte aber nur: „Ja. Und ich fürchte ich bin etwas müde vom Training gestern...“

„Du hast gestern trainiert?“, fragte Ryoichi entsetzt. „Man, die AGs gehen doch erst nächste Woche los!“

„Na ja, ich will in Form bleiben“, antwortete Takumi. „Wir haben Anfang Mai unser erstes Spiel.“

„Ganz schön vorbildlich“, erwiderte sein Klassenkamerad, der zusammen mit ihm in der Baseball AG war. „Man, ich sag dir: Dieses Jahr solltest du der Teamleiter

werden!“

Schnell schüttelte Takumi den Kopf. „Nein, nein. Ich glaub das wäre keine gute Idee.“

„Wieso?“ Ryoichi sah ihn an. „Du bist ein guter Spieler und tust ziemlich viel für's Team.“

„Ich bin einfach kein guter Anführer...“, murmelte Takumi und wandte den Blick ab.

„Ach, du hast ein zu schlechtes Selbstbild“, erwiderte sein Klassenkamerad. „Aber kein Wunder, bei deinem Vater... Ich mein, du weißt ja, dass ich ihn letztes Jahr in Mathe hatte und...“

Takumi hörte nicht weiter zu, da ein Wort an sein Ohr gedrungen war, das seine Aufmerksamkeit praktisch automatisch auf sich zog.

„Ich habe gehört, dass man eine Einladung bekommt“, flüsterte Eri, eine seiner Klassenkameradinnen, die sich gerade mit Hiro und Kasumi unterhielt.

Hiro, der einzige Junge der Dreierrunde, der außerdem den hintersten Platz am Fenster inne hatte, schüttelte den Kopf. „Ich denke, dass ist alles nur ein Gerücht.“

„Dafür hält es sich aber schon ziemlich lang“, murmelte Kasumi.

„Aber wir sind in Tokyo“, warf Hiro ein. „Hypnos kontrolliert hier noch stärker als sonst wo. Ich mein, als ob man hier einfach so ein illegales Turnier aufziehen könnte. Das würde doch jemand merken.“

„Hypnos kann aber nicht überall sein“, meinte Eri.

Hiro zuckte mit den Schultern. „Na ja, nicht das es uns was angehen würde... Wir sind keine Tamer.“

„Ich glaub, ich könnte auch kein Digimon Tamer sein“, griff Kasumi dies auf. „Ich mein, einige Digimon sind ja noch ganz niedlich... Aber hast du mal die Zähne von einem Agumon gesehen?“

Am liebsten hätte Takumi etwas dazu gesagt, doch er hielt sich zurück, und einen Moment später öffnete sich die Tür zum recht hellen Klassenraum und drei seiner Mitschüler kamen mit dem Speisewagen hinein.

„Juhu!“, jubelte Ryoichi. „Endlich gibt es was zu Essen. Die haben sich ganz schön Zeit gelassen.“ Er schnupperte. „Und es riecht, als gäbe es heute Curry!“
 

Irgendwie vergingen auch die verbleibenden Stunden und schließlich verließ Takumi kurz nach drei das Klassenzimmer. Er beeilte sich so schnell wie möglich vom Schulgelände herunter zu kommen, ehe sein Vater ihn finden konnte und im Auto mit nach Hause nehmen würde.

Er wollte noch nicht nach Hause. Nein, er hatte noch etwas anderes zu tun.

Schnell beeilte er sich und lief zur U-Bahn-Station, die nur knappe 300 Meter von der Schule entfernt war. Mit der Bahn fuhr er zwar Richtung Odaiba, wo er mit seinen Eltern wohnte, stieg jedoch nicht an der Daibastation aus, in deren Nähe ihre Wohnung lag, sondern fuhr bis Kokusaitenjijo weiter, wo er die Station Richtung Süden verließ. Einigen der wenig befahrenen Gassen folgend, gelangte er so zum Ufer der südlichen Insel, das von einigen Bäumen und Büschen gesäumt wurde.

Hier bleibt er stehen. „Kotemon?“, rief er aus. „Kotemon? Bist du da?“

Es dauerte etwas, bis ein Rascheln erklang und das recht kleine Child-Digimon in Kendokleidung zwischen zwei Büschen hervorkam.

„Du konntest kommen“, meinte es erfreut.

Takumi grinste. „Klar!“ Nachdem er sichergegangen war, dass man ihn von der Promenade aus nicht sehen konnte (immerhin trug er auch noch seine schwarze Schuluniform), stellte er seinen Schultasche ab und holte eine Tüte mit Melonenbrötchen aus dieser hervor. „Entschuldige bitte, dass ich nicht mehr mitbringen konnte.“

Kotemon schüttelte den Kopf, wobei die Kendomaske etwas hin und her rutschte. „Das macht nichts. Ich kann mir außerdem im Notfall selbst etwas organisieren.“ Es nahm die Tüte entgegen und begann die Brötchen in Stücke zu zerkleinern, die durch das Schutzgitter der Maske hindurchpassten, was Takumi dazu brachte, sich erneut zu fragen, ob Kotemon den Helm überhaupt abnehmen konnte.

„Wie war es heute in der Schule?“, fragte Kotemon, nachdem es aufgegessen hatte.

„Naja“, murmelte Takumi. „Langweilig. Und das schon am dritten Tag des Schuljahres.“

„Du solltest versuchen, dich mehr dafür zu begeistern“, schlug das Digimon vor.

„Tu ich ja“, protestierte der 14-jährige. „Aber es ist halt langweilig. Davon abgesehen gehe ich wahrscheinlich auf die blödeste Schule in ganz Tokyo!“

„Das würdest du an einer anderen Schule auch sagen“, meinte Kotemon.

Vehement schüttelte der Junge den Kopf. „Nein. An anderen Schulen ist mein Vater nicht Lehrer.“

„Hmm“, war alles, was dem Digimon deswegen einfiel.

„Außerdem gibt es Schulen, bei denen der Umgang mit Digimon unterrichtet wird“, meinte Takumi. „Na ja, zumindest versuchen sie es. Bei uns tun sie sogar in Gesellschaftskunde so, als würde es keine Digimon geben.“

„Ich nehme an, die Menschen müssen sich eben noch daran gewöhnen“, meinte das kleine Digimon vorsichtig, da es wusste, dass der Junge bei dem Thema empfindlich war.

„Es sind aber doch schon fast drei Jahre...“, murmelte der Junge und seufzte.

Er war gerade zwölf geworden, als der Himmel „zerbrach“ und die Digiwelt zu einem Teil der normalen Welt wurde. Er hatte es kaum glauben können. Zwar hatte er schon länger gewusst, dass Digimon wirklich existierten, doch dass sie ein Teil des alltäglichen Lebens werden könnten, hätte er nie auch nur zu hoffen gewagt.

Gedankenverloren wendete er sein Digivice, welches im klassischen Weiß gehalten war, während der Rahmen um den Bildschirm und die Knöpfe gelborange waren.

„Du, Kotemon“, begann er auf einmal. „Ich habe heute schon wieder diese Gerüchte gehört.“

„Von dem Turnier?“, fragte das Digimon.

Der Junge nickte. „Ja.“ Er sah auf den Hafen hinaus. „Ich frage mich, ob da etwas dran ist.“

„Wenn du könntest, würdest du an einem solchen Turnier teilnehmen?“ Kotemon sah seinen Partner an.

Takumi überlegte für eine Weile. Dann seufzte er. „Ich weiß es nicht wirklich“, murmelte er dann. „Ich meine, ich würde gerne, dass du weiter digitierst... Aber wenn man dort wirklich andere Digimon tötet... Ich meine... Tote Digimon kommen nicht zurück, oder? Es ist nicht, wie im Spiel... Oder? Und ich würde auch nicht wollen, dass du stirbst...“ Den letzten Satz fügte er etwas leiser hinzu.

„Nun, in der digitalen Welt haben wir immer gekämpft“, meinte Kotemon. „Dort war es von Vorteil digitieren zu können. Immerhin konnte zu jeder Zeit ein Kampf anstehen...“

„Aber hier nicht“, sagte Takumi leise. „Hier ist alles friedlich, nicht? Hier können auch die Digimon in Frieden leben. Wir brauchen hier keine Digitation.“

„Das stimmt.“ Kotemon warf einen Blick auf das Meer in der Bucht von Tokyo und für eine Weile herrschte Schweigen zwischen den beiden.

„Würdest du kämpfen wollen, Kotemon?“, fragte Takumi schließlich.

Das Digimon erwiderte zuerst nicht, sondern stand auf und sah ihn an. „Ich bin dein Partner, Takumi. Ich werde immer tun, was du für richtig hältst.“

Daraufhin antwortete der Junge nichts.
 

Es wurde bereits dunkel, als Takumi endlich nach Hause kam.

Er öffnete die Tür zu der Wohnung, welche im dritten Stockwerk eines Apartmenthauses lag, mit seinem eigenen Schlüssel, und ging hinein.

„Takumi?“, hörte er bereits seine Mutter rufen, noch bevor er die Tür ganz geschlossen hatte.

„Ja“, erwiderte er. „Ich bin wieder zu Hause.“ Er bückte sich, um seine Schuhe auszuziehen und diese gegen seine Pantoffeln zu tauschen und ging dann in das Wohn- und Esszimmer der mittelgroßen Wohnung hinein.

„Du bist spät“, stellte sein Vater fest, der Zeitung las, während im Hintergrund der Fernseher lief.

„Ich war noch mit ein paar Klassenkameraden im Park“, log Takumi, wie schon einige Male zuvor.

Sein Vater hatte dunkleres Haar als er selbst, welches jedoch einige Graue Strähnen hatte. Es war ordentlich gekämmt und gerichtet. Auch sein weißes Hemd war sauber und ordentlich, auch wenn er seine Krawatte gelockert und den obersten Knopf geöffnet hatte. Sein Gesicht, im Moment von einer Lesebrille geschmückt, wies einige Falten auf und wirkte streng und respekteinflößend.

„Du hättest Bescheid sagen sollen.“ Auch wenn die Worte nicht so formuliert waren, so waren sie ein schwerer Vorwurf.

„Ich hab dich nicht gefunden.“ Eine weitere Lüge, die Takumi ohne zu überlegen über die Lippen kam.

Wahrscheinlich hätte sein Vater noch etwas gesagt, doch gerade da kam ihre Mutter aus der kleinen Küche. „Geh dich Waschen, Takumi, damit wir essen können.“

„Ja, Mama“, erwiderte der Junge und erntete dafür einen tadelnden Blick seitens seines Vaters.

„O-kaa-san“, murmelte Takumi daher, ehe er zum Flur hinüber ging, an dem die beiden Schlafzimmer und das Badezimmer der Wohnung lagen. Er öffnete die Tür zu seinem Zimmer und legte seine Schultasche neben seinem Schreibtisch zu Boden.

Sein Zimmer war nicht wirklich groß, aber doch größer als die Zimmer von einigen seiner Freunde.

Es war länglich gezogen und hatte ein großes Fenster an der hinteren kleineren Wand, das zur Rückseite des Hauses ausgerichtet war. Sein Bett stand unter diesem Fenster, während sein Schreibtisch gegenüber der Tür stand. Beide Möbel waren durch ein Bücherregal ohne Rücken getrennt.

Was ebenfalls auffiel, wenn man sein Zimmer mit dem anderer Jungen in seinem Alter verglich, war, dass es recht ordentlich war. Zwar lagen einige Zettel auf seinem Schreibtisch, doch es lagen weder Bücher, noch Manga, noch dreckige Kleidungsstücke auf dem Boden, seinem Stuhl oder dem Bett.

Neben Bett, Regal und Schreibtisch gab es noch einen kleinen Kleiderschrank, der den knappen Meter zwischen dem Fußende des Bettes und Wand füllte, und eine Kommode, die an der Rückwand des Zimmers stand.

Nachdem Takumi die Tasche abgestellt hatte, zog er seine Schuluniform aus und hängte sie auf einen Kleiderbügel an das Regal, ehe er eine einfache Jogginghose und ein T-Shirt aus dem Kleiderschrank holte.

Mit diesen ging er ins Bad um sich zu waschen und kam kurze Zeit darauf umgezogen zu seinen Eltern zurück.

Mittlerweile hatte sein Vater die Zeitung zur Seite gelegt und seine Aufmerksamkeit dem Fernseher zugewandt.

„... Dennoch gibt es immer noch Leute, die die Digimon fürchten“, sprach der Moderator einer Nachrichtensendung, der gerade eine junge Frau interviewete, bei der es sich, wie Takumi sofort erkannte, um Makino Ruki handelte. „Und wenn ich mir einige der Digimon ansehe, komme ich nicht herum mich zu fragen, ob diese Angst nicht berechtigt ist.“

„Natürlich ist diese Angst berechtigt“, erwiderte die junge Frau, deren rötliches Haar locker über ihre Schultern fiel. „Digimon sind weiterhin potenziell gefährlich und haben eine hohe Kampfkraft, die niemand unterschätzen sollte. Die meisten Digimon bemühen sich, sich unserer Gesellschaft anzupassen, aber wie wir alle sehr wohl wissen, gab es trotzdem immer wieder Zwischenfälle, die wir nicht gänzlich verhindern konnten. Wir rufen jedoch weiterhin dazu auf, den Notruf zu betätigen und die Behörden zu informieren, wenn sie ein sich auffällig verhaltendes Digimon sehen. Unter 110 können Sie die Polizei verständigen und unter 114 die in Ihrer Stadt zuständige Kontrollbehörde bezüglich Digimonvorfälle. Beide werden ihnen weiterhelfen können!“ Während sie sprach, wurden die Nummern unten um Bildschirm eingeblendet.

Takumi merkte, wie sich das Gesicht seines Vaters anspannte.

„Das werden wir bedenken“, erwiderte der Moderator. Er sah auf seine Karten. „Kommen wir zu einem anderen Thema“, meinte er dann. „Im Moment gibt es etwas über 50 Digimon Tamer im Tokyoter Raum, ist das wahr?“ Unten im Bildschirm wurde eingeblendet, dass sich der Begriff Digimon Tamer auf Menschen mit einem Partnerdigimon bezog.

„Ja“, antwortete Makino Ruki. „Im Moment liegt die offizielle Zahl bei 54 registrierten Tamern in Tokyo. Wir gehen aber von einer wesentlich höheren Dunkelziffer aus.“

„Geht von diesen nicht registrierten Tamern eine Gefahr aus?“

Takumis Herz begann zu klopfen, während die junge Frau im Fernsehen zögerte.

„Nun, nicht unbedingt“, erwiderte sie dann. „Die meisten dieser Tamer sind Kinder und Jugendliche, die Angst vor der Reaktion ihrer Umwelt haben und ihre Partner daher verstecken. Wir halten sie jedoch weiterhin dazu an, sich registrieren zu lassen – nicht zuletzt um die Sicherheit ihrer Partner zu gewährleisten. Außerdem ist es illegal einen unregistrierten Partner zu haben!“, fügte sie mit Nachdruck hinzu.

„Registrierungen sind in jeder behördlichen Niederlassung möglich“, erklärte der Moderator und räusperte sich dann. „Vielen Dank, Makino-san.“ Er wandte sich um und das Bild wechselte. „Machen wir nun weiter mit dem Sport...“

„Was hast du, Takumi?“, ließ die Stimme seiner Mutter den Jungen auf einmal zusammenzucken. „Setzt dich doch...“

Takumi, der am Ende des Flurs stehen geblieben war, sah sie an und nickte. Schweigend ging er zum Tisch und setzte sich neben seinen Vater, der erbost wirkte.

„So ein Blödsinn“, murmelte er. „Sie lassen diese Monster hier einfach gewähren. Sie haben schon viele Menschen umgebracht! Diese Wesen sind lebende Waffen.“

„Ja...“, erwiderte Takumis Mutter nur tonlos.

Sie wusste genau so gut wie Takumi, dass es keinen Sinn hatte mit Shirou Kensuke über dieses Thema zu diskutieren. Und irgendwie stimmte sie ihm auch zu, denn Digimon waren gefährlich. Allein in den letzten zwei Jahren war es immer wieder zu „Zwischenfällen“ gekommen, die nicht nur große Zerstörung angerichtet hatten, sondern auch einige Todesopfer gefordert hatten.

„Na ja“, meinte Takumis Mutter schließlich. „Lasst uns essen.“

Takumi starrte ausdruckslos auf den Tisch. Er wusste genau, dass er es ihnen nicht sagen konnte.
 

Etwa eine halbe Stunde später kam Takumi erneut in sein Zimmer und ließ sich auf seinen Schreibtischstuhl fallen. Er lehnte sich zurück und sah zu Boden, während er den Stuhl langsam im Kreis drehen ließ.

Dann schließlich raffte er sich auf und startete seinen PC.

Er wollte kein illegaler Tamer sein. Aber was hatte er für eine Wahl? Er konnte seinen Eltern, vor allem seinem Vater niemals von Kotemon erzählen. Er wollte sich nicht einmal vorstellen, wie sein Vater reagieren würde.

Offiziell durften sie ihn – wenn er sich einmal registriert hatte – nicht von seinem Partner trennen, sofern dieser keine Gefährdung darstellte. Doch es waren immer noch seine Eltern und er war erst 14 und... Er war sich sicher, dass sein Vater einen Weg finden würde, ihn von Kotemon zu trennen.

Also hatte er keine Wahl. Er musste Kotemon weiter verstecken...

Schon seit zwei Jahren...

Mit einem Seufzen und einem Kopfschütteln wandte er sich seinem Laptop zu. Es hatte keinen Sinn darüber nachzudenken, denn letzten Endes konnte er es ja doch nicht ändern. Stattdessen sollte er lieber Hausaufgaben machen – auch wenn es wirklich unglaublich war, dass sie jetzt schon welche hatten.

Nichts desto trotz holte er seine Unterlagen aus dem Rucksack und begann einen Lückentext für Englisch auszufüllen, wobei er einzelne Vokabeln im Internet nachschlug.

Aber bald merkte er, dass er sich kaum konzentrieren konnte.

Die Fernsehsendung, die Worte seines Vaters und nicht zuletzt sein Gespräch mit Kotemon kreisten durch seinen Kopf. Er zwang sich, den Text fertig zu machen, doch als die Aufgabe fertig war und er an die Sozialkundehausaufgaben dachte, lehnte er sich erneut zurück.

Sozialkunde hätten sie erst nächste Woche wieder...

Eigentlich hatte er sich angewöhnt seine Hausaufgaben immer möglichst am selben Tag, wie er sie aufbekam zu machen, doch heute konnte er sich einfach nicht konzentrieren.

Stattdessen rief er Google auf. Ohne groß darüber nachzudenken gab er ein: „Digimon Tamer Turnier Tokyo“ und drückte auf „Suchen“.

Tatsächlich fand er einige Ergebnisse in verschiedenen Foren und BBS. Er öffnete das erste Ergebnis, nur um enttäuscht festzustellen, dass es ein Bericht von einem D-1 Turnier von 2007 war.

Er suchte weiter, nun auf die Daten der Ergebnisse achtend.

Stimmt es, dass es ein Turnier für Digimon Tamer gibt?“, las er schließlich in einem Message-Board.

Nur illegale Tamer können teilnehmen, habe ich gehört“, lautete eine Antwort.

Darauf hatte jemand anderes geantwortet. „Ist doch klar, die anderen werden doch alle vom Government überwacht.

So ging die Diskussion in dem Board weiter:

Aber warum sollten Tamer gegeneinander kämpfen?
Damit ihre Digimon digitieren können!
Die Digimon können doch meistens aufs Adultlevel digitieren.
Das ist nicht besonders hoch...
Ja, aber die Digimon von Ryou, Takato und den ganzen alten Tamern können doch auf aufs Perfectlevel digitieren!
Die arbeiten doch für's Government... Das Government hat die blauen Karten.
Blaue Karten?
Die enthalten einen Code, der es Digimon erlaubt zu digitieren.
Dann kann man bei dem Turnier eine blaue Karte gewinnen?
Dieses Turnier ist doch nur ein Gerücht.
Vielleicht gibt es auch eine andere Möglichkeit für die Digimon zu digitieren?!
Wie kann man bei dem Turnier teilnehmen?  
Darauf hatte niemand mehr geantwortet.

Takumi seufzte. Vielleicht war es wirklich nur ein Gerücht. Es schien keinerlei Beweis dafür zu geben, dass es dieses Turnier wirklich gab. Vielleicht war es eins der vielen Gerüchte, die jemand irgendwann ins Internet gesetzt hatte, so dass es sich verselbstständigte.

Davon abgesehen: Was brachte es einem, wenn der Partner weiter digitieren konnte? An sich gab es kaum Digimonkämpfe zu bestreiten... Doch dann...

Ein Gedanke kam Takumi in den Kopf. Wenn Kotemon weiter digitieren könnte, wäre es nicht mehr so einfach, sie zu trennen. Würde es jemand versuchen, könnten sie kämpfen!

Trotzdem...

Er tippte selbst eine Antwort: Warum sollte man das Leben eines Digimon für so etwas riskieren?

Dann schloss er den Explorer und fuhr den PC herunter.

Er lauschte nach seinen Eltern und zog schließlich vorsichtig das Digivice aus seiner Schultasche hervor. Mit dem kleinen Gerät in der Hand ging er zu seinem Bett hinüber und ließ sich auf eben dieses fallen.

Er hielt das Digivice über sein Gesicht.

„Kotemon...“, murmelte er und fragte sich, was sein Partner wohl gerade tat.
 

Es regnete, wie auch schon an den vergangenen Tagen, als Takumi aufwachte. Er wollte schon aufstehen, um zur Schule zu gehen, als ihm einfiel, dass Wochenende war. Das erste Wochenende im neuen Schuljahr und sein erstes Wochenende als Mittelschüler.

So blieb er liegen und sah auf die grünen Gardinen, die über seinem Bett hingen, während dahinter der Regen kräftig gegen das Glas prasselte.

Er seufzte. Zumindest heute weckte ihn niemand auf. Noch ein wenig liegen bleiben...

Er drehte sich auf die Seite, wobei seine Hand unter sein Kopfkissen rutschte und auf einen harten Gegenstand traf.

Sein Herz begann schneller zu schlagen, als er den Gegenstand unter seinem Kopfkissen hervorzog. Es war noch immer da!

Er betrachtete das Digivice in seiner Hand und betätigte einen der beiden Knöpfe, was jedoch nichts an der Einblendung auf dem Bildschirm änderte: No Data. Keine Daten.

Also hatte er ein Digivice, aber keinen Digimonpartner... Und das obwohl es einige Digimon in Tokyo gab. Darunter musste doch ein Partner für ihn sein!

Schnell rappelte er sich auf und öffnete die Gardinen, um aus dem Fenster zu sehen.

Natürlich bedeckten draußen dunkle Wolken den Himmel und versperrten somit die Aussicht auf die Digiwelt. Aber das änderte nichts daran, dass sie da war und das schon seit fast einem halben Jahr!

Es war so, wie er schon immer geträumt hatte.

Es gab Digimon und sie lebten zusammen mit Menschen und dass er ein Digivice hatte hieß, dass er ein Tamer war! Das hieß, dass er einen Partner haben konnte!

Dieser Gedanke ließ schnell alle Müdigkeit weichen und er schwang sich aus dem Bett.

Sich Hose und T-Shirt aus seinem Schrank holend, lief er mit der Kleidung unter dem Arm ins Badezimmer, aus dem er nach einer Katzenwäsche angezogen wieder hervorkam.

Er brachte seinen Schlafanzug in sein Zimmer und lief ins Wohn- und Esszimmer, wo sein Vater bereits die Zeitung las und offenbar schon gegessen hatte.

„Guten Morgen“, meinte er streng, wobei der Tadel in seinen Worten mitschwang, dass Takumi selbst keinen guten Morgen gewünscht hatte.

„Hmm, Morgen, Too-san“, erwiderte der Zwölfjährige und lief in die Küche, wo seine Mutter gerade kochte.

„Oh, guten Morgen, Takumi“, meinte sie. „Du bist schon auf?“

„Morgen, Mama“, antwortete er. „Ich wollte mich mit Freunden treffen“, erfand er schnell eine Ausrede, während er einen Blick in den Kühlschrank warf. „Und ich bin schon spät dran!“ Er schnappte sich ein abgepacktes Melonenbrötchen. „Kann ich das unterwegs essen?“

„Hast du es etwa so eilig?“, fragte seine Mutter überrascht.

„Ja, ich bin schon spät“, meinte er.

Kurz zögerte seine Mutter und lächelte dann. „Na, dann beeil dich lieber.“

„Mach ich“, erwiderte er, packte das Melonenbrötchen und eine Flasche Tee, die er ebenfalls im Kühlschrank fand und verschwand damit wieder in seinem Zimmer, wo er das Digivice, Melonenbrötchen, Tee, sein Portemonnaie und ein paar seiner Digimonkarten in einem Rucksack verstaute. Mit diesem verließ er das Zimmer und rannte Richtung Wohnungstür.

„Du sollst nicht in der Wohnung rennen“, rügte sein Vater ohne von seiner Zeitung aufzusehen. „Wo willst du überhaupt hin.“

„Hab mich mit Freunden verabredet“, antwortete Takumi knapp, während er in seine Schuhe schlüpfte, eine Jacke überwarf und schließlich noch einen Regenschirm von dem Kleidungsständer neben der Tür nahm.

Ohne auf eine Antwort seines Vaters zu warten, öffnete er die Wohnungstür und verschwand nach draußen. „Bis später“, rief er noch, ehe er die Tür schloss und schnell auf dem nach außen verlegten Treppenhaus Richtung Treppe lief.
 

Verschlafen erwachte Takumi am nächsten Tag und griff aus Gewohnheit unter sein Kopfkissen, wo er natürlich sein Digivice vorfand. Es war riskant, es mit ins Bett zu nehmen, aber anders wusste er nicht, wenn Kotemon in Gefahr war.

Er erinnerte sich an seinen Traum. Der Tag, an dem er Kotemon getroffen hatte...

Er streckte sich und sah auf die Uhr. Es war viertel vor sechs und die Schule würde erst um halb neun anfangen.

Aber er hatte nicht das Gefühl noch Schlaf zu finden, zumal die Sonne bereits in sein Zimmer schien.

Also stand er auf und beschloss, dass er genau so gut die Hausaufgaben machen konnte, die er gestern nicht mehr geschafft hatte.

Er streckte sich und machte sich auf den Weg ins Bad, um sich zu Waschen und seine Zähne zu putzen, ehe er in sein Zimmer zurückging und den Laptop startete. Sein Digivice packte er bereits in seine Schultasche, um es später nicht zu vergessen.

Doch gerade als er den Explorer öffnete und seine Sozialkundesachen aus dem Rucksack nahm, fiel ihm auf, dass er eine Email hatte.

Schnell schloss er, dass diese wohl von seiner Schule oder der Bibliothek stammte, da ihm normal niemand eine Email schrieb, doch als er sein Postfach öffnete, erkannte er den Absender nicht.

„Einladung“, lautete der simple Betreff.

Er öffnete die Email und erschreckte.

Tamer Shirou Takumi,

wie du sicher weißt, liegt es in der Natur eines Digimon zu kämpfen um stärker zu werden. Deswegen werden sie von vielen als Gefahr angesehen, auch wenn du sicher weißt, dass dem nicht so ist.

Die Digimon der Regierung können bis auf das höchste Level digitieren, aber dein Partner ist an die Begrenzung des Adult-Levels gebunden.

Sie sagen es ist den Digimon verboten zu kämpfen, auch wenn sie genau wissen, dass es in ihrer Natur liegt.

Sie nehmen Tamern, die sich nicht registrieren lassen, ihre Partner weg.

Willst du stärker werden? Willst du dich ihnen widersetzen? Willst du deinem Partner die Möglichkeit geben, seiner Natur zu folgen?

Hiermit lade ich dich zum Turnier der illegalen Tamer in Tokyo ein.

Wenn du teilnehmen willst, lade das Programm, welches du im Anhang dieser Nachricht findest auf dein Digivice. Damit wirst du fähig sein andere Turnierteilnehmer zu finden.

Wenn du die Einladung nicht annimmst, lösche diese Email.
 

Ich hoffe dich bald im Turnier begrüßen zu dürfen.

Der Meister der Spiele

Er starrte auf die Email. Das konnte doch nicht sein? War es vielleicht nur ein schlechter Scherz?

Tatsächlich gab es einen Anhang, in dem irgendeine Datei von einem ihm unbekannten Format gespeichert war.

Noch immer konnte er seinen Blick nicht von dem Bildschirm abwenden, sah schließlich aber in die Zeile des Absenders. noreply00@atra10.ceta1.com lautet dieser. Und er zweifelte, dass er von dieser Email antworten bekommen würde.

Er konnte nicht glauben, dass dies ernst gemeint war. Das Turnier, es war doch nur ein Gerücht, diese Email nur ein Scherz. Oder?

Aber woher wusste der Absender, dass er, Shirou Takumi, ein Tamer war?
 

Sanft spülten die Wellen gegen die gemauerte Promenade, während Takumi auf einer Bank saß und in den Sonnenaufgang sah.

Kotemon saß neben ihm und verspeiste ein Brötchen, dass Takumi aus der Schule mitgebracht hatte.

„Du, Kotemon?“, meinte der Junge.

Das Digimon sah auf. „Ja?“

„Ich habe heute Nacht von dem Tag geträumt, als wir uns getroffen haben“, fuhr er fort.

„Uhm...“ Kotemon schien nicht wirklich zu wissen, was es darauf antworten konnte, und schob daher einen weiteren Bissen zwischen seine Maske.

„Es ist schon zwei Jahre her“, murmelte Takumi.

„Ja“, antwortete das Digimon schlicht. Es schien wenig für Nostalgie übrig zu haben.

Beide schwiegen für eine Weile. Kotemon aß weiter und Takumi sah weiter Richtung Bucht, auf der ein Rundfahrtschiff in einiger Entfernung an ihnen vorbeifuhr.

Ein Jogger lief die Promenade entlang und eine kleine Familie, bestehend aus Vater, Mutter und einem Grundschulkind, die mir ihrem Hund spazieren ging, warfen Kotemon und Takumi einen misstrauischen Blick zu, als sie vorbeigingen.

„Du, Kotemon?“, setzte Takumi schließlich wieder an.

„Ja?“, antwortete das Digimon.

„Ich habe heute morgen eine Einladung für dieses Turnier bekommen“, meinte er.

„Und?“, fragte sein Partner.

„Stimmt es, dass es in der Natur von Digimon liegt zu kämpfen?“, fragte er.

„Ja“, erwiderte Kotemon. „So wurden wir erschaffen.“

Der Junge sah nun zu dem kleinen Digimon in Kendorüstung. „Warum kämpft ihr nicht mehr?“

„Weil sich die Regeln der Welten geändert haben und wir uns der neuen Welt

anpassen“, antwortete es ohne zu überlegen.

„Willst du kämpfen?“

Das Digimon überlegte. „Ich weiß es nicht.“

Daraufhin schwieg der Junge wieder und seufzte leise.

Die Wahrheit war, dass er nicht wusste, was er selbst wollte. Denn auch wenn er nicht wusste, was passieren würde, wenn sie kämpften, was passierte, wenn ein Digimon besiegt wurde... Er wollte stärker werden. Und sei es nur, um so vielleicht mit Kotemon zusammen bleiben zu können. Und vielleicht, ja, vielleicht auch, um sich selbst zu beweisen, dass er stark sein konnte...

„Würdest du kämpfen, Kotemon?“, fragte er.

„Wenn du es so entscheidest“, erwiderte sein Partner und sah ihn mit festem Blick in den gelb aus der Maske hervorleuchtenden Augen an. „Ich bin dein Partner, Takumi, und als solcher tue ich, was du für richtig hältst“, wiederholte es dann dieselben Worte wie am Tag zuvor.

Der Junge seufzte. Du bist keine große Hilfe, dachte er und wusste noch immer nicht, was er tun sollte.

Wahrscheinlich war es besser die Email einfach zu löschen, wenn er nach Hause kam.
 

„Du bist schon wieder spät“, stellte sein Vater fest, als Takumi nach Hause kam. „Du weißt, dass du noch Hausaufgaben machen musst.“

Takumi musste sich ein Seufzen unterdrücken, während er seine Schuhe auszog. „Tut mir leid“, meinte er stattdessen brav. „Ich mache meine Hausaufgaben schon noch.“

„Du weißt, dass es wichtig ist zu lernen“, fuhr sein Vater fort.

„Ja“, antwortete Takumi schlicht.

Daraufhin erwiderte sein Vater nichts mehr, bis Takumi ins Hauptzimmer der Wohnung kam.

„Wo warst du wieder?“, erkundigte er sich dann in einem möglichst neutralen Tonfall.

„Mit Freunden einkaufen.“ Dabei klang Takumis Stimme schon etwas zu unbeteiligt, was auch sein Vater bemerkte.

Dieser sah ihn an. „Es hat nicht mit diesen Monstern zu tun, dass du so spät nach Hause kommst?“, fragte er auf einmal.

„Natürlich nicht“, antwortete der Junge gereizt.

Natürlich wusste sein Vater, dass er Digimon-Fan war, beziehungsweise gewesen war.

„Du weißt, dass diese Monster gefährlich sich?!“

„Ja, O-too-san“, erwiderte Takumi heftig. „Ich war nur nach der Schule einkaufen. Keine Monster weit und breit.“ Er sah seinen Vater genervt an.

„Takumi...“, begann seine Mutter, die in der Küche das Abendessen vorbereitete, doch der Junge reagierte nicht auf sie, auch wenn er versuchte seine Stimme zu dämpfen.

„Ich gehe in mein Zimmer“, meinte er. „Sagt mir Bescheid, wenn das Essen fertig ist.“

Damit ging er mit wütendem Schritt zu seinem Zimmer und konnte sich nicht beherrschen die Tür ein wenig zu heftig hinter sich zu schließen.

Sein Vater war schon damals, im November 2008, als der Himmel zerbrochen war, den Digimon gegenüber misstrauisch gewesen. Verständlich, irgendwie, nachdem was im Sommer zuvor passiert war... Viele Leute waren gestorben, als eine Gruppe von Digimon, die sich Demon Lords genannt hatte, in die reale Welt mit einer ganzen Armee von feindlich gesinnten Digimon eingedrungen war.

Und Takumi wusste, dass es vor zehn Jahren, als er gerade einmal vier gewesen war, bereits schon einmal einen solchen Vorfall gegeben hatte.

Er hatte Takumis Leidenschaft für die digitalen Monster mit Argwohn beäugt, doch hatte er nichts getan, bis die japanische Regierung sich entschieden hatte, die Monster anzuerkennen und es seinen Bürgern, die in den meisten Fällen Kinder und Jugendliche waren, zu erlauben einen Partner zu haben, sofern sie diese meldeten.

Etwas, das Takumis Vater nicht verstanden hatte.

Er hatte Takumi seine Karten weggenommen und ihm verboten sich weiterhin mit den Digimon zu beschäftigen – doch wie konnte Takumi? Jetzt, wo etwas, von dem er seine gesamte Kindheit lang geträumt hatte wahr geworden war...?

Jetzt, wo sein Digivice erschienen war?

Und nun...?

Der Junge stand mit dem Rücken zur Tür und bemerkte, dass seine Arme zitterten. Er war wütend. Wütend, dass sein Vater nicht verstehen wollte. Wütend, dass seine Mutter nichts sagte. Und er war wütend auf sich selbst, weil er log, anstatt seinem Vater die Stirn zu bieten.

Aber was sollte er tun?

Was konnte er tun?

Wie sollte er Kotemon beschützen?

Er ging zu seinem Laptop und startete ihn. Während das Gerät hochfuhr, öffnete er seine Schreibtischschublade und holte aus dieser das Kabel, um sein Digivice an seinen PC anzuschließen, hervor.

Gab es einen anderen Weg?

Das einzige, was er tun konnte, war stärker zu werden. Die einzige richtige Entscheidung zu kämpfen.
 

Takumi schlenderte zusammen mit Kotemon eine Gasse in einem Wohngebiet im Süden Minatos entlang. Es wurde bereits dunkel und Takumi wusste, dass er Ärger bekommen würde – zumal gerade erst Montag war.

Er war nach der Schule bereits Zuhause gewesen, doch hatte er es geschafft unter einem Vorwand wieder nach draußen zu verschwinden, nachdem er sich umgezogen hatte. Nur, weil sein Vater heute eine Besprechung an der Schule hatte.

Er sah auf sein Digivice. Es hatte sich verändert, nachdem er das Programm aus der Email geladen hatte. Der Ring um den Bildschirm war verschwunden und stattdessen teilte nun ein breiter gelber Strich das Digivice, während die Knöpfe und das Band orange geblieben waren. Doch sonst war seither nichts passiert.

Kein Kampf, keine weitere Nachricht, gar nichts. Dabei waren schon drei Tage seit der Email vergangen.

Er seufzte.

„Solltest du nicht nach Hause gehen, Takumi?“, fragte Kotemon.

Takumi kickte einen kleinen herumliegenden Stein. „Ja, wahrscheinlich“, murmelte er.

„Was ist heute mit dir los?“ Kotemon, dem seine schlechte Stimmung nicht entgangen war, sah ihn fragend an.

Erneut musste der Junge seufzen. „Es ist nichts...“ Er konnte es selbst nicht genau sagen. Zuhause war seit dem vergangenen Freitag nichts besonderes vorgefallen und die Schule war heute nicht anders gewesen als sonst. War es wegen dem Turnier? Wollte er wirklich kämpfen? Er war sich immer noch nicht sicher, doch irgendwie war er tatsächlich enttäuscht, dass so einfach gar nichts passiert war.

„Du wirkst wirklich etwas niedergeschlagen“, bohrte das Digimon in der Kendorüstung weiter.

„Nein, ich...“ Er brach ab und schwieg kurz. „Ich frag mich nur...“ Weiter kam er nicht, da auf einmal ein lautes Piepsen zu hören war.

Er schreckte zusammen. „Was...“, begann er.

„Das Digivice!“, stellte Kotemon fest.

Verwirrt sah Takumi seinen Partner an, ehe er verstand. Er griff nach dem Gerät, dass er an einer Gürtelschlaufe seiner Hose befestigt hatte, und sah es an. Der Bildschirm leuchtete und als er es hochgehoben hatte erschien die übliche Hologrammanzeige, jedoch mit einem vollkommen neuen Inhalt.

Es zeigte eine Karte an – eine Karte ihrer Umgebung, wie Takumi erkannte. In der Mitte der Karte war ein orange leuchtender Punkt; sein Standpunkt. Und nicht weit von ihm entfernt ein weiterer Punkt.

„Das...“, stotterte er. „Das...“ Langsam begriff er. „Ein Gegner?!“

Er sah Kotemon an.

„Lass uns gehen“, meinte das Digimon.

Noch immer zögerte der Junge für einige Sekunden, doch schließlich nickte er.

Der andere Punkt näherte sich ihnen bereits, war nur noch einige hundert Meter von ihnen entfernt.

„Dann los“, sagte Takumi schließlich, schluckte einmal und rannte los. Dabei hatte er eine Karte in der Hand. „Card Slash! Super Evolution Plug-In S!“

Kotemon, das neben ihm lief, wurde von Licht umgeben. „Kotemon – Shinka!“ Die leuchtende Gestalt Kotemon wuchs auf mehr als die 5-fache Größe an. „Dinohumon!“ Das humanoide Reptiliendigimon, das beinahe drei Meter groß war, lief neben Takumi her und überholte diesen schließlich.

Es konnte seinen Gegner spüren und sprang nun in eine weitere Seitengasse, wohin ihm Takumi folgte.

Als Takumi es einholte, sah er einen anderen Jungen, der wahrscheinlich etwas älter war als er selbst und helleres Haar hatte.

Ähnlich wie Takumi, der ein rotes Baseballhemd über einem dunklen T-Shirt trug, hatte auch der andere Junge eine Weste über ein T-Shirt gezogen. Auch trug der andere Junge eine Kappe, die sein Gesicht teilweise verdeckte.

„Was...“, setzte Takumi an, unsicher, wie er sich nun verhalten konnte, als ein Digimon – es war ein Gladimon – bereits auf Dinohumon zu stürmte.

Doch bevor die beiden Digimon aufeinander trafen erschien auf einmal ein Lichtkreis auf dem Boden zwischen den beiden Jungen, aus dem ein seltsamer, scheinbar selbst leuchtender Nebel strömte und sich auf dem kleinen Grünstück zwischen zwei Häusern, auf dem die Jungen standen, verteilten.

Takumi war geblendet und sah erst, als sich seine Augen an die wesentlich hellere Umgebung gewöhnt hatte, dass Gladimon Dinohumon gegen die Wand genagelt hatte und sein Partner die beiden Schwerter des Gegners nur mit bloßen Händen von seinem Körper fernhalten konnte.

„Dinohumon!“, rief Takumi aus und sah die Augen des Digimon zu sich wandern.

Dann schnaubte Dinohumon, spannte seine Arme an und schaffte es, Gladimon zurück zu drängen.

„Gladimon!“, hörte Takumi nun den anderen Jungen rufen. „Card Slash! Boost Chip!“

Kurz leuchtete das Digivice des anderen auf, dann machte Gladimon einige Schritte zurück und sprang dann in die Luft, ein Schwert in jeder Hand. Es begann sich um seine eigene Achse zu drehen. „Wheel Rush!“ Und wie ein mit Schwertern bestücktes Rad griff es Dinohumon an.

„Weich aus!“, schrie Takumi.

Sein Herz klopfte wild. Ein richtiger Kampf. Ein Kampf zwischen Tamern. Ein Kampf auf Leben und Tod. Wenn er einen Fehler machte, würde sein Partner sterben! Er hatte es vorher gewusst, aber er spürte die Angst.

Er durfte nicht verlieren.

Er versuchte ein Zittern zu unterdrücken, während Dinohumon versuchte den Attacken auszuweichen, und griff nach seinen Karten. Er musste sie nutzen!

„Card Slash! High Speed Plug-In H!“

Die Bewegungen Dinohumons beschleunigten sich und es zog nun sein großes Schwert, um die Attacken des gegnerischen Digimons abzuwehren. Dann ging es zum Gegenangriff über.

„Akinakes!“

„Card Slash!“ Takumis Gegner hatte eine weitere Karte in der Hand. „Jumper ROM!“

Gladimon wich der nächsten Attacke mit einem Sprung zur Seite aus und schaffte es Dinohumon einen Treffer von der Seite zu verpassen. Dann hielt es beide Schwerter vor sich, wobei diese zu leuchten begannen und zu einem einzigen Lichtschwert verschmolzen, das beinahe in blauen Licht zu pulsieren schien. „Knight's Honor!“

Damit schoss ein gleißender Lichtstrahl aus der Waffe in einem Wirbel auf Dinohumon zu, das in die Schulter getroffen wurde und knurrte, während es für einen Moment Probleme zu haben schien, sich auf den Beinen zu halten.

„Dinohumon!“ Takumi zitterte. Nein, er durfte auf keinen Fall verlieren! Eine weitere Karte kam in seine Hand. „Card Slash! Fladramon – Knuckle Fire!“

Flammen umgaben nun Dinohumons Klauen. „Knuckle Fire!“ Damit schlug es mit bloßen Fäusten auf seinen Gegner ein, während Takumi eine weitere Karte in der Hand hatte.

„Card Slash! Wild Seventh!“

Der letzte Schlag Dinohumons warf Gladimon zurück und es viel auf den Rücken.

Noch bevor es sich aufrichten konnte, war Dinohumon auf ihm und drückte es mit einer Hand zu Boden, während es mit der Unterarmklinge des anderen Arms die Rüstung seines Gegners attackierte.

Doch bevor einer der beiden Tamer weiteres tun konnte, hörten sie ein Knurren und ein Digimon kam durch den Nebel auf sie zugelaufen.

„Was...“, flüsterte Takumi und fragte sich für einen Moment, ob dies ein weiterer Turnierteilnehmer war. Doch dann konnte er das rote Reptil erkennen, das sie nun aus seinen goldenen Augen drohend ansah.

Es war Guilmon!

Dieses legte nun seinen Kopf in den Nacken und eine Energiekugel bildete sich in seinem Maul. „Pyroball!“

Der Flammenball schoss auf die beiden kämpfenden Digimon zu, die mit einem Sprung zurück auswichen, als sich zwei weitere Gestalten durch den Nebel hindurch näherten.

Es waren ein junger Mann und eine junge Frau und zumindest den Mann konnte Takumi identifizieren.

Es war Matsuda Takato, einer der legendären Tamer. Natürlich, denn Guilmon war sein Partner. Das Digimon, das er selbst erschaffen hatte.

„Was geht hier vor?“, rief Takato, nachdem er die Situation erschrocken gemustert hatte. „Ich bin von Hypnos. Ihr wisst, dass es verboten ist, gegen die Digimon anderer Tamer zu kämpfen.“

Natürlich wusste Takumi das.

Und auf einmal spürte er eine neue Angst. Wenn sie ihn nun festnehmen würden – was würde dann passieren? Sie würden ihm Kotemon sicher wegnehmen. Und würden ihn bestrafen...? Und wenn sein Vater hiervon erfuhr...

„Dinohumon!“, rief er aus, wandte sich ab und lief davon. Hinaus aus dem Nebel.

Vielleicht konnte er so entkommen... Vielleicht...

Er rannte durch die Dunkelheit, bis ihm die Lunge wehtat und er den Eindruck hatte, keine Luft mehr zu bekommen. Dinohumon lief hinter ihm.

Schließlich blieb er stehen und sah sich das erste Mal um.

Niemand folgte ihm.

Er wollte etwas zu seinem Partner sagen, brachte aber kein Wort heraus.

Natürlich war es verboten. Aber wer hätte gedacht, dass sie ihn bei seinem ersten Kampf fanden?

Er wollte sich selbst ohrfeigen. Warum war er nur so dumm? Wieso nur war er so feige?
 


 


 

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Anmerkungen & Erklärungen

Digimon muss ich dieses Mal wohl nicht erklären, da diese ja bereits im letzten Kapitel auftauchten ;)

Dafür noch Minato, das ebenfalls ein Stadtteil von Tokyo ist. Hier lebten übrigens die erwählten Kinder der ersten Digimonstaffel, um genau zu sein im Distrikt von Odaiba, das eine künstliche Halbinsel in der Bucht von Tokyo ist. Und ja, ich habe diesen Wohnort bewusst gewählt.
 

Ich hoffe bei diesem Kapitel, man kann Takumis Gedankengang, auch wenn ihr wahrscheinlich anders handeln würdet, halbwegs nachvollziehen. Denn das wird natürlich noch zu einem großen Konfliktpunkt werden ;)
 

Wie immer freue ich mich über jedwedes Feedback!

Episode 03: Ai und Makoto ermitteln

Weiter geht es im Episode 3 :)

Dieses Mal sind es Ai und Makoto, die die Hauptrolle spielen. Denn auch die Zwillinge (und Impmon) sind älter geworden.

Ob sie sich verändert haben?

Lest selbst! ;)
 

Viel Spaß!
 


 

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Episode 03: Ai und Makoto ermitteln
 

Es ist zehn Jahre her, dass ich, wie auch Renamon und die anderen Loser in diese Welt gekommen sind... Zehn Jahre ist es her, dass ich Ai und Makoto getroffen habe...

Was ein nostalgisches Geschwätz. Zeit ist doch eh relativ und so. Hat glaub ich jedenfalls irgendwer mal gesagt. Ich weiß gar nicht, warum alle darum so ein Theater machen! Pfft!

Aber...

Wenn ich ehrlich bin, bin ich froh in diese Welt gekommen zu sein. Ich bin froh hier zu sein. Bei meinen Partnern...
 

       - Impmon
 

Takato seufzte und schaute weiter auf die Bildschirme in der Hypnoszentrale, in der Hoffnung irgendetwas, irgendein Detail zu entdecken, dass ihm weiterhelfen würde. Etwas, dass ihm verriet, wer die beiden Jungen waren und warum sie gegeneinander kämpften.

Die Aufzeichnungen, die er auf den Bildschirmen ansah, waren die Daten, die das Digivice gespeichert hatte und es war bereits der zweite Tag, an dem er jede freie Minute damit verbrachte, sich die Bilder anzusehen. Er verstand es nicht. Warum würden sie gegeneinander kämpfen? Wer waren sie? Und warum war ein Digital Field erschienen?

Doch das einzige, was auffiel, war, dass die Digivices der beiden Jungen anders waren. Ihre Form war die eines D-Arcs, ja, aber es fehlte der Ring um das Display. Stattdessen hatten sie einen breiten Strich der das Display und auch die Tasten umgab und dieser Strich war in einer anderen Farbe als die Knöpfe oder das Band.

Auch woher sie diese Digivices hatten, war ein Rätsel.

Natürlich hatten sie als erstes in den Datenbanken nachgeschlagen, doch niemand in Hypnos war überrascht, als sich herausstellte, dass keiner der beiden Jungen ein registrierter Tamer war. Die Wahrscheinlichkeit, dass registrierte Tamer, die immerhin überwacht wurden, gegeneinander kämpften, war eher gering. Außerdem hätten sie sehr wahrscheinlich bemerkt, wenn sich die Digivices registrierter Tamer verändert hätten.

Er seufzte erneut und rieb sich die Augen.

Es war bereits Nachmittag und er hatte seit zehn Uhr Dienst bei Hypnos. Und es war ein langweiliger Dienst, da einfach nichts passierte – was an sich gut war, immerhin bedeutete es, dass Frieden herrschte, doch wenn man für mehr als fünf Stunden in den dunklen Haupträumen der Zentrale saß, schlug einem das schon auf das Gemüt.

Genau in dem Moment kam die Person herein, der einfach nichts auf das Gemüt schlagen konnte.

„Mann, starrst du immer noch die Bilder an?“, fragte Ryou und schlürfte an einem Plastikbecher mit Kaffee.

Wenn auch nicht ganz freiwillig trug Ryou, wie immer, wenn er arbeitete, einen Anzug bei dem nur die blaue mit bunten Smileys verzierte Krawatte auf seine Frohnatur schließen ließ.

Locker lehnte er sich nun an den Schreibtisch neben Takato und sah auf die Bilder. „Vielleicht ist es nur ein Einzelfall“, meinte er – und das nicht zum ersten Mal an diesem Tag.

„Das glaub ich nicht“, antwortete Takato, ebenfalls nicht zum ersten Mal. „Das Digital Field, ihre Digivices... Da steckt mehr dahinter.“

„Mach dir nicht so viele Gedanken“, meinte der Ältere. „Dein Gesicht wird sonst ganz faltig.“

„Aber warum kämpfen sie gegeneinander...?“ Takato sah noch einmal auf den Bildschirm, schüttelte dann aber den Kopf und stand auf. „Ich mach etwas Pause“, meinte er.

„Geht klar“, erwiderte Ryou und machte es sich in einem Bürosessel bequem.

Takato bückte sich zu Guilmon, das – wie meistens wenn er arbeitete – am Boden schlief. „Hey, Guilmon. Wir machen Pause.“

Verschlafen blinzelte das Digimon. „Hö?“

„Pause“, wiederholte Takato lächelnd.

Die Miene des roten Reptils hellte sich auf. „Oh. Pause!“ Damit stand es auf und folgte seinem Tamer aus dem großen Saal heraus.

Natürlich langweilte sich Guilmon in Hypnos, wenn es nichts zu tun gab. Aber was sollten sie tun? So lang keine anderen Digimon dabei waren, langweilte es sich auf Dauer ebenfalls im Park und sollte doch einmal etwas passieren, so war es wichtig, dass Guilmon in seiner Nähe war, damit sie etwas tun konnten.

„Lass uns ein wenig raus gehen“, meinte Takato nun und ging Richtung Aufzug.

„Ja“, antwortete Guilmon langgezogen. „Hast du was zu essen?“

„Wir können etwas kaufen“, schlug der Junge vor.

Dies schien das Digimon noch mehr zu erfreuen. „Okay.“

Achtzehn Stockwerke tiefer verließen sie den Aufzug. In der Eingangshalle waren einige Menschen, doch niemand achtete hier mehr auf den jungen Mann und sein Digimon, da sie beide beinahe jeden Tag seit drei Jahren sahen.

Draußen schien die Somme und es herrschte geschäftiges Treiben auf dem Vorplatz. Neben den üblichen Büroarbeitern, die im Government Building oder in einem der angrenzenden Gebäude arbeiteten und gerade ihre Pause machten oder geschäftig zur Arbeit eilten, waren auch ein, zwei Mütter mit Kindern im Kinderwagen zu sehen und einige Jugendliche.

Takato sah auf die Uhr. Es war schon fast halb vier. Später als er gedacht hatte.

„Lass uns was zu Essen holen, Guilmon“, meinte er und tätschelte den Kopf seines Partners.

Fröhlich folgte dieser ihm, während er sich auf den Weg zur McDonalds Filliale machte, die auf der anderen Seite des Blocks lag. Guilmon mochte Fastfood, so wie es nahezu alles mochte. Nur das meiste andere stand nicht in den Mengen schnell zur Verfügung, in denen Guilmon es verspeiste.

So kaufte er eine ganze Tüte mit Hamburgern und machte sich mit dieser in der Hand wieder auf den Rückweg.

Gerade als er auf dem runden Vorplatz des Wolkenkratzers angekommen war, hörte er ein Rufen. „Hey, Takato-san! Guilmon!“

Er sah auf und erkannte Ai und Makoto, die gefolgt von Impmon aus Richtung des Shinjuku Central Parks auf ihn zugelaufen kamen.

„Hallo, ihr drei“, meinte er freundlich, als die kleine Gruppe ihn erreicht hatte. „Was macht ihr denn hier?“

„Na ja...“, setzte Makoto unsicher an, während Ai einen kleinen Sprung machte.

„Wir melden uns zum Dienst!“, rief sie aus. „Gibt es was für uns zu tun?“

Takato musste etwas lachen. „Nein, ich fürchte eher nicht...“

Derweil hatte ihm Guilmon, das offenbar wirklich hungrig war, mit dem Maul die Tüte aus der Hand geschnappt und versuchte die Bürger aus ihren Packungen zu befreien. Versuche, die dank der eher ungeschickten Klauen weniger von Erfolg geprägt waren.

Impmon gab ein melodramatisches Seufzen von sich. „Es ist wirklich unglaublich. Du lebst schon zehn Jahre hier und bist trotzdem total überfordert. Wirklich peinlich.“ Geschickt nahm es einen Hamburger, entpackte ihn und schob ihn sich, gerade als Guilmon seine vermeintliche Mahlzeit sehnsüchtig ansah, selbst in den Mund.

Gerade wollte Takato dieses Verhalten kommentieren, als Impmon von Ai eine Kopfnuss verpasst bekam.

„Impmon!“, rief sie tadelnd aus. „Was hab ich dir gesagt?“

„Pft, du hast mir gar nichts zu sagen“, meinte Impmon hochnäsig, wofür es bereits die nächste Kopfnuss kassierte. „Ist ja gut, ist ja gut“, lenkte es schnell ein. „Sorry, man, Guilmon.“ Es packte einen weiteren Hamburger aus und hielt ihn dem roten Reptil entgegen. „Hier.“

Guilmon schnappte ihm das Pappbrötchen aus der Hand und verschlang es in einem Schluck. „Danke!“

Darüber musste Takato grinsen. Mittlerweile schien Impmon tatsächlich, obwohl es so freiheitsliebend war, nicht nur viel Zeit mit seinen Tamern zu verbringen, sondern auch halbwegs auf diese zu hören.

„Aber Guilmon“, meinte er dann. „Du hättest auch warten können.“

„Entschuldige“, erwiderte sein Partner niedergeschlagen. „Aber Guilmon hat wirklich, wirklich, wirklich Hunger.“ Es besah die Hamburger, die nun zu Boden gefallen waren. „Und Guilmon mag die dummen Verpackungen wirklich nicht.“

„Wir werden erst einmal essen“, meinte Takato dann zu den Zwillingen. „Aber es ist wirklich nichts zu tun... Ich mein, ihr könnt warten, aber ich glaube nicht, dass es etwas zu tun gibt.“

„Egal, wir kommen trotzdem mit“, antwortete Ai schnell, während Makoto sie nur unschlüssig von der Seite ansah.

Er war schon seit einiger Zeit wesentlich ruhiger, als seine Schwester, weshalb es letzten Endes mittlerweile auch weniger Streitereien zwischen den beiden gab. Makoto gab meistens nach, bevor ein Streit eskalieren konnte.

„Na dann...“ Takato zuckte mit den Schultern und sammelte die Hamburger auf, um sie wieder in der Tüte zu verstauen. „Kommt mit.“

Und so machten sie sich auf den Weg zum Gebäude zurück, wobei Takato jedoch noch etwas einfiel.

„Sagt mal: Müsstet ihr nicht eigentlich noch Hausaufgaben machen?“

„Na ja...“, war erneut Makotos einzige Antwort.

Derweil schlug seine Schwester diese Frage etwas aggressiv aus: „Ach, die können wir noch später machen! Davon abgesehen sind Hausaufgaben eh blöd!“

Takato seufzte, während sie die gläsernen Türen des Gebäudes erreicht hatten und ins recht volle Innere des Gebäudes gingen. Nicht, dass er es nicht irgendwie nachvollziehen konnte - es gab viele Dinge, die interessanter waren, als Hausaufgaben zu machen - doch nun, wo er erwachsen war, sah er die Nötigkeit darin, sich mit dem gelernten Schulstoff auch Zuhause auseinander zu setzen.

Sie gingen zum Aufzug, da niemand Lust hatte die Treppen hinauf zu laufen.

„Schon wieder da?“, begrüßte Ryo sie, als sie nur wenig später durch die sich automatisch öffnende Tür kamen.

„Ja“, antwortete Takato schlicht.

Ryo sah grinsend zu dem Anhang, der Takato folgte. „Na, wen haben wir da? Neue Rekruten.“

„Sofort!“, erwiderte Ai.

Makoto seufzte nur.

Derweil setzte sich Takato und begann die einzelnen Hamburger auszupacken, um Guilmon zu füttern. Wohl wissend, dass es einige Leute nicht gerne sahen, wenn in den Räumen, in denen auch einige empfindlichen Geräte und Maschinen standen, gegessen wurde (vor allem wenn die Digimon aßen, was selten manierlich zuging). Doch auch wenn Takato im Labor darauf achtete, so war es ihm im Büroteil der Organisation egal.

„Woher ist das?“, fragte Makoto auf einmal.

Takato blickte auf und sah ihn fragend an.

Der Junge zeigte auf den Bildschirm, auf dem noch immer die angehaltenen Aufnahmen von vor zwei Tagen zu sehen waren.

Missmutig seufzte Takato. „Wir... Wir haben vor zwei Tagen zwei Tamer - zwei unregistrierte Tamer - beim Kämpfen erwischt. Aber sie sind entkommen. Wieso?“

„Na ja, der eine Junge...“, begann Makoto halblaut, wurde aber von seinem Zwilling unterbrochen.

„Ha, die sind sicher Teilnehmer vom Turnier!“

„Turnier?“, fragte Takato.

Mit hochgezogenen Augenbrauen sah das Mädchen ihn an. „Sagt bloß, ihr habt davon nichts gehört.“

„Nein“, antwortete Ryou, während Guilmon sie nun auch interessiert ansah.

Das Mädchen stemmte die Arme in die Seiten. „Unglaublich, dass ihr davon nichts mitbekommen habt. Eine tolle 'Polizei' seid ihr hier.“ Sie sah zwischen den beiden Männern hin und her. „Dabei redet praktisch jeder an den Schulen davon. Es gibt Gerüchte, dass es ein Turnier für illegale Tamer in Tokyo gibt. Dem Digimon des Gewinners soll es möglich sein auf das Perfect-Level zu digitieren!“

„Aber das...“, setzte Takato im Protest an, schwieg dann aber. „Ein Turnier...?“

„Ja, Digimon die gegeneinander kämpfen“, meinte Impmon besserwisserisch.

„Richtig gegeneinander kämpfen?“ Takato merkte, wie sich ein Klumpen in seiner Magengegend zu bilden schien. „Aber das... Wer würde so etwas tun?“

Ai zuckte mit den Schultern.

Für einen Moment schwiegen alle in der kleinen Gruppe, ehe Makoto endlich zu dem ansetzte, was er schon vorher sagen wollte. „Dieser Junge. Ich kenne ihn...“

Alle sahen ihn an.

„Wirklich?“, fragte Ryou.

„Ja...“, antwortete der Junge. „Er ist von der Yashio.“ Als ihn alle fragend ansahen fuhr er fort. „Wir haben vor zwei Monaten ein Baseballspiel gegen die Schule gehabt. Er war ziemlich gut...“

Takato sah ihn aufgeregt an. „Weißt du wie er heißt?“

Für einen Moment grübelte Makoto, schüttelte dann aber den Kopf. „Shirou... Shirou... Ich glaube Shirou war sein Nachname, aber mehr weiß ich auch nicht.“

Erneutes Schweigen. Doch nun war es Ai, die ihre Chance witterte.

„Wir könnten mehr darüber herausfinden!“, schlug sie vor.

„Wie meinst du das?“, fragte Ryou.

Das Mädchen sah ihn ungeachtet ihres Größenunterschiedes stolz an. „Na, wir spionieren dem Jungen hinterher. Vielleicht finden wir ja so mehr heraus! Ich mein, natürlich könntet ihr einfach zur Yashio und ihn festnehmen - aber so findet ihr sicher nichts über das Turnier heraus. Und wenn ihr da herumlungert fällt es auf. Man hält euch vielleicht noch für irgendwelche Perverse, die auf Mittelschüler stehen.“ Sie kicherte. „Aber wenn wir dahingehen ist es was ganz anderes.“

Takato sah unsicher zu Boden. „Ich weiß nicht so recht...“

Daraufhin klopfte Ai ihm auf die Schulter. „Ach, verlass dich auf uns! Wir machen das schon. Vergiss nicht, wir sind genauso lange Tamer wie du.“

„Na ja, fast...“, warf Makoto ein.

Sie seufzte genervt. „Ja, fast.“

Ryou zuckte mit den Schultern. „Ich find' die Idee nicht schlecht.“

„Meinst du?“, fragte Takato.

„Ja.“ Ryou nickte. „Lass die beiden spionieren, wenn es wirklich so ein Turnier gibt...“ Er ließ die Worte so stehen.

„Wunderbar“, meinte Ai und grinste.

Makoto seufzte und Impmon tat es ihm gleich.
 

Es war der Nachmittag des nächsten Tages, als sich Ai und Makoto an der Shinagawa Seaside Station trafen. Die beiden Zwillinge besuchten seit der siebten Klasse, beziehungsweise der ersten Klasse der Mittelstufe, verschiedene Schulen. Während Ai an die Mukugaoka ging, besuchte Makoto die Horikoshi High School.

Auch wenn es auf Makotos Seite eher widerwillig war, schwänzten die beiden heute ihren Nachmittagsunterricht, um sich auf den Weg zur Yashida High zu machen.

„Hey, wartet doch mal“, protestierte Impmon, das mit seinen kurzen Beinen Probleme hatte mit den beiden mitzuhalten.

Die Zwillinge blieben stehen und drehten sich um.

„Echt mal, dass ihr mich noch immer vergesst“, beschwerte es sich, als es mit ihnen aufholte.

„Naja, so lang ist das nun auch wieder kein Problem“, erwiderte Ai und zückte eine Karte. „Ich könnte deiner Geschwindigkeit auf die Sprünge helfen“, bot sie damit an.

„Dafür ist das nicht gedacht“, warf ihr Bruder ein.

„Sagt wer?“

„Du kannst ja Takato fragen.“

„Ach, und was der sagt, ist Gesetz?“ Ai funkelte ihren Bruder an, woraufhin dieser seufzte.

„Ist nicht nötig“, meinte nun Impmon. „Ich kann schon mit euch mithalten. Pff.“

Daraufhin zuckte das Mädchen mit den Schultern. „Wie du meinst. Aber wir sollten uns beeilen, damit wir diesen Shirou-Jungen erwischen.“

So liefen die zwei Tamer und ihr gemeinsamer Partner weiter durch die Straßen des nördlichen Minato.

Als sie die Schule schließlich, etwas vor Schulschluss erreichten, blieben sie am Tor stehen. Andere Jugendliche, die auf Freunde warteten, sah man öfter. Nur war es nicht immer gern gesehen, wenn sich Schüler von anderen Schulen auf fremdem Schulgelände herumtrieben. Und auch wenn ihre Schuluniformen beide, wie auch die Uniformen der Yashida, größtenteils schwarz waren, so würden sie sicherlich auffallen.

„Und wenn er schon weg ist?“, meinte Impmon.

„Unsinn“, antwortete Ai.

„Vielleicht hat er aber heute eine AG“, warf Makoto ein.

„Ach, was...“, erwiderte sie.

„Und was ist, wenn...“

Genervt stöhnte das Mädchen auf. „Hört doch auf so negativ zu sein!“

Da erklang die Schulglocke und nicht viel später öffnete sich die Tür zum Schulhof.

„Das ist er doch!“, rief Ai aus und zog ihren Bruder und ihren Partner halb in einen der Büsche, die den Schulhof begrenzten.

„Was soll das?“, protestierte Impmon.

„Psst“, meinte Ai.

„Warum sprechen wir ihn nicht einfach an?“, fragte ihr Bruder.

„Weil er uns nichts sagen würde.“

„Das wissen wir doch nicht, bevor wir es probiert haben.“

Das Mädchen machte sich daraufhin nicht einmal die Mühe etwas zu erwidern, sondern hielt die beiden einfach weiter zurück, während sie den Jungen Shirou beobachtete.

Dieser sah sich mehrmals um, schien jedoch weniger danach zu schauen, ob ihm jemand so nachspionierte, sondern schien viel eher zu befürchten, dass ihm jemand von der Schule aus folgen könnte.

Dann lief er die Straße hinunter.

„Hinterher“, befahl Ai, als sich der Junge etwas entfernt hatte und schubste Makoto und Impmon an.

In bester TV-Detektiv-Manier schlichen sie die Straße hinab und fielen in der Gruppe weiterer Schüler, die die Schule nun verließen nur durch ihre Schuluniformen auf. Zumindest galt dies für Makoto, während Ai wahrscheinlich auch durch die roten Strähnen in ihren Haaren aufgefallen wäre.

Anders, als viele seiner Mitschüler schien der Shirou-Junge nicht auf dem Weg zur nächsten S- oder U-Bahnstation zu sein, sondern bog recht schnell in eine Gasse zwischen zwei Wohnhäusern ein.

Ai und Makoto warteten am Ende der Gasse, bis der Junge auf der anderen Seite links abgebogen war, und liefen dann hinterher.

„Wo rennt der hin?“, murmelte Makoto entnervt.

„Psst!“, machte Ai.

„Der hört uns eh nicht“, erwiderte ihr Zwilling und hatte damit sicher Recht, da sie dem anderen Jungen, der noch immer den langärmeligen Blazer der Winteruniform seiner Schule trug, in beinahe hundert Metern Entfernung folgten.

Nun bog dieser wieder in eine Straße ein, auf der mehr Leute unterwegs waren, ehe er auf einen Fußweg abbog. Dieser führte zu einer Brücke, die einen Teil der von der Bucht aus angelegten Kanäle überbrückte. Es war eine reine Fußgängerbrücke, über die im Moment jedoch nur ein paar Leute gingen, so dass Ai und Makoto auf der Höhe des Grünstreifens, der den Kanal abgrenzte warten mussten.

Tatsächlich drehte sich der Junge auf der Mitte der Brücke um, schien sie aber nicht zu sehen und ging weiter.

Als er das Ende der Brücke erreicht hatte, betraten auch sie die Brücke, um ihm weiter zu Folgen.

Die Brücke führte zu einer Insel im Kanal, auf der sich einige Industriegebäude, aber auch mehrere Wohnkomplexe befanden, die der Brücke am nächsten waren.

Als sie diese erreichten, hatten sie den Jungen beinahe aus den Augen verloren und sahen sich um, ehe sie ihn am Ende eines Parkplatzes rechts abbiegen sahen.

„Los, wir verlieren ihn!“, feuerte Ai ihren Bruder und Impmon an und eilte hinterher.

Doch gerade als sie auf der Hälfte des Parkplatzes angekommen waren, blieb Impmon stehen und sah sich um.

„Ai! Vorsicht!“, rief es aus.

„Vorsicht!“, rief auch eine weitere Stimme.

Doch es war schon zu spät, denn im nächsten Moment prallte etwas kompaktes, schweres gegen Ai und brachte sie aus dem Gleichgewicht.

Das Mädchen schrie vor Schreck auf und versuchte sich mit den Händen aufzufangen. „Was...“, setzte sie an und sah sich um, um zu erkennen, was sie umgeworfen hatte.

Einige Meter von ihr entfernt stand ein Digimon, das etwas an einen Dachs erinnerte, und knurrte sie an.

„Beruhige dich, Amibamon!“, hörte sie dieselbe Stimme, die sie bereits vorher gewarnt hatte, als ein Mädchen aus einer Gasse, aus der das Digimon offenbar auch gekommen war, auf sie zugelaufen kam.

Doch das Digimon schien gar nicht daran zu denken sich zu beruhigen. Wie meist bei Digimon, die kampfbereit waren, hatten sich seine Pupillen zusammengezogen, und noch bevor das Mädchen sie erreichte, sprang es erneut auf Ai.

Da wurde es von einem roten Feuerball getroffen, ehe Impmon es in der Luft anrempelte und so von Ai abbrachte. „Hey, Fellball, lass meinen Partner in Ruhe.“

Das Digimon knurrte erneut.

Derweil kam Ai auf die Beine. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie der Shirou-Junge am Rand des Parkplatzes stand und sie ansah. Dann drehte er sich ab.

„Warte, Shirou-kun!“, rief sie, ohne nachzudenken.

Er sah sich kurz um, doch dann rannte er.

„Verdammt“, zischte Ai.

„Tut mir leid“, meinte das recht jung wirkende Mädchen, das hinter dem Digimon hergerannt war. „Amibamon ist normal nicht so, es ist nur...“

Das Digimon sprang auf Impmon zu, das zur Seite auswich. „Ein wenig Hilfe vielleicht?“, beschwerte es sich.

Ai sah ihren Partner an. „Wirklich jetzt?“ Immerhin konnte Impmon im Notfall immer noch selbst zu Belzeebumon digitieren.

„Ja, wirklich“, rief es aus und lies weitere Feuerkugeln auf seinen Gegner prasseln.

Makoto hatte derweil sein Digivice heraus geholt und sah die Daten von Amibamon nach. „Child-Level. Tierdigimon.“

„Hör auf!“, versuchte das fremde Mädchen, das eine jener, in Ais Augen, etwas albernen Mützen mit Katzenohren und Smily-Gesicht trug, das Digimon – wahrscheinlich ihren Partner – zu beruhigen. „Amibamon, es ist alles in Ordnung. Beruhige dich wieder.“

Doch das Digimon reagierte nicht. Noch immer waren seine Pupillen verkleinert und es knurrte, als sich Flammen um seine breit auslaufende Pfoten bildeten und es damit auf Impmon zusprang, welches abgelenkt gerade noch auswich und sich überschlug, als es wieder auf dem Boden aufkam.

„Ai! Makoto!“, rief es aus.

Mittlerweile stand Ai neben ihrem Bruder und riss ihm das Digivice aus der Hand. „Gib her“, forderte sie energisch und wartete gar nicht darauf, dass er protestierte. „Card Slash! Alias!“

„Danke!“, murmelte Impmon und grinste.

Erneut griff das dachsartige Digimon, dessen Fell größtenteils rot, aber schwarz gemustert war, an. „Pyrofist!“

Doch als die Attacke das etwas kleinere Impmon traf, verschwand dieses, beinahe als hätte es sich in Luft aufgelöst.

Verwirrt sah das fremde Digimon – Amibamon – sich um und knurrte.

„Suchst du mich?“, rief Impmon selbstsicher, als es hinter ihm in der Luft erschien. „Night of Fire!“

Erneut wurde Amibamon von roten Feuerkugeln getroffen, schüttelte diese aber ab und sprang noch einmal auf Impmon zu, versuchte es dieses Mal mit einfachen Klauenangriffen zu treffen.

Impmon wich den Angriffen sich duckend und zur Seite springend aus. „Zu langsam, Fellball.“

Derweil hatte Ai die nächste Karte in der Hand. „Card Slash! Devil Chip!“

Der Algorithmus der Karte beschleunigte Impmon und verstärkte außerdem seinen Angriff. Als es dem nächsten Angriff auswich, glitt es über den Boden, beinahe, als wäre dieser aus Eis. Dann war es erneut hinter seinem Gegner und hob seine kleinen Hände in die Luft. „Summon!“ Damit erschien eine blaue Kugel über seiner rechten Hand und eine rote über seiner linken, und beide schleuderte es im nächsten Moment auf seinen Gegner, der sich zwar duckte, sich aber nicht mehr richtig verteidigen konnte.

Flammen umschlugen Amibamon, ehe einen Moment später Eissäulen seine Beine hinauf wuchsen und es Bewegungsunfähig machten.

„Das war's“, sagte Ai, während Makoto sie von der Seite ansah. Sie ignorierte ihn, während sie eine dritte Karte durch das Digivice zog. „Card Slash! Ogremon - Haouken!“

„Haouken“ Ogremons Attacke – in der Form eines Geisterhaft wirkenden Ogremonschädels aus Energie – schoss auf das Bewegungsunfähige Amibamon zu, traf es und warf es zurück.

„Amibamon!“, rief das fremde Mädchen erschrocken aus und lief zu seinem Partner, der kurz vor einem dunklen Auto zum Liegen kam. Es hob das Digimon auf und nahm es in die Arme. „Amibamon!“

Die Zwillinge und ihr Partner blieben stehen wo sie waren, warteten ab. Es gab nicht viel, was sie tun konnten.

Schließlich rührte sich das Digimon mit einem Stöhnen.

„Was ist passiert...?“

„Amibamon“, flüsterte das Mädchen und für einen Moment klang seine Stimme brüchig. Jedoch fasste sie sich schnell wieder. „Geht es?“

„Ich hab etwas Kopfschmerzen“, stellte ihr Partner fest und rieb sich den Spitz zulaufenden Schädel. „Aber es geht... Was ist passiert? Ich kann mich noch erinnern, dass ein Auto...“ Auf einmal schwieg es. „Oh je, ich hoffe ich hab nichts angestellt...“

„Du hast das Mädchen da...“ Das Kind sah auf und zu Ai, welche schnell abwinkte.

„Alles okay“, meinte sie.

„Ich hoffe wir haben deinen Partner nicht zu sehr geschadet“, fügte Makoto schnell hinzu.

Das Mädchen schüttelte den Kopf. „Nein... Es tut mir leid.“ Sie stand auf und verbeugte sich entschuldigend. „Es ist nur... Na ja...“

Impmon verschränkte die Arme. „Spuck's schon aus.“

„Wenn ich Autos oder laute Motoren höre“, begann Amibamon zu erklären, „bin ich manchmal einfach nicht mehr... Ich selbst.“

„Amibamon ist einmal fast überfahren worden“, meinte das Mädchen kleinlaut. „Seitdem...“ Sie sah ihren Partner noch immer etwas besorgt an, ehe sie auf einmal aufsah und grinste. „Aber danke für eure Hilfe! Hätte Amibamon irgendjemand anderen angegriffen... Wer weiß was passiert wäre.“

„Pass besser auf die Fellkugel auf“, erwiderte Impmon.

„Ich versuch's...“, antwortete das Mädchen, deren japanisch, wie den Zwillingen auffiel, teilweise sehr angestrengt wirkte. Aber vom Gesicht und Körperbau her war das Mädchen auch keine Japanerin - vielleicht lebte sie noch nicht all zu lange in Japan. Dann streckte die eine Hand aus. „Ich bin übrigens Amy.“

Etwas verwirrt sahen beide sie an, ehe es Makoto war, der die Hand schüttelte. „Ich bin Makoto und das ist meine Schwester Ai.“ Er schwieg kurz. „Und das ist Impmon.“

Das erwähnte Digimon verdrehte die Augen.

Derweil druckste Amy etwas herum. „Übrigens... Ich weiß nicht, was es mit diesem Jungen da auf sich hatte, aber... Wenn es wegen Amibamon irgendwelche Probleme gab.“

Ai seufzte tief. „Das... Das war nichts...“ Sie sah in die Richtung, in der der Shirou-Junge verschwunden war. „Das war wirklich nichts...“
 

Der Himmel färbte sich bereits ins Rötliche, als Ai, Makoto und Impmon das Gebäude der Sengoku-Station verließen.

Ai hatte die Arme hinter dem Kopf verschränkt und seufzte. „Was eine Pleite.“

„Wir hätten ihn einfach ansprechen sollen“, murmelte Makoto.

„Dann wäre er weggerannt...“, antwortete seine Schwester.

Beide schwiegen für eine Weile, während sie zwischen den vielen kleinen Wohnhäusern westlich der Station nach Hause gingen.

„Na ja, wir können es ja noch einmal probieren“, meinte Impmon aufmunternd. „Er kann ja nicht ewig davon laufen.“

Erneutes Schweigen und Ai sah gen Himmel. „Nein, wahrscheinlich nicht“, meinte sie schließlich. „Aber je länger dieses Turnier anhält, desto mehr Tamer werden ihre Partner verlieren.“

„Vielleicht...“, begann Makoto nachdenklich. „Vielleicht ist das mit dem Turnier auch ganz anders, als wir denken. Ich meine, wir wissen schließlich nichts genaues. Es sind doch nur Gerüchte und vielleicht...“

„Das glaubst du selbst nicht, oder?“, meinte seine Schwester.

Er seufzte. „Nein...“

Schweigend liefen sie weiter nebeneinander her.

Was der Junge wohl jetzt machte? Kämpfte er gegen einen anderen Tamer? Kämpften gerade allgemein irgendwelche Tamer in Tokyo gegeneinander?

Wer organisierte dieses Turnier und wie lange existierte es schon?

Alle drei waren so sehr in Gedanken versunken, das sie zusammenzuckten, als sie ein Piepsen hörten.

Nach kurzer Verwirrtheit zog Ai ihr Handy aus ihrer Schultasche. „Eine Mail“, stellte sie fest und öffnete sie. Ihr Gesichtsausdruck wurde noch betroffener. Sie seufzte. „Von Takato...“

Ihr Bruder fragte gar nicht erst, was der junge Mann schrieb. Es war ohnehin klar.

Kurz überlegte das Mädchen, dann antwortete sie. „Wir haben ihn verloren. Versuchen es morgen noch mal.“

Sie sah ihren Bruder an. „Ich frage mich nur, warum diese Kinder überhaupt in so einem Turnier kämpfen... Ich mein, sind ihnen ihre Partner denn überhaupt nichts

wert?“

Makoto antwortete nicht direkt. „Vielleicht gerade, weil sie um ihre Partner fürchten.“

„Aber...“, setzte das Mädchen an, brach aber ab. Sie steckte ihr Handy weg.

„Wir sollten nach Hause gehen“, meinte Impmon schließlich. „Ich hab Hunger. Außerdem warten eure Eltern vielleicht schon.“

„Sicher nicht“, erwiderte Makoto, der sich, genau wie seine Schwester sicher war, dass das Haus leer sein würde, wenn sie ankämen.
 

Uno Seiji rannte.

Er wusste nicht was, aber etwas war hinter ihm. Etwas mit leuchtenden gelben Augen.

Es war bereits dunkel und in manchen Teilen Nerimas konnte es bereits um kurz vor neun wie ausgestorben sein.

Bereits als er aus dem Bus ausgestiegen war, hatte er das Gefühl gehabt beobachtet zu werden, und dann, als er sich von der Hauptstraße entfernt hatte, hatte er es gesehen. Ein Monster, wie ein schwarzer Schatten.

Und er war gelaufen.

Er wusste nicht, was es für ein Wesen war. Vielleicht war es eins von diesen Digimon, vielleicht war es auch ein Yokai. Ihm war es eigentlich egal. Er wusste nur eins: Es war Gefährlich und er wollte mit den langen, spitzen Zähnen des entfernt an einen Wolf erinnernden Wesens keine Bekanntschaft machen.

Was wollte es von ihm?

Wäre er doch nur nicht mit den anderen in der Karaokebar gewesen...

Der Sechzehnjährige lief zwischen einer Reihe identisch gebauter, grauer Apartmenthäuser hindurch. Vielleicht sollte er versuchen um Hilfe zu schreien? Doch es wäre vergeblich, das wusste er, und es würde ihn nur unnötig Atem kosten.

Er erreichte die Kanalbrücke.

Es war nicht mehr weit. Dann wäre er Zuhause. In Sicherheit.

Er lief über die Brücke und beschloss seinen Weg durch den Sportpark abzukürzen, der hinter der Straße, an der er mit seinen Eltern wohnte, lag. Zwar war dieser in der Nacht abgesperrt, aber das hatte ihn bisher auch nie abgehalten.

Eilig kletterte er den Maschendrahzaun hinauf und achtete dabei nicht darauf, dass der Draht ihn an einigen Stellen die Hände blutig Schnitt. Er sprang auf der anderen Seite zu Boden – landete am Rand des Baseballfeldes des Parks – doch da merkte er, wie ein Schatten über ihn hinweg glitt.

Als er aufsah stand jenes Monster vor ihm, die gelben Augen auf ihn gerichtet. Blaue Flammen schlugen aus dem Schwarzen Maul.

Der Junge bekam weiche Knie. Was sollte er nur tun?

„Bitte!“, flehte er vollkommen außer Atem. „Bitte tu mir nichts.“ Er wandte sich um, in der geringen Hoffnung, erneut über den Zaun zu klettern und so zu entkommen, als er auf der Straße, die er selbst entlang gekommen war, eine Gestalt sah. „Hilfe!“, schrie er. „Hilfe!“

Diese Gestalt, sie musste ihn hören, doch sie reagierte nicht, sondern ging weiter langsam die Straße hinauf, ganz in seine Richtung.

Da kam sie unter einer Straßenlaterne her, so dass Seiji sie besser sehen konnte. Und nach einen Moment erkannte er sie.

„Du...“, setzte er an.

Die Gestalt blieb stehen. Sie lächelte.

Im nächsten Moment spürte der Junge einen stechenden Schmerz, als die Zähne des Monsters in seine Schulter eindrangen. Warmes Blut ließ seine eigentlich blaue Schuluniform in der Dunkelheit schwarz wirken und Schwärze war es auch, die ihm nun die Sicht nahm.

Er spürte Kälte...

Dann nichts mehr.
 


 

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Anmerkungen & Erklärungen

Amibamon & Amy: Die ersten beiden in der Fanfic auftauchenden Beiträge vom Tamer gesucht-Wettbewerb. Die beiden gehören Wolveruss und ihren Beitrag mit den beiden könnt ihr hier sehen:

http://animexx.onlinewelten.com/fanart/1995136/
 

Ansonsten: Ja, ich weiß, das Ende ist mächtig böse und kommt sehr unerwartet ;) Und ja, das ist absolute Absicht. Was es damit auf sich hat, werdet ihr noch erfahren. Aber ich habe euch ja versprochen, dass es hier etwas düsterer zugeht.

Ich hoffe, das Kapitel hat euch gesamt gefallen und freue mich – wie immer – über Feedback :D
 

Bis nächste Woche!

Episode 04: Blutige Spuren

So, das nächste Kapitel kommt, wenn auch etwas spät, online. Jetzt geht es langsam richtig los ;)
 

Viel mehr möchte ich vorher nicht sagen!

Viel Spaß!
 


 

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Episode 04: Blutige Spuren
 

Leiche eines Oberschülers in Nerima

Um halb vier in der Früh wurde die Leiche eines Oberschülers in einem Sportpark im Süden Nerimas aufgefunden. Der Jugendliche ist an starken Blutverlusten verstorben. Genaues ist noch ungeklärt.
 

 - Morgenausgabe der Mainichi Shimbun vom 23. April 2011
 

Shoji erwachte plötzlich. Sein Herz raste. Er war angespannt. Etwas stimmte nicht.

„Gazimon...“, flüsterte er und richtete sich leicht auf. Er lag in seinem Bett - zu Hause - sein Digivice lag auf dem kleinen Regal neben dem Kopfende. Es schien alles wie immer.

Sein Partner, der zusammengerollt am Fußende des Bettes lag, regte sich. Erst zuckte eins der hasenartigen Ohren, dann blinzelte das Digimon. „Was ist?“

Der 18-jährige, der verkrampft im Bett saß, sah sich um. Mittlerweile erkannte er etwas im Dämmerlicht seines Zimmers. Doch nichts schien ungewöhnlich. Er runzelte die Stirn. „Ich weiß nicht, ich...“

Gazimon bemerkte die Anspannung seines Partners. „Du hast nur schlecht geträumt.“

Nach kurzem Schweigen seufzte Shoji. „Ja, wahrscheinlich.“ Damit sah er auf die Digitaluhr, die neben dem Digivice auf dem Regal stand.

Es war gerade einmal kurz nach Sieben.

Für einen Moment schloss er, noch immer sitzend, die Augen. Er könnte versuchen weiter zu schlafen. Doch er wusste bereits jetzt, dass es keinen Sinn hatte. Außerdem war die Sonne draußen bereits aufgegangen und strahlte durch die Ritzen in der Jalousie des Fensters.

Er schob seine Füße aus dem Bett heraus und sah sich in seinem kleinen Zimmer um. Es war wirklich alles normal. Doch was hatte er geträumt? Er konnte sich nicht erinnern.

„Willst du schon aufstehen?“, fragte Gazimon schläfrig. „Es ist doch Samstag...“

Der Junge lächelte. „Ja, ich kann nicht mehr schlafen. Du kannst gerne liegen bleiben.“

Dies schien das Digimon zufrieden zu stellen und mit einem Gähnen legte es seinen Kopf wieder auf seine grauen Pfoten und schien schon bald eingeschlafen zu sein.

Derweil schlüpfte Shoji in seine Pantoffeln und ging ins Badezimmer, das zur Zeit frei war. Nachdem er mit der üblichen Morgentoilette fertig war, beschloss er sich abzuduschen, um etwas Entspannung zu finden.

Er fragte sich wirklich, was nicht stimmte. Aber wahrscheinlich war es wirklich nur ein Alptraum gewesen; einer von jenen Alpträumen vielleicht, die einen noch den ganzen Tag verfolgten.

Mit diesem Gedanken ging er wenig später in sein Zimmer, das gegenüber dem Bad lag, und zog sich dort ein dunkles T-Shirt und eine Jeans an, ehe der die schmale Treppe hinab ins Wohnzimmer des kleinen Einfamilienhauses ging.

Seine Mutter streckte den Kopf aus der Küche.

„Du bist schon wach, Shoji, Liebling?“, fragte sie. „Das Frühstück ist noch nicht

fertig.“

Der Junge lächelte. „Das macht doch nichts“, erwiderte er. „Ich kann dir ja helfen den Tisch zu decken.“

„Das ist lieb von dir“, erwiderte seine Mutter, die ihr dunkelbraunes Haar mit einer Spange zurückgebunden hatte. „Wo ist Gazimon?“

„Es schläft noch“, antwortete er.

„Dabei ist es normal kein Langschläfer.“ Seine Mutter wandte sich wieder dem Anrichten des Frühstücks zu, das nach japanischer Tradition aus Reis, Fisch, Miso-Suppe und Natto bestand.

„Manchmal schon“, erwiderte Shoji und nahm Reisschüsseln und Stäbchen mit ins Esszimmer. „Und was ist mit Vater?“

Makuta Hitomi zuckte mit den Schultern. „Du weißt doch, wie er an Samstagen ist.“ Sie lächelte. „Dann muss er das Frühstück eben kalt essen.“

Der Junge erwiderte ihr Lächeln. „Ja.“

Genau in dem Moment erklang das Schellen des Telefons aus dem Wohnzimmer nebenan.

„Ich gehe schon“, meinte Shoji und lief, so schnell wie möglich ohne zu rennen, zum klingelnden Apparat. „Ja, hier bei Makuta.“ Mit diesen Worten hob er ab.

„Shoji-kun?“, fragte eine Stimme am anderen Ende.

Er erkannte sie, als die von Ryou.

„Ryou-san?“, erwiderte er, überrascht von dem Mann um diese Uhrzeit einen Anruf zu erhalten.

Der Anrufer ging gar nicht auf die Frage ein. „Hast du Zeit?“, fragte er ohne Umschweife. Dabei klang er aufgeregt.

„Was ist los?“ Das Gefühl, das irgendetwas nicht stimmte, kam in Shoji wieder hoch.

„Wir haben... einen Zwischenfall“, antwortete Ryou nach kurzem Zögern. „Und ich könnte... etwas Unterstützung gebrauchen... Ich kann Takato nicht erreichen... Und außerdem...“ Er schien etwas unsicher zu sein.

„Was ist mit Ruki?“ Shoji war überrascht, warum der Mann nicht erst seine Freundin versuchte zu erreichen.

Erneut zögerte sein Gesprächspartner. „Ich... möchte nicht, dass sie das sieht.“

Das ungute Gefühl schien sich damit zu bestätigen. „Na ja...“, murmelte Shoji, der ahnte, dass er auf eine präzise Frage, was denn los sei, keine Antwort erhalten würde. „Gut. Ich kann kommen, denke ich... Wohin denn?“

„Zum Krankenhaus bei Nerima“, antwortete Ryou. „Ich warte draußen auf dich.“ Er schwieg kurz. „Und bring Gazimon mit.“

Dies überraschte Shoji nur etwas. „Ja“, seufzte er. „Ich mach mich auf den Weg.“ Damit legte er auf und ging mit hängenden Schultern in die Küche.

„Wer war es?“, fragte seine Mutter neugierig, während er anfing den Kühlschrank zu durchsuchen.

„Ryou“, antwortete er. „Es gibt ein Problem... Offenbar. Entschuldige bitte. Ich werde nicht mit dir Frühstücken können.“ Dies tat ihm aufrichtig leid, zumal es hieß, dass seine Mutter würde allein essen müssen. Dabei kamen sie schon unter der Woche selten dazu miteinander zu essen, wenn nicht zu Abend.

„Das macht doch nichts“, erwiderte sie schnell.

Der Junge seufzte. Doch, macht es, dachte er sich, antwortete aber nicht, sondern zog ein paar fertige Sandwiches aus dem Kühlschrank hervor, die noch von gestern übrig waren. Er würde sie unterwegs essen.

Dann hastete er die Treppe hinauf und in sein Zimmer. „Gazimon“, zischte er und stieß seinen Partner an. „Hey, Gazimon, aufstehen.“

Das fellige Digimon blinzelte. „Was denn?“

„Wir müssen los“, antwortete sein Tamer.

„Wohin denn?“

„Ich weiß es auch nicht genau. Ryou hat um Hilfe gebeten. Jetzt komm schon.“ Er stieß seinen Partner sanft an, bis dieser sich streckte und dann behäbig aus dem Bett sprang.

Das Digimon gähnte ausgiebig. „Ich hoffe er hat einen guten Grund.“
 

Knapp eine halbe Stunde später kamen die beiden an der Station von Nerima an, von wo aus sie sich auf den Weg zum genannten Krankenhaus machten.

Es war ein sonniger Morgen und hier, in den äußeren Bezirken der Metropole, schien es noch sehr ruhig, gerade wenn man es mit Shinjuku oder Minato, dem Stadtteil, in dem Shoji aufgewachsen war, verglich.

Der Himmel war, bis auf ein paar vereinzelte Wölkchen vollkommen klar, so dass man das digitale Muster der anderen Welt gut erkennen konnte. Auf dem Weg zur Station in Shinjuku hatten sie sogar einen Schwarm Pabumon gesehen.

Doch all das änderte nichts daran, dass sich Shoji von Minute zu Minute unwohler fühlte.

Er fröstelte.

„Was ist?“, erkundigte sich nun sein Partner, der die meiste Zeit während der Fahrt geschwiegen hatte und noch etwas dösig zu sein schien.

„Ich weiß nicht“, antwortete der Junge. „Ich habe ein ungutes Gefühl.“

Das Gefühl bestätigte sich noch mehr, als sie das Krankenhaus sahen und davor zwei abgestellte Polizeiautos.

Ryou, der draußen stand, winkte ihnen schweigend zu. Er wirkte ernst, etwas, was man selten über Akiyama Ryou behaupten konnte.

„Was ist denn los?“, fragte Shoji, als er näher kam.

Der 24-jährige Mann sah ihn schweigend an. „Du hast heute noch keine Nachrichten gehört, oder?“, beantwortete er die Frage mit einer Gegenfrage.

„Nein, wieso?“

„Es wurde heute Morgen eine Leiche in einem Sportpark hier gefunden“, erwiderte der Hypnos-Angestellte. „Ein sechszehn- oder siebzehnjähriger Junge.“

Shoji schluckte.

„Die Polizei nimmt an, dass er von einem Digimon getötet wurde“, erklärte Ryou weiter.

„Und wieso hast du mich hergerufen?“, fragte Shoji.

„Wir brauchen Gazimons Nase“, antwortete Ryou.

Natürlich konnten Digimon den Geruch anderer Digimon wesentlich besser wahrnehmen. Doch das beantwortete nicht alles, denn immerhin war Ryou auch ein Tamer. Nicht nur irgendein Tamer, sondern derjenige von ihnen, der seinen Partner mit Abstand am längsten hatte.

Er schien die Frage zu erahnen. „Monodramon ist eine Schnarchnase. Es riecht alles, nur keine anderen Digimon und wenn artikuliert es sich nicht vernünftig.“

„Na wunderbar“, grummelte Gazimon etwas ungehalten und trottete schließlich neben seinem Partner her, als dieser zusammen mit Ryou durch die Schiebetür in das Krankenhaus eintrat.

Shoji rüstete sich innerlich, während sie sich auf den Weg zur Pathologie machten. Eine Leiche zu sehen, war nie ein schöner Anblick, auch wenn es nicht die erste Leiche in seinem Leben war. Immerhin hatte er schon als Kind seinen toten Bruder gesehen und auch die Leiche seiner Großmutter hatte er vor deren Einäscherung gesehen. Doch wollte er eigentlich nicht wissen, wie eine Leiche aussehen musste, damit die erste Annahme war, dass sie so von einem Digimon zugerichtet worden war.

Vor der Pathologie trafen sie auf einen Polizisten und eine Polizistin, die Ryou nur müde zunickten, während dieser routinemäßig den Regierungsausweis, der ihn als Teil von Hypnos auswies, vorzeigte.

„Der Junge wurde heute um kurz vor drei gefunden“, erklärte Ryou weiter. „Sie haben ihn erst vor knapp einer Stunde hierher gebracht...“

„Woran ist er gestorben?“, erkundigte sich Shoji mit belegter Stimme. Am liebsten wäre er umgekehrt.

„Bisswunden“, antwortete der Ältere tonlos.

Ein Arzt mittleren Alters stand an einem Autopsietisch und sah auf, als die beiden sich näherten. Ein Mundschutz verdeckte sein Gesicht zur Hälfte und seine Haare waren unter einer weißen Haube verborgen.

Er betrachtete Gazimon misstrauisch - soviel konnte Shoji erkennen, denn die Augenbrauen das Mannes schoben sich zusammen.

„Das ist unsere Nase“, meinte Ryou und zeigte auf das Digimon, dem selbst nicht ganz wohl bei der Sache zu sein schien.

Der Arzt erwiderte zuerst nichts. Er schien allgemein nicht begeistert davon zu sein, bei seiner Arbeit gestört zu werden und Shoji fragte sich, ob es vorrangig daran lag, dass sie Gazimon dabei hatten oder dass sie beide noch sehr jung waren. Beinahe hatte er schon damit gerechnet, dass jemand eine Bemerkung darüber machte - immerhin war er selbst nicht einmal volljährig - doch sowohl der Arzt, als auch die Polizisten, die draußen standen, schienen dafür zu höflich zu sein.

„Mein Name ist Yamakaze“, meinte der Arzt schließlich förmlich.

Shoji versuchte mit einem Räuspern den Klumpen, der in seinem Hals zu sitzen schien, loszuwerden - jedoch erfolglos. Seine Stimme klang belegt. „Haben Sie etwas herausfinden können?“ Dabei bemühte er sich möglichst nicht auf den toten Körper zu schauen, den er nun, wo er neben dem Tisch stand, leider sehen konnte.

Trotzdem entging ihm nicht, dass der Junge wirklich noch jung und sein Oberkörper übel zugerichtet war.

„Die Bissspuren passen zu keinem bekannten Tier“, antwortete der Arzt und klang dabei etwas gereizt. „Ich bin kein Zoologe, aber die Zähne hatten mindestens eineinhalb Zentimeter Durchmesser. Solche Tiere gibt es nicht. Es ist daher wohl

klar...“ Er murmelte den letzten Teilsatz nur, ehe er ganz abbrach, doch die beiden Jungen verstanden schon, was er meinte.

Es konnte nur ein Digimon gewesen sein.

Ryou ignorierte dies jedoch. „Und, was sagst du, Gazimon?“, fragte er.

Verunsichert sah das graufellige Digimon erst seinen Partner an, stellte sich dann jedoch auf seine Hinterbeine und schnupperte, ohne sich dem Körper zu weit zu näheren. Es schwieg dabei für eine ganze Weile, ehe es sich schließlich wieder duckte. „Ich rieche ein Digimon“, erwiderte es dann schließlich.

„Du kannst nicht zufällig sagen welches, oder?“, erkundigte sich Ryou weiter.

Gazimon schloss die Augen und schwieg erneut. „Nein“, erwiderte es dann und schüttelte leicht seinen Kopf. „Aber ich kann sagen, dass es kein hohes Level hatte. Es war kein besonders starkes Digimon.“

Ryou sah auf die Leiche. „Nicht, dass das besonders viel sagen würde...“

Immerhin gab es allein auf dem Child- und Adult-Level einige Digimon mit großem Gebiss und vor allem für Adult-Level Digimon war es ein leichtes, einen Menschen zu überwältigen. Selbst Childs gelang dies immer wieder, da ein unbewaffneter Mensch wenig gegen ein Wesen mit spitzen Klauen und Zähnen ausrichten konnte, dass noch dazu Feuer, Energiebälle oder Eiszapfen verschießen konnte. Egal wie klein dieses Wesen war.

„Zu Schade“, murmelte Ryou, als der Doktor sich räusperte.

„Was ich sagen kann, ist, dass er wahrscheinlich zwischen halb zwölf und halb eins gestorben ist“, meinte er. „Und er ist recht schnell gestorben.“

Kein Wunder, bei den Wunden, dachte sich Shoji und wandte sich ab.

Ryou bemerkte dies und seufzte. „Dann werden wir Sie nicht weiter bei Ihrer Arbeit stören. Entschuldigen Sie uns, Yamakaze-sensei.“ Ohne die Förmlichkeit einer Verbeugung oder ähnlichem machte er ein paar Schritte gen der Tür, durch die sie gekommen waren, und Shoji folgte ihm nur zu gern.

Erleichtert atmete der 18-jährige auf, als sie den unterkühlten Raum verließen. Er wollte ein Bad aufsuchen und sich das Gesicht waschen, vielleicht ein Glas Wasser trinken, doch ehe er Ryou fragen konnte, wo er das eine oder das andere tun könnte, kam ein Mann in Anzug mit Krawatte auf sie zu.

„Akiyama-san?“, fragte der Mann, der etwa Anfang dreißig zu sein schien, und sein dunkles Haar sehr kurz trug.

Ryou nickte.

„Wir haben die Unterlagen, die das Opfer bei sich trug, ausgewertet“, fuhr der Mann fort. „Wir haben jetzt den Namen und die Eltern sind bereits informiert.“

Shoji sah zu Boden. Der Junge war noch jung gewesen. Wie mussten sich nur seine Eltern fühlen?

Er wollte gar nicht daran denken. Auch wenn Kenji noch jünger gewesen war, so konnte er sich noch daran erinnern, wie seine Eltern nach jenem Unfall getrauert hatten.

Und dieser Junge war durch ein Digimon getötet worden.

Irgendwie konnte Shoji nicht anders: Er fühlte sich schuldig.

„Shoji“, flüsterte Gazimon, das bemerkte, wie sein Partner blass wurde.

Der Junge schluckte. „Ich gehe ins Bad“, hauchte er und ohne eine Antwort Ryous abzuwarten, ging er los - gerade so schnell, dass er noch nicht rannte.
 

Immer wieder sah Takumi angespannt auf sein Digivice und dann nervös zur Tür, aus Angst, dass sein Vater oder seine Mutter hindurch kommen könnten. Sie durften das Digivice nicht sehen.

Doch er merkte, wie er von Tag zu Tag angespannter wurde.

Am liebsten wäre er jetzt zu Kotemon gegangen, doch er musste zumindest erst einmal seine Hausaufgaben machen. Nur noch ein wenig Mathe und einen Lückentext für Englisch, versuchte er sich einzureden, doch wirklich konzentrieren konnte er sich nicht.

Aber bevor die Hausaufgaben nicht fertig waren, würde er nicht gehen dürfen und er wollte seine Eltern nicht noch mehr anlügen, als er es ohnehin schon tat, wegen Kotemon.

Während er versuchte ein paar eigentlich nicht mal allzu komplizierte Gleichungen zu lösen, kreisten seine Gedanken weiter.

Was wäre, wenn ein anderer Turnierteilnehmer Kotemon fände, so lang er nicht in der Nähe war? Konnten sie erkennen, dass Kotemon zu einem anderen Teilnehmer gehörte? Und was ist, wenn es von Hypnos gefunden würde? Oder wenn... Wenn Hypnos zu ihnen nach Hause käme?

Hypnos hatte einige Möglichkeiten, seine Identität heraus zu finden, da war er sich sicher...

Vor allem, wenn er an die beiden anderen Jugendlichen dachte, die ihm vor ein paar Tagen ganz offenbar gefolgt waren.

Gehörten sie zu den Tamern, die für Hypnos arbeiteten? Oder waren sie ebenfalls Turnierteilnehmer?

Doch wenn sie zum Turnier gehörten, hätte sein Digivice reagiert - oder?

Also: Was hatten sie von ihm gewollt?

Vielleicht redete er sich auch zu viel ein, versuchte er sich zu beruhigen. Vielleicht war es nur Zufall gewesen.

Aber woher hatte das Mädchen dann seinen Namen gewusst?

Er schloss die Augen und lehnte sich zurück, versuchte sich erneut zum Konzentrieren zu überreden. Dann seufzte er und rechnete die Aufgaben weiter. Wenn sie nicht richtig waren, waren sie halt nicht richtig, sagte er sich. Hauptsache, er hatte sie wirklich fertig. Hauptsache, er konnte endlich gehen.

Auch den Lückentext füllte er nicht wesentlich ordentlicher aus. Er war sich sicher, dass er einige Wörter falsch eingesetzt hatte und wie das genau mit den englischen Zeitformen funktionierte, wollte ihm auch nicht mehr wirklich einfallen. Trotzdem sah er es nicht nach, sondern beeilte sich nur die eineinhalb Seiten Text auszufüllen und schlug sein Heft dann schon beinahe zu energisch zu.

Er zog sich seine rote Baseballjacke über, nahm seine Tasche, in der sich Digivice, Karten und seine Fliegerbrille befanden, und verließ sein Zimmer.

„Ich treff mich mit Freunden“, meinte er, als er durch das Wohnzimmer lief.

„Hast du deine Hausaufgaben gemacht?“, erkundigte sich sein Vater, der am Esstisch saß und Zeitung las.

„Ja, alles fertig“, antwortete Takumi, bemüht nicht ungeduldig zu klingen. Da fiel sein Blick auf einen der Schlagzeilen auf der ersten Seite.

Oberschüler in Nerima tot aufgefunden - Opfer eines Digimon?

Er schluckte, sagte aber nichts.

„Mit wem triffst du dich eigentlich?“, fragte sein Vater.

„Yamano und Iida“, antwortete Takumi ohne Nachzudenken. Er konnte nur hoffen, dass sein Vater ihn nicht kontrollierte.

„Dann...“ Sein Vater sah über den Hand der Zeitung auf. „Aber vergiss nicht noch etwas Englisch zu lernen, wenn du wiederkommst. Tono-sensei sagte mir, dass ihr nächste Woche einen Test schreibt.“

„Ja, mach ich.“ Damit lief Takumi weiter zur Tür, wo er Hausschuhe gegen seine normalen Schuhe tauschte. „Bis später“, rief er dann und verschwand damit durch die Tür.

Draußen lief er die Treppe hinunter und machte sich auf den Weg Richtung Daiba.

Er hatte Kotemon nun nicht all zu weit von sich zu Hause, um genau zu sein gerade einmal vier Straßen weiter, auf einem der zum Hafen gehörenden Lagerhöfe versteckt. Er wusste, dass es doppelt, nein, dreifach riskant war, da er so nicht nur riskierte, dass irgendwelche Arbeiter Kotemon fanden, sondern auch die Wahrscheinlichkeit höher war, das seine Eltern, oder jemand, der ihn kannte, ihn mit seinem Partner sah, doch dank des Turniers wagte er es nicht, sich zu weit von dem Digimon zu entfernen.

„Hey, Kotemon. Kotemon“, flüsterte er, während er in einem Gebüsch neben dem Zaun des Lagerhofs stand.

Eine Weile bekam er keine Antwort. Dann: „Takumi?“

„Ja“, antwortete der Junge. Damit stand er auf und ging die Straße weiter hinunter.

Er hoffte, wenn sein Partner ihm unauffällig folgte, würde es niemand von eventuellen Bekannten oder Nachbarn bemerken.

So liefen sie ein ganzes Stück die Straßen entlang, ohne miteinander zu reden.

Erst als sie die volle Straßenbahnstation erreicht hatten, entspannte sich Takumi etwas - hier würde er nicht so schnell auffallen, zumal man an den Stationen immer mal wieder Kinder und Jugendliche mit Digimon sah.

„Ist irgendwas passiert über Nacht?“, fragte Takumi schnell.

Der Kendohelm bewegte sich etwas hin und her, was Kotemons Version eines Kopfschüttelns gleich kam. „Nein“, antwortete es. „Alles in Ordnung.“

Der Junge seufzte.

Der Kampf, bei dem ihn Matsuda Takato überrascht hatte, war nun beinahe eine Woche her und seitdem war nichts mehr passiert.

Doch dann fragte er sich, womit er gerechnet hatte. Selbst wenn man davon ausging, dass etwas hundert illegale Tamer oder auch etwas mehr in Tokyo lebten und selbst, wenn man glaubte, dass davon die meisten am Turnier teilnahmen... Die japanische Hauptstadt war eine riesige Metropole. Natürlich würde man nicht so häufig in einen Teilnehmer laufen.

Und ein Teil von Takumi war darum sogar froh.

Dennoch machte ihn das Warten nervös und die Angst, dass etwas passierte war größer, als die Anspannung beim Kampf selbst gewesen war.

Nun löste der Junge ein Ticket für seinen Partner. Wenn er von der aufgeschütteten Halbinsel weg war, würde er entspannter sein. Dann wurde zumindest die Wahrscheinlichkeit geringer, dass ihn jemand, der ihn kannte, sah.

Obwohl er sich deswegen wahrscheinlich ohnehin unnötig Gedanken machte. Immerhin kannte er eigentlich nur vier der über zwanzig anderen Familien, die im selben Haus lebten wie sie, und auch diese nur oberflächlich.

Zusammen mit Kotemon wollte er sich auf den Weg zu den Gleisen machen, als sein Blick auf einen Zeitungsautomaten fiel.

Er holte seine Geldbörse erneut hervor und fischte hundert Yen heraus, um die Tageszeitung zu lösen. Es war dieselbe, die sein Vater auch zuvor gelesen hatte.

„Was machst du, Takumi?“, erkundigte sich Kotemon.

„Erkläre ich, wenn wir im Zug sind“, erwiderte der Junge.

Dies nahm sein Partner so hin und folgte ihm nun zu den Gleisen.

Hier war es voll, jedoch nicht so sehr, wie es an den meisten Abenden unter der Woche während der Rushhour der Fall war. Es herrschte kein übermäßiges Gedrängel und viele der Leute, die hier unterwegs waren, gehörten zu kleinen Grüppchen von Jugendlichen oder Familien.

Als der Zug schließlich einfuhr, hatte Takumi sogar genug Glück, zusammen mit Kotemon einen Sitzplatz auf einer der Seitenbänke in der Bahn zu erwischen.

Hier nun endlich schlug er auch die Zeitung auf.

„Was ist denn?“, fragte das Digimon erneut.

Der Junge zeigte auf die Schlagzeile, erhielt jedoch nur einen fragenden Blick von seinem Partner, der, wie offenbar viele Digimon - zumindest hatte Takumi das gehört - nur schlecht japanische Schrift lesen und verstehen konnte. Auch wenn die Digimon scheinbar problemlos die Sprachen der Länder, in denen sie sich materialisierten, beherrschten, so galt dies nur für das Gesprochene, nicht für die Schrift.

Woran das lag, hatte Takumi jedoch nicht verstanden.

„Es steht hier, dass ein Junge vielleicht von einem Digimon getötet wurde“, antwortete er seinem Partner mit gesenkter Stimme.

„Wann? Wo?“

„Letzte Nacht. In...“ Er sah auf die Überschrift. „In Nerima.“

Er überflog die Zeilen der kurzen News-Meldung. „Sie haben ihn heute in der Früh gefunden“, flüsterte er dann weiter. „Er ist wohl... zu Tode... gebissen worden.“ Die Worte kamen ihm nur schwer über die Lippen. „Mehr wissen sie noch nicht...“

„Das klingt nicht gut“, meinte sein Partner. „Aber ich frage mich, warum ein Digimon das tun sollte...“

Takumi schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht.“
 

Eine Weile später stiegen Takumi und Kotemon an der Hamamatsucho-Station, in der Nähe des Shibarikiyugartens, aus. Sie befanden sich nun an der Westseite der Bucht und des Hafens und waren - aus Takumis Sicht - damit weit genug von Zuhause entfernt.

Seit sich Kotemon in der realen Welt materialisiert hatte, hatte er sich oft quer durch Minato herum getrieben, während er mit seinem Partner unterwegs war. Demnach kannte er auch diese Gegend halbwegs und war nicht überrascht, dass einige Leute - nicht zuletzt auch Touristen - in der Gegend unterwegs waren.

Neben zwei Parks und dem tokyoter World Trade Center fand sich hier in der Nähe auch die amerikanische Botschaft der Metropole und auch bis zum Tokyo Tower war es von hier aus nicht weit. Um diese machte er jedoch immer lieber einen großen Bogen, da er sich nicht sicher war, wie man an der Botschaft auf Digimon reagierte, nachdem die amerikanische Regierung diesen gegenüber nicht so offen war, wie es die japanische war.

„Wo gehen wir hin?“, fragte Kotemon.

Auf die Frage hin seufzte sein Tamer. „Ich weiß nicht wirklich“, meinte er. „Wir... Laufen in der Gegend rum, nehm' ich an.“

Das Digimon schien dies weniger zu stören. „In Ordnung.“

„Tut mir leid“, murmelte der Junge.

„Ich weiß schon“, erwiderte Kotemon. „Es lässt sich nicht ändern.“

Seufzen blieb der Junge kurz stehen. „Wir könnten etwas zu Essen für dich besorgen.“

„Nicht nötig.“

Besorgt sah Takumi das Digimon an. Wollte es nicht, dass er Geld für es ausgab oder hatte es wirklich keinen Hunger? Er wusste jedoch auch, dass Fragen keinen Sinn hätte, weshalb er es erst einmal dabei beließ. „Lass uns zum Park gehen“, meinte er, wobei er sich auf den Hama-Rikyu-Onshi-Garten bezog, der etwas Nördlich von der Station lag, und im Gegensatz zum Shinba-Koen, der direkt neben dem Tokyo Tower gelegen war, nicht ganz so überfüllt war.

„Okay“, erwiderte sein Partner.

So schlenderten der Junge und sein Digimon los, wohl wissend, dass sie es nicht eilig hatten. Immerhin hatten sie einen ganzen Nachmittag herum zu bekommen und das auf eine möglichst unauffällige Art und Weise.

Nun, unauffällig war dabei relativ, da sie die normale Straße nutzten, anstatt durch irgendwelche Gassen zu schleichen. Da sich in der Gegend, wie bereits erwähnt, viele Touristen aufhielten, zog Kotemon doch einige Blicke auf sich, den bei weitem nicht in jedem Land waren die Digimon so akzeptiert wie in Japan und daher bei weitem auch nicht so häufig gesehen.

„Oh, look, look, that's a Digimon!“, meinte eine rothaarige, groß gewachsene Frau und zog ihrem männlichen Begleiter an der Jacke.

Der Mann sah Takumi und Kotemon an. „Hey, hey boy! Is this little fellow your partner?“, fragte er.

Takumi starrte ihn an.

Er verstand, dass der Mann Englisch sprach, aber was er genau von ihm wollte, wusste er nicht, zumal das Englisch des Herren eine seltsame Melodie und einen noch seltsameren Dialekt hatte.

„Äh“, stotterte er und fühlte sich an die Wand gedrängt. „Äh. I not understand.“

„Oh, how cute“, fuhr die Frau fort und hatte ihre Aufmerksamkeit nun ganz Kotemon zugewandt, dass ebenfalls sehr verunsichert schien.

„Äh“, stotterte der Junge weiter und überlegte schon beinahe panisch, was er machen konnte, beschloss aber schließlich sein Heil in der Flucht zu suchen.

Er packte Kotemon an einem der langen Ärmel und riss es ins Gedränge, dass auf den Bürgersteigen ohnehin herrschte. „We must go.“ Dabei war es zweifelhaft, ob er überhaupt ein einziges der Wörter richtig ausgesprochen hatte.
 

Etwa eine halbe Stunde später saßen Digimon und Partner auf einer Bank in dem direkt am Ufer der Bucht gelegenen Garten. Sie hatten sich nicht beeilt und letzten Endes hatte Takumi darauf bestanden in einem der vielen Supermärkte etwas zu Essen für sich und auch für Kotemon zu kaufen.

So saßen sie nun dort und aßen kaltes Bento, das im Angebot gewesen war.

Nachdem er die Plastikschale beinahe geleert hatte, sah Takumi zum Himmel.

Es war dunkler geworden, seit er von Zuhause losgegangen war, und einige Wolken bedeckten nun den Himmel. Auch der Wind hatte zugenommen, weshalb es doch etwas frisch geworden war, so dass der Junge fröstelte.

Kotemon ließ ein Stück frittiertes Huhn zwischen den Stäben seines Helms verschwinden, ehe es dem Blick seines Partners folgte. „Sieht nach Regen aus“, stellte es fest.

Der Junge nickte. „Ja.“ Er kratzte mit den Stäbchen noch etwas Reis zusammen. „Ich hätte einen Schirm mitnehmen sollen...“

Darauf erwiderte Kotemon nichts, sondern aß weiter.

Mit einem Seufzen schloss Takumi die nun gänzlich leere Plastikbox und holte eine Flasche Grüntee aus seinem Rucksack, um zu trinken. Dann griff er nach seiner Fliegerbrille, die er bisher noch immer nicht aufgesetzt hatte.

„Irgendwie kindisch“, murmelte er zu sich selbst, während er auf die Gläser in der grauen Hartplastikfassung sah. Letzten Endes hatte er sie nur gekauft, weil Matsuda Takato früher auch eine solche Brille getragen hatte. Und natürlich weil Taichi, Daisuke und all die fiktionalen Helden Fliegerbrillen trugen. Als sich Kotemon materialisiert hatte, fand er den Gedanken cool, ebenfalls ein solcher Held zu sein, aber mittlerweile glaubte er nicht mehr daran, jemals ein solcher sein zu können.

Trotzdem hatte er die Brille noch und trug sie, wenn auch nicht im Haar, gerade an den Wochenenden oftmals mit sich herum.

Er konnte nicht einmal wirklich sagen warum.

Bald schon fielen die ersten Tropfen vom Himmel hinab und viele der Leute, die sie vorbeigehen sahen, holten die Regenschirme hervor.

„Wir sollten uns unterstellen“, schlug Kotemon vor, was Takumi nur mit einem Nicken bestätigte und aufsprang.

Ohne sich abzusprechen, machten sie sich auf den Weg zu dem kleinen Schrein, der sich am nördlichen Ende des Gartens befand und vor dem es einen kleinen Pavillon gab, wo sie zumindest trocken bleiben würden.

Der Regen wurde schnell stärker, so dass Takumi erleichtert aufatmete, als sie den teilweise etwas mit Flechten überwachsenen, aus Stein gebauten Pavillon erreichten.

„Was ein Wetter“, murmelte er, während der Regen draußen nun in Strömen hinab goss.

„Es hat die ganze letzte Woche nicht geregnet“, meinte Kotemon. „Es war langsam über.“

Mit einem Seufzen musste der Junge ihm Recht geben. Er sah hinaus. Das Plätschern des Regens war beinahe ohrenbetäubend.

Doch da hörte er unterschwellig noch ein weiteres Geräusch, das aus seinem Rucksack kam.

Ein Piepsen.

Noch bevor er das Digivice hervorgekramt hatte, wusste er, was es damit auf sich hatte. Das runde Hologramm öffnete sich und eine schematische Karte der Gegend wurde angezeigt.

Am Rand der Karte erschien ein roter Punkt: Ein Tamer, der sich im Moment offenbar auf der Straße parallel zum Park zu befinden schien, sich nun aber Richtung Garten wandte und zwischen den Bäumen hindurch lief.

„Kotemon!“, rief Takumi aus und holte eine Karte hervor. „Card Slash! Super Evolution Plug-In S!“

Das Digivice erstrahlte und Licht umgab das kleine humanoid anmutende Digimon. „Kotemon - Shinka! Dinohumon!“

Knurrend stand das große humanoide Reptil nun im Regen, schien diesen gar nicht zu bemerken, und starrte auf eine Stelle zwischen den Bäumen, die an dieser Stelle des Gartens sehr dicht standen.

Für einige Sekunden passierte nichts. Doch dann, ohne Vorwarnung, schoss ein roter Lichtstrahl durch das Dickicht auf Dinohumon zu, dass mit einem Sprung auswich.

Takumi versuchte den Gegner zu erkennen, aber sehen konnte er nichts außer Bäumen und Regen.

Ein weiterer Strahl - dieses Mal aus einer anderen Richtung - und erneut wich Dinohumon mit einem Sprung aus.

„Takumi!“, rief es und der Junge verstand.

„Card Slash! Alias!“

Der nächste Strahl traf, doch anstatt Dinohumon zu verletzten, verschwand das große Reptiliendigimon einfach, nur um gleich darauf in der Luft zu erscheinen und mit einem Schlag seinen bis dahin unsichtbaren Gegner zu treffen.

Für einen Moment schien es, als ob der kleine, braunfedrige Vogel zu Boden fallen würde, doch einen Augenblick, bevor er aufgeschlagen wäre, breitete er seine Flügel aus und gewann wieder an Höhe.

„Owlmon“, erkannte es nun auch Takumi und sah auf sein Digivice, das ihm die Daten des Digimon anzeigte. Dieses Owlmon war auf dem Adult-, nicht auf dem Armor-Level und vom Typus Serum.

Derweil breitete sich nun der Nebel des Digital Field um sie herum aus. Und erst jetzt erkannte Takumi das Mädchen, das zwischen den Bäumen, ein Stück von ihm entfernt stand.

Es hatte einen rosa Regenschirm über sich aufgespannt und sein Digivice in der Hand. Sie schien etwa so alt zu sein, wie er selbst, und trug einen langen, hellen Rock und einen roten Blazer über einem weißen Shirt.

„Owlmon!“, rief sie und zog eine Karte durch ihr Digivice.

Rotes Licht umgab das Vogeldigimon. „Shadow Wing!“

Das Mädchen musste die Garudamon-Karte genutzt haben, um die Perfect-Level-Attacke auf ihren Partner zu übertragen. Der rote Flammenvogel flog durch die Luft auf Dinohumon zu, das erneut versuchte auszuweichen.

Anders jedoch, als die einfachen Laserstrahlen, die Owlmon zuvor abgefeuert hatte, konnte diese Attacke den grünschuppigen Humanoiden verfolgen, als dieser auf das Dach des Pavillons sprang.

Schließlich traf sie und für einen Moment war Takumis Partner trotz des Regens in Flammen gehüllt, ehe er das Gleichgewicht verlor und schwer auf den Grasboden vor Takumi fiel.

„Dinohumon!“, rief der Junge und sah auf die Karten in seiner Hand.

Das Mädchen wartete dies jedoch nicht ab und nutzte selbst eine weitere Karte, woraufhin Owlmon einen weiteren Laserstrahl aus den roten Augen abschoss.

„Card Slash!“ Mit klopfendem Herzen zog er die Karte, die er gerade in der Hand hatte, durch sein Digivice. „Brave Shield!“

Gerade noch rechtzeitig sammelten sich Datenpartikel über Dinohumon und bildeten dort WarGreymons Rückenschild, um das Digimon so zu schützen.

Dinohumon öffnete die Augen und fing das Schild auf. Es kam auf die Beine und sah, das Schild schützend vor sich haltend zu seinem Gegner hinüber, der ab und an mit den Flügeln schlagend etwa einen Meter über den Bäumen schwebte.

Auch das Mädchen sah zu Owlmon hinauf. „Owlmon, jetzt!“, rief es mit einer weiteren Karte in der Hand.

Erneut verschwand das Digimon, wurde scheinbar unsichtbar, so dass Takumi nicht wusste, wo es sich befand. Selbst Dinohumon schien es nicht mehr verfolgen zu können, da es sich verwirrt umsah und seine Umgebung nach dem Vogeldigimon absuchte.

„Takumi!“, knurrte es. „Es ist zu schnell!“

Der Junge nickte. „Card Slash! High Speed Plug-In H!“ Dann holte er eine weitere Karte hervor. „White Wing!“

Dinohumon wuchsen weiße Flügel und es erhob sich nun selbst in die Lüfte. Zuerst schlug es nur langsam mit dem Flügel, doch als – wie aus dem nichts – ein erneuter roter Laserstrahl auf es zuschoss, verschwand es selbst scheinbar – wurde so schnell, dass es für das menschliche Auge nicht mehr zu sehen war.

„Lizard Dance!“, schallte schließlich die tiefe Stimme des Kriegers durch die Luft, als dieser hinter seinem überraschten Gegner erschien und diesen mit seinen beiden Schwertern angriff.

Nun, wo Dinohumon direkt vor ihm war, konnte Owlmon, dessen Stärke darin lag direkte Treffer zu vermeiden und aus dem Hinterhalt anzugreifen, nichts tun. Hilflos war es den Schwertschlägen ausgeliefert und fiel schließlich zu Boden.

„Owlmon!“, kreischte das Mädchen und zog eine weitere Karte durch sein Digivice, jedoch ohne das etwas geschah.

Das Vogeldigimon lag bewegungslos auf dem Boden und verlor bereits Daten.

Mit einem Blick zu ihm meinte Takumi Verzweiflung in den Augen des Mädchens zu erkennen, doch er versuchte es zu ignorieren.

Das Mädchen nahm freiwillig an diesem Turnier teil. Wie er selbst.

Für Mitleid war hier kein Platz. Er musste sich selbst beweisen, wenn er stärker werden wollte. Stark genug...

„Dinohumon!“, feuerte er so seinen Partner an, woraufhin dieser kurz zu ihm sah, dann aber die weißen Flügel anwinkelte und im Sturzflug auf Owlmon zuraste. Dabei nahm er das große Schwert von seinem Rücken.

„Akinakes!“

Der Ruf Dinohumons schalte durch den Garten, als sich sein Schwert durch den Körper des wesentlich kleineren Digimons bohrte.

Für einen Moment flackerte Owlmons Körper, dann löste es sich in eine Explosion aus roten Datenpartikeln auf.

„Owlmon!“, kreischte das Mädchen und wollte scheinbar hinüberlaufen, hielt dann aber inne. „Nein! Owlmon!“

Für einen Moment sahen sich Takumi und Dinohumon an.

Erst jetzt bemerkte der Junge, dass er zitterte. Er versuchte tief durchzuatmen, doch wirklich beruhigend wirkte es nicht.

Sein Partner wandte sich von ihm ab und breitete die Arme aus um die Daten seines besiegten Gegners zu absorbieren. Die Datenpartikel verfärbten sich blau und schwebten auf das Digimon zu, während das Mädchen nun weinend zusammenbrach.

Doch bevor Dinohumon die Daten laden konnte, durchschnitt der scharfe Knall eines Schusses die Luft und ehe Takumi verstand, was geschah, ging Dinohumon zu Boden, verlor nun selbst Daten.

Ein Digimon mit zwei mächtigen schwarzen Schwingen flog durch den Nebel der Digital Zone auf sie zu.

Takumi schluckte, als er das Digimon erkannte. „Beelzebumon?“, hauchte er unglaublich. Ein Ultimate-Digimon. Wie konnte das sein?

Unbewusst machte er zwei Schritte auf seinen Partner zu, als Beelzebumon vor ihm landete und mit einer seiner beiden Pistolen auf ihn zielte.

Da kamen zwei Jugendliche hinter dem Digimon her durch Nebel und Regen gerannt. Es waren dieselben beiden, die Takumi vor einigen Tagen auf dem Parkplatz gesehen hatte. Er erkannte das Mädchen, das nun ein violettes, aber beinahe vollkommen durchnässtes Kleid trug, an dem rot gefärbten Pony.

„Was...“, murmelte das Mädchen, während sie sich umsah.

Sie sah das andere, weinende Mädchen, sah die Wolke aus Datenpartikeln, die noch immer in der Luft hing und sah schließlich zu Takumi hinüber. „Was hast du getan, Shirou-kun?“

Noch immer irritierte es Takumi, dass sie seinen Namen kannte. Doch er brauchte etwas, bis er seine Stimme wiederfand. „Das geht dich nichts an“, erwiderte er unfreundlich. „Hört auf mir zu folgen.“ Er sah auch den Jungen an, der dem Mädchen von Haar- und Augenfarbe her nicht unähnlich sah. „Wer auch immer ihr seid... Das hier geht euch nichts an. Woher kennt ihr überhaupt meinen Namen?“

Das Mädchen mit dem rot gefärbten Pony ballte ihre Fäuste. „Es geht uns schon etwas an! Es ist verboten gegen die Partner anderer Tamer zu kämpfen oder gar sie zu ermorden!“

„Ach ja?“ Mit viel Ironie in der Stimme sah er zu Beelzebumon, das, wie er annahm, der Partner des Mädchens war.

Drei grüne Augen starrten zurück.

Für einen Moment verharrte der Junge, während der Regen weiter vom Himmel hernieder prasselte und das Mädchen, das Owlmons Partner gewesen war, weiterhin schluchzend am Boden kniete.

Takumi wollte einen Schritt auf Dinohumon zumachen, das sich immer noch nicht rührte, doch in dem Moment hob Beelzebumon erneut die Pistole und hob sie ihm an den Kopf.

Erneut trafen sich ihre Blicke und der Ausdruck in den Augen des Digimon war eiskalt.
 

Still sah Shoji aus den Fenstern des Flurs im achtzehnten Stockwerk des Tokyo Metropolitan Government Building, während der Regen von draußen gegen das Glas prasselte.

Er war am Mittag zusammen mit Ryou hierher gekommen und hatte es bisher nicht über sich gebracht zurück nach Hause zu fahren.

Es fühlte sich an, als wäre seine Brust zugebunden, als bekäme er kaum Luft.

Das Bild des toten Jungen ging ihm nicht aus dem Kopf.

Wieso sollte ein Digimon so etwas tun? Er konnte es nicht glauben. Sicher kämpften Digimon, doch kämpften sie um Daten. Daten, die sie von Menschen nicht gewinnen konnten.

„Shoji“, hörte er die Stimme Gazimons hinter sich.

Er wusste das sein Partner dort stand, schon die ganze Zeit, doch er wusste nicht, was er sagen sollte. Wenn er versuchte zu reden, so kam doch kein Wort über seine Lippen.

„Ich weiß, dass es hart für dich gewesen ist“, fuhr Gazimon nach einer weiteren Weile des Schweigens fort. „Aber es hat letzten Endes nichts mit dir zu tun, Shoji. Du hast nichts davon gewusst. Du hättest nichts tun können.“

Der Junge antwortete nichts, sondern nahm sein Digivice aus der Tasche. Er sah auf den Bildschirm des kleinen Gerätes. Er wusste, dass sein Partner Recht hatte, doch das änderte nichts an dem Gefühl in seiner Brust. Angst. Wut. „Aber“, hauchte er schließlich heiser. „Ich bin ein Tamer... Ist es nicht... ist es nicht unsere Aufgabe...“

„Gazimon hat Recht“, hörte er auf einmal eine andere Stimme hinter sich.

Er erkannte Ruki, die hinter ihm an die Wand gelehnt stand. Wie lange wusste er nicht. Sie kam auf ihn zu und klopfte ihn auf die Schulter. „Wir können nicht überall sein. Wir können nicht jeden einzigen Vorfall verhindern.“

„Ich weiß“, antwortete er nach kurzem Schweigen.

„Dann hör auf, so depressiv in die Gegend zu starren“, rügte sie ihn, schien dies aber nicht ganz so zu meinen, wie sie es sagte.

Shoji sah sie an, ehe er wieder auf die Stadt sah. Er atmete tief durch. „Ich frage mich nur, ob es wieder passieren wird.“ Er schwieg für einige Sekunden, ehe er ergänzte. „Und ich frage mich, wieso es überhaupt passiert ist.“

Nun seufzte Ruki. „Vielleicht hat es einen guten Grund... Na ja...“ Sie zuckte hilflos mit den Schultern. „Vielleicht...“

„Ob es auf die Dauer Frieden geben kann?“, fiel Shoji ihr ins Wort, ohne sie anzusehen. „Mit Menschen und Digimon...?“

„Shoji...“, flüsterte Gazimon.

Ruki senkte den Blick. „Ich würde es mir wünschen“, murmelte sie leise und schwieg, sah ebenfalls in den Regen. „Aber“, begann sie dann erneut. „Frieden ist etwas, das weder Menschen noch Digimon zu liegen scheint...“
 


 

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Anmerkungen & Erklärungen

Owlmon: Ein Adult oder Amurleveldigimon vom Typus Virus.

Nerima: Eines der äußersten Viertel von Tokyo. Hikarigaoka, dass aus der ersten Staffel bekannt sein sollte, ist hier übrigens gelegen.
 

Ich glaub, dass ist alles, was ich großartig sagen kann.

Ich muss sagen: Ich persönlich mag die Stelle sehr gern, wie Ai, Makoto und Beelzebumon dazu kommen. Ich weiß nicht, ich stelle es mir sehr "badass" vor von Beelzebumon. Es ist eben doch das selbstständigste der Digimon, weil es so lange allein war. :)
 

Aber gut. Mehr will ich gar nicht sagen. Ich hoffe, das Kapitel hat euch gefallen.

Episode 05: Verharren

Ja, es ist Dienstag, aber da ich heute wegmuss und bis Sonntag nur einmal kurz zu Hause sein werde, lade ich das neue Kapitel heute schon hoch :)

Dieses mal ist es ein eher ruhigeres Kapitel, auch wenn ich natürlich nicht ganz auf Kämpfe verzichte.
 

Ich hoffe es gefällt euch!
 


 

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Episode 05: Verharren
 

Vor zehn Jahren, als ich Renamon traf, war ich wohl selbst nicht gerade ein vorbildlicher Tamer. Ich habe nicht verstanden, was es heißt einen Partner zu haben, wollte nicht verstehen, dass sich die Regeln der Welten voneinander unterschieden. Das einzige, woran ich damals dachte war stärker zu werden. Ich wollte der stärkste Tamer sein. Und hätte es damals ein solches Turnier gegeben, ich hätte wohl nicht zwei Mal nachgedacht um teilzunehmen.

Also denke ich, dass ich jene Kinder verstehe.

Und doch... Ich möchte sie aufhalten. Ich möchte die Situation ändern, damit es möglich wird für Menschen und Digimon friedlich miteinander zu leben.
 

       - Makino Ruki
 

Takumi sah das Belzeebumon an, das seine Pistole auf ihn gerichtet hatte. Sein Herz raste.

Die grünen Augen des Digimon waren fest auf ihn fixiert und wirkten eiskalt. Den Regen, der über seinen Helm rann, schien es gar nicht zu bemerken.

Wollte es ihn angreifen?

Doch dann sah er zu den beiden Jugendlichen, die mit ihm gekommen waren. Es waren wahrscheinlich seine Tamer und sie sagten, sie würden zu Hypnos gehören...

Natürlich würde ihm das Digimon nichts tun. Es wollte ihn nur bedrohen, wollte, dass er Angst hatte.

Ein überlegenes, beinahe manisches Grinsen machte sich auf dem Gesicht des Jungen breit. „Es geht euch nichts an“, wiederholte er seine Worte. „Glaubt ihr wirklich, dass ihr mich so einfach einschüchtern könnt?“ Er lachte trocken. „Es geht euch nichts an. Kümmert euch um eure eigenen Probleme...“

Sein Blick wanderte zu Dinohumon, das zitternd am Boden lag.

Noch immer waren sie von einem leichten Nebel des Digital Fields umgeben, auch wenn dieser sich langsam lichtete, und noch immer schwebten die Datenpartikel des Owlmons in der Luft, während sein Tamer auf dem Boden kniete und weinte.

Für einen Moment herrschte Stille, die nur vom Plätschern des Regens gestört wurde. Dann entsicherte Beelzebumon seine Waffe.

„Du hast ihren Partner getötet“, knurrte es mit tiefer Stille. Sein Finger legte sich auf den Abzug, so dass Takumi auf einmal erstarrte.

Versuchte es wirklich nur ihn einzuschüchtern?

„Das kann ich nicht verzeihen.“ Es sah ihn mit seinen drei kalten, grünen Augen an und spannte seinen Finger.

Für einen Moment schien die Zeit still zu stehen. Takumi dachte, sein Herz würde stehen bleiben.

Es konnte nicht sein. Hypnos würde niemanden töten, immerhin gehörten sie zur Regierung. Oder gehörten die drei vielleicht einfach nicht zu Hypnos? War es vielleicht nur eine Lüge? Wollte dieses Digimon wirklich...?

„Belzeebumon!“, schrie das Mädchen mit den roten Strähnen im Haar auf einmal und lenkte so die Aufmerksamkeit des Dämonendigimons auf sich.

Es wandte den Kopf leicht und ließ die Waffe etwas sinken.

In diesem Moment verlor Dinohumon mit einem Mal einige Daten und digitierte zu Kotemon zurück, das für einen Augenblick liegen blieb, es dann aber schaffte sich aufzurichten.

„Takumi...“, flüsterte es.

Kurz sah der Junge zwischen seinem Partner, den beiden Jugendlichen und Beelzebumon hin und her. Dann nahm er seinen Mut zusammen und lief zu seinem Partner hinüber.

„Geht es dir gut, Kotemon?“

Das Child-Digimon nickte. „Ja, einigermaßen...“

„Lass uns gehen“, murmelte Takumi und half seinem Partner Halt zu finden.

Dieser nickte nur und sie machten sich langsam auf dem Weg zum Rand des Nebelfeldes.
 

Die Zwillinge sahen zu dem Shirou-Jungen, der zusammen mit seinem Kotemon offenbar verschwinden wollte, und für einen Moment wusste keiner von ihnen wirklich, was sie tun sollten. Zu schockiert waren sie noch darüber, was gerade geschehen war. Nicht nur darüber, dass der Partner des Jungen das Digimon eines anderen Tamers getötet hatte, sondern auch über das Verhalten Beelzebumons.

Dieses sah dem Jungen und seinem Digimon hinterher, bewegte sich jedoch im Moment nicht. Es hatte seine Waffe halb gesenkt und steckte sie nun, als sich die beiden entfernten, ganz weg.

„Warte, Shirou-kun!“, rief Ai schließlich und machte einige Schritte in die Richtung, in die der Junge mit seinem Partner ging, doch dann blieb sie unschlüssig stehen und sah zu dem Mädchen, das noch immer auf dem Boden kniete.

Wie auch die Kleidung der Zwillinge, klebte der Stoff ihrer Kleider vollkommen durchnässt auf ihrer Haut, was sie jedoch nicht zu bemerken schien. Regenschirm und Digivice lagen auf dem Boden.

Sie hatte gerade ihren Partner verloren.

Ai wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie war noch nie besonders gut darin gewesen, andere aufzuheitern oder sich allgemein in andere hinein zu versetzen.

Doch da ging ihr Partner auf das Mädchen zu und kniete sich vorsichtig neben sie. Er sagte nichts, sondern legte einfach nur die Hand auf eine ihrer Schultern.

In dem Moment bewegten sich die scheinbar in der Luft festgefrorenen Datenpartikel - noch immer blau leuchtend - und flogen zum größten Teil zu dem Digivice des Mädchens, während ein anderer Teil gen Himmel davonschwebte.. Nachdem sie in diesem verschwunden waren geschah für einen Moment nichts, doch dann erschien ein pulsierendes Ei auf dem Bildschirm des kleinen Gerätes.

Die beiden Zwillinge sahen sich an. Dann hob Makoto das Digivice auf und drückte es dem Mädchen in die Hand. „Dein Partner wird wiederkommen“, sagte er sanft und sah dann zu seiner Schwester.

Diese verschwand und lief in die Richtung, in der der Shirou-Junge - sein Partner hatte ihn Takumi genannt - im Nebel verschwunden war.

Beelzebumon folgte ihr.

Doch außerhalb des Fields, das sich mittlerweile beinahe komplett aufgelöst hatte, sah sie keine Spur des Jungen. Dank der Bäume und des heftigen Regens konnte sie kaum etwas sehen und lief so auf Verdacht in Richtung der nächsten Straße.

Es war nicht leicht mit ihren Stiefeln, die einen leichten Absatz hatten, auf dem matschigem Untergrund zu laufen, doch sie kam recht schnell zur Straße. Doch sie erkannte bald, dass hier ihre Chancen den Jungen zu finden noch schlechter war. Denn trotz des Regens waren die Bürgersteige voll und dank der Tatsache, dass die meisten Leute Schirme aufgespannt hatten, war es noch schwerer die Menschenmengen zu überblicken.

„Ich kann ihn aus der Luft suchen“, knurrte Beelzebumon.

Flügel erschienen auf seinem Rücken, als es in den Blast Mode wechselte, doch noch bevor es abheben konnte, griff das Mädchen nach seiner Klaue. Sie schüttelte den Kopf.

Für einen Moment zögerte das Ultimate-Digimon und sah in die Ferne, doch dann ließ es den Kopf hängen und blieb neben dem Mädchen stehen.
 

Als Ai zu ihrem Bruder und dem Mädchen zurückkehrte, stand dieses wieder auf den Beinen.

Sie schluchzte nicht mehr, auch wenn ihr Atem noch immer unregelmäßig ging und Ai sich sicher war, dass noch immer Tränen über ihre Wangen liefen, auch wenn sie es dank des Regens nicht hätte genau sagen können.

Unsicher näherte sie sich den beiden, wobei ihr Impmon folgte. Auf dem Weg hierher war es zurückdigitiert und schien dabei noch grimmiger zu sein, als sonst.

„Uhm“, begann Ai und sah zu dem Mädchen. „Alles in Ordnung?“ Sie wusste, dass die Frage dumm war, aber ihr viel nichts besseres ein.

Auch wenn ihr Gesicht und ihre Körperhaltung etwas anderes sagte, nickte die Tamerin.

„Tut mir leid, dass wir wohl zu spät waren...“ Wahrscheinlich klang das wieder dumm. Hilfesuchend sah Ai zu ihrem Bruder, der noch immer den Arm um das Mädchen gelegt hatte und mit der anderen Hand den Regenschirm hielt.

Das Mädchen schüttelte den Kopf. „Es hätte Owlmon absorbiert, wärt ihr nicht gekommen“, flüsterte es mit brüchiger Stimme. „Danke.“

Daraufhin erwiderte Ai nichts.

„Wir bringen dich nach Hause“, bot Makoto schließlich an.

Unsicher sah das fremde Mädchen ihn an. „Es ist in Ordnung... Das müsst ihr nicht.“

Erneut trafen sich die Blicke der beiden Geschwister. Ihnen war klar, dass das Mädchen wahrscheinlich eine der Illegalen war, ein Tamer, der sich nicht hatte registrieren lassen. Wahrscheinlich wussten auch ihre Eltern nichts von Digivice oder Partner.

„Lass uns dich zumindest zur nächsten U-Bahnstation bringen“, meinte Makoto schließlich.

Noch immer zögerte die Jugendliche, nickte aber schließlich. „Danke“, flüsterte sie heiser.

„Schon gut“, erwiderte der Junge sanft. „Ich heiße übrigens Hanegawa Makoto. Und das ist meine Schwester Ai.“

Nickend nahm das Mädchen dies zur Kenntnis. „Mayuri...“, antwortete sie dann. „Mein Name ist Mayuri.“ Ihren Nachnamen verschwieg sie wohl absichtlich.

„Dann lass uns gehen, Mayuri“, meinte Makoto, während Ai schwieg.

Mayuri nickte und langsam bewegten sie sich gen Westen zur Hamamatsucho Station, nicht wissend, dass vor kurzem auch Takumi von dort abgefahren war.
 

„Und ihr habt nichts aus ihr rausbekommen?“, fragte Ryou.

„Nein“, erwiderte Makoto.

Die beiden Zwillinge und Impmon saßen zusammen mit Ryou, Ruki und den dazugehörigen Digimonpartnern in einem der Büroräume der Hypnoszentrale. Diese waren, anders als der Kontrollraum besser ausgeleuchtet und hatten Fenster, durch die die Tamer nach draußen in den Regen sehen konnten.

„Warum habt ihr sie nicht mit hergebracht?“, fragte der junge Mann weiter.

Der Junge sah ihn an. „Ihr Digimonpartner war gerade gestorben!“, meinte er auf eine für ihn heftige Weise.

„Aber sie hätte uns sagen können, wie man beim Turnier teilnehmen kann“, entgegnete Ryou ungehalten. „Damit hätten wir vielleicht herausfinden können, wer der Veranstalter ist und dem ganzen ein Ende setzen können.“

Vielleicht, aber nicht sicher“, murmelte Makoto.

Ryou erwiderte nichts.

„Ich verstehe, warum ihr sie nicht mitgenommen habt“, meinte Ruki schließlich und sah ihren Freund an. „Davon abgesehen, dass ihr keine Befugnis dazu gehabt hättet...“ Sie betonte dies überdeutlich.

Der junge Mann verzog die Lippen, während Ruki seufzte.

„Aber wenn wir dieses Turnier nicht beenden werden weitere Digimon sterben“, fügte sie dann hinzu.

„Wären wir nicht gekommen, hätte der Partner des Jungen die Daten absorbiert...“, murmelte Ai. „Dann hätte das Digimon nicht wiedergeboren werden können...“

Der Ausdruck im Gesicht Impmons, das auf der Kante eines Schreibtisches saß, verhärtete sich. Es ballte seine kleinen Hände zu Fäusten, sagte aber nichts, auch wenn es so den Blick Renamons auf sich zog.

Doch auch das Fuchsdigimon schwieg nur und sah schließlich wieder zu seiner Partnerin.

„Wiedergeboren...“, murmelte die junge Frau. „Es ist das erste mal, dass ich davon höre, dass so etwas möglich ist.“

„Die meisten Daten werden geladen“, meinte Ryou nur mit einem Schulterzucken. „Und was mit den Daten von nicht geladenen Digimon passiert, können wir nach wie vor nicht nachvollziehen.“

„Jenrya hat daran geglaubt, dass sie in der Digiwelt wiedergeboren werden“, warf Renamon ein.

Ruki nickte schweigend.

Es herrschte wieder Stille im ansonsten momentan leeren Raum.

Mit einem Seufzen legte Ai den Kopf auf den Tisch und schloss für einen Moment die Augen. Ihre Sachen waren noch immer feucht, da sie nicht erst nach Hause gegangen waren, um sich umzuziehen, und auch die Jacke, die Ruki ihr geliehen hatte, half wenig, da der Raum zwar belüftet, aber nicht geheizt war. Sie fröstelte.

„Zumindest wissen wir jetzt den Namen des Jungen“, meinte Ryou schließlich. „Wir könnten ihn fragen.“

Erst erwiderte niemand etwas, ehe Ai ihren Kopf hob. „Er wird nichts sagen“, murmelte sie. „Er ist ein Dickkopf.“

„Woher weißt du das?“, fragte Monodramon verständnislos.

„Ich weiß es einfach...“

Gerade als sich wieder Schweigen ausbreiten wollte, wurde die Tür zu dem Raum geöffnet und Yamaki Reika kam herein.

Sie sah nicht gerade glücklich aus, was kaum verwunderlich war. Immerhin hatte auch sie sicherlich von dem Mordfall am Morgen gehört.

„Hier seit ihr“, sagte sie und klang dabei etwas müde. „Ich hab euch schon gesucht.“

Ryou streckte sich. „Das heißt, ich kann endlich nach Hause“, stellte er fest.

Reika nickte. „Gibt es irgendwelche Neuigkeiten, die noch nicht vermerkt sind?“, fragte sie dann.

„Nein.“ Der junge Mann schüttelte den Kopf. „Nichts neues...“

Dies nahm die Frau mit einen Nicken zur Kenntnis und sah dann zu den drei anderen. „Hallo.“

Ruki, Ai und Makoto erwiderten die Begrüßung.

„Was macht ihr beide hier?“, fragte Reika dann an die Zwillinge gewandt.

Makoto seufzte. „Das ist eine lange Geschichte.“

„Sie sind dem Jungen gefolgt“, erklärte Ruki kurz.

„Und? Irgendeinen Erfolg?“ Die Frage war eigentlich überflüssig, da sich die Antwort in ihren Gesichtern ablesen ließ.

Fast gleichzeitig schüttelten sie den Kopf.

„Nein...“

„Dieser Shirou-Junge hat den Partner eines Mädchens getötet“, flüsterte Ai.

„Dann gibt es dieses Turnier wirklich“, schloss Reika.

Dieses mal nickten die Vier.

Erneutes Schweigen senkte sich über den Raum, der nur so leer war, da am Wochenende mit geringerer Besetzung gearbeitet wurde.

Schließlich seufzte die ältere Frau. „Was eine Woche...“

„Ja“, erwiderte Ruki nur. Dann seufzte sie. „Na ja, ich denke, ich werde nach Hause gehen. Ich sollte noch etwas lernen.“

„Willst du nicht zu mir?“, fragte Ryou unverhohlen hoffnungsvoll.

Die junge Frau seufzte. „Ich muss lernen“, wiederholte sie mit einem Kopfschütteln. „Vielleicht komme ich später noch vorbei.“

Daraufhin ließ ihr Freund die Schultern hängen, sagte aber nichts, während die beiden Frauen kurz Blicke austauschten.

„Ihr drei solltet auch nach Hause gehen“, meinte Ruki dann an die Zwillinge und Impmon gewandt. „Ihr erkältet euch noch.“

Die beiden Geschwister nickten und Ai stand auf.

„Danke“, meinte sie und wollte der jungen Frau die Jacke zurückgeben, woraufhin diese den Kopf schüttelte.

„Ich hab einen Schirm“, erwiderte sie auf die Geste. „Du kannst mir die Jacke ein anderes Mal wiedergeben.“

Daraufhin nickte das Mädchen. „Danke“, wiederholte sie, während nun auch ihr Bruder und Impmon aufstanden.

„Lass uns nach Hause gehen“, meinte Makoto zu seiner Schwester, woraufhin die beiden zur Tür gingen, durch die Reika zuvor gekommen waren.

„Tschüss.“ Kurz drehte sich Ai noch mal um.

Ruki lächelte matt. „Kommt gut nach Hause.“
 

Es war draußen bereits dunkel, als Ai aus dem Badezimmer kam. Sie hatte heiß gebadet und fühlte sich nun besser, fror vor allem nicht mehr.

Während Makoto nun ins Bad ging, machte sie sich auf dem Weg in die Küche, wo ihre Großmutter auf sie wartete.

Die alte Frau lebte eigentlich zusammen mit ihrem Mann in Bunkyo, war aber, wie so oft, bei ihren Enkeln zu Hause, während die Eltern unterwegs waren.

„Hier“, meinte sie lächelnd und schob Ai ein Glas mit Saft hin.

Das Mädchen, das nun einen Jogginanzug trug, setzte sich an den Tisch der recht großen Küche, und nickte. „Danke.“

Ihre Großmutter saß ihr gegenüber und lächelte ein besonnenes Lächeln, wie man es nur von älteren Leuten kannte.

Ai wusste, dass sie mit ihr reden wollte und darauf wartete, dass sie anfing, war aber ratlos, was sie sagen sollte. Es war zu viel passiert an diesem Tag. Sie fühlte sich müde.

Außerdem wusste sie nicht, wie sie all das ihrer Großmutter erklären sollte, die nicht viel von den digitalen Monstern verstand. Wie konnte sie ihr erklären, was es bedeutete einen Partner zu töten und zu laden?

Während sie den roten Saft durch einen Strohhalm langsam trank sah sie ratlos auf den Tisch.

Immer wieder sah sie den trotzigen Ausdruck im Gesicht des Shirou-Jungen - Takumis - vor sich; sah, wie das Mädchen weinte, wie die Daten in ihr Digivice gezogen wurden. Aber sie sah auch den kalten Ausdruck in den Augen ihres eigenen Partners vor sich, als dieser seine Waffe auf den Jungen gerichtet hatte.

Ai fragte nicht, warum Impmon, warum Beelzebumon dies getan hatte. Sie kannte ihren Partner nach zehn Jahren gut genug um dies zu wissen. Trotzdem jagte ihr der Gedanke daran einen kalten Schauer über den Rücken.

Dann war da noch die Nerima-Geschichte, die schon den ganzen Tag in den Nachrichten war. Ein Digimon, das einen Menschen, einen Jungen, kaum älter als sie selbst, umgebracht hatte.

Wie sollte sie darüber mit ihrer Großmutter reden?

Doch diese schien ihre Gedanken zu erraten. „Weißt du, als ich so alt war wie du, gab es diese Digimon noch nicht“, meinte sie. „Wir hätten uns so etwas wie eine digitale Welt niemals vorstellen können und ich verstehe all das, wenn ich ehrlich bin, auch heute nicht im geringsten.“ Sie lachte leise. „Aber Impmon ist ein guter Junge und auch die anderen Digimon, die schon einmal hier waren, scheinen nette Kinder zu sein.“ Sie schwieg kurz und sah ihre Enkelin an. „Ich verstehe von den ganzen Dingen, die im Moment in dieser Stadt passieren nicht viel. Aber ich weiß, dass es ein Band gibt, dass Makoto, dich und Impmon verbindet. Und dass es wert ist, dieses Band zu beschützen. Und wenn es andere Kinder mit einem solchen Band gibt, ist es das sicherlich auch wert.“

Noch immer schwieg Ai, auch wenn sich ihr Glas langsam leerte. Sie wusste einfach nicht, was sie sagen sollte, weswegen ihre Großmutter schließlich fortfuhr.

„Ich weiß, dass es nicht leicht für dich und Makoto ist; auch, dass eure Eltern wenig Zeit für euch haben...“ Sie seufzte leise. „Aber wenn dir etwas auf dem Herzen liegt, kannst du mit mir reden.“

Nach kurzem Schweigen nickte das Mädchen. „Ich weiß“, sagte sie leise. „Danke, O-baa-chan.“ Sie trank das Glas aus. „Es ist alles in Ordnung“, versicherte sie dann, auch wenn sie merkte, dass ihre brüchige Stimme dies nicht unbedingt bestätigt. „Du musst dir keine Sorgen um uns machen.“

Ihre Großmutter nickte und lächelte wieder. „Das ist gut.“

Mit einem tiefen Seufzen stand Ai auf. „Ich gehe auf mein Zimmer“, meinte sie dann. „Danke noch einmal, O-baa-chan.“

„Ich mache später Abendessen“, sagte die alte Frau, deren dunkelgraues Haar zu einem Knoten zusammengebunden war.

„Danke“, murmelte das Mädchen und verließ damit die Küche, nicht ohne schlechtes Gewissen.

Aber im Moment machte sie sich auch Sorgen um Impmon, dass kaum ein Wort gesagt hatte, seit sie wieder nach Hause gekommen waren. Sie nahm beinahe an, dass es einmal wieder weggelaufen war, wie das Digimon es doch öfter tat, doch tatsächlich fand sie es in ihrem Zimmer auf dem Bett sitzend.

Wie schon zuvor bei Hypnos hatte es die Hände verkrampft auf die Beine gelegt und sah diese an, rührte sich dabei kaum.

„Impmon“, flüsterte das Mädchen vorsichtig.

„Ai“, erwiderte ihr Partner mit trockener Stimme und sah kurz auf, ehe es wieder zu Boden blickte. „Ich...“, begann es dann unsicher. „Es tut mir leid.“

Kurz zögerte sie. Über Gefühle und ähnliches zu reden war wirklich nicht ihre Stärke. „Ich weiß“, antwortete sie schließlich und setzte sich vorsichtig neben das Digimon. „Du...“, setzte sie an, brach dann aber ab, weil sie nicht genau wusste, was sie überhaupt sagen wollte.

So saßen sie schweigend nebeneinander, bis sich Impmons Finger weiter verkrampften.

„Ich kann es nicht verzeihen“, zischte es kaum hörbar. „Es ist unverzeihlich...“

„Impmon“, begann das Mädchen wieder, doch ihr Partner sprang auf und sah sie an.

„Ich gehe etwas Luft schnappen.“ Ohne auf eine Antwort zu warten hüpfte das Digimon zum Fenster am Ende des Bettes, öffnete dieses und sprang in den Regen hinaus.

Ai sah ihm hinterher. „Impmon...“, flüsterte sie.

Sie blieb auf dem Bett sitzen und seufzte.

Leider wusste sie eins genau: Im Moment konnte sie nichts für ihren Partner tun, denn auch wenn sie genau wusste, was das Digimon bedrückte, so fiel ihr nichts ein, was sie dagegen machen könnte. So war das einzige, was sie machen konnte, zu hoffen, dass Makoto etwas dazu einfiel oder Impmon von selbst darüber hinweg kam und in der Zwischenzeit nichts dummes machte.

Schließlich schloss sie das Fenster wieder.

Dabei wollte sie selbst etwas machen. Sie wollte ihrem Partner helfen. Sie wollte etwas tun. Sie wollte diesem Irrsinn ein Ende bereiten, bevor weitere Tamer ihren Partner verloren.

Ihr Blick fiel auf das Digivice, das sie mit Makoto teilte und das im Moment auf ihrem Schreibtisch gegenüber des Bettes lag.

Sie wollte etwas ändern. Doch lag dies wirklich in ihrer Macht? Letzten Endes war sie doch nur ein halber Tamer.
 

Was Ai und Ruki, ohne es zu wissen, gemeinsam hatten, war, dass sie zu Hause von ihrer Großmutter empfangen wurden.

Eigentlich wohnte die junge Frau nicht mehr bei Mutter und Großmutter, doch hatte sie sich, statt zu ihrer für eine Studentin stattliche Wohnung zu fahren, auf dem Weg zum großen Haus im Nordwesten Shinjukus gemacht.

Sie hatte ihren Schirm aufgespannt und ging langsam durch den Regen.

Hier in der sehr wohlhabenden Gegend des Stadtteils, waren die meisten Grundstücke groß und mit Mauern umgeben. Da man die größtenteils niedrigen Häuser hinter den Mauern nicht sah, wirkte die Gegend nun durch den Regen beinahe wie ausgestorben.

Die junge Frau blieb in der Straße vor ihrem Elternhaus stehen.

Das Licht der Straßenlaternen reflektierte sich in den Pfützen, die sich mittlerweile auf dem Boden gebildet hatten, als Renamon hinter ihr aus dem Schatten erschien.

„Was hast du, Ruki?“, fragte es, wie immer um ihr Wohlergehen besorgt.

Sie erwiderte nichts, während sie auf die hölzerne Tür zum Grundstück ihrer Mutter sah. „Es ist nichts“, antwortete sie dann leise. „Ich bin nur müde.“

Auch wenn ihr Partner nur nickte, so wusste Ruki, dass es genau bemerkte, dass etwas mit ihr nicht stimmte. Es bemerkte ihre Bedrücktheit, hatte diese auch in den vergangenen Wochen gespürt, wenn auch nie so stark wie heute.

Sie fühlte sich hilflos. Einsam und hilflos.

Ohne ein weiteres Wort holte sie ihren Schlüssel heraus und öffnete die Tür zum Grundstück.

Während Renamon wieder mit dem Schatten verschmolz, ging sie den gepflasterten Weg zum dem im altjapanischen Stil gebauten Haus entlang und schloss den Schirm, als sie es erreichte.

Sie öffnete die Haustür und schlüpfte aus ihren Schuhen.

Schritte näherten sich über den hölzernen Boden und ihre Großmutter sah in den kleinen Eingangsraum am Ende des Flurs.

„Oh, Ruki, was machst du hier?“, fragte sie, augenscheinlich überrascht ihre Enkelin zu sehen.

Die junge Frau unterdrückte ein Seufzen. „Ich dachte, ich schau mal vorbei“, meinte sie. „Ich meine... Es ist Wochenende.“

Noch immer wirkte Hata Seiko überrascht. „Ja, sicher“, erwiderte sie. „Aber... Was ist mit Ryou-kun?“

Ruki überhörte diese Frage, während sie ihren Regenschirm aus der noch offenen Tür abschüttelte und ihn dann gegen die Wand des Foyers stellte.

„Ist Renamon bei dir?“, fragte ihre Großmutter schließlich.

Das Digimon erschien in der Eingangstür. „Guten Abend“, sagte es förmlich.

„Hallo, Renamon“, erwiderte die Frau und warf dann ihrer Enkelin einen besorgten Blick zu. „Ich fürchte Rumiko ist nicht da.“

Ruki hielt kurz inne und überlegte. Dann fiel ihr schließlich ein, dass ihre Mutter bis zum nächsten Wochenende auf einer Messe und Modenschau in Europa war. „Ich weiß...“, sagte sie dann langsam.

Für einen Moment sah Seiko sie an, seufzte dann aber. „Ist dir nicht kalt, Mädchen?“, fragte sie dann, da Ruki nur ein ärmelloses Top trug, seit sie ihre Jacke Ai gegeben hatte. Bevor ihre Enkelin antworten konnte, schüttelte sie den Kopf. „Komm erst mal in die Küche, ich koche dir einen Tee.“

Ruki nickte und folgte ihr zusammen mit Renamon, das nach wie vor Abstand zum Esstisch wahrte.

„Du wirkst bedrückt, Liebes“, meinte Seiko schließlich, als sie ihr den Tee servierte.

Die junge Frau sah auf die dampfende Tasse. „Ja“, murmelte sie schließlich und nahm einen Schluck. „Du hast es sicher in den Nachrichten gehört.“

„Der tote Junge?“, fragte ihre Großmutter.

Sie nickte nur.

„Und, war es ein Digimon?“

Ruki seufzte. „Es sieht danach aus...“

Daraufhin schwieg die mittlerweile fast sechzigjährige.

„Im Moment passiert viel“, murmelte Ruki. Sie sah ihre Großmutter an. „Kann ich heute Nacht hier übernachten?“

Etwas überrascht sah Hata Seiko sie an, obwohl sie die Frage sicher hatte kommen sehen. „Aber natürlich“, meinte sie dann mit einem sanften Lächeln. „Dies ist immer noch dein Zuhause, das weißt du doch.“

„Ja“, erwiderte die junge Frau leise und trank einen Schluck Tee. „Ich weiß.“
 

Etwas später lag Rukis Tasche, die einige Unterlagen und ihren Laptop enthielten, in ihrem alten „Kinderzimmer“, während sie selbst in der Badewanne des traditionell gehaltenen Badezimmers saß.

Renamon stand derweil auf der dem Garten zugewandten Veranda und sah zu, wie der Regen kontinuierlich auf den Boden fiel. Es sah die vielen Ringe, die der Regen auf den Teich in der Mitte des Gartens malte. Mit seinen Augen konnte es sehen, wie die einzelnen Grashalme unter den Tropfen einknickten, um sofort darauf zurück zu federn.

Es verharrte in der Nähe des Badezimmers. Zwar glaubte es nicht, dass irgendeine Gefahr drohte, doch war es, wie immer drauf bedacht, seine Partnerin zu schützen.

Renamon wusste, dass Ruki im Moment emotional aufgewühlt war. Dies hatte nicht nur mit den Ereignissen der letzten Tage zu tun, sondern hielt schon eine ganze Weile an. Ein Grund, das wusste das Digimon – auch wenn es wenig von jenen besonderen menschlichen Gefühlen wie „Liebe“ verstand, war nicht zuletzt Ryou Akiyama.

Das Fuchsdigimon hatte schon länger gemerkt, dass sich Ruki immer mehr von dem jungen Mann distanzierte. Es verstand nicht wirklich wieso und wollte dergleichen auch nicht wirklich hinterfragen, doch es wusste genau, dass es etwas gab, dass seinen Tamer belastete und es hatte mit Ryou Akiyama zu tun.

„Magst du noch etwas Tee, Renamon?“, hörte es eine Stimme und sah Hata Seiko an, die aus der Küche mit einem Tablett gekommen war.

Mit einem leichten Nicken nahm das Digimon eine der kleinen Tassen entgegen. „Danke“, erwiderte es höflich.

Die ältere Frau sah zur Badezimmertür. „Du machst dir Sorgen um Ruki“, stellte sie fest.

Daraufhin erwiderte Renamon nichts, sondern sah auf seine Tasse Tee.

„Weißt du, Renamon“, meinte Seiko nach kurzem Schweigen. „Manchmal ist es für Mädchen nicht leicht. Aber es gibt Probleme, die man für sich selbst lösen muss.“ Sie legte dem Digimon die Hand auf die Schulter. „Sie wird es schon alleine schaffen. Du kannst ihr nicht helfen.“

Auch darauf wusste Renamon nicht viel zu sagen. Dafür war es beeindruckt, dass die alte Frau sogar seine Emotionen (so nannten die Menschen es) lesen konnte.

„Mach dir keine Sorgen, Renamon“, fuhr die alte Frau schließlich vor. „Aber wir, Rumiko und ich, sind dankbar, dass du sie beschützt.“

Das Digimon nickte und trank seinen Tee. Dann neigte es den Kopf in einer respektvollen Geste und verschwand, nachdem es die Tasse auf das Tablett zurückgestellt hatte, im Schatten um nachzudenken.
 

Die Zeit verging langsam, an jenem Abend, während Renamon nachdachte. Es hatte die Augen geschlossen und lauschte dem Regen, versuchte dabei zu verstehen, was Rukis Großmutter ihm hatte sagen wollen.

Doch diese Gedanken wurden von einer Stimme unterbrochen, die aus der Dunkelheit heraus nach ihm rief: „Renamon! Renamon!“

Das Fuchsdigimon öffnete seine Augen. Es kannte die Stimme sehr genau und sie schien aus dem Garten des Anwesens zu kommen. Doch umso mehr fragte es sich, was der Besitzer der Stimme hier machte.

Mit zwei raschen Sprüngen schaffte es Renamon auf das Dach des Hauses und sah auf den Garten hinab.

„Renamon!“, rief Impmon erneut, das auf dem steinernen Weg zum Teich in der Mitte des Gartens stand.

„Was machst du hier, Impmon?“, fragte Renamon. „Warum bist du nicht bei deinen Partnern?“

„Ich will kämpfen“, erwiderte das Digimon mit einer grimmigen Entschlossenheit, die nichts mit seiner üblichen vorlauten Frechheit zu tun hatte. „Kämpf mit mir, Renamon!“

Überrascht sah das Fuchsdigimon den kleinen Kobold an. Vor einigen Jahren wäre es von so einer Herausforderung nicht überrascht gewesen, doch das jetzige Impmon hatte wenig mit dem Impmon von vor zehn Jahren gemein. Auch wirkte es nicht, als sei seine Motivation heute sich beweisen zu wollen. Nein, etwas anderes ging vor. Es war ein Freund, der offenbar Hilfe brauchte.

Renamon nickte. „In Ordnung. Aber nicht hier.“ Damit stieß es sich vom Dach ab und landete auf dem Weg. „Folge mir.“

„Aber...“, setzte Impmon an, sah sich dann aber um und nickte schließlich, ehe es dem anderen Digimon folgte.

Weiter fiel der Regen in zahllosen, schweren Tropfen vom Himmel, während die beiden Digimon durch die engen Straßen des Stadtteils wanderten. Keines von ihnen sprach, ehe sie ihr Ziel - ein kleines Baseballfeld, das von einzelnen Bäumen umgeben war, erreicht hatten.

Dort blieb Renamon in der Mitte des Feldes stehen und drehte sich zu dem kleineren Digimon um. „Fang an.“

Auf einmal wirkte Impmon verunsichert. Doch dann ballte es die Fäuste und ließ schließlich eine rote Flamme über seiner Rechten erscheinen. „Night of Fire!“ Es warf den Feuerball auf Renamon, welches sich jedoch nicht einmal bewegte.

Für einen Moment zögerte Impmon, ehe es weitere Flammenbälle beschwor und diese auf das andere Digimon schleuderte.

Dieses Mal bewegte sich Renamon. Drehte sich weg und wischte die flackernden Flammen mit seinem langen Schweif aus der Luft.

Das kleinere Digimon sah es an, zögerte erneut. Es zitterte, doch schien noch immer nicht bereit zu sagen, was es mit dem ganzen auf sich hatte. Dieses Mal erschienen ein Feuerball und eine Eiskugel über seinen Händen. „Summon!“ Erneut richtete es die Attacken gegen Renamon, beschwor immer wieder neue Feuerbälle und Eiskugeln, doch Renamon wich allen mit ein paar Sprüngen nach hinten aus.

Unangetastet stand es nun auf einer Base und sah Impmon an.

„Kämpf richtig“, forderte dieses es nun auf.

„Warum willst du kämpfen?“, entgegnete Renamon nur. „Was ist los?“

„Es...“ Impmon sah zu Boden und zitterte. „Es...“ Dann schüttelte es den Kopf. „Ich kann nicht...“ Erneut beschwor es seine Attacke. „Summon!“

Feuerball und Eiskugel schossen auf Renamon zu, welches dieses Mal in die Höhe sprang und seine Arme vor dem Körper verschränkte. „Koyousetsu!“ Die leuchtenden Diamandblätter erschienen vor seinem Körper und regneten einen Moment später auf Impmon hinab.

Dieses war in seiner Child-Form weder besonders schnell, noch hatte es eine besonders gute Verteidigung, weshalb es der Attacke nicht ausweichen und sich genau so wenig gut vor ihr schützen konnte. Doch es knurrte nur, als die Blätter verschwunden waren und es mit einigen kleineren Kratzern zurückgelassen hatten.

Renamon, noch immer in der Luft veränderte seine Position, um Impmon mit einem Tritt anzugreifen. Wie ein Schatten schoss es durch den Regen, während das kleinere Digimon die einzige Attacke nutze, die es schützen konnte.

„Pillar of Fire!“

Rote Flammen schossen in einer Säule um es herum in die Höhe.

Doch daran störte sich Renamon nicht. Seine simple Attacke traf, ließ die Flammen erlöschen und warf Impmon zurück, so dass es unsanft auf dem schlammigen Boden des Feldes landete.

Dort blieb es liegen.

„Verdammt“, knurrte es.

„Willst du jetzt mit mir reden, Impmon?“, fragte das größere der beiden Digimon und trat auf seinen Freund zu.

„Ich...“ Impmon sah es nicht an. „Er hat seinen Partner genutzt, um den Partner eines anderen zu töten“, hauchte es dann leise, so dass Renamon sich nicht sicher war, ob es wirklich mit ihm sprach oder nur laut dachte. „Ich kann es nicht verzeihen. Es ist unverzeihlich...“ Es zitterte und schloss die Augen. „Aber ich konnte es nicht verhindern.“

„Impmon“, begann Renamon, als der Körper des anderen Digimon aufleuchtete.

Energie sammelte sich und der kleine Körper wuchs auf das mehr als vierfache seiner Größe an

Beelzebumon breitete seine Flügel aus, während es sich aufrichtete. Es war direkt in den Blast Mode digitiert und hatte noch immer die Fäuste geballt. Es sah Renamon an. „Ich werde es niemals verzeihen.“

„Beelzebumon!“, setzte das andere Digimon erneut an, doch das Dämonendigimon schlug nur mit seinen Flügeln und verschwand, nachdem es kurz in der Luft verharrte und es ansah, in den Nachthimmel hinein.

Für einige Sekunden sah Renamon ihm nach, doch dann beschloss es, dass es besser wäre zu Ruki zurückzukehren.

Als es langsam zum Rand des Feldes ging, sah es noch einmal zum Himmel hinauf.

Es wusste, dass Impmon - dass Beelzebumon nicht gelogen hatte. Es würde niemals verzeihen. Niemals würde es jemanden verzeihen, der den Partner eines Tamers tötete. Nicht sich selbst und auch niemand anderem.
 

Die Nacht war schon voran geschritten, als sich die Tür zu Ais Zimmer öffnete.

Das Mädchen saß im Nachthemd an ihrem Computer, ohne wirklich etwas zu tun, außer sich durch verschiedene Seiten zu klicken und auf diese Art und Weise Ablenkung zu suchen. Nun, als sie die Tür hörte, sah sie sich um.

Ihr Bruder, der mittlerweile ein eigenes Zimmer hatte, steckte den Kopf in das Zimmer. „Du bist noch wach?“

Sie nickte.

Daraufhin kam Makoto hinein. Auch er trug seinen Schlafanzug bereits. „Wo ist

Impmon?“, fragte er nachdem er sich kurz umgesehen hatte.

„Ich weiß es nicht“, antwortete sie mit einem Schulterzucken. „Es sagte, es will etwas frische Luft schnappen.“

Der Junge sah sie etwas bedrückt an. „Was ist nur mit ihm?“

„Das weißt du genau so gut, wie ich“, erwiderte Ai.

Makoto schwieg und sah für einen Moment auf den Boden. Für einen Moment sah es so aus, als würde er etwas sagen wollen, doch letzten Endes schwieg er doch.

„Impmon wird wieder kommen“, meinte Ai schließlich. „Es braucht nur mal wieder etwas Zeit für sich.“

Ihr Bruder schwieg. „Ich weiß...“ Dabei schüttelte er jedoch gedankenversunken den Kopf. Schließlich sah er wieder zu seiner Zwillingsschwester. „Ich gehe ins Bett. Gute Nacht.“

Sie nickte. „Gute Nacht.“

Dann verließ Makoto ihr Zimmer und schloss die Tür hinter sich.

Ai sah diese noch für einige Momente an, seufzte dann und wandte sich wieder ihrem Computer zu. Zwar stritt sie sich mit ihrem Bruder kaum noch, jedoch redeten sie allgemein (oftmals) wenig miteinander. Sie hatten in den letzten Tagen wahrscheinlich mehr Zeit miteinander verbracht, als sie es normal in zwei Wochen taten. Gerade seit sie auf verschiedene Schulen gingen hatten sie wenig miteinander zu tun. Was nichts daran änderte, dass sie sich oft über ihn aufregte - und wahrscheinlich war es umgekehrt nicht anders.

Und das, obwohl sie sich einen Partner und ein Digivice teilten...

Sie grummelte vor sich hin.

Der Tag hatte ihr gehörig die Laune verdorben. Vor allem der Shirou-Junge - Shirou Takumi - und seine Ignoranz.

Sie ärgerte sich, dass sie zu spät gewesen waren, dass sie nichts mehr hatten tun können. Dabei war es ohnehin Glück gewesen, dass sie das Digital Field gesehen hatten. Sie waren zuvor einfach ziellos durch Minato geirrt.

Mit einem Seufzen sah sie auf die Zeitanzeige ihres PCs. Es war bald schon eins.

Sie sollte wahrscheinlich besser ins Bett gehen.

Gedankenverloren öffnete sie noch einmal ihr Emailpostfach und fand, zu ihrer Überraschung, eine neue Email von einem ihr unbekannten Absender. Die Mail war vor wenigen Minuten eingegangen.

Halb mit Spam rechnend öffnete sie die Nachricht, nur um im nächsten Moment mit offenem Mund auf den Bildschirm zu starren.
 

Hanegawa Ai,

Ich habe mitbekommen, dass du und dein Bruder eure Nasen in Dinge reinsteckt, die euch nichts angehen. Glaubt ihr wirklich, ihr könnt das Turnier aufhalten? Jene Kinder haben Angst ihren Partner zu verlieren und die meisten von ihnen würden alles tun, um dies zu verhindern. Kannst du das nicht verstehen?

Doch ich habe mich entschlossen euch eine Chance zu geben, um die Spiele etwas spannender zu gestalten.

Im Anhang dieser Email findest du ein Programm. Wenn du dieses Programm auf euer Digivice lädst, wird es dir möglich sein, die Turnierteilnehmer damit aufzuspüren. Doch sei vorsichtig: Sie werden euch damit auch finden können.
 

Gez.

Der Meister der Spiele
 

PS: Auch wenn ihr es versuchen solltet, das Programm wird euch nicht helfen mich zu finden.


 

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Anmerkungen & Erklärungen

Diese Woche gibt es glaube ich nichts zu erklären.
 

Endlich ein wenig „Quality-Screentime“ für Ruki. Und für Großmütter.

Zur Information eventuell über die Großmutter von Ai und Makoto: Diese habe ich selbst erfunden, da man ja über die Eltern, beziehungsweise Familie der beiden in Tamers selbst nie etwas erfährt. Es wird nur angedeutet, dass die Eltern relativ wenig Zeit für sie haben. Und wir wissen, dass die Familie während der D-Reaper-Phase bei der Großmutter in Bunkyo unterkommt.
 

Ich warne übrigens vor: Aller Voraussicht nach wird es nächste Woche kein neues Kapitel geben, da sowohl ich, als auch meine Betaleserin im Urlaub sind ;) Ob übernächste Woche etwas kommt, hängt davon ab, ob ich im Urlaub zum Schreiben komme oder nicht. Tut mir leid :(
 

Ich hoffe zumindest, dass Kapitel hat euch gefallen und in spätestens drei Wochen geht es weiter ;)

Episode 06: Die Frage der Schuld

So, dieses Mal hat es zwei Wochen gedauert, aber es geht mit Battle Generation nun weiter :) Wobei ich jetzt bereits ankündigen muss, dass bis Ende September die Kapitel weiterhin im Zweiwochentakt erscheinen werden, da ich durch Prüfungen, meinem kommenden Geburtstag und nicht zuletzt auch, weil ich noch an einer Wichtelgeschichte schreibe, einfach nicht zu mehr komme und nicht möchte, dass die Kapitel an Qualität nachlassen :3 Ich hoffe ihr habt dafür Verständnis.

Anders als die bisherigen Kapitel ist dieses Kapitel noch nicht gebetat. Dies wird später noch nachgeholt werden. Wer Fehler findet kann sie mir jedoch gerne sagen, dann kann ich sie direkt ausbessern :D
 

Viel Spaß mit diesem Kapitel!
 


 

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Episode 06: Die Frage der Schuld
 

Die Frage danach, ob Digimon eine Gefahr für uns Menschen und unsere Umgebung darstellen kann, laut den Verantwortlichen der Regierung, nicht eindeutig beantwortet werden. Sie sprechen davon, dass in jedem Menschen, jedem Tier und jedem Gegenstand eine potentielle Gefahr stecken kann.

Trotzdem frage ich mich, nicht zuletzt nach den jüngsten Ereignissen in Tokyo, in wie weit man einen Menschen oder einen normalen Hund mit einem drei Meter großen Ungeheuer vergleichen kann, dessen Klauen länger sind als so manches Schwert. Wie kann man eine Katze mit einem Wesen vergleichen, dass Raketen im Innern seines Körpers trägt. Muss es erst zu einem Desaster kommen, damit unsere Regierung einsieht, dass sie etwas gegen diese Monster unternehmen muss?
 

       - Leserbrief der Nikkei, 28.04.2011
 

Es war beinahe eine Woche vergangen, doch nun stand Shoji erneut in der Pathologie eines Krankenhauses. Dieses Mal war es Yamaki, der neben ihm stand und zwar weniger blass wirkte, jedoch aussah, als hätte er eine furchtbare Woche hinter sich gehabt - und das hatte er aller Wahrscheinlichkeit nach wirklich.

Dieses Mal hatte ihn niemand hergerufen. Er hatte selbst gefragt, ob er kommen durfte und so kam es, dass er nun am Freitag nachdem die Schule vorbei gewesen war in der Pathologie eines Krankenhauses in Ikebukuro stand.

Er hatte bereits am Morgen davon gehört, dass es eine weitere Leiche gegeben hatte. Ein weiterer Junge im selben Alter wie das erste Opfer und auch seine Wunden waren ähnlich. Sie hatten ihm seinen Namen gesagt, doch er hatte das beste gegeben diesen zu vergessen, so wie er auch versuchte dem Gesicht des Jungen keine weitere Beachtung zu schenken.

Dies bestätigte auch Gazimon mit einem schnüffeln. „Es ist derselbe Geruch, wie das letzte Mal.“

Shoji nickte.

Damit sah Yamaki zu dem Arzt, der sie begleitet hatte. „Das war alles“, meinte er. „Danke.“ Er verbeugte sich leicht.

Auch der 18jährige verbeugte sich und folgte dem Mann hinaus, während der Arzt die Leiche wieder mit einem Tuch bedeckte.

„Du hättest nicht mitkommen müssen“, meinte Yamaki zu ihm, als sie auf dem Flur des Krankenhauses standen. „Eigentlich hat das hier nichts mit dir zu tun.“ Er seufzte leicht. „Eigentlich sollte ich dich gar nicht herlassen.“

„Ich weiß“, antwortete Shoji. Er sah auf den Boden. Dieses Mal war ihm nicht mehr so schlecht, wie das letzte Mal, auch wenn sich die Bilder des toten Jungens, so sehr er sich auch bemühte, sie zu verdrängen, in seinem Gedächtnis eingebrannt hatten. „Aber ich bin ein Tamer“, murmelte er dann. „Und das hier... Es geht auch mich was an.“ Er schwieg kurz. „Und Takato und die anderen haben ohnehin schon sehr viel zu tun.“

„Das haben wir alle.“ Yamaki wirkte noch mitgenommener als vorher. Er atmete tief durch. „Ich hole mir einen Kaffee“, meinte er dann und ging in Richtung der Eingangshalle des Krankenhauses los, wo es eine kleine Cafeteria gab.

Shoji sah kurz Gazimon an, folgte ihm dann aber.

Immer wieder krochen die Bilder in seine Gedanken. Doch das wirklich schlimme daran war ein anderer Gedanke, der immer deutlicher wurde: Warum sollte ein Digimon in zwei komplett verschiedenen Teilen Tokyos Menschen töten? Wäre es in derselben Gegend gewesen, hätte man denken können, dass es vielleicht ein Revier verteidigte. Wären es zumindest verschiedene Menschen gewesen, hätte man davon ausgehen können, dass sie vielleicht zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen waren. Doch so wirkte es so, als würde es gezielt diese Menschen jagen und das legte eine andere Vermutung nahe: Es war das Digimon eines Tamers, dass im Auftrag von diesem Tamer mordete.

Aber wieso?

Shoji war sich sicher, dass Yamaki denselben Gedanken hatte und deswegen noch geschaffter aussah, als kurz vorher. Es war schon schlimm genug, wenn Menschen durch ein wildes Digimon zu Schaden kamen, doch am Ende war das kaum mehr als ein Unfall, da Digimon, auch wenn sie intelligenter als wilde Tiere waren, noch immer ihren Instinkten folgten.

Doch wenn ein Digimon als Mordwaffe eingesetzt wurde... Es würde neue Proteste auflodern lassen; neue Unruhe und neuen Hass entfachen.

„Hier“, meinte der mittlerweile 42jährige und drückte dem Jungen nun einen zweiten Pappbecher Kaffee in die Hand.

„Danke“, antwortete dieser und war wirklich dankbar etwas warmes in den Bauch zu bekommen, auch wenn er sich nicht sicher war, ob er es auf Dauer bei sich behalten konnte.

„Du solltest nach Hause gehen“, meinte er dann, während sie zum Ausgang des Gebäudes gingen. „Es gibt sicher Dinge, die du für die Schule lernen musst. Du hast nur noch ein paar Monate bis zur Aufnahmeprüfung.“ Seine Worte klangen bestimmt und eindeutig.

An sich wäre Shoji gerne zur Zentrale mitgekommen, um mit den anderen über die Ereignisse zu reden, doch durch den Ton in Yamakis Worten ließ er es.

„Ja“, sagte er stattdessen und verbeugte sich leicht. „Danke.“

Nachdem er sich verabschiedet hatte, machte er sich auf den Weg zur nächsten Bahnstation. Zum Glück fuhr er von hier nicht weit nach hause.

Kurz vor der Shiinamachi Station blieb er stehen und seufzte. Er sah zur Digiwelt hinauf, die von vereinzelten Wolken verdeckt wurde.

„Es geht ihnen schon gut“, meinte Gazimon, dass wusste, woran er dachte.

Der Junge seufzte. „Ja, ich weiß“, murmelte er. „Ich wünschte mir nur, sie wären hier.“ Im Moment könnten sie gerade Shuichon mit ihrer beinahe unumstößlichen guten Laune gut gebrauchen.
 

Takato war auf dem Weg nach Hause, auch wenn er gerne noch etwas länger in der Hypnoszentrale geblieben wäre, um darauf zu warten, was Gazimon an dem Leichnam des heute gefundenen Jungens roch. Es war jedoch Reika gewesen, die ihn nach hause geschickt hatte, da sein Dienst heute eigentlich nur bis drei am Nachmittag gegangen wäre. Mittlerweile war es halb sieben.

„Was hast du, Takato?“, fragte Guilmon, dass neben ihm hertrottete.

Er seufzte. „Es ist nichts.“

Natürlich ließ sich sein Partner, auch wenn er naiv war, nicht so leicht täuschen. Immerhin kannte er ihn schon lange. „Wir werden schon herausfinden, was es mit den toten Jungen auf sich hat“, meinte es. „Es helfen doch alle mit es heraus zu finden.“

„Ja...“ Der Junge schwieg für eine Weile. „Aber vielleicht passiert in ein paar Tagen schon der nächste Mord.“ Mit diesen Worten blieb er stehen und sah sich um.

Es fiel ihm etwas auf, was ihm bereits in den letzten Tagen, heute aber noch mehr aufgefallen war: Viel mehr Leute, als zuvor, sahen Guilmon mit Angst oder Wut an. In der U-Bahn hatte man heute Platz um ihn freigehalten.

Es waren die Morde, da war er sich sicher. Zwar waren es nur Einzelfälle, doch in den Köpfen der Menschen änderten sie was.

Sie sahen die Digimon nun misstrauischer, als noch zuvor. Schon vorher waren viele Misstrauisch gewesen, doch nun hatten viele Menschen wirkliche Angst vor den vermeintlichen Monstern.

Es waren die negativen Einzelfälle, die das Bild in den Gedanken formten, nicht das eher friedliche Gesamtbild.

Und noch wussten sie nichts von dem Turnier...

„Komm schon, Takato“, meinte Guilmon und versuchte dabei offenbar aufmunternd zu klingen.

„Ja“, murmelte er und folgte dem Digimon nun, als es weiter in Richtung ihrer Wohnung trottete.

Er hasste es, dass er nichts tun konnte. Dass er weder die Morde, noch das Turnier verhindern konnte. Und er hasste die Tamer, die für das Turnier verantwortlich waren... Wer auch immer es war... Wie konnten sie nur?
 

Etwa zur selben Zeit saß Ruki zusammen mit Namiko, der Tochter von Reika und Mitsuo, in der McDonalds Filiale an der Nishishinjuku-Station. Sie hatte auf das Mädchen seit dieses Schulschluss hatte aufgepasst und sie nun - zur großen Begeisterung des Kindes - hierher eingeladen, ehe Reika kommen würde, um sie abzuholen.

Doch Reika hatte bereits eine halbe Stunde Verspätung und langsam begann Ruki sich zu fragen, was los war.

Auf der anderen Seite wusste sie jedoch genau, dass momentan viel zu tun war bei Hypnos und Reika deswegen wahrscheinlich nicht eher losgekommen war.

Mit einer Hand zog sie ihr Handy aus ihrer Tasche und sah auf den großen Touchbildschirm, ob sie einen Anruf verpasst hatte, aber auf dem Display waren nur Uhrzeit und Datum angezeigt. Es waren weder ein Anruf, noch eine neue Mail eingegangen.

Dies war auch Namiko nicht entgangen, die lautstark mit dem Strohhalm in ihre Fanta blubberte. „Hmpf, wo bleibt denn Mama?“, fragte sie.

„Sie wird schon kommen“, meinte Ruki beruhigend und brachte sich zu einem Lächeln. „Sie hat nur viel zu tun.“ Immerhin war ihr nicht entgangen, dass es heute einen weiteren Mord gegeben hatte, der ähnliche Anzeichen zu haben schien, wie der Mord vor einer Woche.

„Ruf sie doch an“, schlug die siebenjährige, deren rotbraunes Haar von einem Haarreif zurück gehalten wurde, vor. „Wenn sie es nicht schafft, kann ich vielleicht bei dir übernachten.“ Ihre Stimme klang hoffnungsvoll.

Die ältere sah sie an. „Ich muss lernen.“

„Ach, es ist doch Wochenende. Morgen ist Samstag.“ Namiko zog einen Schmollmund.

Daraufhin seufzte Ruki. Sie wusste - natürlich - dass das Mädchen, auf das sie seit seiner Geburt immer wieder aufpasste, sie sehr mochte und beinahe verehrte. Außerdem hatten seine Eltern momentan wahrscheinlich wenig Zeit für es. Dennoch fehlte eigentlich auch Ruki im Moment die Ruhe dafür. Nicht, weil sie das Mädchen nicht mochte, sondern weil ihre Gedanken um die jüngsten Ereignisse und auch einige andere Themen kreisten.

Zum Glück tauchte in diesem Moment Reika auf und ersparte ihr so eine Antwort.

Die rothaarige Frau kam durch das Gedränge, dass um diese Zeit hier herrschte auf sie zu und winkte.

„Siehst du, da ist deine Mutter schon“, meinte Ruki, kurz bevor sich Reika setzte.

„Tut mir leid, dass ich so spät bin“, entschuldigte sich die Erwachsene. „Es war viel zu tun.“

Schnell winkte Ruki ab. „Ist schon in Ordnung.“

Namiko verschränkte derweil die Arme. „Hättest nur was sagen müssen, dann hätte ich bei Ruki-chan übernachtet.“

Ihre Mutter zog ihre Tochter auf ihren Schoß und umarmte sie. „Aber dann könnten wir heute Abend ja nicht gemeinsam einen Film schauen.“

„Kann ich auch mit Ruki-chan“, erwiderte das Mädchen unbeeindruckt. „Du schläfst doch eh wieder ein.“

Reika seufzte und warf Ruki einen hilflosen Blick zu, den diese nur mit einem Schulterzucken erwiderte.

Sie konnte Namikos Reaktion verstehen. Reika und Mitsuo, der bei den Tamern die meiste Zeit einfach nur Yamaki genannt wurde, hatten beide wenig Zeit. Als sie selbst jünger gewesen war und ihre Mutter aufgrund ihres Berufs als Model um die halbe Welt reiste und manchmal zwei Wochen nicht zuhause war, hatte sie ähnlich ablehnend reagiert, egal welche Geschenke ihre Mutter ihr aus Amerika, London oder Paris mitbrachte.

„Ich habe eine Idee“, meinte Reika nun. „Ich gebe dir etwas Geld und du kaufst uns allen noch ein Eis.“

„Von mir aus.“ Namiko sah zu ihr auf.

Schnell kramte die Frau ihr Portemonnaie aus ihrer Handtasche hervor und drückte dem Mädchen zwei Fünfhundert-Yen-Stücke in die Hand.

Mit diesen rutschte Namiko vom Schoß ihrer Mutter und verschwand im Gedränge Richtung Kasse.

Als sie außer Sichtweite war, ließ Reika ein tiefes Seufzen hören.

„Sie wird sich schon wieder beruhigen“, meinte Ruki.

Die erwachsene Frau sah in die Richtung, in die ihre Tochter verschwunden war. „Ich weiß. Aber ich kann sie verstehen“, erwiderte sie. „Es ist Momentan nur die Hölle los.“

Ruki sah sie fragend an, auch wenn sie ahnte, was sie meinte.

„Seit sie heute morgen die Leiche gefunden haben, rufen ständig irgendwelche Reporter an oder kommen sogar zur Zentrale, um ihre Fragen zu stellen...“ Sie massierte sich die Schläfen. „Wir werden morgen eine Pressekonferenz machen müssen.“

„Ich kann helfen“, bot Ruki an, die immer mal wieder für Hypnos sprach, doch ihr Gegenüber schüttelte den Kopf.

„Das hat hierbei keinen Sinn“, meinte Reika. „Es würde nur so wirken, als würden wir euch Tamer vorschicken. Es ist am besten, wenn Mitsuo redet.“ Für einen Moment schwieg sie. „Außerdem gibt es jemand anderen, der deine Hilfe noch viel mehr brauchen kann...“ Sie sah die jüngere Frau vielsagend an.

Diese seufzte daraufhin. „Ich weiß...“

„Auch wenn er es vielleicht weniger zeigt, so belastet diese Sache auch Ryou.“

„Ich weiß...“, wiederholte Ruki und sah auf den Becher Cola in ihrer Hand.

Reika legte ihre Hand auf die der jüngeren. „Was ist im Moment los?“

„Was sollte los sein?“ Schob als sie die Worte aussprach, wusste Ruki, dass diese nicht den nötigen Nachdruck hatten.

„Du gehst Ryou aus dem Weg.“

Die junge Frau schwieg daraufhin nur, zog dann schließlich ihre Hand zurück und legte diese auf ihren Schoß. Sie sah Reika nicht an. „Es ist nichts.“

„Wenn du reden willst... Ich bin für dich da“, bot diese nun an.

„Danke“, flüsterte Ruki nur, so leise, dass sie sich nicht mal sicher war, ob Reika sie verstanden hatte.

Nicht viel später kam Namiko mit fünf Bechern Softeis durch das Gedränge zu ihnen zurück.

Ihre Mutter sah sie fragend an.

„Lasst uns draußen essen“, erwiderte das Mädchen nur. „Diese sind für Lumamon und Renamon.“
 

Gelangweilt sah Ryou auf die Bildschirme in der Hypnoszentrale.

Es war mittlerweile kurz nach halb acht und er würde noch bis zwei in der Früh hier sein.

Die Schichten in der Zentrale waren gegeneinander verschoben, um sicher zu gehen, dass immer genug Mitarbeiter diese besetzten. Dabei war das einzige, was es im Moment zu tun gab, war es Reporter abzuwimmeln und auf den Pressetermin morgen zu verweisen.

Natürlich war da noch die Sache mit dem Senator, doch mit diesem Sprach Yamaki im Moment. Es war nicht so, als würde dieser zulassen, dass Ryou mit jemanden so wichtiges sprach.

So saß dieser auf einem der Bürostühle und wippte auf diesem auf und ab, während Monodramon der Beschäftigung nachging, die es meistens zum Zeitvertreib heran zog: Schlafen.

Mit einem seufzen lockerte er seine Krawatte. Wenn er eins an diesem Beruf hasste, so war es, dass er einen Anzug tragen musst. Und Yamaki hatte bereits als er hier angefangen war klar gemacht, dass auch kreative Krawatten nicht erlaubt waren, immerhin, so hatte er es gesagt, arbeiteten sie für die Regierung.

Natürlich war da auch die Sache, dass er es hasste, herum zu hocken und nichts zu tun, was nicht selten seinen gesamten Arbeitstag ausmachte. Denn so viele Probleme gab es nicht. Natürlich, momentan waren da die Sachen mit den Morden und dem Turnier, doch so lang er sich an die Regeln hielt, konnte er auch daran im Moment nicht viel tun.

Fast wünschte er sich, dass es mal wieder ein wildes Perfect-Digimon gäbe, das irgendwo in Tokyo für ein wenig Zerstörung sorgte. Dann könnte er zumindest wieder kämpfen.

Doch so war es langweilig und - zumindest für ihn - furchtbar unzufriedenstellend. Sicher, er konnte dankbar sein, dass er diesen Beruf hatte. Immerhin hatte er keinen Schulabschluss und trotzdem hatte ihn Yamaki angestellt. Zumal er gut bezahlt wurde und das dafür die meiste Zeit praktisch nichts zu tun.

Natürlich sollte er dankbar sein... Und doch...

Er vermisste es zu kämpfen. Er vermisste es Herr seiner selbst zu sein. Und er vermisste die digitale Welt.

Wenn er ehrlich war, so beneidete er Denrei momentan, auch wenn sie nicht wussten, wie es diesem und Shuichon erging, doch immerhin waren sie in der Digiwelt und frei. Wie gern wäre er statt ihnen zusammen mit Ruki gegangen, doch es war Ruki gewesen, die sich dagegen ausgesprochen hatte.

Ruki, die ihm in letzte Zeit immer wieder aus dem Weg ging...

„Akiyama“, hörte er eine angespannte Stimme hinter sich. „Füße vom Tisch.“

Seufzend nahm er die Füße vom Schreibtisch vor sich und seufzte. „Wir sollten Spiele installieren“, meinte er mit Blick auf den Computerbildschirm, der nur zwei Graphen und sich verändernde Zahlenwerte anzeigte.

Yamaki war ihm einen bösen Blick zu, kam jedoch nicht dazu etwas zu erwidern, da Megumi auf ihn zu kam und ihn einen Becher Kaffee in die Hand drückte.

„Hier, Yamaki-cho“, meinte sie und rettete Ryou damit. „Sie sollten nach Hause gehen.“

Der Leiter der Organisation seufzte. Er nahm seine Sonnenbrille ab und rieb sich seine Augen. „Ich weiß...“

„Nur weil Sie hier sind, geht nichts schneller voran“, fuhr Megumi fort. „Wenn es irgendetwas neues gibt, rufen wir Sie an.“

Yamaki seufzte. „Ich weiß...“ Er trank einen Schluck des Kaffees. Dann sah er mit genervten Blick in Richtung Ryous. „Ich gehe. Und du schreibst den Wochenbericht, ehe du heute gehst, verstanden?“ Nach wie vor machte er sich nicht die Mühe den jungen Mann höflich anzusprechen.

„Ja, ja“, murmelte Ryou nur. Er wandte sich gespielt beschäftigt seinem Bildschirm zu, beobachtete aber Yamaki weiter aus den Augenwinkeln, bis dieser den Raum verließ. Dann stand er auf.

„Danke“, meinte er an Megumi gewandt. „Sie haben mich gerettet, Onodera-san.“

„Yamaki hat im Moment viel zu tun“, erwiderte die Frau, die ihre Haare im Moment kurz und hellbraun gefärbt trug. „Und du solltest dich auch an die Arbeit machen.“ Auch sie verwendete keine Höflichkeitsformen. Stattdessen sah sie ihn einmal scharf an und ging dann in den Hauptüberwachungsraum zurück.

Ryou seufzte und ging zu seinem Platz zurück, wo er sich matt auf den Stuhl fallen ließ. Dadurch rollte der Sessel ein Stückchen zurück und weckte so Monodramon auf.

„Im Moment hassen mich alle, hmm?“, murmelte Ryou und öffnete ein Textdokument.

„Was ist?“, klang die Stimme seines Partners unter dem Tisch hervor.

Der junge Mann schwieg. „Nichts, nichts...“, meinte er dann und seufzte noch einmal. Was sollte er schreiben? Protokolle lagen ihm doch gar nicht.
 

Der Regen hatte seine Kleidung komplett durchnässt und ließ sein Haar flach an seinem Kopf kleben.

Takumi zitterte.

Nur langsam begann er zu begreifen, was gerade passiert war.

Weiter prasselte der Regen auf ihn und die beiden Digimon hinab.

Er war nicht tot. Das eine Digimon hatte ihn gerettet und stand nun mit erhobenem Bambusschwert vor ihm, während Igamon zurückgesprungen war.

Das Ninjadigimon stand nun auf dem Dach des Namiyoke Inari Schreins und sah den durchnässten Jungen und das Digimon vor ihm mit scharfen Blick an, rührte sich jedoch nicht.

Wasser perlte an der Klinge seines Schwertes ab und tropfte auf die Schiefern.

Es hatte ihn angegriffen. Igamon hatte versucht ihn zu töten.

Zum ersten Mal, seit die Welten verschmolzen waren, war ihm klar geworden, dass Digimon wirklich gefährlich sein konnten. Digimon konnten Menschen töten!

Er war dumm gewesen. Unvorsichtig.

Doch das andere Digimon... Es hatte ihn gerettet und schien ihn nun zu beschützen, obwohl es ein Level unter seinem Gegner war.

„Kotemon...“, flüsterte er.
 

„Takumi?“ Die Stimme seines Partners riss den Jungen aus seinen Gedanken.

Er sah auf.

Die Sonne schien auf den Park hinab, während er schon eine ganze Weile geistesabwesend neben Kotemon hergelaufen war.

Sie waren im Kasai Rinkai Koen, am nördlichen Ende der Tokyoter Bucht, und liefen gerade über den Platz neben dem Riesenrad, das für seine Nächtliche Lichtershow bekannt war. Ein frischer Wind wehte vom Meer her und ließ den Jungen etwas frösteln.

„Ist alles in Ordnung, Takumi?“, fragte Kotemon nun und sah auf.

Der Junge zögerte mit einer Antwort. „Ja“, meinte er dann leise, woraufhin sich die leuchtenden Augen des Digimon etwas verengten.

„Irgendetwas hast du“, erwiderte es.

„Nein. Es ist alles in Ordnung.“ Dieses mal bemühte er sich schneller zu Antworten.

Es war recht leer im Park, da es bereits Abend war. Eigentlich hatte er jedoch mit mehr Leuten gerechnet, nicht zuletzt weil auch dieser Park durch sein Aquarium ein Touristenmagnet war, doch die meisten waren nun wahrscheinlich beim Abendessen.

Die Menschen, die hier waren, schienen vorrangig jünger zu sein. Studenten und solche, die ihr Studium erst vor kurzem abgeschlossen hatten. Auch einige Pärchen liefen hier herum. Ältere Leute, ganze Familien oder Jugendliche in seinem Alter sah er jedoch kaum.

„Warum sind wir hierher gefahren?“, fragte Kotemon nun - immerhin lag der Park in Edogawa, einem der äußersten Bezirke der japanischen Hauptstadt.

Erneutes Zögern von der Seite des Jungen aus. „Es ist nur...“ Er suchte nach Worten. „Na a, ich dachte, es wäre schön mal wohin zu fahren, wo es ruhiger ist...“

Für einige Momente sah das Digimon ihn an, erwiderte jedoch nichts, so dass für eine kurze Weile Schweigen zwischen den beiden herrschte.

Da sah Takumi zu dem Riesenrad. „Willst du fahren?“, fragte er mit einem Nicken in die Richtung.

Das Digimon zuckte mit den Schultern. „Von mir aus.“

„Dann komm“, meinte der Junge und machte ein paar Schritte in Richtung des Riesenrads.

Dabei war es nicht mal so, dass er selbst unbedingt fahren wollte - immerhin war Riesenradfahren oftmals nicht billig - aber er suchte ein wenig Ablenkung. Ablenkung von seinen Gedanken.

So saßen sie nicht viel später in einer der runden geschlossenen Gondeln, während diese nach oben fuhr.

Je höher sie kamen, desto kleiner schienen die Menschen im Park zu werden und desto weiter konnten sie auf die Bucht hinaus sehen.

In einiger Ferne konnte er zu seiner Überraschung ein Wahmon im Wasser erkennen, während zwei Airdramon - zumindest nahm er an, dass es Airdramon waren - über das die glänzende Oberfläche des Meeres flogen.

Selbst so große Digimon waren in dieser Welt...

Er seufzte und holte sein Digivice aus der Tasche seiner Schuluniform.

„Was hast du, Takumi“, fragte Kotemon nun erneut.

„Es ist nichts“, murmelte er, doch dieses Mal klang seine Stimme nicht im geringsten überzeugend.

Er konnte nicht umher an das Mädchen zu denken. Das Mädchen, dessen Owlmon von Dinohumon getötet worden was... Das Mädchen, dessen Partner er getötet hatte. Sie hatte geweint. Natürlich hatte sie geweint. Und doch ging es ihm nicht mehr aus dem Kopf. Es ging ihm nicht mehr aus dem Kopf, wie bleich sie geworden war, als ihr Partner zu Daten zerfiel.

Warum hatte er es getan?

Aber er hatte doch keine Wahl gehabt. Letzten Endes hatte sie ihn angegriffen. Und sie - ihr Owlmon - hätte Dinohumon genau so getötet, wenn er nicht gewonnen hatte.

Diese Gedanken hatte er so oft in den letzten Tagen hin und her gewalzt.

Hieß es hier wirklich töten oder getötet werden?

Er seufzte. Natürlich. Das hatte er schon gewusst, bevor er sich bei dem Turnier angemeldet hatte. Er hatte es von Anfang an gewusst. Und doch hatte er es getan. Er hatte sich angemeldet, auch wenn er wusste, dass es hieß andere Partner zu töten und eventuell seinen eigenen zu verlieren.

„Takumi“, begann Kotemon erneut.

Die Gondel blieb stehen. Wahrscheinlich stiegen weitere Menschen unten ein.

Wieder sah er auf die Bucht hinaus. Das Wahmon war mittlerweile untergetaucht und so waren einige Schiffe das einzige, was auf der Bucht zu sehen war.

„Ich sollte bald nach hause“, murmelte er.

Darauf erwiderte Kotemon nichts, sondern folgte seinem Blick aus dem Fenster hinaus.

Mit einem Ruck setzte sich das Riesenrad wieder in Bewegung und sie fuhren weiter.

Doch gerade als sie über den höchsten Punkt hinaus waren und langsam wieder abwärts fuhren, begann das Digivice zu piepen.

Erschrocken sah er auf das Gerät, auch wenn er wusste, was es bedeutete.

Das Hologramm der Umgebungskarte erschien.

Ein weiterer Tamer, ein weiterer Turnierteilnehmer war in der Nähe und kam nun offenbar zielstrebig auf das Riesenrad zu.

Takumi sah zu Kotemon. Was sollte er tun? Sicher würde der andere Tamer nicht einfach hier, vollkommen öffentlich einen Kampf anfangen. Vielleicht hatte er ja auch eine Möglichkeit dem Kampf zu entkommen...

Aber was dann?

Wenn er nicht weiterkämpfte, riskierte er es Kotemon so zu verlieren. Immerhin war er noch immer ein illegaler Tamer.

„Takumi“, begann sein Partner nun erneut. „Lass mich kämpfen.“

Er sah das Digimon an, zögerte. „Okay“, meinte er schließlich, wenn auch nicht sonderlich entschlossen.

Wieso? Wieso nur war er so ein furchtbarer Feigling?

Langsam senkte sich die Gondel hinab gen Erde und erreichte schließlich die Ausstiegszone, in der die Tür von einem Angestellten geöffnet wurde.

Bemüht nicht zu eilig zu wirken stiegen Tamer und Digimon aus und sahen sich um. In einiger Entfernung stand ein Junge, offenbar ein Oberschüler, mit schwarzen Haaren. An seiner Seite ein Plotmon.

Er sah Takumi entschlossen an und dieser nickte, während er in seiner Tasche mit einer Hand sein Digivice umklammerte.

Der andere Tamer drehte sich um und ging. Er wollte, dass Takumi ihm folgte, was dieser in einigem Abstand auch tat.

Sein Herz schlug ihm bis zum Hals und er hätte sich am liebsten selbst dafür geohrfeigt. Seine Augen glitten zu Kotemon, dann wieder zu seinem vermeintlichen Gegner zurück, der ihn in einen abgelegeneren Teil des Parks führte.

Er würde gewinnen, redete er sich ein. Er hatte das letzte Mal auch gewonnen. Er war stark. Kotemon war stark. Er musste sich nicht fürchten. Doch irgendwie beruhigte ihn dieser Gedanke nicht im geringsten.

Er dachte an Beelzebumon und dessen eiskalte Augen. Hätte es wirklich geschossen?

Schließlich blieb der ältere Junge stehen und drehte sich zu ihm um. „Hier werden wir nicht so schnell bemerkt“, meinte er und sah Takumi mit finsterer Entschlossenheit an. „Aber ich habe nicht ewig Zeit.

Plotmon an seiner Seite fletschte die Zähne und knurrte.

Noch immer unsicher nickte Takumi und sah sich um. Sie waren am Ufer der Bucht, ganz am Rand des Parks und zumindest von Parkseite aus, wurde der Blick auf sie durch einige Bäume und dichte Büsche verdeckt.

Der Nebel des digital Field begann sich um sie herum auszubreiten, bis der Blick auf sie gänzlich verdeckt war.

Kotemon baute sich vor ihm auf, löste das Bambusschwert aus seiner Halterung und wartete. Dann auf einmal, sprang sein Gegner los und versuchte ihn zu beißen.

Schnell wehrte Kotemon es mit seinem Schwert ab.

„Puppy Howling“, rief Plotmon und stieß dabei eine Schallwelle aus, die das humanoide Reptiliendigimon offenbar umwerfen sollte, doch dieses wich aus.

„Thunder Kote.“ Funken zuckten das Bambusschwert entlang, als dieses auf seinen Hundeartigen Gegner hinab sauste. Dieser sah Kotemon nur entschlossen an, als das Schwert auf seinen Kopf traf, mit dem es den Angriff tatsächlich abwehrte.

Die Kontrahenten sprangen auseinander, als Takumi eine Karte hervorzog und dabei sah, dass der ältere Tamer, der einfach in T-Shirt und kurzer Jeans gekleidet war, es ihm gleich tat.

„Card Slash! Chou Shinka Plug-In S!“

Beide Digimon wurden in helles Licht gehüllt.

„Kotemon - Shinka! Dinohumon!“

„Plotmon - Shinka! Kabukimon!“

Nun beide in menschenähnlicher Gestalt, sprangen die Digimon erneut aufeinander zu.

„Kabuodori!“ Die Ranken, die Kabukimons Arme darstellten, peitschten auf Dinohumon herab, welches sich mit den Armen vor dem Oberkörper schützte, bis sein Gegner die Attacke aufgab und stattdessen zu einem anderen Angriff überging.

Es sprang zurück und landete in der Krone eines Baumes, von wo aus es Energiestrahlen aus den Blumen am Ende seiner Arme abschoss. „Renjishi!“

Mit einem Rückwärtssalto wich Dinohumon aus, doch Kabukimon korrigierte schnell die Richtung seiner Angriffe, so dass das Reptiliendigimon immer weiter zurück gedrängt wurde.

Takumi zog eine Karte aus seinem Deck hervor. „Card Slash! Aero Wing!“

Zwei Dämonenartige Flügel bildeten sich auf dem Rücken seines Partners, der diese ausbreitete und sich in die Luft emporschwang.

Weiter folgten ihm die Angriffe des Gegners, trafen jedoch ins nichts, bis auch der andere Junge eine Karte hervorholte und durch den Leseschlitz seines Digivices zog.

Im nächsten Moment verschwand Kabukimon und Takumi wusste, dass sein Gegner ein Highspeed Plug-In benutzt haben musste.

Er reagierte, indem er ebenfalls eine der beschleunigenden Karten aus dem Stapel seiner Karten zog. „Card Slash! Highspeed Plug-In H!“

Nun beschleunigten sich auch die Bewegungen Dinohumons, so dass diese beinahe unsichtbar für die Augen des Jungen waren.

Er hörte, dass die beiden Digimon gegeneinander kämpften und ab und zu sah man, wie die Attacken in der Luft aufeinandertrafen, doch es war schwer zu sagen, was genau geschah.

Doch dann auf einmal hagelten Kirschblüten auf die gesamte Fläche hinab und blieben, wie Waffen aus Metall, im Boden stecken.

Erschrocken wich Takumi zurück, als einige der Attacken auch ihn beinahe trafen.

„Takumi!“, hörte er die Stimme seines Partners und konnte diesen in der Luft schwebend erkennen, als er sich zu ihm umsah.

„Kabuodori!“ Im nächsten Moment fesselten Kabukimons Ranken das Reptiliendigimon gegen einen der Bäume und zogen sich zusammen, bis die durch den Karteneffekt erschienenen Flügel verschwanden und Dinohumon aufschrie.

Der andere Junge schien zufrieden zu sein und lächelte, als sein Partner, der durch die Ranken mit seinem Gegner verbunden war, sich nun in Ausgangsstellung brachte, um aus der Nähe erneut anzugreifen.

Auf einmal wurde Takumi klar, dass Kabukimon die Attacke mit Absicht in seine Richtung gelenkt hatte, um Dinohumons Reaktion auszunutzen. Seine Hände verkrampften sich, als er eine weitere Karte einlas. „Card Slash! Greymon - Exhaust Flame!“

„Sakura Fubiki!“ Erneut schossen die Blütenblätter durch die Luft, dieses Mal direkt auf Dinohumon gerichtet, als sich eine Flamme in dessen Rachen bildete, mit der es die Attacke des Gegners konnterte.

„Exhaust Flame!“

Die Blütenblätter, die vielleicht hart wie Stahl waren, aber immer noch Kirschblüten, fingen Feuer und verbrannten in der Luft, ehe auch die Ranken an einigen Stellen Feuer fingen, so dass Kabukimon diese erschrocken zurückzog, um das Feuer mit einigen schnellen Bewegungen zu löschen.

Beide Gegner sprangen nun wieder auseinander, beide leicht verletzt.

Doch ehe sie einander erneut angreifen konnten, war erneut das Warnsignal der Digivices zu hören. Die Umgebungskarte erschien und der vermeintlich neue Kontrahent näherte sich laut dieser unglaublich schnell.

„Was... Wer...“, begann Takumi, als eine Energiekugel aus dem Nebel geschossen kam und einen Krater zwischen den zwei Digimon in den Boden schlug.

Im nächsten Moment senkte sich eine große humanoide Gestalt aus dem Nebel herab, aus deren Rücken zwei mächtige, schwarz gefiederte Flügel wuchsen.

Takumi merkte, wie seine Kehle trocken wurde. „Beelzebumon...“

Doch es war nicht nur Beelzebumon. In den Armen des Digimon hing dasselbe Mädchen mit dem roten Pony, dass er bereits mehrfach zuvor gesehen hatte.

„Hört sofort auf zu kämpfen!“, rief sie, ehe sie sich, als ihr Digimon tief genug schwebte, zu Boden gleiten ließ.

Mit zusammengekniffenen Augen sah der andere Junge sie an. „Wer bist du?“

Das Mädchen verschränkte die Arme. „Ich bin Hanegawa Ai. Und will dem ganzen Wahnsinn ein Ende bereiten.“
 


 

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Anmerkungen und Erklärungen

Plotmon: Plotmon („Salamon“ in der deutschen und amerikanischen Fassung) sollte den meisten bekannt sein. Hundeartiges Digimon, Child-Level, Typus Serum.

Kabukimon: Ein Adult- oder Armor-Digimon. Es wird zur Gruppe der Mutanten-Digimon gezählt und ist vom Typus Serum. Sein Name geht auf das japanische Kabuki-Theater zurück.

Ikebukuro: Ikebukuro ist ein Teil von Toshima, einem der zentralen Distrikte von Tokyo und liegt nordwestlich von Shinjuku. Einigen könnte der Stadtteil aus „Durarara!!“ bekannt sein.

Kasai Rinkai Koen: Einer der vielen Parks in Tokyo. Er liegt im Edogawa-Distrikt - dem östlichsten Distrikt Tokyos - und ist besonders für sein Aquarium und das „Diamonds and Flowers“ Riesenrad bekannt.
 

Ja, dieses Mal gibt es einmal wieder ein paar Anmerkungen zu machen :) Wenn es noch Fragen gibt, so könnt ihr natürlich immer Fragen.

Und ja, Ai führt sich wie eine vermeintliche Superheldin auf. Wo sie Makoto gelassen hat? Nun, dazu gibt es in den nächsten Kapiteln mehr.
 

Ansonsten wollte ich noch einmal darauf aufmerksam machen, dass der FanArt-Wettbewerb zu DBG weiter läuft und ich mich sehr über Einsendungen freuen würde. Der Einsendeschluss wird wahrscheinlich weiter nach hinten verschoben.

http://animexx.onlinewelten.com/wettbewerbe/wettbewerb.php?id=42125
 

Außerdem überlege ich irgendwann im Winter, wenn die Geschichte etwas weiter fortgeschritten ist, einen Fanfic-Wettbewerb zu DAG/DBG zu eröffnen. Dieser würde seinen Einsendeschluss dann wahrscheinlich irgendwann im nächsten Frühjahr haben. Allerdings nur, wenn überhaupt Interesse besteht. Ich habe dazu eine Umfrage gestartet.

http://animexx.onlinewelten.com/umfragen/62655/
 

Das war es dann auch für heute. Ich hoffe es hat euch gefallen!

Das nächste Kapitel kommt, wie gesagt, aller Voraussicht nach in zwei Wochen :)

Episode 07: Heldengeschichten

Hallo meine Lieben!
 

Ja, ich weiß, dieses Kapitel ist verspätet und das um eine ganze Woche. Allerdings hatte ich letzte Woche gesundheitliche Probleme und konnte daher zum einen das Kapitel nicht fertig schreiben, zum anderen hätte ich es aber auch gar nicht posten können.

Tut mir leid. :(
 

Jetzt ist das neue Kapitel jedenfalls da und es passiert eine ganze Menge. Unter anderem lernt ihr zwei neue Charaktere kennen (wer die Charakterbeschreibungen durchgelesen hat, weiß denke ich, wen) ;)

Ich wünsche euch damit viel Spaß!
 


 

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Episode 07: Heldengeschichten
 

Makoto und ich haben nie viel tun können. Natürlich nicht. Damals, als alles begann, waren wir gerade einmal fünf Jahre alt und Impmon... Impmon kann im Gegensatz zu den anderen Digimon auch selbst digitieren. Es braucht uns nicht dafür. Bis die Grenze zwischen den Welten zerbrochen ist, haben wir nie wirklich dazu gehört... Und auch jetzt sind wir nur zwei von vielen.

Zwei... Wir sind nur halbe Tamer. Oder?

Doch, trotz alledem, habe ich die Hoffnung nicht aufgegeben einmal irgendetwas verändern zu können. Einmal einen Unterschied zu machen. Einmal eine Heldin zu sein.
 

               - Hanegawa Ai
 

„Was... Wer...“, begann Takumi, als eine Energiekugel aus dem Nebel geschossen kam und einen Krater zwischen Dinohumon und seinen Kontrahenten in den Boden schlug.

Im nächsten Moment senkte sich eine große humanoide Gestalt aus dem Nebel herab, aus deren Rücken zwei mächtige, schwarz gefiederte Flügel wuchsen.

Takumi merkte, wie seine Kehle trocken wurde. „Beelzebumon...“

Doch es war nicht nur Beelzebumon. In den Armen des Digimon hing dasselbe Mädchen mit dem roten Pony, dass er bereits mehrfach zuvor gesehen hatte.

„Hört sofort auf zu kämpfen!“, rief sie, ehe sie sich, als ihr Digimon tief genug schwebte, zu Boden gleiten ließ.

Mit zusammengekniffenen Augen sah der andere Junge sie an. „Wer bist du?“

Das Mädchen verschränkte die Arme. „Ich bin Hanegawa Ai. Und will dem ganzen Wahnsinn ein Ende bereiten.“

Für einen Moment herrschte Stille. Beide Adult-Digimon sahen ehrfürchtig zu Beelzebumon, das statt seinen zwei doppelläufigen Pistolen eine größere Waffe an seinem rechten Arm trug, und keins von ihnen wollte sich mit dieser anlegen.

Schließlich war es Takumis Gegner, der als erster seine Sprache wiederfand.

„Ein Ende bereiten?“, wiederholte er ihre Worte und lachte trocken. „Mädchen, hörst du dir überhaupt zu? Für was hältst du dich? Willst dich als große Heldin aufspielen, hm?“

Der Gesichtsausdruck des Mädchens wurde gereizt. „Ich habe genug von diesem Schwachsinn“, meinte sie. „Denkt ihr überhaupt darüber nach, was ihr tut? Ihr lasst euren Partner andere Partner töten und riskiert dabei auch noch sein Leben! Und wofür?“

„Ich wüsste nicht, das dich das angeht, Göre“, erwiderte der Junge und sah sie herablassend an.

Für einen Moment trafen sich die Blicke der beiden und das Mädchen - Ai - schwieg mit wütend zusammengezogenen Augen.

„Gut“, meinte sie schließlich in einem bitteren Tonfall. „Wenn du unbedingt kämpfen willst, dann kämpfe gegen mich.“

„Wieso sollte ich? Du bist kein Turnierteilnehmer und wahrscheinlich irgendein langweiliger registrierter Tamer. Ein braves Kind, hm?“ Der ältere Junge sah sie an.

„Registriert, ja“, antwortete Ai. „Aber ich bin auch ein Teilnehmer in eurem verdammten Turnier.“ Damit zog sie ihr Digivice aus der kleinen Umhängetasche, die sie trug.

Auch wenn Takumi es nur von der Seite sah, konnte er sehen, dass es keinen Ring mehr um das Display trug, sondern dieser durch einen violetten Streifen umfasst wurde, während das Band des Digivices rot war.

„Aber du...“, begann der andere Junge und wurde merklich bleich, als sich Beelzebumon ihm zuwandte. „Dein Digimon ist auf dem Ultimate-Level! Wie kann es sein, dass ihr zugelassen werdet? Wieso wollt ihr das überhaupt?“

Nun wurde der Blick des Mädchens herablassend. „Ich wüsste nicht, was dich das angeht“, wiederholte sie nun seine Worte in einem spitzen Tonfall. „Na, was ist? Wenn du unbedingt kämpfen willst: Ich bin bereit.“

Für einen Moment sah der Junge sie an, sah dann zu seinem eigenen Partner, der ebenfalls vor Beelzebumon zurückgewichen war, dann zu dem Ultimate-Digimon selbst. Er schien verunsichert - ängstlich.

Schließlich schüttelte er den Kopf und befestigte sein Digivice an seinem Gürtel. „Lass mich doch in Ruhe“, murmelte er und wandte sich ab. „Komm, Kabukimon.“

Sein Digimonpartner setzte ihm mit zwei Sprüngen nach.

„Elende Wichtigtuerin“, zischte der Junge noch in Ais Richtung, ehe er im Nebel des Digital Fields verschwand.

Für einen Moment herrschte Schweigen, ehe sich Ai zu Takumi umdrehte und diesen ansah. „Was ist mit dir?“, meinte sie spöttisch. „Willst du gegen mich kämpfen, Shirou Takumi?“

Der Junge wusste nichts zu erwidern. Er starrte sie und Beelzebumon an; zitterte. Wie konnte das sein? Wie konnte es sein, dass dieses Mädchen – ein registrierter Tamer mit einem Ultimate Digimon – an dem Turnier teilnehmen konnte?

„Na, was ist, Kleiner?“ Beelzebumon klang nicht weniger spöttisch, als seine Partnerin. „Willst du nicht kämpfen.“ Es hob seine Waffe.

In diesem Moment trat Dinohumon zwischen das Ultimate-Digimon und Takumi. Es hatte seine Doppelschwerter gezogen und sah entschlossen seinen Gegner an, obwohl es sicher wusste, dass es nicht die geringste Chance gegen das viel mächtigere Digimon hatte.

Da traf Takumis Blick für den Bruchteil einer Sekunde den des Mädchens. Er war herablassend. Sie war sich sicher gewonnen zu haben.

„So ein Blödsinn“, zischte Takumi, noch bevor er sich zurückhalten könnte. „So ein Blödsinn. Was glaubst du eigentlich, was du tust?“ Seine Hand hatte sich um sein Digivice verkrampft. Er sah Ai nicht direkt an.

Diese wirkte überrascht. „Was?“

„Weißt du überhaupt, was du da tust?“, wiederholte Takumi. „Verstehst du überhaupt irgendetwas?“

„Irgendetwas?“, antwortete sie gereizt. „Ihr tötet die Partner anderer Tamer! Ist dir das überhaupt klar?“

„Ist dir überhaupt klar, warum wir das machen?“, schrie Takumi. „Verstehst du überhaupt, warum wir kämpfen? Kannst du das überhaupt verstehen?“ Er atmete einige Male tief ein und aus und sah sie nun an. „Du bist ein registrierter Tamer. Du musst um deinen Partner nicht bangen! Aber es geht nicht allen so!“

Für einen Moment schien das Mädchen nicht zu wissen, was sie sagen sollte. „Dann lass dich doch registrieren! Wenn du dich registrieren lässt, dann kann dir niemand deinen Partner wegnehmen!“

„Blödsinn!“, rief der jüngere Tamer. „Selbst wenn sie es nicht dürfen, wird es sie nicht daran hindern.“ Er schüttelte den Kopf. „Nur weil etwas verboten ist, heißt das nicht, dass es niemanden gibt, der es tut.“

„Das...“, setzte Ai an, brach aber ab.

Stattdessen war es Beelzebumon, das weitersprach. „Hör mal, Kleiner! Nur weil du Angst hast, dass dir jemand deinen Partner wegnimmt, gibt es dir nicht das Recht die Partner anderer zu töten.“

„Für sie ist es nicht anders“, erwiderte Takumi trocken. „Sie haben auch Angst, dass ihnen jemand den Partner wegnimmt. Deswegen kämpfen sie. Was macht es für einen Unterschied, ob ihr Partner stirbt oder er ihnen von irgendwem weggenommen wird?“

„Würdest du auch so denken, wenn ich deinen Partner töte?“, antwortete Beelzebumon und senkte seine Waffe, so dass diese nun auf Dinohumons Brustkorb zeigte.

Takumi erwiderte nichts, sah es nur an, unfähig etwas zu sagen.

Energie sammelte sich an der Spitze der Kanone die auf dem Arm des Dämonendigimons montiert war. Doch es war Ai, die ihren Partner aufhielt.

Sie hob den Arm. „Hör auf.“

Für einen Moment zögerte das Digimon, doch dann ließ es seinen Arm gänzlich sinken und die Energie verschwand.

Takumi sah das Mädchen an. „Wie willst du etwas ändern, wenn du doch nichts durchziehst?“, fragte er und wandte sich ab.

Halb rechnete er damit, dass sie doch etwas tat, zumindest versuchte ihn zu stoppen, doch er entfernte sich von ihr – Dinohumon folgte ihm – und nichts geschah.

Der Nebel verschwand. Der Kampf war vorbei. Und einen Gewinner gab es nicht.
 

Während Takumi ging, zitterte Ai vor Wut. Sie sah ihm hinterher, doch wusste sie nicht, was sie tun sollte.

Sollte sie Beelzebumon befehlen den Jungen oder seinen Partner anzugreifen? Wie könnte sie?

Doch gab es etwas anderes, was sie machen konnte? Wie sollte sie ihn nur aufhalten? Wie konnte sie...

Beelzebumon legte seine große linke Hand auf ihren Rücken.

Sie reagierte nicht, bemühte sich zur Ruhe zu kommen. Einige Male atmete sie tief ein und aus, während sie mittlerweile den Jungen nicht mehr sehen konnte.

„Er hat Recht“, sagte Beelzebumon schließlich.

Für einen weiteren Moment schwieg das Mädchen. „Ich weiß“, erwiderte sie dann voller Bitterkeit.

Natürlich wusste sie es, hatte es auch schon vorher gewusst, aber nicht wahrhaben wollen. Sie würde nichts verändern können, wenn sie nicht bereit war weiter zu gehen. So konnte sie die Kämpfe unterbrechen. Doch es waren nur einzelne Kämpfe – zu wenige.

Aber was würde es bringen, wenn sie selbst diese Tamer und ihre Digimon angriff? Was hätte sie gewonnen?

„Warum wollen sie nicht verstehen?“, rief sie verzweifelt aus, ohne eine Antwort zu erwarten.

Sie sah auf das Digivice, welches sich durch das Programm verändert hatte. Das Digivice, dass sie hierher geführt hatte. Es hatte ihr nichts gebracht.

Mit einem Seufzen schloss sie die Augen und schüttelte dann den Kopf. „Lass uns gehen.“

Ihr Partner nickte und hob sie mit seiner linken Hand hoch, um sie auf seine Schulter zu heben, ehe er seine gewaltigen schwarzen Flügel ausbreitete und sich in die Luft erhob.
 

Während sich die Wege von Takumi und Ai ein weiteres Mal nach einem Streit trennten, saß ein junges Mädchen, sicher nicht älter als es Ai und Makoto waren, auf der Schaukel eines Spielplatzes in Ikebukuro und bewegte diese seicht vor und zurück, während unweit von ihren Füßen entfernt ein Digimon in der Sandgrube saß.

Das Digimon, ein Kunemon, hob den Kopf und sah auf, als es etwas bemerkte, entspannte sich jedoch, als es nur drei Poromon waren, die über den Spielplatz hinwegflogen.

„Entspann dich“, meinte das Mädchen, dessen Haare blond gefärbt und zu zwei lockigen Zöpfen gebunden waren. „Wenn ein Gegner käme, würden wir gewarnt.“

Das Digimon sah sie an – zumindest konnte man dies vermuten, da es seinen Kopf zu ihr drehte, denn es hatte keine sichtbaren Augen.

Einige wesentlich jüngere Kinder spielten auf dem Spielplatz, schenkten den beiden jedoch kaum Beachtung. Einzig eine junge Mutter warf dem Digimon ab und an besorgte Blicke zu, schien jedoch aus der geringen Körpergröße zu schließen, dass von Kunemon kaum eine Gefahr ausgehen konnte.

Nun lehnte sich das Mädchen soweit es ging, ohne dass die Schaukel sich drehte, zurück und hielt sich dabei bei den metallenen Befestigungen der Schaukel fest. Sie sah zum Himmel und damit auch zur Digiwelt. „Es ist so langweilig“, murmelte sie.

Das raupenartige Digimon kroch zu ihr herüber, krabbelte ihr Bein hoch und setzte sich auf ihren Schoß.

Als sie sich wieder aufrichtete sah sie es an. Sie zog einen Schmollmund.

Ihr Digimonpartner sah ihr ins Gesicht, auch wenn es weiter schwieg. Konnte es überhaupt sprechen?

„Was meinst du?“, fragte das Mädchen nun. „Sollen wir uns einen Gegner suchen?“

Auch jetzt antwortete Kunemon nicht, sondern legte nur seinen Kopf schief. Es öffnete sein Insektenmaul, jedoch weiterhin lautlos.

Das junge Mädchen schien es jedoch zu verstehen.

„Lass uns nach Shibuya gehen“, meinte sie. „Da finden wir um diese Zeit sicher einen Gegner.“ Mit diesen Worten stand sie auf, wobei das Digimon weiter an ihr hochkletterte und sich schließlich um ihren Hals legte.

Noch einmal sah sie auf ihr Digimon, auf dessen Bildschirm nichts angezeigt wurde.

Dann lief sie sie zum Rand des Spielplatzes, der in einem kleinen Park gelegen war, und schlug den Weg zur nächsten Bahnstation.

Sie würde sich Zeit lassen. Sicher gab es einen Gegner in Shibuya. Außerdem gab es dort Spielhallen und andere Möglichkeiten sich seine Zeit zu vertreiben. Dort konnte sie sich für eine Weile beschäftigen.

Zuhause würde sie ohnehin niemand vermissen.
 

„Was ist nur los mit dir?“

Juris Stimme riss Takato aus seinen Gedanken und ließ ihn erschrocken aufsehen.

Besorgt sah ihn die junge Frau an, die neben ihm auf der Bank saß.

Sie hatten den gesamten Nachmittag miteinander verbracht – ein Date, wie Ryou es sicher wieder genannt hätte – und machten sich nun nur langsam auf den Weg zur Bar, die Juris Familie gehörte, da Takato versprochen hatte sie nach hause zu bringen, was er natürlich auch ohne das Versprechen getan hätte.

Es war mittlerweile dunkel geworden und die Laternen am Rand des Weges waren angegangen. Da es Freitagabend war, waren sie natürlich nicht allein. Immerhin wurde es langsam wärmer, was gerade um diese Zeit auch andere junge Paare in den Park zog. Trotzdem – oder vielleicht auch genau deshalb – blieb Guilmon von den meisten unbeachtet. Wer frisch verliebt war, hatte wahrscheinlich besseres zu tun, als sich wegen einem recht unschuldig wirkenden Digimon Gedanken zu machen.

Der junge Mann sah zu einer der Laternen, in deren Licht einige Insekten schwirrten. „Entschuldige bitte“, flüsterte er leise.

„Er ist so schon die ganze Zeit“, kommentierte sein Partner. „Guilmon macht sich etwas Sorgen.“

Juri sah ihren Freund an und drückte seine Hand. „Es ist wegen diesem Turnier, oder?“

Anstatt zu Antworten seufzte Takato und wich ihrem Blick weiterhin aus, unsicher was er sagen sollte.

Sie drängte ihn nicht, sondern sah ihn nur an, darauf wartend, dass er ihr antwortete.

„Nicht nur das Turnier“, antwortete Takato schließlich leise. „Es ist alles... Das Turnier, die Morde... Allein die Vorstellung, dass andere Tamer – Kinder – so etwas tun...“ Er ließ seine Schultern hängen und unterdrückte ein Seufzen.

Darauf antwortete die junge Frau nicht sofort, weshalb Takato schließlich fortfuhr.

„Ich hatte gehofft, dass es zu so etwas nicht kommen würde“, murmelte er. „Nicht mehr jetzt. Zumindest nicht in Japan. Es ist doch so friedlich.“

„Takato“, begann Juri vorsichtig. „Auch wenn es hier vielleicht friedlich war – bisher... Es wird immer Menschen mit Problemen geben.“ Sie suchte nach Worten. „Menschen sind verschieden und... Und Digimon sind es auch. Deswegen lassen sich Konflikte nicht immer vermeiden.“

„Aber töten?“, flüsterte der Junge. „Sie töten die Partner anderer Tamer... Und... Und Menschen. Die Morde... Wieso?“ Er schüttelte den Kopf. „Wieso sollte das jemand tun wollen?“

„Was macht es anders, als einen anderen Mord?“, fragte Juri nun, wenn auch zurückhaltend. „Nur... Nur das die Mordwaffe ein Digimon war...“ Dabei gebrauchte sie den Begriff der Waffe vorsichtig, wenngleich es der einzig treffende Begriff war.

Zwar hatten sie bisher keinen Beweis, dass die Morde wirklich solche waren und keine bloßen „Unfälle“ doch deutete bisher alles darauf hin, wie auch darauf, dass es ein Tamer war, der sein Partner dazu missbrauchte. Denn was für ein Motiv sollte ein Digimon haben?

„Der Mörder ist ein Tamer“, antwortete Takato knapp. „Er ist ein Tamer. Er hat einen Partner. Einen Partner, den er missbraucht...“ Er schüttelte den Kopf. „Wieso?“

„Das können wir nur herausfinden, wenn wir den Mörder fassen“, entgegnete Juri.

Darauf erwiderte der junge Mann nichts. Was sollte er auch sagen? Er konnte es nicht verstehen. Nichts von alledem. Er wollte es auch gar nicht verstehen. Ja, er hatte Angst davor es zu verstehen, da es für ihn so unmöglich erschien.

Es waren die Partner anderer Tamer.

Es waren Menschen.

Ein Tod brachte so viel Leid mit sich. Egal ob es der Tod von einem Menschen oder einem Digimon – speziell einem Digimon, das zu einem Tamer gehörte – war. Es waren schon so viele Tränen vergossen worden. Wie konnte es sein, dass es Tamer gab, die dies nicht verstanden? Wie konnten Tamer ihren Partner so ausnutzen?

Bedeutete ihnen ihr Digimon denn gar nichts?

Noch einmal schüttelte der den Kopf in Gedanken und stand dann mit einem Mal auf. „Lass uns weitergehen“, meinte er tonlos. „Ich bin müde.“

Dabei wusste er noch nicht, dass es mittlerweile auch unter den Tamern der ersten Generation – wenn man so wollte – eine Turnierteilnehmerin gab.
 

Was Takato nicht verstand, war, dass es viele Gründe gab, an dem Turnier teilzunehmen. Sicherlich hatte die Teilnahme für viele – so wie Takumi – mit dem Wunsch zu tun stärker zu werden. Andere wiederum wollten sich nur beweisen, wollten ihre Stärke demonstrieren. Ja, es gab sogar Tamer, denen es nur um einen Zeitvertreib ging.

Denn nicht jeder dachte, wie Takato, auch über die Gefühle der anderen nach. Es gab Tamer, die nicht einmal mit der Wimper zuckten, während ihr Partner das Digimon des Gegners tötete und seine Daten lud.

Doch es gab auch Tamer, deren Motivation der von Ai nicht unähnlich war.

Beinahe jeden Nachmittag und vor allem in den nächsten fand irgendwo in der Metropole zumindest ein Kampf statt und gerade an den Wochenenden, an denen es viele Jugendliche in die Vergnügungsviertel im Zentrum der Stadt zog, waren es mehr.

Nicht ganz im Zentrum, doch nur unweit von diesem entfernt, lag der Arco Tower, ein prunkvolles Hotel, das praktisch an der Grenze von Meguro zu Shibuya gelegen war. Da es auch hier noch genug vermeintliche Sinnlosigkeiten gab, um seine Zeit zu verschwenden, waren auch hier viele Leute – nicht zuletzt einige Touristen unterwegs, weshalb man den Ort für einen Kampf hier vorsichtig wählen musste.

Weniger voll war es jedoch auf der untersten Ebene des zum Hotel gehörenden Parkhauses.

Hier hatte sich der Nebel des Digital Fields ausgebreitet und umgab einige der teilweise teuren Autos.

Zwischen diesen standen sich zwei Jungen, die unterschiedlicher nicht hätten sein können, gegenüber.

Der eine war Japaner und sollte sich besser nicht erwischen lassen, da er wahrscheinlich bloß 16 oder 17 war und um diese Zeit – immerhin war es beinahe elf Uhr in der Nacht – sich auf den Weg nach Hause machen sollte. Sein schwarzes Haar war mittellang und er trug ein grünes T-Shirt über einen dunkelgrauen Pullover. Sein Digivice war gelb und braun und damit dem seines Gegners nicht unähnlich.

Dieser war mehr als einen Kopf größer als er und sein Alter war schwer einzuschätzen, da er offenbar Europäer oder Amerikaner war – zumindest aus dem Westen stammte – und natürlich hellbraunes Haar hatte, das er mit Gel hochgestachelt und an der Stirn blondiert hatte. Dazu hatte er einen Kinnbart, wie man sie in Japan eher selten trug. Auch er trug ein T-Shirt, doch war dieses dunkel und mit einem hellen Spritzermuster bedruckt. Seine Hose war eine einfache Jeans.

Sein Digivice war von oranger Grundfarbe, während der Bildschirm braun umfasst war und die Knöpfe, wie auch das Band dunkelrot gefärbt waren.

Zwischen den beiden Jungen standen ein Liamon und ein Golemon und sahen sich feindselig an, auch wenn sich im Moment niemand rührte.

„Worauf wartest du?“, fragte der größere Junge, wobei sein japanisch verriet, dass es nicht seine Muttersprache war.

Liamon machte ein paar Schritte zur Seite und knurrte seinen Gegner an.

Sein Gegner kniff die Augen zusammen und zog dann eine Karte durch sein Digivice.

Daraufhin hob Golemon seinen Arm und ließ diesen auf seinen Gegner hinabsausen, der mit einem Sprung nach hinten auswich, so dass der Angriff nur ein Loch in den asphaltierten Boden riss.

Der riesige Golem aus Holz, Metall und Lehm setzte seinen Gegner nach, schlug weitere male zu, während Liamon nichts anderes tat als auszuweichen und dabei die Autos, soweit es möglich war, zu umgehen.

Als der japanische Junge verstand, dass er auf diese Art nicht weiterkam, zog er eine weitere Karte durch sein Digivice, woraufhin blaue Datenpartikel in der Luft erschienen, die von Golemon geladen wurden.

„Poison Ivy“, knurrte das größere Digimon mit sehr tiefer Stimme, ehe die violetten Ranken aus seinen Armen auf seinen Gegner zuschossen, der erneut auszuweichen versuchte, was ihm zuerst auch gelang. Dann jedoch wickelte sich eine Ranke um die linke Vorderpfote des Löwendigimon und hielt es so zurück.

Nun hatten die anderen Ranken ein leichtes Spiel und umfassten bald auch die anderen Beine der Raubkatze.

Golemon schien zufrieden und wirbelte seinen Gegner nun durch die Luft, ließ ihn mehrfach gegen verschiedene Autos schlagen, deren Bleche zerbeult wurden, noch bevor die Alarmanlagen angingen.

Der amerikanische oder europäische Junge schien nervös zu werden.

„Na, wie gefällt dir das, Gaijin?“, grinste sein kleinerer Gegner.

Golemon zog Liamon nun mithilfe der Ranken an sich heran und sah mit glühenden Augen an.

Das Tierdigimon entgegnete diesen Blick kühl.

„Curse Crimson“, quollen die Worte aus dem Rachen des Golems hervor und eine Wolke rot glühenden Dampfes ergoss sich auf seinen Feind.

In dem Moment zog nun der größere Junge eine Karte durch sein Digivice. „Card Slash! Alias!“

Mit einem Flackern verschwand Liamon aus dem Griff der sich nun auflösenden Ranken und fand sich ein ganzes Stück weiter hinten auf dem Dach eines schwarzen BMW wieder. Hier nahm es Kampfhaltung an, während sein Tamer eine weitere Karte durch sein Digivice zog.

„Card Slash! Black Rook Device!“

Erneut versuchte Golemon mit seiner Curse-Crimson-Attacke anzugreifen, doch diese schien einfach an dem wendigeren der beiden Digimon abzuprallen, als dieses hindurch sprang.

Im Sprung hob Liamon seine Klaue. „Critical Strike!“

Die Attacke traf in die Mitte von Golemons Brust, welches erstarrte und dann zusammenbrach, während Liamon hinter ihm majestätisch auf dem Boden landete und sich zu ihm umdrehte.

Daten stoben in die Luft, ehe einen Moment später ein Goblimon bewusstlos auf den Boden fiel.

„Goblimon!“, rief der japanische Tamer aus.

Da erklangen Rufe aus der Richtung des Notausgangs, der außerhalb des Digital Fields gelegen war.

Der größere Junge sah sich dahingehend um. Da kam Liamon zu ihm gesprungen, so dass er sich auf dessen Rücken schwingen konnte.

„Willst du es nicht beenden?“, schrie ihn auf einmal sein vermeintlicher Gegner zitternd an. „Oder hast du zu viel Angst, dass sie dich fassen?“

Der wohl ältere sah sich zu ihm um. „Ich habe es schon beendet“, meinte er. „Ich habe kein Interesse daran, deinen Partner zu töten. Ich wollte dir lediglich zeigen, dass du mich nicht besiegen kannst.“

Damit lief Liamon los, lief die Ausfahrt der Parkebene hinaus und dann in die dunkle Nacht hinaus, wo einige der Passanten dem Jungen und dem Digimon hinterhersahen.

Er jedoch machte sich keine Gedanken, dass ihn jemand erkannte. Auch wenn er als Ausländer auffiel, so war es doch eine Stadt in der so viele Millionen Menschen lebten, von denen auch ein paar tausend ausländischer Herkunft waren. Selbst wenn jemand sein Gesicht im Dunkeln genauer erkannte, so war die Wahrscheinlichkeit, dass die Polizei oder jene japanische Regierungsorganisation – Hypnos – die für alle Digimonbelange zuständig zu sein schien, finden würde.

„You really tend to overact, Steve“, knurrte Liamon, während sie durch die Nacht rasten.

Der Junge lächelte bitter. „I hope so“, erwiderte er. „I want to battle that guy, who came up with this forsaken tournament, myself.“
 

„Wo kommt ihr her?“, fragte Makoto, als Ai zusammen mit Impmon auf dem Weg in das Zimmer des Mädchens war.

Er stand in der Tür seines eigenen Zimmer und hatte – obwohl es mittlerweile halb zwölf war – offenbar auf sie gewartet.

„Von draußen“, erwiderte Ai trocken.

„Und was habt ihr draußen gemacht?“ Die Stimme ihres Zwillingsbruders klang tonlos, doch sie wusste, dass er sauer auf sie war.

Zurecht! Doch das konnte sie ihm nicht sagen. Das wollte sie nicht zugeben.

„Ich wüsste nicht, was dich das angeht“, meinte sie stattdessen schnippisch.

Makoto sah sie wütend an. „Eine Menge. Immerhin hast du unseren Partner dabei. Und was ist mit unserem Digivice? Ich habe es seit sicher einer Woche nicht mehr gesehen!“

Für einen Moment zögerte das Mädchen.

„Zeig es mir!“, rief ihr Bruder nun aus und ging auf sie zu.

„Nein!“, erwiderte sie nicht minder heftig und wich zur Tür ihres Zimmers zurück.

Impmon sah betroffen zwischen den beiden hin und her. „Makoto...“, begann es, als der wütende Blick seines zweiten Tamers zu ihm glitt.

„Was habt ihr gemacht?“, richtete der Junge die Frage nun ganz bewusst an das Digimon.

„Wir...“, begann es und sah weiter zwischen seinen beiden Partnern hin und her, als sein Blick den von Ai traf. Es wusste genau so gut wie sie, dass Makoto ihr Handeln nicht befürworten würde. Es schüttelte den Kopf. „Nichts...“

Für einen Moment senkte sich eisernes Schweigen über die drei, während der Junge fassungslos seine Schwester und Impmon ansah.

Diese wich seinem Blick aus und öffnete die Tür zu ihrem Zimmer. „Ich bin müde“, flüsterte sie. „Gute Nacht, Nii-san.“ Damit glitt sie dicht gefolgt von Impmon in den Raum hinein und schloss die Tür hinter sich.

Sie sah zu Boden. „Es tut mir leid, Makoto“, hauchte sie, so leise, dass sie sicher sein konnte, dass er sie nicht hörte. „Aber dies ist etwas, was ich tun muss...“
 

Die Golden Week lag vor Takumi. Eine Woche frei. Genug Grund für die meisten sich zu freuen und noch einmal die Seele baumeln zu lassen, auch wenn die Frühjahrsferien gerade einmal drei Wochen her waren.

Für Takumi stand an diesem Sonntag noch etwas anderes an, auf das er sich eigentlich freute: Das erste Baseballspiel in der Saison für ihr Schulteam.

Auch wenn er an diesem Tag kaum Zeit für Kotemon haben würde, freute er sich. Denn die Baseballspiele waren die Zeit, die er mit seinen Freunden von der Highschool verbringen konnte, in der er gelobt wurde und sich fühlte, als würde er irgendwo dazu gehören. Auch war es eine der wenigen Gelegenheiten, bei denen sein Vater einmal wirklich stolz auf ihn war.

Ihr Gegner war die Horikoshi High School, gegen die sie bereits im letzten Schuljahr gespielt und verloren hatten. Es war nur ein Freundschaftsspiel, zum Auftakt der Saison. Etwas, wovon sie sich geehrt fühlen sollten, immerhin war die Horikoshi eine angesehene Privatschule.

Während das letzte Spiel auf dem Sportplatz ihrer Gegner stattgefunden hatte, hatte Takumis Team heute ein Heimspiel.

Natürlich war der Sportplatz auf dem sie trainierten, kein großartiges Stadion, mit vielen Tribünen, sondern ein einfaches Baseballfeld, auf dessen Seiten nur ein- bis zweistöckige Tribünen angebracht waren, welche heute mit einfachen Stühlen aus dem Bestand der Schule bestückt waren.

Sie teilten es sich, mit der Atsuri High und einer der benachbarten Universitäten.

Takumi war der Second Baseman, seiner Mannschaft, und trug zum Spiel natürlich das weiß blaue Trikot seiner Mannschaft.

Sein Blick wanderte über die Zuschauerränge, während ihnen Herr Kagawa noch einmal ihre Strategie erklärte. Als er seine Eltern sah, winkte seine Mutter ihm zu.

Er schaute zu seinem Lehrer.

Er wollte nicht zurückwinken und damit den Anschein erwecken, dass er nicht zuhörte. Noch weniger wollte er, dass irgendjemand dachte, er sei ein Muttersöhnchen.

Die Mannschaft der Horikoshi High School hatte sich an der nächsten Ecke des Feldes zusammen mit ihrem Trainer versammelt. Ihre Trikots waren grün getrimmt.

„Seid ihr soweit?“, fragte Herr Kagawa, nachdem er seine Taktik- und Motivationsrede beendet hatte.

„Ja!“, riefen die Jungen der Yashio im Einklang und stießen ihre Fäuste in die Luft.

Bald nahmen sie ihre Plätze ein. Da sie die Gastgebermannschaft waren, spielten sie im ersten Halbinning in der Defensive.

Während sie ihre Positionen einnahmen, wanderte Takumis Blick erneut durch die Reihen der Zuschauer, die natürlich vorrangig Freunde und Familien der Spieler waren.

Erneut winkte ihm seine Mutter zu und dieses mal nickte er zumindest in ihre Richtung. Sein Vater rührte sich nicht, doch reichte es Takumi schon, dass er hier war und ihm bei diesem Spiel zusah.

Kurz meinte der Junge noch ein weiteres bekanntes Gesicht zwischen den Zuschauern zu sehen, doch als er danach suchte, wusste er nicht wer es gewesen sein könnte und tat es so schließlich als ein Hirngespinst ab, um sich auf das Spiel zu konzentrieren.

„Nicht ablenken lassen, Shirou-kun“, rief Hiruma Souji, einer der Oberschüler seiner Schule und der momentane Kapitän ihrer Mannschaft, der auf der First Base spielte, ihm zu.

Er sah ihn an. „Klar“, erwiderte er und versuchte seinen Worten nachdruck zu verleihen.

Jetzt war nicht die Zeit um sich ablenken zu lassen. Er wollte gewinnen. Er wollte seiner Mannschaft, seinem Trainer und nicht zuletzt seinem Vater beweisen, dass er... Ja... Dass er... Was? Was wollte er beweisen?

Mit einem Kopfschütteln verscheuchte er diese Gedanken und konzentrierte sich auf das Spiel.

Er hatte in der Golden Week noch genug Zeit über alles mögliche nachzudenken.

Das Spiel begann und der erste Batter der Horikoshi-Mannschaft nahm seine Position ein. Ein Strike. Zwei Strikes. Doch beim dritten Schlag flog der Ball und der Junge lief zur ersten Base los.

Auch Takumi lief, als der Ball in seine Richtung flog. Er sprang, doch der Ball prallte an der Spitze seines Handschuhs ab und flog weiter.
 

Kotemon stand hinter den Umkleiden versteckt und sah zum Spielfeld hinüber. Auch wenn Takumi ihm bereits mehrfach die Regeln erklärt hatte, verstand es nicht so wirklich, was auf dem Feld vor sich ging.

Sein Tamer hatte ihm zwar gesagt, dass es nicht herkommen sollte, damit sein Vater es nicht sah, doch es wollte einmal ein solches Spiel sehen. Immerhin schien es Takumi wichtig zu sein und bisher hatte es in den zwei Jahren, die es bereits mit dem Jungen verbrachte, nur beim Training zugesehen.

Jedoch war dies nicht der einzige Grund, warum es hier war.

Wenn Kotemon ehrlich war, machte es sich Sorgen um seinen Partner, der in den vergangenen Tagen oft geistesabwesend und beinahe schon deprimiert wirkte.

„Ich wusste, dass ich etwas gespürt habe“, erklang eine schnippische Stimme von hinter ihm und ließ Kotemon herumfahren.

Es war ein Impmon, das mit verschränkten Armen gegen die Mauer der Umkleide lehnte.

„Wer bist du?“, fragte Kotemon und hob eine Hand zum Schaft seines Bambusschwertes.

„Hö?“, machte das Impmon, ehe die Spur des Verstehens sich auf seinem Gesicht breitmachte. „Ach so, du kennst mich in dieser Gestalt noch nicht.“ Es grinste. „Ich gebe dir einen Tipp...“ Damit tat es so, als würde es eine Pistole in der Hand halten und richtete diese auf Kotemon. „Peng!“

Das jüngere Digimon brauchte etwas, bis es verstand. „Du bist das Beelzebumon!“, rief es aus.

„Bingo“, erwiderte Impmon. „Und du bist das Digimon, das für seinen Partner sogar andere Digimon tötet!“

Kotemon antwortete darauf nichts.

Flackernd erschien eine rote Flamme in der Hand des kleinen Dämonendigimons. „Warum?“, fragte es mit einer trügerischen Ruhe in der Stimme. „Warum tötest du die Partner von Tamern?“

„Weil ich für Takumi kämpfe“, erwiderte Kotemon und seine Augen, die aus dem Schatten des Helmes heraus leuchteten verengten sich.

„Denkst du überhaupt für dich selbst?“ Impmon sah es abschätzig an.

„Das tut dabei nichts zur Sache“, antwortete das andere Digimon. „Ich bin Takumis Partner und habe ihm die Treue geschworen!“

„Und deswegen tust du alles, was er sagt?“

Kotemon zog nun endlich sein Bambusschwert. „Ich wüsste nicht, was dich das angeht.“

Der Blick in Impmons Augen, war genau so kalt wie der Beelzebumon, als dieses seine Pistole auf Takumi gerichtet hatte. „Ich kann es nicht verzeihen“, knurrte es. „Ich kann es nicht verzeihen, was ihr tut! Summon!“

Die beiden Elementkugeln trafen Kotemon und warfen es gegen die Wand, wobei ihm das Schwert aus der Hand fiel. Im nächsten Moment hielt das Dämonendigimon es gegen diese gedrückt in die Höhe.

„Selbst wenn es der Wille deines Partners ist, denkst du nicht darüber nach, was du tust?“, zischte es. „Hinterfragst du nicht, was er sagt? Bist du wirklich so willenlos?“

„Ich habe ihm die Treue geschworen“, wiederholte Kotemon. „Und einen Schwur werde ich nicht brechen, selbst wenn ich mit den Entscheidungen nicht einverstanden bin.“

„Und wie viele wirst du dann noch töten?“, antwortete Impmon. „Wenn du sie absorbierst kommen sie nicht zurück! Die Kinder haben ihre Partner für immer verloren.“

„Aber nur so können wir stärker werden!“ Nun versuchte Kotemon seinen Gegner von sich weg zu drücken. „Nur so...“ Es brach ab, als ein elektrisierendes Gefühl durch seinen Körper zuckte. Ein Gefühl, das auch Impmon gespürt zu haben schien.

Beide Digimon sahen zum Himmel hinauf.

„Was war das?“, keuchte Kotemon, als Impmon es losließ.

„Nichts gutes...“, erwiderte dieses. Es nahm Kampfhaltung an. Wie aus dem Innern des Digimons erschien ein gleißendes Licht, dass es einhüllte und zu einem größeren Lichtkegel anwuchs, ehe es verblasste und Beelzebumon vor Kotemon stand.
 

Derweil war auf dem Spielfeld das erste Half-Inning vorbei und die Mannschaften wechselten Positionen.

„Alles in Ordnung mit dir, Takumi?“, erkundigte sich Hiro, einer von Takumis Klassenkameraden, der ebenfalls in seinem Baseballteam war.

„Natürlich“, log Takumi. Tatsächlich hatte er mehrere Fehler im Spiel gemacht, da ihn seine Gedanken ständig abgelenkt hatten.

„Du wirkst abgelenkt“, fuhr sein Kamerad besorgt fort. „Normal spielst du wesentlich besser.“

„Tut mir leid“, antwortete Takumi schnell. „Vielleicht... Vielleicht ist heute einfach nicht mein Tag. Tut mir leid.“

„Geht es dir nicht gut? Soll ich dich auswechseln?“, fragte Herr Kagawa.

Der Blick des Jungen glitt zum wiederholten Mal zur Tribüne hinüber und er schüttelte den Kopf. „Nein, es geht schon. Ich werde mich ab jetzt mehr bemühen.“

Für einige Sekunden sah sein Trainer ihn an. „Okay“, meinte er schließlich.

Takumi verbeugte sich leicht, ehe ihm der Sportlehrer seinen Schläger reichte. „Du bist der erste in der Reihenfolge“, meinte er.

Der Junge nickte und ging auf die Homebase.

Ihre Gegnermannschaft hatte einen neuen Spieler als Pitcher eingewechselt und erst als Takumi seinen blauen Helm aufgesetzt hatte und seinem Gegenspieler ins Gesicht sah, kam er nicht umher, seine Augenbrauen zusammen zu ziehen. Das Gesicht des Jungen kam ihn bekannt vor.

Dem Pitcher schien es ähnlich zu gehen.

Auch wenn sie achtzehn Meter auseinander standen, konnte Takumi sehen, wie auch der andere seine Stirn runzelte.

„Shirou Takumi“, begann der andere, wobei seine Stimme deutlich machte, dass ihm der Name mehr sagte, als die Zeichen, die einer der Schiedsrichter mit der Hand an eine weiße Tafel geschrieben hatte. „Ich hätte damit rechnen müssen...“

„Woher...“ Erst jetzt verstand Takumi. Der Junge hatte ein ähnliches Gesicht, wie das angeberische Mädchen mit dem Beelzebumon. Da fiel ihm auf, dass dieses Mädchen, als er sie das erste Mal gesehen hatte, einen Jungen bei sich gehabt hatte. „Du bist ihr Bruder...“

Noch einmal glitt sein Blick zu den Zuschauern, wo er nun auch das Gesicht sah, das ihm schon vorher aufgefallen war.

Es war das Mädchen – Hanegawa Ai – das seinem Blick eisig erwiderte.

„Verdammt“, flüsterte Takumi, sah seinen Gegner dann aber an. Er nickte und nahm seine Position ein.

Dann ertönte ein Pfiff.
 


 

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Anmerkungen und Erklärungen:

Meguro: Ein weiterer Distrikt von Tokyo, der direkt an Shibuya angrenzt, aber auch nicht sehr weit von Minato entfernt ist. Er gehört nicht mehr zu den "zentralen Stadtteilen", aber gerade im Grenzgebiet zu Shibuya ist einiges an Touristenattraktionen noch zu finden. Takuya aus Digimon Frontier kommt übrigens aus diesem Stadtteil.

Kunemon: Ein Insektendigimon auf dem Childlevel vom Typus Virus.

Liamon: Ein Tierdigimon auf dem Adultlevel vom Typus Serum. Digitiert in diesem Fall aus Leormon.

Golemon: Ein Gesteinsdigimon auf dem Adultlevel. Sein Typus ist Virus.
 

Wie gesagt: In diesem Kapitel ist - teilweise direkt, teilweise indirekt - einiges passiert, da ich langsam zum ersten Zwischenfinale hin aufbaue. Und Steve und Rin tauchen, zu meiner eigenen Freude, auf. Ich mag gerade Rin irgendwie sehr gern und freu mich schon, ein wenig mehr über sie zu schreiben.

Die Leute, die Denrei und Shuichon vermissen, können sich übrigens freuen: Die beiden tauchen im nächsten Kapitel nun auf ;)

Das kommt aber erst in zwei Wochen. Auch wenn ihr auf dieses Kapitel drei Wochen warten musstet. Tut mir leid :( Aber da mein Geburtstag dazwischen liegt...
 

Wer in der Zwischenzeit etwas zu lesen sucht: Ich habe einen One-Shot geschrieben, ein Original: Versteckte Stücke der Erinnerung.

Das ist zwar Shojo-Ai... Aber in erster Linie ist es Cyberpunk, der halt mit einer kleinen Priese Shojo-Ai gewürzt ist.

Da ich überlege zu dem Setting noch eine etwas längere Geschichte zu schreiben, würde ich mich da über etwas Feedback freuen.

http://animexx.onlinewelten.com/fanfiction/294011/
 

Ansonsten:

Bis in zwei Wochen! :)

Episode 08: Zwischen den Fronten

Ich weiß, ich weiß, ich bin schon wieder einen Tag verspätet. Und dieses Mal habe ich keine bessere Ausrede als: Ich habe gestern Abend als ich nach Hause kam nicht mehr dran gedacht, es hochzuladen. Tut mir leid.

Zumindest kommt in diesem Kapitel inhaltlich einiges zusammen. Ein, zwei, und hier kommt Subplot drei. Na ja, obwohl, bei diesem ist „Subplot“ relativ.

Und ihr sehr zwei altbekannte Gesichter endlich wieder.
 

Viel Spaß!
 


 

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Episode 08: Zwischen den Fronten
 

Die digitale Welt, im Umgang auch Digiwelt genannt, ist eine Welt, die im Computernetzwerk existiert, jedoch vollkommen autonom funktioniert. Laut aktuellem Wissensstand entstand diese Welt im Jahre 1984 durch ein Forschungsprojekt in den USA. Aus ihr gingen die digitalen Lebensformen, die wir als digitale Monster oder Digimon bezeichnen hervor. Die digitale Welt besteht aus mehreren Ebenen, die untereinander verbunden sind. Welche physikalischen Gesetze in dieser Welt gelten wird im Moment noch erforscht.
 

      - Auszug aus dem Buch „Digitales Leben und wie es unsere Realität beeinflusst“ von Sagisu Yoshimasa
 

Wie immer kam der Tag plötzlich in der Digiwelt, auch wenn Denrei dies nur durch den Wechsel der Lichtfarben in der Höhle wahrnehmen konnte.

Er blinzelte in das orange-rötliche Licht, dass sich nun um sie ausbreitete. Tatsächlich war er froh, dass sich zumindest etwas veränderte, denn ansonsten hätte er schon lange das Zeitgefühl verloren.

„Shuichon.“ Er stupste das rothaarige Mädchen, dass sich im Schlafsack an ihn herangekuschelt hatte an, erreichte jedoch damit jedoch keinerlei Reaktion. „Shuichon“, versuchte er es noch einmal, aber erneut erfolglos.

Dafür regte sich Lopmon, das auf dem Schlafsack geschlafen hatte, während sich Dracomon noch immer auf dem Höhlenboden rechts neben Denrei zusammengerollt hatte. Das langohrige Digimon schüttelte den Kopf, über die halbherzigen Versuche des jungen Manns und krabbelte auf Shuichons Schulter. „Man sollte meinen, du solltest mittlerweile gelernt haben“, kommentierte es Denreis Versuche, ehe es in Shuichons Ohr schrie: „Aufstehen! Wir müssen weiter!“

Dies erreichte eine Reaktion, wenngleich diese bei weitem nicht so immens ausfiel, wie man hätte hoffen können.

Shuichon blinzelte, sah sich um und verkroch sich dann tiefer in den Schlafsack hinein.

„Shuichon“, probierte es Denrei erneut. „Wir müssen weiter.“

„Ich mag aber nicht“, nuschelte sie. „Ich bin noch müde.“

Während der junge Mann seufzte, blieb Lopmon unbeeindruckt. „Shuichon, wir sind in der Digiwelt. Technisch gesehen, musst du hier nicht einmal schlafen.“

„Aber schlafen ist schön und gemütlich und warum müssen wir überhaupt weiter?“, grummelte sie und versuchte blind Lopmon vom Schlafsack herunter zu schubsen.

„Ich will endlich aus diesen Höhlen heraus“, antwortete Denrei auf diese Frage.

„Vielleicht gibt es überhaupt keinen Ausgang“, kam es aus dem Schlafsack hervor.

„Es gibt auf jeder Ebene mindestens einen Eingang und einen Ausgang“, erwiderte Lopmon. „Also komm jetzt.“ Es stemmte seine kleinen Arme in die nicht vorhandenen Hüften und sah ungehalten auf den Hügel im Schlafsack, der sein Tamer war.

Denrei küsste das Mädchen auf die Stirn. „Bitte Shuichon.“

Daraufhin seufzte sie. „Okay, okay...“ Sie öffnete den Reißverschluss des Schlafsacks und richtete sich auf. „Aber ich glaube wirklich nicht mehr, dass es hier einen Ausgang gibt.“

„Wir werden sehen“, antwortete Denrei und stupste nun auch Dracomon, das mit einem Grummeln begann sich zu strecken und schließlich verschlafen aufstand.

Sie irrten bereits seit acht Tagen durch dieses Höhlenlabyrinth, ohne dass sie einen Ausgang oder auch nur ein Digimon gefunden hätten. Ihre Digivices zeigten nichts an und den Kontakt zur realen Welt hatten sie schon vor mehr als zwei Wochen verloren.

Der ursprüngliche Plan war gewesen, dass sie nach der Ursache für die Datenanomalie, die Megumi und Shibumi im Winter gefunden hatten, suchen sollten und vielleicht eine Woche oder zehn Tage in der Digiwelt blieben, doch seit sie durch einen Datenstream erst in eine Meeresebene, dann in einen Wald und schließlich dieses Höhlenlabyrinth gekommen waren, funktionierte ihr Messanger nicht mehr.

Sie standen auf und packten ihre Sachen in ihren Rucksack zusammen, ehe Denrei diesen Schulterte und sie in den nächsten größeren Höhlenarm zurückgingen.

Die Wände der Höhle veränderten ihre Farbe passend zur Tageszeit - das hatten sie schon in den vergangenen Tagen festgestellt. Im Moment waren sie rot, während die Kristalle, die an einigen Stellen aus den Wänden hervorragten orange oder rot leuchteten und ihnen so Licht spendeten.

„Ich frage mich nur, warum wir kein Digimon gesehen haben“, murmelte Shuichon. „Es ist irgendwie schon unheimlich, so verlassen wie es hier ist.“

Es dauerte etwas, bis jemand antwortete, da sie wenig tun konnten, als ihr zuzustimmen.

„Irgendetwas an diesem Gebiet fühlt sich falsch an“, meinte Lopmon.

„Deswegen sollten wir so schnell wie möglich von hier weg“, antwortete Denrei.

Shuichon und Lopmon nickten, während Dracomon - ungewöhnlich still - neben ihnen hertrottete.

„Die anderen machen sich sicher Sorgen“, murmelte Shuichon nach einer Weile leise.

Denrei sah sie an. „Wahrscheinlich.“

„Ich will nach Hause“, kam es auf einmal halblaut von Dracomon.

Daraufhin nickte der junge Mann. „Ich auch. Wir sollten uns wirklich beeilen einen Ausgang zu finden...“ Er schüttelte den Kopf. „Ich frage mich, ob diese Ebene vielleicht mit der Anomalie zusammenhängt...“
 

Angespannt starrte Takumi in die Richtung Makotos. Blinzelte trotz der Sonne kaum.

Der ältere Junge hatte einen ernsten, fast wütenden Ausdruck auf seinem Gesicht, als er sich leicht drehte und dann auf einmal den Ball warf.

Takumi reagierte, doch während er den Schläger schwang, musste er an das Mädchen und das Owlmon denken, musste an ihren Gesichtsausdruck denken, als sich Owlmon aufgelöst hatte.

„Strike one!“, tönte die Stimme des Schiedsrichters über das Spielfeld, als der Ball im Handschuh des Catchers landete.

Automatisch sah er zu den Zuschauern, sah zu seinem Vater, konnte dessen Gesicht aber nicht erkennen. Er durfte sich nicht ablenken lassen! Nicht jetzt!

Erneut nahm er die Batterpose ein und wartete darauf, dass der andere Junge den nächsten Ball warf.

Immer wieder verschwamm das Bild vor seinen Augen. Er schwitzte. Sein Herz raste. Warum konnte er sich nicht konzentrieren?

Er dachte an Kotemon und stellte vor, wie es sich auflösen würde, wenn es besiegt wurde. Doch dann kam ihn ein anderes Bild in den Kopf: Kotemon, das ihm von seinem Vater entrissen wurde.

„Verdammt“, keuchte er und schwang erneut den Schläger, verfehlte aber den Ball.

„Strike two!“

Takumi fuhr sich mit einer Hand über die Augen. Er durfte nicht versagen. Nicht jetzt, nicht vor seiner Mannschaft, nicht vor seinem Vater. Er wollte, dass sein Vater stolz auf ihn war. Zumindest einmal...

Nun blinzelte er doch, aber er sah, wie der Ball auf ihn zuflog.

Dumpf schlug das Holz des Schlägers, auf den Ball, schickte diesen in Richtung des anderen Endes des Feldes.

Für einen Moment sah Takumi ihm hinterher, ehe er Schläger und Helm fallen ließ und zur ersten Base rannte. Er konnte schnell laufen und als er die Base erreichte, dachte er nicht einmal daran stehen zu bleiben.

Doch gerade als er sich auf halber Linie zwischen der ersten und zweiten Base befand, schlug eine Energiekugel in das Feld nicht unweit von ihm entfernt ein und warf sich gerade früh genug zu Boden, um der folgenden Explosion halbwegs zu entgehen.

Als er sich aufrichtete klingelten seine Ohren. Er konnte kaum etwas hören, doch er begriff langsam, dass um ihn herum Panik ausbrach.

Was war geschehen?

Takumi sah sich um. Durch den Schock brauchte sein Gehirn etwas, um die Eindrücke zu verarbeiten.

Ein schwarzer Schatten schoss über den Himmel, dann explodierte ein Teil der Tribüne und Takumi musste sich erneut ducken.

Dann prallten zwei Digimon auf den Boden. Das eine war ein Magnamon, auch wenn dessen normal blaue Haut schwarz und seine Rüstung silbern erschien, das andere war Beelzebumon.

Takumi sah das Mädchen – Ai – vor den Resten der Tribüne stehen, ihr Digivice in der Hand und in die Richtung der kämpfenden Digimon schauend.

Offenbar versuchte Beelzebumon Magnamon am Boden zu halten, bis die Menschen entkommen konnten, doch das Digimon tat sich schwer damit, da sich der vermeintliche Royal Knight wehrte und versuchte seinen Gegner zur Seite zu werfen.

Auf einmal spürte er eine Hand auf seiner Schulter und sah auf.

„Alles in Ordnung?“ Es war der Bruder des Mädchens, der neben ihm stand, auch wenn seine Stimme nur wie durch Watte zu dem anderen durchdrang.

Verwundert sah ihn Takumi an. „Ja.“ Er ließ sich aufhelfen.

„Du musst uns helfen“, meinte der ältere Junge.

„Aber...“, setzte der jüngere an, als er Kotemon sah, das neben der Umkleiden stand. Er sah zu Boden. „Ich habe mein Digivice nicht dabei...“ Außerdem war sein Vater noch in der Nähe und er durfte ihn auf keinen Fall zusammen mit Kotemon sehen.

Magnamon befreite sich schließlich aus Beelzebumons Griff und warf seinen Gegner gegen die Trümmer der Tribüne. Kleine Raketen schossen auf das Dämonendigimon, das nicht mehr rechtzeitig ausweichen konnte.

„Wieso hast du...“, begann der Spieler der Hirokoshi, doch als er Takumis Gesichtsausdruck sah verstummte er.

Der jüngere wandte sich ab und ging die Richtung davon, in die auch die anderen Menschen verschwunden waren.

Weit kam er jedoch nicht, als erneut welche der Attacken in seiner Nähe einschlugen. Dieses Mal hatte er sich nicht rechtzeitig geduckt und wurde von der Schockwelle stark genug erwischt, so dass er zur Seite geschleudert wurde.

Doch jemand fing seinen Sturz auf.

„Alles in Ordnung, Takumi?“, hörte er nur leise eine Stimme.

Er sah in das Gesicht seines Vaters und nickte. „Ja, O-too-san.“

„Warum bist du nicht weggelaufen?“, fragte Shirou Kensuke seinen Sohn und sah diesen besorgt an.

„Ich...“ Takumi brachte kaum ein Wort hervor.

„Diese verdammten Monster“, murmelte sein Vater. „Jetzt komm. Wir müssen hier weg, hörst du?“

Wie in Trance nickte der Junge nur und ließ sich mit seinem Vater nun zur anderen Seite des Spielfeldes zerren.

Weiterhin hielt Beelzebumon seinen Gegner in Schach, doch schien er mit ihm bei weitem nicht so einfach fertig zu werden, wie mit den anderen Digimon bisher. Es musste ein Magnamon auf dem Ultimate-Level handeln, doch wieso die anderen Farben? Takumi wusste nicht von einer Virus-Variante des Digimons gehört.

Natürlich, es entstanden in der Digiwelt immer wieder neue Digimon, die nicht im offiziellen Canon der Spiele vorkamen, doch es erschien ihm als seltsam.

Beelzebumon, das sich nicht in seinem Burst Mode befand, befeuerte seinen Gegner nun vom Boden aus mit seinen Waffen, doch weiterhin schien es seinen Gegner damit nicht beeindrucken zu können.

Dieser ließ seine Rüstung erneut aufleuchten und schoss einen Lichtstrahl auf den Boden hinab.

„Runter!“, rief Takumi aus und wurde von seinem Vater mitgerissen, als sich dieser auf den Boden schmiss. Doch dieses mal spürten sie nur wenig von der Schockwelle, die folgte, als die Attacke im Boden einschlug.

Blinzelnd sah der Junge auf und bemerkte, dass sich Dinohumon schützend über sie geworfen hatte. Nur langsam wurde ihm klar, dass es Kotemon sein musste. Sein Kotemon. Aber wie...?
 

Ai sah zu Takumi, dem Mann, der ihn gerettet hatte, und Dinohumon hinüber. Sie hatte kaum Zeit einen Gedanken an sie zu verschwenden, denn dafür sah der Kampf zu schlecht für sie auf. Was war hier nur los?

Irgendetwas stimmte mit ihrem Gegner, stimmte mit diesem Magnamon nicht. Doch sie konnte nicht sagen was.

Beelzebumon nahm Anlauf und sprang zu seinem Gegner, der etwa zehn Meter über dem mittlerweile beinahe komplett zerstörten Spielfeld schwebte, hinauf, während sich Dunkelheit um seine Klauen herum sammelte. „Darkness Claw!“ Es attackierte das Magnamon, doch seine Attacke konnte die Rüstung aus Chrome Digizoid nicht durchdringen.

Im nächsten Augenblick leuchtete diese erneut auf und schoss das Dämonendigimon in einem Energiestrahl zurück, so dass dieses in die Trümmern der kleinen Tribüne geschleudert wurde.

„Beelzebumon!“

Beinahe Zeitgleich liefen die Zwillinge zu ihrem Partner hin, der sich mühsam von einigen Betonbrocken, die auf ihn gefallen waren, befreite.

„Beelzebumon!“ Ai erreichte ihren Partner als erstes. „Alles in Ordnung? Was ist los? Warum wechselst du nicht in den Burst Mode?“

Grimmig schüttelte das Digimon den Kopf. „Es geht nicht“, knurrte es. „Irgendetwas blockiert meine Energie.“

„Was ist los?“, fragte nun auch Makoto, als er sie erreichte.

Beelzebumon stand auf und schüttelte nur den Kopf. Es richtete die Augen auf seinen Gegner, der nun weitere kleine Raketen abfeuerte, die auf dem Spielfeld und in Teilen des anliegenden Parks einschlugen.

Zum Glück waren der Junge mit dem Mann mittlerweile von hier fort. Nur Dinohumon stand noch immer vor den teilweise zerstörten Umkleidekabinen.

„Beelzebumon“, rief Ai schließlich und holte ihr Digivice hervor. „Card Slash! Offense Plug-In A!“ Eine weitere Karte. „High Speed Plug-In H!“

Stärker und durch die zweite Karte auch noch beschleunigt, lief Beelzebumon nun wieder los und griff erneut mit seinen Klauen an. Dieses Mal schaffte es damit, Magnamon zurückzuwerfen und es an den von der Rüstung unbedeckten Teilen seines Körpers zu treffen.

„Ai...“, flüsterte Makoto und sah auf das Digivice in der Hand seiner Schwester, dass er das erste Mal seit einigen Tagen sah. „Das... Du machst also wirklich mit...? Bei diesem Turnier?“ Er schien nicht ganz zu wissen, ob er wütend, enttäuscht oder gar traurig sein sollte. „Wieso?“

Ai sah ihn nur kühl an. „Das ist jetzt nicht der Zeitpunkt, darüber zu reden.“

„Aber...“, begann der Junge. „Es ist unser Digivice. Impmon... Beelzebumon ist unser Partner.“

„Nicht jetzt“, antwortete Ai und fixierte ihre Augen wieder auf den Kampf.

Beelzebumon feuerte erneut mit seinen Waffen auf Magnamon, das nun offenbar jedoch eine Barriere um sich herum errichtet zu haben schien. Keine der Kugeln schien es zu treffen und es sah nicht danach aus, als hätten die Treffer zuvor es großartig verletzt.

Dies bemerkte auch das Dämonendigimon und stellte schließlich sein Feuer ein. Doch genau darauf schien sein Gegner gewartet zu haben.

Auf einmal verschwand es und erschien hinter Beelzebumon, versetzte ihm einen Tritt auf den Rücken, der es ein ganzes Stück weit schleuderte, ehe es von den Resten eines Maschendrahtzauns aufgehalten wurde, der das Gelände des Spielfeldes zur einen Seite begrenzte.

Das Magnamon – nun am Boden – kam langsam auf das Digimon zugeschritten und erneut leuchtete seine Rüstung auf. Es schien seinen geschwächten Gegner aus nächster Nähe treffen zu wollen.

Doch als sein Rücken von einer Axt getroffen wurde, drehte sich herum.

Nicht weit von ihm entfernt stand Dinohumon, das die Waffe, die nun zu ihm zurückkam, wieder auffing. „Tu das nicht“, keuchte es.

Eine Energiekugel erschien am Arm des scheinbar stummen Magnamons, das Dinohumon nicht einmal als Gegner würdig einer richtigen Attacke zu sehen schien, aber es kam nie dazu, diese Attacke abzufeuern.

„Invincible Sword!“ Ein Schwert aus Licht kam vom Himmel herabgeschossen und durchbohrte das Magnamon von hinten.

Für einen Moment geschah nichts, doch dann flackerte die Gestalt des Magnamons und löste sich schließlich auf.

„Das...“, begann Beelzebumon.

„Was ist das?“, flüsterte auch Ai.

Tatsächlich löste sich das Magnamon nicht, wie es normal war, in rote Datenpartikel auf, sondern in kleine weiße, halb durchsichtige Würfel, die wiederum zu violetten Partikeln zerfielen.

„Ihr dürft die Daten nicht absorbieren!“, rief Dukemon in seiner roten Rüstung über ihnen schwebend aus.

Doch hatte keins der beiden anderen Digimon nur daran gedacht.
 

„Heute am frühen Nachmittag ist es in Minato zu einem Zwischenfall gekommen, der mit Digimon in Verbindung zu stehen scheint. Es wurden achtzehn Menschen verletzt, jedoch laut aktuellem Stand der Informationen niemand lebensbedrohlich. Wir warten im Moment noch auf genauere Informationen.“ Während der Moderator redete, wurden Bilder von etwas gezeigt, das offenbar einmal ein Sportplatz gewesen war. „Ich gebe weiter an Kawasaki-san und neusten Informationen zum Lifestyle.“

Shoji schaltete den Fernseher aus und griff schon nach seinem Handy, zögerte dann aber.

Was war nun schon wieder geschehen? Wieso hatte ihn niemand informiert? Hatte es etwas mit diesem Turnier zu tun?

„Kommst du, Shoji?“, hörte er die Stimme seiner Mutter aus dem benachbarten Esszimmer.

„Ja, O-kaa-san“, antwortete er und schüttelte den Kopf. Es war vorbei. Im Moment konnte er nichts tun. Deswegen sollte er sich im Moment keine Gedanken darüber machen.

Sein Vater und seine Mutter saßen am Essenstisch und sahen zu ihm hinauf, während auch Gazimon, das von sich aus nie mit ihnen am Tisch aß, ihm einen Blick zuwarf.

„Stimmt etwas nicht, Schatz?“, fragte seine Mutter besorgt, als sie seinen Geschichtsausdruck sah.

Schnell schüttelte er den Kopf. „Nein, es ist alles in Ordnung.“

Mit scharfen Blick musterte ihn sein Vater. „Du musst aufpassen, dass du dich nicht übernimmst“, meinte er und schien bemüht, seiner Stimme einen neutralen Tonfall zu geben. „Du wirkst in letzter Zeit etwas besorgt.“

„Es ist wirklich alles in Ordnung“, antwortete Shoji. „Bitte, macht euch keine Sorgen um mich.“

Makuta Yuuichi nickte, schien dies erst einmal zu akzeptieren, während seine Frau noch immer besorgt zu ihrem Sohn hinübersah.

„Worauf wartet ihr. Wir sollten essen“, meinte dieser schnell.

Seine Mutter, Makuta Hitomi, hatte Teriyaki-Hähnchen mit Reis und einer Currysoße gemacht. Zur Vorspeise gab es Suppe.

Sofern sein Vater Abends da war, aßen sie oft traditionell. Hitomi hatte auf diese Art kochen gelernt und Yuuichi rümpfte, auch wenn er in seinen Arbeitspausen auch oft Fastfood aß, über die westliche Kost oftmals die Nase.

Während er langsam die Suppe schlürfte wanderte Shojis Blick zu Gazimon, das auf dem Boden kniete und hier von einem kleineren Tisch seine Mahlzeit aß. Es erwiderte seinen Blick, sagte jedoch nichts.

Der Junge fragte sich, was nur los war. Wieso geschah das alles jetzt? Das Turnier. Die Morde. Und was auch immer heute geschehen war?

Er wünschte sich nur, Denrei und Shuichon wären hier, jemanden mit dem er wirklich reden konnte. Denn letzten Endes verband ihn mit den beiden ein weitaus engeres Band, als es mit den anderen Tamern je der Fall war und wohl auch je der Fall sein würde.

Doch die beiden waren in der Digiwelt verschollen und im Moment konnten sie nicht einmal sicher wissen, ob sie noch lebten.

„Ist wirklich alles in Ordnung, Liebling?“, fragte seine Mutter, die bemerkte, dass er das Essen, dass er gedankenverloren mit den Stäbchen in seinen Mund schob, kaum wahrzunehmen schien.

„Ja“, murmelte Shoji leise. Er wollte nicht, dass sie sich Sorgen um ihn machten, doch in diesem Moment klingelte sein Handy.

Entschuldigend sah er seine Eltern an, stand auf und ging zur Wohnzimmertür hinüber, wo er das Mobiltelefon aus seiner Hosentasche holte und heranging.

„Ja?“, fragte er und das Gerät hinein.

„Shoji-kun?“ Es war Rukis Stimme.

„Ja“, antwortete er. „Was ist heute in Minato passiert?“

„Lange Geschichte“, erwiderte die junge Frau. „Aber deswegen ruf ich dich an. Es ist nichts schlimmeres passiert, aber ein seltsames Digimon ist aufgetaucht. Wir können morgen darüber reden. Hast du nach der Schule Zeit?“

Shoji sah zu seinen Eltern hinüber. „Ja“, sagte er dann schließlich.

„Gut“, erwiderte Ruki. „Ich wollte dir nur Bescheid sagen. Wir treffen uns am Metropolitan.“
 

„Wir fahren jetzt, Takumi“, meinte Shirou Kensuke zu seinem Sohn, der auf dem Behandlungstisch der Notaufnahme des St. Luke's Hospitals in Minato.

Sie waren wie die meisten anderen, die bei dem Baseballspiel gewesen waren, mit hierher genommen worden, nachdem der Kampf vorbei war. Da Takumi von den Spielern mit die meisten Verletzungen erlitten hatte, hatte man ihn eine Weile hierbehalten, ehe einer der Chefärzte in der Ambulanz das Okay gegeben hatte, ihn zu entlassen.

„Takumi.“ Sein Vater reagierte ungehalten, als Takumi nicht reagierte.

„Lass ihn, Schatz.“ Beruhigend legte Shirou Kaede ihre Hand auf den Arm ihres Mannes. „Er hat heute einiges durchgemacht.“

Erst schien es, als würde der Erwachsene widersprechen wollen, doch dann seufzte er. „Takumi, komm jetzt.“ Immerhin hatte er in der Zeit, in der man Takumi noch auf Brüche und innere Verletzungen untersucht hatte, ihr Auto, das er vor dem Spiel auf dem Parkplatz der Schule geparkt hatte, geholt.

„Ja“, murmelte Takumi und stand vorsichtig auf.

Noch immer trug er seine Baseballkleidung. Jedoch hatte man ihm beide aufgeschürfte Beine verbunden, nachdem die Wunden gereinigt worden waren. Auch sein rechter Unterarm war mit Verband umwickelt, während mehrere größere Pflaster über den linken Arm verteilt waren. Auch auf seiner linken Wange klebte ein größeres Pflaster.

„Pass auf, Liebling.“ Seine Mutter stützte ihn, während sie das Krankenhaus verliefen.

Eigentlich hatte Takumi darauf gewartet, dass – nun wo er so schnell nicht vom Krankenhaus wegkam – jemand von Hypnos oder dieses unmögliche Mädchen vorbeikommen würden, jemand ihn zur Rede stellte, ihn an seinen Vater verriet. Doch nichts dergleichen war geschehen. Er hatte weder das Mädchen, noch ihren Bruder gesehen, seit sie das Spielfeld verlassen hatten.

Doch das war nicht das einzige, das ihn bedrückte. Er wusste nicht was mit Dinohumon geschehen war. Er hatte es zurückgelassen, hatte seinen Partner zurückgelassen.

Aber was hätte er tun können? Sein Vater war dabei gewesen und er durfte nicht von Kotemon wissen. Außerdem hatte er nicht einmal sein Digivice dabei gehabt, das noch immer in der Schublade seines Schreibtischs lag.

Nein, er hatte nichts tun können.

Was war, wenn Dinohumon besiegt worden war? Immerhin war das Magnamon stark gewesen und auch Beelzebumon traute er dies zu. Oder was, wenn sie Dinohumon gefangen genommen hatten und es ihm nicht zurückgeben würden?

Mittlerweile saßen sie im Auto und fuhren aus dem Parkhaus des Krankenhauses heraus.

„Alles in Ordnung, Takumi?“, hörte er die Stimme seiner Mutter, die sich besorgt zu ihm umdrehte.

„Ja“, murmelte Takumi, sich selbst bewusst, dass er dabei nicht sonderlich überzeugend klang.

Für eine Weile herrschte Stille im Wagen, während sie die Route durch das Industriegebiet nach Odaiba einschlugen, da die Rainbowbridge auch an Feiertagen um diese Zeit meist vollkommen blockiert war.

„Da sehen wir wieder, was diese Monster anrichten“, grummelte Shirou Kensuke nach einer Weile. „Und ich wette, diese Idioten von der Regierung werden trotzdem nichts machen...“

Takumi horchte auf, zögerte aber etwas zu antworten. „Aber die anderen Digimon haben uns doch beschützt“, murmelte er schließlich halblaut. Immerhin war eins der Digimon sein Partner gewesen. Sein Partner, dem er nicht einmal hatte „Danke“ sagen können.

„Vielleicht jetzt“, erwiderte sein Vater aufgebracht. „Aber wer sagt, dass sie nicht irgendwann auch so durchdrehen?“

Takumi erwiderte nichts. Natürlich fiel ihm genug ein, das er sagen könnte, doch wusste er, dass er seinen Vater ohnehin nicht umstimmen konnte. Nicht mit der Tatsache, dass sie die wilden Digimon ohnehin nicht vertreiben konnten, oder gar, dass der Versuch ihnen wahrscheinlich mehr schaden als nutzen würde. Deswegen schwieg er. Sein Vater würde es wohl nie verstehen – weil er es ja nicht einmal verstehen wollte.

„Ich bin müde“, murmelte er, als sie zuhause ankamen.

„Dann leg dich am besten etwas hin“, meinte seine Mutter, woraufhin er nur nickte und mit schlürfendem Schritt zu seinem Zimmer ging.

Als die Tür hinter ihm geschlossen war, zog er sein Digivice aus der Schublade seines Schreibtisches und sah hinauf. Die Anzeige war normal. Es waren noch Daten da. Also war Kotemon noch am Leben.

Er presste das kleine Gerät an seine Brust und ging zu seinem Bett hinüber, um sich auf dieses hinauf fallen zu lassen. Dann rollte er sich zusammen. „Es tut mir leid, Kotemon. Es tut mir wirklich leid...“
 

Es war tatsächlich Hanegawa Arisa, ihre Mutter, die die Zwillinge vom Krankenhaus abholte.

Obwohl Ai darauf bestanden hatte, dass es ihnen gut ging, so hatten es sich die Sanitäter nicht nehmen lassen auch die Geschwister in ein Krankenhaus – in ihrem Fall das Metropolitan Matsuzawa – zu bringen, damit sie dort von einem Arzt untersucht wurden.

Wie Takumi, hatten auch sie einzelne Pflaster an Armen und Beinen kleben, waren jedoch nirgendwo bandagiert worden.

Und während sie darauf warteten, von jemanden abgeholt zu werden, da der Dienst habende Arzt sie nicht allein gehen lassen wollten, herrschte eisernes Schweigen zwischen ihnen.

Sie saßen auf einer Bank im Wartebereich, Ai am linken und Makoto am rechten Rand, während Impmon in der Mitte saß. Die Zwillinge achteten darauf einander nicht anzusehen, während ihr gemeinsamer Partner bedrückt auf den Boden starrte.

„Ai, Makoto“, erklang schließlich die Stimme ihrer Mutter, als diese auf sie zugelaufen kam.

Hanegawa Arisa war eine der wenigen Karrierefrauen, die es gab. Sie arbeitete als Managerin eines Modekonzerns und hatte in dieser Position selten Zeit für ihre Kinder. Entsprechend ihres Jobs war sie modisch, aber auch streng gekleidet, trug ihre gefärbten Haare jedoch offen.

„Ist alles mit euch in Ordnung?“ Sie kniete sich vor die Bank und schien die gedrückte Stimmung nicht einmal zu bemerken.

„Ja, Mum“, murmelte Ai und stand auf, die Arme vor der Brust verschränkt.

Makoto nickte nur.

„Ich hab mir solche Sorgen gemacht“, fuhr ihre Mutter fort.

Ai verdrehte die Augen, als Arisa nicht hinsah – sie glaubte ihr nicht. Wieso sollte sich jemand, der so selten für sie da war, Sorgen um sie machen?

„Impmon hat uns beschützt“, meinte Makoto tonlos.

Ihre Mutter schien das Digimon erst jetzt zu bemerken. „Danke, Impmon.“

Auch das Digimon antwortete nur mit einem Nicken.

„Dann können wir ja nach Hause fahren“, sagte Arisa nachdem einen unschönen Moment lang Schweigen geherrscht hatte. „Wisst ihr was? Ich hole uns unterwegs etwas schönes zu Essen.“

„In Ordnung, Mum“, murmelte Ai und wich dem Blick ihres Bruders aus. „Wie auch immer...“, fügte sie leiser hinzu.
 

„Wir wissen noch nicht, was den Vorfall heute Nachmittag verursacht hat, doch es gibt im Moment keinen Grund zur Besorgnis. Es wird im Moment von einem Einzelfall ausgegangen. Das Digimon schien sich erst vor kurzem materialisiert zu haben und war offenbar verwirrt, weswegen es aggressiv wurde. Da es der erste Zwischenfall der Art seit mehreren Monaten war und keine schwereren Verletzungen gab, besteht kein Grund zur Sorge.“

Blitzlicht von mehreren Kameras. Ryou versuchte ernst auszusehen, während er vor dem Podium im Pressesaal des Metropolitan Government Buildings stand und von unzähligen Reportern fotografiert wurde. Ausnahmsweise fiel es ihm sogar recht leicht ernst zu sein, denn seine Laune hatte vorerst ihren Tiefpunkt erreicht.

Es ärgerte ihn, dass er hier war. Es ärgerte ihn, dass es nicht er gewesen war, der dieses Digimon besiegt hatte. Es ärgerte ihn, dass Yamaki, der nun am rechten Rand der Bühne stand, ihm vor der Pressekonferenz eingebläut hatte, ja keine Dummheiten zu machen. Und es stimmte ihn traurig, dass trotz allem Ruki auch heute kaum ein Wort mit ihm gewechselt hatte.

„Und was ist mit dem Sachschaden, der entstanden ist?“, fragte ein Reporter (Ryou konnte durch die Beleuchtung der Bühne nicht einmal dessen Gesicht sehen).

„Dieser wird von der Versicherung und zu teilen von der Regierung getragen“, erwiderte er.

„Wie können sie davon ausgehen, dass es nur ein Einzelfall war?“ Ein anderer Repoter.

Natürlich konnten sie das nicht. Im Gegenteil: Es war so einiges seltsames an dem Vorfall am Nachmittag dran gewesen, denn ihr Gegner war kein normales Digimon gewesen. Deshalb war es wohl auch von ihren Überwachungsanlagen nicht wahrgenommen worden, ehe es zu spät war, doch dies – so hatte es ihm der Gouverneur Todawa eingebläut – musste die Bevölkerung nicht wissen. Es würde ja nur unnötige Panik verursachen. Natürlich war der wahre Grund, dass der Politiker nicht wollte, dass man ihre Regierung anzweifelte, doch dies konnte Ryou egal sein.

„Es war der erste große Vorfall seit über einem halben Jahr“, antwortete er daher den Reportern. „Es gibt keinen Grund etwas gegenteiliges anzunehmen.“ Politik bedeutete Lügen. Dabei war er nicht einmal ein Politiker.

„Gibt es nach diesem Vorfall stärkere Sicherheitsmaßnahmen?“

„Was ist mit den Morden? Was werden Sie dagegen tun?“

„Glauben Sie wirklich, dass Sie diese Monster kontrollieren können?“

„Wie soll sich die Bevölkerung verhalten?“

Fragen über Fragen. So ging es noch eine ganze Weile weiter und Ryou antwortete wie es ihm gesagt worden war, beruhigte die Reporter und versuchte ihnen weiß zu machen, dass alles in Ordnung sei.

Und dabei wussten diese nicht einmal etwas von dem Turnier und sollten auch nichts davon wissen.
 

Als die Pressekonferenz endlich vorbei war, fühlte sich Ryou erleichtert. Er rieb sich die Augen und glaubte noch immer Blitzlichter zu sehen, während er den Saal verließ. Eigentlich wollte er nur noch nach Hause, doch gleichzeitig erschien die Aussicht allein in seinem Wohnzimmer zu sitzen nicht sonderlich verführerisch.

Natürlich Monodramon wartete zuhause auf ihn, doch es verbrachte die meisten Abende in einem seligen Schlummer.

Sein Gesicht hellte sich jedoch schlagartig auf, als er in der großen Halle im Erdgeschoss eine bekannte Gestalt sah.

„Ruki!“, wollte er ausrufen, als er die junge Frau an der dem Aufzug gegenüberliegenden Wand lehnend erblickte, doch bevor er dies tun konnte, kam jemand anderes auf ihn zu.

„Du bist Akiyama-san, oder?“, fragte ein junger, europäisch aussehender Mann, der einen Kinnbart trug.

Für einen Moment verwirrt sah Ryou diesen an. „Äh, ja, bin ich. Akiyama Ryou.“

„Und du arbeitest für diese... Organisation... Hypnos?“, fragte der junge Mann weiter. Sein Japanisch war bei weitem nicht perfekt.

Ryou nickte. „Ja. Wieso?“

„Ich wollte mit euch worüber reden“, antwortete sein Gegenüber. „Im Moment findet in dieser Stadt ein Wettbewerb statt... Für Tamer.“

„Davon wissen wir“, meinte Ryou etwas ungehalten und sah zu Ruki hinüber, die sich offenbar zum Gehen wenden wollte. „Aber danke...“

„Nein, das ist es nicht“, antwortete der andere. Er holte etwas aus seiner Tasche hervor und als Ryou hinsah, erkannte er, dass es sich um ein Digivice handelte. Jedoch kein Digivice, wie sie es hatten, kein einfaches D-Arc. Statt durch einen Ring wurde der Bildschirm von einem langen braunen Streifen umrahmt, während der Rest des Digivices orange und rot gefärbt war. „Ich nehme an diesem Wettbewerb teil. Ich will herausfinden, wer diesen Wettbewerb veranstaltet.“

Nun musterte der 24-jährige den jungen Mann. „Du willst uns helfen?“

Der andere nickte. „Ja.“

Als Ryous Blick nun erneut zur gegenüberliegenden Wand hinüberglitt, war Ruki verschwunden. Er seufzte. „Wie heißt du?“

„Mein Name ist Steve Larson. Ich bin aus Amerika“, antwortete der junge Mann. „Ich studiere hier.“

Ryou nickte. „Und dein Partner?“

„Ein Leormon“, antwortete Steve. „Es wartet woanders auf mich.“ Er zögerte. „Andere Teilnehmer an diesem Wettbewerb...“

„Turnier“, verbesserte der ältere nun.

Steve nickte. „Andere Teilnehmer an diesem Turnier finden einen durch ein Signal der Digivices“, erklärte er. „Aber so lange Leormon nicht bei mir ist, kann ich nicht gegen sie kämpfen und sie nicht gegen mich.“

Erneut nickte Ryou um zu bestätigen, dass er verstanden hatte. „Komm mit“, meinte er schließlich. „Wir reden besser woanders darüber.“ Damit betätigte er den Knopf um den Aufzug erneut ins Erdgeschoss zu rufen.
 

Einige Monitore zeigten Karten der Stadt, verschiedene Daten und Diagramme. Sie machten, in zwei Reihen übereinander, die gesamte Länge der Wand des Wohnzimmers aus. Nun, zumindest konnte man von der Art, wie der Raum geschnitten war, davon ausgehen, dass er als Wohnzimmer gedacht war, denn sonderlich wohnlich war er nicht eingerichtet. Man fand keine Couch, keinen Teppich oder Regale. Nur einige Bürostühle und die Tische, auf denen Monitore und Rechner standen.

Dabei war es allein durch die Größe ein vornehmes, wahrscheinlich sehr teures Apartment, hier im Zentrum der Metropole.

Die Augen des Mannes wanderten über die Bildschirme hinweg.

Es ging schnell und doch zu langsam. Im Moment waren noch weit über hundert Tamer in diesem Spiel. „Illegale Tamer“, wie die Regierung sie nannte. Kinder, die von dem Wunsch beseelt waren stärker zu werden.

Von ihnen gab es so viel mehr in der Stadt, als die Regierung - zumindest nach offiziellen Aussagen - vermutete.

Er gab ihnen was sie wollten und dafür halfen sie ihm, ohne es zu wissen, das zu erreichen, was er schon so lange plante.

Doch es ging zu langsam. Es ging viel zu langsam voran und er wusste, dass ihm die Regierung bereits auf die schliche gekommen war. Er musste es beschleunigen, bald, doch er brauchte noch einen Plan, wie.

Erneut glitten seine Augen über die Bildschirme hinweg. Gerade einmal zwei Kämpfe diese Nacht. Gerade einmal zwei Kämpfe in der ganzen Stadt...
 


 

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Anmerkungen und Erklärungen:

Lee Shuichon; In der deutschen Fassung „Suzie Wong“

Yuki Denrei: Hauptcharakter von Digimon Alpha Generation. Sein Partner ist Dracomon.

Magnamon: Digimon, das sich auf dem Adult, Armor oder Ultimate-Level befinden kann. Hier befindet es sich auf dem Ultimate-Level. Eigentlich ein Royal Knight.
 

Damit sind jetzt tatsächlich alle wichtigen Subplots (von einigen Charaktergebundenen Konflikten) eingeführt ;) Doch was es mit alledem auf sich hat... Nun, das erfahrt ihr erst später.

Viel mehr kann ich zu diesem Kapitel auch erst einmal nicht sagen. Außer noch ein herzliches Dankeschön an eine meiner japanischen Brieffreundinnen, die mich mit ordentlich Bildmaterial über den Verlauf japanischer Pressekonferenzen versorgt hat. Leider konnte ich durch die Perspektive vieles nicht einbringen.
 

Ich hoffe, wie immer, dass es euch gefallen hat :)

Das nächste Kapitel kommt dann - hoffentlich - auch in zwei Wochen, auch wenn ich dies nicht mit 100%iger Sicherheit garantieren kann, da ich beide Wochenenden weg bin. Ansonsten leider erst in drei Wochen. Danach sollte es aber im Wochentakt weitergehen.

Episode 09: Narrenweisheit

Damit ist das neunte Kapitel da, ein, wie ich schon einmal „vorwarnen“ kann Kapitel ganz ohne Kampf, dafür vorrangig wichtig für die Charakterentwicklung. Ich hoffe, dass es euch trotzdem gefällt.
 

Ohne viel weiteres Drumherum wünsche ich euch viel Spaß beim Lesen. :)
 


 

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Episode 09: Narrenweisheit
 

War es dumm zu hoffen, dass es so etwas wie Frieden geben könnte, nun, wo die Grenze zwischen den Welten so dünn geworden ist? War es naiv zu denken, dass sich die Menschen an die neue Situation und die Digimon sich an die neuen Regeln halten würden? Wahrscheinlich. Doch selbst in meinen schlimmsten Befürchtungen habe ich nie erwartet, das alles auf einmal zusammenbrechen würde.

Ich weiß, dass es wahrscheinlich nichts ändern würde, doch ich wünschte, dass Denrei und Shuichon endlich zurückkämen. Und sei es nur, damit ich mich nicht so verlassen fühlen würde.
 

               - Makuta Shoji
 

Nur langsam schien die Zeit während der Golden Week zu vergehen.

Eigentlich hatte sich Takumi drauf gefreut. Immerhin bedeutete die Golden Week eine Woche Ferien, doch nach dem Spiel und dem wilden Magnamon, war alles ganz anders. Noch immer war er bandagiert – seine Mutter wechselte die Bandagen täglich – und er hatte Kotemon seit dem Kampf nicht mehr gesehen.

Immer wieder überlegte er, ob er gehen sollte, doch bisher hatte er sich nicht getraut.

Es war nicht nur, dass seine Eltern wollten, dass er zuhause blieb – immerhin war er verletzt – nein, der Gedanke Kotemon wieder gegenüber zu stehen jagte ihm auch aus anderen Gründen Angst ein. Immerhin hatte er es in Stich gelassen, hatte seinen eigenen Partner im Stich gelassen.

Er hatte schon mehr als einmal die Situation durchgespielt, fragte sich, wie seine Eltern wohl reagiert hätten, hätte er gekämpft. Doch er am Ende kam er immer wieder zum selben Ergebnis: Er hatte sein Digivice nicht dabei gehabt und hätte damit sowieso nichts machen können.

Tatsächlich war ihm in den vergangenen zwei Tagen immer wieder der Gedanke gekommen, dass er ein schlechter Tamer war. Wahrscheinlich war Kotemon ohne ihn besser dran.

Er selbst war feige. Er traute sich nicht seinen Vater zu konfrontieren, er versteckte sich mit Kotemon. Selbst als dieses ihn gebraucht hatte, hatte er nicht ihm gestanden.

Auch hatte er die Einladung zu diesem Turnier angenommen. Wieso hatte er das gemacht? Selbst wenn sie gewinnen könnten, selbst wenn Kotemon stärker werden würden, so würde es doch keinen Unterschied machen. Solange er selbst nicht den Mut fasste, sich gegen seinen Vater zu stellen, würde es nichts ändern. Immerhin konnte er nicht zulassen, das Kotemon einen Menschen verletzte, oder? Schon gar nicht seinen Vater...

Er drehte sich auf die Seite und rollte sich zusammen, das Digivice in der Hand.

Einzelne Strahlen der Sonne fielen durch den Spalt unter dem grünen Vorhang hindurch. Dabei hätte Takumi sich eher Regen und Sturm gewünscht.

Seine Gedanken wanderten zu dem Unwetter von vor über einer Woche. Doch dann erinnerte er sich wieder an den Kampf, an die Tränen des Mädchens und an den kalten Blick in Beelzebumons Augen.

Er spürte Tränen über sein Gesicht laufen.

Was sollte er denn nur tun? Wie sollte er Kotemon gegenübertreten? Und was sollte er wegen dem Turnier machen?

Seine Hände, die sich um das Digivice geschlossen hatten, öffneten sich etwas und er sah auf das Gerät, das ruhig und kühl auf seinen Handflächen lag. So lange er es hatte konnte er nicht davonlaufen.

Was wenn Kotemon in einem Kampf starb? Wie hatte er das nur so unvorsichtig sein können? Wieso war er nur so dumm?

Und wieso... Wieso hatte jemand wie er ein Digivice und einen Partner? Er hatte es nicht verdient. Es wäre für alle besser gewesen, hätte er das Digivice nicht bekommen, wäre nie ein Tamer geworden, hätte niemals Kotemon getroffen. Dann müsste er seine Eltern nicht anlügen, dann würde er Kotemon nicht in Gefahr bringen, dann hätte er das Digimon des Mädchens nicht getötet.

Er merkte, dass er auf dem Bett kniete und drauf und dran war, das Digivice in eine Ecke zu werfen, als ob es davon verschwinden würde.

Langsam hielt er die erhobene Hand sinken und sah wieder auf das Gerät.

Leise seufzte er und wischte sich über die feuchten Wangen.

In dem Moment hörte er ein Klingeln von der Wohnungstür. Stimmen klangen vom Flur leise zu seinem Zimmer und nicht viel später kamen Schritte in seine Richtung.

Schnell ließ er sein Digivice unter dem Kopfkissen verschwinden und legte sich wieder hin, nun mit dem Rücken zu seinem Zimmer, tat so als ob er schlafen würde. Wer konnte es sein? War wirklich jemand gekommen, um ihn zu besuchen?

Einen Augenblick später wurde die Tür zu seinem Zimmer geöffnet.

„Takumi...“, begann seine Mutter, als auch schon entschlossene Schritte auf ihn zukamen.

„Hey, liegst du etwa um diese Zeit immer noch im Bett, Takumi?“, meinte Ryoichi und zog ihm die Decke von den Schultern. „Man, was bist du für eine Schlafmütze. Das hätte ich eigentlich nicht von dir gedacht!“

Takumi drehte sich auf den Rücken und sah ihn an. „Ryoichi?“

„Ja!“, erwiderte sein Klassenkamerad begeistert und grinste ihn an. „Hiro und Take sind auch da“, meinte er dann und zeigte Richtung Zimmertür. „Hab von Hiro gehört, was bei dem Spiel passiert ist und dachte, wir kommen mal vorbei.“

„Ich hoffe wir stören nicht“, meinte Takeshi, der noch immer zusammen mit Hiro und Shirou Kaede in der Zimmertür stand.

Für einen Moment schwieg Takumi. „Nein“, sagte er dann leise.

„Wunderbar“, erwiderte Ryoichi, der normal zwar vorlaut war, aber selten so übertrieb wie heute. Wahrscheinlich wollte er seinen Klassenkameraden aufmuntern.

Unsicher stand Takumi auf. „Ich werde mich eben waschen und umziehen“, meinte er dann und nahm sich ein T-Shirt und eine Hose aus dem Schrank.

„Mach nicht zu lang“, meinte der andere.

„Jaja...“ Takumi ging zur Tür. „Ihr könnt euch auch setzen“, meinte er dann zu Hiro und Takeshi, die noch immer etwas unschlüssig dort standen.

„Oh, ja“, meinte Takeshi verlegen.

„Ich bringe euch Snacks“, sagte Shirou Kaede nun. „Und für dich noch dein Frühstück“, fügte sie mit Blick auf ihren Sohn hinzu, der nun auf den Flur hinaus trat.

„Danke“, erwiderte dieser, ehe er im Bad verschwand.
 

Makoto sah auf seine Hausaufgaben. Normal war er gut in Mathematik, doch heute konnte er sich einfach nicht konzentrieren. Statt zu rechnen, starrte er die meiste Zeit aus dem Fenster, das sich direkt über seinem Schreibtisch befand. So war es ihm auch schon gestern gegangen.

Er hatte seine Hausaufgaben für die Woche nicht einmal zu einem Drittel fertig, dabei gehörte er normal zu den Schülern, die ihre Hausaufgaben sofort machten.

Doch nun ging ihm zu viel im Kopf herum.

Seine Gedanken kreisten wie ein Karussell immer wieder um dieselben Themen. Der Shirou-Junge, das seltsame Magnamon, Ai und Impmon.

Er hatte so viele Fragen, doch er wusste, dass er so keine Antwort bekommen würde.

Als er das Digivice gesehen hatte, war er wütend gewesen. Wie konnte seine Schwester so etwas wichtiges ohne ihn entscheiden? Er hatte sie zur Rede stellen wollen, hatte sie anschreien wollen, doch bereits als der Kampf vorbei war und die Sanitäter sich über fürsorglich um sie kümmerten, war ihm klar geworden, das dies keinen Unterschied machen würde.

Es würde nichts mehr ändern, nun wo es schon geschehen war. Zu Reden würde das Digivice nicht wieder in seine alte Gestalt verwandeln. Genau so wenig würde es etwas daran ändern, wie er zu Ai und Impmon stand.

Er würde nichts neues erfahren, wenn er mit seiner Schwester redete. Denn er kannte sie gut genug, um zu wissen, wieso sie es getan hatte und wieso sie nicht mit ihm darüber geredet hatte. Immerhin kannte er sie seit fünfzehn Jahren...

Mit einem Seufzen schüttelte er den Kopf und schlug das Heft zu. Dann stand er auf, nahm seinen Rucksack und verließ sein Zimmer. Auf dem Flur wandte er sich nach links und ging dann die Treppe hinunter.

Heute war außer ihnen niemand im Haus. Ihre Eltern arbeiteten und ihre Großeltern besuchten Freunde. Wahrscheinlich waren auch Ai und Impmon schon lange gegangen.

Wieso also sollte er hier bleiben?

Das Wetter war schön. Selbst wenn er allein war, so konnte er zumindest wirklich draußen sein, anstatt nur aus dem Fenster zu starren.

Auch das würde nicht wirklich etwas ändern, doch er hoffte, dass er sich so vielleicht besser fühlen würde. Er musste einfach etwas tun, das ihn auf andere Gedanken brachte. Vielleicht konnte er einkaufen gehen, vielleicht traf er irgendjemanden, den er kannte. Vielleicht...
 

„Ihr wurdet von einem Digimon gerettet?“, fragte Ryoichi laut, während er am Boden von Takumis Zimmer saß und neugierig der Erzählung des Jungens lauschte.

Takumi nickte. Er erzählte ihnen nicht die ganze Wahrheit. Sie durften nicht erfahren, dass das Digimon, das sie gerettet hatte, eigentlich sein Partner war. Natürlich hätte er es ihnen gerne erzählt, doch die Gefahr war zu groß, dass so sein Vater etwas davon erfuhr.

„Ja“, antwortete er so einfach. „Es hat uns vor der Attacke geschützt.“

„Wow, das muss cool gewesen sein“, murmelte Ryoichi.

Takeshi sah ihn mit zusammengezogenen Augenbrauen an. „Nein, es war einfach nur gefährlich. Takumi kann froh sein, dass ihm nicht viel passiert ist.“

Stumm nickte Takumi, während Hiro ein wenig verträumt aussah.

„Aber ich frage mich, wie es ist, ein Tamer zu sein“, murmelte er. „Es muss toll sein, einen Partner zu haben.“

„Es wäre einfach nur supercool!“, stimmte Ryoichi lauter zu. „Und ich wäre der beste Tamer von allen!“

Hiro warf ihm einen Seitenblick zu. „Du kennst doch nicht mal die Regeln vom Kartenspiel...“

„Hmpf, kann man lernen“, winkte der angesprochene ab.

Derweil schwieg Takumi. Wieder musste er an seinen Partner denken, der vielleicht verletzt war. Er hatte ihm auch in den letzten zwei Tagen nichts zu essen gebracht. Leise seufzte er, was jedoch nicht ungehört bliebt.

„Was hast du, Takumi?“, fragte Hiro. „Du wirkst ganz geistesabwesend.“

Nun sahen ihn auch Ryoichi und Takeshi besorgt an.

„Es...“, begann Takumi. „Es ist nichts. Ich...“ Er suchte nach einer Ausrede. „Ich habe nur ein schlechtes Gewissen, dass ich beim Spiel...“

„Ach, das Spiel ist doch ohnehin abgebrochen worden“, meinte Hiro. „Es ist doch ohnehin egal.“ Dann schwieg er auf einmal und sah Takumi an. „Wobei mir einfällt: Da warst du auch so geistesabwesend. Ist vorher schon etwas passiert?“

Wieder schüttelte der angesprochene den Kopf. „Nein, nein. Es ist nichts. In letzter Zeit...“ Doch wie sollte er es ihnen erklären, ohne von Kotemon und dem Digivice zu erzählen.

„Bist du etwas verknallt?“, meinte Ryoichi auf einmal.

„Hä?“ Verwirrt sah Takumi ihn an.

„Du bist in ein Mädchen verknallt und denkst die ganze Zeit an sie!“ Ryoichi grinste ihn an. „Deswegen auch immer dieses melodramatische Seufzen!“

Takumi konnte beim besten Willen nicht sagen, ob sein Klassenkamerade dies ernst meinte, ihn einfach nur aufziehen wollte oder tatsächlich versuchte von eigentlichen Thema abzulenken. „Ich...“, stammelte er.

„Na, wie heißt sie? Wer ist sie?“ Ryoichi setzte sich zu ihm aufs Bett und legte einen Arm um ihn herum und sah ihn neugierig an.

„Lass ihn“, meinte Takeshi, der am ruhigsten war. „Du tust ihm noch weh.“

Sofort ließ Ryoichi Takumi los, als hätte er sich an ihm verbrannt. „Ups, hab ich vergessen“, meinte er dann mit entschuldigendem Blick auf Takumis bandagierten Arm.

„Macht nichts“, meinte Takumi schnell. Er sah aus dem Fenster auf die im Sonnenlicht glitzernden Fassaden des Nachbarhauses.

Ryoichi folgte seinem Blick. „Wollen wir rausgehen?“, fragte er auf einmal.

Alle sahen ihn überrascht an.

„Ich weiß nicht, ob Takumi...“, begann Takeshi besorgt, doch Takumi schüttelte den Kopf, beinahe dankbar für den Vorschlag.

„Es ist ja nichts gebrochen“, meinte er. „Ich kann schon gehen...“ Erneut wanderte sein Blick aus dem Fenster. „Es tut mir vielleicht sogar ganz gut.“
 

Auch in der Golden Week war die Hypnoszentrale im Metropolitan Government Building besetzt. Nach dem Kampf vor zwei Tagen sogar noch stärker, als es eigentlich üblich war.

Shoji saß zusammen mit Takato, Ruki, Ryou, ihren jeweiligen Digimonpartnern, wie auch Yamaki Mitsuo und Reika in einem der Konferenzräume. Doch außer ihnen war noch jemand hier. Ein junger Amerikaner, der sich als Steve Larson vorgestellt hatte und zusammen mit seinem Partner Leormon etwas unruhig mit ihnen am Tisch saß.

Dabei saßen Shoji, Ruki und Ryou an der von der Tür aus linken Seite des dunklen Tisches. Gazimon hatte ebenfalls auf einen Stuhl Platz genommen, während Renamon hinter Ruki stand und Monodramon döste unter dem Stuhl seines Partners vor sich hin.

Takato und das Ehepaar Yamaki saßen ihnen gegenüber, während Steve am Rand des Tisches saß und sich offenbar nicht ganz sicher war, ob es für ihn das beste war, so gut im Zentrum aller Aufmerksamkeit sein zu können. Sein Partner saß auf seinem Schoß und schien weniger nervös dabei zu sein.

Ruki hatte Shoji bereits gestern von ihm erzählt, doch es war das erste Mal, dass er ihn traf.

Und Shoji war misstrauisch. Der junge Mann behauptete, ein registrierter Tamer zu sein, aber auch an diesem Turnier teilzunehmen. Doch wenn er an diesem Turnier teilnahm, wieso sollte er ihnen dann davon erzählen? Immerhin sollte er sich doch dessen bewusst sein, dass er sich allein mit der Teilnahme strafbar gemacht hatte.

Yamaki, der ähnlich zu denken schien, hatte seine Sonnenbrille abgesetzt und musterte den Amerikaner über seinen Kaffee hinweg.

„Wissen wir irgendetwas neues wegen diesem Magnamon?“, fragte Shoji leise an Ruki, die neben ihm saß, gewandt, doch diese schüttelte den Kopf.

„Nichts“, erwiderte sie. „Zumindest habe ich auch noch nichts erfahren...“ Sie schwieg.

„Wieso passiert das alles jetzt...?“, murmelte Takato, woraufhin Guilmon seine Schnauze an der Hand des jungen Mannes rieb.

Eine bedrückte Stille herrschte in dem Raum, während niemand so richtig zu wissen schien, wie er anfangen sollte.

Schließlich räusperte sich Yamaki. „Ähm, ja“, begann er, der er nie wirklich gut darin war, irgendwelche Vorträge zu halten. „Ich wollte mit euch über die... Ähm... Jüngsten Ereignisse sprechen, die in Tokyo vorgefallen sind.“ Er tat sich wahrscheinlich wesentlich leichter, mit Wissenschaftlern zu sprechen, doch allein die Tatsache, dass sie keine genauen Ergebnisse hatten und er wahrscheinlich auch noch einmal sich hatte vorm Gouverneur rechtfertigen müssen, hatte seinem Selbstbewusstsein offenbar zugesetzt.

Reika übernahm das Wort. „Wir wissen, dass im Moment ein Turnier in Tokyo abgehalten wird, an dem illegale Tamer offenbar teilnehmen können“, sagte sie. „Diesbezüglich hat sich Steve Larson bei uns gemeldet.“ Sie nickte in die Richtung des Amerikaners. „Über die Ereignisse von vor zwei Tagen, haben wir schon mit unseren Wissenschaftlern gesprochen“, setzte sie dann noch hinzu und sah zu Shoji, dessen Frage sie vorher offenbar gehört hatte. „Wir wissen aber noch immer nicht, was es mit dem Digimon auf sich hatte und warum es so aggressiv war.“

„Was ist mit Ai und Makoto?“, fragte Ruki nun. „Sie haben immerhin gegen das Digimon gekämpft. Vielleicht...“ Sie brach ab, als sie Takatos Blick sah.

„Es war kein normales Digimon“, meinte dieser leise. „Irgendetwas an ihm war seltsam.“ Er schüttelte den Kopf, als ob er einen unangenehmen Gedanken aus seinem Kopf vertreiben wolle, dann sprach er lauter weiter. „Als wir gegen es gekämpft haben... Es hat sich nicht wie ein normales Digimon angefühlt.“

„Es hat auch nicht wie eins gerochen“, stimmte Guilmon ihm zu.

„Willst du uns damit sagen, dass es gar kein Digimon war?“, fragte Ruki.

Takato schwieg für einen Moment. „Ich weiß es ehrlich gesagt nicht.“

„Dann tappen wir dabei also im Dunkeln“, murmelte Gazimon.

„Wie bei allen anderen Fragen auch“, murmelte Ruki ungehalten. Dabei zog sie ihre Hand beiläufig zur Seite, als Ryou seine Linke auf diese legen wollte.

Der Mann ließ den Blick sinken. „Nicht ganz“, sagte er dann auf einmal. „Vielleicht können wir nun endlich heraus finden, was es mit diesem Turnier auf sich hat.“ Damit sah er zu Steve.

Dieser setzte sich auf und wirkte verunsichert, da ihn nun alle ansahen. Er räusperte sich. „Err... Mein Name ist Steve Larson“, sagte er mit deutlich hörbarem Dialekt. „Wie, err, Mister, err... Wie Yamaki-san schon gesagt hat. Ich bin Amerikaner. Ich studiere im Moment in Tokyo. Err...“ Er schien nach Worten zu suchen. „Das ist Leormon, mein Partner. Ich habe ihn in Amerika getroffen. Aber ich bin nicht in Japan als Tamer registriert. Ich glaube, ich habe deswegen die Email bekommen.“ Auf einmal schien ihm etwas einzufallen und er nahm seine Umhängetasche und zog einige ausgedruckte Zettel daraus hervor, wobei Leormon an den Rand seines Schoßes rückte. „Hier“, meinte er und legte die Zettel auf den Tisch. „Err... Yamaki-san hat sie in digitaler Form.“

Ryou, der die Email offenbar schon kannte, gab die Zettel an Ruki weiter, die Shoji mit hinauf sehen ließ.

Tamer Steve Larson,

wie du sicher weißt, liegt es in der Natur eines Digimon zu kämpfen um stärker zu werden. Deswegen werden sie von vielen als Gefahr angesehen, auch wenn du sicher weißt, dass dem nicht so ist.

Die Digimon der Regierung können bis auf das höchste Level digitieren, aber dein Partner ist an die Begrenzung des Adult-Levels gebunden.

Sie sagen es ist den Digimon verboten zu kämpfen, auch wenn sie genau wissen, dass es in ihrer Natur liegt.

Sie nehmen Tamern, die sich nicht registrieren lassen, ihre Partner weg.

Willst du stärker werden? Willst du dich ihnen widersetzen? Willst du deinem Partner die Möglichkeit geben, seiner Natur zu folgen?

Hiermit lade ich dich zum Turnier der illegalen Tamer in Tokyo ein.

Wenn du teilnehmen willst, lade das Programm, welches du im Anhang dieser Nachricht findest auf dein Digivice. Damit wirst du fähig sein andere Turnierteilnehmer zu finden.

Wenn du die Einladung nicht annimmst, lösche diese Email.

 

Ich hoffe dich bald im Turnier begrüßen zu dürfen.

Der Meister der Spiele

„Ich habe an der Universität Gerüchte gehört und im Internet gesucht. Zwei Tage später habe ich diese Email bekommen“, schloss Steve seine Erklärung.

Ruki sah ihn scharf an. „Warum hast du die Einladung angenommen, Larson-san?“, fragte sie. „Du wusstest doch sicher, es illegal ist.“

Der Angesprochene schwieg, schien nach den Worten für die Antwort zu suchen. „Ich war... curious“, meinte er. „Ich wollte wissen, ob es stimmt.“ Wieder schwieg er etwas. „Außerdem dachte ich... Dachte ich...“ Nun wechselte er in seine Muttersprache. „I wanted to make a difference. I thought I could find the guy who does it on my own.“ Hilfesuchend sah er zu Ryou, der jedoch noch weniger zu wissen schien, was er sagen wollte, als Steve selbst.

„Er sagt, dass er selbst den Veranstalter ausfindig machen wollte“, half Takato aus, auch wenn bis auf Ryou und die Digimon eigentlich alle den Sinn der englischen Worte verstanden hatten.

„Ja“, stimmte Steve zu.

„Das war dumm“, meinte Ruki leise.

Nun sah Shoji den Amerikaner scharf an. „Hast du andere Digimon getötet in dem Turnier?“

Schnell schüttelte Steve den Kopf. „No! Nein.“ Er sah den Jungen an. „Ich habe gekämpft... Ich konnte es nicht verhindern. Aber ich habe nicht getötet. Leormon hat kein anderes Partnerdigimon getötet.“

Wieder herrschte Schweigen und die Tamer tauschten einige Blicke.

„Gut“, meinte Shoji schließlich, da der andere auf eine Reaktion von ihm zu warten schien.

„Ich nehme an, dass die Emails sich nicht zurückverfolgen ließen, oder?“, meinte Ruki schließlich und sah zu Yamaki.

Dieser schüttelte den Kopf. „Nein. Sie wurden über einen ausländischen Proxy verschickt.“

„Die Frage ist, wie er überhaupt herausfinden kann, wer ein Tamer ist“, meinte Takato. „Selbst wir haben noch keine Möglichkeit gefunden Digivices aufzuspüren und wie sollte er sonst...?“

Da fiel Shoji etwas auf. Er wandte sich erneut an Steve. „Du hast gesagt, dass du vorher im Internet nach Informationen gesucht hast.“

„Ja“, erwiderte der Amerikaner. „Ich habe auch überlegt, ob er darüber von mir wusste.“

„Aber es werden sicherlich auch Leute, die keine Tamer sind, nach Informationen suchen“, warf Ryou ein. „Wenn diese Gerüchte wirklich überall kusieren.“

„Vielleicht versucht er direkt Tamer zu provozieren“, murmelte Ruki. „Es könnte sein. Doch woher weiß er, selbst wenn er es irgendwie herausfindet, wer registriert ist und wer nicht. Die Listen sind nicht öffentlich.“

Erneut trat Schweigen ein, während die Blicke der sechs Japaner düster wurde. Einzig Steve schien es nicht ganz zu verstehen.

„Was ist?“, fragte er.

„Wenn er weiß, welche Tamer registriert sind, muss er Zugriff auf unsere Listen haben“, sprach Reika die Vermutung aus, die ihnen allen bereits, seit sie von dem Turnier erfahren hatten, herumspukte. „Und das heißt, dass er sich entweder in unsere Datenbanken gehackt hat...“ Sie verstummte kurz, ehe sie leiser weiterfuhr. „Oder, dass er zu unseren Mitarbeitern gehört.“
 

„Glaubst du wirklich, dass es in Ordnung ist?“, fragte Takeshi und sah zu Takumi, als die U-Bahn erneut losfuhr. „Ich mein, deine Mutter scheint sich Sorgen zu machen und...“

„Das passt schon“, antwortete Takumi, auch wenn er wusste, dass der andere Recht hatte.

Sie standen in der U-Bahn, die von Minato nach Shibuya fuhr, da er zu seinen Klassenkameraden gemeint hatte, dass sie, wenn sie schon frei hatten, irgendwohin fahren könnten. Dabei war es ihm eigentlich egal gewesen wohin. Er wollte nur nicht, dass sie zufällig auf Kotemon trafen. Denn er wollte seinen Partner nicht noch einmal verleugnen, doch konnte durften die anderen einfach nichts davon erfahren.

Zumindest Ryoichi schien von der Idee begeistert zu sein und so fanden sie sich etwa eine halbe Stunde, nachdem sie die Wohnung der Familie Shirou verlassen hatten, in einer der Spielhallen des Vergnügungsviertels wieder.

Takumi, der trotz seiner Verbände kurze Hose und sein kurzärmliges Oberteil trug, wurde mehrmals kurz von der Seite angesehen, als sei er aus dem Krankenhaus ausgebrochen. Doch niemand sagte etwas.

„Lasst uns irgendein Rennspiel gegeneinander spielen“, schlug Hiro vor, als er eine der entsprechenden Anlagen sah.

„Ich spiele lieber einfache Arcade“, murmelte Takeshi.

Ryoichi sah ihn an und runzelte die Stirn. „Weißt du, dass du ein ganz schöner Langweiler bist?“

„Nicht jeder, der andere Interessen als du hat ist deswegen gleich ein Langweiler, Ozaki-kun“, antwortete der kleinste der Gruppe tonlos.

„Bitte fangt nicht an zu streiten“, meinte Hiro schnell und stellte sich zwischen die beiden. „Es muss ja niemand irgendetwas spielen.“ Etwas hilfesuchend sah er sich zu Takumi um, der schon wieder in seinen Gedanken verloren schien. „Was magst du spielen?“

Der Angesprochene antwortete nicht.

„Takumi?“, fragte Hiro und brachte diesen damit zusammen zu zucken.

„Entschuldigt bitte“, murmelte er. „Ich...“ Er überlegte. „Ja, Rennspiele... Von mir aus.“

Wieder verzog Ryoichi das Gesicht. Dann, als Takumi nicht hinsah, zuckte er hilflos mit den Schultern und seufzte schwer.
 

Für Takumi schien die Zeit nicht wirklich umzugehen. Eigentlich hatte er gedacht oder vielmehr gehofft, dass sich seine Laune bessern würde, wenn er sich ablenkte. Doch er fühlte sich weder besser, noch brachte ihn die Spiele auf andere Gedanken. Immer wieder machte er sich selbst Vorwürfe für die Geschehnisse am Sonntag.

„Ich hol mir etwas zu trinken“, meinte er schließlich zu den anderen und stand von einem Kampf-Arcade-Automaten auf.

Er wusste, dass ihm seine Klassenkameraden teilweise verwirrt, teilweise entgeistert hinterher sahen, doch langsam sorgten nicht nur seine Gedanken, sondern auch das Gedrängel der an einem schulfreien Tag überfüllten Spielhalle dafür, dass er sich hier unwohl fühlte.

Deswegen atmete er auf, als er sich vor der Spielhalle draußen an die Wand lehnte. Er griff in seinen Rucksack, um sein Portemonnaie herauszuholen, wobei seine Hand das Digivice berührte. Ihm musste etwas einfallen, um von hier weg zu kommen, dachte er. Er musste einfach nach Kotemon sehen.

Gerade als er zwei 100-Yen-Stücke seinem Portemonnaie entnommen hatte und zu einem der Automaten ging, kam ein anderer Junge durch die automatische Schiebetür der Halle hinaus.

Als Takumi diesen erkannte, war es schon zu spät.

Langsam fing er an zu glauben, dass er entweder vom Pech verfolgt war, oder diese Zwillinge ihm folgten. Dabei sollte man meinen, dass eine Stadt mit etwa neun Millionen Einwohnern groß genug sein sollte, um sich aus dem Weg zu gehen.

Doch vor ihm stand der Bruder des selbstgerechten Mädchens, gegen den er beim Baseballspiel angetreten war. Allerdings sah dieser genau so überrascht aus, wie Takumi selbst.

Anstatt jedoch etwas zu sagen, senkte der andere Junge den Blick und ging selbst zu dem Getränkeautomat, aus dem er sich einen Eistee zog. Mit diesem in der Hand drehte er sich um, und schien wieder in der Halle verschwinden zu wollen. Etwas, das Takumi eigentlich mehr als recht sein sollte.

Trotzdem öffnete er den Mund. „Ist deine Schwester nicht hier?“, fragte er ungehalten und wollte sich dabei selbst dafür ohrfeigen.

Für einen Moment schien es, als würde der andere – Makoto – weitergehen, aber gerade, als sich die automatische Tür öffnete, blieb er stehen und drehte sich um. „Ist dein Digimonpartner nicht hier?“, erwiderte er sarkastisch.

Takumi spürte ein Stechen in der Brust, als der andere fortfuhr.

„Du hast deinen Partner tatsächlich im Stich gelassen, oder?“ Dabei war seine Stimme gereizt.

Erst wollte der jüngere etwas zynisches oder gemeines erwidern. Dabei waren jedoch „Das geht dich nichts an“ die einzigen Worte, die ihm über die Lippen kamen.

Für eine kurze Weile schwieg der andere Junge und musterte Takumi. „Du hast Recht“, meinte er dann. „Es geht mich nichts an, weil ich mich nicht in die Angelegenheiten anderer Leute einmische.“ Er schürzte die Lippen. „Nichts desto trotz“, fuhr er dann leise fort. „Ich möchte nicht in deiner Haut stecken.“ Damit wandte er sich ab und ging er wieder in die Halle hinein, während Takumi draußen stehen blieb.

„Was ist denn sein Problem?“, flüsterte er abfällig, doch eine leise Stimme in seinem Kopf sagte ihm, dass er selbst derjenige war, der so gesehen ein Problem hatte.

Warum hatte er den anderen Jungen überhaupt angesprochen? Hatte er heimlich gehofft, dass dieser ihn anschreien würde, wie es dessen Schwester sicherlich getan hätte? Er hätte es verdient gehabt, dessen war er sich sicher.

„Verdammt!“, stieß er hervor. Er holte mit einem Bein aus und trat mit dem Fuß gegen den Automaten, woraufhin eine Taube, die zuvor auf diesem gesessen hatte, erschrocken in die Luft flatterte.

Für einige Augenblicke blieb er so auf dem Vorplatz der Halle stehen, wo ihm niemand beachtete. Dann auf einmal drehte er sich um und rannte los.

Das Getränk, das er sich hatte holen wollen war vergessen, wie auch seine Klassenkameraden in der Spielhalle. Er wusste, was er tun musste...
 

Die Sonne neigte sich bereits dem Horizont entgegen, Takumi mit seinem Digivice in der einen Hand und einer vollen Tüte von einem der Supermärkte die Kaimauer des Hafens von Minato entlanglief.

Hinter ihm fuhr ein Güterzug ratternd über den nicht weit entfernten Bahndamm, während der Junge keuchend auf dem großen Parkplatz einer Firma stehen blieb.

Er suchte schon seit zwei Stunden nach Kotemon, doch bisher fehlte jede Spur seines Partners. Zwar zeigte ihm das Digivice eine Richtung an, doch konnte er nicht sagen, ob sein Partner in dieser Richtung fünfhundert Meter oder zehn Kilometer entfernt war.

Vielleicht hatte Kotemon ihn auch verlassen, weil er es verleugnet hatte... Doch würde es dergleichen tun?

Nun, wenn dem so war konnte er es verstehen.

Leise seufzte er und sah auf das Digivice, dass nach Nordwesten zeigte. Noch wollte er nicht aufgeben. Noch nicht!

Also lief er weiter, wenngleich er vorerst sein Tempo mäßigte.

Er überquerte den Parkplatz, den Platz hinter einer Lagerhalle, eine Straße und dann eine weitere Parkfläche, bis er auf der Brücke zum Hamarikyutein stand. Immer mehr zweifelte er daran, dass er seinen Partner noch finden würde.

Mitten auf der Brücke blieb er für einen Moment stehen und sah auf den unter ihn liegenden Seitenarm der Bucht, an dessen Ufer einige Privatboote ankerten.

Und während die Sonne am Horizont immer tiefer sank betrat er schließlich die direkt am Rand der Bucht liegende Grünfläche. Er ging zwischen den Bäumen hindurch und betrat die dahinter liegende Wiese.

Hier blieb er erneut stehen, sah wieder auf sein Digivice. Das runde Hologramm, an dessen Seite ein Pfeil die Richtung anzeigte, teilte ihm noch immer mit, dass er weiter gen Nordwesten laufen sollte.

Doch für einen Moment pausierte er.

Vielleicht war es wirklich besser, wenn er nicht weitersuchte. Dann würde er zumindest nie wieder mit diesem Turnier konfrontiert werden, müsste all das nicht weiter seinen Eltern verheimlichen und Kotemon würde vielleicht einen besseren Partner als ihn finden. Wahrscheinlich wäre es wirklich für alle das beste.

Er sah wieder auf sein Digivice.

Vielleicht...

Tränen unterdrückend steckte er das Gerät in seine Tasche. Es half ihm ja doch nicht weiter. Dann setzte er sich langsam wieder in Bewegung, mit dem Gedanken zur Shiodome-Station und von dort aus nach Hause zu gehen.

Doch gerade als den Weg durch den Park weiter hinabging sah er ein Stück entfernt den Schatten einer vertrauten Gestalt.

„Kotemon?“, flüsterte er und blinzelte gegen das Sonnenlicht.

Er war sich sicher. Es war ein Kotemon. Doch war es auch sein Kotemon? Sein Partner?

Sein Herz begann zu schlagen: „Kotemon!“ Er lief auf die Gestalt zu, verlangsamte seinen Schritt jedoch, als er näher kam und das Licht ihn weniger blendete.

Nun konnte er auch zwei andere Gestalten erkennen. Ein junger Mann, der gegen eine grobe Mauer am Rand des Weges lehnte und ein weiteres Digimon.

„Takumi?“, fragte Kotemon, das sich nun zu ihm umdrehte.

„Das ist dein Partner?“ Der junge Mann sah ebenfalls in seine Richtung.

Der Junge sah ihn stumm an und beinahe wäre er – einem Instinkt folgend – wieder gelaufen. Doch da glitt sein Blick wieder zu seinem Partner hinüber. „Kotemon“, flüsterte er und nun standen ihm doch Tränen in den Augen, als er vor dem Child-Digimon auf die Knie fiel und seine Arme um es legte. „Es tut mir leid, Kotemon. Es tut mir wirklich leid.“

„Was denn, Takumi?“, fragte Kotemon leise.

Er löste sich etwas von seinem Partner und sah diesen an. „Ich... Ich...“, stammelte er. „Du hast mich beschützt und ich... Ich habe dich im Stich gelassen...“ Mehr konnte er nicht sagen, nun, wo der fremde Mann dabei war.

„Du hast gemacht, was nötig war“, erwiderte das Digimon. „Ich mach dir keinen Vorwurf.“

Takumi erwiderte nichts und wischte sich stattdessen die Tränen aus dem Gesicht. „Es tut mir trotzdem leid“, flüsterte er. Dann erinnerte er sich an die Tüte in seiner Hand. „Ich habe dir etwas zu essen gekauft.“

„Danke“, antwortete Kotemon förmlich. „Auch wenn du dir keine Sorgen machen musst. Ich kann mir selbst etwas besorgen. Außerdem hat Hirokazu-san mir heute etwas gekauft.“

Nun sah Takumi zu dem jungen Mann, neben dem ein Hagurumon in der Luft schwebte. „Hirokazu-san?“, wiederholte er langsam.

Der junge Mann, der für einen Japaner recht groß gewachsen war, hob die Hand zum Gruß. „Hey, Kleiner.“

Takumi musterte ihn.

Der Mann schien etwa Anfang zwanzig zu sein und trug eine zerschlissene Jean, was, da auch auf sein T-Shirt einige Fetzen aufgenäht waren, wohl eine Art von modischem Trend zu sein schien. Auch hatte er einen etwas ungepflegt wirkenden Dreitagesbart, was sein Erscheinungsbild etwas befremdlich wirken ließ.

Schließlich wurde der Junge sich dessen bewusst, dass er starrte. Schnell wandte er seinen Blick gen Boden und verbeugte sich. „Vielen Dank, dass Sie sich um meinen Partner gekümmert haben.“

„Kein Problem“, winkte der Mann ab und sah ihn stirnrunzelnd an. „Ich frage mich nur, warum du ihn hier versteckst.“ Dabei sagte sein Tonfall jedoch, dass er dies eigentlich sehr wohl wusste.

„Ich...“, begann Takumi unsicher. „Na ja, ich...“

„Er ist nicht registriert“, antwortete Kotemon gerade heraus.

Nun war es an Hirokazu den Jungen zu mustern. „Und warum bist du nicht registriert?“

Erneut antwortete Takumi nichts, sondern sah nur unsicher auf seine eigenen Schuhe. Wieso sollte er mit einem Fremden darüber reden? Würde der Mann ihn an Hypnos verraten?

„Ich verurteile dich nicht deswegen, Kleiner“, meinte Hirokazu nun lässig. „Ich kann mir vorstellen, dass es auch jetzt nicht so einfach ist. Aber vor wem auch immer du es verheimlichst... Er wird es irgendwann wahrscheinlich doch 'rausfinden.“ Er sah den Jungen, der nur weiter stumm zu Boden schaute an. „Und wenn man etwas so lang verheimlicht hat, dann ist der Ärger am Ende um so größer.“

Leise seufzte Takumi. „Danke“, erwiderte er leise, „aber ich fürchte, dass es mittlerweile keinen Unterschied mehr macht.“

Für eine Weile sah der junge Mann ihn an. „Wie du meinst“, meinte er schließlich, „aber denk darüber nach, okay?“

Daraufhin nickte der Jüngere nur.

„Gut.“ Hirokazu schien zufrieden. „Wie dem auch sei, Kleiner“, sagte er dann, „ich werde jetzt gehen. Freut mich für dich, dass du deinen Partner wiedergefunden hast.“ Er wandte sich zum Gehen. „Vielleicht sieht man sich ja mal wieder.“

„Ja, vielleicht“, erwiderte Takumi. „Danke noch einmal.“

„Kein Ding!“ Hirokazu zwinkerte ihm über die Schulter zu und sah dann zu Kotemon. „Tschau, Kotemon.“

„Auf Wiedersehen“, erwiderte dieses.

Dann machte sich der junge Mann auf dem Weg. Sein Partner warf Takumi und Kotemon noch einen letzten Blick zu, dann wandte auch er sich ab und schwebte hinter Hirokazu her, in Richtung des Schnellstraßenübergangs.
 

Schmerz pulsierte in ihrer Schulter, nahm ihr fast die Sicht und machte es beinahe unmöglich zu atmen. Trotzdem blieb die sechzehnjährige Fujino Naoko für keinen Moment stehen.

Ihr von Blut durchtränktes Oberteil klebte warm an ihrem Körper, doch sie schenkte dem keine Beachtung. Sie wusste eine Sache genau: Wenn sie stehen blieb, ja, wenn sie nur etwas langsamer wurde, würde sie sterben.

Auch die schmerzenden Füße, die nackt über den Asphalt liefen, ignorierte sie.

Es war nicht mehr weit. Es war nicht mehr weit bis zur Bahnstation und dem benachbarten Einkaufszentrum. Dort waren auch um diese Zeit noch Menschen. Dorthin würde er sie nicht verfolgen. Sie musste es nur bis zur Asakusa-Station schaffen!

Eisern hielt sich das Mädchen, dessen langes, hellbraunes Haar ebenfalls vom Blut verklebt war, davon ab sich umzudrehen. Sie wusste, was hinter ihr war. Sie hatte die glühenden Augen gesehen, die spitzen Zähne gespürt. Wie sie es geschafft hatte, sich aus dem Biss des Monsters zu befreien, war ihr selbst ein Rätsel.

Und sie hatte auch ihn gesehen.

Sie wusste, warum er hier war, sie wusste, warum er sie töten wollte. Doch sie wollte nicht sterben. Sie würde nicht sterben.

Weiter lief sie voran und sah nicht mehr all zu weit entfernt die Lichter der Hauptstraße, hinter der die Station lag.

Sie lief voran, ohne Atem darauf zu verschwenden um Hilfe zu rufen. Denn sie wusste, dass dies kaum jemand hören würde und vor allem niemand hören wollte. Stattdessen rannte sie, allen Schmerz ignorierend weiter und erreichte endlich eine der größeren Fußwege zwischen den Häusern. Ein Fußweg, der zur Hauptstraße führte.

Endlich sah sie andere Leute, die hier unterwegs waren. Andere Menschen, die sich nun zu ihr umdrehten. Noch immer lief sie weiter, bis sie die Einmündung zur Hauptstraße erreichte. Hier, direkt neben dem Eingang zu einem Coffeeshop blieb sie stehen und wagte endlich einen Blick über die Schulter.

Das Monster war verschwunden.

Das war der letzte erleichterte Gedanke, den sie hatte, ehe sie ohnmächtig zusammenbrach.
 


 

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Anmerkungen und Erklärungen:

Asakusa-Station: Eine der JR-Stationen im historischen Viertel Taito. (Und ja, der Stadtteil heißt so) Ist übrigens eine der älteren Bahnhöfe in Tokyo.
 

Zuerst möchte ich sagen: Ich hoffe es sind keine zu schlimmen Tippfehler in diesem Kapitel. Es ist noch nicht gebetat und meine Tastatur spinnt im Moment fürchterlich herum, so dass manchmal ganz andere Buchstaben erscheinen, als ich getippt habe. Ich bin zwar noch einmal drüber gegangen - mehrfach - kann aber trotzdem nicht garantieren, dass ich alles gefunden habe.
 

Ansonsten kann ich nur hoffen, dass euch das Kapitel - auch ohne Kampf - gefallen hat :) Wie immer freue ich mich auf euer Feedback und über eure Spekulationen darüber, was hier vor sich geht ;)
 

Wann das nächste Kapitel kommt, ist davon abhängig, wann ich wieder zuhause bin. Vielleicht nächste Woche, vielleicht in zwei oder drei Wochen. Ich kann es leider noch nicht genau sagen.

Episode 10: Die Chance

Das zehnte Kapitel. Unglaublich aber wahr: Damit ist bereits ein fünftel der Geschichte fertig. Die nächsten drei Kapitel (also 10 - 11 - 12) stellen das „Viertelfinale“ von Battle Generation dar und gehen daher nahtlos ineinander über. Macht euch also darauf gefasst, dass die Cliffhanger noch böser als sonst sein werden ;)
 

Viel Spaß beim Lesen :D
 


 

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Episode 10: Die Chance
 

Polizeilichen Quellen zur Folge wurde am vergangenen Abend ein weiterer Schüler von einem Digimon in der Nähe der Asakusa-Station im Taito-Distrikt angegriffen. Allerdings wurde berichtet, dass das Opfer dieses Mal überlebte und in ein naheliegendes Krankenhaus eingeliefert wurde. Genauere Berichte folgen.
 

               - Morgenausgabe der Nikkei vom 4.5.2011
 

Etwa zur selben Zeit, zu der die ersten Sanitäter in Asakusa eintrafen, um die Schülerin Fujino Naoko medizinisch zu versorgen, saß Yamaki Mitsuo in einer Bar, die nur zwei Blocks von seiner Wohnung entfernt gelegen war.

Es war gewöhnlich nie seine Art gewesen zu trinken, selbst nicht, als ihn Reika dazu gezwungen hatte, sich das Rauchen abzugewöhnen, als sie mit Namiko schwanger war. Natürlich war er ab und an mit Freunden ausgegangen und hatte dabei sicherlich auch das ein oder andere Mal etwas über den Durst hinaus getrunken, doch in den letzten zwei Wochen war er, sofern es die Zeit erlaubte, beinahe täglich hergekommen.

Die Bar war ganz in klassischen japanischen Stil gehalten und bestand einzig aus einem länglichen Raum, der in der Mitte von den Tresen getrennt wurde.

Mitsuo seufzte. Obwohl er noch nicht viel getrunken hatte, brummte ihm bereits der Schädel. Er hatte, seit das Chaos seinen Lauf genommen hatte, kaum schlafen können. In letzter Zeit wusste er kaum noch, wo ihm der Kopf stand.

Nicht nur, dass ihm die Verantwortung für die Vorfälle gegeben wurde, immerhin war der einzige Sinn und Zweck Hypnos, dergleichen zu verhindern, so dass er sich nur in den letzten zehn Tagen beinahe täglich vor irgendwelchen Ministern und hochrangigen Politikern der Stadt hatte rechtfertigen müssen. Auch wusste er, egal wie oft er anderes beteuert hatte, genau so wenig wie irgendjemand in Hypnos mehr, als vor zwei Wochen über die Vorfälle. Selbst dieser amerikanische Junge, dieser Steve Larson, hatte sie nicht wirklich voran gebracht. Stattdessen musste er sich nun mit dem Gedanken auseinandersetzen, dass er eventuell einen Verräter, ja, einen Kriminellen zwischen seinen Mitarbeitern finden konnte.

Und die Tatsache, dass Akiyama, der sich eigentlich um öffentliche Angelegenheiten kümmern sollte, seine Arbeit nicht wirklich ernst nahm, verhalf ihm auch nicht zu ruhigeren Nächten.

Gerade als die Wirtin, eine junge Frau, die von allen nur Sachiko gerufen wurde, ihm nachschenkte, wurde die Tür geöffnet und ein älterer Mann trat in die Bar ein, in der außer Mitsuo noch zwei andere Krawattenträger saßen.

„Ah, Yamaki-kun“, meinte der Neuankömmling und setzte sich auf den Hocker neben ihn. „Ich habe mir schon gedacht, dass ich Sie hier finde.“ Er sprach ihn noch immer recht förmlich an, obwohl sie sich seit beinahe zehn Jahren kannten.

Mitsuo sah nur kurz auf und nickte, anstatt viele Worte zu verlieren.

„Ein Bier“, meinte Lee Janyuu zu Sachiko, ehe seinen Blick zu seinem Sitznachbar wandte. „Du siehst heute noch schlimmer aus, als sonst.“

Der Angesprochene zuckte nur leicht mit den Schultern. „Mag sein.“ Auch dem chinesischen Informatiker gegenüber fühlte er sich schuldig. Immerhin war es nun schon über einen Monat her, dass sie den Kontakt zu dessen Tochter in der Digiwelt verloren hatten. Deswegen sah er statt zu ihm auf den Becher Sake in seiner Hand.

„Sie sind immer nicht weitergekommen, hmm?“, meinte Janyuu dann etwas freundschaftlicher zu ihm.

„Nicht wirklich“, murmelte Mitsuo und nippte am Becher. „Es geht nichts voran...“ Er seufzte. „Und sowohl die Regierung, als auch die Presse machen immer mehr Druck...“ Für einen Moment schwieg er. „Doch ich weiß einfach nicht, was wir noch machen sollen...“

Janyuu sah ihn mit väterlicher Miene an. „Vielleicht“, begann er dann in einem gänzlich anderen Tonfall als zuvor, „solltest du dir etwas Ruhe gönnen. Nimm dir ein paar Tage frei.“

Daraufhin kam Mitsuo doch nicht herum ihn anzusehen. „Jetzt?“, fragte er ungläubig. „Das könnte ich niemals.“ Er schüttelte den Kopf.

„Es arbeiten genug andere für Hypnos“, erwiderte Janyuu ruhig.

„Aber niemand, den ich damit betrauen kann.“

Nun seufzte Janyuu. „Ich meine nur, du solltest auch einmal an deine Familie denken.“

„Das tue ich!“, fuhr Mitsuo ihn an, bemerkte dann aber, dass er aufbrausend geworden war und sah den älteren Mann entschuldigend an. „Das tue ich“, wiederholte er dann leiser und trank den Rest des warmen Sake mit einem Schluck aus.

Gerade wollte Janyuu ansetzen, um noch etwas zu sagen, als das Handy im Mitsuos Tasche klingelte.

Er holte es aus seinem Jackett und erkannte die Nummer Onodera Megumis auf dem Touchdisplay. Entschuldigend sah er zu Janyuu, stand auf und ging hinaus, um dort den Anruf entgegen zu nehmen. „Ja?“, sprach er, als er an die nicht ganz frische Tokyoter Nachtluft getreten war.

„Yamaki-san?“, erwiderte Megumi.

„Ja“, wiederholte er.

Die Frau am anderen Ende der Leitung wartete nicht lang auf weitere Worte von ihm. Sie klang etwas aufgeregt. „Es gab einen weiteren Angriff.“

„Verdammt“, fluchte Mitsuo leise, dem klar war, von was für einen Angriff sie sprach. „Wo ist es dieses Mal?“

„Asakusa“, erwiderte Megumi. „Aber“, fügte sie dann hinzu, „dieses Mal hat das Opfer überlebt. Sie ist zwar ohnmächtig und wird im Moment operiert, aber sie lebt noch.“

„Sie?“

„Fujino Naoko.“

Mitsuo nickte zu sich selbst. „Okay“, sagte er dann. „Wo ist sie im Moment?“

„Im Taito General Hospital“, antwortete Megumi. „Wir werden jedoch erst frühestens morgen mit ihr sprechen können.“

Dieses Mal hielt Mitsuo ein weiteres Fluchen zurück, wohl wissend, dass es eh nichts brachte.

Nach einer kurzen Stille begann seine Kollegin erneut. „Yamaki-san?“, setzte sie vorsichtig an.

„Hmm?“ Zu einer längeren Antwort fühlte er sich im Moment kaum im Stande.

„Gehen sie nach Hause“, meinte Megumi. „Und machen sie sich nicht so viele Gedanken.“ Dann schwieg sie kurz. „Bis morgen.“ Damit legte sie auf.

Mitsuo seufzte und lehnte sich an die Wand. „Verdammt“, murmelte er. Was würde er jetzt nicht für eine Zigarette geben?
 

Shojis Laune war ähnlich der Yamakis. Er saß zusammen mit Takato, Juri und Ruki in einem Ramen-Lokal in der Nähe von Golden Gai, wo sie nach Takatos Schichtende hingegangen waren. Natürlich waren auch Gazimon und Guilmon bei ihnen. Einzig Renamon, das von Zeit zur Zeit seine Einsamkeit suchte, hatte sich vor dem kleinen Restaurant vor ihnen verabschiedet.

„Ihr solltet nicht so deprimiert dreinschauen“, meinte Juri, die Takato ursprünglich hatte abholen wollen.

„Du hast ja recht“, murmelte Ruki, jedoch ohne von ihrer bisher kaum angerühten Rahmenschüssel aufzusehen.

„Es ist nur“, begann Takato, „dass im Moment so vieles zusammenkommt... Und wir keinen Schritt vorankommen.“

Kurz schwiegen sie.

„Juri hat Recht“, meinte auf einmal Guilmon. „Ihr solltet nicht so traurig aussehen. Das findet Guilmon nicht schön.“

Leise seufzte Takato. „Ich weiß.“

Stumm schlürfte Shoji seine Nudeln und vermied es die anderen anzusehen.

„Vielleicht ergibt sich eine Spur wenn das Digivice des amerikanischen Tamers untersucht wurde“, meinte Gazimon und versuchte dabei möglichst neutral zu klingen.

„Selbst wenn, gibt es noch einen mordenden Tamer in der Stadt“, warf Ruki ein.

„Und die Sache mit dem wilden Magnamon“, fügte Takato hinzu.

Juri sah sie nun ebenfalls bedrückt an. „Aber...“

„Beide Dinge sind...“ Ruki schürzte die Lippen, scheinbar unsicher, wie sie es ausdrücken sollte. „Beide Dinge sind so gesehen schlimmer“, beendete sie dann ihren Satz. „Zumindest vom öffentlichen Standpunkt gesehen. Denn selbst wenn es Gerüchte gibt, so weiß letzten Endes niemand wirklich von dem Turnier.“

„Aber der Digimonangriff ist ihnen bekannt“, ergänzte nun Shoji leise. „Ebenso wie die Vermutung, dass der Mörder ein Tamer ist.“ Er nahm einen Schluck von seiner Cola.

Juri seufzte. „Ich verstehe euch ja“, murmelte sie. „Aber wenn ihr jetzt schon verzweifelt, werdet ihr nicht weiter kommen.“ Bei diesen Worten sah sie einen nach dem anderen an. „Und zumindest bei diesem Mörder... Er wird sicher irgendwann einen Fehler machen...“

„Aber vielleicht...“ Takato sah zu ihr herüber. „Vielleicht ist es bis dahin zu spät.“

Und dabei wussten sie alle, dass er nicht nur von der Anzahl der möglichen Opfer sprach.
 

Es war recht früh am nächsten Morgen, dass Makoto hörte, wie die Tür zum Zimmer seiner Schwester geöffnet wurde. Nun, eigentlich war es bereits zehn, doch war dies eine frühe Zeit für Ai an einem Schulfreien Tag ihr Zimmer zu verlassen.

Für einen Moment wartete er hinter seiner eigenen Zimmertür, ehe er diese öffnete. „Wohin geht ihr?“, fragte er und sah Ai und Impmon an.

Beide erwiderten seinen Blick schuldbewusst.

„Wir...“, begann Impmon.

„Wir gehen raus“, antwortete Ai dann kurz angebunden und wich seinem Blick aus.

Makoto schloss seine Zimmertür hinter sich. „Dann komme ich mit.“

„Aber...“, setzte seine Schwester an. „Wir... Nun ja... Wir...“

Sie brauchte nicht mehr sagen, da Makoto auch so verstand. Trotzdem sah er sie entschlossen an, wenngleich sein Blick auch etwas Enttäuschung zeigte. „Ich komme trotzdem mit.“ Für einen Augenblick zögerte er, ehe er hinzufügte: „Immerhin ist Impmon auch noch immer mein Partner, oder?“

Nun sah Impmon ihn an. „Ja.“

„Aber das Turnier...“ Ai wich weiterhin seinem Blick aus. „Du...“

„Ich kann es nicht mehr ändern, dass du diese Einladung angenommen hast“, antwortete Makoto. „Auch wenn ich es dir übel nehme, dass du so etwas für dich allein entschieden hast. Aber Impmon ist auch mein Partner. Ich bin auch ein Tamer. Und ich will nicht hier sitzen bleiben und so tun, als wäre es anders.“

„Aber...“, setzte Ai erneut an. „Aber...“ Sie schwieg. „In Ordnung“, murmelte sie dann.
 

„Du bist früh“, stellte Kotemon fest, als Takumi es in der Nähe des Aqua City Parks aufsuchte.

„Ja“, erwiderte der Junge. „Mein Vater ist heute mit Kollegen unterwegs...“ Er ließ den Satz offen enden, da es immer noch seine Mutter gab, die sich auch am vergangenen Tag ziemliche Sorgen gemacht hatte, als ihr Sohn erst spät nach Hause kam. „Ich habe dir leider heute nichts mitbringen können“, fügte er dann hinzu.

„Macht nichts“, erwiderte sein Partner.

Die beiden gingen gemächlich am Rand des Parks, in dem sich, da viele Leute - nicht nur Schüler - heute frei hatten und das Wetter gut war, eine Menge Menschen tummelten. Familien, die mit ihren Kindern picknickten, Jugendliche und Studenten, die ihre Freizeit genossen.

„Ich habe gehört, dass gestern Abend ein weiterer Angriff stattgefunden hat“, begann Takumi nach einer Weile.

„Ein Angriff?“ Kotemon sah zu ihm auf.

„Ja. Du weißt schon. Diese Morde...“ Für ein paar Sekunden schwieg er. „Aber dieses Mal hat das Opfer wohl überlebt.“

„Das ist doch gut, oder?“, meinte das Digimon und Takumi nickte zur Antwort.

„Ja, ich denke schon.“ Dann schwieg er.

Für seinen Vater machte es leider keinen Unterschied. Seit der Sache am Sonntag fühlte er sich umso mehr in seiner Meinung zu den digitalen Monstern bestätigt und tat dies auch ständig kund. Die teilweise sehr einseitigen Berichte des Fernsehens taten ihr übriges.

Trotzdem hatte Takumi die leise Hoffnung, dass vielleicht zumindest diese Morde vergessen werden würden, wenn der Täter gefasst würde. Immerhin würden die Medien nach einer Weile sicher das Interesse verlieren darüber zu berichten und nach und nach würden die Menschen sich dann anderen Themen zuwenden.

Obwohl viele Menschen sie umgaben, beachtete sie niemand. Nun, vielleicht war es gar nicht so verwunderlich, denn im Vorbeigehen hatte Takumi noch zwei weitere Jugendliche mit Digimon gesehen. Ein kleines Mädchen, auf dessen Kopf ein Patamon saß, und ein vielleicht zwölfjähriger Junge mit einem Gotsumon.

„Hast du nicht Angst, dass uns jemand sieht, den du kennst?“, fragte Kotemon auf einmal, als hätte es seine Gedanken gelesen.

Takumi antwortete nicht sofort. Er blieb stehen und sah zur Bucht, deren Wasseroberfläche man durch die Bäume des Parks hindurch schimmern sah. „Es ist voll“, meinte er schließlich. „Ich glaube nicht, dass uns hier wirklich jemand sieht und mich auch erkennt.“

Das Digimon nickte daraufhin nur und sah ebenfalls durch die Bäume hindurch. „Ich mag Odaiba“, meinte es dann. „Hier gibt es viele lustige Dinge.“

Leise lachend nickte Takumi. „Ja, das stimmt.“ Kurz schwieg er und überlegte. „Leider dürfen immer noch keine Digimon ins Aqua City.“

Daraufhin erwiderte Kotemon nichts, sondern setzte sich wieder in Bewegung.

Der Junge folgte ihm und beobachtete die anderen Menschen dabei. Da viele Erwachsene bereits wieder arbeiten mussten, waren es hauptsächlich Jugendliche, teilweise fast noch Kinder.

„Was willst du jetzt tun?“, fragte Kotemon auf einmal, als hätte es die ganze Zeit darauf gewartet diese Frage zu stellen.

Überrascht blieb Takumi stehen. „Was?“ Er sah seinen Partner an und zog nachdenklich die Augenbrauen zusammen. Sein Herz pochte. „Nun, ich denke wir könnten uns ein ruhiges Plätzchen suchen und...“

„Nicht das“, unterbrach Kotemon ihn – etwas das es selten tat. „Du weißt was ich meine, Takumi.“ Mit ernstem Blick (sofern Takumi es sagen konnte, immerhin konnte er nur die Augen seines Partners sehen) sah es ihn an. „Ich rede von dem Turnier. Von den Kämpfen. Willst du wirklich noch kämpfen?“

Darauf konnte Takumi nicht wirklich antworten. Er senkte den Blick und schwieg.

Eine Gruppe Oberschüler lief lachend an ihm vorbei, während er über die Antwort auf diese Frage nachdachte.

Eigentlich hatte er nie wirklich kämpfen wollen und doch war es ihm wie der einzige Ausweg vorgekommen. Hatte sich daran etwas geändert? Eigentlich wollte er nicht gegen andere Tamer kämpfen und wollte ebenso wenig riskieren, Kotemon in einem Kampf zu verlieren. Doch konnte er nun überhaupt aufhören?

„Takumi“, drängte ihn Kotemon zur Antwort.

Der Junge sah auf. „Ich...“, setzte er unsicher an, kam jedoch nicht weiter. Sein Digivice hatte zu Piepsen begonnen.
 

Tatsächlich erschien es Shoji als eine angenehme Abwechselung einen normalen Krankenhausflur aufzusuchen, der nicht zur Pathologie führte.

Etwas seltsam war es nichts desto trotz, dass auch hier gleich vier Polizisten Wache standen. Zwei an den Türen des Flurs und zwei direkt vor dem Zimmer. Gegenüber der Eingangstür des offenbar mit Absicht etwas Abseits gelegtem Zimmers waren auch einige Stühle. Auf einem davon saß Yamaki, der nun aufsah.

„Du bist auch gekommen?“, fragte er überrascht, wobei seine Stimme jedoch sehr müde klang.

Shoji nickte. „Auch wenn sie Gazimon nicht mit reinlassen wollten.“

„Natürlich nicht“, erwiderte der Erwachsene. „Das Mädchen gilt als Intensivpatientin.“ Er schwieg kurz. „Aber warum bist du hier? Immerhin gibt es nichts für dich zu tun.“

Energisch schüttelte Shoji auf diese Aussage hin den Kopf. „Doch. Ich will es wissen. Ich will wissen wer es getan hat...“ Dann hielt er inne. „Sofern ich darf.“

Yamaki zuckte nur mit den Schultern. „Ich habe nichts dagegen einzuwenden“, antwortete er. „Aber sie wollen uns noch nicht zu ihr reinlassen. Sie ist noch nicht ganz wach.“

Unschlüssig sah Shoji zur Tür. Dann setzte er sich neben Yamaki und seufzte leise.

Er wollte endlich wissen, wer hinter alle dem steckte. Er wollte zumindest auf diese Frage endlich eine Antwort haben. Allerdings war ihm klar, dass er wohl oder übel auf die Ärzte hören musste. Immerhin konnten sie das Mädchen auch kaum ausfragen, wenn sie noch gar nicht wirklich bei Bewusstsein war.

Trotzdem krampften sich seine Eingeweide zusammen. Er spürte immer stärker die Wut auf den Täter – wer auch immer es war. Wie konnte man seinen Partner als Waffe verwenden?

Dann glitt sein Blick zu Yamaki hinüber, der seine Sonnenbrille wie so oft trug. Allerdings konnte Shoji von der Seite hinter die Brille schauen und sah so, dass dem Mann offenbar fast die Augen zufielen.

„Sie sehen müde aus“, meinte er, vorrangig um nicht einfach nur schweigend herum zu sitzen.

Daraufhin zuckte Yamaki nur mit den Schultern. „Ja. Mag sein.“ Er seufzte leise. „Es gibt im Moment viel zu tun.“

Kurz zögerte Shoji, nicht sicher, ob die Frage, die er stellen wollte, nicht etwas zu dreist war. „Warum nehmen Sie sich nicht einfach frei?“

„Weil es nicht geht“, grummelte der Mann und schien dabei sehr ungehalten.

„Sie könnten es doch zumindest für einen Tag Takato und Ryou überlassen.“

„Akiyama?“ Yamaki klang schockiert. „Nein, sicher nicht.“ Er schüttelte den Kopf. „Außerdem bin ich derjenige, der für all das hier am Ende doch die Verantwortung trägt.“

Shoji antwortete nicht, sich dessen bewusst, dass jede weitere Frage zu viel sei.
 

Hektisch sah Takumi sich um. Er spürte sein Herz angstvoll in seiner Brust hämmern. Ein weiterer Tamer, ein Turnierteilnehmer war in der Nähe. Was sollte er tun?

Sie waren zwischen anderen Menschen. Hier würde der andere Tamer keinen Kampf anfangen. Immerhin würden sie dadurch die Aufmerksamkeit Hypnos' auf sich ziehen. Doch konnte er sich dessen sicher sein?

Seine Gedanken überschlugen sich praktisch, während er versuchte sich zu entscheiden, ob er weglaufen oder hier bleiben konnte.

„Takumi!“, rief Kotemon aus und riss ihn so aus seinen Gedanken.

Er holte tief Luft. „Ich will nicht kämpfen, Kotemon“, sagte er dann und sah auf. „Ich will nicht mehr kämpfen. Nicht gegen andere Tamer. Ich will dich nicht verlieren.“

„Dann lass uns hier verschwinden“, erwiderte sein Partner. „Lass mich digitieren.“

Für einen Moment war Takumi unschlüssig, nickte dann aber. Er holte eine Karte hervor. „Card Slash! Shou Shinka – PlugIn S!“

Einige der umstehenden Leute waren stehen geblieben und sahen ihn überrascht, als sein Digivice aufleuchtete und auch Kotemon in einem Lichtkegel verschwand.

„Kotemon – Shinka! Dinohumon!“

Das humanoide Reptiliendigimon packte Takumi mit seiner Pranke um die Hüfte und hob den Jungen auf seine Schultern, wo dieser eine weitere Karte durch sein Digivice zog. „High Speed – PlugIn B!“

„Halt dich gut fest, Takumi“, knurrte Dinohumon, ehe es mit einem Mal lossprintete. Ungeachtet der teilweise überraschten, teilweise verängstigten Blicke, die ihnen zugeworfen wurden, rannte es über den anliegenden Parkplatz und dann die Straße Richtung Südosten entlang. Problemlos überquerte das Digimon den Bayshore Expressway mit zwei großen Sprüngen, wobei sich Takumi an seinem Kopf festklammern musste, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren und von den breiten Schultern herunter zu fallen.

Auf der anderen Seite der breiten Straße zogen sich mehrere Hektar große Parkplätze, die teilweise zu den Freizeitanlagen, aber auch zu den am Hafen von Odaiba gelegenen Firmen gehörten. Viele von diesen waren komplett zugeparkt, so dass das Digimon aufpassen musste, keins der Fahrzeuge zu beschädigen, auch wenn es allein durch seine Geschwindigkeit, die Alarmanlagen einiger auslöste.

Nun näherten sie sich den Containerparks des Hafens, doch gerade als Dinohumon auf eine der großen metallenen Boxen sprang, hörten sie ein markerschütterndes Kreischen.

Für einen Moment blieb Dinohumon stehen und sah sich um. Doch noch bevor es seinen Gegner sah, erklang das Kreischen erneut und auf einmal wurde der Container eingedellt, als würde sich eine unsichtbare riesige Hand um ihn schließen und ihn zerknüllen wollen.

Dinohumon verlor das Gleichgewicht und fiel, wobei es nach Takumi griff, damit dieser nicht von seinen Schultern fiel. Es schaffte es auf beiden Beinen zu landen und sah – nun zwischen zwei Reihen von Containern – in die Höhe.

„Sei vorsichtig, Takumi“, knurrte es und ließ den Jungen zu Boden gleiten. Dann zog es seine Schwerter und sah angespannt die schmale Gasse entlang.

Instinktiv drückte sich Takumi gegen die gewellte Blechwand zur einen Seite und folgte dem Blick seines Partners. Er sah nichts. Nicht einmal Menschen, die hier arbeiteten.

Doch dann, wie aus dem Nichts, kam ein türkisgrauer Schatten – zumindest wirkte es auf ihn so – zugerast und traf Dinohumon. Ohne Vorwarnung verlor das Digimon den Boden unter den Füßen und wurde empor gehoben.

„Dinohumon!“, rief Takumi aus, unsicher was er tun sollte.

Da erschien ein Hologramm über dem Bildschirm seines Digivices.

„Diatrymon“, las er den Namen des Digimon, das offenbar ihr Gegner war. War das das Digimon eines weiteren Tamers?

Darüber konnte er jetzt nicht nachdenken, ermahnte er sich. Nicht, wenn er seinen Partner beschützen würde.

Er holte seine Karten aus der Ledertasche am Bund seiner Hose. „Card Slash! Alias!“

Dinohumon, vorher noch in den Krallen des gegnerischen Digimon gefangen, verschwand mit einem Flackern und tauchte einen Moment später auf einem Container wieder auf.

Doch noch bevor das urzeitliche Vogeldigimon bemerkt hatte, dass es seinen Gegner verloren hatte, schossen violette Pfeile, die sich als Stacheln herausstellten, vom Himmel hinab und durchbohrten das Blech zu Füßen Dinohumons.

Dieses sprang zur Seite und sah zum Himmel hinauf, während auch Takumi den Himmel nun nach ihrem anderen Gegner absuchte.

Dort, nicht weit von ihnen entfernt, schwebte ein Flymon einige Meter über Dinohumon. Auf dem Rücken des Insektendigimons konnte Takumi außerdem eine Gestalt erkennen. Einen Tamer.

Doch wenn das Flymon zu einem Tamer gehörte, was war dann mit dem Diatrymon?

Dieses hatte in der Luft gewendet und stieß erneut sein Kreischen aus, das dieses Mal gegen das Flymon gerichtet war.

Gerade noch konnte das große Insekt ausweichen und schwebte nun tief genug, als dass der Tamer auf seinen Rücken unbeschadet auf einen Container springen und von dort aus auf den Boden klettern konnte.

Auch wenn das Mädchen nun etwas vom ihm entfernt stand, konnte Takumi es besser erkennen. Es schien jünger zu sein als er selbst und hatte blond gefärbte und zu zwei Zöpfen gebundene Haare. Tatsächlich sah es ihn nicht an, sondern hob sein Digivice und zog eine Karte hindurch.

„Card Slash! Offense – PlugIn A!“

Und während Dinohumon noch angespannt zu Diatrymon sah, flog Flymon auf dieses zu.
 

Schweigend liefen die Zwillinge nebeneinander her. Makoto war sich nicht ganz sicher, ob es überhaupt einen Sinn hatte, so ziellos in der Gegend herum zu laufen, doch hatte er keine Lust mit seiner Schwester zu streiten. So folgte er ihr und Impmon einfach, die Hände in seinen Taschen vergraben, während sie eine Straße in Chiyoda entlang gingen.

Die Stimmung zwischen ihnen war angespannt, aber auch irgendwie ratlos, da sie nicht wirklich wussten, wie sie miteinander umgehen sollten.

Letzten Endes, als er das Schweigen nicht mehr ertrug, holte Makoto schließlich Luft. „Was machen wir überhaupt?“

Ai, die während des Laufens mit dem Digivice in ihrer Hand gespielt hatte, sah auf. „Wir warten, dass wir einen anderen Turnierteilnehmer finden.“

„Und dann?“, fragte ihr Bruder.

„Dann kämpfen wir gegen sie, Dummie“, meinte sie und sah ihn etwas ungehalten an.

Doch Makoto ließ nicht lockern. „Und dann? Was machst du mit ihren Partnern?“

Das Mädchen zuckte mit den Schultern. „Sie haben keine Chance gegen Beelzebumon. Sobald die Partner nicht mehr weiterkämpfen können, lass ich sie.“

„Aber das ändert doch nichts...“, murmelte Makoto leise und blieb stehen.

Auch Impmon hielt nun an und sah zu dem Jungen, wobei sich eine große Unsicherheit auf seinem Gesicht breit machte.

„Es ändert mehr, als wenn wir nichts tun“, antwortete Ai, die nun ebenfalls stehen blieb, ihn jedoch nicht ansah.

Makoto seufzte. Er hatte mit einer solchen Antwort gerechnet und überlegte, wie er es ihr erklären wollte. Wie konnte er ihr das beibringen, das sie gar nicht verstehen wollte? Sie, Ai, die immer mit dem Kopf durch die Wand ging.

„Was?“, fragte sie energisch, als er nichts mehr sagte.

Noch immer überlegte er, wie er es ihr sagen sollte, doch bevor er dazu kam, ihr etwas zu antworten, keuchte Impmon auf und knickte für einen Moment zusammen.

„Impmon?“, riefen die beiden wie aus einem Munde aus und sahen besorgt zu ihrem Partner.

Dieser schaute nun mit dunkler Miene in die Richtung, in der unter anderem die Bucht lag, und knurrte. „Es ist hier...“ Dann richtete es sich wieder auf. Es wurde von Licht umgeben. „Impmon – Shinka! Beelzebumon!“

Das Dämonendigimon sah weiterhin in dieselbe Richtung wie als Impmon zuvor. Dann legte es seine Krallen um die Taillen seiner beiden Partner und hob diese hoch. „Wir müssen gehen.“
 

In der Luft feuerte Flymon mehrere Stachel auf seinen Gegner ab, doch dieser stieß ein neues Kreischen aus, das die Geschosse in der Luft pulverisierte.

„Unmöglich!“, rief das Mädchen aus.

Takumi sah mit zusammengekniffenen Augen zu dem Digimon hinauf. Irgendetwas an diesem Diatrymon kam ihm seltsam vor. Doch er konnte nicht genau sagen was. Vielleicht war es auch nur ein unwohles Gefühl in seinem Bauch, vielleicht hatte es gar keinen richtigen Grund, aber er konnte es einfach nicht verdrängen.

Nun ging das Diatrymon, das seine Aufmerksamkeit ganz dem Insektendigimon zugewandt hatte, in den direkten Angriff über. Es beschleunigte seinen Flug und tackelte seinen Gegner mehrmals in der Luft.

„Flymon!“, rief das Mädchen und holte eine weitere Karte hervor. „Card Slash! Chaotic Wave!“

Ihr Partner griff seinen Gegner nun mit dessen eigener Waffe an. Es erzeugte einen Ton, so durchdringend, dass sich Takumi die Ohren zuhalten musste. Die Schallwellen dellten weitere Countainer ein und ließen Diatrymon beinahe abstürzen.

Daraufhin flog Flymon hinter dem anderen Digimon her, wobei ein violetter Staub von seinen Flügel zu rieseln begann.

„Du darfst den Staub nicht einatmen!“, warnte Takumi, der es als Poison Powder erkannte, seinen eigenen Partner, der sich sofort bemühte, nicht mehr unter der Flugbahn des Insektendigimons zu stehen.

Diatrymon war im nächsten Augenblick von einer ganzen Wolke des giftigen Puders umgeben und schien nun endgültig zu landen. Sein Körper verkrampfte sich und begann zu zittern.Doch dann leuchteten seine Augen auf einmal violett auf. Es schlug heftig mit seinen Flügeln und schien beinahe von einer Art kaum sichtbarer Aura umgeben zu sein, während es sich von dem Gift befreite.

Da wusste Takumi auf einmal, woher sein seltsames Gefühl kam. Dieses Diatrymon erschien ihm farblich nicht ganz richtig. Natürlich gab es immer wieder Digimon, die sich farblich leicht von ihren Artgenossen unterschieden, doch wirkte dieses Exemplar, als hätte man dem Türkis seiner Schuppen und dem Orange seiner Federn die Sättigung entzogen. Es war nicht ganz grau, doch fehlte dahin nicht mehr fiel. Und so erinnerte es ihn eindeutig an das verrückte Magnamon, das sie am Sonntag angegriffen hatte.

„Pass auf!“, rief er dem Mädchen zu. „Dieses Digimon ist gefährlich!“

Nun sah sie ihn ungehalten an. „Ach, wirklich?“, erwiderte sie offenbar wütend. Schon hob sie eine weitere Karte, doch in dem Moment tackelte Diatrymon ihren Partner erneut, woraufhin dieser zwischen zwei anderen Containerreihen zu Boden ging und damit aus ihrem Blickfeld verschwand.

„Dinohumon!“ Takumi sah zu seinem Partner, während das Urzeitdigimon einen Sturzflug dorthin, wo Flymon wahrscheinlich lag, vollführte. Dieser nickte und sprang los, während der Junge nun selbst eine weitere Karte hervorholte. „Card Slash! Aero Wings!“

Violette Drachenflügel materialisierten sich auf Dinohumons Rücken, als dieses sich in der Luft befand. Er folgte dem Diatrymon und zog es einen Moment später wieder in ihr Blickfeld.

Dinohumon hatte seine kräftigen Arme um die Flügel des anderen Digimon gelegt und zog es so in die Höhe, wobei es allerdings offenbar Schwierigkeiten hatte, die Oberhand zu behalten. Von Flymon war jedoch erst einmal nichts zu sehen und Takumi fragte sich, ob es besiegt worden war.

Darüber konnte er sich im Moment jedoch keine Gedanken machen.

Diatrymon wand sich immer mehr in dem Griff seines Partners und schaffte es schließlich diesen abzuwerfen und auf einen der Countainer zu schmeißen, wo die Aerowings in Datenpartikel zersprangen.

Erneutes Kreischen zerriss die Luft und traf dieses Mal Dinohumon, das einzig schützend die Arme vor seinen Kopf heben konnte.

Auf einmal war Flymon wieder da, auch wenn seine rechten Flügel etwas eingeknickt wirkten. Es schoss zwei weitere Stachel auf Diatrymon ab, von denen einer das Digimon genau zwischen den Flügeln traf, wo er stecken blieb.

Doch noch immer zeigte das Urzeitdigimon kein Anzeichen von Schwäche und wirbelte herum, um nun wieder Flymon zu attackieren.

Bevor es dazu kam, war Dinohumon jedoch erneut auf die Beine gekommen und setzte nun zum Sprung an. Es nahm das breite Schwert von seinem Rücken. „Akinakes!“ Mit diesem Ausruf ließ er die Klinge auf Diatrymon herunterschnellen und durchtrennte dessen Körper in der Mitte.

Ein letztes, jedoch harmloses Kreischen erklang, ehe sich das Digimon in eine Explosion von violetten Datenpartikeln auflöste, die in der Luft hängen blieben.

„Seid vorsichtig!“, erklang auf einmal eine fremde Stimme und erneut fuhr Takumi herum, nur um zu sehen wie Beelzebumon mit seinen beiden Tamern auf einem Container landete. „Ihr dürft diese Daten nicht absorbieren!“, warnte es sie.

Doch das Mädchen, beziehungsweise ihr Flymon hörte nicht. Es flog in die Wolke der violetten Partikel, die im nächsten Moment auf seinen Körper einströmten, ohne sich – wie es bei normalen Daten der Fall war – blau zu verfärben.

Im nächsten Moment ließ es einen gequälten Aufschrei erklingen.

„Flymon!“, rief das blonde Mädchen aus, doch ihre Stimme schien nicht zu ihrem Partner vorzudringen, dessen Kopfstreifen nun hell violett aufleuchteten.

„Verdammt“, knurrte Beelzebumon und setzte seine Partner auf den Boden ab, ehe es seine Waffen zog.
 

„Was ist los?“, fragte Takato, als er den Krankenhausflur entlang kam, und dort Yamaki und Shoji sitzen sah.

„Wir dürfen noch nicht rein“, erklärte Shoji kurz.

Der junge Mann ließ ein Seufzen hören und sah auf die Tür, wobei er nicht weniger ungeduldig aussah, als die anderen beiden. Doch wie gerufen wurde die Tür auf einmal von innen geöffnet und ein Doktor kam heraus.

„Sie ist jetzt wach“, sagte der Arzt, dessen Haare schon leicht ergraut waren und auf dessen Nase eine recht große eckige Brille saß. Er sah Takato. „Wir haben uns noch nicht gesehen, oder?“, meinte er. „Mein Name ist Hayate.“

Daraufhin verbeugte sich Takato leicht. „Sehr erfreut. Mein Name ist Matsuda Takato.“

Der Arzt nickte. „Ja, das habe ich mir schon gedacht.“ Mit einer Bewegung bedeutete er Yamaki und Shoji aufzustehen. „Sie ist noch sehr schwach. Ich muss sie daher bitten Rücksicht zu nehmen. Es wäre mir lieber, wenn nur zwei von ihnen hineingehen.“

Shoji seufzte und machte Anstalten sich wieder zu setzen, doch Yamaki packte ihn an der Schulter.

„Geh du“, meinte er ruhig, wobei seine Stimme jedoch sehr müde klang.

Offenbar verunsichert sah der Junge ihn an, doch als auch Takato ihm zunickte, ging er zu dem Arzt hernüber und sah mit angespanntem Blick auf die Tür.

„Ich kann ihnen nicht mehr als ein paar Minuten mit meiner Patientin geben“, warnte Doktor Hayate sie nun und öffnete dann, auf ein Nicken der beiden hin, die Tür.

Im komplett weiß gestrichenen Krankenzimmer stand nur ein Bett, bei dem zu beiden Seiten verschiedene Geräte standen. Takato erkannte ein EKG, eine Beatmungsmaschine und ein Gerät, in dem verschiedene Spritzen befestigt waren, die wahrscheinlich mit Antibiotika und Schmerzmittel befüllt und mit ihrem Tropf verbunden waren. Er vermutete, dass dieses Gerät die Medikamente dosierte.

Das Mädchen, dessen Haar noch unter einer Papierkappe verborgen war, lag bewegungslos im Bett. Eine durchsichtige Atemmaske bedeckte Mund und Nase und war an ihren Ohren befestigt. Ihre nur halb geöffneten Augen verrieten, dass sie sich offenbar in einer Art Dämmerzustand zu befinden schien.

Da sie ein Krankenhaushemd trug und bis zur Brust zugedeckt war, konnten sie ihre Verbände nicht sehen.

„Hier sind zwei junge Männer, die Ihnen gerne ein paar Fragen stellen wollen, Fujino-san“, kündigte der Arzt sie an.

Die Augen des Mädchens bewegten sich. „Wo sind meine Eltern?“, fragte sie mit leiser Stimme.

„Sie können noch nicht zu Ihnen“, sagte Doktor Hayate sanft. „Aber wir haben sie benachrichtigt.“

Fujino Naoko schwieg und sah an die Decke, bis Takato und Shoji an ihr Bett traten.

„Fujino-san?“, fragte Takato leise.

Nun bewegte sie den Kopf ein wenig in ihre Richtung und musterte sie mit nebeligem Blick. „Wer sind Sie?“, brachte sie schließlich leise hervor.

„Mein Name ist Matsuda Takato und das hier ist Makuta Shoji“, erwiderte Takato sanft. „Wir arbeiten für die Regierung. Sie haben sicher schon von Hypnos gehört.“

Kaum merklich nickte sie.

Der junge Mann fühlte sich aufgrund des schwachen Zustands des Mädchens schlecht und ein Blick zu Shoji, verriet ihm, dass es diesem nicht anders ging. Doch sie mussten es wissen. „Es tut mir leid, dass wir Sie damit belästigen“, sagte er, „aber wir müssen Ihnen ein paar Fragen stellen.“ Für einen Moment machte er eine Pause. „Stimmt es, dass Sie von einem Digimon angegriffen wurden?“

Naoko antwortete nicht sofort, als würde ihr Gehirn etwas brauchen, seine Worte zu verarbeiten. „Ja“, hauchte sie dann.

„Wissen Sie, was es für ein Digimon war?“

Daraufhin schüttelte das Mädchen – erneut kaum merklich – den Kopf.

Nun holte Takato tief Luft. „Das Digimon... Gehörte es einem Tamer? War ein Mensch bei ihm?“

Fujino Naoko schwieg für einige Sekunden, die sich wie Stunden zu ziehen schienen. Dann nickte sie erneut. „Ja. Da war jemand.“

Die beiden Jungen wechselten Blicke.

„Kannten Sie ihn?“, fragte Shoji nun und die Anspannung stand ihm dabei ins Gesicht geschrieben.

Dieses Mal kam das Nicken schneller.

Shoji schluckte. „Wer ist er?“

Das Mädchen schien seine Kräfte zu sammeln, ehe sie antwortete. „Nagashima Kaoru.“
 


 

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Anmerkungen und Erklärungen:

Aqua City Park: Eigentlich das einzige Stück von Odaiba, das tatsächlich in Minato liegt (auch wenn Odaiba trotzdem von den meisten immer als Teil von Minato angesehen wird, obwohl rein offiziell große Teile eigentlich in den Verwaltungsbereich von Chou fallen). Gehört zum Aqua City Einkaufszentrum und ist eine die größte Grünfläche auf der Halbinsel.

Diatrymon: Ein Vogeldigimon auf dem Adultlevel. In den V-Pets war es die ursprüngliche Evolution von Falcomon, ehe Peckmon eingeführt wurde. Es ist vom Typus Serum.

Flymon: Ein Insektendigimon auf dem Adultlevel. Sein Typus ist Virus. Es sollte den meisten durch seine Auftritte in Adventure, Zero Two und Savers wohl bekannt sein.
 

So, damit ist auch die zehnte Episode vorbei. Eventuell kommt die nächste Folge bereits nächste Woche, da ich momentan recht schnell im Schreiben bin (und eigentlich DBG auch als NaNoWriMo Projekt behandele, auch wenn ich wahrscheinlich keine 50 000 Wörter gesamt schaffe - mal sehen). Ansonsten in zwei Wochen ;)

Wie immer ist Feedback sehr willkommen, in diesem Kapitel nicht zuletzt dazu, dass nun mehrere Handlungsstränge zusammen laufen.

Und hat noch jemand Mitleid mit Yamaki? :(
 

Ansonsten wollte ich übrigens auf meine One-Shot Sammlung Digimon Memorials aufmerksam machen, an der ich nebenbei im Moment ebenfalls weiter arbeite :D

Hier der Link: http://animexx.onlinewelten.com/fanfiction/230209/
 

Nun, bis in ein oder zwei Wochen. Ich hoffe dieses Kapitel hat euch gefallen *wink*

Episode 11: Atemlos

*seufz* Ich bin ein wenig traurig, dass es beim letzten Kapitel so wenig Feedback gab. Ich weiß, viele von euch haben mit Arbeit oder Uni viel zu tun, aber trotzdem ist es für mich natürlich sehr demotivierend, gerade bei den Kapiteln, wo ich eigentlich den Eindruck habe, dass es viel dazu zu sagen gäbe...

Wie dem auch sei. Das nächste Finalkapitel...
 


 

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Episode 11: Atemlos
 

Sie haben immer auf mich hinab gesehen. Sie haben mich ausgelacht, beschimpft und meine Sachen zerrissen oder mich einfach ignoriert. Niemand wollte es sehen. Alle sind sie feige. Alle Menschen. Feige und egoistisch. Und immer nur die, die sich nicht wehren können... Doch das ist jetzt für mich vorbei. Endgültig vorbei. Ich bin ein Tamer. Ich bin nicht mehr schwach. Jetzt... Jetzt bin ich stark genug um mich an ihnen zu rächen.
 

               - Nagashima Kaoru
 

Von einer bösen Vorahnung beherrscht betrachteten Takumi, Makoto und Ai, wie Flymon die violetten Daten des besiegten Diatrymon absorbierte. Anders, als es bei normalen Daten der Fall war, veränderten diese nicht ihre Farbe, während das große Insekt sie lud. Dann, als es alle Daten in sich aufgenommen hatte, begann Flymon sich auf einmal zu winden und gab etwas von sich, was bei einem anderen Digimon wohl ein gequälter Schrei gewesen wäre.

Dann gaben die schwarzen Streifen auf seinen Kopf, auf einmal ein violettes Leuchten von sich.

Das blonde Mädchen, dem nun wohl klar wurde, dass etwas nicht stimmte, schrie auf. „Flymon!“ Doch es schien, als würde seine Stimme das Digimon nicht erreichen.

Nun setzte Beelzebumon, das seine Partner bisher getragen hatte, diese auf dem Boden ab und zog seine Waffen. „Verdammt“, knurrte es und machte sich kampfbereit, während auch Dinohumon angespannt zu Flymon sah.

Dieses hatte nun aufgehört sich zu winden und sah – sofern man dies bei einem Wesen ohne Augen sagen konnte – zu ihnen hinüber. Dann wandte es sich ab und flog davon.

„Flymon!“, kreischte das Mädchen. „Flymon!“

Ihr Digimon reagierte nicht im geringsten, sondern entfernte sich nur immer weiter.

Nun erschienen Flügel auf Beelzebumons Rücken, als es in den Blast Mode wechselte, und es breitete diese aus, um sich in die Luft zu erheben und dem anderen Digimon zu folgen, ehe eine Stimme ihm Einhalt gebot.

„Warte!“

Die beiden Digimon und die drei anderen Jugendlichen sahen zu Takumi, der offenbar von sich selbst überrascht war.

Er schluckte, als er bemerkte, dass alle Augen auf ihn gerichtet waren, und sah dann zu dem Mädchen, in dessen Augen Tränen standen. „Was... Was hast du vor?“, fragte er dann Beelzebumon und sah es an.

„Das Digimon aufhalten, ehe es zu einer Gefahr wird“, erwiderte das Ultimatedigimon kurz angebunden.

„Wirst du es töten?“, fragte Takumi daraufhin mit zittriger Stimme.

„Seit wann interessierst du dich für anderer Leute Partner“, meinte Ai, wobei ihre Worte einen durchaus zynischen Unterton mit sich trugen. Doch Makoto hielt sie zurück, ehe sie mehr sagen konnte.

Er legte ihr die Hand auf die Schulter und sah sie an. „Das ist jetzt nicht der richtige Moment.“

Das Mädchen schnaubte, schwieg aber.

Wieder wanderte Takumis Blick zu dem Mädchen mit den hellen Haaren, in dessen Augen Tränen standen. „Können wir nicht irgendwie versuchen...“ Er brach ab. „Wenn wir es soweit schwächen, dass es Daten verliert und zurückdigitieren muss, verliert es vielleicht auch...“ Da er nicht wusste, was es war, das die Digimon so veränderte, suchte er nach den richtigen Worten. „Vielleicht verliert es dann auch den Virus“, meinte er dann.

Für einen kurzen Augenblick schwiegen die Zwillinge und sahen ihn an. Dann jedoch knurrte Beelzebumon.

„Ich kann es versuchen, aber nichts versprechen“, meinte es, breitete seine Flügel erneut aus und stieß sich nun vom Boden ab.

„Hilf ihm!“, rief Takumi seinem Partner zu und holte eine Karte hervor, die er schon kurz vorher verwendet hatte. „Card Slash! Aero Wing!“ Wieder materialisierten sich Flügel auf Dinohumons Rücken, woraufhin es Beelzebumon folgte.

Dann blieben die vier Jugendlichen schweigend zwischen den Containern stehen, dorthin sehend, wo die beiden Digimon verschwunden waren.

Schließlich griff Takumi nach der Hand des Mädchens. „Komm, hinterher!“, rief er und lief in die Richtung, wo er den Ausgang aus dem Countainerpark vermutete. Er wusste nicht wirklich was er tat und warum er auf einmal so handelte, doch er wusste, dass er nicht noch einen Partner sterben sehen wollte.
 

Die beiden Einsatzwagen blieben vor einem kleinen Einfamilienhaus am nördlichen Rande von Chou stehen.

Beide Jungen, Takato und Shoji, spürten die Anspannung, die sich in ihnen aufbaute, als sie in Begleitung ihrer Partner, zwei Polizisten und Yamaki zur Haustür gingen. An der Türklingel stand auf einem Schild der Name Nagashima, mit den Zeichen für „Länge“ und „Insel“ geschrieben.

Sie wussten mittlerweile, dass der Junge – Nagashima Kaoru – hier mit seinen Eltern wohnte. Er ging in die zweite Klasse der örtlichen Mittelschule, auf die er letztes Jahr gewechselt war. Sämtliche der Opfer hatten mit ihm zusammen die Mittelschule besucht, doch das hatte niemand realisiert.

Es war Yamaki, der klingelte.

Für etwa eine halbe Minute geschah nichts, ehe die Tür vorsichtig geöffnet wurde.

Eine Frau mittleren Alters, deren langes, braunes Haar hinter ihrem Kopf von einer Spange zusammen gehalten wurde, sah sie an. Sie wirkte erschrocken und brauchte etwas um sich zu sammeln.

„Kann ich etwas für Sie tun?“, fragte sie schließlich heiser.

Shoji, der zusammen mit Takato hinter den Polizisten stand und sich zurückhielt, merkte, dass es Yamaki nicht leicht fiel zu antworten. Er nahm seine Sonnenbrille ab.

„Sind Sie Nagashima Haruka?“

Die Frau nickte nur. „Ja, die bin ich“, stammelte sie dann.

Yamaki holte tief Luft. „Wir wollen mit Ihrem Sohn, Nagashima Kaoru, sprechen. Ist er da?“

Nun versteinerte sich die Miene der Frau. Sie schien nicht zu wissen was vor sich ging, doch sie hatte Angst. „Kaoru? Was ist mit Kaoru?“ Ihr Blick wanderte über die beiden Polizisten, die die Hand an ihren Waffen hatten und dann wieder zu Yamaki. „Hat er etwas getan?“

Diese Frage wäre wohl für niemanden leicht zu beantworten gewesen. Shoji stellte sich vor, wie seine Mutter reagieren würde. So etwas musste wohl für jede Mutter ein Schock sein.

„Ihr Sohn wird verdächtigt drei Morde begangen zu haben“, antwortete Yamaki schließlich. „Und gestern einen weiteren Mord versucht zu haben.“

Die Frau starrte ihn an, als hätte er einen schlechten Scherz gemacht. Ihr Blick wanderte zu den beiden Polizisten, zu Shoji und Takato und dann wieder zu Yamaki, der nicht im geringsten so aussah, als würde er scherzen.

„Aber das... Das kann nicht sein...“, setzte sie an.

„Wo ist Kaoru jetzt?“, fragte Yamaki mit Nachdruck.

Tränen traten in die Augen der Frau. „Er... Er ist nicht da...“, brachte sie hervor. „Er sagte... Er sagte er wollte Freunde besuchen gehen...“

Shoji und Takato sahen sich an. Sie hatten denselben Gedanken.
 

Dinohumon folgte Beelzebumon. Sie konnte das Flymon nicht weit von sich entfernt erkennen und von dem was es erahnen konnte, flog es auf in die Richtung des Freizeitparks.

Wahrscheinlich, weil dort andere Digimon waren, schoss es Dinohumon durch den Kopf. Denn Flymon, was auch immer es antrieb, wollte nicht gegen das wesentlich stärkere Beelzebumon kämpfen.

Oder versuchten Digimon, die mit diesem Virus infiziert waren, tatsächlich Menschen zu attackieren? Doch dies machte keinen Sinn. Immerhin hatte Diatrymon sie in einer Gegend angegriffen, in der sich weniger Menschen aufhielten.

Beelzebumon richtete nun seine Waffe auf Flymon und schoss, offenbar mit dem Ziel es zum Abstürzen zu bringen. Doch das Insektendigimon wich den Attacken aus.

Das Ultimate knurrte leise und beschleunigte seinen Flug dann merklich. Es nutze seinen Vorteil durch das Level und schaffte es problemlos ihren vermeintlichen Gegner zu überholen.

Mit einem Tritt schleuderte es das Insektendigimon gen Boden, wo es auf der Promenade nahe einer der Anlegestellen für den Hafenrundfahrt aufschlug und Risse im Beton hinterließ.

Schnell rappelte sich Flymon wieder auf, begann sich dann aber wieder zu winden.

Vorsichtig bewegte sich Beelzebumon auf das Digimon zu, als dieses auf einmal von einem violetten Licht umgeben war. Noch bevor Dinohumon auf der Promenade, wo einige Menschen – unter anderem Touristen – zurückwichen, gelandet war, hatte sich die Gestalt des Flymons verändert.

Sein Körper war nun aus einem silbernen Metall geformt, aus dem violette Stacheln hervorbrachen. Auch die Insektenaugen, die nun seinen verhältnismäßig kleinen Kopf zierten, waren von einem hellen Violett. Ein Waspmon.

„Es ist digitiert?“, murmelte Dinohumon. Normal galt Waspmon als Adult-Digimon, doch das hieß nicht, dass es keine Perfect-Unterspezien geben konnte.

Das Digimon, nun nicht mehr auf seine Flügel angewiesen, sondern von seltsamen Metallapparaturen an seinem Rücken getragen, erhob sich wieder in die Luft.

„Vorsicht!“, rief Beelzebumon aus, als sich eine Lichtkugel an Waspmons Metallstachel bildete, aus dem einen Moment später ein Laserstrahl hervorschoss und ein tiefes Loch in die Promenade riss.

Die Menschen, die zuvor nur zurückgewichen waren, rannten nun schreiend und in Panik davon.
 

Der Junge stand in den Schatten der Bäume. Er war mager und blass. Das Haar, das unter der Kapuze seines Sweatshirts zu sehen war, wirkte lang und ungezähmt. Für einen so warmen Frühlingstag schien er äußerst warm bekleidet, doch weder er, noch das etwa ein Meter große Digimon, das neben ihm stand, wurde von irgendjemanden der vielen Menschen beachtet.

Seine dunklen Augen waren zu Schlitzen verengt, während er eine Gruppe Jungen beobachtete, die wie er etwa sechzehn oder siebzehn zu sein schienen und auf einer über dem Gras ausgebreiteten Decke saßen. Sie hatten einige Snacks und Getränke dabei, so wie ein Fußball, selbst wenn man auf den überfüllten Wiesen des Aqua City Parks kaum spielen konnte.

Bisher war er vorsichtiger gewesen und hatte nie jemanden angegriffen, während andere Leute zusahen. Doch genau deswegen war er nun gezwungen zu handeln.

Wieso hatte er sich nur zurückgezogen? Selbst wenn jemand Garurumon dabei gesehen hätte, wie es Naoko tötete: Was für einen Unterschied hätte es gemacht? Sie hätten ein Black Garurumon einen Menschen töten sehen, doch da er nicht registriert war, hätten sie nicht viel mehr als vorher gewusst. Und es gab mehr als ein Black Garurumon und nachzuweisen, dass es ausgerechnet das Digimon war, das nun als schwarzes Gabumon neben ihm stand, wäre schwer gewesen.

Doch Naoko lebte und er wusste, dass sie ihn gesehen und erkannt hatte. Früher oder später würden sie vor seiner Haustür stehen, wenn sie es nicht schon taten...

Aber letzten Endes machte es keinen Unterschied. Junji und Shigeru waren hier. Und wenn sie starben, hatte er zumindest diejenigen bestraft, die mit all dem angefangen hatten. Sicher, auch seine anderen Klassenkameraden aus der zweiten Klasse der Mittelstufe hätten eine Bestrafung verdient, doch niemand so wie diese.

Zwar war es damals auch Fumi gewesen, doch er hatte nicht herausfinden können, wo sie nun lebte. Vielleicht war sie in eine andere Stadt gezogen.

Ja, selbst wenn er nicht mehr würde weitermachen können, wäre es egal, so lang nur diese beiden noch starben.

Er hatte seinen Schluss ohnehin schon lange gefasst.

In der Bauchtasche seines Shirts hielt er sein Digivice fest umklammert, während er auf die Gruppe der Jungen zuging. Diese bemerkten ihn nicht einmal, bis er direkt neben ihnen stand.

Sie sahen ihn an. Drei von ihnen waren ihm vollkommen unbekannt und gingen wahrscheinlich mit Junji und Shigeru nur auf dieselbe Oberschule.

Die beiden erkannten ihn.

„Hey, ist das nicht Naga-naga?“, meinte Junji, der sein kurzes Haar zu Stacheln zurechtgegelt hatte, und grinste auf einmal breit.

Einer der anderen Jungen, ein schlaksiger Typ mit hellbraunem Haar und gebräunter Haut, sah ihn verwirrt an. „Wer ist das?“

„Ach, nur ein Loser von unserer Mittelschule“, meinte Shigeru. „Nicht, Naga?“

Doch Kaoru sah sie ungerührt an. „Ich bin froh“, sagte er sehr langsam und deutlich, „dass ihr euch noch an mich erinnert.“

„So einen Loser wie dich vergisst man auch nicht so schnell“, lachte Junji und stand auf.

In dem Moment leuchtete Black Gabumon, dass die Jungen bisher nicht beachtet hatten, auf und wuchs zu einem Monstrum, mit einer Schulterhöhe von beinahe zwei Metern an. „Gabumon – Shinka! Garurumon!“

Das schwarze Garurumon zögerte nicht. Dieses Mal waren sie nicht gekommen um zu Jagen.

Stattdessen schnappte es direkt nach dem Jungen, der nicht einmal zu verstehen schien, was geschah. Dann lief auch schon Blut aus dem Maul des Digimon.

Nun auf einmal wurden sie beachtet. Schockierte Blicke starrten sie an. Dann begannen die ersten Menschen zu schreien und zu fliehen. Sie waren so albern.
 

Takumi dachte nicht einmal wirklich darüber nach, was er machte. Er lief einfach, mit der Hand noch immer weiter um den dünnen Arm des Mädchens umfassend. Das einzige, das ihm im Moment durch den Kopf ging, war der Gedanke, zu den kämpfenden Digimon zu gelangen und seinen Partner zu unterstützen. Doch er wusste auch, dass es für dieses Mädchen wichtig wäre, denn immerhin war es ihr Partner.

Egal, ob es nun ihr Fehler war, dass das Digimon die Daten absorbiert hatte, oder nicht. Darüber dachte er im Moment nicht nach. Er kannte die beiden nicht, wusste daher nicht, welche Gründe sie für ihr Handeln hatten, aber darauf kam es im Moment nicht an.

So lief er weiter.

„Was hast du vor?“, hörte er die leicht gereizte Stimme des anderen Mädchens – Ai – neben sich, als dieses ihn überholte.

Auf diese Frage antwortete er nicht. Letzten Endes wusste er es selbst nicht.

Mittlerweile hatten sie das Ende des Containerparks erreicht und für einen Moment verlangsamte er seinen Schritt, um sich umzusehen, da die Digimon nicht mehr am Himmel zu sehen waren.

Doch da schoss in einiger Entfernung eine Gestalt, die nur ein Digimon sein konnte, in die Höhe und sie hörten, was stark nach einer Explosion klang. Es schien ein Stück von ihnen entfernt zu sein – er schätzte zwischen 500 und 700 Meter, auch wenn die Gebäude es schwer machten, die Entfernung genau einzuschätzen. Also lief er wieder los.

Tatsächlich kamen ihnen, als sie in Richtung des eigentlichen Hafenkais hinüberliefen, einige teils aufgeregte, teils panische Menschen entgegen.

Als sie die Promenade, die hinter einem bepflanzten Wall verlief, erreicht hatten, konnten sie nun auch die Digimon sehen, die gegeneinander kämpften.

Es waren Beelzebumon, Dinohumon und etwas, das Takumi als Waspmon erkannte.

Er blieb stehen und die anderen taten es ihm gleich. Das blonde Mädchen schien vollkommen außer Atem zu sein, so als würde sie sich selten so sehr anstrengend, und brauchte etwas, bis die Situation verstand.

Sie waren nun noch gut hundert Meter von den in der Luft kämpfenden Digimon entfernt, doch nah genug, um alles zu erkennen.

„Fly... mon?“, keuchte sie und Takumi bemerkte, das Tränen in ihren Augen standen.

Genau in diesem Moment griff Beelzebumon das Waspmon mit seinen Krallen an, das jedoch mit irrsinniger Geschwindigkeit nach oben auswich. Ohne eine Pause feuerte es von dort einen Laserstrahl ab, der Beelzebumon an der Schulter traf und es Richtung Hafenbecken fallen ließ.

„Beelzebumon!“, rief Ai aus.

Im Sturz breitete das Digimon seine Flügel aus und schaffte es sich so kaum einen Meter von der Wasseroberfläche entfernt abzufangen.

Während es gestürzt war, hatte es Dinohumon geschafft hinter das Waspmon zu kommen, das es offenbar kaum beachtet hatte, da Beelzebumon die eigentliche Gefahr für es war.

Dinohumon hielt erneut Akinakes in der Hand und wollte es offenbar in den Unterleib des Cyborginsekts rammen, auf einmal die Stacheln, von denen kreisförmig sechs Stück auf der Mitte des runden Unterkörpers angebracht waren, losschossen. Einer von ihnen streifte Dinohumon am Oberschenkel und warf es zurück.

„Dinohumon!“, rief auch Takumi aus und lief ohne darüber nachzudenken weiter auf die kämpfenden Digimon zu.

Offenbar erschöpft landete das humanoide Digimon nicht unweit von ihm entfernt.

„Alles in Ordnung?“, fragte der Junge besorgt, als er das kniende Digimon erreichte.

Dieses sah zu Waspmon hinauf, in den Augen eine grimmige Entschlossenheit. „Es geht schon“, meinte er. „Es ist nur sehr stark, dieses Digimon.“

Takumi sah auf sein Digivice, das ihm die Daten des Waspmon anzeigte. „Es ist auf dem Perfectlevel?“, fragte er ungläubig.

„Scheint so“, erwiderte sein Partner. „Ich nehme an, es hat was mit diesen Daten zu tun... Dabei machen diese es ohnehin schon stärker.“

Derweil griff Beelzebumon ihren Gegner erneut an. Seine Klauen waren von einer dunklen Energie umgeben, als es auf seinen Gegner zuflog.

„Card Slash!“, hörte Takumi Ai rufen. „High Speed PlugIn H!“

Das Waspmon war durch diesen Virus – oder was auch immer es war – fraglos schnell geworden, so schnell, dass sogar das Ultimate-Digimon Beelzebumon Unterstützung brauchte, um einen sicheren Treffer zu landen.

Nun bewegte sich das Dämonendigimon bewegte so schnell, dass es für das menschliche Auge kaum zu sehen war. In einem Moment schien es, als würde es von vorn auf das Waspmon zufliegen, ehe es im nächsten hinter diesem erschien und es mit der dunklen Energie an seinen Klauen angriff. „Darkness Claw!“

Eine schwarze Masse schien von den Stellen, wo der Cyborgkörper getroffen wurde, auszugehen und diesen zu umhüllen. Doch gerade als sich ein Grinsen auf Ais Gesicht breitmachen wollte, öffnete Waspmon sein Maul und eine Art Netz schoss aus diesem hervor und umwickelte Beelzebumon gänzlich.

Unfähig, seine Flügel zu bewegen stürzte es erneut und fiel dieses Mal ins Meer.

Nun waren es beide Geschwister, die riefen: „Beelzebumon!“

Doch es dauerte einige Sekunden, bis die Gestalt des Digimons aus dem Wasser hervorbrach und zum Ufer hinüberflog.

Hier blieb es keuchend knien. Noch immer hingen einzelne Stücke des Netzes von seinem Körper hinab. Doch das war nicht das schlimmste. Es schien, als würde Beelzebumons Schulter, dort, wo der Laserstrahl er zuvor getroffen hatte, flackern. Ja, ab und an schien es, als würde die Schulter nur noch aus Pixeln zu bestehen, als wäre sie nur ein schlecht aufgelöstes Bild, und dieser Fehler schien sich langsam den Arm und Körper entlang auszubreiten.

„Es ist sehr stark“, wiederholte Dinohumon nun und kam selbst auf die Beine.

Dabei bemerkte Takumi, das auch das Bein seines Partners dort flackerte, wo es von dem Stachel gestreift wurde.

„Du...“, begann der Junge, doch das Digimon verdeckte die Stelle mit seiner Hand.

„Es geht schon. Ich muss weiter kämpfen.“

Unsicher sah der Junge es an, doch da breitete Dinohumon die ihm durch den Effekt der „Aero Wings“ Karte verliehenen Flügel aus und schoss in die Höhe.

Gerade als Takumi seine anderen Karten aus seiner Tasche zog, hörte er eine leise Stimme hinter sich.

„Du musst es töten...“

Es war das Mädchen, Flymons Partner. Tränen liefen noch immer über sein Gesicht und es hatte sein Digivice in der Hand. Doch es sah ihn an, versuchte offenbar seinem Blick Festigkeit zu geben. „Du musst es töten“, wiederholte es. „Bevor es... Bevor es...“

Takumi schüttelte energisch den Kopf. „Nein“, flüsterte er und wandte seinen Blick wieder Dinohumon zu, das nun auf einer Höhe mit Waspmon war. Eigentlich verstand er sich selbst nicht, aber dennoch kam ihm immer wieder ein Bild in den Kopf. Das Bild, wie das Mädchen im Park zusammengebrochen war, als Dinohumon ihr Owlmon getötet hatte.

Auch wenn er die ganze Zeit versucht hatte, den Gedanken zu verdrängen, so wusste er nun, dass er so etwas nicht noch einmal sehen wollte. Er wollte nicht, dass irgendjemandes Partner starb. Egal ob es sein eigener Partner war, Beelzebumon, das Digimon eines beliebigen Turnierteilnehmers oder auch nur dieses offenbar komplett verrückt gewordene Waspmon.

Dinohumon griff dieses nun erneut an.

„Card Slash! Devil Chip!“ Während Dinohumons Augen rot aufleuchteten, nahm Takumi eine weitere Karte. „Card Slash! Battle Tomahawk!“

Der Effekt von Devil Chip machte das Reptiliendigimon nicht nur schneller, sondern auch stärker und ausdauernder. Es nahm die große Doppelaxt, die nun in seinen Händen erschien, und schleuderte diese mit aller Kraft auf Waspmon zu, wartete aber nicht, um zu sehen, ob sie traf. Stattdessen flog es dem Angriff selbst hinterher, um den Gegner mit seinen Unterarmklingen anzugreifen.

Tatsächlich wich das Cyborgidigimon der Waffe aus und griff mit seinen eigenen dünnen Klauen nach den Armen seines Gegners. Es warf Dinohumon zurück und griff es direkt mit einem weiteren Laserstrahl aus.

Auch wenn das Takumis Partner auswich und die wie ein Boomerang zurückkommende Waffe auffing, so traf der Energiestrahl den Boden nicht unweit von Takumi und dem Mädchen.

Beide warfen sich instinktiv zu Boden, wobei Takumis Karten zu Boden fielen. Doch blindlings griff er bereits nach der nächsten.

„Card Slash! Majiramon – Bao Shi!“

Eine dunkle Wolke erschien wie aus dem Nichts am Himmel, als Dinohumon nun den Tomahawk hob. Blitze schossen aus ihr hinab und sorgten dafür, dass Waspmon mehrmals ausweichen musste.

Dieses Mal griff Dinohumon direkt mit der Axt an. Es flog zwischen den hinab zuckenden Blitzen hindurch auf seinen selbst ausweichenden Gegner zu, als wüsste es, wo dieser im nächsten Moment sein würde. Es holte mit der Axt aus, schlug zu und wurde im selben Moment von einem der violetten Stacheln durchbohrt.

Diesen hatte Waspmon offenbar genau in dem Moment abgefeuert, als das Reptoliendigimon vor ihm war.

Die Axt prallte gegen metallverkleidete Schulter, aus der einige Daten hervorstoben, zersplitterte dann jedoch selbst in viele kleine Partikel.

Der Stachel hatte sich durch Dinohumons Brust gebohrt.

Für einen Moment schien es, als würde nichts passieren, doch dann lösten sich Dinohumons Flügel an und Datenpartikel flossen aus der Wunde hervor.

Ai, Makoto und Beelzebumon sahen selbst sprachlos zu den beiden Digimon, als das humanoide Reptil selbst unter der Gewitterwolke hinabfiel und einen Moment später die Wasseroberfläche durchstieß.

„Das...“, begann das Mädchen hinter Takumi und schluchzte, als sich Waspmon abwandte und offenbar davonfliegen wollte. „Du hättest... Du hättest Flymon... Waspmon... Du hättest es töten sollen.“

Doch der Junge antwortete nicht. Er kniete am Boden, noch immer eine Karte in der Hand, und sah auf die Stelle, wo sein Partner ins Wasser gestürzt war. In seinem Kopf herrschte vollkommene Leere, da er nicht wusste, was er denken sollte.

Noch immer hingen einige der Daten, die Dinohumon verloren hatte, in der Luft.

Unablässig starrte er auf die Wasseroberfläche, wo sich die durch den Aufprall des Digimons erzeugten Wellen langsam legten. Keine Tränen flossen über seine Wangen. Sein Gesicht war praktisch ausdruckslos. Was war geschehen?

Doch da brach auf einmal ein Gefühl auf ihn hinab, so heftig, dass es ihm fast den Atem nahm. Und er wusste eins: Sein Partner war nicht tot! Er lebte noch, sank gerade tiefer und tiefer gen Hafenboden.

Er schloss die Augen. Mit der linken Hand drückte er sein Digivice gegen die Brust, während er in der rechten noch immer eine Karte hielt.

Er merkte, wie sein Herz schlug. Schneller als zuvor. Kräftiger.

Dann öffnete er die Augen wieder und sah zu der Karte in seiner Hand. Sie leuchtete blau.

„Eine blaue Karte“, hörte er das Mädchen hinter sich flüstern.

„Unmöglich“, murmelte auch Ai und sah gebannt zu ihm hinüber.

Takumi stand auf. „Card Slash!“, rief er, wie in Trance. „Matrix Evolution!“

Ein Lichtstrahl schoss aus seinem Digivice ins Meer und einen Augenblick später schwebte aus diesem eine leuchtende Kugel hervor.

„Dinohumon – Shinka! Hanehamon!“
 

Schreie. Von überall her konnte Kaoru Schreie hören. Sie hatten Angst. Alle hatten sie Angst.

Die Menschen liefen davon. Auch Shigeru und die drei anderen Jungen.

Garurumon setzte ihnen nicht direkt nach, sondern wartete an seiner Seite, während sämtliche all die Menschen, die zuvor noch gepicknickt und sich amüsiert hatten, kreischend und voller Panik davon liefen.

Kaoru konnte nicht anders. Ein Grinsen machte sich auf seinem Gesicht breit. Sie waren alle so egoistisch.

Kaum jemand nahm darauf Rücksicht, ob sie andere umschubsten, während sie versuchten ihr eigenes Leben zu retten. Dabei jagte er sie nicht mal.

Die Leiche Junjis lag vor seinen Füßen. Das helle T-Shirt des Jungen war mit rotem Blut vollgesogen.

Das war seine Rache. Dies alles war seine Rache. Selbst wenn er diese Rache teuer würde bezahlen müssen. Dies war es wert.

„Garurumon“, sagte er leise und legte die Hand auf die Schulter seines Partners.

Dieser knurrte nur. Er öffnete sein Maul und hellblaues Feuer schoss aus diesem hervor. „Fox Fire!“

Die Flammen entzündeten das Gras und auch einige der umstehenden Bäume, ließen die Menschen, von denen die meisten bereits den Rand der Grünfläche erreicht hatten, noch panischer werden. Doch Kaoru achtete nicht einmal auf diese. Er sah einzig auf die kleiner werdende Gestalt Shigerus, die zwischen den Flammen verschwamm.

Dann duckte sich Garurumon und ließ ihn auf seinen Rücken steigen.

Sie warteten einen Moment, dann lief das Digimon los.

Sie schossen zwischen den Flammen hindurch und hatten bereits die ersten fliehenden eingeholt, von denen sich einige ängstlich zu Boden warfen und dort zusammen kauerten. Doch noch immer beachtete er sie nicht.

Es war ihm egal, dass sie sich fürchteten. Es war ihm egal, ob sie lebten oder starben. Aber eine Person musste sterben. Shigeru. Er musste sterben, bevor all das vorbei war.

Sie folgten der Gruppe Jungen, die tatsächlich bisher zusammengeblieben waren und nun in Richtung des Telekomgebäudes und des davor liegenden Museums davonliefen.

Dabei lief Garurumon nicht so schnell, wie es ihm möglich gewesen war.

Kaorus Hände hielten sich am Fell seines Partners fest. Eigentlich hatte er sie nicht jagen wollen, da er wusste, dass ihm keine Zeit mehr blieb. Doch nun wo sie liefen, wo sie panisch wurden, konnte er nicht anders. Er wollte ihre Angst, wollte vor allem Shigerus Angst genießen, bevor er ihn tötete.

Fast bereute er, dass Junji so schnell gestorben war, auch wenn sich dies jetzt wohl kaum noch ändern ließ.

Da erkannte er etwas aus den Augenwinkeln. Eine Gestalt, die am Himmel schwebte. Das musste ein Digimon sein. Doch dann sah er zwischen den Gebäuden ein Licht hindurchschimmern und er wusste, dass es eine Digitation war.

Nun wurde sein Gesichtsausdruck wieder grimmig. Natürlich, hier waren auch Tamer. Vielleicht sollte er sich doch beeilen.

Garurumon, das ebenfalls das Licht gesehen hatte, lief nun schneller und so verringerten sie den Abstand zwischen sich und den vier fliehenden Jungen schnell.
 

Das Digimon, das nun zu einem der Kais schwebte, war etwa drei Meter groß – wie Dinohumon – von humanoider Gestalt. Sein Gesicht erinnerte noch immer an das seiner Adultstufe und noch immer war seine Haut grünlich. Sein ledernes Stirnband war jedoch vollkommen mit Federn geschmückt, die auch auf seinen Rücken hinabhingen. Zwei Bänder, an denen kleinere Messer befestigt waren, hingen überkreuzt vor seiner Brust. Auch Akinades hing noch immer auf seinen Rücken, auch wenn nun einige Verzierungen von seinem Haft hinabhingen. Die Unterarme und -beine des Digimons waren durch Schienen aus silbernen Chrome Digizoid verziert, aus denen weitere Klingen hervorwuchsen.

Noch immer sahen alle es sprachlos an.

„Es ist digitiert“, murmelte Beelzebumon nun und richtete sich auf. Noch immer flackerte sein Arm, doch es schien stehen zu können.

Das Perfectdigimon sah ihn an, ehe es nickte.

Auch Beelzebumon nickte nun, breitete seine Flügel aus und erhob sich in die Luft, während Ai nun auf ihr Digivice sah.

„Hanehamon“, murmelte sie, als die Daten des Digimon angezeigt wurden. „Kriegerdigimon...“

„Perfect-Level“, ergänzte ihr Bruder.

Takumi sah zu seinem Partner. Wirklich hatte er nicht verstanden, was passiert war, doch eigentlich war es ihm egal. „Hanehamon...“, flüsterte er, erhob seine Stimme dann aber. „Los! Hanehamon!“, rief er.

Beelzebumon hielt eine Pistole in seiner rechten Hand, während die linke nutzlos und weiterhin flackernd an seinem Körper hinabhing. Es feuerte auf Waspmon, das nun wieder seine Aufmerksamkeit zu ihm lenkte.

Es gewann schnell an Höhe, um seine Attacke erneut abzufeuern. Dieses Mal verfehlte der Laserstrahl.

Gleichzeitig stieß sich Hanehamon vom Boden ab. Zwar konnte es nicht fliegen, doch es hatte kräftige Beine und konnte springen. Es drehte sich in der Luft, ohne das Waspmon ihm auch nur einen Blick schenkte. Es schien es schon wieder vergessen zu haben. Da wurde das Insekt von der Klinge, die an Hanehamons Beinschienen befestigt war zwischen Kopf und der ohnehin schon verwundeten Schulter getroffen.

Es stieß einen heiseren Schrei aus, als es gegen den mit Gras bewachsenen Wall geschleudert wurde.

Erdbrocken flogen durch die Luft, während das Cyborgdigimon für einen Moment in dem Krater, den es hinterlassen hatte liegen blieb.

Ohne zu zögern setzte Beelzebumon das Feuer auf das Digimon fort und nun prallten nicht mehr alle Kugeln an dessen Panzer an.

Unterdessen war Hanehamon wieder auf dem Boden gelandet und sprintete nun zu dem Wall hinüber, während sich Waspmon langsam erhob und nun – so schien es – wieder zu Beelzebumon hinüber fliegen wollte, doch genau in dem Moment war Hanehamon mit gezogenem Schwert vor ihm.

„Akinades!“

Das Schwert durchbrach den Panzer des Digimons und bohrte sich in den Unterleib Waspmons. Dessen Körper begann zu flackern.

Ein Schrei durchbrach Stille. „Kunemon!“ Das Mädchen sah zu der flackernden Gestalt hinüber.

Da schossen Datenpartikel aus dieser hervor und für einen Moment konnten sie nichts erkennen, da sich die violetten Partikel wie eine Wolke um das Digimon ballten.

Dann schwebten die Daten gen Himmel davon und Kunemon fiel – offenbar ohnmächtig – zu Boden.

Nun lief das Mädchen zu ihm hinüber und nahm es in den Arm. „Kunemon. Kunemon. Ist alles in Ordnung, Kunemon?“

Und langsam lösten sich auch die anderen aus ihrer Starre.

Beelzebumon landete und seine Beine knickten ein, ehe es als Impmon auf dem Boden knien blieb. Seine beiden Tamer kamen zu ihm gelaufen, während Takumi sprachlos vor Hanehamon stehen blieb.

„Alles in Ordnung, Impmon?“, fragte Makoto an seinen Partner gewandt, der sich schon wieder aufrichtete.

Dieser nickte. „Ja, es geht schon.“

Nun sahen alle drei zu Takumi und dessen Partner hinüber.

„Aber wie...“, begann Ai leise. „Wie war das möglich?“

Das fremde Mädchen war nun, mit seinem Partner zusammen zu Takumi hinübergegangen. „Danke“, flüsterte es.

Verdattert sah der Junge sie an. „Das...“, murmelte er.

Für einen Moment schwiegen beide. Dann streckte er ihr die Hand entgegen. „Ähm, ich bin Shirou Takumi. Und du?“

Nun war es an ihr überrascht zu sehen, zumal diese Form des Grußes nicht unbedingt üblich war. Dann griff sie jedoch vorsichtig nach seiner Hand. „Okamura Rin...“

„Na, was ein schönes Happy End“, meinte Ai sarkastisch und ging zu ihnen hinüber. „Und du schuldest mir immer noch eine Antwort, Shirou Takumi.“ Sie stemmte ihre Arme in die Seiten. Mit ungehaltenem Blick sah sie ihn an.

„Welche Frage?“ Verwirrt hob er die Augenbrauen.

„Seit wann scherst du dich um anderer Leute Partner?“

„Kann dir das nicht egal sein?“, erwiderte er giftig.

Beide starrten einander an, während Makoto auf einmal anfing leise zu lachen.

Aber bevor irgendjemand in das Lachen mit einstimmen konnte, hörten sie Schreie. „Hilfe! Irgendjemand!“

Sie sahen sich an und dann erklang das wütende Brüllen eines Monsters. Eines Digimon!
 

Etwas sagte Shoji, das irgendwas nicht in Ordnung war. Es war bald zu spät. Doch wo sollten sie sein?

Er hatte das Gefühl schon die ganze Zeit. Wenn der Junge, wenn Nagashima Kaoru nicht zu Hause war, dann konnte es sein, dass er versuchte jemand anderen zu töten. Er hatte seine Opfer bewusst gewählt, dass wussten sie jetzt.

Seine Mutter hatte ihnen alles erzählt. Es war in der Mittelschule gewesen. Er war gemobbt worden. Offenbar waren diejenigen, die er bisher getötet gewesen, Mitschüler gewesen, wahrscheinlich diejenigen, von denen alles ausgegangen war.

Doch seine Mutter hatte nicht gewusst, dass Kaoru ein Tamer war. Er war nicht registriert gewesen und deswegen...

Wieso waren sie nicht vorher drauf gekommen, dass alle bisher in dieselbe Klasse gegangen waren?

Aber in der Klasse waren 24 weitere Schüler gewesen. Woher sollten sie wissen, wen er als nächstes Angriff?

Er stand noch immer im Wohnzimmer der Familie Nagashima, das ihn sehr an das Wohnzimmer des eigenen Zuhauses erinnerte. Und noch immer schluchzte die Mutter des Jungen haltlos.

Eigentlich wollte Shoji nicht hier sein. Er wollte dort sein, wo der Junge war, wollte ihn aufhalten, ehe er noch jemanden tötete. Doch wie...

In dem Moment klingelte Yamakis Handy.

Er nahm ab. „Ja? Yamaki hier.“ Dann schwieg er, während eine Stimme, die für die anderen im Raum nur leise zu vernehmen war, auf ihn einredete. Plötzlich verfinsterte sich Yamakis Gesicht und er sah die beiden Jungen an. „Er ist in Odaiba.“

Takato und Shoji sahen sich an. Sie wussten, dass es wahrscheinlich zu spät war.
 


 

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Anmerkungen und Erklärungen:

Waspmon: Eigentlich ein Cyborgdigimon auf dem Adultlevel, hier jedoch als Perfectlevel genutzt. Da es viele Digimon gibt, die auf mehreren Leveln existieren (Whamon, Tailmon, Magnamon usw.), dachte ich, da ich Waspmon als perfektes Perfect for Flymon empfinde, dass ich es so nutzen kann ;)

Hanehamon: Hanehamon ist ein von mir erfundenes Digimon (da Dinohumon kein offizielles Perfect hat). Es ist ein Kriegerdigimon und auf dem Perfectlevel und - natürlich - vom Typus Serum. Das Wort Haneha bedeutet übrigens Häuptling. Ein Bild wird die Tage noch folgen.
 

Nun, ich hoffe, euch hat das Kapitel gefallen. Ja, es ist recht früh, dass Takumi hier sein Perfect-Level bekommt, aber letzten Endes war es auch in Savers nicht früher ;) Und es gehört nun einmal ins Viertelfinale. Was es nun mit den blauen Karten auf sich hat nach den neuen Gesetzen, dass werdet ihr später noch erfahren.
 

Das nächste Kapitel folgt in zwei Wochen.

Episode 12: Das Ende eines Weges

Hier nun das tatsächliche Viertelfinale. Und, um es einfach zu sagen: Das gesamte Kapitel ist eigentlich eine einzige Actionsequenz, mit der ich bezüglich der Recherche einzelner Hintergründe meine liebe Mühe hatte (unter anderen bezüglich: Wie sieht es im Inneren des Gebäudes aus).

Wundert euch nicht, sollte das Kapitel bereits Dienstags freigeschaltet werden: Bei dem aktuellen Ansturm hielt ich es für sicher es am Dienstag in die Schalt-Schleife zu stellen.
 

Ich möchte vorweg sagen, dass der Einleitungstext dieses Mal von der Nikkei am folgenden Tag stammt - um euch einen kleinen Vorgeschmack darauf zu bieten, was passieren wird ;)
 

Und bevor ich es vergesse: Einige wollten ja wissen, wie Hanehamon nun aussieht.

http://animexx.onlinewelten.com/fanart/2115590/ Als kleine Referenz! ;)
 

Das ist denke ich alles, was ich vorweg zu sagen habe. Ich wünsche euch viel Spaß mit dem Kapitel!
 


 

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Episode 12: Ende eines Weges
 

Laut einem polizeilichen Sprecher sind bei dem gestrigen Vorfall im Südosten der Odaiba-Halbinsel gesamt acht Menschen tödlich verletzt worden, unter denen nach bisherigem Stand auch der Täter selbst ist. Weitere 32 Personen befinden sich momentan unter ärztlicher Fürsorge. Der entstandene Sachschaden wird momentan noch ermittelt. Genaue Aussagen darüber, wie es zu dem Vorfall gekommen ist, werden im Moment noch erwartet.
 

               - Morgenausgabe der Nikkei vom 5.5.2011
 

„Hilfe!“, hörten sie den Schrei erneut.

Die vier Tamer sahen sich an. Das Brüllen war das eines Digimon gewesen. Wurde jemand von einem Digimon angegriffen? Konnte es etwa sein...?

Ohne weiter nachzudenken lief Takumi den Wall hoch und konnte gerade noch für den Bruchteil einer Sekunde die schlanke Gestalt eines Tierdigimons erkennen, ehe dieses hinter einem Gebäude verschwand.

Nun erschien Hanehamon hinter Takumi und sah auf ihn hinab. „Lass uns gehen.“

Der Junge nickte und im nächsten Moment hob ihn das große humanoide Digimon mit einer Hand hoch und sprintete los in die Richtung, in der die Gestalt des anderen Digimon verschwunden war.

Nun rasten tausend Gedanken durch Takumis Kopf. Was ging hier vor? War es vielleicht der Mörder, der die drei Jugendlichen getötet und das Mädchen am Abend zuvor angegriffen hatte? Konnte es tatsächlich möglich sein, das so etwas direkt hier passierte?

Gleichzeitig fragte er sich auch, was mit den anderen Tamern war, die er zuvor im Park gesehen hatte. Wieso griffen sie nicht ein? Trauten sie sich etwa nicht?

Mit seinen großen Schritten hatte Hanehamon schon eine Gasse zwischen zwei Gebäuden durchquert und war nun auf eine etwas breitete Straße gelangt, die die einzelnen Museen und Firmen in der Hafengegend miteinander verband. Ohne zu zögern wechselte es die Richtung, bog nach links ab und folgte dem Digimon, das sie nun sehen konnten.

Es war Black Garurumon, wie Takumi erkannte, als es sah, und auf dem Rücken des Digimon saß ebenfalls ein Junge.

Tausend Gedanken schossen Takumi durch den Kopf. Dann war sein erster Gedanke also richtig gewesen. Dieses Digimon gehörte zu dem Tamer, der die Jugendlichen angegriffen hatte?! Dies war das Digimon, das für die Tode verantwortlich war?

Tatsächlich verfolgte das Digimon eine Gruppe Teenager, die es wohl schon längst eingeholt hätte, wenn dies sein Ziel gewesen wäre. Warum machte es noch nichts?

Hanehamon, das die Fragen in Takumis Kopf zu erahnen schien, knurrte. „Er will sie quälen.“

Nun stürzte einer der Jungen, die nun auf einen der vielen Parkplätze einbogen, während die anderen beiden dessen ungeachtet weiterliefen.

Black Garurumon hatte den Jungen beinahe erreicht und Takumi konnte erkennen, dass sich blaues Feuer in seinem Maul sammelte.

„Hanehamon!“, rief er aus, worauf sein Partner sein Tempo noch einmal beschleunigte.

Mit nur wenigen Schritten war es hinter dem Tierdigimon und seinem Partner und setzte Takumi mit einer fließenden Bewegung auf dem Boden ab und holte mit einer Faust aus. „Temket!“ Die Faust traf das andere Digimon an der Schulter und warf es zur Seite, wobei auch der Junge von seinem Rücken fiel.

Das Garurumon kam recht schnell wieder auf seine Beine und knurrte Hanehamon nun an, während der fremde Junge, der einige Meter über den Asphalt geschlittert war, sich nur mühsam aufrichtete.

„Was machst du hier?“, fragte Hanehamon an seinen Gegner gewandt und sah diesen mit ernster Miene an. Es hielt seine Äxte in den Händen, bereit jederzeit anzugreifen.

Noch immer knurrte Garurumon. „Das geht dich nichts an.“

„Warum hast du diese Menschen angegriffen?“ Das humanoide Digimon ließ sich nicht beirren und machte einen Schritt zur Seite, so dass es nun zwischen dem noch immer am Boden liegenden Jungen, den sie verfolgt hatten, und seinem Gegner stand.

Nach einem kurzen Zögern lief Takumi zu dem Jungen hinüber, dessen helleres Haar offenbar einmal gegelt war, nun jedoch verschwitzt an seinem Kopf lag. Bei seinem Sturz hatte er sich seine Hände aufgeschürft, doch er sah noch immer voller Furcht auf die beiden Digimon.

„Bist du okay?“, fragte Takumi vorsichtig.

Der Junge war älter als er, um mindestens zwei, drei Jahre, soweit er es abschätzen konnte. Doch er sah ihn gar nicht erst an und reagierte auch nicht auf seine Frage.

„Hey“, versuchte es der Tamer erneut, erhielt jedoch keine Antwort.

„Lass mich vorbei“, knurrte Garurumon nun und Flammen loderten aus seinem Maul hervor – eine Drohung auf die Hanehamon jedoch nicht reagierte.

Nun hatte sich auch der Partner des Adultdigimons aufgerichtet und sah zu ihnen hinüber. Die Kapuze, die sein etwas längeres schwarzes Haar zuvor bedeckt hatte, war nun von seinem Kopf gerutscht und man sah kalten Schweiß in seinem Gesicht stehen.

„Ihr könnt mich nicht aufhalten“, keuchte er und starrte sie an. „Lasst mich zu ihm.“ Er holte ein Digivice aus der Bauchtasche seines Pullovers hervor und hielt dieses fest umklammert in seiner Hand.

Der andere Junge hinter Takumi kam nun mit einem leisen Röcheln auf die Beine und rannte nun selbst weiter, obwohl er sich offenbar kaum auf den Beinen halten konnte.

Takumi sah sich um, überlegte kurz ihm zu folgen, brachte es jedoch nicht über sich Hanehamon zurück zu lassen, auch wenn es offenbar seinem Gegner weit überlegen war. Er sah zu seinem Partner und blieb halb neben, halb hinter ihm stehen und sah zu dem fremden Jungen hinüber. Warum tat er all dies?

„Black Garurumon!“, rief dieser aus, woraufhin sein Digimon sich duckte und dann auf einmal auf Hanehamon lossprang.

Dieses schien davon jedoch nicht im geringsten überrascht und fing das gegnerische Digimon ab, um es erneut zurück zu werfen. „Du kommst hier nicht vorbei“, knurrte es und holte seine beiden Tomahawks hervor.

„Fox Fire!“ Die Flammen schossen aus dem Maul des Tierdigimons hervor, doch sie waren nicht wirklich auf Hanehamon gezielt, sondern loderten in Takumis Richtung. Dieser hob instinktiv seine ohnehin zerschrammten und noch immer mit Pflastern bedeckte Arme, wohl wissend, dass dies wenig gegen den Angriff des Digimons bringen würde.

Bevor jedoch das Feuer ihn erreichen konnte, hatte sein Partner seine Arme schon schützend um ihn gelegt und sprang mit ihm in die Höhe, um ihn ein Stück weiter abzusetzen.

„Alles in Ordnung?“, fragte es, doch bevor Takumi antworten konnte, sah er aus den Augenwinkeln das Garurumon an ihnen vorbei rauschen.

Hanehamon folgte seinem Blick und bleckte knurrend seine Zähne. Es richtete sich auf. Zögernd sah er dem anderen Digimon hinterher, ehe es wieder zu Takumi sah. Dann sprang es ohne ein weiteres Wort los ohne folgte ihren Gegnern, während sein Partner noch immer am Rand des Parkplatzes stand.

„Hanehamon, warte!“, rief er dem Perfectdigimon hinterher, aber dieses drehte sich nicht zu ihm um.

Noch immer klopfte das Herz des Jungens. Er konnte kaum verstehen, was hier vor sich ging. Mittlerweile war er sich sicher: Jener schwarzhaarige Junge musste derjenige sein, der all die Morde begangen hatte. Aber warum?

„Shirou-kun!“, hörte er eine Stimme rufen und blickte sich zu deren Besitzer um.

Die beiden Geschwister, Makoto und Ai, kamen auf ihn zugelaufen, wobei Makoto ihren Partner auf den Armen trug.

„Was ist passiert?“, schoss es aus Ai hervor, noch bevor sie zum Stehen gekommen war. „Wo ist das andere Digimon? Und wo ist dein Partner?“

Takumi brauchte ein paar Sekunden, bis er sich weit genug gesammelt hatte, um zu berichten, was geschehen war. „Sie sind in die Richtung gelaufen.“ Er zeigte den Parkplatz hinab, der auf der anderen Seite in eine der Umgehungsstraßen endete.

Schon lief Ai wieder los, blieb jedoch nach einigen Schritten wieder stehen, als sie merkte, dass die Jungen ihr nicht folgten. „Worauf wartet ihr? Hinterher!“ Damit lief sie wieder los.

Die beiden Jungen zögerten jedoch.

„Es ist also der Mörder?“, fragte Makoto leise, während Impmon, das recht mitgenommen aussah, grimmig hinter Ai herblickte.

„Ich glaube“, flüsterte Takumi leise und merkte das er zitterte.

Sie schwiegen beide.

„Wir müssen ihn aufhalten“, murmelte Makoto dann und sah ihn an. „Das heißt“, begann er dann leiser. „Du wirst kämpfen müssen. Impmon...“

Das Digimon sagte nichts, doch sein Blick bestätigte nur, was in den Worten des Jungen mitschwang: Es hatte noch nicht wieder genug Energie, um erneut zu kämpfen.
 

Während die drei Jugendlichen Hanehamon und dem Mörder folgten, kniete Rin, die in all dem Trubel vergessen worden war, noch immer am Rand des Hafenbeckens von Tokyo, mit Kunemon in ihren Armen.

Die Tränen auf ihrer Wange waren mittlerweile getrocknet, doch ihr Atem ging noch nicht wieder ganz regelmäßig. Einige Strähnen ihrer blondierten Haare, hatten sich aus ihren Zöpfen gelöst und hingen ihr nun unordentlich ins Gesicht, was sie aber nicht einmal bemerkte.

Ihr Blick glitt über die Krater, die der Kampf im Asphalt der Promenade hinterlassen hatte, ohne dass ihr Geist bisher dazu fähig war, all das zu verarbeiten, was zuvor passiert war. So viele verschiedene Gefühle hatten sie in den letzten Stunden erfüllt, dass sie immer noch vollkommen verwirrt war.

Davon, dass der Schrei, den sie zuvor gehört hatten, mit der Mordserie, die in den letzten Wochen so oft in den Medien erwähnt und besprochen worden war, zu tun hatte, wusste sie nichts und selbst, wenn sie es gewusst hätte, hätte sie sich im Moment wohl nicht dafür interessiert.

Was war geschehen?

Was waren das für Daten gewesen, die ihren Partner in ein solches Monster verwandelt hatten?

Sie hatte wirklich geglaubt, sie würde Kunemon verlieren und konnte es noch immer nicht ganz glauben, dass es nun doch lebend in ihren Armen lag.

Der Junge, schoss es ihr auf einmal durch den Kopf. Der Junge, gegen den sie hatte kämpfen wollen, hatte Kunemon gerettet. Doch verstand sie nicht wieso. Wenn er doch auch beim Turnier teilnahm, wieso hatte er dann nicht ihren Partner getötet? Nicht zuletzt war Waspmonmon eine Gefahr gewesen, wodurch es einen weiteren Grund gegeben hatte, es zu töten.

Sie verstand es nicht. Aber nun, wo sie wirklich darum gebangt hatte, ihren Partner zu verlieren, war sie dankbar, dass er noch lebte – dankbar, dass sie nicht wieder allein war.

Weiter sah sie auf den zerstörten Asphalt vor sich und fragte sich, was sie nun tun sollte. Etwas sagte ihr, dass es besser war, zu laufen – von hier zu fliehen. Vor allem, wenn sie nicht entdeckt werden wollte.

Ihre Eltern wussten nichts von Kunemon und sie war sich nicht sicher, wie sie reagieren würden... Wenn es sie überhaupt interessierte.

In dem Moment hob das raupenartige Digimon in ihren Armen den Kopf und sah sie an – zumindest konnte man es wohl am ehesten so bezeichnen, wenn man bedachte, dass das Wesen keine sichtbaren Augen hatte.

„Kunemon“, flüsterte sie leise.

Das Digimon legte seinen Kopf schief. Es hatte noch nie gesprochen.

„Geht es dir gut?“, fragte Rin und sah ihren Partner an.

Dieser senkte leicht den Kopf, ehe er an ihr empor kletterte und sich um ihren Hals legte.

Sanft streichelte das Mädchen den Kopf des Digimons, ehe sie sich ein Herz fasste und sich aus ihrer Starre befreite. Sie stand auf und machte sich auf dem Weg zur Daiba-Station, um nach Hause zu fahren.
 

Derweil folgte Hanehamon dem schwarzen Garurumon und dessen Reiter. Die beiden hatten einigen Vorsprung, doch Hanehamon, das allein durch sein höheres Level schneller war, als das Tierdigimon, holte schnell auf.

Black Garurumon sprang zwischen den Autos auf der Umgehungsstraße umher, ohne diesen wirklich Beachtung zu schenken. Mehrere Fahrzeuge, die dem Digimon auswichen, prallten ineinander oder in die Führungsschiene auf der einen Seite der Straße, doch auch davon nahmen weder das schwarze Digimon, noch sein Tamer Notiz.

Der fremde Junge, den Takumi und sein Partner zuvor gerettet hatten, rannte nicht weit entfernt am Rand der Straße, doch sein wackeliger Schritt verriet, dass er nicht mehr viel weiter kommen würde.

Auch die beiden anderen Jungen waren in diese Richtung geflohen und waren damit wahrscheinlich auch in der Nähe.

Nicht weit entfernt kam ein großes Gebäude in Sicht, das wie ein immenser, komplett verglaster Bogen gestaltet war. Als Kotemon hatte das Digimon einmal gehört, dass dies das sogenannte Telekom Center war und es wusste, dass in diesem viele Menschen gab. Menschen, die dort arbeiten, Menschen, die dort zu Besuch waren.

Dies brachte das humanoide Digimon dazu, noch schneller zu laufen. Denn es hatte den Blick in den Augen des Jungen gesehen. Es mochte vielleicht nicht alles über Menschen wissen, doch wusste Hanehamon über diesen Jungen, das er sich nicht mehr darum scherte, ob nur seine auserkorenen Opfer oder auch fremde starben. Und Hanehamon wollte nicht, dass Menschen unnötig starben – vor allem keinen endgültigen Tod.

Nicht nur, aus Mitleid mit den Menschen, denn es war sich nicht sicher, ob es diesen empfand, sondern auch, weil es wusste, dass es die schlechte Meinung, die all diese Menschen von den Digimon hatten, verstärken würde und dass es dadurch noch schwerer werden würde, bei Takumi zu bleiben.

Also lief Hanehamon und schaffte es schließlich, die beiden einzuholen, gerade als sie den Rand des großen Gebäudekomplexes erreichten. Mit einem Schlag gegen die Hinterbeine des anderen Digimon, schaffte es dieses zu Fall zu bringen.

Erneut stürzte der Tamer des Garurumon von dessen Rücken und rollte sich auf dem Bürgersteig ab.

Hanehamon ließ es gar nicht erst zu, dass sein Gegner wieder auf die Beine kam, packte diesen an der Kehle und rammte ihn gegen die Pfeiler der durch Odaiba verlaufenden Magnetbahnstrecke, die über der Straße verlief.

Die Augen des Tierdigimon waren zu Schlitzen verengt und die Blicke der Digimon trafen sich.

„Garurumon!“, klang der Schrei des Tamers des Digimon zu ihnen und ließ Hanehamon zusammenzucken.

In der Stimme des Jungen klang etwas mit, dass keine Besorgnis um seinen Partner war. Es war viel mehr eine Mischung aus Hass und Angst – eine Furcht die tiefer und dunkler war, als die Furcht einen Freund zu verlieren.

Viele der Menschen, die das Gebäude wohl besichtigten oder wegen ihrer Arbeit hier waren und sich vor dem Gebäude oder auf der Straße aufhielten, waren stehen geblieben und starrten entweder die beiden Digimon an oder den Jungen, dessen Gesicht zu einer Fratze verzerrt war.

„Garurumon!“, rief er erneut. „Lass dich nicht so einfach besiegen. Garurumon!“

Da geschah etwas, womit Hanehamon nicht gerechnet hatte: Garurumon wurde von einer dunklen Aura umgeben. Energie sammelte sich und noch bevor das Kriegerdigimon verstand, was vor sich ging, wurde es von einem harten Schlag getroffen und zurückgeworfen.

„Garurumon – Shinka! Were Garurumon!“
 

Für Takumi, Ai und Makoto war es nicht schwer den Digimon zu folgen, da sie auf der Straße eine Spur vor verunfallten Fahrzeugen hinterlassen hatten, doch auch ihnen wurde schnell klar, wohin diese Spur führte.

Ein ungutes Gefühl breitete sich in ihnen aus, während sie weiterliefen und schon bald den Lärm des Kampfes hörten.

Da waren Schreie von Menschen und das laute Krachen, als Hanehamon seinen Partner gegen einen der Überführungspfeiler schlug.

Gerade als sie sich näherten wurde das gegnerische Digimon von etwas, das wie dunkler Nebel aussah, umgeben und ehe sie verstanden, was passierte, flog Takumis Partner rückwärts gegen einen Kleinlastwagen, der ins Schlenkern geriet und zur Seite kippte.

Wo es zuvor das Adultdigimon gegen den nun teilweise rissigen Pfeiler gedrückt hatte, stand ein schwarzes Were Garurumon und formte seine Hände nun zu Klauen.

An seinen Nägeln glühten dunkle Punkte auf, als es auf Hanehamon zusprang, das noch immer am Boden lag.

„Shirou-kun!“, hörte Takumi die Stimme von Makoto neben sich und begriff gerade noch rechtzeitig, was er wollte. „Card Slash! Defense Plug-In C!“

Schützend hob Hanehamon seine Arme vor sich und wehrte seinen Gegner mit den Klingen an diesen ab. Während das andere Digimon eine weitere Attacke vorbereitete, rollte das humanoide Reptil sich rückwärts und zog seine Tomahawks erneut hervor.

„Engetsugeri!“ Mit einem halben Salto trat Were Garurumon nach dem Kriegerdigimon, das jedoch – noch immer vom Effekt der Karte unterstützt – es schaffte, das Bein zu greifen und schleuderte das werwolfsartige Digimon gegen den Zaun, der die Freifläche neben dem Gebäude umgab.

„Was geht hier vor?“, fragte Takumi leise, der sich noch immer schwer tat zu verstehen, was hier geschah.

„Wie konnte es digitieren?“, murmelte auch Makoto verständnislos und sah zu den beiden kämpfenden Perfect-Digimon. „Eigentlich sollte doch... Eigentlich sollte es doch...“

„Es gibt mehr als eine Art zu digitieren.“ Impmons Stimme war bitter, während auch es zu den beiden Digimon hinübersah. „Es war doch letzten Endes klar, dass sie es nicht würden aufhalten können.“

Makoto sah seinen Partner an. „Was meinst du?“

„Alles, was Digimon...“ Es unterbrach sich selbst. „Alles was wir brauchen, um zu digitieren, ist Energie und es gibt mehr als eine Form an diese zu kommen. Menschliche Emotionen sind für uns Energie. Selbst wenn sie die blauen Karten aus dem Verkehr gezogen haben...“ Erneut brach es ab und sah zu Takumi. „Aber selbst das ist ihnen nicht gelungen.

Die drei Tamer schwiegen und sahen Impmon an, ehe sie auf einmal ein ungutes Gefühl zusammenzucken ließ. Sie sahen auf und blickten zu dem anderen Jungen, dem Tamer des Garurumon, der vielleicht fünfzig Meter von ihnen entfernt stand und sie mit finsterer Miene ansah. Dann sahen sie auch einen weiteren Jungen, der, den der Tamer verfolgt hatte, der im Gedränge, das sich vor dem Eingang des Gebäudes gebildet hatte.

Fast so, als hätte er dies durch ihre Gesichter nun erkannt, drehte sich der andere Tamer nun um und sah zu seinem vermeintlichen Opfer hinüber, das zusammenschrak und rücklings in das Gebäude hineinlief.

Noch einmal sah der Tamer zu ihnen, doch dann rannte er auf einmal los.

„Hinterher!“, rief Ai, ohne auch nur darüber nachzudenken, und sprintete los.

„Warte, Ai!“, versuchte Makoto sie aufzuhalten, folgte ihr jedoch dann unwillig.

Einzig Takumi blieb für einen Moment stehen und sah zu seinem Partner hinüber, der das Were Garurumon nun gegen die erdige Fläche drückte, dann aber selbst zurückgeworfen wurde. Er zögerte, doch dann folgte er den beiden Geschwistern, wenn auch mit einem unguten Gefühl.

Einige der umher stehenden Menschen, sahen sie überrascht, verängstigt oder zornig an, während sie zwischen ihnen durchliefen.

„Entschuldigen Sie“, versuchte es Takumi zurückhaltend, als eine Gruppe Touristen ihm den weg versperrte. „Entschuldigen Sie, ich muss da durch.“ Und je näher an das Gebäude kam, desto dichter schien das Gedränge zu werden.

Viele der Menschen schienen nicht wirklich zu wissen, was sie tun sollten. Sollten sie vor den Digimon fliehen? Sollten sie hier bleiben? Wenn sie flohen: Wo war es für sie sicherer – im Gebäude oder möglichst weit von hier weg? So blieben die meisten zwischen den verschiedenen Möglichkeiten hin und hergerissen wie in Starre stehen, den Blick meistens auf die Digimon gerichtet.

Gerade als Takumi die obere Stufe der Treppe, die zum Gebäudekomplex hinauf führte, erreichte, hörte er eine Polizeisirene, die nun auch ihr erstarren ließ. Er dachte an die Möglichkeit, dass die Polizei ihn fand, feststellte, dass er ein Tamer war. Sein Blick wanderte die Straße hinunter, wo viele der umherstehenden und teilweise nun verlassenen Fahrzeuge den Polizeiwagen den Weg versperrten.

Dann wandte er sich wieder dem Gebäude zu, durch dessen breite automatische Glastür gerade Makoto lief.

Mit einem weiteren kurzen Blick zu den Polizeiwagen folgte er ihnen in die breite und erstaunlicher Weise ovalen Eingangshalle des Gebäudes hinein, die dank der komplett gläsernen Wände vom Sonnenlicht durchströmt war und dank des hellen Mamorbodens eine eigentlich positive Atmosphäre hatte.

Tatsächlich war es hier weniger voll, als vor dem Gebäude, da die meisten Leute entweder an der den kämpfenden Digimon nächsten Glaswand standen oder in einen der Gänge, beziehungsweise nach draußen geflohen waren.

„Shirou-kun!“, hörte er nun die Stimme des Mädchens – Ai, die am Rand der Eingangshalle stand.

Er folgte ihrem Blick und sah, dass der Tamer, dem sie folgten, bereits die Rolltreppe hinauflief, während der andere Junge über die Galerie im dritten Stockwerk rannte.

Da befreite sich Impmon aus Ais Griff und ließ einen Feuerball über seiner Hand erscheinen. „Hey!“, rief er aus und warf den Ball gegen den Tamer, der herumfuhr, jedoch nicht schnell genug reagierte, um zu verhindern, dass die Flammen seine Schulter streiften.

Der Junge schien den Schmerz jedoch kaum zu führen. Sein Gesicht verzerrte sich etwas mehr, als ohnehin schon, doch dann wandte er sich von ihnen ab und lief weiter.

Ohne zu zögern folgte Ai ihm nun die noch immer laufende Rolltreppe hinauf und die beiden Jungen taten es ihr bald gleich.

Der Sicherheitsdurchlass, an dem man normaler Weise bezahlen musste, wenn man in die oberen Stockwerke hinauf wollte, war verlassen und so drängten sie sich einfach hindurch. Sie wussten nicht, wo sie überhaupt hinrannten, doch als sie um eine Ecke bogen, sahen sie, wie sich die die Tür zu einem der beiden nördlichen Aufzüge hinter dem anderen Tamer schloss.

Ai erreichte die Aufzüge als erste und hämmerte gegen den Knopf zwischen ihnen, doch nichts geschah, da beide nach oben fuhren.

„Und jetzt?“, fragte Makoto und sah zu seiner Schwester.

Diese ballte ihre Hände zu Fäusten, während sie nachzudenken schien, doch da kam Takumi eine Idee.

„Das sind die Aufzüge, die zur Aussichtsplattform fahren. Hier muss es sicher noch Personalaufzüge geben.“

Ai sah auf die Anzeige der Aufzüge. „Wir müssen uns beeilen“, murmelte sie dann und lief wieder los.

In dem Moment hörten sie ein lautes Krachen von unten, ehe laut dröhnend der Feueralarm erklang.
 

„Lizard Slicer!“, rief Hanehamon aus und ließ die Tomahawks auf seinen Gegner niederprasseln, der zwar einige Treffer erlitt, es dann aber schaffte, sich mit einem Sprung rückwärts in Sicherheit zu bringen.

Dabei landete es nahe einiger der etwas mutigeren Menschen, die zu nahe an die beiden kämpfenden Monster heran gekommen waren. Es schien entkräftet zu sein, doch da leuchtete auf einmal etwas in seinen Augen auf.

Es legte den Kopf zurück und sah das Gebäude hinauf. Seine Augen verengten sich und auf seinem Maul formte sich ein Grinsen.

Dann, auf einmal wandte es sich der Menschenmenge zu. „Kaiser Nail!“

Zu spät begriff Hanehamon, dass sein Gegner sich nun gegen die Schaulustigen gewandt hatte. Es konnte nicht verhindern, dass drei der Menschen von der Attacke getroffen wurden, ehe es selbst eingreifen konnte.

„Akinakes!“ Auch wenn es sich dessen bewusst war, dass es gefährlich war, mit dem großen Schwert anzugreifen, da es damit leicht einen Menschen treffen konnte, doch es musste den Kampf möglichst schnell beenden.

Allerdings sah Were Garurumon den Angriff dieses Mal scheinbar kommen, hatte offenbar sogar damit gerechnet. „Engetsugeri!“ Mit ausgestrecktem Bein fuhr es herum und traf mit seinem Fuß gegen den oberen Teil der Klinge – schleuderte diese damit aus Hanehamons Händen.

Das Schwert flog rotierend durch die Luft und blieb ein ganzes Stück entfernt im Asphalt zwischen zwei Autos stecken, während sich das Kriegerdigimon nur kurz aus dem Konzept bringen ließ.

„Badly Blow!“, setzte Were Garurumon der Attacke nach und stieß Hanehamon zurück, so dass dieses gegen die Mauer neben der Treppe und konnte es gerade noch verhindern, über diese zu stürzen, womit es fraglos weitere Menschen verletzt hätte.

Mittlerweile erklangen von überall Sirenen und einzelne Polizisten kamen nun zu Fuß angelaufen und versuchten die umherstehenden Menschen zu evakuieren, was jedoch alles andere als leicht war.

Auch erklang von irgendwoher die Sirene eines Krankenwagens, der jedoch nicht bis hierher durchkam.

Hanehamon wusste, was es durchhalten musste, dass es diesen Gegner besiegen musste, denn es war sich sicher, dass dieses sich im Notfall auch durch Polizeiblockaden kämpfen würde, wenn es dazu gezwungen war.

Wieso waren noch keine der Tamer von der Regierung hier? Sie hatten doch sicher davon gehört, wenn auch die Polizei bereits hier war...

Doch dann fragte es sich wiederum, wie viel Zeit vergangen war, seit die Verfolgung aufgenommen hatten. Es konnten nicht viel mehr als zehn Minuten gewesen sein. Tatsächlich war die Polizei erstaunlich schnell hier, wenn man die Situation bedachte.

Nun sah es wieder zu Were Garurumon und gab seinerseits ein Knurren von sich. Es stieß sich von der teilweise eingefallenen Mauer ab, um auf das halb humanoide, halb tierische Digimon zuzuspringen. Mit einem Faustschlag warf es dieses zurück und setzte sogleich einen weiteren Schlag hinterher, um es von den Menschen zurück zu treiben.

Den dritten Schlag fing Were Garurumon jedoch ab. Es warf Hanehamon zu Boden und packte es dann bei dem Lederriemen, an dem es zuvor das riesige Schwert getragen hatte. Es stieß sich selbst vom Boden ab und riss das Kriegerdigimon dabei mit sich und ehe dieses begriff, was passierte, spürte es, wie es gegen die Glaswand des Gebäudes schlug, bevor das Glas in tausende Scherben zerbrach und die beiden Digimon in der Eingangshalle des Gebäudes landeten.

Von irgendwoher erklang eine Alarmsirene.

Hanehamon hörte die Schreie der Menschen, die auch hier standen und wusste, auch ohne ihnen Aufmerksamkeit zu schenken, das einige von ihnen verletzt waren. Doch es hatte kaum Zeit, darüber nachzudenken.

Were Garurumon holte mit der Faust aus und Schlug es gegen die Brust, was auch Risse im Marmor unter dem Kriegerdigimon entstehen ließ. Dann spreizte es die Klauen und erneut waren diese von dunkler Energie umgeben.

„Kaiser...“, setzte es an, doch dann unterbrach es sich selbst und sah auf.

Ohne Vorwarnung sprang es auf, lief zum Rand der Halle, sprang die Galerien empor und schoss dann durch das gläserne Dach der Halle, wobei weitere Splitter auf den Boden hinabhagelten.

Hanehamon sah ihm hinterher. Dann spannte es seine Muskeln an und sprang ebenfalls in die Höhe. Irgendwas musste dort geschehen.
 

Während Takumi, Ai, Makoto und Impmon durch einen der Flure, die eigentlich nicht für Besucher gedacht waren, öffneten sich immer mehr Bürotüren und Leute strömten daraus, die zum Teil verwirrt, zum Teil aber auch verängstigt aussahen.

Noch immer schellte der Feueralarm durch die Flure des Gebäudes.

Nun hatte Makoto die Führung übernommen und bog am Ende des Flures nach rechts ab.

„Weißt du überhaupt, wo du hinläuft?“, keuchte Ai.

„Ich habe eine Ahnung“, erwiderte ihr Bruder kurz angebunden und nur einen Augenblick später erkannten sie, das am Ende des Ganges nicht nur drei weitere Aufzüge, sondern auch eine Notfalltreppe war, die der die meisten Arbeiter nun hinströmten.

„Card Slash! High Speed Plug-In B!“

Durch den Effekt der Karte beschleunigt sprang Impmon voran und betätigte den Knopf an den Aufzugtüren, so dass sich eine von diesen öffnete, gerade als sie diese erreichten.

„Was macht ihr da?“, fragte ein junger Mann im Anzug, als sie in die Kabine des Aufzugs sprangen. „Hört ihr nicht den Alarm!“

Doch bevor einer der Tamer etwas erwidern konnte, ließ Impmon eine Feuerkugel knapp am Kopf des Mannes vorbeifliegen. „Wir wissen, was wir tun“, knurrte es.

Dies reichte offenbar, damit der Mann sich zurückzog und zum Glück schloss sich die Tür des Fahrstuhls im nächsten Moment, nachdem Ai ungeduldig gegen den obersten Knopf des Navigationsbrettes gehämmert hatte.

Die kurze Zeit, die sie im Aufzug verbrachten, der offenbar schneller war, als der eher langsame, gläserne Touristenaufzug, kam ihnen trotz allem wie eine Ewigkeit vor. Sie nutzten die Zeit zum Verschnaufen, sagten jedoch kein Wort.

Alle drei Jugendlichen spürten ihre Wunden brennen, die sie noch immer vom Kampf mit dem Magnamon hatten.

Dumpf drang noch immer der Feueralarm zu ihnen und auch an der Anzeigetafel des Aufzugs brannte eine Warnlampe, welche sie jedoch ignorierten. Das leise „Pling“, mit dem sich die Tür im 21. Stockwerk schließlich öffnete, kam ihnen wie eine Erlösung vor, und liefen auf den Flur hinaus, der breiter als der in den unteren Stockwerken war.

„Und nun?“, fragte Takumi und ließ seinen Blick den Flur hinterwandern. „Wo sind sie?“

Weder die Zwillinge, noch Impmon antworteten, während sie stehen blieben und lauschten.

Der Feueralarm machte es schwer, etwas anders zu hören, doch es schien, als wäre niemand auf dieser Etage.

Genau in diesem Moment hörten sie ein lautes Krachen und sahen synchron zur Decke hinauf.

„Auf dem Dach!“, rief Ai aus und lief zur Tür des Treppenhauses, um die letzten Stufen zum Dach hinaufzulaufen.

Tatsächlich hing die Tür, die wahrscheinlich normal verschlossen war, nur noch gerade so in den Angeln, und die drei Tamer und Impmon liefen auf den Helikopterlandeplatz hinaus, der sich hier, jenseits einiger riesiger Satellitenantennen befand.

Der Höhenwind fegte ihnen um die Ohren, doch sie nahmen ihn kaum wahr.

Der Junge, den das Digimon zuvor verfolgt hatte, wurde von Were Garurumon gegen den Zaun gedrückt, während dessen Tamer in der Mitte des großen markierten Kreises auf dem blauen Feld stand mit einer grimmigen Befriedigung in seinem Gesicht.

Blut lief am Körper des Opfers hinunter, das offenbar das Bewusstsein verloren hatte, während das Digimon es beinahe in seiner Hand zu Tode drückte.

In dem Moment hörten sie erneuten Krach und sahen, als sie herumfuhren, wie Hanehamon auf dem Lüftungsschacht am Rande des Daches landete. Es schien erschöpft, stieß sich jedoch erneut vom Untergrund ab, um seinen Gegner anzugreifen.

Einige Trümmer, die von der Kraft des Sprunges von der Befestigung abgefallen waren, lösten sich und fielen in die Tiefe, während Were Garurumon den Jungen unwillkürlich losließ, um Hanehamons Schlag abzuwehren.

Für einen Moment schien es, als würde es zurückgedrängt, doch dann schaffte das dunkle Digimon es die Kraft seines Widersachers gegen diesen selbst zu nutzen und schleuderte Hanehamon gegen den Zaun zurück, der dem Gewicht des fast drei Meter großen Digimons nicht standhielt und einknickte.

Were Garurumon sprang ihm hinterher und drückte Hanehamon auf den Boden.

„Bring es endlich zu Ende!“, schrie der dunkelhaarige Junge außer sich und ging auf den Zaun zu.

„Er...“, begann Takumi, doch noch bevor er seinen Satz fertig sprechen konnte, handelte Ai.

Sie lief zu dem Tamer hinüber, der beinahe den am Boden liegenden, blutüberströmten Jungen erreicht hatte, und riss ihn zurück, indem sie ihre Arme um seine Brust schlang und ihn zu Boden warf.

„Was wollt ihr?“, rief der Junge und sah sie wütend an. „Kommt mir nicht in die Quere!“

„Das Ganze... Das Ganze hier hat ein Ende“, erwiderte Ai, wobei ihre Stimme zitterte, und breitete ihre Arme schützend vor dem Ohnmächtigen aus.

„Noch nicht.“ Der Wahnsinn stand dem Jungen ins Gesicht geschrieben, als er auf Ai zuging und sie offenbar zur Seite schlagen wollte. „Noch nicht. Erst werden sie büßen! Sie werden büßen, was sie...“

Ai fing seine Hand ab und warf ihn erneut zu Boden, als auch Takumi und Makoto Anstalten machten, zu ihnen herüber zu eilen.

Doch da riss etwas anderes die Aufmerksamkeit aller vier Tamer auf sich.

„Ernste Welle!“ Die Aura in einem dunklen Rot glühender Energie fegte über das Dach hinweg und riss einen Krater in die Außenverkleidung des Dachs und den ohnehin schon leicht beschädigten Landeplatz.

Die Attacke war direkt gegen Were Garurumon gerichtet gewesen, das einen Moment vorher die Klauen erhoben hatte, um Hanehamon ein letztes Mal anzugreifen.

Rote Datenpartikel stoben in die Luft, als der Energiestrahl verglüht war und für einen Augenblick herrschte eine gespenstische Stille auf dem Dach.

„Ga... Garurumon...“, flüsterte der Junge schließlich und starrte auf den Fleck, an dem sein Partner gerade noch gewesen war. „Were... Garurumon...“

Da lösten sich auch Daten von Hanehamon, ehe dieses von einem matten Licht umgeben war und schließlich zurückdigiterte.

„Kotemon!“, rief Takumi aus und lief, bevor einer der anderen reagieren konnte zu seinem Partner. Er sprang den Rand des Landeplatzes hinunter und rannte dann über das mit Kies bestreute Dach zu den Childdigimon hinüber. „Kotemon! Ist alles in Ordnung?“

Das Digimon blinzelte. „Es geht schon.“

„Duftmon! Dukemon!“, hörte er Makoto hinter sich rufen, während die zwei Ultimatedigimon auf dem Dach landeten.

Duftmon sah zu dem am Boden liegenden Jungen hinüber. „Sind wir zu spät?“, fragte es leise.

Es war schließlich Ai, die zu dem Ohnmächtigen hinüberging und am Hals nach dessen Puls tastete. „Er lebt noch“, sagte sie gerade laut genug, als dass die anderen sie hören konnten.

Duftmon ging zu ihr hinüber und hob den blutigen Körper vorsichtig auf. „Ich bringe ihn zu einem der Rettungswagen“, sagte es und breitete seine Flügel aus.

Während alle auf das Digimon sahen, das sich nun in die Luft erhob und im nächsten Moment sich schon wieder Richtung Straße sinken ließ, löste sich der andere Tamer aus seiner Starre, während er immer noch den Namen seines Partners murmelte.

„Were Garurumon...“

Takumi bemerkte ihn erst, als der Junge fast neben ihm war. Dieser schenkte ihm nicht einmal Beachtung, während er, wie in Trance, immer weiter ging.

Es dauerte einen Moment, bis Takumi begriff. Er legte Kotemon ab und sprang auf. „Warte!“, rief er aus und machte einige Schritte hinter dem Jungen hinterher, als dieser sich zu ihm umdrehte.

Etwas am Ausdruck in seinen Augen ließ Takumi kurz erstarren.

Da beschleunigte der Junge seine Schritte.

Takumi lief ihm hinterher, doch er wusste auch so, dass er es nicht schaffen würde.

Der Junge erreichte durch den Krater, den Duftmons Attacke in die Brüstung geschlagen hatte, den Rand des Daches. Er zögerte nicht einmal, ehe er sich in die Tiefe fallen ließ.

Auch Takumi war nur noch zwei Meter vom Rand des Daches entfernt, als sich eine Hand um seinen Arm legte und ihn zurückhielt.

„Nicht!“, hörte er eine Stimme.

Er drehte sich langsam um und sah in das Gesicht von Matsuda Takato, dessen Partner bei Ai und Makoto stand.

Im letzten klaren Moment, bevor das Bild von Takumis Augen verschwamm, sah er in den Augen der anderen Tamer denselben bleiernen Schock, den er verspürte. Dann gaben seine Beine auf einmal nach und eine angenehme, kühle Dunkelheit senkte sich über sein Bewusstsein.
 


 

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Anmerkungen und Erklärungen:

Were Garurumon (Black): Die normale Variante dieses humanoiden Tierdigimons sollte jeder von euch nicht kennen. Das Digimon ist auf dem Perfect-Level und - in der schwarzen Variante - vom Typus Virus.

Telecom Center: Eins der größten Gebäude auf Odaiba und eins der Wahrzeichen der Halbinsel. Wie der Name schon sagt gehört das Gebäude der Telecom. Es hat 21. Stockwerke und ist nahezu genau 100 Meter hoch. Es befindet sich recht mittig im Süden von Odaiba. Außerdem ist es für seine Aussichtsplattform, von der aus man bei gutem Wetter den Fuji sehen kann, bekannt.
 

Damit ist zumindest das erste Problem „gelöst“, wenn man es so ausdrücken will. Wobei es natürlich zu weiteren Problemen führen wird, was denke ich klar ist.

Mir ist es am Ende doch recht schwer gefallen, die letzte Szene zu schreiben. Es ist doch etwas recht grausames... Und ja, irgendwie tut mir Kaoru leid.

Da die Frage beim letzten Kapitel aufkam wollte ich noch kurz auf das Thema Ijime eingehen, was leider gerade in Japan, speziell vor allem in den japanischen Großstädten an Schulen ein zu oft totgeschwiegenes Thema ist. Ijime ist eigentlich Mobbing, nur oftmals wesentlich extremer, als es selbst in den extremsten Fällen hier der Fall ist. Es geht über beleidigen und mal „ein wenig“ prügeln hinaus. Oft ist wirklich grobe Gewalt im Spiel und vor allem auch sexuelle Bloßstellung und dergleichen, teilweise auch Todesdrohungen und dergleichen. Ich habe von Fällen gehört, wo die Opfer vergewaltigt wurden, nur um sie zu demütigen. Wenn jemand von euch Manga wie „Vitamin“, „Life“ und dergleichen gelesen hat, dann sollte er wissen, dass die dortige Darstellung nicht überdramatisiert ist.

Ich werde darauf in den nächsten Kapiteln auch noch einmal eingehen, wollte es hier aber noch einmal sagen, um Kaorus Handeln vielleicht etwas verständlich darzustellen.
 

Ich hoffe auf jeden Fall euch hat das Kapitel gefallen!

Ich freue mich wie immer über jedwede Art von Feedback.
 

Ich kann nicht garantieren, dass ich das nächste Kapitel in zwei Wochen online stelle. Es können dieses Mal eventuell auch drei Wochen werden, weil ich im Moment viel zu tun habe (Vorweihnachtsstress). Ich bitte da um euer Verständnis!
 

Bis dann!

Episode 13: Verloren in der digitalen Welt

Ich wünsche euch ein verspätetes frohes neues Jahr!

Und ich gebe zu, dass ich in der Vorweihnachtszeit und zwischen den Feiertagen kaum zu etwas gekommen bin – auch nicht dazu an DBG weiter zu schreiben. Aber dafür ist nun das nächste Kapitel endlich fertig ;)

Dieses Mal geht es nicht in Tokyo weiter, sondern in der digitalen Welt, wo sich – wie ihr euch vielleicht noch von Episode 8 her erinnert – Denrei und Shuichon ziemlich verirrt haben...
 

Ich wünsche euch viel Spaß mit dem Kapitel!
 


 

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Episode 13: Verschollen in der digitalen Welt
 

Als ich das erste mal in die digitale Welt kam, habe ich nicht verstanden, was der Unterschied zwischen digitalem und „echtem“ Leben sein sollte. Terriermon und Lopmon waren für mich genau so real und genau so meine Freunde, wie Jian-nii-san und die anderen es waren. Damals habe ich nicht einmal darüber nachgedacht. Doch auch heute bin ich mir nicht sicher, ob ich einen Unterschied sehe, egal wie oft ich darüber nachdenke.

Eine Sache verstehe ich jedoch: Das wir und unsere Partner Verantwortung für beide Welten tragen.
 

               - Lee Shuichon
 

Es schien egal zu sein, wie weit sie gingen. Ihre Umgebung schien sich nicht zu verändern. Mal wurde der Tunnel breiter, mal schmaller und ab und an - zumindest glaubte Denrei das - veränderte sich die Farbe der aus den Wänden hervorstehenden Kristalle minimal. Doch davon abgesehen könnten sie genau so gut im Kreis laufen und sie hätten es kaum bemerkt. Denn auch die Übersicht darüber wie oft sie, wenn der Weg sich gabelte Rechts oder Links gegangen waren.

Diese Welt hatte eigene Gesetze, so dass es nutzlos erschien sich Stellen, an denen sie schon vorbei gekommen waren, auf irgendeine Weise zu markieren, da sie nicht sicher wissen konnten, ob Markierungen blieben oder dieselben Abzweigungen auch zwei Mal in dieselbe Richtung führten.

„Ich mag nicht mehr weiter laufen“, seufzte Shuichon und blieb stehen. Mit einem erschöpften Stöhnen ließ sie sich auf den Boden fallen.

„Aber wenn wir nicht weitergehen, finden wir hier nie heraus“, bemerkte Lopmon, das auf ihrem Rucksack saß.

„Leicht zu sagen, für denjenigen, der nicht selbst läuft“, giftete seine Partnerin es an. „Magst du nicht auf Denrei reiten? Oder auf Dracomon?“

„Ich bin aber auch müde“, erwiderte das grüne Drachendigimon.

Missmutig sah Denrei zu ihnen, zuckte dann mit den Schultern und ließ sich ebenfalls auf den Boden sinken. „Dann lass uns eine Pause machen. Aber wenn wir nicht weitergehen...“ Er schwieg, denn was er sagen wollte war ohnehin klar.

„Wir können auch in der Nacht weitergehen“, erwiderte Shuichon und ließ ihren Rucksack von ihren Schultern gleiten. „Du hast doch heute morgen selbst gesagt, dass es keinen Unterschied macht, ob wir schlafen oder nicht.“

Daraufhin seufzte der junge Mann. „Ja, das stimmt wohl...“ Er sah an die Decke des Tunnels, der hier etwa drei Meter hoch zu sein schien und vielleicht vier Meter breit. „Ich möchte nur endlich von hier raus.“ Dabei wusste er nicht einmal mehr, wie oft er das schon in den vergangenen Tagen gesagt hatte.

„Vielleicht ist es Nachts anders“, meinte Shuichon hoffnungsvoll. „Ich mein, vielleicht verändert sich dann etwas...“ Sie ließ ein Seufzen hören. „Ich möchte mal wieder etwas essen.“

Das konnte Denrei verstehen. Immerhin hatten sie nichts zu Essen mitgenommen, denn immerhin brauchten sie keine Nahrung um in dieser Welt zu überleben. Doch auch wenn sie hier keinen wirklichen Hunger verspüren konnten, so war es doch ein seltsames Gefühl seit Wochen nichts gegessen zu haben. „Ich auch“, erwiderte er daher.

„Es bringt nichts zu jammern“, meinte Lopmon. „Wir müssen weiterlaufen und suchen.“

„Aber ich will nach Hause“, jammerte Dracomon und ließ seine Flügel hängen.

Für eine Weile herrschte Stille - wirklich vollkommene Stille, da es in diesen Höhlen nichts gab, was ein Geräusch machen konnte, so dass das einzige, was sie hörten, ihr eigener Atem war.

„Was so seltsam ist...“, begann Shuichon schließlich wieder, „Wir haben bisher kein einziges Digimon hierunten gesehen. Wieso sind hier keine Digimon?“

„Wir sind doch hier“, warf Dracomon ein.

„Ja, aber von uns abgesehen?“, erwiderte Lopmon. „In dem Waldgebiet, in dem wir den Zugang gefunden haben, waren doch andere Digimon.“

Denrei nickte leicht und überlegte. Er konnte sich noch immer keinen Reim darauf machen, wieso sie hier unten allein waren. Davon abgesehen, dass er fürchtete früher oder später den Verstand zu verlieren, wenn sie hier noch weitere Tage herumliefen, ohne einen Ausgang und ohne eine Abwechselung.

Er fühlte sich eingesperrt.

„Wie lange dauert es wohl noch, bis es dunkel wird?“, murmelte er schließlich und sah zu den rot glühenden Steinen.

Shuichon zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. Vielleicht in ein, zwei Stunden?“

Die Tage in dieser Welt waren 14 Stunden lang, die Nächte zehn. Daran änderte sich nichts, da dies offenbar irgendwann einmal festgelegt worden war. Ob es der Wild Bunch damals so programmiert oder diese Welt es sich „selbst“ ausgesucht hatte, vermochte er nicht zu sagen.

Bisher waren sie selten in der Nacht gewandert, auch wenn er Shuichon recht gab: Manche Dinge änderten sich mit Einbruch der Nacht in dieser Welt. Doch da das Dämmerlicht der Nächte schwer mit dem Auge zu durchdringen war, war es zumindest in vielen anderen Gebieten unpraktisch bei Nacht zu laufen, da es vor allem in der digitalen Welt weiterhin viele aggressive Digimon gab, von denen einige auch ihr Revier verteidigten oder aus Kampflust einen Gegner suchten.

Doch hier schien ihnen keine direkte Gefahr zu drohen, zumindest nicht dieser Natur.

In Gedanken versunken hatte er nicht bemerkt, dass das chinesische Mädchen zu ihm gerückt war, so dass er nun zusammenzuckte, als sie den Kopf gegen seine Schulter lehnte.

„Lass uns noch etwas ausruhen und weitergehen, wenn es dunkel wird“, flüsterte sie.

Denrei sah zu ihr und seufzte. „In Ordnung“, erwiderte er. „Aber versuch nicht zu schlafen. Du weißt ja...“

Mit einem genervten Laut unterbrach sie ihn. „Ja, ich weiß, wir brauchen eigentlich keine Schlaf. Ernsthaft... Ich war schon in dieser Welt, als du dir nicht einmal dessen bewusst warst, dass sie existiert.“

Daraufhin zuckte der junge Mann nur mit den Schultern. „Ich meine ja nur...“

Lopmon kicherte. „Dann meine besser nichts mehr.“
 

Die Zeit vergeht nur sehr langsam, wenn man nichts tun kann, so dass man nach einer Weile entweder unruhig oder müde wird. So dauerte es tatsächlich nicht lang, bis Shuichon zusammengerollt und den Kopf auf Denreis Schoß gebettet eingeschlafen war und auch Denrei kurz davor war einzunicken.

Er hatte den Rücken gegen einen Felsen gelehnt und döste vor sich hin. Gerade als er merkte, dass er selbst kurz davor war, in den Schlaf herüber zu gleiten, zuckte er zusammen und setzte sich auf.

Mit einem leisen Seufzen strich er durch Shuichons Haar, das im Moment locker in ihr Gesicht fiel, da sie Zöpfe und Spangen gelöst hatte. Dann hob er die linke Hand und sah auf das kleine, weiße Gerät, das am Gelenk befestigt war.

Das längliche, durch ein metallenes Armband befestigte Gerät hatte einen rechteckigen Bildschirm und drei kleine, rechts neben diesen befestigte Knöpfe. Es war ein Communicator, das Hypnos ihnen mitgegeben hatte. Auch Shuichon hatte ein ähnliches Gerät, für den Fall, dass sie getrennt werden würden.

In der Theorie sollten diese es Hypnos eigentlich möglich machen ihre aktuelle Position zu ermitteln und mit ihnen Kontakt aufzunehmen, doch sie hatten schon aufgehört zu funktionieren, nachdem sie in die tieferen Schichten der digitalen Welt vorgedrungen waren.

Eigentlich wäre es nicht so schlimm, dass sie in der digitalen Welt feststeckten, zumindest nicht für ihn, denn er mochte diese Welt und war sie zumindest für jetzt noch nicht leid. Anders sah es jedoch mit diesem Höhlensystem aus, in dem es jeden Tag dasselbe zu sein schien. Sie konnten nicht in die reale Welt sehen und die Tatsache, dass es hier keine Digimon gab, ließ alles noch viel bedrückender wirken.

Außerdem - so sehr er das Abenteuer in dieser Welt auch liebte - hatten die Vorlesungen an der Universität bereits wieder angefangen und Shuichon würde nun in ihr Abschlussjahr auf der Oberschule kommen. Sie sollten eigentlich wieder zum Unterricht gehen und würden viel verpassen, wenn sie nicht bald in die reale Welt zurückkehrten.

Zumal sie ohnehin nichts über die Anomalie herausgefunden hatten.

„Denrei?“, hörte er die Stimme seines Partners neben sich und sah sich zu diesem um, halb überrascht, dass der kleine Drache nicht mittlerweile auch eingeschlafen war.

„Werden wir überhaupt noch von hier fort kommen?“, fragte Dracomon nun mit hängenden Flügeln.

Der junge Mann antwortete nicht sofort, denn wenn er ehrlich war, hatte er selbst zu zweifeln begonnen. „Ich hoffe es...“

„Ich mag diese Höhle nicht“, stellte das Digimon fest - nicht zum ersten Mal, seit sie hier waren. „Sie ist irgendwie... Nicht gut. Ungut. Irgendwie fühlt sie sich nicht richtig an. Lopmon fühlt es auch.“

„Ich weiß“, antwortete Denrei und nickte.

Lopmon, das - so wusste er mittlerweile - ehemals zu einer Gruppe von Digimon gehört hatte, die sich Deva nannten und den Souveränen gedient hatte, schien zwar meistens unbekümmert, wusste aber mehr über diese Welt, als sie alle und spürte umso deutlicher, wenn etwas nicht stimmte. Und es schien mit jedem Tag besorgter zu werden.

„Deswegen müssen wir weiter“, sagte er dann und sah zu Shuichon. „Wenn es dunkel wird, gehen wir weiter.“

Unschlüssig sah Dracomon zu ihm und dann den Höhlengang hinab. Es war wahrscheinlich selbst müde, zumal diese Welt auf die Digimon anders wirkte, als auf Menschen. Außerdem war es für Dracomon und die anderen Digimon, die in der realen Welt lebten und sich an diese gewöhnt hatten, umso schwerer.

Schließlich ließ es sich fallen und lehnte sich an die Wand der Höhle.

Denrei tat es ihm gleich und schloss die Augen für einen Moment. Vor drei Jahren war Takato etwas ähnliches passiert, als er in die digitale Welt gegangen war. Er war damals mehrere Monate in der digitalen Welt verschollen gewesen. Er hätte deswegen beinahe die Oberschule nicht richtig abschließen können.

In 2001 waren Takato und die anderen Tamer, die ihre Partner bereits damals gehabt hatten, in diese Welt gegangen, um nach einem Digimon namens Culumon zu suchen und waren ebenfalls über einen Monat hier gewesen. Es war damals, von allem was er wusste, denn er hatte zu der Zeit im Krankenhaus gelegen, ohne viel von den Tamern und über die Gesetze der realen Welt zu wissen.

Doch eigentlich sollte man glauben, dass nun, wo die Welten sich so nahe war, es einfacher wäre Kontakt zu halten... Eigentlich...

„Da ist etwas!“, hörte er auf einmal Lopmons Stimme und schreckte auf. Er stellte fest, dass er eingedöst sein musste, denn mittlerweile leuchteten die Kristalle in einem seichten Blau und silbernen Weiß.

Es war Nacht geworden.

Lopmon, das zuvor an Shuichons Seite gelegen hatte, stand nun in der Mitte des Gangs und hatte seine langen Ohren angehoben, um besser hören zu können. Angestrengt sah es den Gang hinab, als hoffte es dort etwas zu erkennen.

Denrei versuchte zu lauschen, doch er selbst hörte nichts.

„Was ist es, Lopmon?“, fragte er daher das Digimon, das ihm einen Seitenblick zuwarf.

„Ich weiß es nicht genau“, erwiderte es. „Aber wir sollten nachsehen.“

Der junge Mann nickte und begann Shuichon an der Schulter zu schütteln. „Shuichon, wach auf“, zischte er und dämpfte dabei automatisch seine Stimme.

Schlaftrunken blinzelte sie. „Was ist denn los?“

Anstatt zu antworten nickte er zu Lopmon hinüber, dessen Körper gänzlich angespannt war.

„Was hast du, Lopmon?“, fragte Shuichon nun und richtete sich auf, doch das Digimon antwortete nicht sofort.

Seine großen Knopfaugen hatte Lopmon verengt, schien es sich immer weiter anzuspannen. „Irgendetwas ist dort...“

„Kommt es näher?“, fragte Denrei schließlich.

„Ich glaube nicht“, antwortete Lopmon ihm leise.

Für einen Augenblick zögerte er, sich dessen bewusst, dass, egal was das Digimon hörte, dies gefährlich für sie sein könnte. Doch gleichzeitig musste er feststellen, dass die größte Gefahr für sie war, dass sie keinen Ausweg aus diesem Labyrinth fanden. Egal was es war, es war das erste Mal, dass sie überhaupt etwas außergewöhnliches hörten.

„Wir sollten nachsehen“, meinte er schließlich und Shuichon nickte stumm. Beinahe wie automatisch band sie sich ihre Haare zu Zöpfen, während sie aufstand und nahm ihren Rucksack, während auch sie offenbar versuchte etwas zu hören.

Denrei stupste seinen Partner an, der nun auch seine Augen öffnete.

„Was...?“, begann dieser, drehte dann aber den Kopf. Offenbar war auch Dracomon fähig zu hören, was auch immer Lopmon hörte.

„Wir gehen nachschauen“, sagte Denrei deswegen und stand nun ebenfalls auf, um seinen Rucksack aufzusetzen.

Lopmon sprang nun auf Dracomons Kopf, um dort weiter mit ausgebreiteten Ohren zu lauschen. „Los“, drängte es dann das andere Digimon, das sich ohne weitere Beschwerde in Bewegung setzte.

Denrei und Shuichon folgten ihnen in einem gemäßigten Laufschritt.

Ihr Weg führte den Gang hinab, bis sie zu einer Gabelung kamen, an der die Digimon jedoch ohne zu zögern den Tunnel nutzten, der nach rechts führte. Es folgte ein weiterer Gang, der schmaler war, als der, in dem sie sich ausgeruht hatten, dann jedoch in einem runden Raum von vielleicht fünf Meter Durchmesser endete, aus dem drei weitere Gänge abzweigten.

Hier zögerte Lopmon, nahm dann jedoch mit Dracomon den mittleren Weg, der ebenfalls schräg nach rechts abzweigte.

Es war schwer zu sagen, wie lang sie liefen, da auch Entfernungen hier schwer abzuschätzen waren, und das Laufen sie nicht einmal wirklich erschöpfte.

Nach einer Weile jedoch wurde dieser Gang breiter und höher, bis er schließlich sechs oder sieben Meter breit war. Und da bemerkte Denrei noch etwas anderes.

Auch Shuichon schien es gesehen zu haben, denn sie blieb stehen und sah zur Wand der Höhle. „Was ist das?“, murmelte sie mit zusammengezogenen Augenbrauen. Sie machte einige Schritte auf die Wand zu.

Nun stoppten auch die beiden Digimon und drehten sich zu ihnen herum, gerade als Shuichon die Hand ausstreckte.

„Fass das nicht an!“, rief Lopmon warnend und die Hand des Mädchens verharrte in der Luft.

In der Wand steckten, neben den Kristallen auch seltsame andere Objekte von tetraedrischer Form. Sie schienen gänzlich weiß zu sein und drehten sich permanent einige Umdrehungen um die eigene Achse, nur, um dann ihre Richtung zu ändern. Auch leuchteten sie blass von innen heraus.

Die Wand um diese Objekte herum flimmerte, wie das Bild in einem schlecht eingestellten Röhrenfernseher.

„Ist das...“, begann Shuichon, während nun auch die beiden Digimon bei ihnen standen.

„Es gehört nicht hierher“, erwiderte Lopmon leise und mit einer gewissen Bitterkeit in seiner Stimme. „Es gehört nicht in diese Welt.“

„Dann ist das die Anomalie?“, fragte Denrei.

Er setzte den Rucksack wieder ab und begann darin zu kramen, denn neben Schlafsachen hatten sie auch einen Tablet-PC und einige andere technische Dinge dabei, um die Anomalie zu dokumentieren, sollten sie sie finden.

„Es wird nicht funktionieren“, murmelte Shuichon auf einmal, noch bevor ihr Freund das Tablet angestellt hatte.

Tatsächlich reagierte das Gerät nicht, als er versuchte es zu starten, wie schon ihre Kommunikatoren zuvor.

„Aber es sollte...“, begann Denrei, brach dann aber ab. Die Geräte waren so gebaut, dass sie in den verzerrten Bedingungen der digitalen Welt funktionierten. Doch wenn Lopmon recht hatte und diese... Ihm fiel kein Wort ein, um die Spuren der Animalie zu beschreiben.

Wenn Lopmon Recht hatte und diese Dinge kein wirklicher Teil dieser Welt waren, dann konnten sie ihre Ausrüstung vielleicht beeinflussen.

Schließlich gab er auf und ließ das Gerät sinken, als Shuichons Kopf herumfuhr. „Was ist das?“, fragte sie, den Blick in die Richtung gerichtet, in die sie vorher gelaufen waren.

Gerade schon wollte Denrei sie fragen, was sie meinte, doch da hörte er es auch. Es war ein seltsames Rauschen, wie von einem gewaltigen Wasserfall, und doch meinte er eine Vielzahl von Stimmen aus diesem Rauschen heraus zu hören.

„Lass uns nachsehen“, murmelte er schließlich, auch wenn ein Gefühl ihm sagte, dass es besser wäre umzudrehen.

Während sie - nun weitaus langsamer als zuvor - wieder losgingen, warf er sich den Rucksack über die Schulter.

Auch die beiden Digimon liefen wieder neben ihnen, doch Dracomons Pupillen waren nun zu Schlitzen verengt, wie es normal der Fall war, wenn ein anderes, wildes Digimon in der Nähe war - ein potentieller Gegner. Doch er bezweifelte nun wirklich, dass sie hier andere Digimon finden würden.

Immer mehr der seltsamen Objekte schienen in der Wand und teilweise auch in den Boden gebettet zu sein, so dass sie ihnen immer wieder ausweichen mussten. Je mehr dieser Tetraeder sie umgaben, desto dunkler wurden die Kristalle, bis sie schließlich nur noch vom gespenstischem Licht der seltsamen Objekte umgeben waren.

Der Gang machte eine sanfte Kurve nach links und als sie diese durchquert hatten, sahen sie in nicht allzu großer Ferne ein Licht, heller als das, welches sie umgab. Doch das war nicht das einzige, was sie sahen...

Shuichon blieb wie angewurzelt stehen. „Ein Digignom“, flüsterte sie dann auf einmal und lief ohne Vorwarnung los.

Tatsächlich lag die Gestalt einer der seltsamen Lebensformen der digitalen Welt nicht weit von ihnen entfernt am Boden.

Als Shuichon das Feenwesen erreichte, hob sie es auf und nahm es in den Arm. „Was ist mit dir?“, fragte sie und sah es besorgt an. „Hey, Kleiner, was ist denn los?“

Langsamer kamen auch Denrei und die beiden Digimon näher.

Der Digignom schien außergewöhnlich blass und geschwächt zu sein. Auch leuchtete er nicht, wie es die Gnome normal taten und es schien beinahe, als wäre er tot. Doch was machte er überhaupt hier?

Da gab das Wesen einen leisen Laut von sich und öffnete die Augen, um sie anzublinzeln.

„Was ist passiert?“, fragte Shuichon, auch wenn sie sich sicher dessen bewusst war, dass das Geschöpf ihr nicht antworten konnte.

Erneut machte es einen Laut, schloss dann jedoch wieder die Augen.

„Irgendetwas ist dort“, sagte Lopmon nun und sah nach vorne, hin zu dem seltsamen Licht.

„Ob es etwas mit ihm zu tun hat?“ Shuichon sah besorgt zu dem Gnom in ihren Armen, dann zu Lopmon und schließlich zu Denrei.

„Wir werden es herausfinden“, erwiderte dieser und setzte sich dann in Bewegung.

Das Mädchen nickte und folgte ihm, zusammen mit den Digimon.

„Ich habe ein ungutes Gefühl“, murmelte Dracomon dabei und schien sich nicht ganz sicher, ob es weiterlaufen wollte, folgte aber aus Treue zu seinem Tamer.

„Ich auch nicht“, antwortete ihm Lopmon. „Aber wir müssen herausfinden, was hier vor sich geht.“

Je näher sie dem Licht kamen, desto besser konnten sie es erkennen. Es schien in einem Raum zu sein, der an den Gang angeschlossen war und größer war als dieser. Auch schien es, als würde es sich bewegen, jedoch nicht flackernd, wie Feuer, sondern auf eine seltsame kontrollierte Art und Weise.

Auch war das Licht vollkommen weiß.

Nun war beinahe die gesamte Wand mit den Tetraedern bedeckt und sie taten sich schwer zwischen den Anomalien im Boden einen Weg zu finden.

Und da erkannten sie, was das Licht war. Es bestand ebenfalls aus Tetraedern, jedoch welchen, die wesentlich größer waren, als die in Wand und Boden.

Unwillkürlich blieb Denrei stehen, unsicher ob er wirklich weiterlaufen sollte. Da ließ ihn ein kurzer Aufschrei von Shuichon herumfahren.

„Was ist los?“, fragte er, sah es dann jedoch selbst. „Shuichon!“, rief er aus.

Das Mädchen war bis zu den Knien in dem um einen Tetraeder herum flackernden Boden versunken, als wäre es Wasser und schien mit jedem Moment weiter zu versinken.

„Shuichon!“, rief auch Lopmon und sprang auf ihren Kopf. Doch ohne zu digitieren, hatte es wenig Chancen ihr zu helfen.

Vorsichtig selbst nicht in eine der flackernden Zonen zu treten, lief Denrei zu ihr und griff nach ihrem freien Arm um ihr zu helfen.

Auch sie umfasste seinen Arm, so dass sie Halt fand, als er sich zurücklehnte und sie so ein Stück aus dem zähflüssig wirkendem Untergrund herauszog. Sie stolperte auf den festen Boden und wäre hingefallen, hätte Denrei sie nicht aufgefangen.

„Was ist das?“, flüsterte sie leise und sah auf ihre Beine hinab, die nun selbst leicht flimmerten, wie der Boden um das Tetraeder herum.

Der junge Mann schüttelte den Kopf. Er sah wieder zum Ende des Tunnels, das nicht mehr weit von ihnen entfernt war. „Lass uns nachsehen?“

Zögerlich nickte Shuichon und sah auf ihre Beine hinab, die nun langsam aufhörten zu flackern. Vorsichtig verlagerte sie ihr Gewicht und ließ ihren Freund los, als sie feststellte, dass sie wieder selbst stehen konnte.

„Sei vorsichtig“, warnte Lopmon sie mit besorgtem Blick.

Erneut nickte das Mädchen nun und folgte Denrei – nun verstärkt auf den Boden achtend – als dieser sich langsam dem Ende des Tunnels näherte.

Dieser endete tatsächlich in einem großen Saal, wie es schien, dessen Wände wie in einer Kathedrale weit hinaufreichten. Wie weit konnten sie nicht genau sagen, denn vielleicht zwanzig oder dreißig Meter über ihnen flogen viele, sehr viele Digignome ihre Kreise.

„Was...“, begann Shuichon und machte einen Schritt weiter, doch Denrei streckte die Hand aus, um sie zurück zu halten.

Der Saal war vielleicht sechzehn oder siebzehn Meter breit, doch die Quelle des Lichts – eine riesige Halbsphäre bestehend leuchtenden Tetraedern – nahm einen Großteil des Raumes ein.

Nun, wo sie die vielen Digignome sahen, wussten sie auch, was das Rauschen verursachte. Es waren die Bewegung und die Stimmen der vielen digitalen Wesen, die sich hier versammelt hatten.

„Was machen sie hier?“, murmelte Denrei und sah zu den Gnomen hinauf.

Niemand antwortete ihm.

„Etwas kommt“, flüsterte Lopmon auf einmal und sah zu den digitalen Wesen hinauf, die auf einmal Abstand nahmen. „Wir sollten zurück gehen...“, murmelte es, doch es war bereits zu spät.

Weiße Blitze zuckten aus der Sphäre hervor und trafen auf die Wände, sprühten dabei Funken. Dann zuckten weitere Blitze von den Wänden zur Sphäre zurück und es schien, als würde sich diese mit Energie aufladen.

Plötzlich stoben die Digignome auseinander, als ein weiterer Blitz, wesentlich dicker als die bisherigen oben aus dem seltsamen Gebilde senkrecht hervorschoss.

Ein tiefes Grollen erfüllte die Luft und der Boden bebte. Doch bevor sie sich einen Reim darauf machen konnten geschah noch etwas anderes:

Dünne hellviolette, fast pinke Fäden kamen zwischen den Tetraedern der Sphäre hervor und verbanden sich mit allem was sie erreichten. Einige Digignome, die nicht vorsichtig genug waren, wurden von diesen tentakelartigen Kontaktarmen berührt und begannen zu flackern. Einige von ihnen wurden von den Armen umwickelt und in die Sphäre gezogen, während andere sich noch in Sicherheit bringen konnten, bald aber erschöpft zu Boden fielen.

Noch bevor einer von ihnen reagieren konnte, spürte Denrei ein merkwürdig taubes Gefühl in seinem Arm und bemerkte zu spät, dass sich einer der Fäden um seinen Arm gewickelt hatte, der nun ebenfalls begann zu Flackern.

„Verdammt!“, stieß er aus und versuchte sich von dem Faden loszureißen, doch dieser wickelte sich nur noch enger um seinen Arm.

„G-Shurunen!“ Noch bevor Shuichon oder Lopmon reagiert hatten, schoss Dracomon einen Laserstrahl ab, der den Faden eigentlich durchschneiden sollte, doch obwohl der Laser durch ihn hindurchdrang, schien er keinen Schaden anzurichten.

„Denrei“, rief nun auch das Mädchen an und griff unbedacht nach dem Band, zog ihre Hände jedoch zurück, als diese im selben Moment noch, als sie das fremde Material berührten, zu flimmern begannen.

„Wir können es nicht berühren“, warnte Lopmon und sprang auf den Kopf seiner Partnerin hinüber, um diese zurückzuhalten.

„Fass mich nicht an“, rief auch Denrei, als sie die Hände trotz der Warnung des Digimon erneut ausstreckte. Dabei spürte er, wie sich Spannung auf dem Band aufbaute und ihn zur Sphäre zu ziehen schien. Er lehnte sich zurück, um dem Zug entgegen zu wirken, geriet jedoch nur wenige Augenblicke später ins Stolpern, als die Sphäre begann mit größerer Kraft zu ziehen.

„Denrei!“, riefen nun Shuichon und die beiden Digimon, während er nun versuchte mit seiner linken Hand den Faden von seinem rechten Unterarm zu lösen. Doch der seltsame Faden löste sich kein Stück. Stattdessen griffen Taubheit und Flackern nun auf über seine linke Hand auch auf seinen zweiten Arm über, während er weiter auf die Sphäre zu stolperte.

„Denrei!“, hörte er die Stimmen der anderen, als er nur noch knapp einen Meter von den Tetraedern entfernt war und seine rechte Hand diese schon beinahe berührte.

Er merkte, wie Dracomon sein linkes Bein umfasste, während Shuichon versuchte ihn an seinen Schultern zurück zu ziehen, was jedoch kaum etwas daran änderte, dass er langsam, aber stetig auf die Sphäre zugezogen wurde.

„Lasst los“, keuchte er durch zusammengepresste Zähne hervor. „Sonst werdet ihr auch...“

In dem Moment berührten seine Finger die Oberfläche eines Tetraeders und eine Art elektrischer Schock durchfloss seinen Körper.

„Lasst los!“, wiederholte er nun lauter.

Doch weder sein Partner, noch das Mädchen, dessen Partner nun den ohnmächtigen Digignom hielt, antworteten oder ließen ihn los.

Langsam verschwand seine Hand zwischen den Tetraedern, dann ein Teil seines Unterarms, während er versuchte sich aus den Griff von Shuichon und Dracomon zu winden.

Damit beschäftigt, bemerkte er nicht, dass das Rauschen verstummt waren und keiner der Digignome einen Laut von sich gab. Erst, als ein lautes Knallen, wie von einer Explosion über ihnen erklang, sah er auf, gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie leuchtende Pfeile auf sie hinabregneten.

„Arrow of Apollo!“

„Arrow of Artemis!“

Erschrocken hob instinktiv seinen freien Arm über den Kopf um sich zu schützen.

Doch keiner der Pfeile traf ihn, Shuichon oder eins der beiden Digimon. Stattdessen traf der Hagel aus Pfeilen die Sphäre und brachte dadurch die Tetraeder zum zittern, ehe sich eine ohne Vorwarnung eine große Pranke um die beiden Tamer und ihre Partner legte und sie von der Anomalie wegzog.

Seltsamer Weise ließ sich Denreis Hand nun aus der vermeintlich eisernen Umklammerung des Fadens lösen und einen Moment spürten alle vier die Beschleunigung, als das Digimon, in dessen Pranke sie nun gefangen waren, sich vom Boden abstieß und in die Luft sprang.

„Was...“, begann Denrei, als sich die Pranke öffnete und sie mehr oder weniger sanft auf sandigen Boden abgesetzt wurden.

Über ihnen erstreckte sich der blaue Himmel der Digiwelt, durch dessen Datennetz sie weit entfernt die reale Welt erkennen konnten. Wind wehte durch ihre Haare, während sie sich in der sandigen Wüste, in der sie waren, umsahen.

„Apollomon!“ Wie so oft war Shuichon die erste, die die Sprache wiederfand. „Dianamon!“

Die beiden Ultimatedigimon sahen auf sie hinab. Apollomons lange Mähne flatterte im Wind, während Dianamon auf ihrer etwa zwei Meter in der Luft schwebenden Sense saß und seinen Blick auf sie gerichtet hatte.

Ungläubig sah auch Denrei zu ihnen auf. Er kannte genau ein Apollomon und ein Dianamon und beide hatten, als sie noch auf dem Childlevel waren bei ihnen in der realen Welt gelebt. „Coronamon? Lunamon?“

„Ihr habt uns gerettet“, stellte Lopmon förmlich fest.

„Vielleicht“, erwiderte Dianamon.

„Vielleicht?“, wiederholte das langohrige Childdigimon und sah fragend zu der Göttin hinauf.

„Wir wissen nicht, was mit jenen geschieht, die in dem bleichen Licht verschwinden“, erwiderte das weiblich wirkende Digimon.

Für einen Moment herrschte Schweigen.

„Was macht ihr hier?“, brach es dann auf einmal aus Apollomon hervor und das Digimon ging in die Hocke, um seine alten Freunde besser betrachten zu können. „Wieso seid ihr nicht in eurer Welt?“ Es streckte einen seiner großen Finger an, um Denrei an zu stupsen.

Der junge Mann rieb sich die Stelle, an die das Digimon ihn gestupst hatte, und rutschte vorsichtshalber etwas zurück, um sicher zu gehen, dass Apollomon ihn nicht aus Versehen verletzte, sofern dies in dieser Welt so einfach möglich war. Kurz sah er auf seinen Arm, der langsam aufhörte zu flackern, ehe er den Blick wieder auf das Digimon richtete. „Wir sind hergekommen, weil wir...“ Seine Stimme versagte ihm, zu tief saß noch der Schrecken, über das, was gerade passiert war.

Stattdessen stand Shuichon nun auf. „Wir haben in unserer Welt bemerkt, dass sich die Digiwelt seltsam verändert und wollten der Sache auf den Grund gehen. Hypnos vermutet, dass es eine Anomalie gibt. Vor einigen Tagen sind wir in diesen Höhlen gelandet und heute haben wir...“ Nun suchte auch sie nach den richtigen Worten. „Heute haben wir das da gefunden.“ Sie zeigte auf ein großes Loch im Boden ein ganzes Stück von ihnen entfernt, um das herum der Sand selbst ebenfalls leicht zu flackern schien, während ein Schwarm Digignome über ihm seine Kreise zog. „Was war... Was ist das?“

Zuerst antworteten keins der beiden Ultimates.

Schließlich sah Dianamon zu dem Loch, durch das sie zuvor offenbar gekommen waren, und wandte sich dann wieder den beiden Tamern und deren Partnern zu. „Ich nehme an, das ist die Anomalie, die ihr gesucht habt. Zumindest eine von ihnen...“
 


 

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Anmerkungen und Erklärungen:

Apollomon: Ein Götterdigimon auf dem Ultimatelevel. Es ist vom Typus Serum und verkörpert das Element des Feuers. Als Childdigimon Coronamon landete es einst unfreiwillig in Tokyo, wo sich die Tamer um es kümmerten.

Dianamon Ein Göttinnendigimon auf dem Ultimatelevel, das den Typus Datei trägt. Es verkörpert Wasser und Eis und schlüpfte einst aus demselben Digiei wie Apollomon. Zusammen mit seinem „Bruder“ landete es vor drei Jahren in Tokyo. Nun, wo die Souveränen durch D-Reaper ausgelöscht wurden, wachen die beiden über die digitale Welt.
 

Ja, unsere Digizwillinge sind nun auch wieder dabei und haben eine recht große Aufgabe übernommen. Dafür streiten sie nun auch weniger. Sie sind sozusagen erwachsen geworden ;) Nur ab und zu...

Vielleicht erkennt übrigens jemand von euch diese „Anomalie“, die der siebten Episode von Digimon Tamers entstammt. Die Idee, diese noch einmal einzubauen verdanke ich Konaka, der nett genug war auf Anfrage die Hintergedanken besagter Folge zu erklären. Ich liebe bisher unverwendete Ideen ;)
 

Im nächsten Kapitel (das wahrscheinlich in drei Wochen kommt) geht es dafür in Tokyo mit Takumi, Takato und den anderen weiter, die jetzt einige Probleme haben...
 

Ich hoffe das Kapitel hat euch gefallen!

Ich freue mich wie immer über Feedback!

Episode 14: Still schweigend

Um das letzte verspätete Kapitel wieder gut zu machen, gibt es nun ein um eine Woche verfrühtes Kapitel ;) Lernen inspiriert mich irgendwie, möchte ich hier behaupten.

Bevor es mit dem Kapitel losgeht, möchte ich diejenigen von euch, die noch nicht an der neuen Umfrage bezüglich der „Origin Stories“ teilgenommen haben, auf eben diese aufmerksam machen: http://animexx.onlinewelten.com/umfragen/69150/ Denn ich habe vor, die Hintergrundgeschichten der Charaktere noch auszuarbeiten.
 

Dieses Kapitel behandelt vorrangig den After Math von Nagashima Kaorus Amoklauf und wie sich dies auf dieser ohnehin schon angespannte Situation auswirkt.

Ich wünsche euch viel Spaß damit!
 


 

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Episode 14: Still schweigend
 

Als Tamer werden allgemein hin Menschen bezeichnet, die Partner eines Digimon sind und ein Digivice – auch D-Arc genannt – besitzen. Die meisten bekannten Tamer sind Jugendliche und Kinder, da die digitalen Monster aufgrund ihrer Entstehung sich speziell zu Kindern hingezogen fühlen, es gibt jedoch auch einzelne bekannte erwachsene Tamer. Es ist noch immer nicht genau geklärt, was Digimon im generellen dazu bewegt die Nähe von Menschen zu suchen. Bekannt ist jedoch, dass emotionale Energie des Tamers auf den Partner – im positiven, wie im negativen – übertragen werden kann.
 

       - Auszug aus dem Buch „Digitales Leben und wie es unsere Realität beeinflusst“ von Sagisu Yoshimasa
 

Tropf... Tropf... Tropf...

Das Geräusch von Wassertropfen drang zusammen mit einem regelmäßigen Piepen in Takumis Bewusstsein. Was war das?

Er versuchte seine Augen zu öffnen, doch seine Lider waren unglaublich schwer. Hatte er geschlafen? Noch einmal versuchte er, die Augen zu öffnen, und schaffte es schließlich zu blinzeln.

Zu seiner rechten Seite sah er ein Fenster, vor dem ein Sichtschutz heruntergezogen war. Es war vielleicht einen Meter von dem Bett, in dem er lag entfernt. Draußen schien es bereits dunkel zu sein.

Vor dem Fenster stand ein Ständer, auf dessen halber Höhe ein kastenartiges Gerät angebracht war. Über dem Kasten hing ein Beutel mit einer Flüssigkeit, die aus dem Beutel in eine Art Zylinder tropfte und von dort aus in einen Schlauch lief.

Länger konnte er die Augen nicht aufhalten.

Langsam begriff er jedoch, dass er in einem Krankenhaus war. Doch was machte er hier? Wie war er hierher gekommen?

Angestrengt dachte er nach.

Sein Kopf schmerzte.

Was war nur geschehen? Was war geschehen?

Er war in Odaiba gewesen. Es war Golden Week. Und dann waren sie Angegriffen worden. Genau, es war ein Mädchen gewesen mit einem Flymon.

Langsam sickerte die Erinnerung in sein Bewusstsein zurück und mit ihr auch eine andere Frage: Kotemon? Wo war Kotemon?

Sie hatten gekämpft. Daran erinnerte er sich. Und dann war ein wildes Digimon aufgetaucht, das ähnlich seltsam gewesen war, wie das Magnamon vor einigen Tagen. Beelzebumon und die Zwillinge waren da gewesen. Und das Flymon hatte die Daten absorbiert. Und dann?

War Dinohumon wirklich digitiert?

Doch das war nicht alles gewesen. Nein. Es war noch mehr passiert.

Sie hatten Schreie gehört und dann...

Unwillkürlich zuckte er zusammen und merkte erst jetzt, dass auch der Rest seines Körpers zu schmerzen schien.

Der Rhythmus des Piepsens beschleunigte sich, als er sich an den Jungen mit dem schwarzen Garurumon erinnerte. Er hatte versucht andere Jungen zu töten mit der Hilfe seines Digimon. Er wusste, dass er ihm gefolgt war und sie waren im Telecom Center gewesen. Irgendwann war das Garurumon auch digitiert und dann... Es hätte Hanehamon getötet. Aber dann waren zwei andere Digimon erschienen und hatten sie gerettet... Oder hatte er das nur geträumt?

Doch dann kam ihm das letzte in den Sinn, an das er sich erinnern konnte. Der Junge, der Mörder, er... Er hatte sich selbst umgebracht. Er war vom Dach des Centers gesprungen. Das konnte er nicht überlebt haben. Das...

Er hörte Schritte, die sich seinem Bett näherten und schaffte es mit einiger Anstrengung noch einmal die Augen zu öffnen.

Eine Krankenschwester stand am Fußende seines Bettes, zu dessen linker Seite ein grüner Vorhang vorgezogen war, der ihm den Blick auf den Rest des Zimmers versperrte.

„Bist du wach?“, fragte die Schwester und sah ihn an. Sie schien noch sehr jung zu sein, vielleicht Mitte zwanzig. Ihre schwarzen Haare hatte sie unter einer Schwesternhaube zurückgebunden.

Er schaffte es zu nicken und sie kam neben sein Bett.

„Kannst du dich an deinen Namen erinnern?“, fragte sie.

Für einen Moment schwieg er, da seine Kehle trocken war und schmerzte. „Shirou Takumi“, brachte er dann heiser hervor.

Sie nickte. „Gut.“ Sie nahm ein Stethoskop, das um ihren Hals hing und befestigte eine Manschette um seinen linken Arm. „Ich messe nur deinen Blutdruck. Der Arzt wird später nach dir schauen.“

Darauf reagierte er nicht. Er lag nur da und schloss erneut die Augen, bis er merkte, dass sie die Manschette wieder löste. Nun zwang er sich seine Augen noch einmal zu öffnen uns sah sie an.

„Wo ist Kotemon?“, krächzte er.

Die Schwester sah ihn für einen Moment an, schüttelte dann aber den Kopf. „Ich weiß es nicht.“ Dann ging sie und verschwand damit aus seinem Blickfeld.

Warum war er ohnmächtig geworden und wann? Er wusste es nicht. Doch langsam wurde ihm eins klar: Wenn er dort auf dem Dach das Bewusstsein verloren hatte und daraufhin ins Krankenhaus gebracht worden war, würde auch sein Vater davon erfahren...
 

„Bisher wurden 35 Personen in die umliegenden Krankenhäuser gebracht, unter denen sich auch zwei Kinder befinden. Die Polizei spricht von fünf Toten. Dazu, wie es zu dem Vorfall gekommen ist, gibt es bisher keine Angaben. Auch wollte sich niemand auf der Seite der Regierung zu den Geschehnissen äußern.“

Bilder flimmerten über den Bildschirm des Fernsehers, die nur wenige Stunden alte Aufnahmen des Telecom Centers zeigten. Sie zeigten Rettungswagen, die die Straßen um das Gebäude blockierten und Menschen, die von Ersthelfern versorgt wurden. Auch konnte man sehen, dass das Gebäude nun komplett von Absperrband umgeben war und offenbar einigen Schaden von dem Digimonkampf davongetragen hatte.

Für einen Moment war sich Rin sicher, die beiden Geschwister, die zu dem Impmon gehörten, in Behandlung von einem Arzt zu sehen, doch dann wechselte das Bild.

Die Medien waren so mit dem Vorfall beschäftigt, dass der Digimonkampf, der nur kurz Vorher am Kai des Odaibahafens stattgefunden kaum erwähnt wurde.

Dann waren die anderen Tamer also, nachdem sie weggelaufen waren in einem Kampf mit dem Mörder, über den die Medien schon eine Weile berichtet hatten, verwickelt worden?

Das Mädchen sah auf Kunemon hinunter, das auf ihrem Schoß saß und mittlerweile wieder bei Bewusstsein war. „Wie es dem Jungen wohl geht?“, murmelte sie leise, wohl wissend das ihr stummer Partner nicht antworten würde.

Es war bereits dunkel im Wohnzimmer der recht geräumigen Wohnung, in der sie – mal wieder – vollkommen allein war. Ihr Vater war auf Geschäftsreise und sie glaubte nicht, dass ihre Mutter vor zehn oder elf nachhause kommen würde.

Es war nie schwer gewesen ihnen Kunemon zu verheimlichen. Sie sahen sie ja ohnehin nur selten und wenn Rin ehrlich war, so glaubte sie nicht, dass es sie groß interessieren würde, dass ihre Tochter ein Digimon Tamer war.

Mit einem Seufzen nahm sie die Fernbedienung, die auf dem dunklen Sofa direkt neben ihr lag und schaltete durch die Kanäle, bis sie schließlich einen Anime fand, der auf einem der reinen Animationskanäle ausgestrahlt wurde.

Eigentlich war es eine Verschwendung, dass sie eine so große Wohnung hatten, fand sie. Neben dem Wohnzimmer, dass sich zur Mitte hin vertiefte, wo Fernseher, Couch und ein Tisch standen, war ein geräumiges Esszimmer zu finden, das – wie man es oft fand – nur durch eine Halbwand vom Wohnzimmer getrennt war. Doch das Esszimmer wurde ebenso selten genutzt, wie die nicht minder geräumige und hatte mit dunklen Marmor vertäfelte Arbeitsflächen. Allgemein war die Küche gut ausgestattet, obwohl sich Rin nicht erinnern konnte, wann dort das letzte Mal jemand wirklich etwas gekocht hatte.

Als nach dem Eyecatch die Werbung eingeblendet wurde, seufzte das Mädchen. „Was hältst du davon, wenn ich uns etwas zu essen bestelle, Kunemon?“, fragte sie und ihr Partner nickte, ehe er auf ihre Schulter krabbelte.

So stand sie auf und ging zum Telefon, das auf einem kleinen Tisch im Flur stand. Blindlings öffnete sie die Schublade unter dem Tisch und holte irgendeine Broschüre heraus. Als sie diese öffnete, stellte sie fest, dass es ein Chinese war. Mit einem Schulterzucken wählte sie die Nummer und bestellte ebenso nach dem Zufallsprinzip zwei Gerichte.

Als sie sich schließlich wieder auf das Sofa fallen ließ, ließ sie ein erneutes Seufzen hören.

Während ihr Partner wieder auf ihren Schoß krabbelte, sah sie diesen an. „Ich frage mich wirklich, wie es dem Jungen geht“, murmelte sie und merkte zum ersten Mal so etwas wie ein schlechtes Gewissen. Hätte sie sich vielleicht an dem Kampf beteiligen sollen? Doch sie hätte doch ohnehin nichts machen können...

Aber der Junge... Er hatte Kunemon gerettet.

Wieso eigentlich? Wieso hatte er ihr geholfen? Denn sie war sich sicher: Wäre es anders herum gewesen, hätte sie nichts riskiert für jemanden, den sie nicht einmal kannte. Sie wäre gelaufen – geflohen... So wie sie es auch heute am Ende getan hatte.
 

Eine eisige Kälte herrschte in dem Raum, während auch durch die zwei Wände, die sie von ihnen trennte, der Lärm der Reporter zu hören war, die nun schon eine Weile auf eine Pressekonferenz warteten.

„Und was haben Sie vor ihnen zu erzählen?“, fragte der Minister kühl und sah erst zu Yamaki, dann zu Ryou, die an dem Verhandlungstisch saßen, vor dem der Politiker auf und ab schritt. „Wie wollen Sie ihnen das erklären?“

„Mit den Tatsachen?“, erwiderte Ryou in einem nüchternen Tonfall.

Yamaki warf ihm einen warnenden Blick zu, doch der junge Mann achtete nicht darauf.

„Wissen Sie, wie viel Kritik es bereits jetzt hagelt? Die Leute waren schon vorher nicht mit der Legalisierung der Tamer einverstanden! Sie haben strengere Kontrollen gefordert! Was glauben Sie, was sie jetzt fordern werden?“, fuhr der Minister Ryou an, der ihn nur Abschätzig ansah.

„Es ist doch ohnehin egal, was die Gesetze sagen“, meinte er, „solange diese niemand durchsetzen kann. Und können Sie oder irgendeiner ihrer idiotischen Politikkollegen sie durchsetzen? Können Sie irgendetwas gegen ein Digimon tun?“ Er stand auf und sah den wesentlich kleineren Mann geringschätzig über den Tisch hinweg an.

„Ryou!“, rief Takato, der abseits von den anderen Männern saß, warnend aus und stand nun ebenfalls auf.

Auch Guilmon richtete sich auf und sah verwirrt zwischen den Männern hin und her.

„Es ist doch wahr!“, erwiderte Ryou gereizt und sah zu dem anderen Tamer. „Dieser Trottel könnte nicht einmal gegen mich etwas tun.“ Er wandte sich wieder dem Minister zu. „Ich sage Ihnen etwas: Wären nicht die anderen Tamer zufällig in der Nähe gewesen, hätte es noch mehr Tote gegeben! Wären sie nicht da gewesen, hätte Nagashima Kaoru vielleicht nicht gestellt werden können. Und einer von ihnen war ebenfalls ein illegaler Tamer!“

Nun erwiderte der Politiker seinen Blick jedoch nicht minder abschätzig. „Sind Sie sich da so sicher, Akiyama-san?“, fragte er. „So wie ich das sehe, hätte es ohne den Kampf, den diese Digimon miteinander angefangen haben, weniger Schaden an dem Gebäude gegeben und damit wohl auch weniger Verletzte!“

„Nagashima wäre dem Higami-Jungen auch so ins Gebäude gefolgt und er hat keine Rücksicht auf Verluste genommen“, gab Ryou gereizt zur Antwort. „Davon abgesehen können wir uns nicht um jedes wilde Digimon kümmern, das aus irgendeinem Grund durchdreht! Können Sie es?!“

„Ryou...“, begann Takato erneut, wenn auch weniger energisch.

Nun schnaubte der Politiker. „Dann sollen wir Ihrer Meinung nach die Sicherheit unseres Landes ein paar Kindern und ihren Monstern überlassen, Akiyama-san?“ Er wandte ihm den Rücken zu. „Sicher nicht. Eher vertreiben wir alle Monster aus diesem Land.“

Daraufhin ließ Ryou ein trockenes Lachen hören. „Und wie? Mit Ihren so erfolgreichen Waffen, die den meisten Digimon ab dem Perfect-Level nicht den geringsten Schaden zufügen? Sie wissen genau so gut wie ich, dass Sie keinerlei derartige Macht haben. Davon abgesehen war es ein Versuch, die Digimon zu vernichten, gewesen, der uns in diese Lage gebracht hat, wenn Sie sich noch daran erinnern?“

Bevor der Politiker etwas sagen konnte war Yamaki aufgestanden. „Es reicht, Akiyama.“

Ryou funkelte ihn an, sagte aber nichts mehr. Stattdessen richtete er sich zu seiner vollen Größe auf und strich sein Jackett glatt. Er machte Anstalten, den Raum zu verlassen, als Takato ihm die Hand auf die Schulter legte.

„Was?“, fuhr Ryou ihn leise an.

„Geh du zu den anderen“, sagte Takato besänftigend. „Ich werde mich um die Presse kümmern.“

Für einen Moment sah es so aus, als würde der ältere widersprechen, doch dann schnaubte er nur leise. „Schön“, meinte er, drehte sich um und verließ den Raum durch die Tür an der gegenüberliegenden Wand.
 

Einige Etagen über dem Presseraum, der im zweiten Stockwerk des Metropolitan Government Building gelegen war, saßen Shoji, Ruki, Ai, Makoto und ihre Digimon an einem Tisch in einem weiteren, größeren Konferenzsaal. Außer ihnen waren Reika und Megumi hier, auch wenn letztere mit abwesend wirkendem Blick an der Fensterwand saß und auf die Stadt hinabsah.

Reikas Blick wanderte zu den Zwillingen hinüber. Ai saß in einem der Bürostühle und drehte sich auf diesem in langsamen Tempo um die eigene Achse, während die Augen ihres Bruders auf den Fernseher fixiert waren, der an der Türseite des Raumes an der Wand fixiert war und immer wieder Bilder von Odaiba zeigte.

„Solltet ihr beide nicht doch ins Krankenhaus?“, fragte Reika schließlich.

Ai hörte auf sich zu drehen und sah sie an. „Nein“, erwiderte sie schlicht. „Was sollen wir da?“

Die erwachsene Frau musterte sie. „Nach all dem, was ihr heute erlebt habt, wäre es besser, wenn ihr in ärztlicher Betreuung wärt.“

Doch Ai schüttelte den Kopf. „Als ob die uns helfen könnten“, meinte sie abfällig. Sie wandte den Blick ab. „Das ist doch Blödsinn...“

„Lass sie“, meinte Ruki, bevor Reika etwas weiteres sagen konnte.

Die Erwachsene sah sie noch einmal missbilligend an, sagte aber nichts mehr sondern richtete ihren Blick nun selbst wieder auf den Fernseher, so dass erneut ein bedrücktes Schweigen im Raum herrschte.

Shoji sah die anderen an. Er wusste genau so gut wie sie, dass das, was heute in Odaiba passiert war, nicht hätte passieren dürfen. Doch es hatte nichts gegeben, was sie hätten machen können. Wären sie früher dort gewesen... Aber wie wäre es möglich gewesen?

Die Polizei war erst einige Minuten, nachdem Nagashima Kaoru im Aqua City Park sein erstes Opfer getötet hatte, alarmiert worden und es hatte noch einige weitere Minuten gedauert, bis die Nachricht zu Hypnos und von dort aus schließlich zu ihm und Takato gelangt war. Natürlich war Ryou bereits früher informiert und auch näher am Geschehen gewesen, doch da Justimon nicht fliegen konnte, hatte er keine Chance gehabt sie eher zu erreichen.

Das einzige, was man ihnen vorwerfen konnte, war, dass sie nicht früher herausgefunden hatten, wer die Morde beging...

Er atmete tief durch. Es machte keinen Sinn jetzt darüber nachzudenken. Er konnte das Geschehene nicht Rückgängig machen.

Gazimon legte seinen Kopf auf den Schoß des Tamers. „Shoji“, meinte es leise und sah ihn an.

Gedankenverloren strich er über das Fell seines Partners, als sein Blick den von Ruki, die neben ihm saß, traf.

Sie schüttelte den Kopf.

Er verstand was sie sagen wollte. Denk nicht darüber nach. Zur Antwort versuchte er ein mattes Lächeln. Er wusste doch genau, dass es ihr nicht anders ging.

Auf einmal wurde die Tür aufgerissen und Ryou kam herein, was auch Monodramon aufblicken ließ, das unter einem der Tische gesessen hatte.

Es lief zu seinem Partner hinüber. „Ryou“, begann es und merkte, dass etwas mit seinem Partner nicht stimmte. „Was ist?“

Der Mann schüttelte den Kopf. „Nicht jetzt.“ Damit löste er seine Krawatte und ließ sich auf den Stuhl zu Rukis linker Seite fallen, der ein Stück zurückrollte, woraufhin alle Blicke sich auf ihn richteten.

Selbst Renamon, das an der Wand lehnte und die Augen geschlossen hatte, öffnete diese nun für einen Moment, um zu ihm hinüberzusehen.

Irgendetwas schien nicht zu stimmen, doch niemand wollte fragen, was geschehen war, dass Ryou noch gereizter war, als er es bereits am Nachmittag gewesen war.

Ruki sah ihn an, doch auch ihrem Blick wich er aus.

„Was...“, begann sie, als er zum Fernseher aufsah.

Dort wurde nun von den Aufnahmen der Geschehnisse am Nachmittag zum Fernsehstudio geschaltet, wo eine Moderatorin zu sehen war. „Wir unterbrechen die Berichterstattung. Uns hat gerade die Nachricht erreicht, dass es nun endlich eine offizielle Stellungnahme von den verantwortlichen Mitarbeitern der Regierung gibt. Wir schalten damit live zur Pressekonferenz in Shinjuku.“

Nun richteten sich alle Augen, auch die der Digimon, auf den Bildschirm, wo sie nun den Presseraum, der praktisch direkt unter ihnen lag, sehen konnten. Wie sie auch ohne die Bilder wussten, war er voller Journalisten, Sprecher der verschiedenen Zeitschriften und Fernsehsender, die ungeduldig warteten. Jemand betrat die Bühne und es war, wie sie nun sahen, Takato, der selbst in einen Anzug gekleidet war.

Kurz sahen sowohl Ruki und Shoji, als auch Reika zu Ryou, doch dieser sagte nichts.

Auch einige Journalisten schienen überrascht, da es bisher meisten Ryou oder Yamaki gewesen waren, die Pressekonferenz gehalten hatten, wenn irgendetwas geschehen war. Einiges Gemurmel war zu hören, das jedoch schlagartig verstummte, als Takato das Mikrofon auf dem Tisch in der Mitte der Bühne erreicht hatte.

„Ich weiß, dass Sie alle hier bereits einige Stunden auf diese Stellungnahme warten“, begann der junge Mann dann ohne förmliche Einleitung. „Ich möchte jedoch klarstellen, dass dies nur eine Stellungnahme zu den Ereignissen ist, die sich heute Nachmittag in Odaiba ereignet haben. Ich werde keine Fragen beantworten.“

Erneut war vereinzeltes Gemurmel zu hören, dass jedoch schnell erstarb. Es war ohnehin nicht üblich, bei Pressekonferenzen der Regierung Fragen zu stellen.

„Am heutigen Nachmittag gegen vier Uhr gab es einen Angriff auf mehrere Menschen in Odaiba. Der Täter war offenbar ein 16jähriger nicht registrierter Tamer, der in Begleitung seines Digimonpartners war. Das erste Opfer wurde im Aqua City Park getötet, woraufhin der Täter seine weiteren Opfer Richtung Südosten verfolgte. Dabei wurde ein weiterer Tamer auf das Geschehen aufmerksam und versuchte den Täter aufzuhalten. Da der Täter offenbar die Verfolgung seiner weiteren Opfer nicht aufgeben wollte, kam es zum Kampf. Als eins der Opfer in das Telecom Center floh eskalierte die Situation. In Folge des Kampfes der beiden Digimon, sind eine Reihe von Sachschäden entstanden, deren genaues Ausmaß im Moment noch unbekannt ist. Im Moment finden sich mehrere Zeugen, die einen Schock und oftmals einige leichte Verletzungen erlitten haben, in ärztlicher Betreuung. 35 Personen wurden mit mittelschweren und schweren Verletzungen in die umliegenden Krankenhäuser gebracht. Bisher gibt es fünf Tote unter denen auch der Täter ist, welcher offenbar auch für die Mordserie der vergangenen Wochen verantwortlich ist.“ Daraufhin machte Takato eine Pause und sah in den Saal. „Das sind alle Informationen, die bisher bestätigt vorliegen.“ Damit wandte er sich ab und verließ die Bühne.

Schweigen erfüllte den Raum, während auf dem Bildschirm nun wieder ins Studio zurückgeschaltet wurde.

„Glaubt ihr“, begann Makoto schließlich leise, „dass die Regierung jetzt versucht etwas gegen die Digimon zu machen?“

„Was sollen sie denn tun?“, erwiderte Ryou gereizt. „Es gibt nichts, was sie gegen die Digimon tun könnten.“

„Nicht gegen die Perfects und Ultimates“, sagte Shoji leise, „aber normale Waffen können ein Child oder auch ein Adultdigimon töten... Und die meisten Partner von Tamern sind auf diesen Leveln.“

„Aber das wäre lächerlich!“ Ryou schnaubte.

„Aber das heißt nicht, dass es nicht manche Leute versuchen“, murmelte Megumi und sah zu ihm hinüber. „Sie versuchen es doch auch in den USA.“

Renamon sah zu der Frau hinüber. „Im Moment wissen wir nicht was kommt“, meinte es dann. „Wir müssen warten, was als nächstes passiert.“
 

In dieser Nacht vergingen die Stunden für die Tamer nur schleichend. Kaum einer von ihnen fand Schlaf, nach dem, was sie – direkt oder indirekt – am vergangenen Nachmittag erlebt hatten.

Auch Takumi ging es nicht anders. Noch immer schmerzte sein Kopf, doch jedes Mal, wenn er versuchte zu schlafen, sah er Bilder vor seinem geistigen Auge und schreckte mit rasendem Herzen hoch. Er wusste langsam nicht mehr, welche der Bilder real waren und welche nicht.

Immer wieder sah er Blut. Er sah das Blut des Jungen, als Were Garurumon ihn angriff. Er sah den Tamer des dunklen Digimon, wie er vom Dach des Gebäudes sprang. Er sah sein Blut, als er auf dem grauen Asphalt aufschlug. Und er sah seinen eigenen Partner, wie er sich auflöste und verschwand.

Über die Nacht hinweg bekam er immer wieder Gespräche der Angestellten des Krankenhauses mit. Er wusste nun, das am vergangenen Nachmittag mehrere Menschen gestorben waren. Er wusste auch das einige verletzt waren.

Lang starrte er auf die Decke des Krankenhauszimmers, dass er sich mit mindestens drei anderen Patienten teilte. Immer wieder fragte er sich, warum er nicht mehr hatte tun können. Dinohumon war auf das Perfect-Level digitiert und doch hatte es nichts verhindern können. Er selbst hatte nichts tun können.

Noch immer piepste das EKG, an das er angeschlossen war, regelmäßig.

Es gab noch einen anderen Gedanken, der ihn quälte.

Die Ärzte wussten, wo er herkam. Sie wussten, dass er an dem Kampf beteiligt gewesen war. Und das hieß, dass es auch sein Vater wissen würde – spätestens wenn er hierher kam. Und dann? Was würde dann passieren?

Auch wusste nun die Regierung, dass er ein Tamer war – ein illegaler Tamer. Was würden sie tun?

Würde man ihm Kotemon wegnehmen?

Doch selbst wenn nicht... Sein Vater würde ihm ohnehin nicht erlauben, seinen Partner wieder zu sehen.

Seine Gedanken waren in diesem Teufelskreis gefangen. Immer wieder wanderten sie von dem nun toten Mörder, über die anderen Toten und Verletzten, hin zu Kotemon und seinem Vater. Er fühlte sich so machtlos. Er hatte so wenig machen können. Er hatte nichts verhindern können. Er würde auch jetzt nichts ändern können.

Und dann war da noch ein weiterer Gedanke, den er zu verdrängen versuchte. Er war ihm gekommen, als er die Blicke einiger Schwestern bemerkt hatte: Es waren mehrere Leute am Nachmittag gestorben und durch den Kampf der beiden Digimon verletzt worden. Was wäre gewesen, wenn er nicht eingegriffen hätte? Vielleicht wären dann weniger weniger Menschen zu Schaden gekommen. Nein, sagte eine kalte Stimme in seinem Kopf. Sicher wären dann weniger Menschen zu Schaden gekommen. Hätte er nicht eingegriffen...

Dann war es seine Schuld...

Er drückte das Digivice an seine Brust, das er auf dem Tisch neben seinem Bett gefunden hatte, doch es beruhigte ihn nicht. Im Gegenteil. Seine Gedanken rasten nur noch mehr. Was sollte er jetzt tun? Was würde mit ihm passieren?

Irgendwann fiel er wieder in einen unruhigen Schlaf, in dem ihm wieder blutige Bilder und andere Albträume verfolgten, ehe er schweißnass und erneut mit rasendem Herzen wieder aufschreckte.

Schließlich wurde es morgen. Nicht das es etwas änderte. Im Gegenteil! Nun wusste er, dass es nicht mehr lang dauern würde, ehe seine Eltern kommen würden, und er fürchtete nichts mehr als das.

Ja, er überlegte sogar, ob er nicht versuchen sollte wegzulaufen, verwarf den Gedanken aber am Ende wieder. Noch immer schmerzte sein Körper und von dem Arzt, der ihn am späten Abend untersucht hatte, wusste er, dass er wohl eine leichte Gehirnerschütterung hatte.

Außerdem: Wohin sollte er laufen?

Tatsächlich war es kurz vor zehn, als seine Eltern kamen.

„Takumi, bist du wach, mein Schatz?“, hörte er die Stimme seiner Mutter, ehe ihre Stimme näher kamen.

Er lag noch immer in seinem Bett und starrte die Decke an, da er sich wegen dem EKG kaum bequem auf die Seite legen konnte.

Seine Mutter kam in sein Gesichtsfeld, beugte sich über ihn. „Wie geht es dir?“

Er atmete tief durch. Sein Herz klopfte, als er sich etwas aufrichtete und nun auch seinen Vater erkennen konnte, der am Fußende des Bettes stehen blieb und ihn mit kalten Augen ansah. Schnell senkte Takumi wieder den Blick und sah stattdessen zu seiner Mutter. „Es geht“, sagte er leise.

„Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht, als mich das Krankenhaus angerufen hat“, sagte sie und klang, als stünde sie kurz davor in Tränen auszubrechen. „Wir waren gestern schon einmal hier, aber da warst du noch ohnmächtig.“

„Ich weiß“, erwiderte der Junge und wich nun auch ihrem Blick aus. „Es tut mir leid.“

Es herrschte Schweigen.

Halb hatte Takumi darauf gewartet, dass sein Vater ihn anschreien würde, ihm sagen würde, dass dies alles ein Nachspiel hätte und er sicher kein Tamer mehr wäre, doch sein Vater sagte nichts, sondern sah ihn nur mit demselben kalten Blick an. Offenbar wollte hier – wo auch andere, fremde Menschen mit dabei waren – nichts sagen.

Der Blick von Shirou Kaede fiel auf das Digivice in Takumis Händen. Unsicher sah sie zu ihrem Mann und dann wieder zu dem Jungen. „Stimmt es, dass du an diesem Kampf beteiligt warst, Takumi?“, fragte sie vorsichtig.

Nun wanderte auch Takumis Blick zu dem Digivice. „Ja“, sagte er leise. Aus dem Schweigen seiner Mutter schloss er, dass sie auf eine Erklärung wartete. „Ich habe... Wir haben gesehen, wie dieser Junge mit... Mit seinem Partner andere Jugendliche verfolgt hat. Wir wollten helfen...“ Mehr brachte er nicht hervor.

„Und dann?“, fragte seine Mutter nach einer Weile.

Er schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht mehr genau“, log er.

Nun schwieg auch Kaede für eine Weile, setzte sich auf die Kante des Krankenbettes und legte eine Hand auf die Schulter ihres Sohnes. „Wie lange bist du schon...“, begann sie etwas unsicher. „Wie lange bist du schon ein Tamer?“

Takumi zögerte. Unwillkürlich wanderte sein Blick zu seinem Vater, ehe er schnell wieder auf das Bettlaken sah. „Seit... Seit zwei Jahren...“, flüsterte er heiser.

„Du weißt, dass das ein Nachspiel haben wird“, sagte sein Vater mit leiser, kalter Stimme.

Mit einer plötzlichen Bewegung wandte sich Takumis Mutter ihrem Mann zu. „Liebling...“, setzte sie an, beendete den Satz aber nicht.

Takumi traute sich nicht seinen Vater noch einmal anzusehen. „Ja“, sagte er nur. Seine Hand verkrampfte sich um das Digivice. „Aber...“ Leise seufzte er. „Es ist ohnehin egal... Ich... Ich bin ohnehin ein schlechter Tamer.“
 

Juri wartete in der Eingangshalle des Aiiku Krankenhauses. Sie hatte sich auf eine der dort aufgestellten Bänke Platz genommen und sah zu Takato hinüber, der am Rand der Halle wartete und seinen Blick auf einen Gang gerichtet hatte.

Guilmon stand neben ihr und versuchte über die Lehne der Bank vor ihnen ebenfalls einen Blick auf seinen Partner zu erhaschen.

Nach einer Weile sah er endlich diejenigen, auf die er gewartet hatte. Ein Ehepaar mittleren Alters kam den Gang entlang und ging auf die Eingangshalle zu. Erst, als sie diese erreichten, stellte sich Takato ihnen in den Weg.

Der Mann schien nicht sonderlich begeistert davon zu sein, beherrschte sich offenbar Takato nicht anzuschreien, während die Frau gar nichts zu sagen schien.

Wütenden Schrittes ging das Paar vielleicht zwei oder drei Minuten später weiter und verließ die Halle, während Takato sich zu Juri umdrehte und auf sie zukam.

Er sah müde aus, was kaum verwunderlich war. Er hatte in der vergangenen Nacht kaum geschlafen. Das hatte keiner von ihnen.

„Was haben sie gesagt?“, fragte Juri und sah zu ihrem Freund.

„Lass uns erst rausgehen“, erwiderte dieser.

Sie nickte und folgte ihm, zusammen mit Guilmon, als er ebenfalls das Krankenhaus durch den Haupteingang verließ und auf den davor gelegenen Platz hinaustrat.

„Ich werde morgen noch einmal mit ihnen reden“, sagte Takato, während sie über den Parkplatz gingen.

„Dann wollten sie nicht reden?“, fragte Juri.

Der junge Mann schüttelte den Kopf. „Nein“, sagte er. „Zumindest der Vater des Jungen nicht.“

„Wie unfreundlich“, kommentierte Guilmon. Zumindest das Digimon schien von den Ereignissen des Vortages nicht so sehr mitgenommen zu sein, selbst wenn es wohl eher daher war, dass es trotz der fast zehn Jahre, die es in dieser Welt verbracht hatte, die Menschen nicht wirklich verstand.

„Ich verstehe, was Ai gesagt hat“, murmelte Takato. „Der Junge tut mir leid.“

Besorgt sah Juri ihn an. Sie wusste nicht ganz, was sie von alledem halten sollte. Schon seit sie vor drei Wochen auf die kämpfenden Digimon getroffen waren und den Jungen zum ersten Mal gesehen hatten, hatte sich etwas in Takatos Blick verändert. Und Juri war sich sicher, dass diese Veränderung nicht gut war.

Takatos Augen waren immer weich und ein wenig verträumt gewesen, so lang sie sich erinnern konnte. Nur ein Mal hatte sie zuvor seine Augen anders gesehen: Als sie das erste Mal in der digitalen Welt gewesen waren.

Doch nun waren seine Augen hart und es wirkte, als würde etwas hinter ihnen lauern – verborgen. Sie war sich nicht sicher, was es genau war. Wut? Angst? Hass? Vielleicht war es auch eine Mischung aus beidem.

Was sie bedrückte war, dass sie nicht wusste, wie sie ihm helfen konnte. Selbst wenn sie mit ihm redete, hatte sie kaum das Gefühl ihn zu erreichen.

Schweigend schob sie seine Hand in die seine, als er plötzlich stehen blieb.

„Wieso tun sie so, als wären die Digimon an alle dem schuld?“, flüsterte er leise.

Nun blieb auch Guilmon stehen und drehte sich zu ihnen um. Es legte den Kopf schief und sah seinen Partner fragend an, der seinen Blick jedoch starr auf den Boden gerichtet hatte.

„Der Junge hätte diese Leute auch mit einem Messer umbringen können... Oder mit einer anderen Waffe...“ Seine Stimme zitterte. „Es ist nicht der erste Amoklauf, den es hier gegeben hat... Und auch nicht der schlimmste...“

Juri sah ihn an, auch wenn er den Kopf weit genug gesenkt hatte, dass sie ihm nicht in die Augen sehen konnte. Auch wenn sie Takato verstand, wusste sie, dass es nicht so einfach war. Denn andere Waffen waren leichter aufzuhalten, als ein Digimon. Zwar fand sie es ebenfalls nicht in Ordnung, dass alle Tamer für die Taten eines einzelnen verurteilt wurden, doch konnte sie den Gedankengang der Menschen, die die Digimon fürchteten, verstehen.

„Wir werden sehen, was passiert“, meinte sie nur beruhigend. „Die Aufregung wird sich in ein paar Tagen gelegt haben.“

Takato sah sie noch immer nicht an. Er zitterte am ganzen Körper, ließ ihre Hand dabei aber nicht los.

„Takato?“ Nun klang selbst Guilmon besorgt.

„Takato“, flüsterte Juri und machte einen Schritt, so dass sie nun vor ihm stand. „Warte es ab. Wir können im Moment nichts an den Menschen ändern. In ein paar Tagen wird sich einiges wieder beruhigt haben...“ Sie legte den freien Arm um ihn herum und zog ihn an sich, was er geschehen ließ.

Erst jetzt merkte sie, dass seine Wangen nass waren.

„Und dann?“, flüsterte er in ihr Ohr. „Was wird dann passieren?“
 


 

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Anmerkungen und Erklärungen:

Dieses Mal gibt es nichts anzumerken ;)
 

Ich denke viel gibt es nicht zu sagen. Ich werde zum nächsten Kapitel hin übrigens noch einen kleinen Text zur fiktionellen politischen Situation in Japan geben, der auch mit dem Kapitel dann verlinkt werden wird. ;)
 

Ansonsten hoffe ich, dass euch das Kapitel gefallen hat! Das nächste wird wahrscheinlich wieder in zwei Wochen kommen.

Bis dahin wünsche ich euch noch viel Spaß und freue mich natürlich wie immer auf euer Feedback!
 

Übrigens: Dank dem Update im Fanfiction-Bereich, ist es nun möglich direkt auf Kommentare zu antworten!

Episode 15: Ein einsamer Kampf

Weiter geht es mit Kapitel 15 – einem Kapitel, das mir einige Nerven geraubt hat, da ich eine ganze Reihe Szenen streichen musste, um das Kapitel in einer angemessenen Länge zu halten... Und was nun genau bleibt und was nicht, das ist immer sehr schwer zu entscheiden :/

Nun ist das Kapitel aber fertig und es geht weiter. Nicht zuletzt mit Impmon und Kotemon, die in dieser „Episode“ eine große Rolle spielen.
 

Ansonsten möchte ich kurz Maga gratulieren. Mit seiner Geschichte „Schattenfell“ ist bereits die zweite Geschichte, die für den „Tamer gesucht“ Wettbewerb, den ich für DBG eröffnet hatte, entstanden ist, in den YUAL.
 

Nun, das war es von mir als Vorwort.

Viel Spaß mit dem Kapitel!
 


 

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Episode 15: Ein einsamer Kampf
 

Seit ich in diese Welt gekommen bin, habe ich viel von den Menschen gesehen und von ihrer Art und doch glaube ich, dass ich sie nicht verstehe. Sie haben all ihre Gesetze und so viele unbegründete Ängste. Sie versuchen Kämpfe zu vermeiden. Ihre Welt ist so anders, als die unsere. Und doch werde ich hier bleiben. Ich werde bei Takumi bleiben und ihn beschützen, so lange er es nicht anders wünscht. Ich habe ihm Treue geschworen. Ich bin sein Partner!
 

                                     - Kotemon
 

Inaba Yoshie kniete ihren Enkelkindern gegenüber am niedrigen Wohnzimmertisch ihres kleinen Hauses im Nordwesten des Stadtteils Bunkyo.

Da die Eltern der Zwillinge auch an diesem Montag arbeiten mussten, waren die beiden bei ihren Großeltern untergekommen, zumal sie bis Mitte der Woche von der Schule entschuldigt waren.

Auch Impmon saß auf dem alten Teppichboden und sah aus dem Fenster.

Beide Zwillinge schwiegen und vermieden es sowohl einander, als auch ihre Großmutter anzusehen, die selbst darauf zu warten schien, dass einer der beiden etwas sagte.

Sie waren schon seit dem vergangenen Abend hier, doch sie hatten wenig gesprochen. Etwas, das zumindest für Ai eher ungewöhnlich war, die normal redselig und voller Energie war. Doch auch sie saß mit angezogenen Beinen vor dem Tisch und hatte ihr Kinn auf ihrem Knie abgestützt.

Natürlich wusste Yoshie von dem, was die beiden erlebt hatten – und auch wenn sie wenig über die digitalen Monster, ihre Herkunft und ihre Regeln wusste oder wissen wollte, so verstand sie doch, was der Junge, von dem auch in den Nachrichten berichtet worden war, getan hatte. Denn solche Vorfälle hatte es immer schon gegeben – und sie würde es wohl immer geben.

„Ich mache euch einen Tee“, meinte sie schließlich und stand mit etwas Mühe auf.

„Soll ich dir helfen, O-baa-chan?“, fragte Ai und sah auf.

„Nein, nein, lass nur“, erwiderte die alte Frau und lächelte sie an. „Mögt ihr vielleicht auch ein paar Kekse?“

Die beiden Geschwister sahen sich an und es hätte nicht deutlicher sein können, wie bedrückt sie waren.

„Von mir aus“, erwiderte nun der Bruder.

Ihre Großmutter sah sie mit einem Seufzen an. Die beiden hatten es nie leicht gehabt, immerhin hatten ihre Eltern nie viel Zeit für die Zwillinge gehabt. Vielleicht hätten sie eigentlich froh sein sollen, dass sie immer zu zwei gewesen waren, nur hatten sie sich genau deshalb immer um alles gestritten. Nicht, dass sie nicht genug Spielzeug gehabt hatten – immerhin hatten ihre Eltern immer versucht mit Geschenken ihr schlechtes Gewissen zu beruhigen – doch war eben dieses immer wieder ein Auslöser für diverse Streitereien gewesen, als de beiden noch im Kindergarten waren.

Die beiden hatten sich mit den Ereignissen vor zehn Jahren verändert, etwas, dass sie ohne Frage Impmon zu verdanken hatten...

Und doch... Gerade in den letzten Monaten hatte Yoshie begonnen sich immer mehr Sorgen um ihre Enkel zu machen, denn langsam, aber sicher schien eine Mauer zwischen den beiden zu entstehen und jedes Mal, wenn sie die beiden sah, schien diese Mauer gewachsen.

Sie konnte es nicht genau erklären. Immerhin stritten die Geschwister sich nicht mehr, doch sie schienen trotz aller Erlebnisse auch sonst wenig miteinander zu reden.

Doch weigerten sich die beiden auch mit ihr zu reden oder machten zumindest nicht den ersten Schritt.

Mit diesem Gedanken kam sie einige Minuten später in das kleine Wohnzimmer, in dem neben dem niedrigen Tisch auch noch ein längliches Bücherregal stand und eine kleine Couch an der Rückwand. Auch ein alter Röhrenfernseher fand sich hier auf einem Tisch neben der Tür, die zu der winzigen Terrasse führte.

Gerade, als sie das Tablett mit Teebechern und ein wenig Gebäck auf dem Tisch abstellte, stand Impmon auf.

„Ich werde mich ein wenig draußen umsehen“, meinte es in einem hektischen Tonfall, so als hätte es schon die ganze Zeit mit dem Gedanken gespielt.

„Willst du nicht zumindest noch deinen Tee trinken, Impmon-kun?“, fragte die alte Frau.

Unsicher sah das kleine Wesen zu den beiden Jugendlichen, zu dem Tee und dann zur alten Frau. „Tut mir leid, nein...“, murmelte es, verbeugte sich hastig und verschwand dann durch dieselbe Tür, durch die Yoshie kurz vorher gekommen war.

Mit einem Seufzen sah sie ihm hinterher. Dann wandte sie sich, während sie sich hinkniete, wieder ihren Enkeln zu. „Was ist eigentlich aus dem Jungen geworden?“

„Der ist gestorben“, murmelte Ai nur undeutlich.

„Nein, ich meine den Jungen, der mit euch gekämpft hat“, erwiderte Yoshie schnell und sah ihre Enkelin an. „Wie sagtet ihr, dass er hieß?“

„Takumi“, antwortete das Mädchen.

„Genau.“ Die alte Frau sah sie an. „Was ist mit ihm?“

Die beiden Jugendlichen schwiegen für eine Weile und sahen sich stumm an. Es war schließlich Makoto der antwortete.

„Er müsste heute aus dem Krankenhaus entlassen werden. Aber es scheint ihm nicht sehr gut zu gehen...“

„Wir haben ihn am Samstag im Krankenhaus besucht“, murmelte Ai. „Aber er wollte nicht mit uns reden...“

„Und wieso nicht?“, fragte Yoshie, auch wenn sie die Antwort eigentlich schon kannte.

Das Mädchen sah sie nicht an. „Seine Eltern wollen nicht, dass er ein Tamer ist... Takato wollte zwar mit ihnen reden, aber...“ Sie führte den Satz nicht zu Ende, sondern sah still aus dem Fenster.

Auch wenn Takato mit ihnen redete... Menschen neigten oftmals dazu stur zu sein.
 

Derweil lief Impmon fluchend die Straße hinunter, in der die Großmutter seiner Tamer lebte. Es hatte es nicht mehr in dem veraltet wirkenden Wohnzimmer ausgehalten, auch wenn es dies nicht ganz erklären konnte.

Nein, das stimmte nicht ganz. Eigentlich wusste Impmon, welcher Gedanke es war, der es so unruhig machte, und bei diesem Gedanken fluchte es umso lauter.

„Verdammt! Verdammt! Verdammt!“ Es lief noch schneller, ehe es von Licht umgeben wurde und einen Moment später als Beelzebumon im Blast Mode seine Flügel ausbreitete, sich vom Boden abstieß und gen Himmel flog.

In den letzten Tagen war einfach alles schief gegangen. Die Sache mit dem Jungen, der seinen Partner für seine Rache benutzt hatte, war nicht das einzige gewesen, wenn auch das, was wohl die schwerwiegendsten Folgen für sie haben würde.

Doch dann war da auch noch dieser seltsame Virus gewesen, der nicht nur dafür gesorgt hatte, dass das Kunemon des Mädchens vollkommen kopflos alles, was ihm in die Quere kam angegriffen hatte, sondern auch ihm – Beelzebumon – jegliche Kraft geraubt hatte. Als es mit der Attacke des infizierten Waspmon in Kontakt gekommen war... Es hatte sich so falsch angefühlt – anders konnte es das Gefühl noch immer nicht beschreiben. Was war nur passiert?

Und dann war da noch der Junge – Takumi – der so viel riskiert hatte, um das Digimon des Mädchens zu retten... Der auch gekämpft hatte, um den anderen Jungen zu beschützen und deswegen nun eine Menge Ärger am Hals hatte. Und das, nachdem er den Partner eines anderen Tamers getötet hatte!

Wieso? Wieso handelte er so widersprüchlich? Beelzebumon konnte es nicht verstehen. Doch das schlimmste war, dass es nun eine Pflichtschuldigkeit empfand – dem Jungen und seinem Partner gegenüber. Es wusste, dass es Ai und Makoto nicht anders ging. Doch konnte es selbst nicht länger warten.

Und so flog es über die Dächer der Metropole hinweg, auch wenn ihm bald klar wurde, dass die Suche recht vergeblich war. Wo sollte es ein einzelnes kleines Digimon finden, ohne auch nur einen Anhaltspunkt zu haben? Ein einzelnes Digimon, gerade mal ein Childlevel, das irgendwo in der Stadt sein konnte.

Vielleicht war es noch in Odaiba, in der Nähe seines Partners.

Doch vielleicht wusste es auch um die Gefahr von diesem dauerhaft getrennt zu werden und hielt sich daher bewusst von ihm fern.

Und egal wo es war... Ein Childdigimon konnte sich leicht verstecken.

„Verdammt“, knurrte Beelzebumon, als es mit einem Schlag seiner dunklen Flügel an Höhe gewann, und sah auf die Stadt hinunter. Es flog nun über die Ginza hinweg und wandte sich nun Richtung Nordosten um die Odaiba-Halbinsel zu überfliegen.

Es hasste es, sich so verantwortlich zu fühlen, sich so gezwungen zu fühlen, etwas zu tun. Und doch konnte es dieses Gefühl nicht verdrängen.

Es wollte... Es wollte... Ja, was wollte es eigentlich erreichen?
 

Es war gegen Mittag, als Takumi mit seiner Mutter zuhause ankam. Sie hatte ihn im Krankenhaus abgeholt, denn immerhin musste sein Vater arbeiten und konnte es daher nicht übernehmen.

Dies war Takumi nur Recht. So konnte er das unvermeidliche zumindest noch etwas hinauszögern, auch wenn er sich nicht sicher war, ob dies das beste war. War es nicht ohnehin schon egal? Er wusste, dass es passieren würde und er wusste, dass es keinen Unterschied machen würde. Er hatte doch schon lange aufgegeben.

„Willst du essen, Takumi?“, fragte seine Mutter, als sie die Wohnungstür hinter sich schloss. „Ich könnte dir etwas kochen.“

Er schüttelte den Kopf und sah sie mit leerem Blick an, ohne sie wirklich zu sehen. „Ich möchte mich hinlegen. Ich bin müde.“ Das stimmte nicht ganz, doch er wollte allein sein, traute sich aber nicht dies seiner Mutter zu sagen.

Diese sah ihn nur besorgt an. „In Ordnung, Liebling. Wenn du etwas brauchst, ruf einfach nach mir.“

Mit einem leichten Nicken ging er an ihr vorbei, durchquerte das Wohnzimmer und ging auf seine eigene Zimmertür zu. Am liebsten hätte er sie verschlossen, als er sie hinter sich schloss, hielt sich aber zurück.

Er zog die Hose und die Weste aus, die seine Mutter ihm für die Rückfahrt ins Krankenhaus gebracht hatte und ließ sich dann in T-Shirt und Unterhose auf sein Bett fallen. Den Rücken zum Zimmer gedreht, lag er auf seiner Bettdecke. Er wusste nicht was er von nun an tun sollte oder auch nur, was er tun wollte.

Seine Gedanken wanderten zu Kotemon. Wo war es nur? Würde er es jemals wiedersehen? Natürlich würde er sich ab und an fortschleichen können, doch er wusste, dass sein Vater nun umso mehr darauf achten würde, dass er es nicht tat. Und selbst wenn... So konnte er kein Tamer sein, kein richtiger Partner.

Es war besser, wenn er gleich aufgab.

Vielleicht fand Kotemon einen besseren Partner als ihn. Konnte ein Digimon zwei voneinander unabhängige Partner haben?

Und noch immer fragte er sich, warum er überhaupt versucht hatte dem Jungen zu helfen. Hätte er nicht wissen müssen, was er damit riskiert?

Doch die Wahrheit war, dass er nicht einmal daran gedacht hatte.

Als Dinohumon zu Hanehamon digitiert war, hatte er sich das erste Mal seit langem wie ein richtiger Tamer gefühlt. Er hatte ein Held sein wollen, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden wie töricht er war.

Sein Blick fiel auf sein Digivice, das er noch immer fest umklammert hielt. Wieso? Es hatte ohnehin keinen Wert mehr für ihn.

„Es tut mir leid, Kotemon“, flüsterte er und ließ das kleine Gerät neben seinem Bett auf den Boden Fallen, ehe er sich wieder zusammenrollte.

Es war vorbei. Für ihn war das Abenteuer zu Ende. Er würde kein Tamer mehr sein – kein Held. Er war ohnehin nie wirklich einer gewesen. Es war nur ein Traum gewesen, ein dummer, kindischer Traum und das hatte er eigentlich immer gewusst.

Mit diesem bedrückenden Gedanken und mit Angst im Bauch vor der Konfrontation mit seinem Vater, glitt er irgendwann in einen unruhigen Schlaf hinüber, ohne zu wissen, dass Matsuda Takato zur selben Zeit auf dem Schulhof der Yashida Highschool wartete, um mit Shirou Kensuke zu sprechen...
 

Der Nachmittag ging langsam in den Abend über, während Beelzebumon erneut von Ikubokuro nach Shinjuku flog. Natürlich hatte es Kotemon noch immer nicht gefunden, was es jedoch nicht wirklich verwunderte. Es wusste, dass seine Chancen ohnehin schlecht gewesen waren, das kleine Digimon zu finden.

Gerade während es über den Norden Shinjukus flog, bemerkte Beelzebumon, dass ihm ein anderes Digimon folgte und es brauchte nicht sonderlich lang, um zu erkennen, dass es Renamon war.

Das fuchsartige Digimon lief flink über Hausdächer und Mauern, übersprang Straßen und balancierte über Stromkabel, so dass es beinahe problemlos mit dem fliegenden Digimon mithalten konnte.

Dieses hielt nun inne. In der Luft schwebend sah es zu Renamon, das nun auf einem Telefonmast in einer Seitengasse stand und zu ihm aufsah. „Was machst du hier, Renamon?“

„Ich folge dir“, entgegnete das Child-Digimon, als sei dies nicht offensichtlich.

„Solltest du nicht bei deinem Partner sein?“ Auch wenn Beelzebumon Renamon eigentlich schätzte, ja, es sogar als so etwas wie einen Freund bezeichnete, war es ungehalten, da ihm nicht nach Gesprächen zumute war. Und es endete beinahe immer in einem Gespräch, wenn Renamon ihm folgte – denn das hieß, dass es einen zur Rede stellen wollte.

„Dasselbe könnte ich dich fragen“, erwiderte Renamon nur auf seine Frage. „Ruki braucht mich im Moment nicht. Es besteht keine unmittelbare Gefahr für sie. Deswegen habe ich beschlossen dir zu folgen, als ich dich sah. Warum bist du nicht bei deinen Partnern?“

„Weil ich nicht permanent auf meine Partner angewiesen bin“, grummelte das Ultimate-Digimon und sah auf Renamon hinab. „Sie sind auch sicher. Und ich habe andere Dinge, um die ich mich kümmern muss.“ Zu spät bemerkte es bei diesen Worten, dass sie nur zu sehr wie die eines störrischen Kindes klangen.

„Ich nehme an, du suchst nach dem Partner des Jungen?“, stellte Renamon fest.

„Hmpf.“ Das größere der beiden Digimon sagte nichts, sondern ließ nur ein leises Grollen hören. Das Fuchsdigimon kannte es zu gut. Wieso bemühte es sich überhaupt seine Absichten vor ihm geheim zu halten? So wie es schien, war es ohnehin sinnlos.

„Ich weiß, dass du dir Sorgen um den Jungen machst“, meinte Renamon nun. „Auch wenn du es nicht zugeben wirst.“

Noch immer erwiderte Beelzebumon nichts, legte jedoch seine Flügel an, um auf einem Dach, nicht unweit von dem Mast, auf dem Renamon stand, zu landen.

Die Augen des gelblichen Fuches folgten ihm dabei. „Allerdings“, sagte dieser dann und blickte dem Ultimate dabei in die Augen, „ich rate dir, zu deinen Partnern zurück zu kehren. Such nicht weiter nach dem Digimon.“

„Aber...“, begann Beelzebumon erneut in einem trotzigen Tonfall.

„Ich weiß, dass du helfen willst, doch es wird ihnen im Moment nicht helfen. Ich weiß – genau so gut wie du, denn es war die Idee deiner Partner – dass Takato mit dem Vater des Jungen spricht. Das ist alles, was wir im Moment für sie tun können.“ Damit senkte Renamon nun endlich den Blick, ehe es sich abwandte. „Der Junge muss selbst verstehen, was ihm sein Partner bedeutet. Das ist ein Problem, das die beiden nur zusammen lösen können – ohne unsere Hilfe.“ Es sprang auf das nächste Dach.

„Warte!“, rief das andere Digimon aus.

Renamon hielt inne und drehte sich noch einmal zu Beelzebumon um.

Dieses zögerte. „Bist du mir wirklich gefolgt, nur um mir das zu sagen?“

Nun war es Renamon, das nicht sofort antwortete. „Ich wollte sichergehen, dass du keine Dummheiten machst“, meinte es dann. „Wir müssen aufpassen, dass sich die Situation nicht noch verschlimmert.“ Mit diesen Worten wandte es sich wieder ab, zögerte dann jedoch noch einmal. „Außerdem... Sei vorsichtig, Beelzebumon. Sei vorsichtig, wie du mit deinen Partnern umgehst... Sie...“ Es schüttelte den Kopf. „Sei vorsichtig.“ Damit stieß es sich von den Ziegel des Daches ab und entfernte sich dann von Dach zu Dach springend immer weiter von Beelzebumon.

Dieses blieb stehen wo es war und sah ihm nach. Es wusste, was Renamon ihm sagen wollte, hatte dies nur schon so lange zu verdrängen versucht. Es sah auf seine Klauen hinab. „Verdammt...“, flüsterte es erneut. „Verdammt...“ Damit ballte es seine Klaue zur Faust, breitete seine Flügel aus und machte sich auf den Weg nach Bunkyo zurück, auch wenn dies der Ort war, den es im Moment meiden wollte.
 

Die Dämmerung brach über die Metropole herein, während Beelzebumon zu seinen Partnern zurückkehrte. So war es nicht das Dämonendigimon, sondern Takato, der die kleine Gestalt entdeckte, die auf einer Wiesen am Ufer des Sumida ihr Shinai durch die Luft schwang.

„Do! Do! Men! Men!“ Die dünne Stimme des Digimon dran durch die Dunkelheit und machte auch Guilmon auf Kotemon aufmerksam.

Guilmon hatte zuvor brav vor der Yashio High gewartet, während Takato mit Shirou Kensuke gesprochen hatte, und sah nun interessiert zu dem anderen Digimon hinüber.

„Ist das nicht...?“, begann es.

Takato sah zu der Gestalt des Digimon hinüber, das offenbar trainierte. Es war also wirklich nicht bei seinem Partner, wie er – und auch Ai und Makoto es vermutet hatten.

„Was macht es hier?“, fragte Guilmon und legte den Kopf schief. Dann, bevor Takato es aufhalten konnte, hob es die Arme und rief: „Hey, Kotemon!“

Das andere Digimon hielt nur für einen kurzen Moment in seinem Training inne und schenkte ihnen einen kurzen Blick. Dann fuhr es unbeirrt mit seinem Training fort.

Takato seufzte. Er musste an eine ähnliche Situation denken, als Ruki vor zehn Jahren sich von Renamon getrennt hatte, nachdem Ice Devimon sie entführt hatte. Und doch war es anders, so glaubte er, da Rukis Entscheidung damals aus ihren eigenen verwirrten Gefühlen hervorgegangen war, während er nicht umher kam, davon auszugehen, dass Takumi sich vor allem vor seiner Umwelt, speziell seinem Vater fürchtete.

Nun, wo er mit Shirou Kensuke gesprochen hatte, glaubte Takato ein wenig zu verstehen, was in dem Jungen vorging, dessen Vater so voreingenommen gegenüber den Digimon war. Wieso fürchteten sich so viele Menschen noch immer vor Digimon? Sahen sie denn nicht, dass die meisten der Digimon versuchten in Frieden zu leben?

Doch die Taten Nagashima Kaorus hatten dies nicht zum Besseren gewendet.

Unwillkürlich machte er einen Schritt auf die Wiese. „Kotemon“, begann er, doch das Digimon sah ihn nicht an.

„Lasst mich in Ruhe“, meinte es, zwischen zwei Trainingsbewegungen.

„Du bist unfreundlich“, stellte Guilmon fest und ließ die flügelartigen Ansätze an seinem Kopf etwas hängen. „Takato und Guilmon wollen dir doch nur helfen.“

„Ihr könnt mir nicht helfen“, erwiderte Kotemon nur und fuhr mit seinem Training fort. „Dies ist nicht eure Sache.“

„Aber...“, setzte Guilmon an, brach dann jedoch ab und sah zu seinem Tamer, der jedoch nur den Kopf schüttelte.

Er wusste, dass er nicht viel tun konnte. Nicht, bevor der Vater des Jungen Einsicht zeigte und auch Takumi seine Entscheidung traf, denn es war sicher nicht das kleine Reptiliendigimon, das sich von seinem Partner entfernt hatte. So sehr er sich auch wünschte, etwas verändern zu können, so wusste er doch, dass es im Moment wenig zu tun gab.

„Kotemon“, begann er, „wenn du oder dein Partner... Wenn ihr Hilfe braucht. Ihr könnt mit uns reden, ja?“

Noch einmal hielt das Digimon inne, sah ihn nun an. Es nickte. „Ich habe verstanden.“ Dann wandte es den Blick wieder ab und fuhr mit seinem Training fort. „Men! Kote! Do! Men!“

„Komm, Guilmon“, meinte Takato dann und setzte seinen Weg die Uferpromenade entlang fort.

„Aber...“ Sein Partner zögerte für einem Moment, folgte ihm dann jedoch, auch wenn es immer wieder Blicke in die Richtung von Kotemon warf.

Der junge Mann seufzte leise. Er wünschte sich in dieser Zeit nichts mehr, als eine Möglichkeit zu haben, etwas zu verändern, den Menschen zu zeigen, dass die Digimon von sich aus ungefährlich waren... Bisher hatten sie selbst bei Hypnos wenig darüber gehört, ob der Vorfall am Telecom Center irgendetwas an den Gesetzen ändern würde. Die Politiker hatten sich noch nicht entschieden, doch Takato fürchtete sich vor ihrer Entscheidung.

Mehr als Yamaki oder einer der anderen Mitarbeiter der Organisation konnte er Ryou verstehen, der in den letzten Tagen schnell gereizt war und mehr als einen der Minister angefahren hatte, so dass Yamaki gezwungen gewesen war ihn zu beurlauben. Doch Takato wusste, dass ihr Vorgesetzter damit Recht hatte: Ein solches Verhalten würde die Politiker ihnen gegenüber nicht milder stimmen. Und so spielte er mit, zumindest so gut er konnte.
 

Während Takato und Guilmon sich entfernten, fuhr Kotemon mit seinen Übungen fort. Es war entschlossen stärker zu werden. So, wie es im Moment war, konnte es allein zwar kämpfen, war aber unfähig zu digitieren. Es hatte einen Partner, es hatte Takumi, um zu digitieren, doch es wusste genau, dass es ihn im Moment nicht sehen konnte.

Es würde nicht so einfach aufgeben. Auch wenn es seinen Tamer seit dem Vorfall auf Odaiba nicht mehr gesehen hatte, würde es ihn nicht so einfach aufgeben. Selbst wenn Takumis Vater nun davon wusste, selbst wenn er Takumi verbieten wollte es wieder zu sehen... Kotemon würde um seinen Partner kämpfen, sofern dieser es nicht anders wollte. Denn vor zwei Jahren, an jenem regnerischen Tag, als sie sich das erste Mal getroffen hatten, hatte Kotemon Takumi die Treue geschworen und diesen Schwur würde es so schnell nicht brechen!

Deswegen würde es trainieren, um für ihn zu kämpfen.

Mitten in seinen Bewegungen hielt es auf einmal inne und sah zu einem der Bäume, die verstreut am Ufer des Flusses standen. Es spürte ein Digimon – wahrscheinlich ein Wildes!

„Wer ist da?“, rief es und hob sein Shinai.

Es hörte einen lauten Schrei, ehe sich ein Schatten aus dem dunklen Geäst des Baums löste und über es hinwegflog.

Das Digimon landete hinter ihm auf spitz zulaufenden Pfoten, während es seine Flügel, die an Sensen erinnerten, ausbreitete. „Keh!“, machte es und sah Kotemon feindselig an.

Dieses erwiderte den Blick. „Willst du kämpfen?“, fragte es.

„Keh“, machte das Digimon erneut und stieß sich vom Boden ab.

Für einen Moment war sich Kotemon unsicher, wie es diese Antwort interpretieren sollte, als das andere Digimon in der Luft einen Haken schlug und sich auf Kotemon hinabstürzte, das gerade noch rechtzeitig einen Sprung nach hinten machte und so auswich.

Das fledermausartige Digimon bremste seinen Sturzflug nur wenige Zentimeter über dem Boden ab und flog nun in gerader Linie auf Kotemon zu, die sensenartigen Klauen wie Dolche vor sich haltend.

Kotemon keuchte auf, als es den Angriff mit seinem Shinai abblockte. Das andere Digimon war auf einem höheren Level, als es selbst, und wollte eindeutig kämpfen – wahrscheinlich, um seine Daten zu absorbieren.

Erneut wich es aus – dieses Mal indem es zur Seite sprang, so dass sein Gegner, der versucht hatte seine Verteidigung zu durchbrechen, für einen Augenblick ins Taumeln geriet, jedoch nicht lang genug, als dass Kotemon einen Treffer hätte landen können.

Takumi, dachte das Child-Digimon und sah zu seinem Gegner hinüber. Ich werde gewinnen! Ich muss gewinnen!

Es konzentrierte sich und flammen begannen aus seinem Shinai prasseln. „Fire Men!“, rief es, stieß sich mit all seiner Kraft vom grasigen Boden ab und sprang auf seinen Gegner zu.

Doch dieser schlug nur mit seinen Flügel, um etwas an Höhe zu gewinnen und stieß dann einen ohrenbetäubenden Schrei aus, der Kotemons Konzentration brach und die Flammen aus seinem Shinai versiegen ließ. In diesem Moment flog das Digimon auf Kotemon zu und attackierte es mit den Klingen, die aus seinem Schwanz herauswuchsen.

Die kleinen Sensen schnitten durch die Schulterpanzer des kleinen Digimon und ließen einen dünnen Strom aus Datenpartikeln aus diesen hervorsteigen, ehe das fledermausartige Wesen seine Klingen zurückzog und Kotemon mit einem Tritt zurückwarf.

Das kleine Digimon spürte, wie der Verlust an Daten es schwächte. Es wusste, dass es seine Verteidigung vernachlässigt hatte.

Aber es konnte nicht verlieren... Nein, es hatte immerhin einen Partner. Ein Partner, mit dem es seit fast drei Tagen nicht gesprochen hatte. Ein Partner, der ihn brauchte. Ein Tamer!

„Takumi“, flüsterte es. Was soll ich tun?
 

Der Tag verging für Takumi nur langsam, zwar schlief er immer wieder ein, doch bemerkte er jedes Mal, wenn er erwachte erneut eine Anspannung. Wie spät war es? Wie lange würde es dauern, bis sein Vater nach Hause kam?

Eigentlich fragte er sich, warum er sich überhaupt fürchtete. Letzten Endes würde sein Vater ohnehin nichts anderes machen, als ihn anzuschreien und ihm verbieten Kotemon wieder zu sehen. Sein Vater hatte ihn, bis auf vielleicht zwei oder drei Ohrfeigen, nie geschlagen. Und doch verkrampfte sich sein Magen, wenn er an das Unausweichliche dachte.

Warum?

Irgendwann, als es draußen bereits dunkel geworden war, hörte er, wie die Tür zur Wohnung geöffnet wurde. Er wusste, dass es sein Vater war.

Sollte er aufstehen? Doch sein Vater würde ohnehin in sein Zimmer kommen... Jeden Moment... Gleich würde er kommen...

„Du bist spät“, hörte er leise die Stimme seiner Mutter durch die Wand.

Ein dumpfes Geräusch sagte ihm, dass sich sein Vater auf das Sofa gesetzt hatte. „Der Junge von Vorgestern hat mich aufgehalten...“, grummelte er dann. Er klang müde. Es schien, als würde er etwas Wut unterdrücken.

„Matsuda Takato?“, fragte Yoshie.

Takumis Herz blieb für einen Moment stehen. Takato hatte mit seinem Vater gesprochen? Aber wieso? Sicher, es hatte mit ihm zu tun, doch was hatte er ihm zu sagen gehabt? Wieso kümmerte sich Takato um jemanden wie ihn?

Langsam richtete er sich auf.

„Ja, der Junge“, antwortete Kensuke seiner Frau. „Er hat vor der Schule auf mich gewartet...“

Es herrschte für einen Moment Schweigen im Wohnzimmer, während Takumi nun seine Beine aus dem Bett schwang und leise zu Tür hinüberging um besser hören zu können.

„Er hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass wir Takumi nicht von seinem... seinem Partner trennen dürfen.“ Shirou Kensuke benutzte das Wort 'Partner', als sei es etwas unnatürliches. „Er hat gesagt, dass ich diesem Wesen nichts tun darf...“

Yoshie schwieg, so dass Takumi, der nun vor der geschlossenen Tür stand, nicht wusste, ob sie unsicher war oder einfach nichts sagen wollte.

Schließlich war es sein Vater, der wieder fortfuhr. „Darf ich nicht einmal meinen Sohn vor diesen Monstern beschützen?“

Immer noch zögerlich antwortete Yoshie nun: „Aber war es nicht dieses Digimon... War es nicht Takumis Partner, der euch bei dem Baseballspiel gerettet hat?“

„Würden diese Monster nicht in dieser Welt leben, wäre das nicht einmal nötig gewesen!“, fuhr Kensuke sie an. „Und wäre dieses Monster nicht gewesen, hätte er sich nicht in Gefahr gebracht, als dieser Junge Amok gelaufen ist!“ Für einen Moment schwieg er, ehe er leiser fortfuhr. „Und wer weiß, wie oft er sich davor schon in Gefahr gebracht hat.“

Es herrschte Schweigen im Wohnzimmer.

„Ich weiß, dass es gefährlich ist“, meinte Yoshie schließlich zögerlich, „aber sie können nichts gegen die Digimon tun. Sie können diese Wesen nicht mehr aus dieser Welt vertreiben... Und ich denke, dass Takumi mit einen Partner vielleicht sogar sicherer ist als ohne.“

„Und wenn er deswegen in weitere Kämpfe gerät?“ Kensukes Stimme klang hart. „Er wird sich weiter in Gefahr bringen, weil er, wie diese ganzen anderen Kinder auch, irgendeine Heldenfantasie auslebt.“ Für einige Augenblicke schwieg er. „Er hat uns über fast zwei Jahre angelogen wegen diesem Monster.“

„Aber nur“, begann seine Frau zögerlich, „weil er Angst vor deiner Reaktion hatte, Kensuke, Liebling... Du hast deine Meinung zu diesen Wesen – zu den Digimon – die ganze Zeit mehr als deutlich gemacht...“

„Weil ich gesehen habe, was diese Monster tun! Bei dem Vorfall vor drei Jahren sind mehrere Millionen Menschen ums Leben gekommen! Hast du das etwa vergessen? Auch welche dieser Kinder!“

Der aggressive Tonfall seines Vaters ließ Takumi zusammenzucken. Er wusste ja, dass es stimmte... Er konnte die Sorge seines Vaters zumindest zum Teil verstehen... Auch wenn sein Vater die andere Seite wohl nie verstehen würde.

Doch es war ohnehin egal... Denn es hatte mit seiner Entscheidung nichts zu tun.

„Aber, Liebling“, begann seine Mutter, als Takumi die Tür öffnete und auf den Flur trat.

„Hört auf zu streiten“, flüsterte er. „Bitte, streitet deswegen nicht...“ Er sah seine Eltern an. „Es ist ohnehin egal... Ich... Ich bin kein Tamer mehr. Ich werde kein Tamer mehr sein.“

„Takumi...“ Seine Mutter sah ihn voller Besorgnis an, doch er erwiderte nichts auf ihre unausgesprochene Frage.

Er stand einfach nur da und sah seine Eltern an, wobei er nicht bemerkte, wie der Bildschirm des Digivices neben seinem Bett aufleuchtete und die Daten eines Digimon anzeigte: Pipismon.
 

Kotemon spürte viel mehr, als dass es sah, wie sich sein Gegner erneut näherte. Das gegnerische Digimon wollte den Kampf möglichst schnell zu Ende bringen. Doch so einfach würde Kotemon sich nicht besiegen lassen!

Mit einem Sprung kam es wieder auf die Beine und konzentrierte sich erneut. Es durfte sich nicht so leicht ablenken lassen!

Zwar war Takumi nicht hier, doch dank ihm hatte es Erfahrungen mit wesentlich stärkeren Gegnern gemacht. Die Kämpfe der letzten Wochen waren viel härter als dieser hier, auch wenn es in jenen Kämpfen als Dinohumon oder Hanehamon gekämpft hatte. Doch sein jetziger Gegner war unerfahren und für sein Level nicht einmal sonderlich stark! Gegen einen solchen Gegner konnte es nicht verlieren!

Diese Gedanken schossen innerhalb des Bruchteils einer Sekunde durch seinen Kopf, und es schloss seine Augen. Anstatt sich auf seine Augen zu verlassen, verließ es sich nun auf sein Gefühl.

Ja, es spürte das Adult-Digimon auf sich zukommen, konzentrierte dabei gleichzeitig seine Energie in sein Shinai. Dann, einen Augenblick, bevor die Klauenattacke seines Gegners es berührte, wich es zur Seite aus und ließ die Energie in seiner Waffe auflodern, so dass Blitze aus dieser hervor zuckten.

„Thunder Kote!“, rief es aus und schaffte es den linken Flügel seines Gegners zu treffen.

Das feindliche Digimon verlor sein Gleichgewicht und wurde ein Stück weit geschleudert, ehe es auf dem Gras zu liegen kam.

Sofort setzte Kotemon ihm nach, sein Shinai vor dem Körper erhoben.

Das Adultdigimon hob seinen Kopf und stieß erneut einen markerschütternden Schrei aus, doch dieses Mal war Kotemon drauf vorbereitet und ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Stattdessen Sprang es in die Luft, um eine direkte Konfrontation mit den eventuell ebenfalls gefährlichen Schallwellen zu vermeiden, und veränderte die Stellung seines Bambusschwertes. „Freezing Do!“, rief es dann, als es das Schwert nun selbst mit einem Sturzflug auf seinen Gegner hinabsausen ließ, der im nächsten Moment zu Eis erstarrte.

Schwer atmend blieb Kotemon vor ihm stehen. Dann zersprang das Eis und die Daten des Digimon stoben rot in die Luft.

Die Partikel färbten sich blau, als Kotemon seine Augen schloss und die Daten absorbierte.

Als die Daten aus der Luft verschwunden waren, sah es zum Himmel hinauf. „Takumi“, flüsterte es, „ich bin stark. Ich kann kämpfen. Ich werde dich auf jeden Fall beschützen!“
 

„Yes, mum“, sagte Steve beschwichtigend in sein Telefon. „You really don't need to worry. I am fine.“

„You know that I need to worry, with all that stuff happening in Japan“, beschwerte sich seine Mutter.

„But I am fine! Really. I had nothing to do with any of that.“ Dabei war er sich dessen bewusst, dass diese Worte eine Lüge waren. Zumindest war er an dem Kampf, der auf Odaiba stattgefunden hatte, nicht verwickelt worden. „Please, don't worry. I take care of myself.“

Seine Mutter ließ ein schweres Seufzen hören. „I know, I know. But I cannot help it.“

„It's alright, mum“, erwiderte der 19jährige. „But I will hang up now. I probably should go to bed now.“

Kurz zögerte seine Mutter am anderen Ende der Leitung, ehe sie noch einmal seufzte. „Alright, dear. But call me if anything is wrong...“

„I will. Don't worry, mum. And give my love to dad and Anny, will you?“

„Of course, my dear. Take care, and good night.“

„Have a nice day“, antwortete Steve und legte auf. Nun selbst seufzend legte er sein Handy auf den kleinen Tisch seines Zimmers im Studentenwohnheim. Dann schaltete er den Ton des Fernsehers wieder an.

Es war nicht das erste Mal, dass seine Mutter ihm seit den Vorfall anrief. Wahrscheinlich ahnte sie, dass er ihr etwas verschwieg, wie zum Beispiel das Turnier. Doch er wollte nicht, dass sich seine Familie in Amerika unnötig Sorgen machte.

Er sah zu Leormon, dass auf seinem Futon an der Wand des kleinen Sofas den Kopf auf die Pfoten gelegt hatte und schlief, wandte dann aber seine Aufmerksamkeit wieder dem Fernseher zu, wo die Nachtausgabe der Nachrichten lief.

Eine Sache wunderte ihn: Während in den amerikanischen Nachrichten das Thema des Amoklaufs in Odaiba noch immer sehr präsent war – immerhin war es noch keine drei Tage her – so wurde es hier bereits nur noch in wenigen Sätzen in den Nachrichten abgehandelt. Zwar sprachen einige Sendungen nun wieder vermehrt über die Gefahr der Digimon... Doch über den Vorfall selbst wurde kaum ein Wort verloren...
 

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Anmerkungen und Erklärungen:

Pipismon: Ein Mutantendigimon auf dem Adult- oder Armor-Level. Es ist vom Typus Datei und gehört der Gruppe der Wind-Guardians an.

Sumida: Der Sumida ist einer der großen Flüsse, die durch Tokyo fließen. Er fließt speziell durch die Stadtteile Kita, Adachi, Arakawa, Sumida, Taito, Koto und Chuo und war gerade für das alte Tokyo ein wichtiger Transportweg. Er verläuft nur wenige hundert Meter von der Yashio Jr. High School entfernt.

Shinai: Als Shinai bezeichnet man üblicher Weise die aus Bambus gefertigten Übungsschwerter im Kendo. „Men!“, „Kote!“ und „Do!“ sind Ausrufe nach Trefferarten beim Kendotraining.
 

Das war es dann auch für diese Woche wieder von mir ;)

Viel habe ich dieses Mal zum Abschluss auch nicht zu sagen, muss ich feststellen. Daher: Es geht in zwei Wochen aller Voraussicht nach weiter. Bis dahin kopiere ich einfach mal den Abschiedsspruch von Quarks und Co (so halb): Bleibt mir treu, empfehlt mich weiter und ich freue mich wie immer auf euer Feedback ;)

Episode 16: Der Wandel

Episode 16: Der Wandel
 

„Weiß jemand, was am Wochenende genau in Odaiba vorgefallen ist? Die Nachrichten berichten nur sehr wenig.“

„Ich habe gehört, dass Digimon gegeneinander gekämpft haben und es dabei zu Toten kam.“

„Ich war da. Es waren beides Perfect-Digimon und beide hatten Tamer. Es sind einige Menschen verletzt worden. Der eine Tamer war wohl auch derjenige, der für die Morde der letzten Wochen verantwortlich ist.“

„Ob sie etwas an den Regulierungen ändern?“

„Perfect Digimon?! Aber ich dachte, die Digimon normaler Tamer können nicht mehr auf das Perfect-Level digitieren?!“

„Vielleicht gehörten die Tamer zur Regierung.“

„Der Mörder? Wohl kaum... Ich habe gehört es seien unregistrierte Tamer gewesen.“
 

                                     - Thread zu den Ereignissen des 6.5.11 im 2chan BBS
 

Es war kurz vor halb neun, als Yamaki Mitsuo in die Küche seiner Wohnung kam.

„Morgen, Papa“, rief Namiko, was ihn nur müde aufsehen ließ.

Das siebenjährige Mädchen stand in der Tür zum Flur und schlüpfte in seine Schuhe, während im Schatten hinter ihr der Umriss ihres Partners Lumamon zu erkennen war.

„Du bist noch hier?“, fragte Mitsuo nur matt. „Solltest du nicht in der Schule sein?“

„Ich bin so gut wie weg“, erwiderte seine Tochter, schwang sich seine Schultasche auf den Rücken und lief zur Tür.

„Soll ich dich wirklich nicht...“, begann Reika, die ihr mit gerunzelter Stirn hinterher sah, bekam aber keine Antwort, ehe die Tür schon wieder ins Schloss fiel. Sie seufzte, wandte sich dann aber ihrem Mann zu. „Du siehst nicht gut aus...“, meinte sie und füllte Kaffee in eine Tasse für ihn.

Er nickte nur dankbar und nahm einen Schluck. „Ich hatte gestern noch ein Treffen mit Minister Nigashi.“ Unfreiwillig musste er herzhaft gähnen. „Und heute ist ein weiteres Treffen mit einigen politischen Vertretern... Und die Journalisten...“

„Sollte sich Ryou-kun nicht um die Journalisten kümmern?“, fragte Reika in einem möglichst beiläufigen Tonfall, der jedoch nicht verhinderte, dass Mitsuo daraufhin nur schnaubte.

„Akiyama kann sich nicht zurückhalten“, erwiderte er missgelaunt. „Er weiß, dass wir nichts sagen sollen und er muss vor den Reportern auch noch seine eigene Meinung ausbreiten, was unsere Situation mit den Politikern nicht wirklich verbessert.“

„Dann bleibt es also dabei...“ Reika seufzte. „Es wird nichts weiter gesagt?“

„Natürlich nicht“, erwiderte Mitsuo. „Und zumindest die größeren Sender und Zeitschriften wissen, dass weitere Fragen unerwünscht sind.“ Er schüttelte den Kopf. „Und zumindest Matsuda hat es verstanden.“

Seine Frau schürzte kurz die Lippen und wandte sich ab, um zwei Scheiben Brot in den Toaster zu stecken. „Ich nehme aber an, dass es auch ihm nicht wirklich gefällt.“

Mitsuo zuckte mit den Schultern. „Er mag das Vorgehen nicht befürworten, aber er weiß zumindest, wann Beschwerden unerwünscht sind.“ Damit warf er einen Blick zum Toaster. „Ich esse nichts.“, meinte er, wohl wissend, dass Reika das Brot für ihn röstete.

Diese sah ihn nun an. „Doch, das tust du“, sagte sie ruhig, aber mit bestimmenden Unterton. „Du isst zu wenig, du trinkst du viel und glaub nicht, ich hätte nicht bemerkt, dass du heimlich wieder rauchst.“

Mit einem Klacken kamen die Brote aus dem Toaster geschossen, woraufhin sie die Scheiben auf einen Teller legte.

Dann sah sie ihren Mann direkt an, auch wenn dieser versuchte ihrem Blick auszuweichen. „Ich weiß, dass die ganze Situation nicht einfach ist und dass du unter mehr Druck stehst, als irgendjemand von uns. Aber ich habe wenig Lust, dich im Krankenhaus zu besuchen, wenn du dort mit einem Herzinfarkt, Schlaganfall oder einer Lungenembolie liegst... Und wenn du so weiter machst, wie im Moment, wird es fraglos dazu kommen.“

Daraufhin senkte Mitsuo nur den Blick. Er war lang genug mit Reika verheiratet, um zu wissen, dass es wenig Sinn machte, ihr zu widersprechen, wenn sie so sprach. Zwar wusste er, dass sie Recht hatte, doch fiel es ihm schwer etwas daran zu ändern.

„Du solltest auch an Namiko denken“, meinte sie kurz angebunden und in einem offenbar möglichst neutralen Tonfall. Doch es war genau dieser Satz, der die Wut, die sich in den vergangenen Tagen in ihm aufgestaut hatte, wieder zum brodeln brachte.

Die Wut war eigentlich nicht gegen seine Frau gerichtet. Dennoch konnte er nicht verhindern, dass es nun sie war, die er anschrie. „Glaubst du, dass ich das nicht tue?“ Er sprang auf und schlug mit den Händen auf die Arbeitsfläche der Küche, an der er zuvor gesessen hatte. „Ich denke die ganze Zeit an sie! Daran, wie ich sie beschützen kann! Auch wenn die Minister und die ganzen anderen Politiker meinen, dass sie den Konflikt entgehen können, wenn sie einfach nur lang genug schweigen... Dass die Leute dann vergessen würden... Wir wissen alle, dass es nicht so ist! Und es wird weitere Unruhen geben! Und wenn sie Tamer angreifen... Kinder wie Namiko... Namiko...? Was soll ich dann tun?“ Er atmete tief durch. „Und dann... Aber sie haben auch Recht, oder? Die Digimon sind gefährlich. Sie können gefährlich sein. Und am Ende...“ An dieser Stelle unterbrach er sich selbst, schüttelte den Kopf und setzte sich wieder hin, während seine Frau nur schwieg. „Glaub nicht, dass ich dabei nicht an unsere Tochter denke. Oder an uns...“

Reika wartete für einen Moment, als er geendet hatte. Sie schien über den Ausbruch nicht sonderlich überrascht oder verärgert. Stattdessen schob sie ihm nur den Teller und ein Glas mit Marmelade hin. „Dann iss.“
 

Takumi seufzte, während er auf das Buch starrte, dass auf seinem Tisch aufgeschlagen lag, während Suwa-sensei, ihre Gesellschaftslehrerin, an der Tafel stand und Diagramme zum Thema der gesellschaftlichen Entwicklung aufmalte.

Immer wieder hatte er das Gefühl, dass das Buch vor seinen Augen verschwamm. Er konnte sich nicht wirklich auf den Unterricht konzentrieren. So sehr er es auch versuchte, seine Gedanken wanderten immer wieder in andere Richtungen ab.

Noch immer waren einige Pflaster über seine Arme und Beine verteilt, weshalb er für das langärmlige Jackett seiner Schuluniform dankbar war und dafür, dass das Wetter noch nicht so warm war, dass es als vollkommen seltsam erschien, dass er dieses weiterhin über seinem weißem T-Shirt trug.

Gesellschaftskunde war das letzte Fach für diesen Tag, der sein erster Schultag seit der Golden Week war, und er war froh, wenn er nach Hause konnte.

Zu seiner Überraschung hatte sich bisher niemand getraut ihn auf die Dinge, die am vergangenen Wochenende passiert waren, anzusprechen. Auch wenn fraglos jeder hier davon gehört hatte.

Er begann sich zu fragen, ob einer der Lehrer seine Mitschüler gebeten hatte, ihn nicht an die Dinge zu erinnern oder gar darüber auszufragen. Er wusste es nicht sicher, doch es war wahrscheinlich. Wieso sollten sie sich sonst zurückhalten?

Doch umso mehr befürchtete er, dass einige, die nur nicht gegenüber den Lehrern negativ auffallen wollten, sich dann wie die Krähen auf ihn stürzen würden. Was ein Grund war, warum er beschloss, nach dem Unterricht vor dem Lehrerzimmer auf seinen Vater zu warten.

Sein Vater... Er hatte noch immer nicht mit ihm geschimpft, auch wenn Takumi deutlich spürte, dass er etwas unterdrückte. Doch offenbar hatte es Matsuda Takato irgendwie geschafft ihn einzuschüchtern.

Die Schulglocke schellte und er ließ sich besonders viel Zeit damit, seine Sachen wieder in die Schultasche zu packen.

Da riss ihn eine Stimme aus seinen Gedanken. „Kommst du, Takumi?“, fragte Hiro, der zusammen mit Ryoichi und Takeshi an der Tür des Zimmers stand.

„Ja“, murmelte er leise und ging mit gepackter Tasche zu ihnen hinüber.

Auch wenn er sich bemüht hatte, langsam zu packen, so waren noch einige Schüler auf den Fluren der Schule unterwegs, während er zusammen mit seinen Freunden diesen hinunterlief. Er konnte die Anspannung der drei anderen Jungen regelrecht spüren, bis es am Ende aus Ryoichi herausplatzte:

„Stimmt es wirklich, dass du ein Digimon Tamer bist?“

Takumi antwortete nicht sofort, auch wenn er wusste, dass er um eine Antwort nicht ganz herumkommen würde. „Nein“, erwiderte er dann. „Nicht mehr.“

„Aber was...“, begann Takeshi in besorgtem Tonfall, wurde jedoch von Ryoichi unterbrochen.

„Was ist am Wochenende passiert? Ich habe gehört, dass du da warst, als dieser Junge Amok gelaufen ist!“

Daraufhin blieb Takumi stehen. Er senkte den Blick. „Ich... Darüber will ich nicht reden.“

„Aber...“, wollte Ryoichi widersprechen, wurde jedoch von Hiro mit der flachen Hand gegen die Brust geschlagen.

„Ist in Ordnung“, meinte Hiro daraufhin zu Takumi.

Dieser nickte nur, ohne seine Freunde anzusehen. „Gut.“

Zögerlich legte Takeshi ihm seine Hand auf die Schulter. „Wenn du über irgendwas reden willst...“, meinte er ruhig.

„Ich weiß“, murmelte Takumi und hob endlich den Blick. „Ich werde zum Lehrerzimmer runtergehen. Ich fahre mit meinem Vater nach Hause.“ Er sah die anderen drei kurz an und machte einige Schritte, ehe er noch einmal stehen blieb. „Bis morgen“,verabschiedete er sich dann tonlos und beschleunigte seinen Schritt.
 

Shoji fühlte sich bedrückt, als er das Schulgelände verließ und auf die Straße vor der Azabu Highschool hinaustrat. Er war bereits seit Anfang der Woche wieder zur Schule gegangen, obwohl direkt bei den Ereignissen am Wochenende dabei gewesen war. Doch er war im letzten Schuljahr und wollte möglichst keinen Stoff verpassen. Außerdem, so sagte er sich, brachte es wenig allein zu Hause zu sitzen und über die Ereignisse nachzudenken.

„Shoji“, hörte er eine vertraute Stimme und sah Gazimon auf der anderen Seite der einspurigen Straße, die Momentan nur von den Schülern der Schule genutzt wurde.

Er nickte seinem Partner zu und ging dann zu ihm hinüber.

„Alles in Ordnung?“, fragte das Digimon besorgt, als es seinen nachdenklichen Blick sah.

„Ja.“ Shoji nickte, wusste aber, dass er damit seinen Partner nicht überzeugen konnte.

Als der Junge, Kaoru, gesprungen war, hatte er ihn fallen sehen, da er bei den Rettungswagen gestanden war. Er hatte sich rechtzeitig dazu gebracht, wegzusehen, doch er hatte gehört, wie der Körper auf dem Asphalt aufschlug.

Allein der Gedanke daran jagte ihm einen Schauder über den Rücken.

„Es ist schon in Ordnung“, meinte er nur und holte seine Gedanken ins Hier und Jetzt zurück.

Gazimon sah ihn für eine Weile an, schien dann aber zu beschließen, dass es nicht weiter fragen sollte, und nickte nur. „Gehen wir.“

Shoji nickte und schloss sich zusammen mit dem Digimon dem Strom der Schüler an, die sich nun in Richtung der nächsten U- und S-Bahnstationen drängten.

Die Schüler waren für Mittel- und Oberschüler eine bunte Gruppe, da an ihrer Schule nur zu besonderen Anlässen Schuluniformenpflicht herrschte. Sie waren durch die weitgehend einheitlichen Schultaschen jedoch trotzdem leicht als Gruppe zu erkennen.

„Warte“, meinte Shoji plötzlich zu Gazimon, als dieses Anstalten machte, wie die meisten der aus ganz Tokyo kommenden Schüler, den Weg zur Shioba-Station einzuschlagen.

„Lass uns noch ein wenig spazieren gehen“, schlug er vor. „Ich möchte mir ein wenig meine Beine vertreten.“

„In Ordnung, Shoji.“ Das Digimon nickte nur erneut und folgte ihm.

Statt wie die meisten der anderen Schüler die Straße zu überqueren bogen sie nach links ab um den Weg zum kleinen Minamiazu-Park einzuschlagen, der nicht all zu weit von der Schule entfernt war.

In Wahrheit wollte Shoji etwas Zeit für sich haben und war nicht sonderlich erpicht darauf, die nächsten zwanzig Minuten in den zu dieser Zeit mit Schülern überfüllten Bahnen zu verbringen, denen er sich im Moment weniger zugehörig den je fühlte.

Doch gerade, als die den Park betraten, begann Gazimon zu knurren.

Überrascht sah der Tamer seinen Partner an, dessen Pupillen sich verkleinert hatten, während es die Ohren anlegte. „Was ist?“

„Digimon“, knurrte das Digimon. „Hier kämpfen Digimon.“ Und genau in dem Moment erklang in nicht allzu großer Ferne ein dumpfer Knall.
 

Takumi sah auf seine Füße, während er auf dem Schulhof auf seinen Vater wartete, der, als er vorhin zum Lehrerzimmer gekommen war, noch in ein Gespräch mit einem anderen Lehrer vertieft gewesen war.

So stand er nun am Rand des Schulhofs im Schatten der am östlichen Rand des Geländes stehenden Bäume und hoffte, dass seine anderen Mitschüler ihm nicht zu große Aufmerksamkeit schenkten.

Seine Mitschüler waren nicht die einzigen, die über das geschehene Reden wollten. Auch seine Mutter hatte ihn in den vergangenen Tagen mehrfach darauf angesprochen, doch jedes Mal hatte er geschwiegen.

Was sollte er auch sagen?

„Shirou-kun!“, hörte er auf einmal eine Stimme nach ihm rufen, die er nicht sofort einordnen konnte.

Erschrocken und verwirrt sah er sich um.

Erst nach einigen Augenblicken erkannte er die zwei Gestalten, die am Tor zum Schulhof standen.

Es waren das Mädchen, Ai, und ihr Bruder, wobei Ai ihm mit ausschweifenden Bewegungen zuwinkte.

Er sah in eine andere Richtung. Hatte er ihnen nicht klar genug gemacht, dass er sie nicht sehen wollte, als er sie im Krankenhaus weggeschickt hatte?

„Shirou-kun!“, rief sie erneut nach ihm.

Nun schnaubte er. „Lasst mich in Ruhe!“, rief er zurück.

„Wenn du nicht herkommst, komm ich zu dir“, meinte Ai nun offenbar gereizt.

Er ignorierte sie. Letzten Endes durften sie das Schulgelände doch nicht betrieben.

Aber wie er feststellen musste, schien dies zumindest Ai nicht zu stören, die nun mit weiten Schritten auf ihn zukam. Noch ehe er reagieren konnte, packte sie ihn beim Arm. „Wir wollen nur mit dir reden!“

Takumi sah sie wütend an. „Ich aber nicht mit euch, okay?“, erwiderte er gereizt und riss sich von ihr los.

„Nein, nicht okay“, antwortete sie ebenfalls wütend. „Ich gehe hier nicht weg, ehe du mit mir geredet hast.“

Nun folgte ihr auch ihr Bruder und, wie Takumi feststellte, auch Impmon, das er zuvor nicht gesehen hatte, unsicher über den Schulhof.

„Worüber sollte ich mit dir reden?“ Takumi sah das Mädchen wütend an.

„Wo ist dein Partner?“, antwortete Ai nun mit einer Gegenfrage.

„Das geht dich nichts an“, zischte der Junge.

„Vielleicht doch“, erwiderte sie, atmete dann aber tief durch. „Verdammt, ich habe mir Sorgen um dich gemacht, verstehst du? Ich habe Takato gebeten, mit deinem Vater zu sprechen, aber ich wusste nicht, ob es etwas bringt.“

Nun verstand Takumi endlich. Deswegen also hatte sich jemand wie Matsuda Takato für ihn interessiert. Es war also das Mädchen gewesen, dass diesen darum gebeten hatte. „Ich habe dich nicht darum gebeten, dich einzumischen.“

„Jetzt hör mal, Kleiner“, empörte sich nun auch Impmon. „Ai macht sich Sorgen um dich! Wir wollen dir nur helfen, verdammt!“

„Ich brauch aber keine Hilfe!“, schrie Takumi sie an. „Ich komme allein zurecht. Lasst mich einfach in Ruhe!“ Wütend lief er über den Schulhof, ehe er auf dessen Mitte stehen blieb. „Und ich bin kein Tamer mehr. Also... Also... Ach! Lasst mich einfach nur in Ruhe!“ Damit rannte er davon, sich dessen bewusst, dass zumindest Ai ihn nicht in Ruhe lassen würde, wenn er hier blieb.

Er dachte nicht einmal daran, dass sein Vater nach ihm suchen würde, wenn er nicht auf ihn wartete. Er wollte einfach nur von hier weg.
 

Die Zwillinge und ihr Digimon sahen Takumi hinterher, während dieser davonlief.

„Du solltest ruhiger sein“, meinte Makoto zu seiner Schwester.

Diese ignorierte ihn. Sie hatte die Hände zu Fäusten geballt. „Idiot!“, murmelte sie. „Idiot...“ Dann, auf einmal, griff sie nach Makotos Handgelenk. „Komm“, meinte sie und zog ihn über den Schulhof davon.

„Was...“, begann ihr Bruder. „Wo willst du hin?“

„Zu Takumi nach Hause“, erwiderte sie.

„Aber ich glaube nicht, dass er dorthin gehen wird“, antwortete Makoto.

„Ich auch nicht.“ Sie sah ihn an. „Genau deswegen. Vielleicht können wir mit seiner Mutter reden.“

„Aber...“, setzte ihr Bruder an, verfiel jedoch in Schweigen, als er ihren Blick sah. Auch wenn er ihren Gedankengang nicht ganz verstand, wusste er, dass es keinen Sinn hätte, sie von etwas anderen zu überzeugen zu versuchen: Sie hatte es sich bereits in den Kopf gesetzt. Er seufzte, da er nicht das Gefühl hatte, so etwas erreichen zu können. „In Ordnung.“

Ai grinste - wenn auch auf eine sehr grimmige Art. „Dann komm“, meinte sie und zog ihn weiter über den Schulhof, in Richtung der nächsten U-Bahnstation.
 

Shoji folgte Gazimon, das nun zielsicher über die Grünflächen des Parks rannte. Immer wieder hörten sie Geräusche, die fraglos das Resultat eines Kampfes waren. Doch obwohl der Park nicht sonderlich groß war und sie kaum mehr als eine Minute gebraucht haben konnten, den Ort des Kampfes zu erreichen, sahen sie dort nicht mehr viel, als sie ankamen.

Ein großes, löwenartiges Digimon drückte mit seiner Pranke ein Digimon auf den Boden, das Shoji als Searchmon erkannte. Genau in diesem Moment lösten sich Datenpartikel aus der Gestalt des unterlegenen Digimons und es digitierte zu einem Wormmon zurück.

„Wormmon!“, hörte Shoji die panische Stimme eines Jungen, der am Rand der Parklichtung, auf der die beiden Digimon offensichtlich gekämpft hatten, stand.

Der Junge war höchstens vierzehn oder fünfzehn Jahre alt.

„It's enough!“, wies eine andere Stimme nun das Löwendigimon, das Shoji nun als Liamon identifizierte, an, welches daraufhin von seinem Gegner ließ und zu einem weiteren Tamer hinüberging, der am anderen Rand der Lichtung stand.

Da erkannte Shoji den jungen Mann, an dessen Seite das Liamon nun stand. Er hatte ihn schon ein oder zwei Mal mit Takato zusammen gesehen. Steve, war der Name mit dem Takato ihn den Amerikaner vorgestellt hatte.

Dieser schien ihn nun auch bemerkt zu haben und sah kurz zu ihm hinüber, wandte sich dann aber wieder seinem besiegten Gegner zu. „Das ist dir eine Lehre?“, fragte er diesen in etwas unbeholfen klingendem Japanisch.

Der wesentlich jüngere Tamer, der die grüne Schuluniform einer der staatlichen Mittelschulen trug, sah ihn an. „Aber warum...“, setzte er an und nahm seinen geschwächten Partner auf den Arm. Man sah ihm an, dass er mit den Tränen kämpfte.

„Weil ich eigene Gründe habe zu kämpfen“, antwortete Steve nur. „Aber du wurdest besiegt. Du kannst nicht mehr im Turnier kämpfen. Hörst du?“

Der Teenager nickte stumm und sah unsicher zu seinem Gegenüber.

„Dann geh jetzt“, meinte dieses.

Erneut nickte der jüngere Tamer und wandte sich unsicher um, ehe er davon ging - erst langsam, dann jedoch immer schneller werdend.

„Was machst du hier?“, fragte Steve dann an Shoji gewandt und ging zu ihm hinüber, wobei Liamon ihm folgte.

„Ich gehe hier in der Nähe zur Schule“, antwortete der Angesprochene. „Und du? Was hast du hier gemacht?“

Der amerikanische Tamer schien für einige Sekunden zu überlegen. „Matsuda-kun hat dir gesagt, dass ich an dem Turnier teilnehme, oder?“

Shoji nickte nur. „Dann war dieser Junge auch ein Turnierteilnehmer?“

„Ja“, erwiderte Steve. „Er fordert mich heraus, als ich in der Gegend war. Er hatte Schulschluss.“

Für einen Moment überlegte der japanische Junge, der wie meistens, wenn er zur Schule ging, ein kurzärmeliges weißes Hemd trug, und sah währenddessen zu Gazimon, das zu Füßen des größeren, teilweise gepiercten Digimon stand, während dieses selbst misstrauisch zu dem Neuankömmling sah.

„Wieso nimmst du an dem Turnier teil?“, fragte Shoji schließlich.

„Weil ich die Kinder so hindere gegen andere zu kämpfen“, antwortete Steve.

Daraufhin schwiegen sie beide und eine seltsame Stille herrschte zwischen den beiden Tamern, ehe es wieder der Amerikaner war, der die Stimme erhob.

„Du warst da, oder?“, fragte er. „Als der junge Tamer... Als er...“ Unsicher sah er zu seinem ebenso ratlosen Partner. „When he commited suicide.“ Mit fragendem Blick sah er zu Shoji und schien zu hoffen, dass dieser verstand.

Tatsächlich brauchte Shoji etwas, ehe die Worte miteinander verknüpfte. Schweigend und dem Blick des anderen ausweichend nickte er nur.

„Er hat andere getötet, oder?“, fragte Steve nun wieder auf Japanisch weiter.

Auch wenn der andere durchaus verstand, was der Amerikaner sagte, antwortete er nicht sofort. Allein der Gedanke an das Geschehene sorgte dafür, dass sich sein Magen verkrampfte.

Gazimon, das dies merkte, antwortete für ihn. „Ja, hat er. Er hat seinen Partner dafür benutzt... Und er hätte einen weiteren Jungen getötet, wenn wir nicht... Wenn wir seinen Partner nicht vorher getötet hätten.“

Es schien einen Moment zu dauern, bis Steve verstand, was das Digimon gesagt hatte. Ein Schreck huschte über sein Gesicht, auch wenn er sich schnell wieder unter Kontrolle hatte. „Warum sagen die News hier so wenig zu dem Event?“

Shoji sah ihn an und seufzte. „Weil dann die Leute noch mehr Angst hätten.“

Daraufhin schwieg der Amerikaner und wandte seinen Blick ab. „Ich verstehe“, murmelte er schließlich, auch wenn sein Gesicht etwas anderes sagte.
 

Vielleicht zwanzig oder dreißig Minuten, nachdem er vor den Zwillingen - oder besser: Vor Ai - geflohen war, stieg Takumi an der Kanamecho-Station aus. Er hatte nicht wirklich darauf geachtet, welche Bahn er nahm oder wo er hinwollte, da er einzig von dort wegwollte.

Mittlerweile bereute er davongelaufen zu sein, doch war er nicht besonders erpicht darauf, schon wieder mit diesem aufdringlichen Mädchen über sein Leben zu reden.

Während er aus der Station hinauslief überlegte er, direkt wieder nach Hause zu fahren, doch war es nun der Gedanke daran, dass er zumindest dieses Mal dem Streit mit seinem Vater kaum entkommen konnte, die ihn davon abhielt.

Er holte seine Geldbörse aus der einfachen Schultasche, zählte sein Kleingeld und überlegte, ob er in irgendeine Spielhalle gehen sollte. Erst da bemerkte er, dass er noch immer seine Schuluniform trug, und verwarf den Gedanken. Selbst in einfache Arcadesalons wurde man mittlerweile nur noch selten in Uniform gelassen, weshalb die Chance, einen zu finden, der sich dieser Regel noch nicht angepasst hatte, eher gering war, zumal er selten in Ikebukuro war.

Mit einem Seufzen steckte er sein Portemonnaie wieder weg und überlegte, was er stattdessen tun konnte. Schließlich ging er mit der Schultasche unter dem Arm die Straße, die parallel zu den Schienen verlief entlang, ohne ein wirkliches Ziel zu haben.

Als er an einem Supermarkt vorbei kam, investierte er sein Kleingeld statt in einige Spiele in der Arcade in ein Meloneneis und einen Schokoriegel, den er im Gegen in seiner Tasche verstauen wollte, während er das Eis lutschte.

Dazu kam es jedoch nicht, da - kaum dass er einige Schritte auf die Straße hinaus gemacht hatte - ein grüner Schatten an ihm vorbei sprang und ihm dabei den Schokoriegel aus der Hand riss. Und noch bevor er dies verarbeitet hatte, sprang ein weiterer Schatten an ihm hoch und riss ihm auch das Eis aus dem Mund.

„Hey...“, begann er, während er versuchte zu begreifen, was passiert war.

Dann erkannte er die Gestalten von zwei kleinen Digimon, die so schnell sie konnten die Straße hinunter hüpften und einen Augenblick später in einer Seitengasse verschwanden.

„Wartet!“, rief er aus und lief - ohne weiter darüber nachzudenken - den beiden Digimon hinterher.

Dabei bemerkte er das Paar Augen nicht, das ihn überrascht ansah, als er vorbeilief und selbst in die Gasse einbog.
 

Ein angenehmer Wind wehte vom Meer her, während Ai, Makoto und Impmon über den wie ein Balkon angelegten offenen Flur des Hauses liefen. Auch wenn sie wussten, dass Takumi im dritten Stockwerk des Hauses lebte, so mussten sie doch die richtige Wohnung finden und suchten daher nun die Türen nach dem Namen „Shirou“ ab.

„Da!“, rief Makoto, der die Türen langsamer als seine eilige Schwester abschritt, auf einmal und zeigte auf die Tür.

Ai, die vorausgelaufen war, drehte um und kam zu ihm zurückgelaufen. „Ah, gut.“ Ohne zu zögern streckte sie die Hand aus, um zu klingeln, doch ihr Bruder hielt sie fest.

„Bist du dir sicher, dass es eine gute Idee ist?“, fragte er, auch wenn er wusste, welche Antwort er zu erwarten hatte.

„Ja“, erwiderte Ai schroff und riss ihre Hand los. „Wir müssen irgendetwas tun.“

„Aber der Junge...“, begann Makoto noch einmal halbherzig. „Du wolltest eigentlich, dass er bestraft wird, oder?“

Für einen Moment zögerte das Mädchen. „Ja“, antwortete es dann, „aber eigentlich glaube ich nicht, dass er ein schlechter Junge ist. Er hat so viel versucht, um das Digimon des Mädchens und den Jungen zu retten. Deswegen...“

„Ai hat Recht“, mischte sich nun auch Impmon ein. „Es ist nicht gerecht, dass er und sein Partner getrennt sind. Und sei es nur des Partners wegen...“

Mit einem Seufzen trat Makoto zurück und ließ seine Schwester klingeln, ehe sie angespannt warteten. Sie wussten nicht, wer öffnen würde, selbst wenn sie recht sicher waren, dass es nicht Takumi sein würde. Auch wenn sie glaubten, dass sein Vater nicht zuhause war, so konnten sie es doch nicht sicher sagen.

Schließlich näherten sich Schritte der Tür, ehe diese geöffnet wurde, und die Zwillinge atmeten erleichtert auf, als es eine Frau war die öffnete.

„Wer seid ihr?“, fragte sie verwirrt, als sie die beiden Jugendlichen und ihren Partner sah.
 

Die beiden Digimon, die Takumi nun als Nyaromon und Yukimi Botamon erkennen konnte, hüpften die schmale Gasse hinab, so dass der Junge, der wesentlich größer als die beiden Digimon war, spätestens den Anschluss verlor, als die beiden unter einem Müllcontainer hinwegkrochen, der den Großteil des Weges ausfüllte.

Fluchend schob der Junge den Container vor, nur um zu sehen, dass die beiden Baby-Digimon zwischen einen Mädchen und einem Digimon standen und unsicher hin und hersahen, da sie offenbar nicht wussten, wohin sie fliehen sollten.

„Du...“, begann Takumi und sah zu dem Mädchen, dessen blondgefärbte Haare er sofort erkannte, auch wenn es nun eine dunkelblaue Schuluniform trug und seine Haare offen über die Schultern hängen ließ. „Okamura-san!“

Das Mädchen, das sich zuvor als Okamura Rin vorgestellt hatte, sah unsicher zu ihm, nickte dann, ehe es sich den beiden Digimon wieder zu wandte, auch wenn sie ihre Worte trotzdem an Takumi richtete. „Was machst du hier?“

„Ich... Ich...“ Takumi brach ab. Er musste an das Wochenende denken, an den Kampf gegen Kunemon, das nun auf der anderen Seite der beiden Baby-Digimon stand und diese bedrohlich ansah. Er dachte daran, wie Kotemon auf das Perfectlevel digitiert war. Doch er dachte auch an den Blick des Jungen, bevor dieser gesprungen war, und an das Blut seines Opfers.

Schnell vertrieb er diese Gedanken aus seinem Kopf. Er fragte sich, warum er den beiden Digimon überhaupt gefolgt war. Seine Entscheidung war bereits gefällt, oder? Er wollte nicht mehr mit Digimon zu tun haben. Er war kein Tamer mehr. „Ich... Die beiden haben mir nur einen Schokoriegel geklaut...“ Bei diesen Worten kam er sich dumm vor, zumal der Riegel offenbar schon lange im Rachen des kleinen Digimon verschwunden war. „Ist auch egal“, murmelte er dann. „Trotzdem danke für deine Hilfe.“

„Das ist doch das mindeste“, erwiderte Rin zurückhaltend.

Mit einem schweren Seufzen sah Takumi auf die Baby-Digimon und dann zu seiner Schultasche. „Ich sollte nach Hause“, sagte er.

Für einen Moment herrschte Stille, wobei Rin ihn die ganze Zeit ansah.

„Was...“, begann sie dann plötzlich, senkte dann die Stimme. „Ich meine... Wie geht es Kotemon?“

Takumi sah sie an. Er öffnete den Mund, um zu antworten, brachte aber kein Wort heraus. Was sollte er ihr auch sagen? Er kannte dieses Mädchen doch kaum, wusste nur ihren Namen.

Doch es war das Nyaromon, das ihn vor einer unangenehmen Antwort bewahrte. „Es tut uns leid“, meinte es auf einmal und sah Takumi vom Boden aus an. „Wir wollten dich nicht ärgern.“

Überrascht sahen nun beiden Jugendlichen die Digimon an.

„Es ist nur so“, erklärte dieses und wandte dabei nun beschämt den Blick ab, „dass wir in dieser Welt offenbar essen müssen... Denn sonst können wir hier nicht überleben... Glaube ich zumindest.“

„Und deswegen stehlt ihr?“, fragte Rin und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Was sollen wir sonst tun?, erwiderte Nyaromon etwas widerborstig.

„Ihr könntet zum Beispiel jemanden fragen“, antwortete das Mädchen und öffnete ihre schwarze Schultasche, um ein Portemonnaie heraus zu ziehen.

Das Digimon sah sie verwirrt an und auch Takumi kam nicht umher ihr einen Blick zuzuwerfen. Für einen Moment hatte er ganz vergessen, dass er sich eigentlich von Digimon und anderen Tamern fernhalten wollte.
 

„Wir...“, begann Makoto, nachdem beide Zwillinge für einen Moment überrascht geschwiegen hatten. Doch bevor er sich, Impmon oder Ai vorstellen konnte, wurde er schon von letzterer unterbrochen.

„Sie dürfen Takumi nicht verbieten seinen Partner zu sehen!“, platzte es aus dieser heraus.

Makoto und Impmon seufzten, während Frau Shirou die drei überrascht ansah. Sie schien besorgt und nachdenklich.

„Dann seid ihr Tamer?“, fragte sie.

„Ja“, antwortete Ai prompt.

Die Erwachsene nickte und sah zu Impmon. „Ist das euer... Euer Partner?“ Sie schien unsicher zu sein, ob sie die richtige Bezeichnung nannte.

Als Antwort nickte Impmon jedoch nur.

„Wenn ihr reden wollt, kommt herein“, meinte die Frau dann zu ihnen und trat zur Seite. „Mein Mann und Takumi sind noch nicht hier.“ Und auch wenn sie es nicht direkt sagte, so klang es so, als wäre dies etwas gutes.

Die beiden Zwillinge sahen sich auf diese Einladung hin unsicher an, doch es war Impmon, das als erstes die Wohnung betrat. Schließlich nickten sich die beiden Geschwister zu und folgten ihrem Partner.

Sie zogen ihre Schuhe aus, während Frau Shirou die Tür hinter ihnen schloss und dann in die Wohnung vorging. „Ich mache euch etwas zu trinken. Ihr könnt euch setzen“, meinte sie, als die beiden Teenager auf den Paketboden traten und sich im Wohn- und Esszimmer der Wohnung umsahen.

Wieder sahen sich die Zwillinge an, setzten sich dann auf die Stühle zur einen Seite des Esstisches, während Takumis Mutter in die Küche gegangen war. Impmon stellte sich auf einen Stuhl am Ende des Tisches und schnüffelte in der Luft.

„Sein Partner war wirklich nie hier“, meinte es.

„Wahrscheinlich“, erwiderte Makoto leise. „Er wollte es nicht riskieren.“

„Ich habe auch noch etwas Gebäck“, sagte Frau Shirou, als sie mit einem Tablett, auf dem drei Gläser mit Limonade und ein Teller mit verschiedenen Keksen standen, zu ihnen kam. Etwas unsicher sah sie die beiden Tamer an, während sie ihnen und dem Digimon die Gläser hinstellte. Nachdem sie auch den Teller auf dem Tisch abgestellt hatte, ging sie noch einmal in die Küche, um das runde Tablett wegzubringen. Als sie zurückkam hatte sie ein in Stoff gewickeltes Päckchen in der Hand.

„Was ist das?“, fragte Ai, deren Blick sich sofort auf den umwickelten Gegenstand fixierte.

„Das wollte ich euch fragen“, antwortete die Frau und legte das Bündel auf den Tisch. „Takumi hat es weggeworfen. Er sagte, er brauche es nicht mehr.“

Ohne zu zögern riss das Mädchen das Tuch von dem Gegendstand.

„Sein Digivice!“, rief Impmon aus.

„Aber wieso...“, begann Ai und sah fragend zu Takumis Mutter.

Doch bevor irgendjemand eine Antwort auf eine der vielen im Raum stehenden Fragen geben konnte, begann das Gerät einen schrillen Warnton von sich zu geben.
 

Takumi stützte den Kopf auf die Arme, während er der Gruppe bestehend aus gleich sechs Baby-Digimon dabei zusah, wie sie sich auf den kleinen Haufen Hamburger stürzten.

Er fragte sich, warum er noch hier war. Eigentlich hatte er gehen wollen, da all dies nichts mit ihm zu tun hatte, aber am Ende hatte er es doch nicht über sich gebracht, so dass er nun unter einem Baum auf einem Grünstück saß, das nicht unweit von der Haupteinkaufsstraße Ikebukuros entfernt hinter einigen Wohnhäusern lag.

Rin lehnte an einem der anderen Bäume und beobachtete die Digimon ebenfalls, während Kunemon auf ihrer Schulter saß.

„Wieso hast du eine Kreditkarte?“, fragte Takumi schließlich, bemüht ein Thema zu wählen, dass nichts mit Digimon zu tun haben.

„Es ist die Kreditkarte meiner Mutter“, antwortete das Mädchen nur. „Sie hat sie mir gegeben, damit ich einfacher einkaufen kann.“

Unwillkürlich zog Takumi eine Augenbraue hoch und fragte sich, welche Eltern ihrer Tochter einfach so eine Kreditkarte gaben. Immerhin schien Rin nicht älter zu sein als er selbst. Doch er wusste, dass eine Frage danach eindeutig zu persönlich wäre.

So sah er wieder zu den Baby-Digimon. Neben dem Nyaromon waren es zwei Yukimi Botamon, ein normales Botamon, ein Pitchmon und ein Frimon, die offenbar zusammen in die reale Welt gekommen waren. Es war seltsam, sie zu beobachten, wenn Takumi daran dachte, dass, nach allem was er gehört hatte, Digimon eigentlich zum Kämpfen existierten. Zwar wusste er, dass sich das Verhalten der digitalen Wesen geändert hatte, seit die beiden Welten so eng miteinander verbunden waren, doch erschien es ihm überraschend eine Gruppe unterschiedlicher wilder Digimon zu sehen, die nicht nur friedlich miteinander lebten, sondern auch einander beschützten.

„Was ist mit deinem Partner?“, fragte Rin nun auf einmal wieder.

Auf die Frage hin zuckte Takumi zusammen. „Kotemon...“, begann er, wusste aber nicht so recht, was er antworten sollte. Sie würde es nicht verstehen.

Das Mädchen sah ihn an. „Es tut mir leid, wenn die Frage unangemessen ist“, meinte sie dann förmlich. „Aber... Was ist passiert?“

„Ich...“, begann Takumi und wich ihrem Blick aus. „Das ganze...“ Er schüttelte den Kopf, noch immer nach Worten suchend.

In dem Moment erklang jedoch ein schriller Ton, der Takumi zuerst erschreckte, bis er erkannte, dass er von Rins Digivice kommen musste.

Das Mädchen holte das Gerät aus ihrer Schultasche heraus und sah sichtlich erschrocken auf den Bildschirm. „Ein Tamer...“, flüsterte sie und sah hilfesuchend zu Takumi, doch dieser war nicht weniger hilflos als sie.

Der Ton durchschnitt weiter die Luft, während das Hologramm, das die Umgebungskarte anzeigte, über dem Bildschirm des Digivices erschien.

Die Hand des Mädchens begann zu zittern und da verstand Takumi: Sie wollte nicht mehr kämpfen.

Da schlugen mehrere kleine Feuerbälle in den Boden zwischen ihnen und den Babydigimon ein, wo sie kleine brennende Krater hinterließen.

Die kleinen Digimon schrien auf und huschten so schnell sie konnten in das nächste Gebüsch, während sich von der Straße zwei Gestalten näherten, die beide menschlich wirkten.

Mit leichter Besorgnis sah Takumi zu Rin, die offenbar starr vor Schreck war. Ihr Blick war auf die Gestalt gerichtet, die sich ihnen durch den aufkommenden Nebel des Digital Field näherte. Es war die Gestalt eines Jungen, offenbar etwas älter als sie selbst. Das Digimon an seiner Seite erkannte Takumi nun als Flamon.

Schließlich fasste er sich ein Herz. „Was soll das?!“, rief er.

Der Junge, dessen schwarzes Haar mit etwas Gel nach hinten gekämmt war, sah zwischen Takumi und Rin hin und her. „Wer von euch beiden ist nun der Tamer?“, fragte er und steckte seine Hand in eine der vielen Taschen seiner Leinenhose. Da sah er das Digivice in Rins Hand. „Du also“, stellte er fest. „Dann lass uns kämpfen!“

Doch Rin schüttelte nur stumm den Kopf. „Nein“, flüsterte sie. „Ich will nicht mehr kämpfen...“

Ihr Gegenüber zog die Augenbrauen zusammen. „Bist du etwa feige?“

Erneut schüttelte Rin den Kopf. „Ich will nicht mehr kämpfen. Ich...“ Sie stotterte.

Nun stellte sich Takumi vor sie. „Lass sie in Ruhe!“, rief er aus, erntete dafür jedoch nur einen spöttischen Blick.

„Halt dich da raus“, meinte der andere Tamer. „Wer am Turnier teilnimmt muss kämpfen. So lauten die Regeln.“

„Dann nimmt sie halt nicht mehr am Turneir teil!“, erwiderte Takumi, da Rin noch immer keine Worte fand.

Nun funkelten die Augen des älteren Jungen wütend. „Ich sagte: Halt dich daraus, Romeo!“, rief er aus und sah zu seinem Partner, der nur nickte, in die Hocke ging und dann auf Takumi zusprang.

Episode 17: Takumis Antwort

Episode 17: Takumis Antwort
 

Ich habe es nie geschafft die richtige Antwort zu finden. Ich habe es bisher – glaube ich – nicht einmal wirklich versucht. Wahrscheinlich habe ich bisher alles gemacht, was am einfachsten war, wenn eine Entscheidung nicht vermeidbar war. Ich weiß, dass es falsch war, wusste es die ganze Zeit. Wie kann ich nach all dem noch ein Tamer sein? Ich kann meinen Partner nicht beschützen und niemanden sonst. Dies ist meine Entscheidung und ich weiß, dass es die richtige Entscheidung ist... Doch... Wieso fühlt es sich dann so falsch an?
 

                                     - Shirou Takumi
 

„Men! Men! Men!“ Immer und immer wieder wiederholte das Digimon denselben Kendohieb, während die Augen unter seiner Maske konzentriert aussahen.

Es würde immer weiter trainieren, es würde sich beweisen, um Takumi weiter beschützen zu können! Denn tief in seinem Herzen wusste es, dass Takumi – sein Tamer – es noch nicht aufgegeben hatte. Kotemon wusste, dass sein Partner es nicht zurücklassen würde, dass er nur Zeit brauchte, um die vergangenen Ereignisse zu verarbeiten und sich selbst zu verstehen.

„Men!“

Bis dahin würde es trainieren...

Doch das war nicht der Grund, warum Kotemon hierher gekommen war.

Es stand auf einem Grünstück am Rand einer der Schnellstraßen, die durch Tokyo führten. Doch es war nicht mehr in Chou, sondern im Norden von Shinjuku, nicht allzu weit vom Metropolitan Government Building entfernt. Denn eine Sache ließ es nicht mehr los...

Es wollte mehr über die Digimon erfahren, die schon so lang in dieser Welt waren. Digimon wie Guilmon oder Renamon. Wieso waren sie hergekommen? Und wie war es so lang in dieser Welt zu leben?

Es wollte diese anderen Digimon verstehen – in der Hoffnung, dass es so auch Antworten zu den vielen Fragen finden würde, die es beschäftigten. Warum hassten einige Menschen die Digimon? Und was bedeutete es überhaupt einen Tamer zu haben?

„Men!“

In dieser Welt war – selbst nach zwei Jahren – noch so vieles fremd. Und auch wenn es auf einige seiner Fragen eine generelle Antwort wusste, so genügte dies nicht. Natürlich verstand es, dass manche Digimon den Menschen gefährlich waren und Schaden anrichteten, doch taten die Menschen doch immer wieder ähnliches und waren auch füreinander eine Gefahr. Was war an den Digimon denn so anders?

Wenn es diese Dinge verstand, vielleicht würde es dann auch Takumi helfen können, dessen Vater zu überzeugen. Vielleicht...

„Men!“

Vielleicht war es auch nur eine vergebliche Hoffnung.

Doch es wollte... Es musste... Es hatte geschworen...!

Da hielt es auf einmal mitten in einem weiteren Schlag inne und sah sich verwirrt um. Den Blick gen Himmel gerichtet ließ es sein Bambusschwert sinken. Es war ein seltsames Gefühl – und es war plötzlich gekommen. Kotemon konnte es nicht ganz verstehen – konnte das Gefühl nicht ganz einordnen. War es ein starkes Digimon? Nein...

Das Child versuchte sich auf das Gefühl zu konzentrieren. Es war ein ungutes Gefühl, als würde etwas nicht stimmen. Und da verstand Kotemon auf einmal.

„Takumi!“, rief es aus und lief los.
 

„Wer von euch beiden ist nun der Tamer?“, fragte der fremde Junge und steckte seine Hand in eine der vielen Taschen seiner Leinenhose. Da sah er das Digivice in Rins Hand. „Du also“, stellte er fest. „Dann lass uns kämpfen!“

Sein Partner – Flamon – ballte die Hände zu Fäusten und sah zu Rin hinüber, die jedoch nur den Kopf schüttelte und wohl zurückgewichen wäre, wenn sie nicht schon mit dem Rücken gegen einen der Bäume gestanden wäre.

„Nein“, flüsterte sie. „Ich will nicht mehr kämpfen...“

Ihr Gegenüber zog die Augenbrauen zusammen. „Bist du etwa feige?“

Erneut schüttelte Rin den Kopf. „Ich will nicht mehr kämpfen. Ich...“ Sie stotterte.

Nun stellte sich Takumi vor sie. „Lass sie in Ruhe!“, rief er aus, erntete dafür jedoch nur einen spöttischen Blick.

„Halt dich da raus“, meinte der andere Tamer. „Wer am Turnier teilnimmt muss kämpfen. So lauten die Regeln.“

„Dann nimmt sie halt nicht mehr am Turneir teil!“, erwiderte Takumi, da Rin noch immer keine Worte fand.

Nun funkelten die Augen des älteren Jungen wütend. „Ich sagte: Halt dich daraus, Romeo!“, rief er aus und sah zu seinem Partner, der nur nickte, in die Hocke ging und dann auf Takumi zusprang.

Zu erschrocken, um reagieren zu können, stand Takumi nur da. Er wusste, dass er verletzt werden könnte, wenn Flamon ihn tatsächlich angreifen würde. Er saß, wie das Digimon mit erhobener Faust auf ihn zusprang, nun kaum mehr als eineinhalb Meter von ihm entfernt war. Alles ging so schnell. Eigentlich wusste er, das er zur Seite springen sollte, doch seine Beine hörten nicht auf ihn.

„Fox Tail!“, hörte er in dem Moment eine piepsige Stimme, als Nyaromon auf das Flamon zuhüpfte und diesem mit seinem Schwanz ins Gesicht schlug.

„Halt dich daraus!“, rief das Childdigimon aus und fegte das kleine Digimon mühelos zur Seite, so dass dieses hart auf den Boden aufschlug.

„Nyaromon!“ Die anderen Babydigimon krochen besorgt zu ihrem Freund hinüber, der einige Schrammen zu haben schien.

„Wie nervig“, kommentierte Flamon und wandte sich nun wieder Takumi zu. Es ließ eine Flamme über seine Hand erscheinen. „Geh aus dem Weg, Loverboy. Ich will gegen das Kunemon dort kämpfen.“

Takumi schüttelte den Kopf. „Nein!“, rief er aus, auch wenn seine Stimme bei weitem nicht so fest klang, wie er es sich gewünscht hätte. „Okamura-san will nicht kämpfen, also lasst sie in Ruhe!“

„Das hätte sie sich überlegen sollen, bevor sie die Einladung zu dem Turnier angenommen hat“, meinte der fremde Tamer nur kühl.

„Wieso ist es dir so wichtig?“ Takumi war sich nicht sicher, warum er diese Frage stellte, doch die Worte kamen ihm einfach über die Lippen. „Wieso willst du unbedingt kämpfen? Was willst du damit erreichen?“

Nun wurde die Miene des älteren Jungen noch grimmiger, als sie ohnehin schon gewesen war. „Was sollte dich das angehen? Du bist ja nicht einmal ein Tamer!“

„Ich...“ Takumi hielt inne. Es war eigentlich das, was er selbst in den letzten Tagen so oft gesagt hatte: Er war kein Tamer mehr. Er konnte kein Tamer mehr sein. Doch wieso machte es ihn dann so wütend diese Worte von jemand anderen zu hören?

„Jetzt geh aus dem Weg!“, befahl der andere mit gebieterischer Stimme.

Energisch schüttelte Takumi den Kopf. „Nein!“

„Idiot!“, meinte Flamon und grinste schelmisch. Es ließ einen Feuerball nur einen knappen Zentimeter an Takumis Kopf vorbeifliegen. „Der nächste trifft!“

Takumi rührte sich nicht.

Daraufhin zuckte das Digimon nur mit den Schultern. „Wie du willst.“ Es beschwor einen weiteren Feuerball über seinen Fingern.

„Hör auf!“ Rin Stimme ließ alle zusammenzucken. Bleich stand sie noch immer mit dem Rücken gegen Baum gepresst. Als sich die anderen ihr zuwandten, senkte sie die Stimme. „Hört auf, bitte. Ich...“ Ihr Blick wanderte zu Boden, wo Kunemon nun saß und sie ansah. „Ich kämpfe ja...“

„Okamura-san...“, begann Takumi, doch das Mädchen sah ihn nicht an.

Kunemon nickte und Rin zog eine Karte aus ihrer Tasche hervor.
 

Shoji sah zu dem jungen Amerikaner, während der nun auf einer Bank des Parks saß, während sein Partner – noch immer in seiner Adult-Form den Kopf auf die Pfoten gelegt hatte und offenbar die Sonne genoss.

Auch Gazimon warf dem Duo einen etwas misstrauischem Blick zu.

An sich wäre Shoji gegangen, doch es gab etwas, dass er nun fragen wollte. „Hast du irgendetwas herausgefunden? Über das Turnier, meine ich.“ Er sah fragend zu ihm hinüber, während er selbst halb auf einer niedrigen Mauer saß, die hinter der Bank und weiter den Weg entlang verlief.

„Wie meinst du?“, fragte Steve.

„Ich meine... Weißt du etwas darüber wer dieses Turnier veranstaltet?“

Der Amerikaner schüttelte den Kopf. „Nein... Wenn es ich schon Matsuda-san gesagt hätte.“ Dabei merkte man deutlich, dass er sich nicht wirklich sicher war, wie er über Takato genau sprechen sollte und welche Form der Erwähnung höflich war.

Shoji nickte nur. „Ich frage mich vor allem warum“, murmelte er – wobei er eher laut dachte, als dass er diese Worte wirklich an den anderen richtete.

„Warum?“, griff Steve diese jedoch auf.

Daraufhin seufzte der japanische Junge und sah zu ihm. „Wer auch immer dieses Turnier veranstaltet... Was will er – oder sie – damit erreichen? Was hat er davon, wenn die Digimon von Tamern sich gegenseitig umbringen?“

„Vielleicht hasst er Tamer“, erwiderte der Amerikaner.

„Vielleicht...“ Shoji senkte seinen Blick wieder. Es gab noch etwas anderes, was ihn zunehmend an diesem Turnier beunruhigte: Wer auch immer es ausrichtete, musste einiges über Digimon und Tamer wissen. Woher? Kurz überlegte er, ehe er sich doch wieder Steve zu wandte. „Kann ich dein Digivice sehen?“

Verwirrt sah der Amerikaner ihn an. Er holte sein Digivice hervor, zögerte aber. „Warum?“

Doch Shoji sah das Gerät nur an. Es sah tatsächlich anders aus, als die Digivices von Shuichon, Takato und den anderen. „Es hat sich verändert, nachdem du die Einladung angenommen hast?“

„Ja. Ich habe ein Programm bekommen. Ich sollte es auf das Digivice laden. Dann hat es sicher verändert.“

Das hieß, dass – wer auch immer dieses Turnier veranstaltete – musste viel über die Digivices wissen, darüber wie sie funktionierten und was sie eigentlich waren. Wie sonst sollte es ihm möglich sein, ein Programm zu schreiben, dass nicht nur die Funktionen, sondern auch die Gestalt des Digivices veränderte? Was war überhaupt der Zweck dahinter?

„Dein Digivice“, begann der Amerikaner auf einmal, der nun das Gerät an Shojis Hosenbund entdeckt hatte. „Es sieht auch nicht aus wie die anderen.“

Der Japaner löste das Digivice von seiner Hose und sah es an. „Nein“, erwiderte er schlicht.

„Wieso?“

Gazimon sah ihn ungehalten an, schwieg jedoch, da es offenbar auf Shojis Reaktion wartete.

„Nun“, murmelte Shoji leise, „man kann sagen dass Kayako, Denrei und ich... Wir haben unsere Partner auf andere Art getroffen als du oder Takato und... Und die meisten anderen.“

„Wie?“, fragte Steve weiter, als Liamon seinen Kopf hob und knurrte, da zumindest es bemerkt haben schien, dass sein Partner Shoji mit seinem Fragen zu nahe ging. Es dauerte jedoch einige weitere Sekunden, ehe der Amerikaner verstand. „Ich meine“, begann er daraufhin etwas verlegen, „wer... Wer sind Denrei und Kayako?“

Shoji zuckte nur mit den Schultern und stieß sich von der Mauer ab. „Freunde von mir. Tamer. Aber sie sind beide nicht hier, nicht in Tokyo.“

Für einen Moment schien Steve eine weitere Frage stellen zu wollen, besann sich dann jedoch offenbar eines besseren und nickte nur.
 

„Card Slash! Chou Shinka PlugIn S!“ Rins Digivice leuchtete auf.

Licht sammelte sich um Kunemon, ehe es im nächsten Moment als Flymon in der Luft vor seiner Partnerin flog.

Der andere Tamer sah mit einer Art grimmigen Zufriedenheit zu Rin und zog ebenfalls eine Karte durch sein Digivice.

„Flamon – Shinka! Agnimon!“ Auch sein Partner digitierte. Nun größer als die Jugendlichen stand es direkt vor Takumi und nahm Kampfhaltung an.

Die Babydigimon drängten sich nun eng zusammen unter einem Busch.

Noch bevor sein Gegner es angreifen konnte, flog Flymon in die Höhe, um so aus der Reichweite Agnimons zu kommen, und Takumi beeilte sich zum Rand der Wiese zu kommen – er wollte kein weiteres Mal ins Krankenhaus.

Noch immer sah er zu Rin, deren Hand sich zitternd um das Digivice verkrampfte.

„Okamura-san...“, murmelte er, doch sie schenkte ihm keine Aufmerksamkeit, sondern sah nur mit besorgter Anspannung zu ihrem Partner hinauf.

Takumi folgte ihrem Blick. Schmerzlich wurde ihm bewusst, dass er nichts tun konnte. Er hatte den Kampf nicht verhindern können und ohne Digimon, Digivice oder Karten war er hier mindestens genau so hilflos wie die kauernden Babydigimon.

Nun schoss Flymon mehrere seiner giftigen Stachel in die Richtung des Agnimons, das noch immer mit gehobenen Fäusten in der Mitte des kleinen Grünstückes stand.

Kurz bevor die Stacheln es trafen wich es mit einem Sprung zur Seite aus. Es landete auf der schmalen Straße, die neben dem Grünstück verlief und ließ seine Armbänder nun aufflammen. „Fire Darts!“

Doch Flymon, das in der Luft weit wendiger, als das an den Boden gebundene Agnimon, wich mühelos aus. Erneut schoss es Giftstachel ab und wieder wich Agnimon aus.

„Kei!“, rief es seinem Partner zu, während es nun auf die Gartenmauer eines der anliegenden Häuser sprang.

Der andere Tamer nickte. „Card Slash!“ Er zog eine Karte durch das Digivice und im nächsten Moment erschienen ledrige Flügel auf Agnimons Rücken.

Das Digimon ging in die Hocke und stieß sich mit aller Kraft von der Mauer ab, um so auf Flymon zuzufliegen. Flammen erschienen um seinen rechten Arm. „Burning Salamander!“ Damit schoss ein Drache aus Feuer auf Flymon zu, das zu langsam war, um weit großflächigen Attacke auszuweichen.

Es fiel einige Meter, ehe es sich taumelnd fing.

„Flymon!“, kreischte Rin. Ihre Hände begannen wieder stärker zu zittern, während Takumi hilflos zwischen ihr und den Digimon hin und hersah.

„Okamura-san“, begann er vorsichtig, doch sie sah ihn nicht an. Er hob seine Stimme. „Okamura-san!“ Er griff nach ihrer Hand. „Okamura-san! Du musst etwas tun!“

Noch immer sah das Mädchen zu ihrem Partner, der sich nun, wo auch sein Gegner fliegen konnte schwerer tat, den Angriffen noch auszuweichen.

Auch jetzt zögerte Takumi noch, packte Rin jedoch bei den Schultern und schüttelte sie. „Okamura-san! Reiß dich zusammen! Flymon braucht dich!“

Da endlich wurde der Blick des Mädchens klarer, auch wenn eine Träne über ihre Wange lief. „Aber was soll ich tun?“

„Du bist ein Tamer“, erwiderte Takumi ungeduldig. „Du solltest selbst wissen, was du tun kannst. Als du gegen mich gekämpft hast, warst du nicht so schwach!“

„Aber...“, begann sie erneut, doch dieses Mal unterbrach Takumi sie.

„Kote... Hanehamon hat deinen Partner nicht gerettet, damit er jetzt stirbt!“

Für einen Moment sah sie ihn schweigend an, ehe sich ihr Blick auf einmal festigte. Sie nickte und griff zu ihrer Tasche. „Flymon!“, rief sie, während sie die Ledertasche mit ihren Karten herausholte.

Ihr Partner tat sich immer schwerer dem Gegner auszuweichen, der siegessicher immer mehr Kraft in seine Angriffe steckte.

„Salamander Kick!“

Flymon konnte dem Tritt nur gerade entgehen, wurde aber von einigen der Flammen weiter versengt.

„Card Slash! Jumper Rom!“ Sie zog die Karte durch das Digivice, wartete jedoch nicht, bis der Effekt wirken konnte, ehe sie zwei weitere Karten nutzte. „Card Slash! Speed Seventh! Seadramon – Water Breath!“

Als Agnimon erneut zum Schlag ausholte, wich Flymon problemlos aus. Noch bevor sein Gegner sich dessen bewusst war, war das Insektendigimon hinter ihm und öffnete sein Maul.

Ein mit Eiskristallen durchsetzter Wasserstrahl schoss auf das Kriegerdigimon zu, noch bevor dieses wusste, wie ihm geschah. Eis bildete sich um seinen Körper und auch um die durch den Karteneffekt erzeugten Flügel, die schließlich zu Datenpartikeln zersprangen, so dass das Digimon im nächsten Moment gen Boden stürzte.

„Agnimon!“, rief der fremde Tamer, schaffte es jedoch nicht eine Karte einzuscannen, bevor sein Partner unsanft auf den Boden aufkam.

Noch bevor der Junge sich rühren konnte, richtete das Digimon wieder auf. „Ich kann noch kämpfen“, murmelte es und sah mit einer wütenden Entschlossenheit in seinem Blick zu Takumi und Rin hinüber. „Kei!“, rief es wieder und sah zu seinem Partner.

Dieser zögerte. Wie auch das Digimon sah er zu Rin und Takumi hinüber und schien zu überlegen, ob er wirklich weiterkämpfen sollte. Dennoch nahm er zwei Karten und zog sie durch den Schlitz am Rand seines Digivices.

Im nächsten Moment erschien es, als sei Agnimon verschwunden, auch wenn Takumi schnell klar wurde, dass der andere Tamer wahrscheinlich eine Karte benutzt haben musste, die die Geschwindigkeit des Digimons erhöhte.

„Konzentrier' dich!“, rief Rin, die dasselbe erkannt zu haben schien, ihrem Partner zu.

Tatsächlich wich Flymon, bei dem ebenfalls der Effekt der Geschwindigkeits-Karte noch immer zu wirken schien, zwei Mal zur Seite aus, auch wenn es für die Menschen schwer war zu erkennen, was genau passierte.

Dann auf einmal konnten sie Agnimon wieder erkennen, als einer von Flymons Stacheln in der Schulter des humanoiden Digimons steckte.

Erneut fiel es zu Boden und kam dieses Mal nur schwankend auf die Beine.

„Agnimon!“, rief der andere Junge, den das Digimon Kei genannt hatte, als er bemerkte, dass die Gestalt des Digimons leicht flackerte.

Takumi zögerte für einen Moment, richtete sich dann aber wieder an Rins Gegner. „Gib auf“, meinte er vorsichtig. „Du willst deinen Partner nicht verlieren, oder?“

Der Tamer sah ihn mit einer Mischung aus Wut und Verzweiflung an. „Du...“, begann er, schien jedoch nicht zu wissen, was er genau sagen wollte.

„Gib auf“, meinte nun auch Rin. „Wir wollen deinen Partner nicht töten.“

Noch immer schien Kei nicht zu wissen, was er tun sollte. Dafür sah Agnimon nun mit wütendem Blick zu ihnen hinüber.

„Haltet die Klappe!“, rief es aus. „Ich kann noch kämpfen! Ich...“ Sein Fuß knickte zur Seite und es konnte sich gerade noch fangen, um nicht wieder hinzufallen.

„Du kannst kaum stehen“, meinte Takumi. „Wie willst du so noch kämpfen? Willst du wirklich sterben?“

„Halt's Maul!“, schrie Agnimon. „Ich kann noch kämpfen! Misch dich nicht ein, du dummer Mensch!“

„Aber...“, begann Takumi, als das Digimon auf einmal erneut seine Armbänder auflodern lief.

„Ich habe gesagt, du sollst die Klappe halten!“, rief es und sprang auf ihn zu.

Doch noch bevor es den Jungen erreichen konnte, wurde es von einer Gestalt, in etwa genau so groß wie es selbst, zu Boden gerissen.

Überrascht folgten alle drei Jugendlichen den Gestalten, um überrascht zu sehen, dass Agnimon nun von einem anderen Digimon zu Boden gedrückt wurde.

Takumi konnte es nicht glauben. „Dinohumon?“, fragte er leise. Konnte es wirklich sein?

In dem Moment löste sich Agnimon auf, so dass statt seiner nur ein geschwächt wirkendes Flamon auf Boden lag.
 

„Was machst du hier?“, fragte Takumi mit trockenem etwas später an seinen Partner gewandt, der nun im Schneidersitz vor einem der Bäume saß, nachdem Kei, zusammen mit Flamon, wortlos verschwunden war.

„Ich habe gespürt, dass du in Gefahr bist“, erwiderte das Digimon.

Schuldbewusst sah der Junge es an. „Aber ich... Wieso bist du mir zur Hilfe gekommen?“

„Weil du mein Partner bist.“ Dinohumon sah ihn an. „Du bist mein Tamer.“

Takumi schüttelte den Kopf. „Ich... Ich bin kein Tamer mehr. Ich... Ich verdiene es nicht einer zu sein. Es wäre besser, wenn du dir einen anderen Partner suchst. Jemand, der sich besser um dich kümmern kann.“

„Aber ich bin dein Partner!“, protestierte das Digimon.

Bemüht die Tränen, die in ihm hochstiegen, zu unterdrücken, wandte Takumi den Blick zu Boden. „Aber ich... Ich konnte dich nicht beschützen. Ich habe dich im Stich gelassen... Ich schaffe es doch nicht einmal gegen meinen Vater...“ Er brach ab und schwieg für einen Moment. „Außerdem konnte ich... Ich konnte ihn...“ Wieder dachte er an den Jungen, der vom Dach des Telecom Centers gesprungen war, bevor er ihn hatte aufhalten können. Und wieder kam der Gedanke, den er in den vergangenen Tagen immer wieder verdrängt hatte in ihm hoch: Durch den Kampf der Digimon waren Menschen gestorben. Menschen, die nicht gestorben wären, hätte er nicht eingegriffen – oder?

„Shirou-kun?“, meldete sich nun auf einmal Rin zu Wort, die die beiden mit etwas Abstand beobachtet hatte. „Ich...“ Sie zögerte etwas und vermied es, als er sich ebenfalls zurückhaltend zu ihr umdrehte, ihn direkt anzusehen. „Ich denke nicht, dass du ein schlechter Tamer bist. Du... Du hast Kunemon gerettet, obwohl wir deine Gegner waren. Du hast es geschafft, dass dein Partner auf das Perfect-Level digitiert, obwohl dies eigentlich nicht möglich sein sollte. Und... Diesen einen Jungen hast du auch gerettet, oder?“

„Aber...“, murmelte Takumi. „Wenn ich ihn nicht gerettet hätte, wären die anderen Menschen dort nicht verletzt worden... Außerdem wäre er wohl doch gestorben, wenn Matsuda-san und der andere Junge nicht erschienen wären.“

„Aber wer weiß, wie viele andere dieser Junge noch getötet hätte, wenn du ihn nicht aufgehalten hättest“, versuchte es Rin weiter.

„Niemand.“ Der Junge sah wieder zu Boden. Seine Stimme war bitter. „Vielleicht hätte er auch so aufgehört. Es... Es konnte ihn ja niemand mehr fragen...“

„Es ist nicht deine Schuld, dass er sich umgebracht hat“, meinte nun auch Dinohumon.

Daraufhin erwiderte Takumi nichts.

„Also“, begann auf einmal eine wesentlich höhere Stimme zu ihren Füßen, die – wie sie schnell erkannten – zu Nyaromon gehörte, „wenn ich etwas sagen darf...“ Das Digimon zierte sich selbst offenbar etwas. „Ich fand dich mutig. Du hast das Mädchen beschützt, obwohl dein Partner nicht bei dir war.“

„Außerdem“, meinte nun auch das Frimon, „hast du versucht den Kampf aufzuhalten.“

Für eine Weile schwieg Takumi. Was sollte er auch sagen? So einfach würden sie nicht verstehen, was in seinem Kopf vor sich ging, denn sie hatten es nicht gesehen. Sie waren alle nicht dabei gewesen – nun, einmal abgesehen von Dinohumon. Doch dieses verstand am wenigsten – vielleicht, weil es bei ihm bleiben wollte. Es war nicht so, dass er wirklich kein Tamer mehr sein wollte, aber er wusste einfach, dass er als solcher nicht geeignet war. Er hatte so viele Fehler gemacht... So viel... Außerdem...

„Es ist sowieso egal“, murmelte er leise. „Ich kann nicht mehr dein Tamer sein. Ich habe das Digivice nicht mehr.“

„Nicht so voreilig, Shirou-kun“, rief eine nicht vollkommen unbekannte Stimme.

Unwillkürlich sahen sich Takumi, Rin, Dinohumon und auch das noch immer in der Luft fliegende Flymon gen Himmel, von wo die Stimme kam. Eine Gestalt flog auf sie zu und ehe sie diese genauer identifizieren konnten, landete sie auch schon auf der Straße neben dem Grünstück.

„Ihr?“, stieß Takumi hervor, noch ehe er sich eines besseren besinnen konnte. „Aber wie...?“

Es waren Ai, Makoto und Beelzebumon, die dort vor ihnen standen und nun zu ihnen hinüber sahen.

Und während Takumi es noch hingenommen hatte, dass Dinohumon – wie auch immer Kotemon digitiert war – ihn gefunden hatte, erschien dies ihm doch als zu großer Zufall.

„Dein Digivice hat uns zu dir geführt“, meinte Makoto.

„Du solltest wirklich besser darauf aufpassen.“ Mit diesen Worten warf Ai ihm das Gerät zu.

Etwas unbeholfen fing Takumi sein Digivice auf und sah es ungläubig an. Es war zweifelsohne sein Digivice, doch konnte er nicht verstehen, wie es in den Besitz der beiden Geschwister gelangt sein könnte.

„Deine Mutter hat es aufbewahrt“, antwortete Ai auf seine ungestellte Frage.

„Sie macht sich Sorgen um dich“, ergänzte ihr Bruder.

Noch immer sah Takumi auf das Digivice. Seine Mutter hatte es tatsächlich für ihn aufbewahrt? Wieso? Konnte sie wirklich wollen, dass er es behielt?

„Aber ich“, flüsterte er leise. „Ich...“

Da räusperte sich Ai. „Ich weiß, dass dich meine Meinung wahrscheinlich nicht sonderlich interessiert, aber ich denke, dass du das richtige getan hast. Du hast versucht jemanden zu beschützen.“

„Aber...“, begann Takumi erneut, wurde dieses Mal aber von Beelzebumon unterbrochen.

„Hey“, meinte es, „was passiert ist, ist nicht deine Schuld, Kleiner.“

Der Junge sah das Digimon an. Er wusste nicht mehr, was er sagen sollte. Schuldbewusst sah er zu Dinohumon hinüber, ehe er sich wieder den anderen Tamern zuwandte. Er schluckte. „Und was ist mit meinem Vater?“
 

Ungeduldig wippte Ryou auf seinen Zehen auf und ab, während er am Eingangstor der Universität von Tokyo wartete. Es war bereits später Nachmittag und er hatte es gerade noch rechtzeitig geschafft von Hypnos weg zu kommen.

Auch Monodramon stand an seiner Seite und schien ebenfalls ungeduldig – wenn auch aus gänzlich anderen Gründen als der Tamer, denn es wusste nicht wirklich, was es hier machen sollte und hätte es bevorzugt irgendwo vor sich hin zu schlummern, wenn es schon nicht kämpfen konnte.

Die Studenten strömten nun langsam aus dem Gebäude heraus und vom Gelände der Universität.

Ryous größte Sorge war, dass Ruki dieses über einen der anderen Ausgänge verlassen könnte, doch diese Sorge zerstreute sich, als sein Partner den Kopf hob.

„Renamon ist hier“, meinte es.

Einen Moment später erblickte Ryou seine Freundin, ihr Fahrrad neben sich herschiebend, zwischen den anderen Studenten.

„Ruki-chan!“, rief er überschwänglich aus.

Die junge Frau sah auf. „Ryou“, meinte sie überrascht, wirkte aber nicht sonderlich erfreut.

Ryou spürte sein Herz schwer werden. Er wusste langsam nicht mehr, was er tun sollte. Vor allem, weil er keine Ahnung hatte, warum sie ihm aus dem Weg ging. „Ich wollte dich abholen“, meinte er und ging nun neben ihr her.

Sie seufzte. „Danke.“ Seinen Blick ausweichend fuhr sie fort: „Musst du nicht noch arbeiten?“

„Nein“, erwiderte er kurz angebunden. „Man könnte meinen, du wolltest mich wieder loswerden.“

Für einen Moment zögerte sie mit ihrer Antwort. „Das ist es nicht“, meinte sie dann zurückhaltend. „Es ist nur...“ Sie schürzte die Lippen. „Ich habe im Moment viel anderes im Kopf. Verstehst du?“ Als er nichts erwiderte, fuhr sie fort. „Ich habe viel zu tun, an der Universität. Viel zu lernen. Und außerdem die ganzen Sachen... Dieses Turnier... Und der Junge...“

Doch auch wenn sie dies sagte, so konnte Ryou nicht umher, sich zu denken, dass dies nicht alles war. Denn sie hatte schon bevor sie von dem Turnier erfahren hatten – oder von dem nun toten Jungen – begonnen ihm aus dem Weg zu gehen. Und nach allen, was er wusste, hatte sie keine zu großen Probleme mit dem Stoff an der Universität. Dennoch formulierte er seine Frage anders. „Warum redest du mit mir dann nicht darüber?“

„Weil ich nicht darüber reden mag, Ryou“, erwiderte sie mit Nachdruck. „Ich...“ Sie unterbrach sich und sah auf den Boden. „Ich kann es im Moment einfach nicht. Versteh das doch.“

„Aber, Ruki...“, begann er, doch sie schüttelte nur den Kopf.

„Bitte, Ryou“, meinte sie und ehe er noch etwas sagen konnte, schwang sie sich aufs Fahrrad, trat in die Pedale und war schon einige Sekunden später ein ganzes Stück von ihm entfernt.

Für einen Moment konnte er den Schatten Renamons erkennen, das seiner Partnerin folgte, doch Ryou tat es ihm nicht gleich.

Stattdessen stand er mit hängenden Schultern mitten auf dem Weg, der von der Todai wegführte. Er ließ ein leises Seufzen hören.

Wenn sie doch nur mit ihm reden würde.

Wenn sie ihm zumindest sagen würde, was nicht stimmte – was er falsch machte.

Doch das schien im Moment niemand zu machen. „Wahrscheinlich mache ich einfach alles falsch“, murmelte er zu sich selbst und schob seine Hände in die Hosentaschen. „Verdammt...“
 

Die Sonne versank im Westen hinter den Gebäuden der Stadt, als Takumi, zusammen mit Kotemon, Ai, Makoto und Impmon die Straße zu seinem Zuhause entlanglief. Überzeugt von dem Plan der Zwillinge, war er noch immer nicht, doch was sollte er tun?

„Eins will ich aber wissen, Kotemon“, meinte er, während er sich bemühte so langsam wie nur möglich zu laufen.

„Ja?“ Das Digimon sah auf.

„Wieso konntest du alleine digitieren?“ Die Frage stellte er sich eigentlich schon seit dem Baseballspiel vor nun fast zwei Wochen, doch das Digimon zuckte nur mit den Schultern.

„Ich weiß es nicht“, antwortete es ehrlich. „Ich... Ich wusste, dass du Hilfe brauchst und dann bin ich einfach digitiert.“

Der Junge seufzte.

„So etwas ist schon früher ab und an passiert“, meinte Makoto. „Auch bei anderen Digimon.“

„Und ich brauche ohnehin keinen Partner, um zu digitieren“, warf Impmon ein und verschränkte die Arme vor seiner fellbewachsenen Brust.

Doch dies beantwortete die Frage für Takumi dennoch nicht.

„Jetzt komm.“ Ai stieß ihm gegen die Schulter, was offenbar aufmunternd gemeint war, als sie vor dem Apartmenthaus standen, in dem Takumi mit seinen Eltern lebte.

Dieser blieb für einen Moment stehen. Er glaubte noch immer nicht, dass dies alles so funktionieren würde, wie das Mädchen es sich vorstellte. Und auch wenn er – oder zumindest ein Teil von ihm – es zu schätzen wusste, dass sie ihn begleiteten, hätte er doch lieber gänzlich drauf verzichtet.

Nun aber blieb ihm nichts anderes übrig, als den beiden die außen verlaufende Bettontreppe hinauf zu folgen.

Sein Herz pochte, als sie der Tür der Wohnung, in der seine Eltern sicherlich bereits auf ihn warteten näherte. Wenn auch unwillig machte er Anstalten den Schlüssel aus seiner Tasche hervor zu ziehen, doch noch bevor er dazu kam, klingelte Ai bereits.

Die Sekunden zogen sich beinahe endlos, während sie warteten.

Dann näherten sich Schritte und es war seine Mutter, die öffnete. „Da bist du ja, Takumi“, rief sie erleichtert aus.

„Takumi?“, hörte er die Stimme seines Vaters aus dem Wohnzimmer, ehe auch dieser zu Tür kam. Sein Gesicht war – wie so oft – ernst, aber ansonsten nichtssagend. „Was ist hier los?“, fragte er, als er die kleine Gruppe erblickte.

„Los!“, flüsterte Ai Takumi ins Ohr und klopfte ihm erneut auf den Rücken.

Er holte tief Luft. „O-too-san, O-kaa-san, das ist Kotemon. Mein Partner.“

Episode 18: Allianz

Episode 18: Allianz
 

Im Verlauf des Jahres 2001 kam es zum ersten größeren Digimon-Vorfall, als sich mehrere Digimon im Innenraum Tokyos materialisierten und Sachschaden in der Höhe von mehreren Milliarden Yen verursachten. Der größte Schaden entstand im September des Jahres, als ein Digimon der Vikaralamon-Spezies sich materialisierte und die Schnellstraße Shinjukus, wie auch mehrere anliegende Gebäude zerstörte. Gesamt nahmen durch die Vorfälle in dem Jahr mehrere hundert Menschen Schaden, auch wenn die Todesfälle überraschender Weise im zweistelligen Bereich blieben. […]
 

                - Ausschnitt aus der Sondersendung „Gefahr aus dem Netz? Wie gefährlich sind Digimon?“
 

Es wurde hell in der digitalen Welt. Wie immer kam der Tag plötzlich, als hätte jemand in der gesamten Welt das Licht angemacht.

Shuichon saß am Rande des Abgrunds, in dem sich die unzähligen Tetraeder der Anomalie weiter um ihre eigene Achse drehten.

Sie hatte die Beine angezogen und die Arme auf ihren Knien abgelegt, während sie nah genug am Rand der Klippe saß, um die seltsame Datenform beobachten zu können.

Sie seufzte.

„Was hast du, Shuichon?“, fragte Lopmon, das auf ihrer Schulter saß und bisher geschwiegen hatte.

Das Mädchen schüttelte den Kopf. „Ich frage mich nur, was wir jetzt machen sollen...“

„Nun, wir werden schon wieder in die reale Welt zurückkommen“, meinte das Digimon. „Nun wo wir aus dieser Höhle heraus sind, können wir im Notfall fliegen, nicht?“

Shuichon schüttelte den Kopf. „Das ist es nicht, was ich meine“, erwiderte sie. Ihr Blick wanderte zum Himmel, wo weit über ihnen, die Gestalt der realen Welt nach wie vor zu erkennen war. „Ich meine, wir sind hierher gekommen, um etwas darüber heraus zu finden und...“ Sie ließ den Satz offen ausklingen.

„Wir sind immerhin klüger als vorher“, antwortete ihr Partner. „Immerhin wissen wir nun, wie sich diese Anomalie in der digitalen Welt manifestiert.“

„Das schon...“ Die junge Chinesin seufzte erneut, zuckte dann aber mit den Schultern. „Na ja, vielleicht sollten wir wirklich nach Hause. Vater und die anderen machen sich sicher Sorgen.“

„Und vergiss die Schule nicht“, meinte Lopmon nun neckisch.

Sie verdrehte die Augen. „Ja, und natürlich verpassen wir noch Stoff in der Schule.“ Sie streckte die Beine aus und drehte den Oberkörper weit genug, um zu Denrei hinübersehen zu können, der nun in seinem Schlafsack lag und noch immer tief zu schlafen schien. „Und das, nachdem er mich immer als Langschläfer beschimpft hat“, meinte Shuichon nun grinsend.

Damit stand sie auf und wollte zu ihrem Freund und seinem Partner hinüber gehen, als ein Geräusch sie aufschrecken ließ.

„Was ist das?“, fragte sie leise und sah sich um.

Lopmon hob beide Ohren an, um besser hören zu können.

Es war ein kaum hörbares, tiefes, gleichbleibendes Geräusch, wie von einem leicht kaputten Ventilator.

Nun schien auch Denrei aufzuwachen. Er drehte sich auf den Rücken und öffnete verschlafen die Augen. Erst blinzelte er, dann richtete er sich auf und sah zu Shuichon hinüber. „Was ist das?“

Shuichon schüttelte nur den Kopf.

Noch immer versuchte sie den Ursprung des Geräusches herauszufinden.

Sie wünschte sich nur, Apollomon und Dianamon wären länger in ihrer Nähe geblieben.

Da verengte Lopmon seine Augen. „Etwas kommt“, flüsterte es angespannt und schien sich bereits zum Kampf bereit zu machen.

Im nächsten Moment stoben die schwebenden Digignome aus dem Abgrund hervor und schienen in alle Richtungen zu fliehen, ehe ebenso feine Greifarme, wie die, die Denrei am Tag zuvor fast in die Anomalie hineingezogen hatten, aus der Masse hervorstoben und versuchten nach ihnen zu greifen. Wenn sie keine Digignome zu fassen bekamen, berührten sie die Wände, die anfingen zu flackern und sich dann aufzulösen.

Zu spät begriff Shuichon. Sie drehte sich herum. „Wir müssen hier weg!“, rief sie, als der Boden bereits unter ihnen einbrach.
 

Die Stadt erschien fast trügerisch friedlich, wenn man sie von oben betrachtete.

Shoji Stand am Fenster im Flur vor dem Büros der Hypnoszentrale und sah auf die nächtliche Stadt, deren Geräusche kaum durch die Isolation des Gebäudes drangen.

Er fragte sich, wie viele Turnierteilnehmer noch dabei waren und wie viele Digimon bereits getötet worden waren. Und weder der Amerikaner – Steve – hatte irgendwelche Hinweise auf den Veranstalter, noch jemand von ihnen.

„Was machst du hier?“, hörte er Rukis Stimme hinter sich und sah sich um.

Die junge Frau kam den Flur entlang auf ihn zu, während Renamons Gestalt im Schatten hinter ihr zu erkennen war.

„Ich bin mit Steve hergekommen“, erwiderte Shoji. „Er wollte mit Takato reden.“

„Irgendetwas neues?“, fragte Ruki nun und stellte sich neben ihn, doch er schüttelte zur Antwort nur den Kopf.

„Leider nein...“ Leise seufzend sah er zu ihr. „Und du? Was machst du hier? Ryou-kun ist nicht hier.“

„Ich weiß“, antwortete sie, offenbar ohne darüber nachzudenken. Sie zögerte. „Ich wollte auch nur schauen, was es neues gibt...“

Für einen Moment wollte Shoji einwerfen, dass sie dafür auch Ryou fragen könnte, doch dann ließ er es bleiben. Er merkte, dass irgendetwas in der Beziehung zwischen Ruki und Ryou nicht stimmte, doch es war nicht so, als ob ihn das etwas anginge.

Da öffnete sich die automatische Tür und Takato, gefolgt von seinem Partner trat heraus. „Ruki“, rief er überrascht aus. „Was machst du hier?“

„Ich wollte eigentlich nur hören, ob ihr schon mehr wisst“, erklärte die junge Frau erneut.

Takato seufzte und schüttelte den Kopf. „Gar nichts.“ Auch seine Augen hefteten sich auf die nächtliche Stadt draußen, doch irgendetwas an seinem Blick erschien Shoji seltsam.

Auch Ruki schien dies zu bemerken. „Stimmt etwas nicht, Takato?“

Takato schloss die Augen und rieb sie sich, schüttelte aber den Kopf. „Nein, es ist nichts. Ich bin nur etwas müde.“

„Du bist frei?“, fragte Steve, der nun mit einem Pappbecher Kaffee in der Hand und dicht gefolgt von Leormon den Flur hinunterkam.

„Ja, ich habe für heute frei“, antwortete Takato.

Für einen Moment herrschte Schweigen, während die vier Tamer nun beieinander standen, ohne das jemand wirklich zu wissen schien, worüber sie reden sollten.

„Können wir jetzt gehen, Takato?“, fing Guilmon auf einmal an zu jammern. „Guilmon hat Hunger!“

Fast überrascht sah Takato seinen Partner an.

„Wir könnten etwas essen gehen“, meinte Shoji vorsichtig.

„Klingt nach einer guten Idee“, stimmte Ruki zu. „Ich habe auch noch nicht zu Abend gegessen.“

Mit einem Nicken stimmte auch Steve zu und folgte Shoji, Ruki und ihren Digimon, als diese in Richtung Aufzug gingen.

Einzig Takato blieb noch am Fenster stehen und sah hinaus. „Wie lange wird es wohl noch so weiter gehen?“, murmelte er, wobei diese Worte wohl eher an ihn selbst gerichtet waren, als an einen der anderen.

Shoji sah zu ihm hinüber und erkannte erneut den seltsamen Ausdruck in seinem Blick.

Doch bevor er oder einer der anderen etwas sagen konnte, meldete sich Guilmon zu Wort.

„Komm, Takato!“

Dies riss den jungen Mann aus seinen Gedanken. „Ich komme schon“, meinte er und folgte ihnen.
 

Es war kurz nach Acht, als Hirokazu endlich das Büro, in dem er im Moment als Aushilfe arbeitete, verließ. Er war bereits seit Neun am Morgen dort gewesen und langsam schwirrte ihm der Kopf, auch wenn er als Aushilfskraft es sich nicht nicht leisten konnte, sich zu beschweren.

Das problematischste war, dass er hier nicht Hagurumon mit zur Arbeit nehmen konnte und dieses damit zuhause auf ihn wartete.

Er konnte nur Tag für Tag aufs neue Hoffen, dass das Digimon keinen Unsinn anstellte.

Doch dieser Gedanke wurde schnell verdrängt, als er aus dem Gebäude kam und draußen tatsächlich jemand auf ihn wartete.

„Yo, Hirokazu-kun“, grüßte Ryou ihn, der an die Wand des gegenüberliegenden Gebäudes gelehnt offenbar auf ihn gewartet hatte.

„Ryou?“, fragte Hirokazu überrascht. „Was machst du denn hier?“

Der ältere Mann zuckte mit den Schultern. „Ich dachte ich schaue mal vorbei“, meinte er nebensächlich.

Mit hochgezogenen Augenbrauen sah Hirokazu ihn an. Irgendetwas stimmte nicht. „Alles okay?“

„Warum sollte etwas nicht in Ordnung sein?“, fragte er.

Monodramon, das neben seinen Füßen saß und seine Arme verschränkt hatte, verdrehte die Augen. „Es ist wegen Ruki.“

„Sei doch ruhig!“, protestierte Ryou und sah das Digimon wütend an.

Hirokazu seufzte. „Was ist mit Ruki?“

„Es ist nichts“, winkte Ryou ab. „Wirklich nichts.“

„Und wegen 'wirklich nichts' bist du hergekommen?“, fragte Hirokazu.

Daraufhin seufzte Ryou. „Na ja...“ Er druckste etwas herum. „Ich wollte fragen, ob du mit mir auf ein Bier irgendwohin gehen willst.“

Noch immer mit einer Mischung von Verwirrung und Entgeisterung sah Hirokazu ihn an. Ihm war klar, dass der andere nur auf Gesellschaft aus war, doch überraschte es ihn, dass er diese ausgerechnet bei ihm zu finden glaubte, wo er selbst in der letzten Zeit so wenig mit den anderen Tamern zu tun hatte.

Aber dennoch. Es wäre ihm als kaltherzig erschienen, es einfach so abzulehnen, zumal es zumindest früher einmal eine Zeit gegeben hatte, in der er Ryou Akiyama bewundert hatte.

Also zuckte nun auch er mit den Schultern. „Von mir aus.“ Mit einem Seufzen dachte er an Hagurumon und hoffte nur, dass sein Apartment noch bewohnbar wäre, wenn er wieder nach Hause kam.
 


 

Überraschender Weise vergingen zumindest für Takumi, Ai, Makoto und Rin die folgenden zwei Tage ohne weitere Vorfälle. Selbst auf einen weiteren Turnierteilnehmer traf keiner von ihnen.

„Wow“, staunte Ai unverhohlen, als sie in die Wohnung trat, in der Rin mit ihren Eltern lebte. „Das nenne ich Luxus.“

Wenngleich die beiden Jungen, die ihr folgten, es nicht so offensichtlich taten, so war auch ihnen das Staunen anzusehen. Denn auch, wenn die Räume nur eine Wohnung waren, so war dieser doch deutlich anzusehen, dass Rins Eltern sehr wohlhabend waren.

Der Boden war mit dunklem Holz getäfelt und im Wohnbereich standen ein teuer aussehendes Ledersofa, wie auch ein Glastisch auf einem weißen Teppich.

Zur Seite des Flurs hin, wurde der Wohnbereich durch ein längliches Aquarium begrenzt.

Rin lächelte nur verhalten. „Kommt rein“, meinte sie zurückhaltend. „Meine Eltern sind nicht da.“

Die drei anderen Tamer taten zögerlich, wie ihnen geheißen und zogen sich die Schuhe aus, ehe sie das dunkle Holz betraten.

Impmon dagegen war zögerlich. Kaum hatte Rin zu Ende gesprochen, ließ es mit großen Schritten in die Wohnung hinein und warf sich auf das Sofa. „Hmm, könnte bequemer sein, kommentierte es.“

Kunemon, das auf dem gläsernen Tisch sah, legte den Kopf schief, während es Impmon beobachtete.

Ai sah zu ihrem Partner hinüber. „Tut mir leid...“, murmelte sie.

Daraufhin zuckte das andere Mädchen nur mit den Schultern. „Macht nichts.“ Unschlüssig sah es zu ihren Besuchern. „Ihr könnt euch setzen... Wollt ihr etwas trinken?“

„Sehr gerne“, antwortete Makoto. „Danke.“

Einzig Takumi schwieg. Ihm war das ganze irgendwie unangenehm. Denn auch wenn er mit Ai und Makoto hier war: Es war das erste Mal seit dem Kindergarten, dass ein Mädchen ihn zu sich eingeladen hatte.

So folgte er nun stumm den Zwillingen und setzte sich auf eine der Stufen, die zu jenem etwas tiefer im Wohnzimmer liegenden Bereich, in dem ein großer Fernseher, wie auch das Sofa standen, hinabführten.

Rin verschwand durch die Tür, die der Eingangstür gegenüberlag, und die offenbar zur Küche führte, kam jedoch nach einigen Minuten mit einem Tablett zurück, auf dem sie einige Gläser mit Limonade balancierte.

„Hier.“ Sie stellte das Tablett vorsichtig auf dem Tisch ab. „Ich hole auch noch etwas zu essen“, meinte sie dann und verschwand schon wieder, ehe einer der anderen etwas sagen konnte.

„Mach dich nicht so breit“, meinte Ai zu Impmon, das noch immer der Länge nach auf dem Sofa lag und so nur noch Platz für die Zwillinge, nicht aber für Takumi oder Kotemon ließ.

„Ach man“, murmelte das Digimon etwas ungehalten, richtete sich aber auf.

Da kam Rin erneut zurück. Dieses Mal trug sie einen kleinen Korb, der mit verschiedenen Keksen gefüllt war.

Sie stellte auch diesen auf den Tisch ab, ehe sie sich selbst auf den Boden setzte.

Für einen Moment herrschte ein etwas ratlos wirkendes Schweigen.

„Und?“, begann Rin dann schließlich etwas zurückhaltend. „Wie ist es mit deinen Eltern gelaufen, Shirou-kun?“

Takumi seufzte. „Eigentlich nicht schlecht“, antwortete er dann.

„Ich darf bei Takumi bleiben“, erklärte Kotemon, als sein Tamer nicht fortfuhr.

„So lange ich keine 'Dummheiten' mache“, führte Takumi dies fort.

Daraufhin verzog Ai das Gesicht. „Aber immerhin etwas. Ich meine, es ist nicht so als könnte er es dir verbieten.“

„Nur weil man etwas gesetzlich nicht darf...“, begann Makoto, brach aber ab, als seine Schwester ihm einen bösen Blick zuwarf. „Zumindest sollte es im Moment ja erst einmal so gehen.“

Takumi nickte. „Ja. Ich hoffe es.“
 

Es war ein angenehmer Nachmittag, so dass es nicht verwunderte, dass im Yoyogikoen einige Leute unterwegs waren.

Steve beobachtete diese nur von einer Bank aus. Er war einkaufen gewesen und hatte des guten Wetters wegen beschlossen, auf dem Rückweg noch einen kleinen Abstecher in den Park zu machen, wo er nun auf einer Bank saß.

Er hatte die Einkaufstüte neben sich gestellt, während Leormon zu seinen Füßen lag und seinen Kopf auf die verschränkten Vordertatzen gelegt hatte. Seine Augen folgten einigen Kindern, die auf der Grasfläche, die sich vor der Bank ausbreitete, Fußball spielten.

Steve streckte sich. Er hatte am Vortag noch lange mit den anderen Tamern in einem Restaurant gesessen, wobei sie jedoch erstaunlich wenig geredet hatte. Es war deutlich gewesen, dass jeder von ihnen eigentlich hatte über die Ereignisse, die sich im Moment in dieser Stadt abspielten, reden wollte, dabei aber jeder genau dieses Thema mied.

Leise seufzte er und sah nun ebenfalls zu den spielenden Kindern.

„What's the matter, Steve?“, fragte Leormon, das sein Seufzen bemerkte, und sah zu ihm auf.

Der junge Mann zuckte mit den Schultern. „It's nothing, really“, murmelte er als Antwort.

Die Wahrheit war, dass er nie mit solchen Ereignissen gerechnet hatte, als er sich entschlossen hatte, ein Auslandsjahr in Japan zu machen. Natürlich hatte ein Teil von ihm gehofft, dass er Zeuge eines Abenteuers werden könnte, denn immerhin wusste er – wie wahrscheinlich jeder Tamer auf der Welt – um die zentrale Rolle die Japan, speziell Tokyo in allen der vergangenen Ereignisse, die mit den Digimon zu tun hatten, gespielt hatte.

Doch langsam musste er sich eingestehen, dass die Bücher recht hatten, die sagten, das Abenteuer immer etwas anderes waren, wenn man selbst in ihnen steckte.

War es überhaupt ein Abenteuer? Er kämpfte gegen ein paar Kinder, um diese vom Kämpfen gegeneinander abzuhalten.

Allerdings war es irgendwie aufregend mit Takato und den anderen Tokyoter Tamern zu reden. Sie hatten so viel erreicht...

Im Gegensatz zu ihnen war er ein niemand.

Doch vielleicht war dies nicht unbedingt etwas, worüber man sich beschweren musste. Immerhin hatte er bei weitem nicht so viel durchmachen müssen und musste sich nun auch nicht mit Reportern und Politikern herumärgern.

Noch einmal streckte er sich. „Let's go home, Leormon“, meinte er zu seinem Partner und stand auf.

„Okay.“ Auch das Digimon stand nun auf und streckte sich in bester Katzennatur, indem es seine Vorderpfoten nach vorne schob .

Dann jedoch hob es auf einmal den Kopf und der Ausdruck in seinen Augen veränderte sich.

„What's the matter?“, fragte Steve, der diesen Ausdruck gut genug kannte.

Noch bevor das Digimon antworten konnte, hörten sie den Knall einer Explosion.
 

„Ist doch zumindest so gut, oder?“, fragte Rin und sah Takumi von der Seite an.

Dieser seufzte. „Ja“, antwortete er dann mit einem Schulterzucken, „ich denke schon. Es hätte zumindest schlimmer sein können.“

„Was ist eigentlich mit dir, Okamura-san?“ Ai sah zu dem anderen Mädchen. „Deine Eltern wissen nichts von Kunemon, oder?“

Rin erwiderte ihren Blick nicht, sondern sah nun stumm auf ihre eigenen Hände. „Nein.“ Sie holte tief Luft, zuckte dann aber nur mit den Schultern. „Aber es würde keinen Unterschied machen. Sie würden es mir nicht verbieten.“

„Und wieso sagst du es ihnen dann nicht einfach? Du solltest dich registrieren lassen, dann...“, setzte Makoto an, verstummte dann aber, als er den Blick in den Augen des Mädchens sah.

„Es macht für mich einfach keinen Unterschied“, erwiderte Rin und ein betretenes Schweigen trat ein.

Schließlich war es wieder Makoto, der ein anderes Thema anschnitt. „Und was machen wir mit dem Turnier?“

Takumi holte sein Digivice hervor. „So lange die Digivices so sind, bleibt uns nichts anderes übrig als zu kämpfen.“

„Ich kämpfe auf jeden Fall weiter!“, sagte Impmon bestimmt und sprang auf.

„Wenn wir andere Tamer besiegen, ohne ihre Digimon zu töten, werden sie vielleicht vernünftig“, stimmte Ai dem Digimon zu. „Deswegen...“ Sie holte ebenfalls das Digivice hervor, dass Makoto, sie und Impmon verband.

„Ich will nur Kunemon nicht verlieren“, murmelte Rin, woraufhin ihr Partner zu ihr gekrochen kam und sich auf ihrem Schoß zusammenrollte.

Kotemon stellte sich vor sie. „Aber wenn du angegriffen wirst, musst du dich verteidigen. Sonst kannst du Kunemon nicht beschützen.“

„Ich weiß...“

„Ich will nur wissen, wer dieses Turnier veranstaltet“, murmelte Ai mit grimmiger Miene.

Ihr Bruder verschränkte die Arme. „Mich interessiert vor allem, was der Sinn dahinter sein soll.“

„Nun, eins nach dem anderen“, meinte Impmon. Es ballte die Hand zur Faust. „Davon abgesehen ist mir das 'Warum' vollkommen egal!“

Erneutes Schweigen machte sich breit, während die vier Tamer alle zu Boden sahen.

Da war es auf einmal Kunemon, das seinen Kopf hob und ihn dem Fenster an der Rückseite des Wohnzimmers zu wandte.

„Was ist?“, fragte Rin.

Doch da folgten auch die anderen beiden Digimon dem Blick das Insektendigimon.

„Ai“, meinte Impmon kurz angebunden. „Irgendetwas stimmt nicht.“
 

Die Stadt rauschte an Steve vorbei, während er auf Liamons Rücken saß und das Digimon sich mit großen Sätzen der Rauchfahne näherte, die einige Häuserblocks entfernt in die Höhe stieg.

Sie hörten eine weitere Explosion.

„Hurry“, flüsterte Steve und klammerte sich am Fell seines Digimon fest.

Das Digimon beschleunigte sein Tempo noch einmal, wobei es einigen Autos auswich. Um keine Passanten zu verletzen, mussten sie die Straße nehmen, auch auf die Gefahr hin, dass sie so einen Unfall verursachten.

Schließlich bog Liamon um eine weitere Ecke und Steve konnte nun endlich den Ursprung der Rauchfahne sehen:

Es war die Sendagaya-Station deren seitliche Befestigung vollkommen weg gespreng zu sein schien. Einige der umliegenden Konstruktionen hatten Feuer gefangen und schienen nun vor sich hin zu glühen, ohne ganz in Feuer auszubrechen.

Auch in den Boden vor der Station war ein Krater gesprengt worden, wie auch in die nördliche Spur, der über der Station herlaufenden Schnellstraße, während über all dem ein Digimon schwebte.

Steve sah auf sein Digivice. „Megadramon...“, murmelte er. „Perfect-Level. Damn.“

Doch das Level des Digimon war nicht das einzige Problem. Denn etwas stimmte nicht mit dem Digimon. Davon abgesehen, dass es mittlerweile ungewöhnlich für ein Digimon war Menschen anzugreifen, so wirkte das Digimon seltsam farblos, so dass es optisch beinahe nicht mehr von einem Gigadramon zu unterscheiden gewesen wären. Auch leuchteten seine Augen merkwürdig pink, was Steve an etwas erinnerte.

Das Digimon, das vor zwei Wochen ein Baseballspiel von zwei Mittelschulen angegriffen hatte, hatte seltsame Augen gehabt, nach allem, was er von Takato und den anderen gehört hatte.

Das war doppelt schlecht. Denn jenes Digimon war laut Takato stärker gewesen, als normale Digimon es auf dem Level waren.

Er brauchte Hilfe.

„Liamon, try to get its attention“, meinte er zu seinem Partner, während er selbst von dessen Rücken glitt.

Das Digimon stürmte auf einen der neben der Station liegenden Kioske zu und sprang auf dessen Dach, ehe es von dort auf die Überführung sprang und damit nah genug an ihren Gegner kam, um diesen mit einem dritten Sprung zu erreichen. „Thunder of King!“

Das Megadramon wandte ihm seine Aufmerksamkeit zu.

Derweil holte Steve sein Handy heraus. Zwar ging er davon aus, dass Takato und die anderen bereits von dem Vorfall erfahren hatten, jedoch wollte er sicher gehen, so dass er eine kurze Email an Takato verfasste.

Er hoffte nur, dass einer der anderen bald herkommen würde, denn solange Liamon nicht selbst auf das Perfect-Level digitieren konnte, hatten sie keine zu großen Chancen.

„Liamon!“, rief er aus.

Das Löwendigimon stand nun auf der Straße und lief, während sein Gegner es mit kleinen Raketen angriff.

Dabei waren hier noch immer Menschen, die zu panisch waren, um zu fliehen oder von der vorherigen Explosion verletzt worden waren. Wenn sie den Kampf nur irgendwie von hier weglenken könnten.

Doch wohin? Sie waren mitten im Zentrum von Tokyo, in einem Tourismusknotenpunkt und die einzigen freien Flächen in ihrer Umgebung waren Parks, die dank des guten Wetters ebenfalls überfüllt mit Menschen waren.

Dennoch: In einem Park konnten die Menschen besser fliehen und es wäre leichter, Schaden zu vermeiden.

Der südliche Shinjuku-Gyoen lag direkt auf der anderen Seite der Gleise.

„Get it in the park!“, rief er seinem Partner zu.

Dieser nickte mit einem Knurren und schlug einen Haken. Es setzte über die Absperrung am Rand der Zuglinie hinweg und rannte über die Schienen, ehe es mit einem weiteren Sprung hinter der Schallmauer zum Park verschwand.

Zum Glück hatte Megadramon seine Aufmerksamkeit nun auf Liamon fixiert, so dass es ihm folgte.

Das einzige Problem war, dass Steve sie so nicht mehr wirklich sehen konnte, doch ohne sie zu sehen, konnte er seinen Partner nicht unterstützen.

Sein Blick wanderte umher. Er musste selbst einen Übergang über die Schienen finden.

„Damn“, knurrte er erneut und wandte sich nach rechts, wo sich in etwas mehr als hundert Metern Entfernung ein Bahnübergang befand.

Er musste sich beeilen.
 

Impmon stand vor dem Duplex Tower und hatte seinen Blick gen Himmel gerichtet. „Ich versuche heraus zu finden, was es ist!“, meinte es dann und noch ehe einer der Tamer, die nun nach und nach durch das Portal der Wohnanlage nach draußen liefen, reagieren konnte, war die Gestalt des Digimon von Licht umgeben, ehe sie Anwuchs und als Beelzebumon auf der Straße stand.

„Beelzebumon!“, rief Ai, gerade als das Digimon seine Flügel ausbreitete.

Es sah sich herum.

„Sei vorsichtig!“

Beelzebumon nickte nur, bevor es sich vom Boden abstieß und rasch an Höhe gewann.

Ai holte ihr Digivice heraus, über dessen Bildschirm nun ein Hologramm erschien, das ihnen zeigte, was Beelzebumon sah. „Wir sollten ihm folgen.“

Unsicher sahen sich Rin und Takumi an, doch dann nickten sie.

Zwar konnten sie bei weitem nicht mit dem Tempo des fliegenden Ultimates mithalten, jedoch konnten sie zumindest in die Richtung laufen.

Doch sie hatten kaum die Bahnlinie, die nur zwei Blöcke von dem Wohnturm entfernt verlief, erreicht und begonnen den Schienen Richtung Süden zu folgen, als sie das Geräusch hörten, das sie in dieser Situation am wenigsten hören wollten.

„Die Digivices“, flüsterte Rin und griff nah ihrem.

Das Hologramm zeigte nicht nur einen, sondern zwei Punkte an, die sich ihnen von Westen aus näherten.

„Nicht jetzt“, murmelte auch Ai.

„Was machen wir?“, fragte Kotemon und sah zu seinem Tamer.

Dieser zögerte. „Wir laufen“, beschloss er dann.

Zu seiner Überraschung, widersprach ihm niemand.

Stattdessen zog Rin eine Karte hervor und nickte ihm zu.

„Card Slash! Chou Shinka – Plug In S!“

Beide Digivices leuchteten auf und übertrugen ihr Licht auf Kunemon, das bisher auf Rins Schulter gesessen hatte, und Kotemon.

„Kotemon – Shinka! Dinohumon!“

„Card Slash!“ Takumi zog eine weitere Karte durch sein Digivice, da er wusste, dass sie am Boden kaum eine Chance hatten, zu fliehen. „White Wings!“

Weiße Flügel wuchsen aus Dinohumons Rücken heraus.

„Kommt!“, rief Rin auf einmal wesentlich weniger zurückhaltend, als zuvor, aus, und kletterte erstaunlich schnell auf den Rücken Flymons ehe sie Ai die Hand entgegen streckte, um ihr ebenfalls hinauf zu helfen.

„Danke!“ Das andere Mädchen ließ sich hinaufziehen, während Dinohumon die beiden Jungen mit seinen Armen hochhob und sich so in die Luft erhob.

„Auf die andere Seite der Schienen!“, rief Takumi aus und zeigte zur den Schienen hinüber. Er hoffte nur, dass die anderen Tamer nicht selbst Digimon hatten, die fliegen konnten, denn dann würde es für sie schwer werden ihnen zu folgen.

So flogen die beiden Digimon über die Schienen hinweg, ehe sie ihre Partner auf der anderen Seite absetzten, da Dinohumon kaum groß genug war, um beide Jungen über größere Distanzen hinweg zu tragen.

„Weiter!“, rief Ai aus und zeigte wieder Richtung Süden, wohin Beelzebumon wohl noch immer flog.

Erneut liefen sie los, wobei ihnen Flymon nun in der Luft folgte, überquerten eine Straße und den leeren Parkplatz eines Bürogebäudes.

Doch kaum verließen sie diesen und wollten in eine Seitengasse einbiegen, als ein Pfeil vor ihnen in den Boden geschossen wurde. „Nicht so schnell!“

„Was...“, keuchte Rin und blieb gerade noch rechtzeitig stehen, bevor ein weiterer Pfeil direkt vor ihr landete.

Von einem der nebenstehenden Gebäude kamen zwei Digimon gesprungen.

„Sagitarimon“, stellte Makoto fest, ehe sein Blick zu dem zweiten Digimon wanderte. „Fladramon.“

„Wer seid ihr?“ Ai sah zu den beiden Jugendlichen, die auf dem Rücken des Sagitarimon saßen.

Es waren ein Junge und ein Mädchen, wie es schien und beide hatten ähnliches schwarzes Haar, auch wenn das Mädchen einen halben Kopf größer war und älter zu sein schien als der Junge. Und während das Mädchen ein ärmelloses, dunkelblaues Top trug, war der gesamte Oberkörper des vielleicht vierzehnjährigen Jungens in ein dunkles Sweatshirt gehüllt.

„Wer wir sind, geht euch nichts an“, meinte das Mädchen nur ungehalten. „Ihr seid Turnierteilnehmer, oder?“

„Ja, und wir haben gerade besseres zu tun, als gegen euch zu kämpfen!“, erwiderte Ai, nicht minder ungehalten.

„Weglaufen gilt nicht“, feixte der Junge. „Das ist gegen die Regeln.“

„Ihr kommt sowieso nicht an uns vorbei“, stimmte Sagitarimon mit tiefer, ruhiger Stimme zu.

„Aber ist es nicht auch gegen die Regeln...“ Erneut setzte Ai zu einem Widerspruch an, als Takumi ihr eine Hand auf die Schulter legte.

„Ihr schaut nach, was die Digimon aufgeschreckt hat. Wir kämpfen gegen die beiden“, meinte er.

„Aber wenn Beelzebumon zurück kommt, können wir die beiden schnell erledigen.“ Ai senkte die Stimme.

„Wenn Beelzebumon aufgehalten wird, vielleicht auch nicht“, entgegnete Takumi. „Wir können schon mit den beiden klar.“ Dabei war er sich bei weitem nicht so sicher, wie er versuchte zu klingen. Er blickte zu Rin, welche verunsichert aussah, jedoch langsam nickte.

„Er hat Recht, Ai“, meinte nun auch Makoto und griff nach dem Handgelenk seiner Schwester. „Komm.“

Mit einem tiefen Seufzen nickte Ai nun ebenfalls. „Okay. Aber wehe ihr lasst euch besiegen.“ Dann ließ sie sich von Makoto zum Rand des Parkplatzes zerren, woraufhin jedoch Fladramon vor die beiden sprang.

„Wollt ihr etwa abhauen?“

„Wir kämpfen gegen euch!“, rief Takumi zu den beiden fremden Tamern hinüber. „Der Partner der beiden ist nicht bei ihnen. Und ich zweifle, dass ihr gegen drei Gegner kämpfen wollt?“

Die beiden sahen sich an, ehe sich der Junge an Fladramon wandte. „Lass sie gehen?“

Für einen Moment zögerten Ai und Makoto, ehe sie mit einem letzten Blick über die Schulter auf die Straße liefen und dieser weiter nach Süden folgten.

Derweil nahm Dinohumon Kampfhaltung an.
 

„Was ist es jetzt?“, fragte Reika angespannt, als in der Hypnoszentrale schon das dritte Mal in diesem Monat der Alarm ertönte.

„Ein Megadramon“, antwortete Takato und sah auf sein Handy. „Es hat die Sendagaya-Station angegriffen.“

Ryou ging zu ihm hinüber und versuchte ebenfalls ein Blick auf das Handy zu erhaschen. „Woher weißt du das schon wieder?“

„Steve hat es geschrieben, er ist dort.“ Takato steckte das Handy weg. „Komm, Guilmon!“

Sein Partner, der die ganze Zeit versucht hatte, Leuten aus dem Weg zu gehen, rannte zu ihm hinüber.

„Wir kümmern uns drum“, meinte Takato dann und wollte schon zur Tür laufen, als Ryou ihm den Weg abschnitt.

„Warte!“

Überrascht sah der Jüngere ihn an. „Was?“

„Wir kümmern uns darum, du kümmerst dich um die Presse“, erklärte Ryou kurz angebunden.

„Aber“, begann Takato unsicher. Er wusste, dass Ryou in letzter Zeit einige Probleme hat. „Justimon kann nicht... Fliegen.“

„Wir kommen auch so hin“, entgegnete Ryou kurz angebunden. „Stimmt's, Monodramon?“

Das Digimon, das wieder einmal gedöst hatte, öffnete die Augen. „Von mir aus.“

„Aber Ryou... Wir haben keine Zeit...“ Doch bevor Takato weiterreden konnte, hatte der andere Tamer sich bereits umgedreht und war durch die automatische Tür aus der Überwachungszentrale verschwunden.

Schon setzte Takato an ihm zu folgen, als Reika ihn aufhielt.

„Warte, Takato-kun.“ Sie hielt ihn an der Schulter fest und schüttelte den Kopf, als er sich zu ihr umdrehte. „Er kann auf Cyberdramons Rücken hinfliegen. Einer von euch muss hier bleiben.“ Sie sah zur Tür, durch die Ryou verschwunden war. „Und ich gebe zu, dass es mir lieber ist, wenn du es bist.“

Der junge Mann erwiderte nichts.

„Außerdem ist Sendagaya nicht weit“, meinte Reika dann.

„Ja“, antwortete Takato schließlich, während Guilmon neben ihm stand und an ihm aufsah.

„Takato?“, fragte es schließlich und legte den Kopf schief.

Mit einem Seufzen und einem Schulterzucken gab der Tamer auf. „Wir bleiben hier.“ Gleichzeitig holte er sein Handy noch einmal hervor, um Shoji eine Email zu schreiben.

Episode 19: Beweis

Episode 19: Beweis
 

Growing up I heard about those incidents in Japan, about the Digimon and about how Digimon Tamers saved everyone. From that moment on, I wanted two things: I wanted to be a Digimon Tamer and I wanted to go to Japan one day. Now that I am here – as a Tamer – I just hope that I can be of any help. That I, too, can be a hero.
 

                                     - Steve Larson
 

Denrei konnte nicht sagen, ob er ohnmächtig gewesen war, oder nicht. Doch als er wieder klar sehen konnte, kniete er in einem vollkommen weißen Raum – sofern man es als Raum bezeichnen konnte.

Er konnte keine Wände oder ähnliche Begrenzungen sehen, sondern nur vage Bewegungen in der Entfernung. Dennoch schien es einen Boden zu geben, auf dem er stand.

Erst langsam kam er dazu aufzustehen und sich umzusehen. Seine ganze Umgebung wirkte furchtbar unwirklich und nur nach kurzer Zeit begann das allgegenwärtige Weiß in seinen Augen zu stechen.

Da sah er Shuichon, die sich gerade auf die Beine kämpfte, während Lopmon schlaff auf ihrer Schulter hing. Und Dracomon, dass nicht unweit von ihr stand und so verwirrt aussah, wie er sich fühlte.

Er lief zu ihnen hinüber und half dem Mädchen auf die Beine. „Alles in Ordnung?“, fragte er besorgt.

„Moumantai“, erwiderte sie leise und blinzelte, da das helle Weiß auch sie zu blenden schien.

Dracomon zögerte und sah zu ihnen hinauf. „Wo sind wir hier?“

Für einen Moment erwiderte niemand etwas.

„Die Anomalie hat sich weiter ausgebreitet“, erwiderte Shuichon schließlich. Sie sah zu Denrei. „Ich nehme an, dass wir... Dass wir in der Anomalie sind?“ Sie ließ den Satz als Frage ausklingen, da es ihr selbst seltsam vorzukommen schien.

Erneut sagten sie nichts. Der Gedanken selbst schien falsch, wenn Denrei bedachte, dass die seltsamen Tentakel der Anomalie sämtlicher digitaler Materie zu schaden schienen. Dennoch machte es Sinn, wenn er sich das unruhige Weiß besah, dass sie umgab.

„Zumindest scheinen wir noch zu leben“, meinte er schließlich und sah auf seine Hände, die momentan nicht einmal flackerten, wie es zuvor der Fall gewesen war. Dann blickte er zu Shuichon. „Wir sollten trotzdem versuchen so schnell wie möglich in die digitale Welt zurück zu kommen“, murmelte er.

„Und wohin sollen wir gehen?“, fragte Lopmon missmutig.

„Das scheint egal zu sein.“ Shuichon sah sich um.

„Im Sinne von: ‚Wir haben gar keine Ahnung‘“, murmelte Lopmon und seufzte.

Daraufhin zuckte Denrei mit den Schultern. „Alles ist besser, als hier herum zu stehen, oder?“

„Ja...“ Widerwillig stimmte das langohrige Digimon zu.

„Dann...“, begann der junge Mann und wollte den ersten Schritt machen. Doch dazu kam es nicht, da er bereits im selben Moment das Gefühl hatte, dass die Schwerkraft verschwunden war und sie damit frei im Raum schwebten.
 

„Judgement Arrow!“ Noch während sich die Digital Zone um sie ausbreitete, spannte seinen Boden und zielte auf Flymon, das sich in der Luft über ihm befand, doch auch als das zentaurenartige Digimon mehrere Pfeile abfeuerte, schaffte es Flymon auszuweichen.

Derweil sprang Fladramon in die Höhe. „Fire Rocket!“ Damit flammte eine Rüstung aus Feuer um das Echsendigimon auf, ehe es sich von diesen Flammen umgeben auf Dinohumon hinabstürzte.

Doch Takumi war darauf vorbereitet. Es war nur logisch, dass Sagittarimon sich Flymon als Gegner suchen würde, da Fladramon Probleme haben würde, mit dem fliegenden Digimon mitzuhalten und es überhaupt angreifen zu können. Er zog eine Karte aus seiner Tasche hervor. „Card Slash! Pawn Device!“

Dinohumon ging in die Hocke und machte sich bereit. Dann, als Fladramon es erreichte, griff es trotz der Flammen nach Fladramons Pranke und wirbelte das Digimon herum, so dass er hart ein Stück entfernt auf dem Beton landete.

Mit einem Knurren stand es auf, doch Dinohumon zögerte nicht, es anzugreifen. „Akinades!“

Das Schwert sauste auf Fladramon hinab, dass es mir seinen Krallen aufhielt, jedoch nicht gänzlich abwehren konnte, so dass beide Digimon darum rangen, die Waffe weiter von sich weg zu bekommen.

Als es jedoch klar wurde, das Fladramon dieses Ringen verlieren würde, zog das Mädchen ihrer gegnerischen Tamer eine Karte durch ihr Digivice und Fladramon war mit einem Mal verschwunden.

„Was...?“, begann Rin und warf Takumi einen Seitenblick zu.

„Konzentrier‘ dich auf Sagittarimon“, meinte er zu ihr. Er war fest entschlossen sich zu beweisen und diesen Kampf zu gewinnen. Das richtige zu tun.

Zurückhaltend nickte Rin und griff ebenfalls nach der ledernen Tasche an ihrem Hosenbund, die ihre Karten enthielt. „Card Slash! Metal Armor!“

Es sah aus, als würde Flymon gänzlich in Chrome Digizoid gehüllt und die brennenden Pfeile Sagittarimons prallten an ihm ab, so dass es nun selbst zum Angriff überging. Es schoss mehrere Stachel in Richtung des anderen Digimon, das diese mit Hieben abwehrte, da es nicht wendig genug zum Ausweichen war.

„Dinohumon!“, rief Takumi. Er wusste, dass sie im Vorteil waren. Die anderen beiden hatten weniger Erfahrung und waren vielleicht auch nicht entschlossen genug.

Dinohumon sah ihn an und knurrte leise. Es hatte verstanden.

Sein Gegner ließ derweil erneut Flammen um seine Klauen auflodern, ehe er diese Flammen in Feuerbälle verwandelte. „Knuckle Fire!“

Takumi hatte nur auf einen weiteren Angriff gewartet. „Card Slash! King Device!“

Damit lief Dinohumon los, seine Unterarmklingen vor dem Körper gehalten. „Lizard Dance!“ Problemlos wehrte es die Feuerbälle ab, indem es sie in der Luft mit den Klingen durchschnitt, ehe es seinen Gegner mit zwei Streichen der Waffen und einem darauf folgenden Tritt angriff, der Fladramon erneut durch die Luft schleuderte.

Gleichzeitig zog auch Rin eine weitere Karte durch ihr Digivice. „Card Slash! Mantaraymon – Torpedo Ray!“

Flymon beschleunigte seinen Flug und schoss in die Höhe, ehe es wendete und in einen Sturzflug überging. Dabei öffnete es sein Maul und eine Kaskade von Wasser, die einen Torpedo voran trieb schoss auf Sagittarimon zu. Das Digimon hob seine Arme, um die Attacke abzuwehren. Doch während es das tat wendete Flymon im Flug und schoss nun weitere Stachel auf es ab, die es an den Schultern und am Rücken trafen und es zu Boden kippen ließen.
 

Als Steve endlich den Bahnübergang überquert hatte und in den Park rannte, sah er, wie Liamon mit einem weiten Sprung erneut versuchte Megadramons Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Es sprang auf den Rücken des nun tief fliegenden Digimon, das seine Aufmerksamkeit auf eine Gruppe verwirrter Menschen gerichtet hatte.

„Get out of here!“, schrie Steve in Richtung der Menschen, ehe er sich seines Japanisch besann. „Geht hier weg! Gefahr!“

So viel schienen die Menschen nun auch verstanden zu haben. Sie liefen – panisch – zum anderen Ende des Parks.

Dies schien dem Megadramon jedoch nicht sonderlich zu gefallen und erneut ließ es Energiekugeln an seinen metallenen Klauen erschienen, die es einfach Richtung Boden abfeuerte, als würde es nicht einmal großen Wert darauf legen, was davon getroffen wurde.

Kaum das die Kugeln den Boden berührten zersprangen sie in einer gewaltigen Explosion, die Steve zurückwarf, noch ehe er verstand, dass er zu nahe gekommen war. Er merkte, wie die entstehende Hitze seine Arme leicht verbrannte, und rollte sich intuitiv so ab, dass er nicht all zu unsanft auf dem Boden aufkam.

Dennoch fiel es ihm schwer sich zu orientieren, als die Flammenwand verschwand, und er konnte nur ein Klingeln hören, das seine Ohren von innen zu erfüllen schien.

Als er zwischen dem Rauch seinen Partner entdeckte, sah er, wie dieser elektrische Bälle auf den Gegner abfeuerte, der ihm nun endlich wieder Aufmerksamkeit schenkte.

Doch war diese vielleicht anders, als erwartet: Megadramon schlug nach dem Tierdigimon und presste es im nächsten Moment mit seiner Klaue in den Krater, den es zuvor selbst gesprengt hatte, ohne das Liamon eine Chance hatte zu entkommen, als sich die eisernen Klauen um es schloßen.

Langsam nur begriff Steve, dass Liamon einen Energieangriff auf diese Entfernung nicht überleben würde.

„Liamon...“, flüsterte er. Was sollte er tun? Warum arbeitete sein Gehirn so langsam?

Doch noch bevor ihm eine rettende Idee kam, wurde Megadramon zur Seite geworfen und landete seitlich auf dem Boden nur wenige Meter von Steve entfernt, wobei es eine Menge Staub und verkohlte Grashalme aufwirbelte.

Nun erkannte Steve auch, wer seinen Partner gerettet hatte: Ein humanoides Digimon mit wehendem roten Schal landete Kampfbereit vor Megadramon. Es war ein Justimon und selbst von der Explosion betäubt brauchte er nicht lang, damit ihm klar wurde, dass dies Ryou sein musste, da er wusste, dass dieser zusammen mit Monodramon zu Justimon verschmelzen konnte.

Mit diesem Gedanken rappelte er sich auf und lief zu seinem Partner hinüber.

Langsam wurde das Klingeln in seinen Ohren leiser und er konnte – wenn auch gedämpft – die normalen Geräusche seiner Umgebung hören.

„Are you alright, Liamon?“, fragte er sein Partnerdigimon und kniete sich neben es, um ihm durch die verstaubte Mähne zu fahren.

Das Digimon blinzelte und ließ ein Knurren hören. Dann drehte es sich auf dem Bauch und stand auf, wobei sein Körper leicht zu flackern schien. „I am okay. I can still fight.“

Steve sah zu Megadramon, das sich nun aufrichtete, während Justimon abwartend vor ihm stand. „I think that‘s not necessary. Ryou is here now.“

Liamon folgte seinem Blick.

Derweil richtete Megadramon seine Aufmerksamkeit nun tatsächlich auf das Ultimate Digimon, das vor ihm stand. Es knurrte laut, ehe es mit seinen Flügeln schlug, und etwas an Höhe gewann, wodurch es auch den Abstand zu Justimon vergrößerte. Erneut ließ es Energie an seinen Klauen erscheinen, schoss diese jedoch schnell ab, so dass ein ganzer Hagel der Kugeln auf Justimon hinabregneten.

Dies schien das Digimon jedoch nicht zu verunsichern. Es ging in die Höhe und stieß sich vom Boden ab, während es seinen rechten Arm anwachsen ließ. Damit wehrte es die Attacken seines Gegners mit einem Schwung der nun übergroßen Hand ab. „Accel Arm!“

Dann war es auch schon auf der Höhe der rosa leuchtenden Augen des gegnerischen Digimon, das von den reflektierten Attacken deutlich angeschlagen war. Erneut hob es seinen Arm, der nun wieder kleiner wurde, ehe kleine Blitze ihn umzuckten. „Blitz...“, begann es seine Attacke, als Megadramon mit seinem Maul so unerwartet schnell nach ihm schnappte, dass sich Justimon, das sich ohnehin im Sprung befand, nicht wehren konnte.

Im nächsten Augenblick befand es sich zwischen den messerscharfen Zähnen seines Gegners, die in den Bauch des Ultimates eindrangen und es flackern ließen.

„Justimon!“, rief Steve erschrocken aus. Damit hatte er nicht gerechnet. Dies war Justimon. Dies war Akiyama Ryou, der legendäre Tamer. Nicht nur das! Er war einer der Tamer, die schon seit zehn Jahren zusammen mit ihren Partnern kämpften.

Doch Justimon konnte sich noch rühren. Mit seinem Cyborgarm hämmerte es gegen das Maul seines Gegners, ohne das sich dieses öffnete.

„Liamon!“ Steve sah zu seinem Partner, dessen Gestalt noch immer flackerte. Er fluchte innerlich, aber er konnte Justimon nicht einfach so im Stich lassen. „Card Slash! Offense Plug-In N!“

„Thunder of King!“, knurrte Liamon und ließ Blitze um seinen Körper flackern, ehe diese sich zu einem Ball formten und auf Megadramon zuschossen, das dies jedoch nicht einmal zu bemerken schien.

„Damn it“, murmelte Steve. War denn keiner der anderen auf den Weg zu ihnen? Hatten sie wirklich nur Justimon geschickt? Er holte die nächste Karte hervor.
 

Ai und Makoto rannten die Straße hinab. Sie hatten Beelzebumon schon lange aus den Augen verloren, konnten jedoch dem Signal des Digivices folgen.

Je näher sie an Sendagaya kamen, desto schwerer war es durchzukommen, da der Verkehr hier dichter wurde, so dass es schwer war voran zu kommen.

Doch die Rauchfahne, die sie in einiger Entfernung gen Himmel steigen sehen konnten – auch wenn der Ursprung des Rauches noch lang nicht in ihrem Sichtfeld war – spornte sie an ihren Schritt weiter zu beschleunigen.

Eine weitere Ampel hielt sie auf, während Ai erneut auf das Digivice sah.

Nun veränderte sich das Hologramm über diesem. Statt der Anzeige, in welcher Richtung sich Beelzbumon befand, sahen sie nun, was das Digimon sah. So konnten sie nun eine zu großen Teilen zerstörte Grünfläche sehen und ein riesiges Megadramon, in dessen Maul sich etwas befand.

Doch auch auf dem kleinen Hologramm konnten sie erkennen, dass dieses Megadramon mit denselben Daten infiziert war, die sie zuvor auch bei dem dunklen Magnamon, so wie bei Flymon gesehen hatten.

„Das sieht nicht gut aus“, murmelte Makoto, während er ebenfalls auf das Hologramm schaute und dabei die nun grüne Ampel ganz ignorierte. „Was sind diese... Digimon nur?“

„Die Frage ist eher, was mit ihnen passiert, wenn sie diese Daten absorbieren und woher diese Daten kommen...“ Sie nahm seinen Arm, als das Tonsignal der Ampel bereits verstummte. „Komm!“ Damit zog sie ihn über die Straße, bevor die Ampel wieder rot werden konnte.
 

„Card Slash! Garmmon – Solar Laser!“ Steve zog eine weitere Karte durch den Scanner seines Digivices, das aufleuchtete und die Daten auf Liamon übertrug.

Dieses öffnete sein Maul und schoss einen Laserstrahl auf Megadramon ab, dessen Augen sich nun auf es richteten. Statt jedoch Justimon loszulassen, holte es nur mit seinem langen Drachenschwanz aus und schlug mit diesem nach Liamon.

„Look out!“, rief Steve ihm zu.

Gerade noch rechtzeitig sprang sein Partner aus dem Weg des simplen Angriffs, als der Schwanz jedoch noch einmal nach ihm schlug und ihn in der Luft erwischte.

Liamon wurde erneut durch die Luft geschleudert und prallte hart auf den Stamm eines ohnehin schon beinahe entwurzelten Baumes, der nachgab und umfiel.

„Liamon!“ Steve lief zu seinem Partner hinüber.

Er verfluchte es, dass er nichts tun konnte. Sie waren nicht stark genug. Schon gar nicht so, da Liamon nicht auf das Perfectlevel digitieren konnte.

Gerade als er seinen Partner erreicht hatte, hörte er einen lauten Knall und sah, wie Megadramon erneut zur Seite kippte, als es von einer Energieattacke getroffen wurde.

Verwirrt sah der amerikanische Junge zum Himmel, wo er schließlich ein weiteres humanoides Digimon entdeckte, das er als Beelzebumon im Blast Mode erkannte. Es hatte seinen rechten Arm in eine Waffe verwandelt, während es auf den Gegner hinabsah, aus dessen Maul sich Justimon nun endlich befreien konnte.

Mit einer Rolle fing das Cyborgdigimon seinen Fall ab und blieb schwer atmend am Boden knien, bevor sein Körper Daten verlor und statt seiner Ryou in derselben Pose dort kniete, während Monodramon offenbar vollkommen entkräftet, bäuchlings neben ihm auf dem Boden lag.

Nun schlug Megadramon mit seinen gewaltigen Flügeln, um Beelzebumon zu verfolgen, dassnoch einige Meter über ihm in der Luft schwebte und seinen Blaster vor sich hielt, um erneut nach ihm zu feuern.

Dies schien Megadramon jedoch zu ahnen, denn es griff erneut mit seinen Energiekugeln an, die gänzlich anders waren, als die Raketen, die ein Megadramon normal verschießen sollte.

Beelzebumon wich den Angriffen aus und ließ den großen Blaster verschwinden, um stattdessen mit seinen Pistolen nach Megadramon zu feuern.

„Hey, Larson-kun!“, ließ Ryous Stimme Steve, der neben seinem Partner kniete, auf einmal herumfahren.

Der ältere Tamer holte eine Karte aus seiner Tasche. „Benutze die hier!“ Damit warf er Steve die Karte zu.

„What? Was?“, murmelte dieser und sah auf die Karte. Es war keine normale Digimonkarte, sondern eine blaue Karte. „A Blue Card...“ Langsam wurde ihm klar, was dies bedeutete.

Er hatte davon gehört, dass die Tamer, die für die Regierung arbeiteten, diese Karten noch besaßen, doch irgendwie überraschte es ihn trotzdem, nun eine solche in den Händen zu halten.

Sein Blick glitt zu Liamon, das noch immer Daten verlor, während sein Körper immer stärker flackerte.

„I am ready“, knurrte es.

Steve nickte. „Card Slash! Matrix Evolution!“

Sein Digivice leuchtete auf, ehe sich dieses Licht auch auf Liamon übertrug.

„Liamon – Evolution! Loader Liomon!“

Das Perfect-Digimon ließ ein lautes Brüllen hören, als es auch schon loslief. „King Laser!“ Nun glühte der Smaragd auf der Stirn des Perfect-Digimon auf und schoss einen grünlichen Laserstrahl in die Luft, der es schaffte Megadramon direkt zwischen seinen Flügeln zu treffen.

Zwar schien er keinen wirklichen Schaden anzurichten, jedoch fuhr das andere Digimon herum.

In etwas, das blinde Wut zu sein schien, fuhr es herum, um nun wieder Loader Liomon anzugreifen, dass jedoch den Energiekugeln mit mehreren Sprüngen auswich, wobei es aufpasste, den beiden Menschen nicht zu Nahe zu kommen, damit diese von keiner der Attacken erwischt werden konnten.

Erneut ging Megadramon in den Sturzflug über, als Loader Liomon ihm entgegensprang. „Loader Morning Star!“ Damit richtete es die Attacke direkt auf den Kopf des anderen Digimon.

Dies war genug Ablenkung gewesen. Erneut hatte Beelzebumon seinen Blaster geladen und ein Pentagramm vor sich in die Luft gezeichnet. Nun sammelte es Energie an der Spitze seiner Waffe. „Chaos Flare!“ Damit feuerte es einen Energiestrahl durch das Pentagramm.

Dieses Mal war die Attacke genau gezielt. Sie schoss durch die Luft und penetrierte die Brust des mechanischen Drachendigimons gänzlich.

Dadurch wurde Megadramon endgültig besiegt. Von dem Loch in der Mitte seiner Brust aus, begannen sich Datenpartikel zu lösen, ehe es mit einem Mal in viele violette Partikel zerstob, die für einen Moment in der Luft schweben blieben.

„Du darfst sie nicht absorbieren!“, rief Beelzebumon zu Loader Liomon.

Dieses schien jedoch ohnehin nicht daran zu denken und sah nur mit misstrauischem Blick zu den Partikeln hinauf.

Auch Steve sah zu den kleinen, leuchtenden Kugeln, die nun langsam in Richtung der digitalen Welt entschwebten. Dabei merkte er, wie sich sein Herzschlag langsam normalisierte und ein Gedanke sich in seinem Kopf breit machte: Sie hatten es irgendwie geschafft.
 

„Wieso macht ihr nichts?“, verlangte das Mädchen zu wissen, dass nun neben Fladramon stand.

Rin sah zu ihr hinüber. Sie konnte das Zittern der Hand sehen, die die andere Tamerin zu einer Faust geballt hatte.

„Ihr habt gewonnen“, sprach das Mädchen weiter. „Ihr...“

„Wir nehmen an dem Turnier nicht mehr teil“, erwiderte Dinohumon und sah auf sie und ihr Digimon hinab.

„Dafür solltet ihr auch nicht mehr gegen andere Tamer kämpfen“, führte Takumi die Argumentation seines Partners weiter.

Das Mädchen sah zu ihnen hinüber. „Das könnt ihr uns nicht vorschreiben!“, empörte sie sich.

„Wollt ihr wirklich eure Partner verlieren?“ Takumi sah sie an.

Nun wandte der Junge, der Sagittarimons Partner zu sein schien, sich dem Mädchen zu. „Onee-san...“

In dem Moment erzitterten die Digimon der beiden und digitierten zurück, so dass neben dem Mädchen nun ein V-mon, neben dem Jungen dagegen ein Black V-mon saß.

Das normale V-mon sah zu Boden. „Tut mir leid, Mayu...“

Für einen Moment ruhte der Blick des Mädchens auf ihrem Partner, ehe er zu ihrem Bruder wanderte. Dann, ohne Takumi und Rin eines weiterer Aufmerksamkeit zu würdigen, drehte sie sich um. „Lasst uns gehen.“

Ihr Partner nickte und stand auf, während der Junge seinem Partner aufhalf und die beiden anderen Tamer für einen Moment ansah. „Danke“, flüsterte er dann, ehe er sich beeilte, seiner Schwester zu Folgen.

Rin sah ihnen hinterher, während der Nebel des Digital Field verschwand.

Sie war selbst überrascht, wie leicht sie den Kampf gewonnen hatten. Zwar hatte sie immer im Kopf gehabt, dass im Notfall wahrscheinlich Dinohumon zu Hanehamon digitieren könnte, doch das war nicht einmal möglich gewesen.

Mit diesem Gedanken sah sie zu Takumi. „Glaubst du, dass sie weiter im Turnier kämpfen?“

Der Junge ließ die Schultern hängen. „Ich weiß es nicht“, erwiderte er. „Wirklich verbieten können wir es ihnen ja nicht, oder?“

Rin seufzte. „Ja.“

Derweil sah Hanehamon in die Richtung, in der die Zwillinge zuvor davongelaufen waren. „Wir sollten Beelzebumon folgen“, meinte es. „Wir sollten nachschauen, was da los ist.“

Erst jetzt erinnerte sich Rin an den eigentlichen Grund, aus dem sie hierher gelaufen waren, ehe die beiden Geschwister sie angegriffen hatten. Irgendetwas war passiert und sie fürchtete bereits, dass es nichts gutes war.

Unsicher sah sie zu Flymon, das von dem Kampf offenbar keine größeren Verletzungen davongetragen hatte, ehe sie sich an Takumi wandte.

„Lass uns losgehen, Okamura-san!“, meinte er und nickte ihr zu.

Wieder einmal zögerte sie, nickte dann jedoch ebenfalls, ehe sie ihm aus der Ausfahrt des Parkplatzes folgte.
 

Beelzebumon landete auf dem Boden und besah sich den Schaden für einen Moment. Der größte Teil des ehemals von Gras bewachsenen Bodens des Parks, war von Explosionskratern durchzogen. Viele der Bäume waren entweder entwurzelt oder verkohlt.

Derweil lief der Junge, dem Ryou zuvor eine blaue Karte gegeben hatte, zu dem anderen Tamer hinüber.

Dabei konnte sich Beelzebumon denken, dass es sich bei dem Blondhaarigen um Steve Larson handelte – dem amerikanischen Tamer, den die anderen bereits öfter erwähnt hatten.

„Tut mir leid, dass wir so spät sind“, hörte es in dem Moment eine Stimme, als Duftmon neben ihm landete.

„Was machst du hier?“, fragte Beelzebumon misstrauisch.

Der Royal Knight, der eigentlich Digimon und Mensch vereint war, sah zu Ryou hinüber, der es noch immer nicht geschafft hatte aufzustehen. „Takato hat uns gebeten herzukommen...“, meinte er mit gedämpfter Stimme. „Aber es sieht so aus, als hätten wir bereits alles verpasst.“

Damit leuchtete die Gestalt des Digimon auf, ehe Shoji und Gazimon statt seiner neben Beelzebumon standen und nun zu Ryou hinüberliefen. „Alles in Ordnung, Akiyama-kun?“

„Ich glaube, er ist nicht okay“, meinte Steve und sah zu Shoji. „Er kann nicht aufstehen.“

„Ich sagte doch, es ist alles bestens“, beschwerte sich Ryou lautstark und funkelte den Neuankömmling wütend an. Erneut versuchte er aufzustehen, brachte es aber kaum weiter, als zu einer Hocke, ehe er sich die Seite fasste und wieder in die Knie sank.

„Du solltest ins Krankenhaus, Akiyama“, meinte nun auch Steve vorsichtig.

Nicht weit entfernt, hörten sie die Sirenen von Rettungs- und Polizeifahrzeugen.

„Ein Krankenwagen scheint eh auf dem weg zu sein“, meinte Shoji und sah in Richtung der nächsten Straße. „Warte einfach, Akiyama-kun.“

Der Angesprochene blickte nur stumm auf dem Boden. „Also Takato hat dich gebeten, herzukommen, eh?“, fragte er bitter.

„Das...“, begann Shoji, als jedoch schon die ersten Polizisten zu ihnen liefen.

Gleichzeitig hörte Beelzebumon zwei sehr vertraute Stimmen, die nach ihm riefen. Es waren Ai und Makoto, die aus einer anderen Richtung zu ihm hinüberliefen.

„Alles in Ordnung, Beelzebumon?“, fragte Makoto, als er vor seinem Partner stehen blieb und für einen Moment Atem schöpfte.

Ai sah zu den Kratern und dann zu der Gruppe um Ryou. „Was ist passiert?“

„Ein weiteres dieser infizierten Digimon“, erwiderte Beelzebumon. „Justimon wurde verletzt und es sieht aus, als sei Ryou mitgenommen.“ Nun sah er zu den beiden. „Wo sind Takumi, Kotemon, Rin und Kunemon?“

„Sie wurden aufgehalten“, antwortete Ai. Noch immer war ihr Blick auf die anderen fixiert, bei denen nun Polizisten standen.

Beelzebumon verstand. Die anderen waren von Turnierteilnehmern angegriffen worden.

Unsicher blieb Makoto bei seiner Schwester und seinem Digimonpartner stehen, während nun auch Sanitäter zu den anderen kommen. „Und jetzt?“, fragte er leise.

Für einen Moment antwortete niemand.

„Jetzt ist es erst einmal vorbei“, erwiderte Beelzebumon schließlich, „zumindest für heute.“
 

Takato sah Minister Yahagata mit festen Blick an. Er wusste, dass der Politiker nur darauf wartete, dass er Schwäche zeigte und dass er immer weniger mit all dem, was in der Stadt vor sich ging, zufrieden war.

„Wie kann es sein, dass es schon wieder zu einem solchen Vorfall gekommen ist, Matsuda-san?“, fragte er mit kühlem Tonfall.

„Das wissen wir noch nicht“, erwiderte Takato vorsichtig. „Wir haben die Ursache dieser Vorfälle noch nicht herausgefunden.“

„Wofür werden Sie dann eigentlich bezahlt?“ Der fast 50jährige Mann sah ihn mit schmalen Augen an. Es war nicht schwer zu erkennen, wie sehr er die ganze Situation, die Digimon und das, wofür Takato im Moment stand verachtete.

„Wir werden dafür von der Regierung gezahlt, das Vorkommen solcher Vorfälle zu minimieren und Ursachen zu erforschen“, erwiderte Takato und sah ihm direkt in die Augen, wobei er sich bemühte seine eigene Verachtung zurück zu halten. „Dabei möchte ich anmerken, dass es nicht immer einfach ist, Ursachen von gänzlich neuen Vorfällen zu ergründen. Außerdem ist unsere Aufgabe, den Schaden zu minimieren und soweit ich bisher informiert bin, ist der Schaden kleiner ausgefallen, als es zu erwarten gewesen wäre. Es gab keine Toten und nur wenige verletzte.“

„Und soweit ich informiert bin, waren es Zivilisten, die das Monster letzten Endes besiegt haben!“, fuhr ihn der Minister an.

„Zivilisten, die mit uns zusammenarbeiten“, entgegnete Takato, so ruhig wie es ihm nur möglich war.

Für einen Moment schwieg der Minister der inneren Sicherheit und schenkte ihm dann einen kühlen Blick. „Sie verhindern besser, dass so etwas noch einmal vorkommt. Sonst teilen irgendwann auch die anderen meine Meinung, dass ihre ganze Abteilung eine einzige Geldverschwendung ist und dieses Puppentheater zu einer größeren Gefährdung führt, als wir ihr ohnehin schon ausgesetzt sind.“ Damit wandte er sich ab. „Sie entschuldigen mich. Ich habe mich um einige Berichte zu kümmern.“ Mit einem letzten, eisigen Blick wandte er sich ab und ging aus dem Konferenzzimmer, ließ Takato dort allein zurück.

Nun, nicht ganz allein, denn Guilmon, das sich die ganze Zeit zurückgehalten hatte, kam nun mit leichtem Knurren hinter einem Tisch hervor. „Guilmon mag den Mann nicht.“

Takato sah seinen Partner an. „Ich auch nicht, glaub mir, Guilmon.“ Er seufzte und sah zum Fenster des Raumes hinaus, wo sich der Himmel über Tokyo langsam rot verfärbte.

Das wirklich schlimme war, dass er wusste, dass der Minister, so sehr er ihn langsam auch verachtete, zumindest teilweise Recht hatte. Sie hatten zu wenig verhindern können und wenn es so weiter ging, würde es noch viel mehr Tote geben.

Im Moment fühlte er sich furchtbar allein. Jenrya war in den USA. Zu Hirokazu und Kenta hatte er zur Zeit weniger Kontakt, als ihm lieb war. Zwar konnte er sich auf Ruki und Shoji verlassen, doch hatten auch die beiden viel zu tun. Und Ryou... Ryou schien zu sehr mit seinen eigenen Problemen beschäftigt zu sein, während Takato Juri nicht mit all diesen Dingen belasten wollte.

Gedankenverloren holte er eine Karte aus seiner Tasche. Es war keine normale Digimonkarte, sondern eine rote Karte, die an jene erinnerte, die sie vor fast zehn Jahren genutzt hatten, um gegen D-Reaper kämpfen zu können. Doch das war nicht die Aufgabe dieser Karte. Die Frage war nur, wie ihr Effekt wirklich aussehen würde.

„Takato?“, fragte Guilmon.

Der junge Mann steckte die Karte weg. „Lass uns gehen. Ich bin müde.“

Daraufhin nickte das Digimon. „Guilmon ist auch müde. Und Guilmon will raus.“
 

Seufzend sah Ai zum roten Himmel hinauf. „Ich frage mich wie viele Tamer im Turnier verbleiben...“

„Gesetzt dem Fall, das diejenigen, die wir besiegen, wirklich nicht weiterkämpfen“, erwiderte ihr Bruder trocken.

„Wir können nur etwas tun, wenn wir herausfinden, wer dieses Turnier veranstaltet“, meinte Impmon und sah sie entschlossen an. „Wenn es kein Turnier mehr gibt, gibt es auch keine Kämpfe mehr.“

Steve, der mit ihnen auf dem Weg zur nächsten Ikebukuro-Station war, seufzte, während er die Karte, die er die ganze Zeit in der Hand gehalten hatte, wegsteckte. „Aber den Veranstalter zu finden, ist nicht leicht. Hypnos hat ihn nicht finden können.“

„Ich weiß“, murmelte Ai.

„Aber sie werden es schon noch herausfinden“, erwiderte Kotemon zuversichtlich. „Es kann schließlich nicht auf ewig so weitergehen. Derjenige wird schon aufgehalten und bestraft werden!“ Dabei wirkte es außerordentlich entschlossen.

„Larson-kun?“, fragte Rin leise, während sie neben dem jungen Mann herging, der knapp zwei Köpfe größer war, als der Rest von ihnen.

Er sah sie überrascht an. „Ja?“

„Wie kommt es, dass du zum Turnier eingeladen wurdest? Bist du nicht... Registriert?“

Der Amerikaner zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht. Habe die Einladung einfach bekommen. Wahrscheinlich, weil ich nicht in Japan registriert bin.“ Für einen Moment schwieg er. „Ich habe recherchiert, weil ich an der Universität Gerüchte gehört habe. Und dann habe ich die Einladung bekommen.“

Da fiel Takumi, der bisher geschwiegen hatte, etwas ein. „Ich habe die Einladung auch bekommen, nachdem ich im Internet nach genaueren Informationen gesucht habe... Ich habe in einem BBS-Thread gepostet und hatte am nächsten Tag die Einladung.“

„Na ja, ich habe nicht recherchiert“, erwiderte Ai, die verstand, worauf sie hinaus wollten. „Allein daran kann es nicht liegen.“

„Du hast dich nur in anderer Leute Angelegenheiten eingemischt“, kommentierte Takumi in einem trockenen Tonfall.

„Nun ja...“ Das Mädchen schaute etwas verlegen rein, ehe sein Bruder ihm einen etwas kühlen Blick schenkte.

„Und Sachen für dich entschieden, die du nicht hättest für dich entscheiden sollen.“

„Aber das ist doch nun auch egal“, meinte Ai leicht zerknirscht und sah zu ihrem Bruder, der sich jedoch bereits wieder von ihr abgewandt hatte.

„Ich hoffe nur“, begann Rin leise und strich abwesend über Kunemons Kopf, „dass es bald zuende ist...“ Sie zögerte. „Ich will nicht mehr kämpfen.“

„Ach, was ist schon an ein paar Kämpfen?“, meinte Ai unbesorgt. „Solang ich dadurch die Idioten, die ihre Partner in Gefahr bringen...“ Sie hielt inne, als ihr klar wurde, was sie sagte. „Entschuldigt bitte.“

Doch niemand erwiderte etwas.

Takumi konnte nicht umher Rin zuzustimmen. Zwar hatte er sich immer gewünscht, ein Abenteuer zu erleben...

Er seufzte leise.

Wie oft hatte er diesen Gedanken in den letzten Wochen schon gehabt? Doch genau dies machte ihm klar, was er vorher nie hatte verstehen wollen: Reale Abenteuer waren keine reine Spannung, kein Spaß. Sie bestanden aus Gefahren, die wenn man sie selbst erlebte, nicht spannend, sondern beängstigend waren.

Und wenn er ehrlich war, war dies nicht einmal ein richtiges Abenteuer. Immerhin waren sie noch immer hier... Und was hatten sie bisher verändern können? Viel zu wenig.
 

Der Mann merkte, wie er Wut in sich auflodern spürte.

Eigentlich hatte er gedacht, dass er das Spiel beschleunigen würde, wenn er das Mädchen einlud, dessen Partner bereits auf das Ultimate-Level digitieren konnte. Eigentlich dachte er, dass es dadurch interessanter werden würde. Doch er hatte sich geirrt. Genau das Gegenteil war eingetreten!

Er sah auf die Daten, die einer der Flachbildschirme vor ihm anzeigte.

Immer weniger Kämpfe der Tamer, die an seinem Turnier teilnahmen, hatten ein richtiges Ergebnis. Die Tamer gingen auseinander, ohne das Daten gesammelt wurden, ohne das es einen klaren Gewinner gab.

Und einige seiner Teilnehmer hatten ganz aufgehört zu kämpfen, obwohl sie noch einen Partner hatten und somit eigentlich noch am Turnier teilnahmen.

Zu Beginn hatte er sich noch darüber amüsiert, dass es einige Tamer gab, die eine friedliche Lösung suchten und versuchten andere vom Aufhören zu überreden. Er wusste, dass dieser eine amerikanische Junge nie einen Gegner getötet hatte, und es war ihm als lächerlich erschienen, doch nicht als besonders.

Aber langsam nahm dergleichen Verhalten überhand. Vor allem unter Betrachtung dessen, dass nur noch ein Viertel der ursprünglichen Teilnehmerzahl verblieb.

Wütend schlug er mit einer Faust auf den Tisch.

Er würde etwas machen müssen. Er wusste, dass diese Idioten von Hypnos ihm bald auf die Spur kommen würden, sobald sie anfingen eins und eins zusammen zu zählen. Nein, er würde seinen Zug bald machen müssen, wenn er dieses Spiel für sich entscheiden wollte. Bald...

Episode 20: Trügerische Stille

Episode 20: Trügerische Stille
 

Ein Regierungssprecher äußerte sich gestern Abend noch einmal zu den vergangenen Vorfällen der Digimon-Angriffe. Er betonte, dass diese Vorfälle Ausnahmen seien und die Regierungsorganisation HYPNOS alles unter Kontrolle habe. Was der Auslöser für die Vorfälle war und andere Details, wurden nicht offiziell bekannt gegeben. Auch Gerüchte darüber, dass Mitarbeiter von HYPNOS bei dem Vorfall verletzt wurden, wurden nicht bestätigt.
 

 - Morgenausgabe der Mainichi Shimbun vom 29. Mai 2011
 

Mit offenen Augen lag Ryou in seinem Bett und lauschte den Geräuschen des Krankenhauses.

Er fühlte sich elend. Nicht nur, dass zwei seiner Rippen gebrochen waren und er einige blaue Flecken, Beulen und Prellungen hatte. Nein, er war auch sauer und enttäuscht. Und dabei war er sich nicht einmal sicher, auf wen er sauer war, wenn nicht auf alle.

Er war sauer auf Yamaki und Takato, weil diese nicht an ihn zu glauben schienen. Allein, dass Takato Shoji hinzugeholt hatte, zeigte das, wie auch, dass die beiden ihn immer stärker versuchten von den Medien fern zu halten und daraus nicht einmal einen Hehl machten. Sie taten so, als wäre er zu nichts gut.

Allerdings, und hier war er sauer auf sich selbst, war vielleicht auch etwas daran. Er schien in letzter Zeit nichts richtig machen zu können. Egal was er tat: Es ging schief. Selbst kämpfen konnte er offenbar nicht einmal richtig. Sie hatten selbst gegen ein einfaches Perfect-Digimon nichts ausrichten können.

Und auch bei Ruki kam er nicht weiter. Es war klar, dass sie irgendwie unzufrieden mit ihrer Beziehung war, doch er wusste nicht wieso. Was hatte er falsch gemacht? Und wieso sagte sie es ihm nicht einfach?

Sicher gab es eigentlich wichtigere Dinge, über die er nachdenken konnte - über die er vielleicht auch nachdenken sollte - wie über das Turnier und die Frage, wer dahintersteckte, oder auch diese seltsamen, mit irgendetwas infizierten Digimon, die alles zerstörten, was ihnen in den Weg kam. Doch egal worüber er versuchte nachzudenken: Am Ende war es Ruki, die ihm einfach nicht aus seinem Kopf ging.

Er wusste nicht einmal, ob er sauer oder enttäuscht war, weil sie ihn bisher nicht einmal im Krankenhaus besucht hatte. Wenn er zumindest wüsste, was mit ihr nicht stimmte... Wenn er zumindest wüsste, was er falsch gemacht hatte.

Vielleicht aber hatte er auch einfach alles falsch gemacht...

Er sah zu Monodramon, dass am Fußende des Krankenhausbettes lag, und selig vor sich hinschlief, wie meistens, wenn es nicht kämpfen konnte. Es schien das normale Leben in dieser Welt vorrangig langweilig zu finden, seit es sich daran gewöhnt hatte.

Vielleicht konnte man es ihm nicht verdenken.

Dennoch wünschte sich Ryou manchmal, dass er einen Partner hätte, mit dem er über Probleme reden konnte. Vor allem nun, da sonst niemand mit ihm reden wollte.
 

Es war ein schöner Sonntag und die Sonne schien auf den Shinjuku Central Park hinab, während Namiko dort im Gras lag und unzufrieden zum Himmel hinaufsah.

Ihr war langweilig.

Sie hatte sich aus der Wohnung geschlichen, als ihr Vater eingeschlafen war, denn wenn es nach ihren Eltern ginge, würde sie im Moment wohl nur noch in ihrem Zimmer sitzen, da draußen ja alles mögliche passieren konnte.

Natürlich hatte sie auch mitbekommen, was in der Stadt passierte. Sie wusste von diesen gefährlichen Digimon und sie wusste auch von dem Turnier. Aber es war doch nicht so, als könnte sie gar nicht auf sich selbst aufpassen. Immerhin war es nicht so, als ob sie nach Ärger suchen würde - sie wollte nur draußen sein.

Dabei war ihr klar, dass sie solchen gefährlichen Digimon, gegen die Ruki und die anderen offenbar gemeinsam Probleme hatten, besser aus den Weg gehen sollte, doch das war kein Grund für sie und Lumamon gar nicht mehr nach draußen zu gehen.

Doch nun dass sie draußen war, erschien es ihr hier auch nicht als wesentlich spannender. Obwohl Sonntag war, waren erstaunlich wenig Menschen im Shinjuku Central Park, so dass es beinahe wie ausgestorben wirkte.

Namiko richtete sich auf und seufzte. Sie hätte am liebsten Zeit mit Ruki verbracht, doch diese war ausgerechnet mit ihrer Mutter weggefahren.

Und so war Namiko offenbar zur Langweile verdammt.

„Vielleicht sollten wir wieder nach Hause gehen“, meinte Lumamon nun, das ihre Gedanken zu lesen schien, und erschien neben ihr.

Die Siebenjährige richtete sich auf. „Nein“, erwiderte sie entschlossen. „Zuhause ist es auch langweilig. Ich habe außerdem keine Lust den ganzen Tag mit Too-san zu verbringen. Er ist langweilig.“

Daraufhin gab ihr Partner ein leises Seufzen von sich. „Ich mache mir nur Sorgen.“

„Also im Moment sieht es hier nicht sonderlich gefährlich aus“, kommentierte Namiko dies und stand nun ganz auf. „Um genau zu sein, sieht es hier so ungefährlich aus, wie ich es mir nur irgendwie vorstellen könnte.“

„Aber so etwas kann sich schnell ändern“, erwiderte das Digimon. „Wir sollten dennoch vorsichtig sein.“

„Ja ja“, murmelte Namiko und verschränkte ihre Arme. „Sei doch kein Spielverderber.“

Das Digimon zögerte. „Entschuldigung.“ Dann auf einmal wandte es den Kopf zur Seite und sah den leichten Abhang, auf dem sie Standen hinab zu einem der Wege, die durch den Park verliefen. „Da sind zwei Tamer mit ihren Digimon“, sagte es vorsichtig.

Daraufhin schwieg das Mädchen und lauschte. Tatsächlich konnte es langsam auch Stimmen hörten, die sich den Weg entlang zu bewegen schienen. Und dann hörte sie etwas, das ihr sehr bekannt vorkam. Ein entferntes: „Pipopapi!“

„Das sind Hirokazu-san und Kenta-san!“, rief sie aus und ehe ihr Digimonpartner etwas tun konnte, lief sie schon den Abhang hinunter auf den Weg zu.
 

Derweil war sich Ruki auch nicht sonderlich sicher, was sie von ihrer momentanen Situation halten sollte. Immerhin war es etwas, was sie bisher meist versucht hatte zu vermeiden, doch Reika hatte das geschafft, was Rukis Mutter über Jahre hinweg vergebens versucht hatte: Sie hatte sie dazu gebracht, ein Spa zu besuchen.

Nicht nur das! Sie hatte es auch geschafft, dass Ruki nun irgendein seltsam riechendes Mittel in den Haaren hatte und mit geschlossenen Augen in einem nicht minder seltsam riechenden Badewasser saß.

Einzig dagegen, sich ihr Gesicht mit grüner Paste behandeln zu lassen, hatte sie sich bis zuletzt gewehrt.

Nun, wo man sie endlich in dem kleinen, mit sanften, indirektem Licht ausgeleuchteten Raum, dessen Wände mit Holz getäfelt waren, allein gelassen hatte, musste sie zugeben, dass es an sich durchaus entspannend war. Allerdings ahnte sie, was der Grund war, dass Reika sie hierher mitgenommen hatte. Denn immer, wenn Reika sie allein auf irgendetwas einlud, dann wollte sie reden. Und dabei bestand nicht der geringste Zweifel, dass sie heute über Ryou reden wollte.

Zugegebener Maßen: Die Methode war neu. Normaler Weise lud sie Ruki auf etwas ein, dass sie versöhnlicher Stimmen würde. Wieso sie sich also dazu entschlossen hatte, Ruki hierhin, wo sie sie ohnehin schon zu hatte überreden lassen, einzuladen, war der jungen Frau ein Rätsel.

Falls es dazu gedacht war, Ruki in trügerischer Sicherheit zu wiegen, hatte es nicht geklappt.

Doch dann, fragte Ruki sich, während sie allein in dem Badewasser lag, warum sie dann überhaupt mitgekommen war. Immerhin wollte sie nicht darüber reden, weil es nicht wirklich etwas gab, worüber man reden konnte. Oder?

Sie seufzte.

Es gab Dinge, die man nicht so einfach erklären konnte. Deswegen hatte sie mit niemanden darüber geredet.

Mit einem weiteren Seufzen, ließ sie sich tiefer in das Wasser sinken.

Es gab wirklich nichts worüber man reden konnte.

Und sie merkte, dass sie sich hier nicht wirklich sicher fühlte, da Renamon nicht in ihrer Nähe war. Seit all diese merkwürdigen Dinge in der Stadt passierten, bevorzugte sie, wenn sich ihr Partner nicht zu weit entfernte, denn wer wusste schon, wann das nächste Mal etwas geschehen würde?

Vielleicht wurde sie langsam paranoid, doch dies war wahrscheinlich ohnehin schon lange überfällig, wenn sie nur daran dachte, was in den letzten zehn Jahren alles passiert war.

Und dennoch bereute sie nicht Renamon getroffen zu haben...

Anders, als andere Dinge...

Sie sah zur indirekt beleuchteten Decke über sich, ehe sie die Augen schloss. Vielleicht sollte sie, wenn sie schon hier war, versuchen nicht so viel nachzudenken, und sich - zumindest jetzt - etwas entspannen, so lange sie es noch konnte.
 

„Was macht ihr so?“, fragte Namiko ohne große Einleitung oder Begrüßung an Hirokazu und Kenta gewandt, die mit ihren Digimon einen der betonierten Parkwege entlang kamen und sie für einen Moment überrascht ansahen.

Kenta war es, der sich als erster fing. „Namiko-chan?“, fragte er vorsichtig.

Im Vergleich wirkte Hirokazus Reaktion etwas ungehalten: „Was machst du denn hier?“

„Ich habe zuerst gefragt“, protestierte die Siebenjährige und sah die wesentlich älteren Jungen mit strengem Blick an.

Die beiden jungen Männer wechselten verwirrte und ratlose Blicke.

„Nun, wir haben uns hier getroffen, weil wir uns sonst nur noch selten sehen“, erwiderte Hirokazu schließlich. „Und du? Solltest du nicht eigentlich zuhause sein?“

Namiko runzelte die Stirn, erwiderte aber nichts.

„Wissen denn dein Vater oder deine Mutter, dass du hier bist?“, fragte nun auch Kenta.

Ganz offensichtlich gereizt stemmte das Kind seine Hände in die Seiten. „Darf ich nicht auch einmal rausgehen?“, fragte sie missmutig. „Ich bin doch kein Kleinkind mehr, auf das man aufpassen muss. Außerdem bin ich auch ein Tamer!“, fügte sie hinzu und holte ihr Digivice heraus, während Lumamon sich am Rand des Weges zeigte, jedoch nichts sagte.

„Ja, aber...“, begann Kenta etwas ratlos.

„Es ist im Moment gefährlich hier draußen“, meinte Hirokazu altklug. „Da solltest du besser vorsichtig sein.“

„Und ihr?“, erwiderte Namiko offenbar unwillig nachzugeben. „Ihr seid aber auch hier draußen, obwohl es doch so gefährlich sind.“

„Wir sind viel älter als du.“ Der junge Mann sah sie streng an. „Und wir können mit unseren Partnern zusammen auf das Ultimate-Level digitieren.“ Damit wanderte sein Blick zu Lumamon.

Tatsächlich war es so, dass Lumamon nur auf sein Adult-Level, jedoch nicht weiter digitieren konnte, weshalb es im Kampf weniger ausrichten konnte, als eins ihrer Digimon. Da es selten kämpfte und Yamaki sich sicher bemühen würde, dass seine Tochter keine blaue Karte in die Hände bekam, war es auch nicht sonderlich wahrscheinlich, dass sich dies allzu schnell ändern würde.

Bevor Namiko zu einer empörten Erwiderung ansetzen konnte, mischte sich ihr Partner nun selbst ein.

„Er hat Recht, Namiko“, meinte Lumamon vorsichtig. „Und wir sollten wirklich vorsichtig sein.“

„Ja, aber...“, begann das Mädchen.

„Du musst dich gegenüber von niemanden beweisen“, fuhr ihr Partner fort.

Namikos Hände verkrampften sich, während sie nun auf den Boden sah. „Aber...“

Für einen Moment herrschte ein etwas gedrücktes Schweigen, ehe sich Kenta an das Kind wandte. „Was wir damit sagen wollen ist, dass es wirklich nicht nötig ist, dass du dich unnötig in Gefahr bringst. Selbst wenn es gerade sehr friedlich erscheint. Dadurch würdest du doch nichts erreichen, oder?“

Das Mädchen erwiderte nichts, wobei nicht zu erkennen war, ob es dies aus Trotz oder weil es verstand unterließ.

„Mach dir daraus nicht so einen Kopf, Namiko-chan“, meinte nun auch Hagurumon aufmunternd, während es an Hirokazus Seite in der Luft schwebte. Und auch Penmon stimmte dem mit einem zumindest anscheinend freundlich gemeintem „Popopa!“ zu.

Leise seufzte Namiko. Gänzlich überzeugt schien sie nicht zu sein. „Dann gehe ich halt wieder nach Hause...“, murmelte sie, alles andere als begeistert. „Ich dachte nur, ihr würdet mich verstehen...“

„Wieso?“, platzte es aus Hirokazu unüberlegt heraus, als ihn das Mädchen mit Tränen der Frustration in den Augen ansah.

„Na, ihr seid doch auch einfach mit in die digitale Welt gegangen, als Ruki und die anderen damals aufgebrochen sind. Dabei hattet ihr nicht mal einen schwachen Partner, sondern gar keinen Partner und habt euch und die anderen dabei in Gefahr gebracht!“, rief sie. „Ruki hat mir das alles erzählt!“

„Das war etwas anderes“, meinte Hirokazu und verschränkte die Hände vor seiner Brust, doch Kenta seufzte.

„Du hast ja Recht, Namiko-chan“, meinte er und kniete sich nun vor das Mädchen. „Wir waren damals vollkommen besessen von der Idee auch Tamer zu werden und sind daher mit den anderen in die digitale Welt gegangen, ohne darüber nachzudenken...“ Für einen Moment machte er eine Pause und wartete darauf, dass Namiko ihn ansah. „Aber du bist doch schon ein Tamer... Stell dir vor, du würdest von einem der gefährlichen Digimon angegriffen und Lumamon würde dich beschützen. Würdest du wirklich riskieren wollen, dass sie Lumamon besiegen?“

Das Mädchen schluckte, schüttelte dann aber vorsichtig den Kopf.

„Deswegen ist es besser, wenn du in Sicherheit bleibst, so lang all diese verrückten Dinge in der Stadt passieren“, fuhr Kenta fort. „Dann müssen sich außerdem deine Eltern auch keine Sorgen machen.“

„Aber...“, setzte das Mädchen noch einmal unschlüssig an. „Aber ich kann doch allein auf mich aufpassen.“

„Und dennoch gibt es eine Menge Gefahren“, meinte Kenta sanft. „Ich mach dir einen Vorschlag: Wir essen jetzt irgendwo ein Eis und dann bringen Hirokazu und ich dich nach Hause. Was sagst du?“

Das Mädchen sagte nichts, sondern nickte nur langsam und widerwillig.
 

Nicht geringer als der Widerwille Namikos, war der Rukis, als diese Reika gegenüber an einem Tisch im zum LaQua gehörenden Café saß, nachdem sie endlich dem Beautysalon der Therme entkommen war und außerdem eine halbe Stunde in einem der Bäder zugebracht hatte.

Sie trank einen Eistee durch den Strohhalm und sah Reika misstrauisch an, da diese noch immer nichts gefragt hatte und wahrscheinlich wartete, dass Ruki von sich aus etwas sagte.

Und während sie sich noch immer nicht sicher war, was sie überhaupt sagen sollte, so war sie langsam auch ungeduldig, da sie dieses fraglos unangenehme Gespräch möglichst schnell hinter sich bringen wollte, da sie ihm ohnehin nicht entkommen konnte.

„Du willst reden, oder?“, fragte sie so schließlich mit ungehaltenem Unterton in der Stimme und sah die 18 Jahre ältere Frau nun direkt an.

„Wieso glaubst du das?“, entgegnete Reika.

Ruki, die wie Reika auch, momentan leichte Sommersachen trug, da man das Café nicht mit Badesachen betreten durfte, rückte ihren Stuhl nervös zurecht. „Na, deswegen hast du mich doch hierher gebracht, oder?“ Sie wich nun den Blick der älteren Frau aus. „Es ist ja nicht das erste Mal.“

Immerhin wusste Reika, dass Rukis Mutter Rumiko sich schwer tat, ihre Tochter auf Probleme anzusprechen - wenn sie diese überhaupt bemerkte, zumal sie in den letzten Monaten noch weniger Zeit für Ruki hatte, als zuvor. Deswegen war es Reika, die die nun junge Frau immer wieder auf Dinge ansprach, wenn Ruki von selbst mit niemanden redete, und diese war nicht selten dankbar für einen Rat, selbst wenn sie es nicht offen zugab. Nur dieses Mal...

Mit einem gekünstelten Seufzen ließ sich Reika in ihren Stuhl zurücksinken. „Nun, da hast du mich durchschaut“, meinte sie. „Dann muss ich mich ja auch nicht weiter bemühen... Also: Was ist mit dir und Ryou los?“

Auch Ruki seufzte nun wieder. „Nichts“, erwiderte sie. „Es ist nichts.“

„Und weil nichts ist, hast du ihn nicht einmal im Krankenhaus besucht?“

Die jüngere Frau schwieg eisern.

„Und weil nichts ist, versuchst du ständig, wenn er mit dir reden will, ihn abzuwimmeln?“

Noch immer schwieg Ruki und brachte die Ältere dadurch zu einem nun gänzlich ehrlichen Seufzen.

„Ich weiß ja, dass Ryou...“ Sie schien nach dem richtigen Wort zu suchen. „Problematisch sein kann. Aber dennoch... Ich komme nicht umher mir im Moment Sorgen um ihn zu machen. Er hat es gerade nicht besonders leicht und dein Verhalten macht es sicher nicht besser für ihn.“

Ruki schwieg. Das wusste sie alles. Die Sache war nur, dass es auch nicht leichter war mit Ryou zu sprechen, so lange sie nicht wirklich wusste, was sie ihm sagen sollte.

„Ist irgendetwas zwischen euch passiert?“, fragte Reika nun, bekam aber nur ein Kopfschütteln zu r Antwort.

„Und du bist...“, begann die Ältere nun, was Ruki schließlich dazu brachte leicht genervt auf die nicht zu Ende gestellte Frage zu antworten.

„Ich bin auch nicht schwanger. So etwas hat damit nichts zu tun.“

Nun schwieg Reika und wartete, dass Ruki mehr sagte.

„Ich möchte einfach nur etwas Abstand haben“, meinte Ruki vorsichtig. „Ich will einfach über ein paar Dinge nachdenken, ohne dass...“ Für einen Moment zögerte sie. „Ohne dass Ryou ständig etwas von mir will...“, endete sie dann auf eine möglichst unverfängliche Art und Weise.

Dies war nicht die ganze Wahrheit, doch es war alles, was sie im Moment von sich aus zu sagen bereit war.

Für eine Weile schwieg Reika nun. Wahrscheinlich ahnte sie, dass Ruki ihr nicht alles sagte, doch sie zögerte, sie darauf anzusprechen. „Und deswegen redest du gar nicht mehr mit ihm?“, fragte sie schließlich vorsichtig. „Und gehst ihm auch ansonsten aus dem Weg?“

Ruki wandte sich nur wieder ihrem Eistee zu. „Ich brauch nur etwas Zeit für mich“, murmelte sie halblaut. „Ich meine, immerhin... Immerhin...“ Sie senkte die Stimme noch weiter. „Immerhin bin ich schon fünf Jahre mit ihm zusammen...“

Darauf bekam sie keine Antwort.

Die Wahrheit, über die sie nicht reden wollte, war eine andere. Denn die Wahrheit bestand aus verschiedenen Teilen und auch wenn Ruki sich sicher war, dass Reika zu jedem der Teile einen guten Rat haben würde, so glaubte sie nicht, dass dieser ihr weiter helfen konnte. Denn letzten Endes lief es darauf hinaus, dass sie sich selbst nicht mehr sicher war, was sie fühlte oder je gefühlt hatte.

Und was Ryou fühlte...

Er hatte mit ihr geflirtet, selbst als sie noch jünger waren und eigentlich war sie davon immer genervt gewesen. Doch, vielleicht weil er sich auch immer um sie gesorgt und so vieles für sie getan hatte, hatte sie sich irgendwann in ihn verliebt. Aber nun fragte sie sich, was davon noch übrig war.

Vor allem jedoch fragte sie sich, was sie für Ryou genau bedeutete und was dies wiederum für sie bedeutete. Diese Frage stellte sie sich nun seit bereits zwei Jahren, doch seit all diese Dinge in den letzten Monaten geschehen waren und sie dabei ihre anderen Freunde beobachtet hatte, hatte sie sich mehr Gedanken darüber gemacht.

Wie auch über eine andere Frage.

„Weißt du“, begann Reika schließlich resignierend, „ich kann verstehen, dass du nicht über alles reden willst. Aber...“ Sie zögerte. „Du solltest dich zumindest etwas um ihn kümmern. Und sag ihm zumindest, was los ist...“

Stumm nickte Ruki.
 

Es war später Nachmittag, als Hirokazu und Kenta mit Namiko und den Digimon am Apartmenthaus, in dem die Familie Yamaki lebte, ankamen.

„Hast du einen Schlüssel?“, fragte Hirokazu.

Das kleine Mädchen nickte und sah sie an. „Ihr müsst nicht mitkommen“, meinte sie vorsichtig. Bevor sie etwas erwidern konnten, fügte sie „Papa wird wahrscheinlich sauer sein“ hinzu.

Die beiden jungen Männer tauschten Blicke.

„Aber du haust nicht wieder ab, oder?“, meinte Kenta dann.

Namiko zuckte mit den Schultern. „Es ist ja eh langweilig“, erwiderte sie, ehe sie ihren Schlüssel aus der Tasche zog. „Keine Sorge... Außerdem wird Papa dann noch wütender. Und Mama sollte bald nach Hause kommen...“

Noch immer zögerten ihre beiden Begleiter.

„Na gut“, willigte Kenta schließlich ein.

„Bis dann“, murmelte das Mädchen nun und schloss die Tür auf.

Derweil verbeugte sich Lumamon vor den beiden Männern. „Danke, dass ihr sie nach Hause gebracht habt.“ Nach diesen Worten folgte es dem Mädchen ins Haus.

„Bis dann, Namiko-chan“, verabschiedete sich Kenta, blieb jedoch ungehört. Als die Tür ins Schloss fiel, seufzte er.

„Man, ist das Mädchen anstrengend“, grummelte Hirokazu derweil. Er verschränkte seine Arme vor der Brust.

„Du warst auch einmal anstrengend“, meinte sein Partner nun ehrlich. „Und ich wette, als du so alt warst, wie Namiko-chan, warst du noch anstrengender.“

Der Tamer sah missmutig drein. „Danke...“

Etwas unsicher sah Kenta seinen Freund an, während er sich selbst von der Tür abwandte. „Weißt du, Hagurumon hat Recht“, merkte er vorsichtig an. „Und Namiko-chan auch. Wir waren damals wirklich unvorsichtig und haben wahrscheinlich für mehr Chaos gesorgt, als Namiko-chan jetzt.“ Er zuckte mit den Schultern und setzte sich wieder in Bewegung. „Ich glaube, würde ich jetzt mein zehnjähriges Ich treffen, so würde es mir gehörig auf den Wecker gehen.“

Für einige Sekunden blieb Hirokazu noch stehen, während Penmon und Hagurumon bereits Kenta folgten. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich, wurde weicher, aber auch trauriger. „Wahrscheinlich hast du Recht“, murmelte er schließlich, als er ebenfalls losging. „Wir sind damals einfach so in die digitale Welt mitgekommen... Wahrscheinlich hätten die anderen wesentlich weniger Scherereien ohne uns gehabt.“

„Wahrscheinlich“, stimmte Kenta zu.

Besorgt sah Hagurumon nun zu seinem Partner. „Aber ich bin dennoch froh, dass du mitgekommen bist, Hirokazu. Ich bin froh, dass wir uns getroffen haben.“

„Danke“, murmelte der Junge.

„Pipipapi!“, meinte Penmon nun zum ebenfalls sehr bedrückt aussehenden Kenta, der daraufhin matt lächelte.

Dann gingen sie für eine Weile nebeneinander her, ohne weitere Worte zu verlieren.

„Weißt du“, begann Hirokazu, als sie in Richtung der nächsten Hauptstraße abbogen, „im Moment passiert es nur schon wieder.“

Kenta blieb stehen und sah ihn an.

Der andere ließ seine Schultern hängen. „Was können wir im Moment schon machen? Takato und die anderen Kämpfen... Selbst Shoji kann öfter etwas machen als wir. Wir bekommen ja nicht einmal mit, wenn ein Kampf stattfindet...“

Auf diese Worte erwiderte Kenta nichts, sondern sah nur schweigend in die Ferne, wo einige Autos in der Sonne glänzend über die Straße fuhren.
 

Zur selben Zeit schloss Namiko, wenngleich widerwillig, die Tür zum Apartment auf, in dem sie mit ihren Eltern zusammen lebte. Sie holte tief Luft, ehe sie „Ich bin wieder da!“ rief.

Noch während sie ihre Schuhe auszog, kam ihr Vater aus der Küche.

„Wo bist du gewesen?“, schimpfte er. „Ich habe mir Sorgen gemacht. Du sollst doch nicht rausgehen!“

Das Mädchen verkrampfte ihre Hände zu Fäusten. „Mir ist nichts passiert. Ich war im Park und habe dort gespielt. Und dann habe ich mit Hirokazu und Kenta-kun ein Eis gegessen. Wir haben nicht mal mehr als ein paar Baby-Digimon gesehen.“

„Das ändert nichts daran, dass wir es dir verboten haben!“, erwiderte ihr Vater. „Es hätte etwas passieren können!“

„Und?“ Stur, wenngleich mit Tränen in den Augen blickte Namiko ihn an. „Willst du mich deswegen hier immer einsperren? Das ist nicht fair, Papa!“, rief sie. „Und Lumamon wird mich schon beschützen!“ Mit einem letzten wütenden Blick wandte sie sich ab. „Ich gehe auf mein Zimmer.“

Und während sie tatsächlich zur Tür ihres Zimmers hinüber ging, sah Lumamon ihren Vater an. Das Digimon zögerte und schien etwas sagen zu wollen, doch dann verbeugte es sich nur kurz, als entschuldigende Geste für das Verhalten seines Tamers, und folgte dann dem Mädchen, das bereits am Fenster seines Zimmers saß und schmollend hinaussah.

Yamaki Mitsuo blieb derweil am Durchgang zwischen Küche und Flur stehen, unsicher, was er tun sollte. Denn die Wahrheit war, dass es nicht viel gab, was er tun konnte. Er wusste, dass Namiko nicht auf ihn hören wollte, egal was er sagte – vor allem so lange sie schmollte.

Sie wollte nicht eingesperrt werden und er konnte es auch verstehen, selbst wenn es nicht unüblich war, dass Siebenjährige in der Innenstadt nicht allein herumlaufen durften.

Doch was konnte er sonst tun, um sie vor all den neuen Gefahren in dieser Stadt zu schützen?
 

Auch Ruki ging es, als sie sich in der Dämmerung auf den Weg nach Hause machte nicht besser. Auch sie schmollte, wenn man es so ausdrücken wollte, während sie in der Bahn stand und aus dem Fenster sah, während diese in die Nishi Shinjuku-Station einfuhr.

Noch immer wusste sie nicht wirklich, was sie tun sollte.

Natürlich war ihr klar, dass Reika recht hatte und es nicht fair gegenüber Ryou war, wenn sie ihm nicht sagte, wie sie zu ihm stand. Aber sie war sich dessen selbst nicht klar und wusste, dass er es nicht wirklich akzeptieren konnte, dass sie nachdenken wollte. Sie wusste, dass er nicht so leicht aufgeben würde – das hatte er noch nie. Und vielleicht war gerade dies etwas, dass sie so widerwillig machte, wenn sie daran dachte, mit ihm zu reden.

Mit einem Quietschen kam der Zug zum Halten und sie stieg aus, während ihr Renamon wie ein Schatten folgte.

An einer Zentralen Station wie dieser war auch am Wochenende um diese Zeit viel Betrieb, selbst wenn nicht so viel, wie in der Rush Hour an den Werktagen, doch es reichte, um sich in der Menge treiben zu lassen.

„Ruki!“, hörte sie auf einmal, während sie durch die Eingangshalle des Bahnhofs ging, eine Stimme nach sich rufen und sah sich um.

Neben einem Getränkteautomaten sah sie drei vertraute Gestalten: Ai, Makoto und Impmon.

„Hey“, erwiderte sie und winkte den Drein halbherzig zu.

Diese kamen nun durch die Menge zu ihr herüber. „Was machst du hier?“, fragte Ai, die Impmon trug, damit dieses nicht unter die Füße der Menschen geriet, die durch die Halle drängten.

„Ich war in Bunkyo“, erwiderte Ruki, ohne das geringste Interesse daran, zu erzählen, was sie dort gemacht hatte. „Und ihr?“

„Wir kommen auch Chou zurück“, meinte Makoto mit sachlichem Tonfall.

Daraufhin nickte Ruki nur.

„Du wirkst nicht sonderlich fröhlich“, stellte Impmon fest und sah sie von der Seite aus an.

Die junge Frau zuckte nur mit den Schultern. „Ich hatte einen langen Tag.“

„Wir auch“, meinte Ai.

„Solltet ihr nicht langsam nach Hause?“, fragte Ruki, als sie endlich den Ausgang erreichten. „Eure Eltern machen sich sicher Sorgen?“

Die Zwillinge sahen sich an.

„Na ja“, murmelte der Junge. „Unser Vater ist für seine Firma unterwegs...“

„Und unsere Mutter ist froh, wenn sie mal ein wenig Ruhe hat“, stimmte Ai zu. „Außerdem...“ Sie zögerte für einen Moment. „Es gibt für uns aktuell wichtigeres zu tun.“

Ruki erwiderte nichts.

Dennoch verstand sie die beiden. Sie konnte sich daran erinnern, dass es ihr damals – vor zehn Jahren – nicht anders gegangen war. Ihre Mutter hatte wegen Fotoshootings, Werbeauftritten und dergleichen immer viel zu tun gehabt und war selten zuhause gewesen. Und sie selbst hatte sich um die wilden Digimon, die Deva und all die anderen Dinge gekümmert.

Vielleicht war es nur ungewohnt nun diese beiden dabei zu sehen, wie sie ähnliches taten.

Dabei waren Ai und Makoto sogar älter, als sie es gewesen war, damals...

„Vielleicht solltet ihr dennoch nach Hause gehen“, meinte sie schließlich mit einem unterdrückten Seufzen. Dann zuckte sie mit den Schultern. „Ich meine, ihr könnt machen, was ihr wollt. Aber ich gehe auf jeden Fall nach Hause.“

„Ruki-san“, begann Makoto daraufhin plötzlich, „hast du eigentlich Ryou-san im Krankenhaus besucht?“

Für einen Moment sah sie ihn an, antwortete ihm aber nicht. „Tschüss, ihr drei“, meinte sie nur und wandte sich ab.

Sie hatte keine Lust, noch einmal so ein Gespräch zu führen. Schon gar nicht mit zwei Jugendlichen, die fünf Jahre jünger waren, als sie selbst.
 

Der Mann saß vor seinem Computer, während der große Raum in das blutrote Licht der untergehenden Sonne getaucht wurde, die man nur als Spiegelung in den Fenstern des gegenüberliegenden Gebäudes sehen konnte.

Er wusste, dass es so nicht weitergehen konnte. So könnte er sein Ziel nicht mehr erreichen.

Mittlerweile verfluchte er sich. Er hatte gedacht, das wäre eine gute Idee, dieses störrische Mädchen einzuladen, auch wenn sie und ihr Bruder zur ersten Generation der Tamer gehörten. Er hatte gedacht, ein Ultimate-Digimon würde alles noch ein wenig spannender machen. Doch nie hätte er damit gerechnet, dass sich die anderen Tamer wirklich vom Kämpfen abhalten lassen würden.

Es musste enden, bald, wenn er sein Ziel noch erreichen wollte. Sonst würden noch mehr dieser dummen Kinder aufgeben und aufhören zu kämpfen – für sein Ziel.

So begann er zu schreiben:

Tamer!

Die Zeit ist gekommen, endgültig zu beweisen, wer der Stärkste ist und wer der Kraft des Perfect-Levels würdig ist.

Ihr habt es bis hierher geschafft, doch könnt ihr dieses Turnier für euch entscheiden?

Kommt am 4. Juni zum Hibiyakoen in Chiyoda. Dort wird das Finale stattfinden und der Gewinner entschieden werden.
 

Der Meister der Spiele

Dabei machte sich ein Grinsen auf seinen Lippen breit. Am Ende würde er der Gewinner sein. Er, und niemand sonst.

Episode 21: Die Einladung

Episode 21: Die Einladung
 

Die Zeit ist gekommen, endgültig zu beweisen, wer der Stärkste ist und wer der Kraft des Perfect-Levels würdig ist.

Ihr habt es bis hierher geschafft, doch könnt ihr dieses Turnier für euch entscheiden?

Kommt am 4. Juni um 18 Uhr zum Hibiyakoen in Chiyoda. Dort wird das Finale stattfinden und der Gewinner entschieden werden.
 

- Einladung zum Finale des Turniers
 

Rin starrte auf die Email in ihrem Posteingang. Ihr Herz klopfte immer schneller und sie musste sich konzentrieren, um ihren Atem unter Kontrolle zu halten.

Schließlich sah sie zu Kunemon, das auf ihrem Schoß saß. Sie war sich nicht sicher, ob es verstand, und konnte es schlecht fragen, da es selbst nicht sprechen konnte. Doch darauf kam es im Momnet auch nicht an, beschloss sie.

Das wichtige war, dass sie etwas tun musste. Und zwar sofort, auch wenn dieses Finale erst in einer Woche stattfinden sollte und es jetzt bereits beinahe Nacht war.

Sie nahm ihr Handy, das neben ihrer Tastatur auf dem Schreibtisch in ihrem geräumigem Zimmer lag, und wählte zuerst die Nummer Takumis. Hatte er diese Email auch bekommen?

Drei Mal hörte sie das Freizeichen, ehe mit einem Knacken abgehoben wurde. „Hallo?“, hörte sie die etwas müde klingende Stimme des Jungen.

„Shirou-kun?“, fragte sie.

„Ja?“

„Hier ist Rin“, erwiderte sie schließlich. „Hast du auch diese Email bekommen?“

„Email?“ Er schien verwirrt. „Was für eine Email?“

„Vom Meister der Spiele.“ Rins Blick wanderte wieder auf den Bildschirm. Die Email war von derselben kryptischen Adresse abgesendet worden, wie ihre Einladung. Eine Adresse, auf die man nicht antworten konnte.

Takumi erschien auf einmal wacher. „Warte“, meinte er und sie hörte seine Schritte, ehe ein Piepen ihr verriet, dass er seinen Computer angeschaltet hatte. Es dauerte etwas, doch dann bekam sie eine Antwort: „Ich habe keine Email erhalten.“

„Seltsam...“, murmelte das Mädchen. Wieso hatte er eine solche Nachricht nicht bekommen? Er nahm doch auch an diesem Turnier teil.

„Was ist mit Ai und Makoto?“, fragte nun Takumi.

„Ich weiß es nicht“, entgegnete Rin. „Ich rufe sie an.“

„In Ordnung“, antwortete Takumi. „Sag mir Bescheid, wenn du von ihnen etwas hörst.“

„Mache ich. Bis dann.“ Damit nahm das Mädchen ihr Handy vom Ohr und berührte das Display, um aufzulegen. Dann rief sie erneut ihr Telefonbuch auf, um nun Ai auf deren Handy anzurufen.

Ai hob wesentlich schneller ab, als Takumi, schien jedoch auch noch nicht geschlafen zu haben. „Ja? Hallo?“

„Hanegawa-san, hier ist Ai“, erwiderte Rin schnell. „Hast du auch eine Email vom Meister der Spiele bekommen?“ Dieses Mal bemühte sie sich, die Frage möglichst direkt und deutlich zu stellen.

Sie hörte das Geräusch einer Tastatur. Dann antwortete ihr Ai: „Nein. Ich habe keine Email. Wieso?“

„Ich habe eben eine bekommen“, erklärte Rin. „Eine Einladung zu einem Finale - nächste Woche!“

„Ein Finale?“ Nun klang die Stimme des älteren Mädchens angespannt.

„Ja.“ Rin nickte unwillkürlich, auch wenn Ai sie nicht sehen konnte. „Am nächsten Samstag im Hibiyakoen.“

Für einen Moment schwieg Ai. „Wir müssen Takato und den anderen davon erzählen. Kannst du zum Metropolitan kommen?“

Kurz sah Rin auf die Uhr: Es war bereits halb Elf. Dennoch nickte sie erneut. „Ja. Kein Problem.“

„Dann sehen wir uns in einer halben Stunde dort“, erwiderte Ai und legte auf.

Rin sah kurz auf das Display ihres Handys, ehe sie dieses erneut auf ihren Schreibtisch legte, kurz die Email ausdruckte und dann ihren Computer herunterfuhr. Sie stand auf, wobei ihr Kunemon wie immer auf die Schulter kletterte. Dann nahm sie sich eine Tasche, steckte ihr Digivice, ihr Handy und den Zettel mit der ausgedrückten Mail hinein.

Sie warf sich die Tasche über die Schulter und öffnete die Tür zum Wohnzimmer, wo der Fernseher lief, während ihre Mutter auf dem Sofa eingeschlafen zu sein schien.

Leisen Schrittes lief sie am Sofa vorbei und zur Haustür. Gerade als sie diese öffnete, schien ihre Mutter zu erwachen.

„Rin-chan?“,fragte sie. „Bist du das?“

„Ja“, antwortete das Mädchen mit matter Stimme.

„Wo willst du denn um diese Zeit noch hin?“

„Ich muss mich mit Freunden treffen“, erwiderte Rin. „Es ist ein Notfall. Ich komme aber bald wieder. Schlaf weiter.“ Und ohne ein weiteres Wort zu verlieren oder auf eine Antwort ihrer Mutter zu warten verließ sie die Wohnung und machte sich auf den Weg zum Aufzug des Hochhauses.
 

Der Himmel war bereits komplett dunkel, als Takumi auf dem Vorplatz des Tokyo Metropolitan Government Buildings ankam und sich unsicher umsah.

Kotemon stand an seiner Seite und war weitaus weniger nervös, als sein Tamer, was jedoch nicht großartig verwunderlich war.

Takumi wusste nicht genau, warum er hier war. Immerhin hatte er keine Email erhalten, doch Ai hatte so lange auf ihn eingeredet, bis er zugestimmt hatte, ebenfalls herzukommen. Und nun? Wo waren Ai, ihr Bruder und Rin?

Er seufzte.

Wäre sein Vater zuhause gewesen, hätte er ihn um diese Uhrzeit wohl kaum gehen lassen, doch da nur seine Mutter daheim gewesen war, hatte er nicht einmal diskutieren müssen. Nachdem er gesagt hatte, wo er hinwollte, hatte sie ihn nur gebeten, auf sich aufzupassen und ihm sogar noch Geld für die U-Bahn gegeben.

„Shirou-kun?“, hörte sie eine Stimme nicht weit von sich entfernt.

Als er sich in die Richtung drehte, aus der die Stimme gekommen war, erkannte er Rin, auf deren Schultern Kunemon saß. „Guten Abend, Okamura-san“, meinte er zurückhaltend.

„Weißt du, wo die Zwillinge sind?“, fragte sie, woraufhin Takumi den Kopf schüttelte.

Doch nur einen Augenblick später hörten sie ein Rufen. „Hey!“

Es war Ai, die auf einem Fahrrad auf sie zugefahren kam und nur kurz von ihnen entfernt quietschend bremste.

„Pass doch auf“, beschwerte sich Impmon, das auf ihrem Gepäckträger saß und bei der Bremsung beinahe hinabgefallen wäre.

Ai ignorierte den Protest. „Ihr seid schon da.“

„Ja“, erwiderte Takumi und zog die Augenbrauen zusammen. Die Zwillinge wohnten wesentlich näher, als er oder Rin und waren dennoch nach ihnen angekommen.

Er sagte dennoch nichts, da er keine Lust hatte schon wieder mit Ai zu streiten. Außerdem gab es - wohl oder übel - erst einmal wichtigeres.

Nun kam auch Makoto in ihrer Nähe zum Stehen und stieg von seinem Fahrrad ab. „Wir sollten reingehen“, meinte er. „Takato und die anderen warten wahrscheinlich schon.“

Noch immer zögerlich sah Takumi an dem Hochhaus empor. Er wollte wirklich nicht hier sein, doch nun, wo er bis hierher gekommen war, blieb ihm keine Wahl. Doch die Sache war, dass die Aussicht, nun Takato und vielleicht auch einigen der anderen, praktisch legendären Tamer gegenüber zu stehen ihm unangenehm erschien.

„Komm“, meinte Ai zu ihm, als ob sie sein Zögern bemerkt hätte.

Er nickte nur und folgte den anderen, als sie über den Vorplatz schritten und das Gebäude durch die gläsernen Schiebetüren betraten.

Nicht wenig später standen sie in einem der geräumigen Aufzüge, der nun zum achtzehnten Stock hinauf raste. Als die Kabine zum Stehen kam und sich die Türen mit einem „Pling“ öffneten, blieb Takumi und Rin nicht anderes übrig, als Ai, Makoto und Impmon zu folgen, da sie selbst keine Ahnung hatten, wohin sie sich wenden sollten.

So gingen sie einen Flur entlang, an dessen rechter Seite sie durch Fenster auf die Stadt sehen konnten, ehe sie sich nach links wandten, wo sie durch eine weitere, dieses Mal jedoch metallene Schiebetür einen großen Saal betraten.

Takumi, Rin und auch Kotemon blieben für einen Moment stehen, als sie sich umsahen.

An sämtlichen Wänden des Raumes standen große Rechner und andere Maschinen, während eine große Kuppel in die dicke Kabel hineinliefen, in der Mitte des Raumes standen.

„Kommt schon“, meinte Ai und griff nach den Handgelenken der beiden Tamer, um sie hinter sich herzuziehen.

Der Raum zu dem die Zwillinge sie brachten, war weitaus weniger beeindruckend. Es war ein einfaches Konferenzzimmer, in dem einige dunkle Tische in U-Form aufgestellt waren.

Tatsächliche warteten bereits einige Leute auf sie. Takumi erkannte Takato und Ruki zusammen mit ihren Digimonpartnern. Auch Yamaki Mitsuo kannte er aus dem Fernsehen, während die anderen vier Menschen ihm jedoch weniger bekannt vorkamen.

Das eine war eine rothaarige Frau, die schon etwas älter zu sein schien, neben ihr saß eine nicht wesentlich jünger aussehende Frau, deren Haar kurz geschnitten und hell gefärbt war. Außerdem waren da noch zwei Tamer: Ein junger, japanischer Mann mit dunklem Haar, an dessen Seite ein Gazimon saß und außerdem ein westlich aussehender Mann, dessen Haar hellbraun war. Er trug außerdem einen Kinnbart.

Ein Leormon lag offenbar gelangweilt unter seinem Stuhl.

„Da seid ihr ja endlich“, meinte Ruki etwas ungehalten.

Unwillkürlich merkte Takumi, wie er etwas hinter Ai trat, da es ihm unangenehm war, wie alle Augen, die von Menschen und von Digimon gleichermaßen, auf sie gerichtet waren.

„Entschuldigt, dass wir uns etwas verspätet haben“, erwiderte Makoto förmlich.

„Worum geht es denn“, fragte nun Ruki mit zusammengezogenen Augenbrauen und auch die anderen Anwesenden schienen sich ähnliches zu fragen.

„Setzt euch erst einmal“, meinte nun die rothaarige Frau, woraufhin die vier Tamer zu einigen freien Stühlen auf der linken Seite des Raumes gingen.

Als sie dort saßen, holte Ai tief Luft. „Es scheint, als würde der Veranstalter von diesem Turnier langsam ungeduldig werden.“

„Er hat eine Email herumgeschickt, sagst du?“, fragte nun Takato, der sich offenbar bemühte ruhig zu bleiben.

Ai nickte.

„Aber ich habe keine Mail bekommen“, warf der westlich aussehende, junge Mann nun ein.

Erneut nickte Ai nur. „Weder wir, noch Takumi haben eine bekommen“, erwiderte sie. „Nur Rin.“

„Ihr?“, fragte Ruki.

„Wir nehmen auch am Turnier teil, aber das tut jetzt nichts zur Sache“, meinte Ai schnell.

Für einen Moment sah es so aus, als würden sowohl Ruki, als auch Takato etwas sagen wollen, aber sie hielten sich zurück.

„Was stand in der Mail?“, fragte schließlich die Frau mit den kurzen Haaren.

Ai sah zu Rin, die wiederum nach ihrer Tasche griff und ein Blatt Papier heraus nahm. „Ich habe es ausgedruckt“, meinte sie sehr leise und legte das Blatt auf den Tisch, woraufhin Ai es nahm und an Yamaki, der ihnen am nächsten saß, weiterreichte.

Es dauerte etwas, bis alle die Mail gelesen hatten und Takumi, der bemerkte, wie Takato zu ihm hinübersah, starrte auf seine Hände und fühlte sich noch unwohler als zuvor.

„Was ist los, Takumi?“, fragte Kotemon, doch sein Tamer schüttelte nur den Kopf.

Schließlich hatten alle einen Blick auf die Email geworfen.

„Aber warum habe ich nicht so eine Mail bekommen?“, fragte der Westländer, wobei sein Japanisch auf Takumi etwas steif wirkte.

Erneut war es Ai, die antwortete. „Du, Takumi und...“ Sie sah kurz zu Makoto. „Und wir haben wohl keine Email bekommen, weil wir unsere Gegner im Turnier nicht... Nicht töten. Ich glaube, dass es damit zu tun hat. Vielleicht weiß er auch, dass wir etwas mit Hypnos zu tun haben.“

„Wir können froh sein, dass Rin die Mail bekommen hat“, murmelte Makoto und meldete sich damit das erste Mal zu Wort.

„Die Frage ist doch, was wir jetzt machen“, meinte nun der Junge, mit dem Gazimon, der neben Ruki saß.

„Wir müssen dahin!“, rief Impmon aus und sprang nun auf den Tisch vor Ai, Makoto, Takumi und Rin. „Wir müssen sie aufhalten.“

„Die Frage ist, wie viele Tamer überhaupt noch teilnehmen“, warf Ruki nun ein.

„Egal wie viele es sind“, erwiderte Ai, „mit den Ultimate-Digimon sollten wir keine Probleme mit ihnen haben.“ Für einen Moment schwieg sie. „Außerdem wird vielleicht derjenige da sein, der diese Turnier veranstaltet.“ Sie ballte die Hände zu Fäusten. „Dann können wir ihn endlich erwischen!“

Für einen Moment sahen sie alle schweigend an, dann war es Yamaki Mitsuo, der etwas sagte.

„Wir werden eingreifen müssen. Die Frage ist, ob er sich zeigt, wenn wir dort sind.“

„Woher soll er das wissen?“, fragte Ai.

„Er scheint einiges zu wissen“, erwiderte die kurzhaarige Frau. „Wenn er so einfach an die Daten kommt, welche Tamer registriert sind und welche nicht, müssen wir annehmen, dass er im schlimmsten Fall sogar Zugriff auf unsere Datenbanken hat.“

Takumi sah derweil noch immer auf seine Hände. „Aber“, begann er dann, „wenn wir hingehen... Wenn Hanegawa-san, Hanegawa-kun, Okamura-san und ich hingehen... Das wird er vielleicht merken, aber anders als ihr werden wir dort kaum auffallen und für ihn direkt wohl weniger eine Gefahr darstellen.“ Er warf Impmon einen kurzen Blick zu. „Außer vielleicht Beelzebumon...“

Ai nickte begeistert. „Ja. Wenn ihr in der Nähe bleibt, aber nicht direkt dort seid, könnt ihr eingreifen, sobald sich dieser Typ zeigt.“

„Es könnte aber auch eine Falle sein“, gab die rothaarige Frau zu bedenken, woraufhin erneutes Schweigen herrschte.

„Aber“, meinte Takato schließlich leise, „haben wir eine andere Wahl?“
 

Wenn er ehrlich war, gefiel Makoto der Gedanke gar nicht, am kommenden Samstag zu diesem Turnier zu gehen. Natürlich wollte auch er, dass derjenige, der dieses Turnier veranstaltete endlich gefasst wurde, doch etwas sagte ihm, dass es nicht gut wäre, am Samstag zum vermeintlichen Finale dieses Turnier zu gehen.

Er wollte es Ai und Impmon gegenüber nicht zugeben, da beide nahezu besessen von dem Gedanken schienen, dem ganzen endlich ein Ende zu setzen. Natürlich verstand er, warum es Impmon so wichtig war, doch warum Ai so besessen davon war, konnte er nicht nachvollziehen.

Manchmal fühlte er sich, als sei er kein Teil mehr ihres Teams. Als sei nur Ai noch Impmons Tamer. Immerhin hatte sie meistens das Digivice. Sie hatte ihn nicht gefragt, als sie es für das Turnier verwandelt hatte - und Impmon schien keine Probleme damit gehabt zu haben. Die beiden schienen sich zu verstehen, ohne miteinander reden zu müssen - und er?

Er gehörte nicht wirklich dazu.

Als das ganze vor nur wenigen Wochen begonnen hatte, hatte eigentlich auch er gedacht, dass dies vielleicht ihre Chance war ein richtiges Abenteuer zu erleben. Doch vielleicht war er einfach niemand, der für Abenteuer geeignet war. Vielleicht war er dafür zu zurückhaltend, zu überlegt und einfach nicht risikofreudig genug.

Leise seufzte er.

„Hanegawa-kun?“, drang da die Stimme seines Englischlehrers in sein Bewusstsein vor.

Er sah auf. „I am sorry!“, sagte er sofort, sich dessen bewusst, dass der Lehrer wohl seine Geistesabwesenheit bemerkt haben musste.

„Would you please read passage two from page 49“, meinte der Lehrer daraufhin.

„Yes“, erwiderte Makoto und stand auf. Mit dem Buch in der Hand, begann er den genannten Absatz vorzulesen.

Mit den Gedanken war er jedoch dennoch nicht bei der Sache.

Er wusste nicht, was er tun sollte. Die Zeit konnte er nicht anhalten. Der Samstag würde kommen und damit auch alles, was dieser eventuell mit sich bringen würde. Dabei war nun erst Montag. Es waren noch sechs Tage.

Wieso hatte er nur ein so schlechtes Gefühl dabei?
 

Wieder einmal hatte Steve am Mittwochabend sein Telefon in der Hand. „I am fine, mum“, sagte er. „Everything is going well. I don't have any problems to follow the lectures.“

„And outside of university?“, fragte seine Mutter. „You are not alone all the time, are you?“

„No, mum, you don't need to worry“, beruhigte er sie. „I've made some friends over here. No problem.“

„Allright“, hörte er seine Mutter daraufhin seufzen, ehe er aus dem Hintergrund ein Quengeln vernahm, das zweifelsohne seiner Schwester zuzuordnen war. „Ann wants to talk to you“, bestätigte seine Mutter diese Vermutung.

„Okay. Talk to you later then. And give dad my love, okay?“

„Yes, my dear. And phone me, if you run into any sort of problems over there.“

„I will“, versprach Steve und hörte, wie daraufhin der Hörer weitergereicht wurde.

„Dear brother!“, brüllte seine jüngere Schwester praktisch in den Hörer.

„Hey, Any“, erwiderte Steve und musste etwas lächeln.

„How are you doing!“, fragte Anne nun und imitierte dabei einen extremen Südstaatlerdialekt.

„I am fine.“ Dabei war dies nicht ganz die Wahrheit. „I am just studying and stuff. And you? What have you been up to?“

„Ah, nothing much“, meinte sie. „Though our school play is coming up in only two weeks.“

Dies ließ Steve grinsen. Seine Schwester spielte leidenschaftlich gerne Theater und war seit sie in der Highschool war bereits in dem dortigen Theaterclub. „Sounds great.“

„Of course!“, antwortete sie promt. „But you won't be there.“

„Well, it is kinda hard to come over. After all there are only a few thousand miles to overcome...“

„Still, how dare you!“ Anne setzte eine besonders dramatische Stimme auf.

„I will make up for it, when I come home. Pinky promise!“

Seine Schwester seufzte. „But that's still so long.“

„You will manage, I am sure“, meinte er.

„Of course I will.“ Für einen Moment schwieg seine Schwester. „And how is Leormon doing?“

„Oh, well...“ Steve hielt seinem Digimonpartner das Handy entgegen.

„Hi there“, meinte das Digimon gelangweilt. „I am fine. No worries. No worries.“ Es gähnte herzhaft.

Damit nahm Steve den Hörer wieder an sein Ohr. „You see, he's fine.“

„Allright then.“ Sie pausierte noch einmal kurz. „Well, I hope you keep it up. And I hope, you feel ashamed, that you are not here.“

„I do“, antwortete der Junge und lächelte.

„You probably should hang up then“, meinte sie. „Bye bye, dear brother.“

„Bye bye.“ Damit legte er auf.

Mit einem tiefen Seufzen legte er das Handy zur Seite und ließ sich auf den Rücken fallen.

Er hatte ein schlechtes Gewissen, weil er sie die ganze Zeit anlog. Aber er wollte nicht, dass sie sich unnötig Sorgen machten. Und das würden sie tun, wenn sie wüssten, was hier geschah. Wenn sie von den Digimonkämpfen wussten und all dem, was sonst noch in Tokyo so vor sich ging.
 

„Ruki-san?“, fragte Ai, als sie die junge Frau zusammen mit ihrem Digimon am Freitag in der Nähe der Shinjuku-Station sah.

Ruki drehte sich zu ihnen herum und hob kurz die Hand zum Gruß.

So drängte sich Ai, Impmon hochhebend durch die Menschenmenge auf dem Bürgersteig, um zu Ruki aufzuschließen. „Hast du keine Vorlesungen mehr?“, fragte sie, da es noch recht früher Nachmittag war.

„Nein“, meinte Ruki einsilbig.

Daraufhin nickte Ai nur und die beiden gingen etwas schweigsam nebeneinander her.

„Wieso hast du dich für dieses Turnier angemeldet?“, fragte Ruki schließlich und ihr Tonfall ließ Ai schließen, dass sie sie dies bereits die ganze Woche fragen wollte.

„Es...“, begann Ai, doch es war Impmon, das sie unterbrach und ihr die Erklärung abnahm.

„Irgendjemand musste ja was tun“, meinte es vorlaut. „Wir können doch nicht zulassen, dass die Tamer ihre Digimon gegenseitig umbringen! Wir mussten etwas tun!“

„Aber warum habt ihr dann nicht mit Hypnos gesprochen?“, fragte nun Renamon und sah das andere Digimon an.

„Und selbst rumsitzen und nichts tun?“, erwiderte Impmon.

Doch Ai ließ leicht den Kopf senken. Die Wahrheit war, dass dies nicht der Grund gewesen war, warum sie nichts gesagt hatte. Eigentlich hatte sie endlich einmal selbst diejenige sein wollen, die alles löst und andere rettet. Auch wenn der Gedanke vielleicht abwegig erschien. Doch sie wollte nicht auf ewig in dem Schatten anderer stehen, zumal Makoto und sie immer weniger Bedeutung als Tamer gehabt hatten, als die anderen, da Impmon auch ohne sie digitieren konnte.

„Ich habe nicht darüber nachgedacht“, gab sie schließlich zu. „Die Wahrheit ist, dass ich gehofft hatte, einige von Ihnen aufhalten zu können. Einige der Tamer.“

Impmon sah zu ihrem Gesicht auf. „Wir haben einige Aufgehalten.“

„Es war dennoch unüberlegt“, meinte Ruki leise, schien es jedoch nicht böse zu meinen.

„Ich weiß.“ Ai seufzte und sie schwiegen erneut.

Dann sah die jüngere schließlich zu der anderen. „Wie geht es eigentlich Ryou-kun? Wird er bald entlassen?“

Daraufhin schien ein Schatten auf Rukis Gesicht zu kriechen. „Ja“, erwiderte sie, mit einem seltsamen Unterton in der Stimme. „Am Montag.“

Ai zögerte. „Was ist...“

Doch Ruki fuhr ihr ins Wort, noch ehe sie ihre Frage beenden konnte. „Seid morgen vorsichtig, ja? Und tut nichts unüberlegtes.“

„Auch du, Impmon“, stimmte Renamon zu.

„Aber...“, begann Ai, die merkte, dass man sie abwimmeln wollte.

„Tut mir leid, ich muss noch etwas machen“, meinte Ruki zu ihr. „Wir sehen uns morgen.“ Damit schenkte sie der jüngeren ein unsicheres Lächeln, ehe sie ihre Schritte beschleunigte und so bald in der Menge verschwand.

Impmon schien damit genau so unzufrieden zu sein, wie sein Tamer. „Was war denn das?“
 

So kam schließlich der Samstag und er kam auch für Takumi viel zu schnell. Zwar hatte er nicht so viele Bedenken wie Makoto, machte sich weniger Gedanken als Steve und wollte sich nicht unbedingt zwanghaft beweisen, doch änderte das nichts daran, dass er ein flaues Gefühl im Magen hatte, als er sich die Schuhe anzog.

„Hast du wirklich deine Hausaufgaben fertig gemacht?“, fragte sein Vater unwirsch, da er noch immer nicht ganz zufrieden damit war, dass sein Sohn ständig wegen der Digimon das Haus verließ.

„Ja“, antwortete Takumi. „Alle, die wir aufhatten.“

„Wann kommst du wieder“, erkundigte sich Shirou Kensuke daraufhin.

Der Tamer sah unsicher zu Kotemon. „Ich weiß es noch nicht genau“, meinte er.

„Lass ihn“, meinte nun Shirou Kaede zu ihrem Mann. „Er ist immerhin mit seinen Freunden unterwegs.“ Sie hatte wegen all dem weitaus weniger Bedenken, als ihr Mann. Sie schien sogar Kotemon recht gern zu mögen, glaubte Takumi.

„Ja. Danke.“ Er nickte ihr zu und warf sich seinen Rucksack über die Schulter. „Ich werde mich bemühen, dass es nicht zu spät wird“, versprach er dann und griff nach dem Türknauf.

„Ich werde ebenfalls darauf achten.“ Kotemon machte eine leichte Verbeugung, ehe es Takumi aus der Tür hinaus folgte.

Dabei hatte Takumi ein etwas schlechtes Gewissen, da er seinen Eltern nicht erzählt hatte, wohin er gehen würde. Doch er wollte verhindern, dass sich seine Mutter zu viele Sorgen machte oder sein Vater es ihm verbot. Denn er wollte die anderen auf keinen Fall enttäuschen. Er wollte mit ihnen zusammen kämpfen. Außerdem: Was sollte schon groß passieren? Selbst wenn sie einigen Adult-Digimon gegenüberstehen würden, so konnten diese kaum etwas gegen sie ausrichten. Immerhin waren auch Takato und die anderen da, um sie zu unterstützen!

Und so machte er sich zusammen mit Kotemon auf den Weg zur U-Bahn Station, um mit dieser nach Chiyoda zu fahren.

Er hätte nur zu gerne gewusst, was ihn erwarten würde. Doch ihm blieb nichts anderes übrig, als abzuwarten.

„Ich werde dich auf jeden Fall beschützen“, versprach Kotemon, als es merkte, wie sein Tamer Gedankenverloren aus dem Fenster sah.

„Du solltest vor allem auf dich selbst aufpassen“, erwiderte Takumi.

„Mir wird schon nichts passieren.“ Das Digimon sah ihn entschlossen an. „Wenn es gefährlich wird, kann ich wieder zu Hanehamon digitieren!“

„Hoffentlich“, murmelte Takumi leise.

So rauschte Tokyo weiter draußen an ihnen vorbei, ehe die Ansage im inneren der Straßenbahn erklang, dass sie nun die Chiyoda Station erreichen würden. So stand Takumi auf und drängte sich, als der Zug endlich hielt, nach draußen.

Hier sah er sich um, da er mit dem Stadtteil weniger vertraut war. Er folgte dem Strom der Menschen aus dem Bahnhofsgebäude heraus, das eins der ältesten in Tokyo war, und sah sich draußen um. Der Hibiyakoen müsste eigentlich ganz in der Nähe sein und war wahrscheinlich ausgeschildert.

Schließlich entdeckte er tatsächlich ein Schild und wollte gerade in die Richtung gehen, als sich eine Hand auf seine Schulter legte. „Shirou-kun?“

Er drehte sich herum und sah Matsuda Takato zusammen mit Guilmon hinter sich stehen.

Erschrocken wich er etwas zurück. „Matsuda-senpai!“

„Hallo“, begrüßte ihn Takato mit ernstem Gesicht. „Bist du gerade erst gekommen?“

Schnell nickte Takumi. „Bin ich zu spät.“

Doch der ältere Tamer schüttelte den Kopf. „Nein. Ich habe mich nur gefragt, ob du weißt, wo die anderen sind.“

Nun war es an Takumi den Kopf zu schütteln. „Nein, tut mir leid. Ich wollte gerade zum Hobiyakoen gehen.“

Daraufhin nickte Takato nur. „Dann lass uns gehen.“

„In Ordnung“, murmelte der jüngere und schluckte, warf seinem Digimonpartner einen Blick zu, da ihm die Situation irgendwie unangenehm war. Er hatte bisher nie mit Takato selbst gesprochen. Er hatte ihn damals - es war eigentlich gerade einmal vor einem Monat gewesen - auf dem Dach des Telecom Centers gesehen und er wusste, dass Takato mit seinen Eltern gesprochen hatte, aber trotz dessen kam er nicht umher sich zu fragen, was der ältere Tamer von ihm denken musste.

„Matsuda-senpai“, begann er vorsichtig, während er etwas versetzt hinter dem anderen lief.

Dieser sah sich zu ihm um. „Ja?“

„Ich...“ Unsicher sah Takumi wieder zu seinem eigenen Partner, der ihm zunickte. „Vielen Dank, dass Sie mit meinen Eltern geredet haben. Es tut mir aufrichtig leid, wenn Sie wegen mir irgendwelche Umstände hatten!“ Dabei blieb er stehen und verbeugte sich.

Für einen Moment betrachtete Takato ihn. „Es waren keine Umstände“, erwiderte er dann schließlich. „Ich hoffe, es hat etwas geholfen.“

„Ja“, versicherte Takumi. „Zumindest etwas.“

„Gut“, meinte Takato und wollte sich zum Gehen wenden, ehe er inne hielt. „Hier“, sagte er dann und hielt Takumi eine Karte hin, die wie er nun erkannte, eine blaue Karte war. „Vielleicht braucht ihr die später.“

Ungläubig sah Takumi die Karte an. „Danke!“, meinte er und verbeugte sich erneut, als er die Karte entgegen nahm. Er verstaute sie in seiner Kartentasche.

So gingen sie schweigend weiter, bis zwischen zwei Häusern am Ende der Straße der Park in Sicht kam. Hier hörten sie nun auch andere Stimmen nach ihnen rufen. „Shirou-kun! Takato-san!“

In einer der Seitenstraßen nicht weit vom Park entfernt hatten sich die anderen bereits zusammengefunden. Ai, Makoto, Rin, Ruki und auch die beiden Jungen, die er bei Hypnos gesehen hatte, waren hier. Doch auch noch zwei andere Tamer waren hier und einen davon kannte Takumi sogar. „Du bist doch der, der auf Kotemon aufgepasst hat“, stellte er fest, als er den unrasierten jungen Mann mit dem Hagurumon erkannte.

Dieser lächelte matt. „Dann bist du also Shirou Takumi?“

„Ja.“

„Das ist ja schön und gut“, warf Impmon nun ein, „aber wir sollten langsam gehen. Es kommen immer mehr Tamer hierher.“ Es sah zu Ai, die auf ihr Digivice schaute.

Auch Takumi holte nun sein Digivice heraus und sah darauf. „Wieso macht es kein Warngeräusch wie sonst?“

„Wahrscheinlich weil es das Finale ist“, meinte Makoto. „Wahrscheinlich sollen wir mit dem Kämpfen warten.“

„Vielleicht“, stimmte Kotemon zu und sah dann zu Takumi. „Wir sollten gehen!“

Die Tamer nickten und so zogen Takumi, Rin und Steve Karten durch ihre Digivices. „Card Slash! Chou Shinka Plug-In S!“

„Kotemon - Shinka! Dinohumon!“

„Leormon - Evolution! Liamon!“

Auch Kunemon digitierte stumm wie immer zu Flymon, während einzig Impmon offenbar auf dem Child-Level blieb - was zweifellos klüger war, da Beelzebumon schnell aufgefallen wäre.

„Wir bleiben in der Nähe“, versprach Ruki.

„Wenn es Schwierigkeiten gibt, können Ai und Makoto uns anfunken“, stimmte Takato zu und Ai zeigte, wie um dies zu bestätigen, auf ein kleines Headset an ihrem Ohr.

Die fünf Tamer nickten.

So machten sie sich zusammen mit ihren Digimon auf den Weg zum Park, wobei ihnen immer beklommener wurde, als sie auf ihre Digivices sahen. Es schienen etwa zwanzig Tamer hier zu sein, wenn sie die Punkte richtig deuteten, und sie schienen alle zur Mitte des Parks zu gehen.

Takumi sah zu Ai, Makoto und Rin. Er traute sich kaum zu sprechen. Was würde sie wohl erwarten?
 

Es war mehr ein subjektiver Eindruck, als eine richtige Beobachtung, aber Denrei hatte das Gefühl, dass sie sich vorwärts bewegten. Mit Schwimmbewegungen versuchten sie vom Fleck zu kommen, doch ganz konnte er sich nicht sicher sein, dass es funktionierte.

Immerhin gab es in ihrer Umgebung nicht wirklich etwas, dass Ihnen als Hinweis darauf dienen konnte, dass sie voran kamen. Alles war gleich weiß und nur in der Ferne schien es weiterhin irgendeine Form von Bewegung zu geben, doch egal was sie taten, so konnten sie nicht erkennen, was es war.

„Ich will hier wieder raus“, murmelte Shuichon leise und klang dabei beinahe deprimiert, was sehr untypisch für sie war.

„Wir finden schon einen Ausweg“, erwiderte Denrei und sah sie an. Er war selbst nicht sonderlich überzeugt von seinen Worten, doch er wollte zumindest nicht aufgeben, ehe es nicht gänzlich hoffnungslos erschien.

„Ich frage mich nur, was dass hier ist“, meinte Lopmon, das sich mit seinen langen Ohren am mühelosesten fortbewegte. „Es fühlt sich so anders an, als die digitale Welt, aber auch nicht wie die reale Welt.“

Denrei sah das Digimon an. „Dann ist dies eine andere Welt?“

Doch Lopmon schüttelte nur den Kopf. „Ich weiß es nicht.“

„Ich will nach Hause“, jammerte nun auch Dracomon.

„Ich hoffe nur, dass diese Welt uns nicht abstößt“, murmelte Lopmon nun und sah sich zweifelnd um.

Daraufhin seufzte Denrei. Er verharrte wo er war - weiterhin ohne zu wissen, ob er das nicht schon die ganze Zeit getan hatte - und holte sein Digivice heraus.

Es war nicht das erste Mal, das er auf den kleinen Bildschirm sah in der Hoffnung, dass dieser ihm irgendwelche Antworten verraten würde, doch noch immer war der Bildschirm grau und leer.

„Es funktioniert hier nicht“, sagte Shuichon leise und sah nun auch auf ihr Digivice. „Wir sollten gar nicht hier sein“, fügte sie dann noch leiser hinzu.

Denrei wollte nach ihrer Hand greifen, doch in dem Moment zuckte er zusammen. Er meinte etwas gehört zu haben.

„Was ist, Denrei?“, fragte Dracomon und sah ihn an.

Er legte einen Finger auf die Lippen. „Psst.“ Dann lauschte er.

Tatsächlich war da ein Geräusch. Ein seltsames, unregelmäßiges Rauschen. Es klang,wie ein schlecht eingestelltes Radio.

„Was ist das?“, fragte Shuichon und sah ihn an.

Er schüttelte den Kopf, um ihr zu signalisieren, dass er es auch nicht wusste. Er lauschte weiter.

Dann auf einmal konnte er Worte zwischen dem Rauschen ausmachen. Langsame, verzerrte Worte: „Wer seid ihr? Was seid ihr?“

Episode 22: Das Finale beginnt

Episode 22: Das Finale beginnt
 

Ist es nicht gefährlich? Kinder, die mit Monstern spielen? Wer sagt denn, dass diese Monster die Kinder nicht angreifen? Immerhin haben sie genug Kraft, um diverse Zerstörung anzurichten und damit auch Kinder verletzen. Wieso sind es ausgerechnet meistens Kinder und Jugendliche, die mit diesen Monstern zusammen sind? Und die Regierung tut nichts, um das weiter zu kontrollieren oder unsere Kinder zu beschützen. Müssen denn noch weitere Kinder sterben, damit etwas passiert?
 

               - Anonymer Weblogeintrag
 

Rotes Licht erfüllte die Straße und flackernd gingen bereits einige Straßenlaternen an, da es zwischen den Hochhäusern schnell dunkel wurde.

Unruhig stand Takato in einer der Straßen in der Nähe des Hibiyakoen. In ihm tobten so viele verschiedene Gefühle, doch er konnte keinem von ihnen folgen, um zu handeln. Er musste warten, bis etwas passierte.

Er wollte verhindern, dass weitere Tamer ihre Partner verloren. Er wollte denjenigen, der für all dies verantwortlich war, zur Rechenschaft ziehen. Er wollte, dass dieser ganze Alptraum endlich vorbei war.

Doch er wusste, dass wenn sie zu früh eingriffen, dies dafür sorgen würde, dass der selbsternannte Meister der Spiele, sich gar nicht zeigte. Und wenn sie ihn nicht verhafteten, könnte es sein, dass all das weitergehen würde - selbst wenn es mit anderen Tamern war. Das konnten sie nicht riskieren.

Allerdings war dies nicht das einzige, das für seine Unruhe verantwortlich war. Denn was ihn genau so beunruhigte, wie der Gedanke daran, dass weitere Digimon sterben und der Veranstalter dieses Turniers entkommen konnten, so war da auch die Unsicherheit darüber, was bei diesem Finale geschehen würde. Denn noch immer war die Unsicherheit darüber, was sie erwarten würde. War es vielleicht wirklich eine Falle? Doch gab es wirklich etwas, das jener Veranstalter gegen sie ausrichten könnte? Selbst wenn er selbst einen Partner hätte und selbst wenn dieser auf das Ultimate-Level digitieren könnte, so wäre es fraglos gegenüber vier anderen Ultimates machtlos.

Dennoch erinnerte er sich zu gut an die anderen, seltsamen wilden Digimon, die aufgetaucht waren und schwer zu Besiegen waren. Vielleicht hatte auch damit der Veranstalter etwas zu tun?

Die Regierung wollte zumindest kein Risiko mehr eingehen. Sie wollten verhindern, dass es weitere Probleme gab und Takato wusste, dass sie Ryou nicht mehr vertrauten und zumindest jene, die den Digimon gegenüber von Anfang an misstrauisch eingestellt gewesen waren, auch mit Yamaki unzufrieden waren.

Er holte seine Karte aus der Ledertasche an seinem Gürtel hervor und sah auf die oberste Karte: Eine rote Karte.

Wieso um alles in der Welt hatten sie sie ihm gegeben?

Er hatte sie schon seit zwei Wochen, doch was blieb, war die Gewissheit, dass der Algorithmus nicht von Hypnos stammte, sondern von anderen Informatikern. Und er war nie getestet worden. Dennoch erwartete man ausgerechnet von ihm, dass er diese Karte nutzen sollte, wenn es weitere Schwierigkeiten geben sollte.

Ein All-Delete Code.

Wieso ausgerechnet ihm?

Er verfluchte Senator Musayami, auf den alles zurückzugehen schien.

Doch er wusste, dass er keine Wahl haben würde, wenn sie wirklich in Bedrängnis geraten würden.

„Takato!“, hörte er Guilmons Stimme und sah von seinen Karten auf.

„Was...“, begann er, folgte dann aber Guilmons Blick.

„Was passiert hier, Takato?“, fragte das Digimon.

Es war, als würde sich ein Schatten auf sie zubewegen. Stück für Stück gingen die Straßenlaternen flackernd aus, ganz so, als würde sie jemand einzeln ausschalten.

„Aber das...“ Takato sah mit zusammengezogenen Augenbrauen zum Himmel hinauf und wandte sich dann in die Richtung des Parks. Das konnte einfach nicht sein!
 

Auch Takumi, Ai, Makoto und Rin waren nicht unbedingt ruhig, während sie zwischen den anderen Tamern standen, die sich auf einer der großen Rasenflächen am Rande des kleinen Parks versammelt hatten.

Die meisten von ihnen hatten ihre Digimon bereits vorher auf das Adult-Level digitieren lassen, da sich keiner so ganz sicher zu sein schien, ob jemand der anderen ihn oder sie sofort angreifen würde.

Doch im Moment wartete alle. Ungeduldig. Unsicher. Aber sie warteten.

„Was passiert den nun?“, fragte Rin leise an Takumi gewandt, welcher nicht mehr tun konnte, als den Kopf zu schütteln und nicht viel lauter „Ich weiß es nicht“ zu antworten.

Da begannen die Laternen im Park, wie auch die Beleuchtung eines nahegelegenen Brunnens an zu flackern und auszugehen.

„Was...“, begann Ai leise, während sich ein bedrohlicher Schatten über Impmons Gesicht legte.

Nebel begann sich auszubreiten - ein Digital Field.

„Ich freue mich, dass ihr alle erschienen seid“, erklang auf einmal eine Stimme aus dem Nebel heraus, so dass es ihnen unmöglich schien zu sagen, eher sie kam.

Viele der anderen Tamer, die vorrangig Kinder und Jugendliche zwischen zehn und 16 Jahre zu sein schienen, sahen sich ängstlich und verwirrt um.

„Was soll das?“, murmelte Ai wütend.

„Er will uns verwirrend“, erwiderte ihr Bruder.

„Es sind allerdings, wie ich feststellen muss“, fuhr die Stimme, die offenbar die eines Mannes zu sein schien, fort, „mehr erschienen, als ich eingeladen habe. Denn tatsächlich scheinen drei Digimon mit ihren Tamern hier zu sein, die ich in diesem Turnier nicht mehr akzeptieren werde, da sie uns bereits an die Regierung verraten haben.“

Die umstehenden Tamer wurden noch unruhiger und einige schienen ernsthaft zu überlegen davonzulaufen, während Ai nicht mehr an sich halten konnte.

„Zeig dich endlich, du Feigling!“, rief sie in den Nebel hinein.

„Ich sehe keinen Anlass dafür“, erwiderte die Stimme kühl. „Denn ich muss leider davon ausgehen, dass ihr eure anderen Freunde der Regierung hierher gebracht habt, richtig?“

Ai erwiderte nichts, doch dafür schöpfte Takumi nun den Mut.

„Wir werden nicht zulassen, dass weitere Digimon sterben!“, rief er. Dann wandte er sich den anderen Tamern zu. „Ich bin mir sicher, dass niemand hier riskieren will, dass sein Partner getötet wird! Und wollt ihr wirklich einem anderen Tamer seinen Partner nehmen?“ Er ballte die Hände zu Fäusten und dachte an das Mädchen, dessen Owlmon von Dinohumon getötet worden war. „Ich weiß, dass die meisten von euch schon andere Partner getötet haben...“, fügte er dann etwas leiser als zuvor, aber dennoch gut hörbar, hinzu. „Aber wollt ihr wirklich so weiter machen? Wenn ihr kämpft, werden alle Digimon bis auf eins sterben. Glaubt ihr wirklich, dass es eurer Partner sein wird?“

Einige der umstehenden Tamer tauschten betretene Blicke mit ihren Digimon aus, doch ganz schien niemand bereit, Takumi zuzustimmen.

„Was macht es für ein Unterschied?“, rief ein Junge, der - so schätzte Takumi - offenbar sogar noch ein, zwei Jahre jünger war als er selbst. „Was macht es für einen Unterschied, ob unsere Partner hier sterben oder weil wir zu schwach sind?“

„Es ist am Ende doch die Schuld der Regierung“, meinte ein anderes Mädchen, etwa im Alter von Ai und Makoto.

„So etwas versteht ihr wahrscheinlich nicht“, fügte ein älterer Junge hinzu.

„Natürlich verstehe ich das“, erwiderte Takumi laut. „Ich habe mich deswegen auch zu diesem Turnier angemeldet! Aber ich weiß jetzt, dass das falsch war! Ich will nicht riskieren, dass ich Kotemon verliere und ich will auch nicht irgendeinem anderen Tamer seinen Partner nehmen!“

„Was machst du dann hier?“, fragte ein anderer Junge aus der Menge.

„Wir sind da, um euch aufzuhalten“, antwortete Ai.

Da konnten sie wieder die Stimme des Veranstalters aus dem Nebel heraus hören. „Das ist ja alles sehr schön und löblich“, meinte er ohne sich zu bemühen den Spott in seiner Stimme zu verbergen. „Doch das wird gar nicht nötig sein. Ich habe mich entschlossen, das ganze zu beschleunigen.“

„Was soll das heißen?“, rief Impmon voller Wut.

„Das heißt, dass es kein Finale gibt.“ Die Stimme wirkte süffisant.

Nun wurde die Verwirrung zwischen den Tamern noch größer. Überall waren getuschelte Fragen wie „Warum sollten wir dann herkommen?“ und „Sollen wir einfach gehen?“ zu hören, ehe sich der Spielemeister wieder zu Wort meldete.

„Ich bedanke mich bei euch allen - nun, fast allen - dass ihr mir soweit geholfen habt, Tamer, und ich muss sagen, dass mir all das sehr leid tut. Doch nun, wo sich diese Idioten von Hypnos unbedingt einmischen müssen ohne auch nur ansatzweise etwas zu verstehen, bleibt mir leider keine andere Wahl...“ Diese Worte ließ er so ausklingen.

„Das reicht jetzt!“, schrien Ai und Impmon wie aus einem Mund. „Zeig dich endlich, du Feigling!“

„Ja, es reicht wirklich...“, antwortete ihnen die Stimme.

Da knurrte Hanehamon auf einmal auf. „Takumi!“ Es zeigte in den Nebel und als sein Tamer dem Zeig folgte, konnte er dort ein rotes Licht erkennen.

Takumi sah sich um. Da waren mehrere Lichter - ganze sechs zählte er - die die Gruppe der Tamer eingekreist hatten.

Er griff nach Ais Schulter. „Da!“, rief er und zeigte auf die Lichter.

Nun wurden auch die anderen auf sie aufmerksam, doch es war der Amerikaner, der sie begleitete - Steve - der zuerst verstand.

„Down! Runter!“, brüllte er.

Im selben Moment riss Dinohumon Takumi und Rin mit sich zu Boden, während Ai ihren Bruder mit sich riss und auch Flymon sich so gut es ging bückte.

Einige der anderen Tamer und Digimon schienen auch zu reagieren, doch nicht alle verstanden, was vor sich ging.

Im nächsten Moment schossen rot glühende Energiestrahlen durch die Luft und trafen vier der Digimon - ein Flare Lizarmon, ein Truieremon, ein Prairiemon und ein Sepikmon - die sich im nächsten Moment zu Datenpartikeln auflösten.

Einige Tamer schrien, während Ai zu Takumi und Rin sah. „Habt ihr blaue Karten?“

„Takato hat mir eine gegeben“, sagte Takumi, nachdem er sich etwas aufgerichtet hatte, und nickte und auch Rin holte eine blaue Karte unsicher aus ihrer Tasche hervor.

„Ich habe eine von Ruki bekommen“, erwiderte sie.

Auch Steve holte eine blaue Karte hervor.

„Worauf wartet ihr dann?“, rief Impmon, ehe es von Licht umgeben wurde und im nächsten Moment als Beelzebumon im Burst Mode seine Flügel ausbreitete und auf eins der Lichter zuschoss.

Takumi nickte Rin, die etwas unsicher wirkte, zu und nach einem kurzen Zögern nickte auch sie.

„Card Slash!“, riefen sie, Takumi und Steve wie aus einem Munde. „Matrix Evolution!“

Licht umgab ihre drei Partner, was einige der nun ohnehin schon verängstigten anderen Tamer zurückschrecken ließ.

„Dinohumon - Shinka! Hanehamon!“

„Liamon - Evolution! Loader Liomon!“

Das Licht um die Digimon verblasste und wo vorher Flymon gewesen war, schwebte nun ein normal goldenes Waspmon.

Erneut schossen Energiestrahlen aus dem Nebel heraus und die drei Perfect-Digimon stießen sich vom Boden ab, um auf jeweils eins der roten Lichter zuzuspringen.

Dennoch konnten sie nicht verhindern, das zwei weitere Digimon - dieses Mal ein Tyrannomon und ein Starmon - in Datenpartikel zerstoben.

„Ai!“, rief Takumi und drehte sich zu dem Mädchen um. „Ruf Takato-san und die anderen!“

Das Mädchen schüttelte den Kopf. „Ich habe keinen Empfang. Irgendetwas blockiert die Verbindung.“

„Verdammt...“, flüsterte Takumi und ballte die Hände zu Fäusten.
 

Während er wartete konnte Shoji das Gefühl der Anspannung nicht abschütteln. Er wäre gerne näher an den Park heran gegangen, doch die Gefahr, dass er dadurch Aufmerksamkeit auf sie zog, war zu groß.

Doch auch Gazimon schien seine Anspannung zu teilen.

Es stellte seine Ohren auf. „Irgendetwas stimmt nicht“, meinte es nachdenklich und lief die Straße hinab um durch eine Gasse klare Sicht auf den Park zu bekommen.

In dem Moment hörte Shoji die Stimme Hirokazus.

„Ein Digital Field!“, rief er und kam auf Shoji zugerannt, wobei Kenta ihm nicht mit allzu großem Abstand folgte.

„Was?“, fragte Shoji verwirrt.

„Ein Digital Field“, wiederholte Hirokazu und kam zum Stehen.

„Er hat Recht“, rief nun auch Gazimon zu ihm hinüber. „Da ist Nebel! Nebel zwischen den Bäumen! Es kann nur ein Digital Field sein.“

„Ich fürchte, das heißt nichts gutes“, murmelte Kenta, der sie nun auch erreichte.

Für einen Moment zögerte Shoji. „Wir müssen Takato und Ruki Bescheid sagen“, meinte er dann.

Hirokazu nickte, doch in dem Moment hatte Ruki, die offenbar nicht allzuweit von ihnen entfernt gewesen war, sie schon bemerkt.

„Was ist los?“, rief sie und kam auch zu ihnen hinüber.

„Ein Digital Field hat sich im Park gebildet“, antwortete Renamon bereits auf die Frage seines Tamers, noch bevor es einer der jungen Männer tun konnte. Das Digimon kam vom Dach eines Hauses heruntergesprungen. „Wir sollten etwas tun.“

Ruki sah zu ihrem Partner und nickte. Noch bevor einer der anderen Tamer etwas sagen konnte, zog sie eine blaue Karte durch ihr Digivice. „Card Slash! Matrix Evolution!“

„Renamon - Shinka! Kyuubimon - Shinka! Taomon!“

Während Taomon über die Straße schwebte, rannte Ruki schon los, die Straße hinab und auf den Park zu.

Shoji wandte sich an Hirokazu und Kenta. „Schaut ihr nach Takato und sagt ihm Bescheid. Wir sehen nach, was da los ist“, meinte er zu ihnen und zog dann ebenfalls eine blaue Karte aus seiner Tasche. „Card Slash! Matrix Evolution!“

„Gazimon - Shinka! Sangloupmon - Shinka! Matadrmon!“

Ohne auf eine Antwort der anderen beiden zu warten, liefen auch Shoji und Matadrmon los, wobei auch Shoji nun langsam den Nebel zwischen den Bäumen erkennen und gedämpfte Schreie aus dem Feld heraus hören konnte.

Irgendetwas stimmte ganz und gar nicht!

Ein Digimon löste sich aus dem grauen Nebel heraus, während es ein offenbar zitterndes Mädchen in seinen Armen hielt.

Ruki war stehen geblieben. „Was geht da vor?“, rief sie zu dem Mädchen und ihrem Partner - einem Rinkmon - hinüber.

Es war auch das Rinkmon, das ihr antwortete: „Da ist etwas. Etwas schlechtes. Es tötet Digimon. Es will alle Digimon töten.“

Shoji legte Ruki eine Hand auf die Schulter. Sie wandte sich zu ihm mit entschlossenem Blick zu. „Lass uns gehen“, sagte sie leise.

Daraufhin sah er auf den Nebel, nickte aber dann und sie liefen gemeinsam in den Nebel hinein.
 

Noch immer konnte Ai nicht sehen, was es war, das sie Angriff. Sie sah immer wieder auf ihr Digivice durch das sie sehen konnte, was auch Beelzebumon sah, doch das Bild schien vollkommen verzerrt.

Langsam wurde ihr klar, dass dies kein normales Digital Field war. Sie ging jede Wette ein, dass dieser Meister der Spiele irgendetwas daran verändert hatte. Aber wie? Und wie hatte er diese Dinger - was auch immer es war - die sie angriffen, heraufbeschworen?

„Beelzebumon!“, schrie sie in den Nebel hinein.

In dem Moment kam eins der roten Lichter näher und wurde von Hanehamon gepackt und auf den Boden geworfen, nicht unweit von ihnen entfernt.

Nun sah Ai auch, was es war: Es erinnerte an zwei in die Länge gezogene, dunkle Hexaeder zwischen denen eine rote Energiesphäre war.

Es prallte auf dem Boden auf, schwebte aber sofort wieder in die Höhe hinauf und schoss nun einen Energiestrahl auf Hanehamon ab, dem dieses aber auswich, indem es sich flach auf den Boden warf.

Mittlerweile herrschte um sie herum Chaos.

Einige der anderen Tamer schrien, andere versuchten zu fliehen, wobei ihnen aber ständig von Energiestrahlen der Weg abgeschnitten wurde, so dass sie langsam die Orientierung zu verlieren schienen.

Sie konnten Schreie hören, Wimmern und Ai hatte nicht einmal mehr eine Übersicht darüber, wie viele der anderen Digimon schon gefallen waren.

Wenn es so weiterging, würden diese seltsamen Dinger alle Digimon, die hier waren früher oder später töten!

Vor allem schienen diese seltsamen Waffen oder was auch immer sie waren sich nicht von den drei Perfect-Digimon und Beelzebumon ablenken zu lassen. Stattdessen schien es, als wollten sie sich tatsächlich auf die verschiedenen Adults konzentrieren.

Ein weiterer Energiestrahl schoss auf eine Gruppe bestehend aus drei Tamern und ihren Digimon zu und hätte sicherlich eins getroffen, wäre nicht in diesem Moment eine dunkle Stimme erklungen. „Om!“

Ein Schutzschild bildete sich um die kleine Gruppe und die Digimon sahen verwundert auf, als sie Taomon erkannten, das nun vor ihnen stand.

„Was ist hier los?“, rief Shoji, der nun zusammen mit Ruki durch den Nebel auf sie zugelaufen kam. „Was war das?“ Er sah in die Richtung, aus der der Energiestrahl abgefeuert worden war.

„Der Typ will die Digimon löschen!“, erwiderte Makoto.

Weitere Energiestrahlen schossen auf das Schild Taomons.

„Ich kümmere mich darum“, knurrte Matadrmon und sprang nun ebenfalls in die Richtung aus der zumindest einer der Energiestrahlen kam.

„Thousand Arrow!“ Es warf Schwerter auf das im Nebel rot leuchtende Etwas, das im nächsten Moment erlosch.

„Na also!“, seufzte Ai erleichtert.

Doch ihre Erleichterung blieb nicht lang, denn auf einmal erschien ein seltsames Hexaeder, wie aus dem Nichts direkt hinter Matadrmon und feuerte eine weitere Attacke in den Rücken des Digimon ab.

Zwar reichte es bei Matadrmon nicht, um es ganz zu vernichten, doch fiel das Digimon vornüber zu Boden und verlor einige Daten, ehe es als Gazimon liegen blieb.

„Gazimon!“, rief Shoji aus und rannte zu seinem Partner.

Ai merkte, wie sie begann zu zittern. Was sollten sie tun? Was konnten sie tun?

Zwei weitere der Hexagonen kamen auf sie zugeflogen und fingen nun an Taomons Schild aus nächster Nähe zu befeuern. In der Luft um es herum schwebend, schossen sie unablässig ihre Energiestrahlen auf es ab.

„Waspmon!“, rief Rin nun aus und zog eine Karte durch ihr Digivice. „Card Slash! Offense Plug-In W!“

Waspmon kam aus dem Nebel zu ihnen hinübergeflogen und schoss Laserstrahlen aus seinem Stachel auf ihre Gegner ab. Doch wie es zuvor bei Matadrmon der Fall war, schienen sich diese nicht wirklich daran zu stören.

Da durchbrachen die Attacken Taomons Schuld und die ersten zwei der Adult-Digimon - Togemon und Kwappamon - wurden getroffen, so dass sie sich im nächsten Moment in rote Datenpartikel auflösten.

Das Mädchen, das offenbar der Tamer des Kwappamon gewesen war, begann zu weinenn. „Kwappamon!“, rief es, ohne etwas dagegen tun zu können, dass die Datenpartikel immer weiter von ihr fortschwebten.

Das dritte Digimon - Starmon - hatte es geschafft auszuweichen und lag nun Bäuchlings auf dem Boden, während sein Tamer, ein vielleicht zwölfjähriger Junge, mit schützend ausgebreiteten Armen vor ihm Stand, während auch ihm Tränen die Wange hinter liefen.

„Ihr bekommt Starmon nicht“, rief er mit zitternden Stimmen den Hexaedern entgegen. „Ihr könnt es mir nicht wegnehmen.“

„Takeo...“, flüsterte das Starmon, während eins der Hexaeder nun um den Jungen herumschwebte.

Der Junge folgte dem seltsamen Angreifer mit dem Blick und warf sich dann, nach einem kurzen Zögern, auf den Körper seines Partners.

„Pass auf!“, schrie Makoto noch, der wohl als erster Begriff, was nun passieren würde, doch es war zu spät.

Noch bevor eins der Perfect-Digimon zu Hilfe kommen konnte, durchbohrte ein roter Energiestrahl die Körper von Tamer und Digimon, was die wenigen verbleibenden Tamer, die Ai sehen konnte nun gänzlich in Panik versetzte.

Sie spürte die Wut in sich aufkochen. Wie konnten sie nur so etwas tun? Wie konnte dieser Spielemeister nur so etwas tun? Die Digimon töten... Und auch Menschen... Ein Kind!

Ihre Hand zitterte vor Wut. Sie war unfähig sich noch zu bewegen und sie merkte, wie auch Beelzebumon dieselbe Wut spürte.

Es kam auf sie zugeflogen, die grünen Augen fest auf ihre Gegner gerichtet. „Ihr verdammte...“, schrie es aus und feuerte auf die drei sich in der Nähe befindenden Hexaeder, die zwar getroffen wurden, aber - so schien es - die Energie der Attacke gänzlich absorbierten.

Sie flogen nun auf Beelzebumon zu und umkreisten es.

„Gib mir das!“, rief Makoto aus, als er sah, dass seine Schwester nicht reagierte, und riss ihr das Digivice aus der Hand. „Card Slash! Alias!“

Nichts geschah.

„Was...“, murmelte Makoto.

Beelzebumon versuchte seinen Angreifern zu entkommen, doch wie ein Ring flogen diese weiter um seine Brust herum.

„Verdammt“, knurrte es und sah zu den Zwillingen.

Doch ehe diese noch etwas tun konnten, feuerten die Hexaeder zeitgleich ihre Attacken auf das Ultimate-Digimon ab, dessen Gestalt daraufhin zu flackern begann, ehe es als Impmon wieder zu Boden fiel.

Ais Herz setzte für einen Schlag aus. Dann endlich löste sie sich aus ihrer Starre. „Impmon!“, rief sie aus und lief zu ihrem Partner hinüber, um ihn hochzuheben. „Verdammt...“

Ihr Bruder folgte ihr nicht.

„Was geht hier vor?“, hörten sie nun endlich Takatos Stimme.

Doch niemand antwortete ihm.

In Begleitung von Hirokazu und Kenta und ihren ebenfalls auf das Perfect-Level digitierten Partnern, kam er zu ihnen hinüber.

Ungläubig sah er sich um. Sah die weinenden Tamer. Sah den toten Jungen am Boden.

„Ich muss sagen“, erklang da erneut die Stimme des selbsternannten Spielemeisters, „dass ich euch dankbar sein muss. Die Daten eurer Digimon sind so viel wertvoller, als die der einfachen, kaum trainierten Adult-Digimon dieser Kinder.“

„Wieso tust du das?“, schrie Ai ins Nichts.

„Weil es sowieso egal ist, was ich in dieser Welt tue“, erwiderte die Stimme.

„Es ist nicht egal!“, erwiderte Takumi, wobei seine Stimme jedoch zitterte. „Die Digimon sind unsere Freunde... Unsere... Wichtigen Partner! Und diese Kinder... Sie... Wir waren verzweifelt, wir hatten Angst und deswegen... Deswegen...“ Er schluckte. „Wie kannst du uns das antun?“

Hanehamon wandte sich zu ihm herum. „Takumi...“, murmelte es.

„Ich will das es aufhört“, flüsterte der Junge heiser. Dann hob er seine Stimme an. „Ich will, dass es endlich aufhört!“

Sein Partner ließ ein Brüllen hören und sprang dann auf den nächsten glühenden Hexaeder zu, packte ihn mit einer Pranke und drückte ihn zu Boden, ehe er mit einer Axt draufschlug.

Rote Funken sprühten und dann blieb das Hexaeder flackernd am Boden liegen.

Zwei weitere der Angreifer kamen auf Hanehamon zu.

„Nein!“, schrie Takumi entschlossen. „Nein! Ihr könnt uns nicht besiegen!“

Die beiden Drohnen schwebten um Hanehamon herum und die Lichtkugeln in ihrem Inneren glühten auf.

„Jetzt!“, riefen Hanehamon und sein Tamer wie aus einem Munde, ehe das Digimon in die Höhe sprang, so dass die Energiestrahlen nicht es, sondern einander trafen, bevor die beiden Hexaeder von einer Explosion auseinander geworfen wurden.

Da verstand Ai was vor sich ging. Takumis Wut und Entschlossenheit schien eine Verbindung zwischen ihm und Hanehamon hergestellt zu haben, so wie es vor allem bei Takato und Guilmon mehr als einmal vorgekommen war. Die beiden dachten nun wie ein Geist, anstatt wie zwei getrennte Wesen.

Und dies gab Hanehamon unglaubliche Energie. Doch wieso es ihre Angreifer überhaupt treffen konnte, erklärte es nicht.

Das Digimon sah sich erneut um, als eins der anderen drei Hexaeder ein Mikemon angriff.

Erneut sprang Hanehamon in die Richtung des Angreifers, umfasste nun aber das Adult-Digimon und riss es aus dem Weg der Attacke heraus, ehe es drei Wurfmesser nach dem Hexaeda warf, das wie auch die anderen zu Flackern begann.

Es verblieben nur noch zwei, die nun nicht mehr die wenigen, verbleibenden Digimon der Turnierteilnehmer angriffen, sondern stattdessen mit einigem Abstand und ohne Anzugreifen Hanehamon umkreisten.

Da hörten sie erneut die Stimme des Spielemeisters aus dem Nebel.

„Gut, ich gebe zu, damit habe ich nicht gerechnet“, meinte er in einem beiläufigen Tonfall. „Aber es ist am Ende ja egal, wenngleich Schade. Ich habe bereits genug Daten gesammelt.“

„Was?“, murmelte Impmon leise.

„Ich bin froh, dass ich so viele auch noch hochrangige Zeugen habe“, fuhr die Stimme süffisant fort, während sich auch die beschädigten Hexaeder in die Luft erhoben und nun einen Kreis mit den anderen beiden bildeten, in dem sie immer wieder umeinander flogen. „Seht und staunt, was diese Tamer und auch ihr möglich gemacht habt.“

„Was wird das?“, rief Takato aus. „Megalo Growmon!“

Das Perfect-Digimon zögerte nicht. „Mega Blaster!“, rief es und feuerte die Strahlen von seiner Brust ab, doch diese kamen nicht einmal bis zu den Hexaedern, deren Drehung sich immer weiter beschleunigte, sondern blieb etwas von ihnen entfernt in der Luft schweben, ehe die Attacke selbst in Datenpartikel zerstob.

Nun färbten sich die Lichtkugeln in den Hexaedern heller, ehe sie sich miteinander verbanden und aus den Hexaedern Strahlen in die Mitte ihres Kreises schossen.

Es war Shoji der zuerst verstand. „Runter!“, rief er und Tamer, wie auch Digimon reagierten ohne nachzudenken, warfen sich zu Boden.

Im nächsten Moment fegte eine enorme Druckwelle über sie hinweg, die den Nebel des Digital Fields mit sich riss. Eine Lichtsäule bildete sich zwischen den Hexaedern, die sich nun voneinander entfernten und dann sammelten sich Datenpartikel in der Lichtsäule.

„Dies ist meine Schöpfung, Tamer“, sagte der Spielemeister höhnisch. „Ich präsentiere euch: Metamormon.“
 

Unsicher sahen Denrei, Shuichon und die beiden Digimon in das weiße Nichts, das sie umgab.

„Was... Seid ihr?“, wiederholte die seltsam verzerrt klingende Stimme ihre letzte Frage.

Es war schließlich Lopmon, das antwortete: „Wir sind Digimon! Und das sind unsere Tamer.“

Für eine Weile schwieg die Stimme. „Wir kennen... Digimon...“, sagte sie dann schwerfällig. „Aber was sind... Tamer?“

Denrei und Shuichon sahen sich an, dann nickten sie sich zu.

„Wir sind Menschen“, erwiderte Denrei dann. „Menschen, aus der realen Welt!“

Erneut schwieg die Stimme. „Reale Welt?“, fragte sie dann. „Aber diese Welt ist auch real. Die Welt der Digimon ist auch real.“

„Das wissen wir“, antwortete nun Shuichon vorsichtig. „Wir nennen sie nur so weil... Weil wir die digitale Welt früher für nicht... ganz so real hielten?“ Sie zog die Augenbrauen zusammen und schien mit dieser Erklärung selbst nicht ganz zufrieden zu sein. „Außerdem würde 'Menschen aus der Welt der Menschen' irgendwie komisch klingen.“

Erneute Stille. Dann: „Das ist eine seltsame Erklärung.“ Die Stimme machte eine Pause. „Aber warum seid ihr hier, Menschen - Tamer - und ihr Digimon?“

Nun antwortete wieder Lopmon: „Diese Welt... Deine Welt verändert die Struktur der digitalen Welt! Wir sind hier, weil wir herausfinden wollten, wieso!“

„Ach so?“ Dieses Mal kam die Antwort der Stimme schneller. „Dann... Ja, wahrscheinlich ist dies möglich.“

Auf einmal bemerkte Denrei, wie sie sich voran bewegten. Dieses mal konnte er die Bewegung deutlich spüren. Es war, als würde eine unsichtbare Macht sie voran ziehen, mitten durch das Nichts.

„Was... Was passiert hier?“, fragte Dracomon mit leichter Panik.

„Wir wollen mehr über euch Wissen, Menschen, Tamer“, antwortete die Stimme wiederhallend. „Über euch. Über eure Welt. Was seid ihr?“

„Aber was bist du?“, rief Shuichon, während sie das Gefühl hatten, sich immer schneller zu bewegen. „Oder... Was seid ihr?“

„Wir haben keinen Namen“, antwortete die Stimme. „Wir sind einfach nur hier.“

Da sahen sie auf einmal etwas. Eine Sphäre, die ganz an jene erinnerte, in die sie gefallen waren. Nur dass diese gänzlich rund war, wesentlich kleiner und ganz in Mitten des weißen Nichts zu Schweben schien. Auch sie schien aus Tetraedern zu bestehen und wie es aussah, bewegten sie sich genau auf sie zu.

„Aber...“, begann Shuichon und hob schützend die Arme vor den Kopf.

Weiter kam sie nicht, ehe sie in die Sphäre hinein gezogen wurden.

Episode 23: Illusion

Episode 23: Illusion
 

Ist es Ignoranz, die sie nicht sehen lässt, was so offensichtlich ist? Diese Welt und jene Welt ähneln sich mit jedem Tag mehr und dennoch will keiner sehen, dass sie am Ende vollkommen gleich sind – kein Wissenschaftler, kein Politiker, kein Philosoph. Sie ignorieren, um sich diesen Kreaturen überlegen zu fühlen, ohne zu verstehen, dass wahre Überlegenheit aus der Erkenntnis und dem Verständnis der Wahrheit kommen.
 

                                             - Deguchi Masahiro
 

Warnsirenen erklangen in den Räumen der Hypnoszentrale. Etwas, das seit einiger Zeit so nicht mehr geschehen war. Mitsuo brauchte nicht erst Megumis angespannte Stimme zu hören, um zu wissen, dass etwas nicht stimmte.

„Yamaki-chou!“

„Was ist?“, fragte er und sah zu ihr hinauf, da sie auf der Überwachungsebene saß.

„Etwas materialisiert sich“, erwiderte sie. „Aber... Es ist eine riesige Datenmenge... Mehr, als ein normales Digimon. Es...“ Sie schwieg und nahm die Holobrille ab, die sie trug. „Es kommt auch nicht aus der digitalen Welt.“

„Woher kommt es dann?“ Mitsuo sah auf die Überwachungsbildschirme der Halbsphäre.

„Ich weiß es nicht“, erwiderte Megumi. „Aber es materialisiert sich in Chiyoda.“

Mitsuos Hand verkrampfte sich. „Verdammt...“

In Chiyoda waren die Tamer, dort sollte das Finale von diesem seltsamen Turnier der illegalen Tamer stattfinden. Es brauchte kein Genie um eins und eins zusammenzuzählen: Was auch immer sich in Chiyoda materialisierte, hatte mit dem Turnier zu tun. Konnte es sein, dass es sich um eine Falle gehandelt hatte? Konnte es sein, dass Takato und die anderen mitten hineingetappt waren.

„Verdammt“, fluchte er erneut und ging die Treppe in die Büroräume hinab.

Zumindest bei einer Sache war er sich sicher: Was auch immer es war, es bedeutete nichts gutes. Für sie alle nicht.
 

„Ich bin froh, dass ich so viele auch noch hochrangige Zeugen habe“, meinte die Stimme des selbsternannten Meisters der Spiele süffisant, während sich nun auch die beschädigten Hexagone in die Luft erhoben und nun einen Kreis mit den anderen beiden bildeten, in dem sie immer wieder umeinander flogen. „Seht und staunt, was diese Tamer und auch ihr möglich gemacht habt.“

„Was wird das?“, rief Takato aus. „Megalo Growmon!“

Das Perfect-Digimon zögerte nicht. „Mega Blaster!“, rief es und feuerte die Strahlen von seiner Brust ab, doch diese kamen nicht einmal bis zu den Hexagonen, deren Drehung sich immer weiter beschleunigte, sondern blieb etwas von ihnen entfernt in der Luft schweben, ehe die Attacke selbst in Datenpartikel zerstob.

Nun färbten sich die Lichtkugeln in den Hexagonen heller, ehe sie sich miteinander verbanden und aus den Hexagonen Strahlen in die Mitte ihres Kreises schossen.

Es war Shoji der zuerst verstand. „Runter!“, rief er und Tamer, wie auch Digimon reagierten ohne nachzudenken, warfen sich zu Boden.

Im nächsten Moment fegte eine enorme Druckwelle über sie hinweg, die den Nebel des Digital Fields mit sich riss. Eine Lichtsäule bildete sich zwischen den Hexagonen, die sich nun voneinander entfernten und dann sammelten sich Datenpartikel in der Lichtsäule.

„Dies ist meine Schöpfung, Tamer“, sagte der Spielemeister höhnisch. „Ich präsentiere euch: Metamormon.“

Vorsichtig sah Takato in die Höhe.

Über ihnen schwebte ein Wesen, dessen Körper sicher fünfzehn Meter groß war. Seine Grundform war der, der Hexagone, nicht unähnlich. Es waren zwei Hexagone, die in die Länge gezogen waren, so dass sie höher waren als breit. Zwischen ihnen war keine leuchtende Kugel, sondern eine glühende, rote Masse, aus der kleine Arme hervor zu wachsen schienen.

An der Spitze der beiden Hexagone war ein Kopf, der entfernt an den Helm einer alten Samurairüstung erinnerte, während im Inneren ein rotes Licht zu glühen schien.

Der gesamte eigentliche Körper schien aus etwas, das an schwarzes Chrome Digizoid erinnerte, zu bestehen.

Die kleinen Hexagone umkreisten dieses Wesen.

War es wirklich ein Digimon?

„Taomon!“, rief Ruki ohne zu zögern.

Ihr Partner schwebte in die Höhe. „Bonhitsuen!“ Es schwang seinen großen Pinsel durch die Luft und ließ ein Schriftzeichen erscheinen, das auf Metamormon zuflog, sich jedoch in Datenpartikel auflöste, als es ihren Gegner berührte.

„Was...?“ Ruki starrte auf das Wesen, das die Daten nun absorbierte.

Derweil hatten sich nun auch Hirokazu und Kenta wieder aufgerappelt. „Andromon!“

„Piccolomon!“

Die beiden Digimon sprangen auf.

Piccolomon hob seinen Sperr und ließ eine Energiekugel erscheinen. „Pipopu!“, rief es und schlug die Kugel mit seinem Sperr in Richtung des Gegners.

Derweil formte Andromon seinen linken Arm zu einem Bohrer, der aufleuchtete. „Spiral Sword!“ Damit schleuderte das Cyborgdigimon die Energie ebenfalls auf ihren Gegner.

Doch es geschah mit beiden Attacken dasselbe, wie mit der Taomons. Sie lösten sich auf und wurden dann von Metamormon absorbiert.

„Verdammt“, murmelte Hirokazu.

Da erklang die Stimme des Spielemeisters erneut, auch wenn sie ohne den Nebel bei weitem nicht mehr so hallend klang, wie zuvor. „Gebt auf! Ihr könnt nichts gegen mein Digimon machen! Es ist stärker als jedes euer Digimon, stärker als jedes andere Digimon!“

„Das werden wir noch sehen“, murmelte Ruki und hob ihr Digivice. „Taomon!“

Das Digimon schwebte zu ihr und digitierte im Licht ihres Digivices zu Renamon zurück, während auch Shoji, dessen Partner als Gazimon neben ihm im Gras hockte, diesem nun zunickte und sein Digivice hob.

„Matrix Evolution!“

„Renamon - Shinka! Sakuyamon!“

„Gazimon - Shinka! Duftmon!“
 

„Verdammt“, murmelte derweil Takumi und sah zu dem großen vermeintlichen Digimon hinauf. Er gab sich einem Gedanken hin: Hier konnten sie nichts tun. Wenn selbst die Digimon der alten Tamer gegen dieses Metamormon nichts ausrichten konnten, so würden ihre Partner, denen die Erfahrung der alten Digimon fehlte, nichts tun können. Immerhin hatten sie gerade erst das Perfect-Level erreicht.

Sein Blick wanderte zu den anderen Tamern, den Turnierteilnehmern, von denen noch sechs vollkommen verängstigt etwas von ihnen entfernt standen. Ihre Partner waren fort.

Und dann - er wandte den Blick schnell ab - war da der tote Junge am Boden.

Takumi schluckte. Er hatte Angst. Was konnten sie tun?

Was wollte dieser Spielemeister überhaupt mit diesem grauenvollen Digimon?

Da war es Ai, die seine Aufmerksamkeit auf sich lenkte. „Da!“, rief sie und zeigte auf das Gebäude, dass auf der Nordwestseite des Parks und am nächsten zu der Wiese, auf der sich sich befanden, lag.

Zuerst wusste Takumi nicht, was sie meinte, doch dann erkannte auch er eine Gestalt auf dem Dach des dreistöckigen, alten Bauwerks. Eine Gestalt, die sie zu beobachten schien.

„Rin!“, rief er und packte das Mädchen, dessen Pupillen ungesund geweitet waren, an der Schulter. Ihre Augen waren auf den toten Jungen gerichtet.

Es dauerte, bis sie reagierte. Sie sah ihn an und er zeigte nun ebenfalls auf das Gebäude. „Da ist jemand.“

Langsam klärte sich ihr Blick auf. „Glaubst du, dass das...“

„Wieso sollte er uns sonst beobachten?“, meinte Takumi und sein Blick wurde grimmig.

Da kam nun Ai, die Impmon trug, zu ihnen hinüber. „Kommt“, meinte sie. „Wir können in diesem Kampf ohnehin nichts ausrichten.“

Takumi nickte.

Derweil drehte sich Ai zu ihrem Bruder um. „Makoto! Komm!“

Ihr Bruder zögerte, doch dann lief er zu ihnen hinüber, ehe sie gemeinsam zum Rand der Wiese hinüber rannten, wobei ihnen auch Waspmon und Hanehamon folgten.

Sie hatten die Augen auf die Gestalt gerichtet, die auf den Flachdach stand, und noch immer die Geschehnisse beobachtete, als der Schrei Hanehamons sie warnte.

„Runter!“, rief das Digimon und riss sie, noch ehe sie reagieren konnten, zu Boden, als nun eins der wie Drohnen um den Körper Metamormons kreisenden Hexagone einen erneuten Energiestrahl auf sie abgeschossen hatte, der nur knapp einen Meter vor ihren Köpfen nun durch den Boden schnitt.

„Danke“, keuchte Ai, während sie sich wieder aufrappelte und erneut zu der Gestalt auf dem Dach sah, die - so schien es - einen Schritt zurückgewichen war.

Auch Rin hatte dies bemerkt. „Waspmon!“

Das Digimon flog in die Höhe und auf die Gestalt zu, die sich nun plötzlich vom Geschehen abwandte und davonrannte.

Waspmon, das weitaus schneller flog, schien ihn jedoch schnell einzuholen, als es auf einmal zurückgeworfen wurde.

„Waspmon“, begann Rin vorsichtig, doch ihr Partner fing sich noch im Fall.

„Der Typ haut ab!“, rief Ai aus und war sofort wieder auf den Beinen.

Takumi wandte sich seinem Digimon zu. „Hanehamon?“

Das Digimon nickte und hob ihn auf seine Schultern. Dann wandte es sich den drei anderen Tamern zu. „Wir kriegen diesen selbsternannten Meister der Spiele.“

Ganz offensichtlich widerwillig nickten Ai und Impmon.

Dann sprintete Dinohumon los.
 

Auch Steve war für einen Moment starr, als er am Boden lag und ansah, wie sich Metamormon vor ihnen materialisierte. Die Gedanken, die ihm durch den Kopf gingen, als die Attacken von Taomon, Andromon und Piccolomon sich ohne Schaden anzurichten auflösten, waren denen Takumis nicht unähnlich: Wenn diese Digimon nichts ausrichten konnten, so hatten Loader Liomon erst Recht keine Chance. Immerhin hatten es nicht annährend dieselbe Erfahrung, wie jene Digimon, die schon seit zehn Jahren bei ihren Tamern waren.

Er sah, wie Takumi, Ai, Makoto und Rin losliefen und war kurz davor ihnen zu folgen, als sein Blick auf die sechs Tamer, deren Digimon den seltsamen Hexagonen zum Opfer gefallen waren und die nun, wie eine Gruppe verängstigter Tiere, beeinander standen. Einige von ihnen waren, wahrscheinlich von der Druckwolle zuvor, leicht verletzt und es war nicht schwer zu erkennen, dass sie unter Schock standen.

Wahrscheinlich ging es den Tamern, die zuvor geflohen waren, dahingehend nicht anders.

Er sah zu Metamormon, gegen das nun Sakuyamon und Duftmon kämpften, ohne - so schien es ihm - wirklich Schaden anzurichten. Gerade in diesem Moment hielten die zwei jungen Männer, Hirokazu und Kenta, ihre Digivices in die Höhe. Lichtsäulen schossen empor, als die beiden mit ihren Digimon verschmolzen und kurz darauf als Hi Andromon und Slash Angemon ebenfalls mitkämpften.

Nur Takato schien nichts zu tun. Er stand an der Seite Megalo Growmons und starrte scheinbar in die Luft.

Wieder sah Steve zu den Tamern, die ihre Partner verloren hatten. „Damn it“, murmelte er und drehte sich zu den Straßen.

Irgendjemand musste diese Kinder von hier fort bringen.

„Loader Liomon!“, rief er und sprang auf den Rücken seines Partners, der daraufhin zu den Kindern hinüberlief.

„Ihr müsst hier weg!“, schrie Steve zu ihnen. „Geht zur Straße! Lauft weg!“

Zuerst reagierten die Kinder nicht, doch dann ließ sein Partner ein Brüllen hören, das offenbar reichte, um die Tamer aus ihrer Trance zu wecken.

„Lauft weg!“, rief Steve erneut und dieses Mal reagierten die Kinder.

Während Loader Liomon neben ihnen herlief, rannten sie zum Rand des Parks.

Steve überlegte, wie weit sie würden laufen müssen, um in Sicherheit zu sein, sollte der Kampf an Intensität gewinnen, doch die eigentliche Frage schien eher zu sein, wie weit die Tamer, die allesamt kaum älter als vierzehn oder fünfzehn zu sein schienen, noch laufen konnten.

Als der erste von ihnen stolperte und fiel, blieben auch die anderen stehen.

Ein Mädchen begann auf einmal zu weinen.

So seufzte Steve. Er holte sein Handy aus seiner Hosentasche hervor und rief den Notruf an. Diese Tamer mussten zu einem Arzt und er hatte die Befürchtung, dass sie nicht die einzigen bleiben würden.
 

„Ernste Welle!“ Duftmons Attacke schoss auf Metamormon zu, prallte jedoch an dem schwarzen Metal, aus dem es zu bestehen schien, ab.

Verdammt“, flüsterte Shoji im inneren des Duftmons. Konnten sie denn gar nichts ausrichten?

Der Royal Knight wandte sich Sakuyamon zu. „Zusammen!“

Das andere Digimon nickte und so taten es auch Hi Andromon und Slash Angemon.

„Ernste Welle!“

„Izuna!“

„Atomic Ray!“

„Holy Espada!“

Die vier Digimon feuerten ihre Attacken gleichzeitig auf den Gegner ab, wobei die Angriffe miteinander verschmolzen und als ein gewaltiger Energiestrahl auf die riesige Metalplatte an der Vorderseite Metamormons trafen und dieses zurückwarfen.

Doch noch bevor sie sich über den vermeintlichen Erfolg freuen konnten, zersprang auch diese gemeinsame Attacke in Datenpartikel, die von dem gegnerischen Digimon absorbiert wurden.

Nun veränderten die Hexagone ihre Umlaufbahnen, um den Körper Metamormons. Sie schwebten nun leicht versetzt in drei Ringen übereinander - jeweils zwei in jeder Bahn - und noch bevor einer von ihnen verstand, was vor sich ging, feuerten alle sechs Hexagone Energiestrahlen ab.

Verdammt“, knurrte Shoji, nun noch verzweifelter als zuvor, während Duftmon einem der Strahlen auswich, der ihm jedoch sehr gezielt durch die Luft folgte. Andere Energiestrahlen folgten den anderen drei Digimon, während die zwei mittleren Hexagone einfach geradeaus feuerten und dabei Bäume in Flammen setzten, aber auch, wie sie zu spät merkten, umstehende Häuser trafen.

Duftmon flog in die Höhe, bis es über Metamormon war, wo dessen Attacke es nicht mehr treffen konnte.

Was sollten sie nur machen?

Sie hatten kaum eine Chance auch nur Schaden anzurichten und taten sich schwer, die Attacken abzuwehren. Doch wenn es so weiter ging, würden Menschen sterben, das war war Shoji klar - wenn nicht sogar schon welche gestorben waren.

Was versprach sich dieser Meister der Spiele überhaupt davon? Wollte er einfach nur die Stadt brennen sehen oder wollte er vielleicht die Regierung erpressen? Doch wieso stellte er dann nun, wo er die Macht Metamormons ausführlich demonstriert hatte, keine Forderungen?

Doch wahrscheinlich war es eh egal. So oder so, irgendwas mussten sie tun.

Duftmons Blick fiel auf Megalo Growmon, das noch immer am Rand der mittlerweile von Kratern durchzogenen Wiese - Takato neben ihm. Wieso taten sie nichts? Dukemon war im Crimson Mode stärker als sie alle. Wieso griff Takato nicht ein?

„Takato! Megalo Growmon!“, rief Duftmon zu ihnen hinunter, erhielt jedoch keine Reaktion.
 

Hanehamon ging in die Hocke und sprang dann selbst auf das Dach des rotsteinernen Hauses, während es Takumi mit einer Hand festhielt, so dass dieser dabei nicht von seiner Schulter fiel.

Oben sahen sie sich um. Es war niemand zu sehen.

„Wo ist er?“, fragte Takumi, als sein Blick auf eine Feuerleiter fiel. „Da!“ Er zeigte in die Richtung und erneut lief Dinohumon los. Mit einem Sprung war es wieder auf der Straße, wo sie erneut umhersahen und schließlich eine Gestalt davonlaufen sahen. Doch etwas daran stimmte nicht: Die Gestalt lief für einen Menschen - und sie wirkte eigentlich vollkommen Menschlich - viel zu schnell.

„Shirou-kun!“, hörte der Junge auf einmal eine Stimme, als Waspmon neben ihnen herschwebte, während Rin zwischen den Schultern ihres Partners saß. „Wir helfen dir!“

Takumi nickte zur Antwort nur, ehe die beiden Digimon die Verfolgung erneut aufnahmen.

Dabei war die Gestalt mittlerweile beinahe am Ende der Straße angelangt, wo diese in eine der größeren Verkehrsadern des Stadtteils endete.

„Schneller...“, murmelte Takumi und hielt sich an dem Kopf seines Partners fest, während sie am Straßenrand entlangliefen und dabei nicht ganz verhindern konnten, einige Passanten umzustoßen.

Die Gestalt warf nun ihrerseits eine Gruppe Touristen auseinander, die zusammen mit einem Stadtführer gerade die Straße entlangliefen.

Dabei kam Takumi nicht umher sich zu fragen, wann endlich Polizei und Krankenwagen hier sein würden, denn er wusste sicher, dass einige der anderen Tamer verletzt worden waren und dass noch mehr Menschen verletzt werden würden, wenn sie in die Nähe des Parks kamen.

Einen ähnlicher Gedanke schien nun auch Rin gekommen zu sein. „Gehen Sie nicht weiter!“, rief sie einigen Passanten von Waspmons Rücken aus zu, während das Digimon über sie hinwegflog. „Da ist ein Digimon! Sie sind in Gefahr!“

Es war einiges Hupen von der Straße zu hören. Das hieß, die Gestalt – der „Meister der Spiele“ - war wahrscheinlich über die Straße gelaufen. Ein nun folgender Knall sagte ihnen, dass ein Auto offenbar in ein anderes Gefahren war.

Sie konnten die Gestalt nicht mehr sehen!

„Schneller, Hanehamon!“, rief Takumi nun und löste eine Karte aus seinem Deck. „Card Slash! Highspeed Plug-In H!“

Erneut hielt sein Partner ihn fest, damit er nicht hinunterfiel, als die Geschwindigkeit des Digimon sich nun erhöhte und es innerhalb von nur wenigen Sekunden das Straßenende erreichte. Mit einem Sprung erreichte Hanehamon die niedrige Palisade in der Mitte der Straße, mit einem weiteren Sprung die andere Seite.

Einige Menschen schrien erschrocken auf, als das Digimon zwischen ihnen landete, doch Takumi hatte keine Zeit ihnen etwas zu erklären. Stattdessen hielt er nach der Gestalt Ausschau, die er nun nur noch dank ihrer unnatürlichen Geschwindigkeit erkannte, als sie zwischen einigen Bäumen hindurch auf eins der größten Gebäude des Stadtteils zuhielt.

„Los!“

Erneut setzte sich Hanehamon in Bewegung und erreichte schnell ebenfalls die Stelle zwischen den Bäumen, während die Gestalt um die Ecke des Hochhauses herumbog.

Sie hatten aufgeholt.

Nun setzten sie ebenfalls nach, wobei ein Lieferwagen, der die enge Seitenstraße neben dem Wolkenkratzer hinaufkam, quietschend bremste, um nicht mit ihnen zusammenzustoßen.

Da konnten sie sehen, wie sich die Gestalt, die sie nun deutlich als einen Mann mit dunklen Haaren erkennen konnten, zu ihnen herumsah.

Sie bog um eine weitere Ecke und erneut folgten sie ihr.

Auf dieser Seite des Hochhauses, das ein Hotel zu sein schien, war ein großer Platz, der einen Durchmesser von – so schätzte Takumi – mindestens hundert Metern hatte, während er von drei Wolkenkratzern umgeben war. Hier waren mehrere Menschen unterwegs. Doch die Gestalt war nun nur noch wenige Meter von ihnen entfernt.

Mit einem kurzen Sprint hatte Hanehamon sie eingeholt, streckte seine Hand auf, um die Gestalt zu Boden zu werfen, als etwas seltsames Geschah.

„Shirou-kun!“, hörte er die Stimme Rins von nicht allzuweit entfernt, noch ehe er selbst bemerkte, was geschah.

Hanehamon war auf einmal in der Luft und flog Kopfüber gegen ein seltsames spiegelndes Monument in der Mitte des Platzes, während Takumi den Halt auf der Schulter seines Partners verlor und selbst zu Boden fiel, über den er dank ihrer Bewegungsenergie einige Meter schlitterte und sich dabei die Arme und Beine aufschürfte.

Er fühlte sich benommen.

Was war gerade passiert?

Blinzelnd versuchte er sich aufzurichten, wobei er den Eindruck hatte, dass das Bild vor seinen Augen verschwamm. Er war offensichtlich härter gestürzt, als er es bemerkt hatte. Hatte er sich den Kopf verletzt?

Dennoch sah er die Gestalt nun nicht mehr als vielleicht sechs, sieben Meter von sich entfernt, auch wenn sie ihm den Rücken zugewandt hatte.

Nun war Waspmon bei ihr und wollte die Gestalt offensichtlich tackeln, als auch Waspmon zurückgeworfen wurde.

„Okamura-san...“, begann Takumi leise, da er nicht die Stimme zum Rufen fand, doch Waspmon hatte gegenüber Hanehamon den Vorteil fliegen zu können und fing sich.

Daraufhin versuchte es nicht mehr seinen Gegner, der nicht mehr als ein Mensch zu sein schien, direkt anzugreifen, sondern feuerte einen Laserstrahl auf ihn ab, der jedoch nicht traf. Stattdessen war es, als würde der Mann von einem unsichtbaren Schild umgeben, so dass der Strahl vielleicht einen halben Meter vom Körper des Mannes entfernt reflektiert wurde und statt ihn den Boden traf, wo er einen Krater hinterließ.

Es waren Schreie zu hören und – wie Takumi feststellen musste, zu seiner Erleichterung – auch einige Sirenen in der Ferne.

„Ihr nervigen, dummen Gören!“, rief der Mann nun aus und auf einmal fiel Waspmon, als wäre es von einem Haken gepackt und nach unten gezogen worden, zu Boden.

„Waspmon!“ Rin, die offenbar nicht verletzt zu sein schien, richtete sich auf und beugte sich über den Kopf ihres Partners.

Der Mann atmete schwer. Er trug ein weißes Hemd, das er in seine Hose gesteckt hatte, die mit einem Gürtel zugebunden war. Sein Haar war schwarz.

„Ihr müsst mich unbedingt herausfordern, was?“, meinte er, als er sich Takumi zuwandte. Er trug eine Maske, die den oberen Teil seines Gesichts verdeckte, und Takumi an einen Harlekin erinnerte. „Wärt ihr klug gewesen, wärt ihr einfach geflohen, wie all die anderen Nieten.“

Takumi erwiderte nichts.

„Es ist egal, wie sehr ihr euch wehrt“, fuhr der Mann fort, „am Ende könnt ihr nichts ausrichten, so lange ihr die Wahrheit nicht akzeptiert.“

„Welche Wahrheit?“, fragte Takumi heiser.

„Die Wahrheit, dass alles egal ist“, antwortete der Mann. „Die Wahrheit, dass diese Welt nicht real ist und genau so eine Illusion, wie die Welt, aus der diese... Kreaturen kommen.“

„Was für ein Blödsinn...“, murmelte Takumi.

„Du bist kaum mehr als ein Kind. Natürlich verstehst du es nicht.“ Die Stimme des Mannes war überlegen.

Da richtete Rin sich auf. „Wofür das alles?“

Nun drehte sich der Mann wieder zu ihr um. „Was?“

„Wofür haben Sie uns kämpfen lassen?“, fragte Rin und die Wut war deutlich aus ihrer Stimme zu hören. „Wofür haben Sie die Digimon der Tamer getötet? Wofür haben Sie dieses... Dieses Monster dort geschaffen?“

„Wofür?“, erwiderte der Mann und lachte leise. „Um meinem Leben in dieser sinnlosen Welt, doch noch eine Bedeutung zu geben – selbst wenn es am Ende egal ist.“

„Ist das nicht vollkommen widersprüchlich?“, antwortete das Mädchen.

„Du verstehst nicht mehr, als dein kleiner Freund hier.“ Er machte einen Schritt auf Rin zu. „Diese Welt ist nicht real. Sie ist nur eine Illusion. Keine Wirklichkeit. Deswegen ist es egal, was ich hier mache.“ Damit machte er einen weiteren Schritt zurück und Rin zögerte, etwas zurückzuweichen. „Denn es wird an der wahren Realität nichts verändern!“ Ein weiterer Schritt. „Aber so lange ich aus dieser Illusion nicht entkommen kann, werde ich sie zu meinen Gunsten verändern.“

„Indem Sie Digimon und Kinder töten?“, rief Rin wütend aus und wich wieder etwas zurück.

Der Mann lachte leise. „Warum nicht?“ Und mit drei weiteren Schritten war er bei ihr, hatte auf einmal seine rechte Hand um ihre Gurgel gelegt und hob sie so hoch.

Sie versuchte nach ihm zu treten und sich loszureißen, hatte aber keinen Erfolg.

„Wenn ich dich oder jemand anderen töte – was macht es für einen Unterschied?“, fragte der Mann.

„Okamura-san“, murmelte Takumi. Er biss die Zähne zusammen und richtete sich auf, doch noch bevor er etwas machen konnte hörte er einen wütenden Aufschrei.

In dem Moment wurde der Mann umgeworfen, als ihn jemand in die Seite stieß.

Er stolperte und ließ dabei Rin los, die zu Boden fiel, wo sie sich den Hals reibend sitzen blieb.

Takumi sah zu ihnen hinüber.

Es war Ai gewesen, die den Mann mit der Schulter in die Seite gerammt hatte und nun atemlos vor ihm stand. „Sie sind verrückt“, murmelte auch sie und sah den Mann an. „Sie sind vollkommen verrückt!“

„Noch eine Göre“, zischte der Mann nun offenbar wütend und wich selbst einen Schritt vor Ai zurück, hinter der Impmon stand, während Makoto neben Rin kniete und ihr aufhalf.

„Alles in Ordnung?“

Rin nickte und sah zu ihrem Partner, als dessen Augen auf einmal aufleuchteten und er sich aufrichtete.

Auch Hanehamon gab auf einmal ein Keuchen von sich und richtete sich nun ebenfalls auf, wobei es seine Äxte, bereit zum Kämpfen zog.

„Ihr dummen Gören macht es nur unnötig kompliziert“, presste der Mann zwischen den Zähnen hervor. „Ich hätte euch schon viel früher töten sollen, als ihr angefangen habt herumzuspionieren.“ Er hob seinen linken Arm und strich mit seiner rechten Hand über das Handgelenk, wo ein Gerät, das einem Smartphone nicht unähnlich sah, angebracht war. Dann hob er seine Linke in die Höhe. „Sterbt endlich!“

„Sei ruhig!“, rief Hanehamon aus und stürzte auf den Mann zu, als ein roter Energiestrahl die Luft durchschnitt.

Zwei der Hexagone schossen durch die Luft auf den Mann zu und begannen ihn zu umkreisen.

„Ihr könnt mich nicht berühren“, sagte dieser und sah das zurückgewichene Hanehamon mit kaltem Blick an. „Monster.“
 

„Takato“, knurrte Megalo Growmon und sah zu seinem Partner hinab, der sich nicht rührte. „Takato!“

Der junge Mann reagierte nicht. Stattdessen sah er zu Metamormon, das in der Luft schwebte, während die anderen Digimon es angriffen.

„Atomic Ray!“, rief Hi Andromon und schoss einen Energiestrahl aus seiner Brust ab, der jedoch erneut verpuffte.

Duftmon und Sakuyamon schwebten beide über dem Digimon und sahen auf es hinab. Dann auf einmal ließen sie sich – einer zu jeden Seite von Metamormon – hinabfallen und griffen dabei nicht den Körper des massigen Digimon an, sondern die Hexagone, die den eigentlichen Körper noch immer umkreisten.

„Rairyukyaku!“ Sakuyamon schwang seinen Mikostab und ließ einen Blitz daraus hervorzucken, der den glühenden Kern eines der Hexagone traf.

„Aussterben!“ Damit warf Duftmon eins seiner Schwerter auf eins der Hexagone während es ein weiteres mit dem zweiten Schwert aus der Ferne angriff. „Ernste Welle.“

Die drei Hexagone begannen zu Flackern, was für einige Momente andauerte, ehe sie einfach in sich zusammenfielen, jedoch ohne sich in Datenpartikel aufzulösen.

Die verbleibenden drei kreisten nun noch schneller um Metamormon, doch auf einmal blieben sie stehen.

Zwei der Hexagone lösten sich auf einmal aus der Gruppierung und schossen davon, noch bevor eins der Ultimatedigimon reagieren konnte. Das letzte leuchtete auf, schien erneut einen Energiestrahl abfeuern zu wollen, als Slash Angemon auf es zuflog – eine Klinge zur Attacke bereit haltend. „Heaven‘s Ripper!“ Die Klinge durchschnitt in goldenes Licht gehüllt das Hexagon in der Mitte und tatsächlich fiel es, ähnlich wie die anderen drei, in sich zusammen.

„Ja!“, war Kentas Jubeln durch den Mund des Digimon zu hören, doch er freute sich zu früh.

Metamormons Köpfer erzitterte und auf einmal streckten sich die rot glühenden Arme, die aus der Masse zwischen seinen Rüstplatten hervorwuchsen, in alle Richtungen aus.

Die vier Ultimates versuchten auszuweichen, doch schon bald wurden sie von den tentakelartigen Energiebändern umschlungen.

Zuerst erreichten diese Hi Andromon, das da es nicht fliegen konnte einen großen Nachteil hatte.

Slash Angemon und Duftmon versuchten auszuweichen, indem sie im Zickzack flogen, doch bald schon wickelte sich einer der Tentakel um das Bein des Engeldigimons und um die Flügel des Royal Knights.

Auch der Schutzschild aus Kirschblüten, mit dem sich Sakuyamon umgab, wurde schnell durchbrochen und so waren alle vier Digimon bald von roten Bändern aus Energie umschlungen, ohne sich losreißen zu können.

Die Gestalten der Digimon flackerten, ehe kurz darauf Ruki, Shoji, Hirokazu und Kenta zusammen mit ihren Partnern zu Boden fielen.

Doch Metamormon hielt danach nicht Inne. Stattdessen setzte es sich auf einmal in Bewegung und eine Krone aus Energiekugeln erschien um seinen im Verhältnis zum Körper viel zu großen Kopf. Diese Kugeln flogen, scheinbar vollkommen zufällig, los. Einige schossen in Richtung Himmel davon, doch andere fielen wie Bomben auf den Boden und lösten dort kleine Explosionen aus, während andere sogar Häuser trafen.

„Takato!“, drängte Megalo Growmon und nun stimmten auch andere Stimmen mit ein.

„Tu endlich etwas, Takato!“, rief Shoji.

„Takato!“, schrie auch Ruki und rappelte sich auf. „Takato! Was ist mit dir los?!“

Doch Takato sah mit leerem Blick zu Metamormon. „Verdammt“, flüsterte er. Er wusste, dass er etwas tun musste, dass er schon längst hätte etwas tun müssen, doch noch immer war er sich nicht sicher was. Denn eine Sache wusste er genau: Selbst im Crimson Mode hatte Dukemon keine Chance gegen dieses Wesen. Es würde nicht mehr ausrichten können, als die anderen. Es sei denn...

Er zog die rote Karte aus seinem Deck hervor.

„Was ist das?“, fragte Ruki, die nun fast vor ihm stand.

Wieso hatte er nur das Gefühl, dass es nicht richtig war, diesen Code zu verwenden? Aber was blieb ihm für eine Wahl? Wenn er nichts tat, würde Metamormon noch die halbe Stadt in Schutt und Asche legen!

Erneut schossen einige Energiekugeln durch die Luft.

„Takato!“, schrie Ruki nun mit Nachdruck und hob eine Hand, wie um ihm eine Ohrfeige zu geben.

Da sah er sie an. „Es tut mir leid.“ Damit zog er die Karte durch sein Digivice, das im nächsten Augenblick aufglühte.

Wie von selbst hob er es in die Höhe, als ein Energiestrahl aus ihm in den Himmel – oder in die Digitale Welt? – schoss.

Auf einmal begann der Boden zu vibrieren und dann heftig zu Beben. Datastreams schossen aus der Digitalen Welt gen Tokyo und gleichzeitig schien es, als würde sich der Himmel verdunkeln.

Megalo Growmon leuchtete auf und digitierte zu Guilmon zurück, ehe es zusammen mit Takato von Licht umgeben wurde.

„Matrix Evolution!“

„Guilmon – Shinka! Dukemon Crimson Mode!“

In rote Rüstung gehüllt schwebte das Kriegerdigimon über der Wiese und hob seine doppelschneidige Lanze, während der Boden unter ihm immer stärker bebte.
 

Auch im inneren der Sphäre gab es keinen Boden, doch schwebten Denrei, Shuichon und ihre Digimonpartner nun über einem flachen, bläulich leuchtenden Kreis.

Dies war jedoch bei weiterem nicht das seltsamste an ihrer neuen Umgebung, die zwar immer noch weiß war, aber irgendwie doch anders, als die Welt außerhalb der Sphäre. Das Weiß hier schien weniger in den Augen zu stechen, wirkte abgedunkelt, aber dennoch nicht grau. Auch konnten sie Wände – oder was auch immer es war – erkennen, die sie umgaben und wie auch das äußere dieses Raums eine Sphäre bildeten.

Leuchtend weiß jedoch war die große, runde Form, die genau in der Mitte des Raums zu schweben schien. Sie bestand nicht, wie sonst alles, was sie hier gesehen hatten, aus Tetraedern, sondern aus weißen Würfeln, deren Kanten jedoch in einem schwachen Pink zu leuchten schienen.

„Was...“, begann Shuichon. „Wo sind wir hier?“

Die Würfel erzitterten. „Ihr seid hier“, antwortete dieselbe Stimme wie zuvor. „Dieser Ort hat keinen Namen.“

„War absehbar“, murmelte Lopmon.

„Wieso sind wir hier?“, fragte Denrei.

Erneut erzitterten die Würfel, doch dieses Mal wurde ihnen nicht sofort geantwortet. Stattdessen breiteten sich die Würfel nun nach oben und unten aus, formten eine Säule, die ihre Gestalt dann jedoch wieder veränderte und etwas bildete, das grob an den Körper eines Menschen erinnerte – wenngleich es ein fünf Meter großer Körper war. „Wir wollen mehr über euch Menschen erfahren“, meinte die Gestalt, wobei es ihnen ihren gesichtslosen Kopf zuwandte. „Wieso seid ihr hier?“

Denrei musste sich zusammenreißen, um nicht zurückzuweichen. Er nahm an, dass die Anomalie diese Gestalt angenommen hatte, um freundlicher zu wirken, doch auf ihn wirkte sie so vielmehr gruselig.

„Wir haben es doch schon gesagt“, antwortete Shuichon. „Wir haben eine seltsame Veränderung an der digitalen Welt aus unserer Welt messen können. Und wir wollten wissen, was es war. Und dann... Dann haben wir diese... Das seltsame Ding gefunden, durch das wir hierher gekommen sind.“

„Wir glauben“, begann Denrei dann vorsichtig, „dass ihr etwas mit dieser Veränderung an der digitalen Welt zu tun habt! Diese seltsame Halbkugeln, in die wir gefallen sind, ehe wir hierher gekommen sind hat Daten aus der digitalen Welt absorbiert.“

Die Gestalt, deren Arme starr an ihren Seiten hinabhingen, reagierte nicht, doch die Würfel, aus denen sie bestand, vibrierten. „Ja, das ist auch möglich...“ Die Stimme klang noch immer seicht und monoton. „Wir suchen Wissen. Wissen um jene digitale Welt in der die Digimon leben.“

„Aber müsst ihr sie dafür kaputt machen?“, protestierte Dracomon.

„Das ist nicht unsere Absicht“, erwiderte das Wesen. „Wir wollen nicht zerstören... Wir wollen nur wissen...“

„Aber...“, begann Shuichon.

„Menschen“, unterbrach sie das Wesen. „Was sind Menschen? Sagt es uns? Was sind Tamer?“

„Tamer sind die Partner von Digimon“, antwortete ihm Lopmon. „Sie geben uns Energie! Machen uns stärker!“

Die Würfel drehten sich leicht. „Interessant... Aber was sind Menschen?“

„Wir Menschen kommen aus unserer Welt“, erklärte Denrei. „Wir sind einfach wir. Es heißt, dass wir uns aus anderen Tieren in unserer Welt irgendwann vor langer Zeit entwickelt haben. Aber ist viele, viele tausend Jahre her! Wir... Wir sind einfach wir. Und wir haben Angst, dass die Veränderungen in der digitalen Welt unsere Welt beeinflussen können.“

„Wieso sollten sie das...?“

„Weil die Welten...“ Doch weiter kam Denrei nicht, als etwas seltsames geschah.

Es war als würde ein elektrischer Schlag durch seinen Körper zucken. Er hatte das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen – was seltsam war, da er seines Wissens immer noch in einer digitalen Welt war und damit gar nicht atmen brauchte. „Was...“, begann er und sah auf seine Hände, die angefangen hatten zu flackern.

Mühsam sah er zu Shuichon und den Digimon, denen es nicht anders erging.

„Etwas... Stimmt nicht...“, krächzte das Wesen, dessen Stimme verzerrt klang, als käme sie aus einem schlecht eingestellten Radio. Die Würfel, aus denen es bestand, waren wieder zu einer Kugel zusammengefallen.

Denrei wollte etwas sagen, doch dazu kam er nicht mehr.

Ehe er wusste, was geschah, wurde er herumgeschleudert, bis er beinahe das Bewusstsein verlor, ehe das hilflose Gefühl zu Fallen sich in seinem Körper ausbreitete.

Episode 24: Execute

Episode 24: Execute
 

Weiterhin bleiben die genauen Umstände, die zu dem Digimonkampf, der sich vor wenigen Stunden in Chiyoda ereignet hat, ungeklärt. Es wurden mehrere Gebäude zerstört. Die Zahl der Todesopfer beläuft sich nach aktuellen Schätzungen auf 150, es werden jedoch weitere Menschen vermisst. Über die Zahl der Verletzten ist bisher nichts bekannt. Bekannt ist allerdings, dass mehrere Tamer, die in Verbindung mit der Regierungsorganisation Hypnos stehen, an dem Kampf beteiligt waren. Weitere Informationen erfahren sie im Anschluss, in der Sondersendung zum Vorfall.
 

                                  - Abendnachrichten von Fuji TV am 4. Juni 2011
 

Erneut schossen einige Energiekugeln durch die Luft.

„Takato!“, schrie Ruki nun mit Nachdruck und hob eine Hand, wie um ihm eine Ohrfeige zu geben.

Da sah Takato sie an. „Es tut mir leid.“ Damit zog er die Karte durch sein Digivice, das im nächsten Augenblick aufglühte.

Wie von selbst hob er es in die Höhe, als ein Energiestrahl aus ihm in den Himmel – oder in die Digitale Welt? – schoss.

Auf einmal begann der Boden zu vibrieren und dann heftig zu Beben. Datastreams schossen aus der Digitalen Welt gen Tokyo und gleichzeitig schien es, als würde sich der Himmel verdunkeln.

Megalo Growmon leuchtete auf und digitierte zu Guilmon zurück, ehe es zusammen mit Takato von Licht umgeben wurde.

„Matrix Evolution!“

„Guilmon – Shinka! Dukemon Crimson Mode!“

Die Rüstung des Kriegerdigimons schimmerte, als es mit ausgebreiteten Flügeln emporschwebte und auf Metamormon und die Zerstörung, die dieses anrichtete, hinabsah.

Doch die Wahrheit war, dass es nicht das einzige war, das Zerstörung anrichtete. Denn noch immer bebte der Boden und Datenstream schossen zwischen den beiden Welten hin und her. Fenster zersprangen und einzelne Mauern von einfachen Gebäuden stürzten ein.

Selbst als Teil von Dukemon konnte Takato ein mulmiges Gefühl spüren. Er hatte es gewusst. Es war nicht gut, diesen Code zu benutzen. Doch was hatte er für eine Wahl gehabt?

In diesem Moment richtete Metamormon erneut seinen Energiestrahl gegen ein Gebäude, das einstürzte.

Nein. Er musste jetzt etwas tun! Er musste dieses Digimon besiegen und hoffen, das der Spuk damit endgültig aufhörte.

Doch ein Gefühl sagte ihm, dass der Spuk eigentlich gerade erst anfing.
 

Keuchend richtete Hanehamon sich auf. „Wir lassen uns nicht so einfach besiegen“, zischte es und richtete seine Augen fest auf den Mann, der sie durch die Maske angrinste.

„Ich möchte sehen, was ihr gegen mich machen wollt“, erwiderte er kühl und mit deutlicher Überzeugung. „Ist denn denn immer noch nicht klar, dass ihr gegen mich nichts tun könnt?“

Takumi spürte Hass in sich aufsteigen, als er das grinsende Gesicht des Mannes sah. „Sei endlich ruhig“, flüsterte er. „Hanehamon!“

Mehr musste er nicht sagen. Sein Partner sprang los und griff den Mann direkt mit seinen Äxten an. Doch wieder geschah dasselbe, wie bereits zuvor, als Waspmon den Mann angegriffen hatte: Hanehamon konnte den Mann nicht berühren, sondern wurde knapp einen halben Meter vom Körper des Mannes zurückgeworfen.

Und noch bevor es erneut angreifen konnte, flogen die Hexagone, die der Mann herbeigerufen hatte, auf es zu, und begann es zu umkreisen.

Hanehamon sprang zurück, als das eine Hexagon einen Energiestrahl auf es abfeuerte und schaffte es gerade noch rechtzeitig auszuweichen. Als die beiden drohnenartigen Wesen erneut angriffen, wich das Digimon mit einem Rückwärtsflickflack aus, bis es mit dem Rücken zur Wand eines der Hochhäuser stand.

Es machte sich für einen weiteren Angriff bereit, doch in genau diesem Moment verdunkelte sich der Himmel über ihnen.

Die vier Jugendlichen und auch der Mann sahen zum Himmel hinauf, der noch immer klar schien, sich nur verdunkelt hatte, als hätte sich die Nacht entschlossen, früher über sie hereinzubrechen.

Doch das war nicht alles, was geschah: Lichtstrahlen schossen vom Himmel hinab und schienen digitale Welt und Tokyo miteinander zu verbinden. Im selben Moment begann der Boden zu beben, so dass sie fast das Gleichgewicht verloren.

„Was...“, konnte Takumi den Mann kurz verwirrt murmeln hören, doch dann breitete sich erneut ein Grinsen auf dem Gesicht des Mannes aus, ehe er in ein manisches Gelächer ausbrach.

Während er jedoch Hanehamon keine Aufmerksamkeit schenkte, griffen die Hexagone dieses auch nicht an, sondern schwebten nur vollkommen bewegungslos in der Luft, als wäre es der Wille des Mannes, der sie steuerte.

Hanehamon bemerkte dies selbst und sprang zwischen den Drohnen hindurch, erneut auf den Mann zu. Dieses Mal nutzte es nicht seine Waffen, sondern holte nur mit einer Faust aus, die nun tatsächlich nicht reflektiert wurde.

Seine Faust traf den Kopf des Mannes seitlich, riss ihn von den Füßen und ließ ihn einige Meter weit durch die Luft fliegen.

Für einen Moment glaubte Takumi, dass der Mann tot sei - immerhin hatte ein Digimon weitaus mehr Kraft, als ein Mensch und der Schlag Hanehamons hätte einem normalen Menschen das Genick brechen sollen, doch nach einem kurzen Augenblick, drehte sich der Mann wieder auf den Bauch und richtete sich langsam auf.

Er hatte seine Maske verloren, so dass sie nun sein Gesicht sehen konnten, das nun von Wut verzerrt war, jedoch keine wirkliche Wunde erkennen ließ.

„Ihr verdammten Gören!“, schrie er außer sich.

Die Hexagone rührten sich wieder und griffen Hanehamon erneut an, als ein Laderstrahl eins der Hexagone traf.

Dieser war von Waspmon, das sich nun offenbar aufgerappelt, abgefeuert worden.

„Lasst euch endlich töten!“, rief der Mann aus. Er berührte erneut das seltsame Gerät an seinem Arm und im nächsten Moment erstarrte Hanehamon, als wäre es versteinert worden.

Takumi spürte - wortwörtlich, dass sein Partner dagegen ankämpfte, versuchte sich zu bewegen, doch es war, als würde er von unsichtbaren Ketten festgehalten.

„Hanehamon!“, rief Takumi aus. Es war, als würde er selbst gegen diese Fesseln ankämpfte. „Hanehamon!“

Dabei hörte er kaum die Schreie Rins, deren Partner ebenfalls bewegungsunfähig in der Luft hing, als würde auch er dort von unsichtbaren Ketten festgehalten.

Die Hexaeder umkreisten nun als erstes Hanehamon, das ihnen - so gut es ging, ohne den Kopf zu bewegen - mit den Augen folgte. Dann glühten ihre leuchtenden Kerne auf. Sie würden ihre Attacke jeden Moment abfeuern.

„Hanehamon!“, schrie Takumi erneut aus. Konnte er denn gar nichts tun? Natürlich könnte er die Alias-Karte benutzen, doch was würde es ihnen bringen? Dann würde Hanehamon zu Kotemon zurückdigitieren und der selbsternannte Spielemeister würde sie dann töten. Was konnten sie nur tun? „Hanehamon!“

In dem Moment erklang ein wütender Schrei, der nicht vom Meister der Spiele kam. Unwillkürlich blickte Takumi herum und sah Ai, die sich an den linken Arm des Mannes hing und offenbar versuchte, das dort befestigte Gerät abzureißen.

„Ai! Lass das! Sei nicht dumm!“, rief Makoto aus und sah zu seiner Schwester hinüber, schien aber selbst zu erschrocken zu sein, um zu ihr hinüberzulaufen.

„Ai!“, schrie auch Impmon, als der Mann sie abschüttelte und am Kragen packte.

Erneut schaffte es sich Hanehamon dadurch, dass der Spielemeister abgelenkt war, aus seiner bremslichen Situation zu befreien und machte Anstalten auf den Mann zuzustürmen, um nun seinerseits Ai zu befreien.

Dieses mal bemerkte der Mann es jedoch rechtzeitig und sah es an. „So nicht!“

In dem Moment traf ein Energiestrahl Hanehamon in den Rücken, wo es flackern liegen blieb, während sich Datenpartikel aus seinem Körper lösten.

„Hanehamon!“ Takumi stolperte zu seinem Partner hinüber.

„Night of Fire!“, erklang ein anderer Ruf, als Impmon eine Flammenkugel auf den Mann warf, der noch immer Ai festhielt.

Doch natürlich erreichte die Attacke nichts.

„Wieso wehrt ihr euch noch?“, fragte der Mann, dessen Wut sich nun offenbar beruhigt hatte. „Es ist doch ohnehin schon egal, oder? Seht euch doch um. Diese Welt wird früher oder später ohnehin untergehen.“

Tatsächlich bebte der Boden noch immer, wenngleich nicht so stark wie zuvor.

„Uns ist es nicht egal“, antwortete Ai mit zusammengepressten Zähnen. „Glauben Sie wirklich, dass wir so einfach aufgeben und sterben? Was Sie getan haben... Was Sie diesen Kindern angetan haben, das werde ich nie verzeihen!“

„Und was willst du deswegen tun, Göre?“, fragte der Mann und hob sie ohne ersichtliche Anstrengung in die Höhe.

„Summon!“, rief Impmon und beschwor einen großen Feuerball, den es erneut auf ihren Gegner warf.

Doch der Mann wischte die Attacke nur mit einer Handbewegung weg.

Ai jedoch nutzte die Ablenkung, spannte ihre Beine an und trat ihm mit aller Kraft gegen die Brust, so dass er sie losließ und rückwärts stolperte, während Ai zu Boden fiel.

Während der Mann sich aufrichtete, flogen die Hexagone auf Ai zu.

„Dann eben so“, knurrte der Spielemeister.

Das Mädchen hatte selbst Probleme, wieder auf die Beine zu kommen, als die beiden Hexagone nun sie umkreisten.

„Ai!“, riefen Rin und Makoto wie aus einem Munde aus, während Impmon zu ihr hinüber rannte.

„Night of Fire! Night of Fire!“ Es griff beide Hexagone so gut es konnte an, wobei die Flammenkugeln natürlich weiterhin nichts ausrichteten.

Dennoch erreichte Impmon seinen Tamer und stellte sich vor ihn, was als kaum mehr, als symbolisch bezeichnet werden konnte, da die Attacken von jeder Seite kommen konnten.

„Lasst Ai in Ruhe!“, schrie das Digimon die gesichtslosen Drohnen an.

„Hau ab, Impmon!“, flehte Ai.

Der Mann sah sie an. „Als ob es einen Unterschied machen würde.“

In dem Moment schossen die Energiestrahlen auf die beiden zu.
 

Schnell! Wir müssen das ganze zuende bringen!“, rief Takato im Inneren von Dukemon, während der Royal Knight noch weiter in die Höhe flog.

Das Digimon hob seine Lanze in die Höhe. „Final Elysium!“ Damit brach ein Schwall reiner Energie aus der Lanze hervor und traf Metamormon, brach ein Loch in dessen Panzer, schaffte es jedoch nicht, das Digimon zu vernichten.

Verdammt“, fluchte Takato, als sich ihr Gegner zu Dukemon herumdrehte.

Ein roter Energiestrahl schoss aus dem Helm hervor und in Dukemons Richtung. Zwar wich es der Attacke problemlos aus, doch traf diese so nun auf die Häuser, auf der anderen Seite des Parks, wie Takato erschrocken bemerkte.

Verdammt“, stieß er erneut aus und flog weiter nach oben, so dass die Attacke ihres Gegners sich nun gen Himmel richtete.

Wir müssen seinen Digicore vernichten“, hörte Takato nun die Stimme seines Partners.

Dukemons Augen wanderten über den massiven Körper Metamormons. Wo war der Digicore dieses Ungeheuers?

„Der Helm!“, beschloss der Royal Knight schließlich, machte eine Kehrtwende in der Luft und flog auf seinen Gegner zu, wobei es dessen Attacken durch schnelle Harken auswich. Dabei holte es mit der Lanze aus, um diese, als es den Kopf des Ungeheuers erreichte, in die Öffnung des Helms zu rammen.

Das Licht, das das Innere des Helms ausgefüllt hatte, erlosch und Metamormon hörte auf Energiestrahlen zu schießen.

Für einen Moment atmete Dukemon auf, doch da spürte es etwas. Etwas hatte sich um seine Beine gewickelt.

Im nächsten Augenblick wurde es von einem der Tentakel, die sich aus dem Inneren der eigentlichen Rüstung Metamormons herausschlängelten, in die Tiefe gerissen und gen Boden geschleudert.
 

Es war, als würde die Zeit auf einmal langsamer vergehen.

Ai sah die Energiestrahlen näher kommen, doch es geschah wie in Zeitlupe.

Sie konnte die Gesichter der anderen sehen. Den Schrecken und die Angst auf den Gesichtern von Rin, Takumi und ihrem Bruder. Doch in dessen Augen sah sie noch etwas anderes. Es war als wäre ein Teil von ihm nicht dort, nicht bei diesem Kampf, sondern woanders - sehr weit weg.

Fast wollte sie nach ihm rufen, aber irgendwie brachte sie kein Wort heraus.

Sie spürte eine seltsame Wärme an ihrer Seite und als sie sich dorthin umsah, bemerkte sie das helle Licht, das aus ihrer Tasche zu fluten schien.

Das Digivice, fiel es ihr ein.

Das war der Moment, in dem sie verstand, was sie tun musste.

Noch einmal sah sie zu den anderen. Zu Takumi, der neben dem verletzten Hanehamon kniete, zu Rin, in deren Gesicht sich große Angst abzeichnete, und dann erneut zu ihrem Bruder. Es tut mir leid, Makoto, dachte sie.

Dann holte sie Impmons Stimme in die Realität zurück. „Ai!“

Die Energiestrahlen konnten das Licht des Digivices nicht durchdringen, das sie nun umgab. Ohne weiter darüber nachzudenken, nahm sie das Digivice in die Hand.

„Matrix Evolution!“

„Impmon - Shinka! Beelkomon!“

Das Digimon wirbelte um die eigene Achse und warf dadurch die beiden Hexaeder zurück.

Es trug dieselbe Maske wie Beelzebumon und hatte wie Beelzebumon aschblondes Haar, das bei ihm jedoch bis zur Taille hinabhing. Eine schwarze Lederhose bedeckte seine Beine, ein Lederoberteil die Arme und Schultern, wie auch die wohlproportionierten Brüste, auf die es nun selbst hinabsah.

Das ist verrückt“, kommentierte Impmons Stimme, nur für Ai hörbar.

Diese war sich noch immer nicht sicher, was sie von all dem halten sollte. Es war ihr tatsächlich gelungen mit Impmon zu verschmelzen! Sie konnten zusammen kämpfen, sie konnten den Meister der Spiele gemeinsam besiegen.

Doch - und diese Frage ging ihr nicht aus dem Kopf - was hieß das für Makoto?

Da kamen die beiden Hexagone zu Beelkomon zurückgeschossen und feuerten erneut Energiestrahlen auf es ab.

Das Dämonendigimon ging in die Hocke und stieß sich vom Boden ab, um so in die Luft zu springen. Dort drehte es sich, so dass es nun gen Boden sah, und zog zwei Pistolen aus den Halftern an seinen Seiten. „Double Impact!“

Pistolenkugeln flogen auf die Hexagone zu, die nun selbst zum Ausweichen gezwungen waren.

Dabei wanderte Beelkomons Blick jedoch wieder zum selbsternannten Spieleleiter hinüber, der mit einer Mischung aus Überraschung und Hass den Kampf beobachtete.

Ai war sich sicher, dass er die Hexagone mit dem Gerät an seinem Arm irgendwie kontrollierte und dieses Gerät ebenfalls benutzt hatte, um zuvor Hanehamon und Waspmon zu beeinflussen. Wenn sie bedachte, dass dieser Mann es irgendwie geschafft hatte, die Eigenschaften der Digivices zu verändern, so war es vielleicht nicht gänzlich ausgeschlossen, dass es selbst eine Art Digivice war.

Doch wie konnten sie es zerstören, solange die Digimon ihn nicht berühren konnten?

Beelkomon landete auf dem spiegelnden Monument in der Mitte des Platzes, und sah, wie die Hexagone erneut auf es zukamen und wieder auf es feuerten.

Zumindest beherrschten sie nicht mehr als eine Attacke, wie es schien.

Sie scheinen ihre Energie aus der Lichtkugel zu bekommen“, beobachtete Ai, während Beelkomon den Angriffen mit einem weiteren Sprung auswich.

Das heißt, wenn sie einen Digicore haben, ist er dort“, antwortete ihr Partner.

Das Digimon landete auf dem Boden und zielte mit einem Revolver auf eins der Hexagone, das gerade darin begriffen war, seine Flugrichtung zu ändern. „Darkness Dan!“

Eine schwarze Kugel verließ den Lauf der Waffe und traf die rote Kugeln im inneren des Hexaeders, das auf einmal in der Luft schweben blieb und sich nicht mehr bewegte.

Dann fiel es in sich zusammen.

„Na also!“, jubelte das Ultimate und grinste, ließ dabei allerdings das zweite Hexaeder aus den Augen, dessen Angriff es im nächsten Moment an der Schulter traf.

„Verdammt, das tut weh!“, schrie Beelkomon und machte einen Sprung zur Seite, um weitere Treffer zu vermeiden.

Dann steckte es eine seiner Waffen weg und streckte seine nun freie linke Hand, die sich zu einer Klaue verformte. Mit dieser vor dem Körper sprang es auf das Hexaeder zu, ehe es dieses angriff. „Darkness Claw!“

Die dunkle Energie aus der Klaue warf das Hexaeder zurück, was es zwar nicht zerstörte, aber aus das Bahn brachte und außerdem von einem zu schnellen Gegenangriff abhielt.

Derweil hob Beelkomon mit seiner rechten die zweite Pistole und zielte erneut auf den glühenden Kern, zwischen den metallenen Platten. „Double Impact!“

Zwei Pistolenkugeln trafen die rotglühende Kugel, woraufhin auch dieses Hexaeder in sich zusammenfiel.

Und jetzt...“, begann Ai im Inneren von Beelkomon. Sie mussten noch immer diesen Verrückten aufhalten, damit er zur Rechenschaft gezogen werden konnte.

Doch noch bevor sich Beelkomon ganz herumgedreht hatte, erklang ein vertrauter Ruf: „Thunder Kote!“

Hanehamon, von den Angriffen deutlich geschwächt, schien wieder zu Kotemon zurückdigitiert zu sein, das seine verbleibende Energie genutzt hatte, um mit einem Donnerschlag seines Bambusschwerts das Gerät am Arm des Spielemeisters zerstört hatte.

Nun verstand Ai. Der Mann hatte die Attacken nur abwehren können, wenn er sie hatte kommen sehen.

Es blieb nur noch eine Theorie zu überprüfen.

Vorsichtig ging Beelkomon auf den Mann zu, der nun tatsächlich zurückwich. Dann griff es nach dem Kragen des Mannes und hob ihn in die Höhe. Es wurde nicht abgewehrt oder sonst irgendwie davon abgehalten, denn Mann zu berühren.

Das Dämonen-Digimon grinste. „Nun wirst du endlich für deine Taten büßen...“
 

Dukemon wurde von dem Tentakel, das sich um seine Beine gewickelt hatte, gen Boden und dann wieder in die Luft geschleudert, während noch mehr der tentakelartigen Arme sich nach ihm ausstreckten und begann sich um den Körper des Royal Knights zu wickeln.

Verdammt...“, keuchte Takato. „Wir müssen uns befreien! Wir müssen es besiegen!

Mit aller Kraft kämpfte Dukemon gegen die Tentakel an, doch diese schienen wie Ketten aus Stahl, die sich kein Stück lösten. Nicht nur das: Sie schienen ihnen die Energie zu rauben.

Takato spürte, wie Dukemon schwächer wurde. Wenn sie nicht schnell etwas taten, würde sich ihre Verbindung, wie die der anderen, auflösen.

Hatte der Effekt dieser Karte nichts gebracht? Nichts, außer Zerstörung?

Verdammt! Verdammt! Verdammt!“, schrie Takato und versuchte irgendwie die Energie im Körper Dukemons zu bündeln. „Verdammt!

Tatsächlich spürte er auf einmal eine neue Energie. Sie war anders, als die Kraft, die den Körper des Digimons normal erfüllte, selbst wenn Takato nicht genau sagen konnte, was daran anders war.

Was ist das, Takato?“, hörte er die Stimme seines Partners.

Takato zögerte. „Es ist, was wir brauchen, um dieses Monster zu besiegen!

Damit öffnete Dukemon eine seiner Hände, woraufhin sich seine Lanze aus dem Helm Metamormons löste und um ihre eigene Achse rotierend zu ihm geflogen kam. Dabei durchschnitt sie die Tentakel des künstlich erschaffenen Digimon und befreite so Dukemon, das nun wieder in die Höhe flog.

Einer Eingebung folgend, konzentrierte es die neue Energie auf seine Hände und damit auch auf seine Lanze, die begann sich nun selbst rot zu färben, ehe sie schließlich aufleuchtete.

Dukemon richtete die Spitze seiner Waffe auf Metamormon. „All Delete!“ Die Energie, die nun die Waffe erfüllte, sammelte sich an der Lanzenspitze als Kugel reiner Energie, bevor sie sich als Strahl von dort löste und auf Metamormon zuschoss.

Anders als bisherige Attacken, wurde diese Attacke nicht abgewehrt. Sie durchdrang erst den Panzer des gegnerischen Monsters, dann den Rest dessen Körpers, der daraufhin zu flackern begann und starr für einige Sekunden in der Luft hängen blieb, während Dukemons Angriff langsam verglühte.

Dann fiel Metamormon einfach auseinander. Die Panzerplatten, die den glühenden Kern umgeben hatten, fielen gen Boden, lösten sich dabei einfach auf und auch der seltsame Kern, der nun wie ein Knoten aus den seltsamen Tentakeln erschien, begann sich langsam aufzulösen.

Sie hatten es also geschafft.

Doch zu welchem Preis?

Noch immer bebte der Boden und noch immer verbanden Datastreams die digitale Welt mit der realen. Ganz so, wie es vor drei Jahren gewesen war, nachdem sie die Demon Lords besiegt hatten.

War dies alles ein Effekt dieser Karte?

Sie hätten sie nicht einsetzen sollen. Doch was hatten sie für eine Wahl gehabt?

Takato“, erklang Dukemons Stimme in den Ohren seines Partners, während der Royal Knight langsam gen Boden hinabschwebte.

Es...“, flüsterte der junge Mann, der durch die Augen des Digimon sah, welche Zerstörung sowohl der Kampf, als auch der Einsatz der Karte angerichtet hatten.

Der Boden des Parks war nicht mehr mit Gras bewachsen, sondern mit Asche übersät und von einigen tiefen Kratern durchzogen.

Einige der umliegenden Gebäude lagen in Trümmern oder hatten zumindest Schaden in verschiedenen Ausmaßen erlitten. Einige brannten, waren offenbar von der Energie der Attacken entflammt worden.

Das...“, hauchte Takato. „Wie...

Er fühlte sich leer. Was hatten sie nur getan?

Es waren Menschen gestorben – viele Menschen, wenn er sich die Zerstörung besah. Selbst wenn einige der Gebäude, die zu großen Teilen Bürogebäude waren, vielleicht nicht voll besetzt gewesen waren. Und es war enormer Schaden entstanden.

Mehr, als bei dem Kampf der Digimon in Odaiba. Zu viel...

„Hey!“, erklang eine Stimme vom Rand dessen, was einst der Park gewesen war.

Dort stand ein Digimon, das durch die Maske und seine schwarze Lederkleidung an Beelzebumon erinnerte, jedoch einen weiblichen Körperbau hatte. Dieses Digimon hielt einen Mann am ausgestreckten Arm vor sich.

„Was...“, fragte Ruki, die ebenfalls am Rand des Schlachtfeldes stand.

„Das ist der Typ“, erwiderte das fremde Digimon und ließ den Mann zu Boden fallen. „Der selbsternannte Meister der Spiele.“

Der Mann kam erstaunlich schnell wieder auf die Beine. „Das ist wirklich sehr hübsch“, meinte er mit deutlicher Abscheu in der Stimme. „Jetzt habt ihr nicht nur mich, sondern auch noch meine wundervolle Schöpfung besiegt. Bravo.“ Er sah sich um, besah die Zerstörung, die entstanden war. „Auch wenn ich mich nun frage: Was bringt es euch?“

Dukemon sah zu dem Mann hinüber, dessen dunkles Haar zerzaust war. Er war vielleicht Mitte dreißig. Er trug ein weißes Hemd, das jedoch voller Flecken war und vollkommen zerknittert wirkte. Auf seinem Gesicht zeichnete sich Wahnsinn ab.

Da spürte Takato etwas, bei dem er sich nicht sicher war, ob es von ihm selbst oder von Dukemon ausging. Es war Wut – nein! Es war mehr als nur Wut! Es war blanker Hass. Hass, der wie ein glühendes Messer in seiner Brust saß.

„Es ist deine Schuld!“, rief Dukemon mit seiner Stimme aus. „Es ist deine Schuld! All das ist deine Schuld!“

Der Mann wandte sich dem Royal Knight zu, der nun auf dem Boden landete und auf ihn zukam. „Und?“

Dukemon holte mit seinem rechten Arm aus und schlug den Mann zu Boden, wo dieser liegen blieb – jedoch noch immer bei Bewusstsein.

„Was willst du nun tun?“, fragte er und schien sogar amüsiert.

Dukemon stand über ihm. „Ich will wissen, warum du es getan hast!“

Daraufhin lachte der Mann. „Warum nicht? Es macht keinen Unterschied, selbst wenn ihr dummen Kinder und eure seltsamen Kreaturen es nicht seht! Es ist egal!“

Der Hass in Takatos Brust wurde immer größer, immer heißer. Es war, als würde er ihn zerfressen.

„Es sind Menschen gestorben! Ist das etwa egal?“, rief Dukemon.

Am Blick des Mannes veränderte sich nichts. „Ja. Weil diese ganze Welt nicht real ist...“

„Lügner!“, schrie der Royal Knight, ließ sich auf die Knie fallen und hob seine Lanze über den Kopf des Mannes, dessen manisches Grinsen nur noch breiter wurde.

„Willst du mich jetzt töten?“ Er lachte erneut auf. „Nur zu!“

„Dukemon! Hör auf!“, rief Shoji zu ihnen hinüber.

„Takato!“, hörten sie auch Rukis Stimme.

Keiner von ihnen schien sich ganz zu trauen, zu ihnen hinüber zu laufen.

Dukemon sah auf das verzerrte Gesicht des Mannes. „Es ist unverzeihlich“, flüsterte das Digimon. „Unverzeihlich...“ Es hob die Stimme an – schrie: „Es ist unverzeihlich!“ Damit hob es die Lanze noch ein Stück, bereit sie in den Kopf des Mannes zu stoßen.

„Aufhören!“, rief eine Stimme, die über das Trümmerfeld hinweg klang.

Bevor sich jemand von ihnen umsehen konnte, wickelte sich ein brennendes Schlangenschwert um Dukemons Körper und warf das Digimon zurück, so dass es bewegungslos am Boden einige Meter vom Mann entfernt liegen blieb.

„Slayerdramon...“, flüsterte Dukemon, als es die Silhouette des anderen Digimon erkannte. Damit schloss es die Augen und die Verbindung löste sich auf.

Zitternd lag Takato auf dem Boden neben Guilmon. Er schloss die Augen.

In nicht allzu großer Ferne konnte er Sirenen von Polizei, Feuerwehr und Krankenwagen hören, doch es war ihm egal. Sein Kopf fühlte sich leer an. Er hatte diesen Mann töten wollen – er hätte ihn beinahe getötet!

Der Himmel wurde langsam wieder heller. Es war wirklich vorbei.

Er spürte, wie das Schwert, das Dukemon zurückgeworfen hatte, verschwand.

Schließlich richtete er sich auf und sah langsam in die Richtung, in der zuvor Slayerdramon gewesen war, während dort nun Denrei, zusammen mit Dracomon und Lopmon stand, und Shuichon in den Armen trug. Sie schien ohnmächtig zu sein.

Kurz sah er zu Takato hinüber, doch bevor er etwas sagen konnte, liefen schon Polizisten und Sanitäter, die offenbar gewartet hatten, dass die Gefahr vorüber war, zu ihnen hinüber.
 

Yamaki unterdrückte ein Fluchen, als er auflegte und sein Handy sinken ließ. Es war schlimmer, als er angenommen hatte.

Das Erdbeben hatte erst gerade aufgehört und selbst jetzt, vor jedweden Untersuchungen, wusste er, dass der Digimonkampf Auslöser dafür gewesen war. Denn um ein natürliches Beben zu sein, hatte es viel zu lange angehalten.

Doch nun, dass sie die Bestätigung des Kampfes hatten und erste Bilder aus Chiyoda erhielten, wusste er, dass es Schlimmer war, als alles, was er sich ausgemalt hatte.

Und er wusste eins: Es würde Folgen haben – weitreichende Folgen.

Er holte tief Luft und wandte sich dann zum Gehen. Er musste mit den Tamern sprechen. Er musste wissen, was vorgefallen war. So schnell wie möglich.

„Yamaki-chou“, hörte er Megumi rufen, kurz bevor er den Ausgang der Zentralräume erreicht hatte.

Die Frau schloss zu ihm auf. „Ich begleite Sie.“

Kurz zögerte Yamaki, doch dann nickte er. „Beeilen Sie sich.“ Damit verließ er die Zentrale und machte sich auf dem Weg zum nächsten Aufzug. Er musste herausfinden, was passiert war, und – so ahnte er – Schlimmeres verhindern.

Episode 25: Nachwirkung

Episode 25: Nachwirkung
 

Als die Digimon das erste Mal in unsere Welt kamen, habe ich sie verurteilt, weil ich sie nicht verstanden habe. Die Kinder, ihre Partner und wie sie miteinander umgingen haben mich eines besseren belehrt – zumindest habe ich das gedacht. Doch vielleicht hatten sie am Ende doch Unrecht und es ist nicht möglich, dass Gegensätze miteinander koexistieren können. Nach allem, was passiert ist, seit Grenze zwischen den Welten zerbrochen ist, kann ich es denen, die dank der Digimon um ihre Familien fürchten nicht mehr verübeln und frage mich, ob es nicht besser gewesen wäre, hätten die Kinder ihre Partner nie wiedergesehen...
 

                                             - Yamaki Mitsuo
 

Steve saß am Rand eines Erste Hilfe Zeltes, das in der Nähe der Parkumgebung, die nun mehr einem Schlachtfeld glich, aufgebaut.

Bisher hatte ihn noch niemand behandelt. Ein Sanitäter hatte ihn nur angesehen und war, da er nicht allzu schwer verletzt war, dann zu den jüngeren Tamern weitergegangen, von denen einige schwerere, wenn auch keine lebensgefährlichen Verletzungen davon getragen hatten. Dennoch standen sie alle unter Schock.

Steve fragte sich derweil, ob er selbst noch einen Schock spüren wollte. Er fühlte sich im Moment erstaunlich klar im Kopf und merkte auch nichts von der Zittrigkeit, die normal mit einem Schock einher ging.

Doch auf der anderen Seite hatte er gehört, dass manchmal so ein Schock erst einige Stunden nach dem auslösenden Ereignis eintrat. Zwar selten, aber so etwas kam offenbar vor.

Allein deswegen war er sich sicher, dass man ihn – sobald die schwer verletzten versorgt waren – in irgendein Krankenhaus bringen würde, um ihn über Nacht zu beobachten, doch im Moment kümmerte sich kaum jemand um ihn, da er so viel anderes zu tun gab.

Mittlerweile waren auch Rettungscrews da, die zwischen den Trümmern der durch den Kampf beschädigten Häuser, nach Überlebenden suchten.

Es war fraglos alles etwas chaotisch, da neben Sanitätern, Rettungscrew und Feuerwehr, auch Militär und Polizei hier war, doch nicht jede Fraktion sicher war, es sie tun durfte und was in ihrer Befugnis stand.

Auch drei der schwarzen Wagen, die zu Hypnos gehörten, hatte er gesehen.

Er seufzte und fuhr durch das Fell Leormons.

Das Digimon lag, den Kopf auf die Vorderpfoten gelegt, neben ihm und döste vor sich hin. Es war fraglos erschöpft.

Nun blinzelte es aber und sah ihn an.

Langsam begann Steve sich zu fragen, wo Takato, Shoji und die anderen waren. Immerhin hatte er sie nicht mehr gesehen, seit er den Kampf verlassen hatte – wenn man einmal davon absah, dass er gesehen hatte, wie Dukemon am Ende das seltsame Digimon (sofern es eines war) des Meisters der Spiele besiegt hatte.

Er verspürte das Bedürfnis mit jemanden zu reden, wollte erfahren, was eigentlich geschehen war. Schließlich stand er auf und machte einige Schritte zum Ausgang des Zeltes. Als ihn niemand aufhielt, schloss er, dass er das Zelt verlassen durfte und ging hinaus.

Vielleicht fand er einen der anderen hier irgendwo oder sonst irgendwen, der ihm sagen konnte, was geschehen war und nun geschehen würde.

„Where are you going?“, fragte Leormon, als es zu ihm aufschloss.

„Looking for the others“, antwortete er.

Das Digimon gab ein leicht unzufriedenes Geräusch von sich, lief aber neben ihm her, als er in Richtung des Parks ging, in der Hoffnung dort vielleicht jemanden von Hypnos zu treffen.

„What a mess...“, murmelte sein Partner, als sie die Zerstörung hier aus nächster Nähe sahen.

„Yeah...“ Steve sah sich um. Er fragte sich, ob ihn jemand aufhalten würde, wenn er der Wiese – oder besser dem, was von dieser noch übrig war – näher kam. Immerhin liefen Menschen in Uniformen über diese hin und her, machten Fotos und sammelten Proben, auch wenn er nicht wusste, wofür.

Doch niemand sagte etwas. Zwar sahen ihn einige misstrauisch an, doch reagierte niemand.

So blieb er am Rand der Wiese stehen und sah sich um. Er begriff schnell, dass es unsinnig wäre, nach Takato und den anderen selbst Ausschau zu halten, da dafür zu viele Menschen durch die Gegend liefen. Stattdessen sah er sich nach den Digimon um. Immerhin sollte es nicht so schwer sein, eine rote Echse von knapp vier Fuß Körperhöhe oder einen fast sechs Fuß großen, aufrecht gehenden Fuchs zu finden. Doch zwischen all den Polizisten, Soldaten und wer auch immer die anderen Menschen waren, erkannte er keins der gesuchten Digimon.

Waren sie wohl bereits in einem Krankenhaus? Oder vielleicht in einem der Hypnoswagen? Ihnen war doch nichts zu schlimmes zugestoßen, oder?

„Hey, Steve“, hörte er auf einmal Leormons Stimme neben sich und sah zu dem Digimon hinüber, das seinen Blick nun eine der Gassen, die zum Park führten, hinab schweifen ließ. „Over there!“

Sofort sah Steve, was sein Partner meinte. Die Tamer, die mit ihm hergekommen waren – die vier, die ebenfalls am Turnier teilgenommen hatten – saßen dort, die Rücken an die Wand gelehnt – ohne, dass sie jemand bisher beachtet hatte.

Das eine Mädchen, dessen Pony rot gefärbt war, hatte den Kopf auf die Knie gelegt und schien fast zu schlafen, während das Mädchen mit den platinblonden Haaren ganz offenbar wirklich in einem Schock zu sein schien. Auch den beiden Jungen schien es nicht gut zu gehen und alle vier Jugendlichen hatten Schürfwunden und teilweise offen zu sehenden Prellungen.

„Was macht ihr hier?“, fragte er. „Wieso seid ihr nicht bei den Helfern?“

Der eine Junge, dessen Partner ein Kotemon war, sah zu ihm auf. „Was?“

„Ihr müsst zu den Sanitätern“, beschloss Steve laut, „und wahrscheinlich in ein Krankenhaus.“

Keiner der Jugendlichen widersprach. So zog Steve sie einen nach den anderen hoch, auch wenn er sich nicht ganz sicher war, ob die vier überhaupt noch würden laufen können, da sie allesamt sehr wackelig auf den Beinen waren.

Für einen Moment überlegte er, sie zu fragen, was passiert war, doch ein Blick in die müden Gesichter sagte ihm, dass sie ihm auch wenig sagen konnten, da sie dazu nicht in der Verfassung waren. Außerdem, so erinnerte er sich, waren sie in eine andere Richtung davongelaufen, als der Kampf begann und hatten vielleicht kaum mehr gesehen als er – auch wenn sie, ihren Wunden nach zu urteilen, definitiv in einen Kampf verwickelt gewesen waren.

Kaum, dass die vier, von Steve und auch ihren Digimon gefolgt, ins Licht der aufgestellten Flutlichter taumelten, wurden sie endlich von einigen Helfern gesehen, die bereits in ihre Richtung liefen.

Von Takato oder irgendeinem Hypnosmitglied, das er kannte, konnte Steve allerdings immer noch nichts sehen.
 

Tatsächlich war Takato in einem der Wagen, die zu Hypnos gehörten. Der Kleinlaster, dessen Lagerraum zu einer Art mobiler Überwachungszentrale umgebaut war, hielt in einer der Straßen, nicht zu weit von der Zerstörung entfernt.

Anders als Steve merkte er deutlich, wie der Schock die Übermacht gewann. Er konnte kaum noch klar denken und war sich nicht sicher, wie lang er sich würde auf den Beinen halten können.

Doch Yamaki hatte ihn, kaum das er angekommen war, geschnappt und hierher geschleift.

„Was ist passiert?“, fragte er nun, dass sie im Inneren des Wagens waren. „Was ist all das gewesen? Das Erdbeben?“

„Takato?“, erklang auch Guilmons eingeschüchterte Stimme.

„Ich weiß es nicht“, murmelte Takato langsam. „Ich weiß es wirklich nicht...“ Er pausierte und atmete einige Male tief durch. „Als... Als dieses Ding sich materialisiert hat, hatten die anderen Digimon keine Chance und ich habe...“

Weiter kam er nicht, ehe die Tür aufgerissen wurde und Ruki in den kleinen Innenraum kletterte.

„Was sollte das, Takato? Wieso hast du das...?“

„Ruki!“, erklang Renamons Stimme hinter ihr. „Beruhigte dich.“ Das Digimon sah in das Wageninnere.

„Nein!“, erwiderte die junge Frau entschlossen und sah Takato an. „Ich will wissen, was das sollte!“

„Wovon redest du?“, fragte Yamaki, der natürlich von den genauen Ereignissen noch nichts mitbekommen hatte.

Ruki ignorierte ihn jedoch. „Jetzt sag schon, Takato. Hättest du ihn wirklich umgebracht? Was hast du dir dabei gedacht?“

„Wovon redet sie, Matsuda-kun?“, fragte nun Yamaki, wobei deutlich Wut in seiner Stimme mitschwang.

Takato sah ihn nicht an. „Es tut mir leid...“, murmelte er. „Es tut mir leid, okay?“

„Ist das alles, was du zu sagen hast?“ Ruki klang aufgebracht.

„Lass ihn, Ruki“, erklang nun eine weitere Stimme, als Hirokazu und Kenta hinter dem Wagen erschienen.

Kenta trat nun hinter die junge Frau. „Jetzt bringt es nichts darüber zu streiten.“

„Aber...“, begann Ruki, doch Kenta schüttelte nur den Kopf und tatsächlich hielt sie sich darauf zurück.

„Wovon redet ihr?“, fragte Yamaki nun zum dritten Mal, doch noch immer antwortete Takato nicht.

Er spürte, dass seine Beine langsam nachgaben.

Ohne darüber nachzudenken, lehnte er sich gegen die Wand und glitt an ihr zu Boden. Er hörte die Stimmen der anderen noch, hörte Guilmon, das seinen Namen rief, doch ihm war, als kämen sie von weit weg.
 

Shoji saß derweil in einem der Sanitäterzelte und ließ sich die Wunden, die er vom Kampf davongetragen hatte reinigen und verbinden. Er war mit einigen Kratzern, oberflächlichen Schürfwunden und ein paar Prellungen recht glimpflich davon gekommen, doch immerhin kamen diese fast ausschließlich von dem Sturz, nachdem sich die Verbindung zwischen ihm und Gazimon aufgelöst hatte.

„Ich sage doch, mir geht es gut“, protestierte Denrei derweil eine Liege weiter, während einer der Sanitäter darauf bestand, ihn zu untersuchen. „Mir ist nichts passiert. Lassen sie mich gehen! Ich muss zum Krankenhaus!“

Shuichon, die ohnmächtig gewesen war, hatte man sofort in eins der Krankenhäuser gebracht – das Tokyo Medical University Hospital, soweit Shoji verstanden hatte, also das Krankenhaus, in dem auch Denreis Vater arbeitete. Er vermutete, dass sie nicht zuletzt wegen Yuki Nobou in das Krankenhaus gekommen war, obwohl es nicht das nächste war – und weil ihre Familie in der Nähe des Krankenhauses lebte.

Shoji selbst hätte viel darum gegeben, zu erfahren, was den beiden Zugestoßen war und warum sie seit mehr als zwei Monaten nichts von ihnen gehört hatten, doch er ahnte, dass sein Freund im Moment nicht die Ruhe – oder die Zeit – hatte, ihm dies zu erzählen.

„Moumantai“, bemühte sich Lopmon, das man nicht hatte im Krankenwagen mitfahren lassen wollen und das so am Rand von Denreis Liege saß, den jungen Mann zu beruhigen.

Schließlich ließ Denrei widerwillig zu, dass man seinen Blutdruck maß, seinen Pupillenreflex testete und einige andere Standarduntersuchungen durchführte.

Derweil bemerkte Shoji, das Gazimon in Richtung der Zeltplane starte, so als erwarte es dahinter irgendetwas zu sehen.

„Was ist?“, fragte er, nachdem ein Sanitäter endlich sein geprelltes rechtes Handgelenk verbunden hatte.

„Takato“, erwiderte sein Partner nachdenklich. „Ich frage mich, was mit ihm gewesen ist.“

Shoji seufzte leise. Er konnte verstehen, woher der Hass kam, der Takato und Guilmon dazu gebracht, selbst wenn es auch ihn überrascht hatte. Immerhin war Takato normaler Weise gutmütig und beherrscht. Er hatte ihn nie auch nur wirklich wütend erlebt. Doch war auch Shoji aufgefallen, dass Takato in den letzten Wochen immer verschlossener geworden war.

Die ganze Situation hatte ihnen allen zugesetzt. Erst die Morde und der folgende Selbstmord, und währenddessen die Sache mit dem Turnier. Es waren all die Dinge, vor denen sie sich letzten Endes gefürchtet hatten, seit die Grenze zwischen den Welten zerstört worden war.

„Shoji?“, fragte Gazimon und sah ihn fragend an.

„Entschuldige“, murmelte er. „Ich war mit den Gedanken woanders...“ Noch einmal ließ er ein Seufzen hören. „Ich... Kann ihn verstehen...“ Dabei war an seinem Ton deutlich zu hören, dass dies eher eine Bemerkung an sich selbst war, als eine Antwort auf Gazimons Frage.

Sein Partner sah eine Weile auf sein Gesicht, doch dann wandte er sich ab und rollte sich unter der Liege, auf der Shoji saß, zusammen.

Da ließen die Sanitäter schließlich von Denrei ab, der sich schnell sein Hemd überzog und aufsprang.

Shoji, selbst noch immer nicht ganz verbunden, stand ebenfalls auf und ging auf ihn zu. „Was ist mit euch passiert?“, fragte er, auch wenn er wusste, dass er keine Antwort erhalten würde.

„Nicht jetzt“, erwiderte Denrei.

„Was ist mit Shuichon passiert?“

Denrei schüttelte den Kopf. „Ich weiß nicht, was mit ihr ist. Deswegen muss ich zum Krankenhaus.“

Niedergeschlagen nickte Shoji. „Pass auf dich auf, ja?“, meinte er. „Du siehst müde aus.“

„Ja“, erwiderte sein Freund und wollte gehen, als er noch einmal inne hielt. „Danke“, murmelte er. „Ich werde alles erklären, sobald es Shuichon besser geht.“

Shoji nickte ein weiteres Mal. „Sag mir Bescheid, wenn du genaueres weißt.“

„Werde ich“, meinte Denrei und wandte sich dann noch einmal um. „Komm, Dracomon. Lopmon.“

Beide Digimon gähnten, standen aber auf. Während Dracomon hinter dem jungen Mann hertrottete flog Lopmon los und landete auf seiner Schulter, wo es sich erschöpft festhielt. „Moumantai.“
 

In der Notaufnahme des St. Luke‘s Hospitals ging es hektisch zu, während Takumi, Rin, Ai und Makoto dort im Wartebereich waren. Man hatte sie hierher geschickt, um sie zu untersuchen und von allem, was Takumi verstanden hatte, diskutierte man nun, ob man sie nach Hause schicken konnte oder nicht. Zwar hatte man ihre Wunden versorgt, doch ging es wahrscheinlich darum, ob sie unter Beobachtung bleiben mussten oder nicht.

Es war ihm im Moment egal. Er fühlte sich unglaublich erschöpft und ausgemergelt. Zwar war er sich nicht sicher, ob er wirklich würde schlafen können, doch es fiel ihm auf jeden Fall schwer, die Augen offen zu halten.

Kotemon saß auf dem Boden und hatte sich gegen Takumis Beine gelehnt, schien halb eingeschlafen zu sein.

Schließlich kam eine junge Schwester zu ihnen.

„Ihr könnt nach Hause“, meinte sie. „Wir haben eure Eltern angerufen, damit sie euch abholen...“

Die vier Jugendlichen nickten, während die Schwester, deren dunkles Haar unter einer Schwesternkappe größtenteils versteckt war, zögerte. Dann wandte sie sich Rin zu. „Du bist Okamura-san, richtig?“

Das blonde Mädchen nickte nur stumm, während Kunemon, das sich wieder um ihren Hals geschlungen hatte, die Schwester träge ansah, was diese für einen weiteren Moment zögern ließ.

„Ähm“, begann sie so, offenbar etwas verängstigt wegen der Digimon, „wir konnten deine Eltern nicht erreichen. Weißt du, woran das liegen könnte?“

Rin antwortete nicht sofort. „Mein Vater ist auf Geschäftsreise. Wahrscheinlich arbeitet meine Mutter auch noch, oder so“, murmelte sie dann teilnahmslos.

Die Schwester war verunsichert. „Hmm, ich werde mal mit dem Doktor reden, was wir mit dir machen...“

„Das müssen Sie nicht“, warf Ai schnell ein. „Sie kann sicher bei uns übernachten.“

Daraufhin ließ die Krankenschwester ein leises Seufzen hören. „Ich weiß nicht, ob wir das so machen dürfen...“ Sie sah die beiden Mädchen an.

„Meine Eltern können sicher die Verantwortung übernehmen“, erwiderte Ai. „Das ist bestimmt kein Problem.“

„Darüber sollten deine Eltern dann mit einem der Ärzte sprechen“, antwortete die Schwester schließlich.

Ai nickte und die Schwester wandte sich von ihnen ab.

„Danke“, flüsterte Rin leise.

Zur Antwort schenkte ihr Ai ein etwas müde wirkendes Lächeln. „Kein Problem.“ Dann sah sie zu Makoto, der sich mit zwei Stühlen Abstand zu ihnen gesetzt hatte und seinen Blick starr auf den großen Fernseher, der an der Wand des Warteraumes hing, gerichtet hatte. Sie holte tief Luft. „Makoto?“, fragte sie dann leise, doch er erwiderte nichts. Leise seufzte sie und tauschte dann Blicke mit Impmon aus. Dann schüttelte sie den Kopf.

Auch Takumi sah nun mit müden Augen zum Fernseher, wo pausenlos über die Ereignisse berichtet wurde, auch wenn von diesen selbst kaum Videoaufnahmen existierten – was ihn wunderte, da es immerhin in einer Tourismus starken Gegend passiert war. Doch wer weiß, was Metamormon alles für Auswirkungen gehabt hatte.

So starrte er auf den Bildschirm, ohne wirklich auf diesen zu achten. Er merkte, wie er langsam in einem unruhigen Dämmerzustand verfiel, ohne wirklich einzuschlafen oder sich auch nur richtig entspannt zu fühlen.

„Takumi!“, ließ ihn schließlich die Stimme seiner Mutter aufschrecken.

Er sah auf und sah sie auf ihn zulaufen. Sie kniete vor ihm und nahm ihn in den Arm.

„Ich habe mir solche Sorgen gemacht, als ich gehört habe, dass du wieder im Krankenhaus bist!“, meinte sie aufgebracht. „Was ist denn nur wieder passiert?“

Takumis Vater sah auf den Fernseher. „Ihr wart dort, oder?“, fragte er nun und sah die Jugendlichen einen nach dem anderen an.

Zur Antwort nickte Takumi, den seine Mutter nun endlich losgelassen hatte. „Es tut mir leid, dass ich es euch nicht gesagt habe“, flüsterte er.

Sein Vater setzte an, um etwas zu sagen, wirkte dabei aber nicht wütend. Dennoch war es Ai, die ihm das Wort abschnitt, noch ehe er zu sprechen begonnen hatte.

„Wir haben den Mann, der für die Ereignisse da verantwortlich war, aufgehalten!“, rief sie, laut genug, als dass nun auch die anderen Menschen, die hier warteten, zu ihr sahen. „Wir haben ihn festgenommen! Auch Takumi! Ohne ihn hätten wir ihn wahrscheinlich nicht fangen können!“

Takumi selbst sah zu Boden, während sein Vater zögerte.

„Ist das so?“

Ai nickte vehement.

Für einen Moment sagte niemand etwas. Dann legte Takumis Vater ihm die Hand auf die Schulter. „Komm jetzt“, meinte er sanft. „Wir sollten nach Hause.“
 

Die Nacht schritt voran, während die Bergungsarbeiten und Untersuchungen in Chiyoda nicht ruhten. Bald war es schon halb elf, ohne dass Mitsuo das Gefühl hatte, dass etwas voran gegangen war. Zumindest wusste er noch immer kaum, was genau passiert war, beziehungsweise wie dies hatte passieren können.

Mit Takato zu reden hatte keinen Sinn, da dieser offensichtlich unter Schock stand und auch der Begriff, den er von Ruki bekommen hatte, was nur bedingt aufschlussreich gewesen.

So wusste er nun zwar, wie die Dinge grob abgelaufen waren, wusste, dass der selbsternannte Meister der Spiele, der mittlerweile von der Polizei fortgebracht worden war, erst etwas, das Ruki als eine Art Drohnen beschrieben hatte, innerhalb eines Digital Fields „beschworen“ hatte, welche dann die Digimon der verschiedenen Tamer, die am Turnier teilgenommen hatten, gelöscht hatten. Dann hatte sich offenbar das größere Wesen materialisiert und die Digimon hatten gegen es gekämpft, es aber nicht berühren können, ehe Takato eine rote Karte benutzt hatte und dann als Dukemon das Wesen vernichtet hatte – jedoch nicht, bevor dieses einige der anliegenden Häuser schwer beschädigt hatte. Derweil hatte offenbar Ai, die nun scheinbar mit Impmon verschmelzen konnte, den selbsternannten Spielemeister eingefangen. Und offenbar hatte Dukemon daraufhin versucht, diesen zu töten und war im letzten Moment vom plötzlich aus dem Nichts erscheinenden Slayerdramon davon abgehalten worden.

Doch das alles waren nur grobe Angaben und was Mitsuo fehlte, waren die nötigen Details. Woher hatte der „Meister der Spiele“ die Technologie, selbst Digimon zu erschaffen? Was war das für ein Wesen, das all diese Zerstörung angerichtet hatte? Was für eine Karte hatte Takato benutzt, um dieses Wesen, Digimon oder was es auch immer gewesen war, zu besiegen? Und war die Karte oder das Monster für das Erdbeben und die anderen auftretenden Probleme verantwortlich?

Er wusste, dass man ihn am Ende dafür verantwortlich machen würde, deswegen wollte er Antworten haben – und das so schnell wie möglich. Denn wer würde diese Antworten am Ende selbst vor anderen geben müssen.

Wer war der Meister der Spiele überhaupt? Er hoffte innständig, dass man ihm die Möglichkeit geben würde, später mit ihm zu sprechen – auch wenn er diesen Menschen auch so bereits verabscheute.

Für einen Moment schloss er die Augen.

Er fühlte sich jetzt bereits erschöpft und er wusste, dass für ihn diese Nacht gerade erst anfing, denn in seiner Position konnte er es sich nicht erlauben, einfach nach Hause zu gehen.

Immerhin war er genau für diese Dinge verantwortlich – für die Digimon.

„Yamaki-chou“, hörte er eine Stimme und einer der Männer, die für Hypnos arbeiteten, stand hinter ihm.

Mitsuo brauchte einige Momente, um sich zu sammeln. „Haben Sie Neuigkeiten für mich, Fujimatsu-san?“

Der Mann nickte. „Wir haben soweit alle Daten, die bisher Verfügbar sind gesammelt“, antwortete er. „Auch wenn wir noch keine Ergebnisse haben.“

„In Ordnung“, erwiderte Mitsuo. „Wenn sie irgendwelche Ergebnisse haben, sagen sie mir Bescheid.“

„Natürlich, Yamaki-chou“, erwiderte Fujimatsu. Dann zögerte er. „Da ist noch etwas...“

Mitsuo sah ihn an. „Was?“

„Die rote Karte, die Matsuda-san benutzt hat... Wir haben sie untersucht und nach allen bisherigen Erkenntnissen ist es kein Code, der aus einer unserer Datenbanken stammt“, antwortete der Informatiker zurückhaltend, aber Mitsuo nickte nur.

Es war ihm auch so klar gewesen, dass es etwas anderes war – selbst wenn die Frage blieb, was dies für eine Karte war und woher sie kam.

Am liebsten hätte er Takato angeschrien, bis er die Antwort hatte, doch er wusste, dass dies keinen Sinn hatte und er dabei zudem sein Gesicht verlieren würde. Er musste warten – warten, dass die Antworten von alleine kamen.

Ob das ganze Chaos dieses Jahr auch noch einmal enden würde, fragte er sich, während Fujimatsu in einen der Wagen zurückkehrte.

Das schlimmste war, dass Mitsuo innerlich froh war, dass all die Dinge dieses Jahr zumindest nicht in Shinjuku passiert waren – wo er lebte, wo seine Familie lebte. Er fühlte sich schlecht deswegen, immerhin waren hier nun andere Menschen betroffen, davon, dass der Kampfplatz sehr nahe am kaiserlichen Palast gewesen war, einmal ganz abgesehen.

Gerade letzteres – das wusste er jetzt schon – würde noch für einige Probleme sorgen.

Da fiel sein Blick auf einen weißen Automaten, der am Rand der Straße, in der ihre Wagen geparkt waren, stand. Noch war es nicht elf...

Er seufzte. Er brauchte etwas, um diese Nacht nicht gänzlich die Nerven zu verlieren.

So wandte er sich zum Wagen um und sah hinein. „Fujimatsu-san“, begann er, woraufhin der Informatiker aufsah, „Sie haben eine Taspo-Card, oder?“
 

Die Krankenhausflure waren leer, da die Besuchszeiten schon lange vorbei waren, und es war gespenstisch ruhig auf den Stationen, vom regelmäßigen Piepen einiger Überwachungsgeräte, dem Ticken einiger Uhren und den Schritten der Diensthabenden Schwestern, die ab und zu nach ihren Patienten sahen, einmal abgesehen.

Denrei saß neben Shuichons Bett, dass in einem Zimmer der Station zur inneren Medizin stand. Eigentlich hätte auch er – nun, vor allem nicht er – hier sein dürfen, da ohnehin kein Besuch nach acht Uhr zugelassen war und er zudem nicht einmal mit Shuichon verwandt war, doch da sein Vater Stationsleiter der Chirurgischen war, hatte man ihn schließlich zu ihr gelassen. Dabei hatte es jedoch noch größerer Überredekunst bedurft, dass man auch die Digimon auf die Station gelassen hatte, da solche nicht allzu gern in Krankenhäusern gesehen wurden.

Doch nun lag Lopmon neben Shuichons Kopf auf deren Kissen, während Dracomon sich unter dem Tisch in dem kleinen Zimmer zusammengerollt hatte und schlief.

Auch Denrei merkte, wie die Müdigkeit ihn zu übermannen drohte, kämpfte jedoch dagegen an. Er wusste noch immer nicht, was mit ihr los war...

Es war alles so schnell gegangen. Das Beben hatte sie in jener seltsamen Welt der Anomalie ergriffen und auf einmal war es gewesen, als würde ein elektrischer Schock durch ihre Körper fahren, ehe sie wie von einer fremden Macht fortgerissen worden waren. Ihm war selbst schlecht und für einen Moment schwarz vor Augen geworden, ehe er das Gefühl hatte zu Fallen und als er die Augen geöffnet hatte, hatte er Tokyo unter sich gesehen. Tokyo, das immer näher zu kommen schien.

Shuichon war ohnmächtig gewesen und er hatte sie alle nur retten können, indem er mit Dracomon verschmolz. Dann hatte er eine mächtige Attacke gesehen und war so gerade rechtzeitig am Chiyoda Park angekommen, um zu sehen, wie Dukemon versuchte, einen Mann umzubringen.

Im Moment war er verwirrt – verwirrt und besorgt. Er verstand so vieles nicht.

Es war Juni und es waren beinahe zwei Monate vergangen, seit er und Shuichon in die digitale Welt aufgebrochen waren, doch nach seinem Empfinden – zumindest anhand dessen, wie oft es Tag und Nacht geworden war – waren sie kaum mehr als drei, vielleicht vier Wochen in der digitalen Welt gewesen. Und die Zeiten in beiden Welten vergingen gleich – zumindest sollten sie das.

Davon, was im Chiyoda-Park vorgefallen war, hatte er fraglich nichts mitbekommen, so dass er immer noch verwirrt darüber war, was Takato dazu getrieben hatte, Dukemons Kraft zu nutzen, um zu versuchen einen Menschen zu töten. Zwar hatte Shoji mit ihm geredet, ihm einiges erzählt, doch er hatte nur mit halben Ohr zugehört, so erschöpft war er gewesen und so beschäftigt mit der Frage, was mit Shuichon los war.

Diese lag nun friedlich vor ihm, die Nadel von einem Tropf in ihrer rechten Hand, und wirkte fast so, als würde sie nur schlafen.

Dabei war er sich außerdem im Moment noch unsicher, ob er Janyuu eine Nachricht schreiben sollte, dass Shuichon hier war, oder ob er warten sollte, bis er wusste, was ihr fehlte.

Er seufzte, wobei sein Seufzen am Ende in ein herzhaftes Gähnen überging. Er blinzelte. Es fiel ihm tatsächlich langsam schwer, noch länger wach zu bleiben.

Vorsichtig nahm er Shuichons Hand in die seine, bedacht darauf nicht an die Nadel zu kommen.

So saß er eine Weile – er hätte nicht sagen können wie lange – da und ging langsam in einen unbequemen Dämmerschlaf über, wobei ihm sein Kopf auf die Brust sackte, ehe er unbewusst den Kopf den Rand des Bettes legte.

Er schreckte auf, als die Tür geöffnet wurde.

Sein Vater kam herein.

Yuki Nobou war ein groß gewachsener Mann, dessen ohnehin hageres Gesicht mittlerweile etwas ausgemergelt erschien. Er hatte kurzes, dunkelbraunes Haar und trug einen weißen Ärztekittel. In der Hand hatte er ein Notizbrett, auf dem einige Zettel befestigt waren.

„Du solltest nach Hause gehen und dich ausruhen“, meinte er und sah seinen Sohn besorgt an. „Du brauchst Schlaf.“

Dieser schüttelte den Kopf. „Nein“, murmelte er mit matter Stimme, „ich möchte bei ihr bleiben.“

Yuki Nobou folgte dem Blick seines Sohnes, als dieser zu dem Mädchen wanderte. „Ihr fehlt nichts“, erklärte er dann und ging nun ganz zu Denrei, legte seine Hand auf dessen Schulter. „Ihre Werte sind alle normal. Sie ist wahrscheinlich nur erschöpft.“

Denrei ließ ein erleichtertes Seufzen hören, antwortete jedoch nicht.

„Du musst dir keine Sorgen um sie machen“, fuhr sein Vater so schließlich fort. „Sie wird bald aufwachen und vielleicht etwas schwach, sonst aber gesund sein.“

Daraufhin nickte Denrei und sein Vater sah ihn für eine Weile nachdenklich an.

„Du solltest wirklich nach Hause gehen“, meinte er, so sanft wie möglich. „Du bist auch erschöpft...“ Er seufzte. „Und eigentlich dürftest du nicht einmal hier sein.“

„Ich weiß“, murmelte sein Sohn schließlich. „Aber...“ Er führte den Satz nicht zu Ende.

Für einen Moment schwieg sein Vater. „Sie bedeutet dir sehr viel...“

Denrei nickte.

Da seufzte Yuki Nobu und ging zum kleinen Schrank, der an der Wand des kleinen Zimmers stand. Aus diesem holte er eine Wolldecke hervor und legte sie seinem Sohn über die Schultern. „Aber es ist eine Ausnahme“, meinte er dann nachdrücklich.

„Danke“, flüsterte Denrei.

Sein Vater erwiderte nichts, lächelte ihn aber sanft an. Dann wandte er sich ab und ging, nach einem letzten Blick, aus dem Zimmer.

Denrei stützte sich mit den Armen auf den Rand des Bettes ab und sah noch einmal zu Shuichon, deren Gesicht unverändert friedlich war. Er holte tief Luft, dann bettete er seinen Kopf auf die eigenen Arme und war bald darauf eingeschlafen.
 

Es war bereits kurz vor eins, als Mitsuo vor dem Hintereingang der Azabu Polizeistation in Minato stand und eine Zigarette rauchte. Er ärgerte sich über sich selbst, hatte aber das Gefühl, dass er ohne das Nikotin im nächsten Moment schreiend durch die Gegend laufen würde.

Einer der Polizisten, ein Junior Kommissar, kam heraus. „Sie können jetzt mit ihm Reden, Yamaki-san“, erklärte er. „Entschuldigen Sie, dass es so lange gedauert hat.“

Mitsuo nickte, ließ die Zigarette zu Boden fallen und trat sie aus, ehe er dem jungen Kommissar in das Gebäude folgte.

Im Polizeipräsidium waren viele Polizisten auf den Beinen und die Flure waren hell erleuchtet, da die Station die nächste, nicht evakuierte Station zum Ort des Vorfalls war.

„Wir haben nun alle Daten“, meinte der ältere Hauptkommissar, der nun auf Mitsuo wartete, und reichte ihm eine offensichtlich in aller Hast erstellte Akte, auch wenn sein Blick deutlich sagte, dass er diese lieber behalten hätte. „Aber Sie sollten sich eventuell beeilen – das Militär will ihn später abholen.“

Mitsuo nickte nur und sah auf die Akte, die ihm im nächsten Moment beinahe aus der Hand fiel, als er den Namen sah, mit dem sie beschriftet war: Deguchi Masahiro.

Nun spürte Mitsuo die Wut, die in ihm anschwoll. Er presste die Kiefer aneinander. Er kannte den Mann.

Deguchi Masahiro hatte bis vor eineinhalb Jahren für Hypnos gearbeitet, ehe er gekündigt hatte und danach scheinbar verschwunden war.

Mitsuo betrat den Verhörsaal, in dem der Mann, dessen Haar wirr war, während die Kleidung zerrissen und dreckig schien, mit den Handschellen an den Tisch gekettet saß und nicht mal aufblickte, als er hereinkam.

„Deguchi Masahiro-san?“, fragte Mitsuo, der den Mann nun tatsächlich als diesen erkannte.

Dieser sah nun, als die Tür sich hinter Yamaki schloss, auf: „Yamaki-chou“, begrüßte er ihn. „Ich habe mir schon gedacht, dass Sie mit mir sprechen wollen.“

Mitsuo starrte Deguchi an, dessen Blick vollkommen irr wirkte. Er hatte so viele Fragen, doch nun brauchte er erst einmal einen Moment, ehe er seine Gedanken genug gesammelt hatte, um diese zu stellen.

Er wusste, dass man ohnehin alle Gespräche, die man hier führte, aufzeichnete.

„Wieso haben Sie all das getan?“, fragte er schließlich und unterdrückte seine Wut.

Deguchi starrte ihn nur an. „Warum nicht?“, erwiderte er, wie er es – auch wenn Mitsuo dies natürlich schon wusste – auch den Tamern gegenüber getan hatte. „Ich konnte es tun, wieso sollte ich es nicht tun?“

„Es sind wegen Ihnen Menschen gestorben – viele Menschen“, sagte Mitsuo, ruhig, aber mit Nachdruck.

Der Mann ihm gegenüber zuckte nur mit den Schultern.

„Wieso haben Sie dieses Turnier veranstaltet?“, fragte Mitsuo weiter.

„Weil ich die Daten der Digimon dieser Kinder brauchte“, antwortete Deguchi, mit teilnahmsloser Stimme. „Dank meiner Arbeit bei Ihnen wusste ich dankbarer Weise ja von all den armen Kindern, die ihre Digimonpartner verstecken müssen und von deren Verzweiflung.“

„Wie haben Sie die Kinder gefunden?“

„Man muss nur wissen, wo man suchen muss, dann findet man sie schnell.“ Wieder zuckte Deguchi mit den Schultern. „Foren im Internet. Manche Orte in der Stadt...“ Diese Kinder sind überall.

Mitsuo zögerte. „Ich nehme an, dass Sie die Daten der Digivices, die Sie von Ihrer Arbeit bei uns haben, benutzt haben, richtig? Sie haben diese mit sich geschmuggelt, als sie aufgehört haben, bei uns zu arbeiten.“

„Schon vorher“, antwortete Deguchi gelassen.

Da ihm keine andere Wahl blieb, ignorierte Mitsuo den Tonfall. „Wie haben Sie es geschafft dieses Wesen zu erschaffen und zu materialisieren?“

„Ich habe die Daten der getöteten Digimon verwendet“, erwiderte der Mann. „Es war nicht sonderlich schwer.“ Er lächelte breit. „All das ist nicht schwer gewesen, sobald man eine Sache verstanden hat.“

„Und die wäre?“, fragte Mitsuo kühl.

Deguchi ließ ein leises Lachen hören. „Sind Sie darauf noch nicht gekommen, Yamaki-chou? Mit all ihrem teuren Equipment und den vielen, vielen Forschern? Ach, bitte, und sei es nur mit ein bisschen Verstand. Sie müssen es doch verstanden haben, Yamaki-chou.“

Mit wütendem Blick sah Mitsuo ihn an, doch er lachte nur wieder.

„Nun“, meinte Deguchi und gestikulierte mit seinen gefesselten Händen, so weit es ihm möglich war. „Die Sache ist eigentlich ganz einfach: Diese Welt, unsere Welt, die Welt der Menschen ist nicht real. Sie ist nicht anders, als jene ‚digitale‘ Welt da oben im Himmel. All das, was sie hier sehen, was sie fühlen – dieser Raum, die Wände, die Luft und auch diese Handfesseln – sind nur eine Simulation, eine Illusion. Das müssen Sie doch erkannt haben, Yamaki-chou.“

Ungläubig starrte Mitsuo ihn nun an. „Sie sind verrückt“, sprach er leise aus, was er ohnehin schon den gesamten Abend gedacht hatte, doch erneut lachte der Mann nur.

„Ja?“, fragte er. „Bitte, Yamaki-chou, Sie müssen es doch bemerkt haben. ‚Digitale‘ Wesen, die sich hier ‚materialisieren‘? Kinder, die mit diesen ‚digitalen‘ Wesen in unserer vermeintlich materiellen Welt verschmelzen? Ich bitte Sie! Wie hatten Sie noch gleich den Materialisierungsprozess erklärt? Quantenteleportation? Glauben Sie daran wirklich? Und nun können wir jene Welt die ganze Zeit an unserem Himmel sehen – und Sie wissen genau so gut wie ich, dass es kein einfaches Hologramm ist.“

Darauf wusste Mitsuo nichts zu erwidern.

Natürlich waren ihm ähnliche Gedanken schon oft in den vergangenen zehn Jahren gekommen. Denn während es vielleicht noch möglich war, die Materialisierung mit physikalischen Theorien zu erklären, so gab es doch so viel an den Digimon, das kaum zu erklären war. Allein die einfache Digitation der Digimon war nicht so einfach zu erklären, sobald sich diese in der realen Welt befanden – immerhin veränderten Sie ihre Gestalt, ihre Masse und ihre Eigenschaften in kürzester Zeit. Selbst die Attacken der Digimon waren nicht so einfach zu erklären – von der Verschmelzung von Mensch und Digimon gar nicht erst zu sprechen.

Sein Zweifeln war ihm offenbar anzumerken.

„Ich wusste doch, dass Sie es auch bemerkt haben“, meinte Deguchi und wirkte beinahe Schadensfroh. „Sehen Sie, Yamaki-chou, wir sind nicht real – wir leben nicht wirklich. Deswegen ist es unmöglich einen von uns zu töten. Weil wir ohnehin nie gelebt haben. Deswegen ist es egal. Es ist egal, was wir hier machen, weil es nicht real ist. Also: Wieso sollte ich nicht mächtig werden, wenn ich es möchte?“

Mitsuo sah ihn Fassungslos an. „Aber warum?“

Der Mann grinste nur. „Warum nicht?“

Daraufhin stand Mitsuo auf und verließ ohne ein weiteres Wort den Raum.

Einer der Kommisare wartete auf ihn. „Man kann mit ihm nicht reden“, meinte er und sah Mitsuo an. „Glauben Sie mir, wir haben es auch schon versucht.“

Der Angesprochene holte tief Luft, nickte dann, ehe sein Blick auf ein in einem Beweisbeutel eingetütetes Smartphone fiel, das deutlichen Schaden genommen hatte. „Das gehörte ihm, nicht?“

Der Kommissar nickte und noch bevor er etwas erwidern konnte, nahm Mitsuo die gesamte Tüte und ließ sie in der Tasche seines Jackets verschwinden. Der Polizist wollte protestieren, doch Yamaki sah ihn nur über die Gläser seiner Sonnenbrille hinweg an. „Hypnos ist Hauptleiter dieser Ermittlung“, sagte er und wandte sich ab. Er wollte wissen, was für Daten auf dem Gerät waren – und ihm wurde auch noch etwas anderes klar: Sie brauchten die Daten aus der Wohnung Deguchis, bevor das Militär sie bekam.

So verließ er das Präsidium, sein Handy schon am Ohr, ohne zu ahnen, dass das Militär, wenn es einige Stunden später Deguchi aus seiner Zelle holen wollen würde, diesen erhängt vorfinden würde.

Episode 26: Frieden finden

Episode 26: Frieden finden
 

Als psychologisches, seelisches oder mentales Trauma oder Psychotrauma (Plural Traumata, Traumen; griechisch Wunde) wird in der Psychologie eine seelische Verletzung bezeichnet. Das Wort Trauma kommt aus dem Griechischen und bedeutet allgemein Verletzung, ohne dabei eine Festlegung zu treffen, wodurch diese hervorgerufen wurde. In der Medizin wird mit dem Begriff Trauma (Medizin) eine Verwundung bezeichnet, welche durch einen Unfall oder eine Gewalteinwirkung hervorgerufen wurde.
 

                                             - Trauma, Wikipedia
 

Es war ein angenehmer Sommertag. Die Luft war warm, aber nicht heiß, da der Regen in der Nacht sie abgekühlt hatte, und auch wenn es bereits wieder schwül war, so sorgte der Wind vom Meer dafür, dass es nicht drückend wurde. Obwohl es fraglos im Verlauf des späteren Nachmittags oder des Abends regnen würde, so war das Wetter im Moment so gut, wie man es sich nur wünschen konnte.

Dennoch fühlte Takumi sich nicht besonders wohl. Es war erst wieder sein zweiter Tag in der Schule, seit den Ereignissen in Chiyoda.

Und während er nun im Klassenzimmer saß und lustlos in dem Tablett mit seinem Mittagessen herumstocherte, kam er sich fehl am Platz vor. Es war nicht mehr so einfach, wie zuvor, so zu tun, als wäre nichts, denn natürlich wusste mittlerweile jeder, dass er etwas mit den Ereignissen, von denen auch im Fernsehen berichtet worden war, zu tun gehabt hatte.

Doch anders als bisher waren nun seine Klassenkameraden wesentlich unsicherer darin, wie sie mit ihm umgehen sollten. Denn niemand wusste so genau, was passiert war, und das einzige, was sie wussten war, dass er die letzten zwei Wochen gefehlt hatte.

Selbst Ryoichi hatte bisher kaum mehr zu ihm gesagt als „Guten Morgen“ und „Tschüss“ - und das obwohl er normal kaum zu halten war.

Langsam führte Takumi einem Löffel mit Curryreis zu seinem Mund. Es war nicht so, dass er keinen Hunger hatte, doch der Appetit war es, der ihm fehlte. Er wollte einfach nur aus der Schule heraus und konnte es kaum erwarten, dass der Unterricht endete.

Er gehörte hier einfach nicht mehr her.

Dabei wusste und hoffte er, dass dieses Gefühl sich irgendwann legen würde, doch im Moment gab es so viel, dass ihn von seinen Klassen- und Teamkameraden unterschied. Sie hatten nicht gesehen, was er gesehen hatte. Sie hatte nicht dasselbe erlebt. Sie hatten von den Dingen, den Ereignissen, vielleicht gehört und einige von ihnen hatten sicherlich Angst gehabt, als sie davon gehört hatten, doch sie waren nicht da gewesen.

Sie hatten das alles nicht gesehen und wachten deshalb auch nicht jede Nacht mit Albträumen auf.

Takumi fragte sich, wie lange es gedauert hatte, bis Takato und die anderen gebraucht hatten um nach den großen Kämpfen in ihr altes Leben zurück zu kehren. Auch wenn er sich selbst kaum noch dran erinnern konnte, so wusste er doch, dass der Kampf gegen D-Reaper damals mehrere Wochen gedauert hatte. Mehrere Wochen, in denen sie nicht einmal hatten in den Häusern ihrer Familie wohnen können.

Wie kehrte man nach so etwas in sein altes Leben zurück?

Er wusste es nicht. Das einzige, was er wusste, war, dass keiner seiner Klassenkameraden ihm darauf antworten konnte.
 

Zur selben Zeit, zu der Takumi sein Mittagessen zusammen mit seinen Klassenkameraden zu sich nahm, stand Juri vor der Tür zu Takatos Apartment. Sie zögerte.

Seit den Vorfällen in Chiyoda war Takato ihr – und den anderen – aus dem Weg gegangen. Natürlich war er vorerst beurlaubt worden, bis man sich entschieden hatte, wie man weiter verfahren würde

Juri machte sich Sorgen. Sie hatte mehrfach versucht mit ihm zu reden, hatte ihn angerufen oder war vorbei gekommen, doch war er ihr immer nur aus dem Weg gegangen.

So stand sie nun vor der Tür und drückte schließlich auf die Klingel.

Keine Reaktion.

Sie seufzte.

Sie wollte sich Takato nicht aufdrängen, weshalb sie bisher gewartet hatte, doch immerhin war er ihr Freund und tief in ihrem Herzen wusste sie, dass er sie jetzt brauchte.

Noch einmal klingelte sie. „Takato?“, rief sie vorsichtig gegen die Tür. „Bist du da?“

Erneut bekam sie keine Reaktion aus dem Inneren der Wohnung, was sie nur noch besorgter machte.

„Takato?“, rief sie erneut – dieses Mal etwas lauter. Sie fischte einen Schlüssel, den sie von Takatos Eltern bekommen hatte, aus ihrer Tasche. „Ist alles in Ordnung, Takato? Kann ich reinkommen?“ Nach diesen Worten drückte sie ihr Ohr an die Tür, um vielleicht etwas zu hören. Und tatsächlich, da war etwas. Schritte. Doch es waren nicht die Schritte Takatos.

„Juri?“, hörte sie dann die Stimme Guilmons. „Juri, bist du das?“

„Ja, Guilmon-chan“, antwortete sie erleichtert. „Was ist mit Takato?“

Das Digimon schien zu zögern. „Guilmon weiß es nicht. Er... Er...“

„Kann ich reinkommen?“, fragte Juri nun vorsichtig. Sie hatte den Schlüssel, an dem ein kleiner Plastikanhänger hing, bereits fast in den Schloss gesteckt.

Noch immer schien Guilmon sich nicht ganz sicher zu sein. „Guilmon denkt schon“, meinte es schließlich mit einiger Unsicherheit in der Stimme.

Also steckte Juri den Schlüssel ins Schloss und drehte ihn um. Es war nicht abgeschlossen, so dass eine einfache Drehung reichte, ehe die Tür aufsprang.

Auf der anderen Seite, im kurzen Flur, der direkt in die Küche führte, stand Guilmon und sah sie mit großem Augen und einem eher bedrückten Blick an. Jedoch sagte es nichts, sondern sah nur kurz über seine Schultern.

Es war dunkel in der Wohnung und es schien, als wären sämtliche Vorhänge vorgezogen worden.

Vorsichtig zog sich Juri ihre Schuhe aus, ehe sie das Licht im Flur anmachte. „Wo ist Takato?“, fragte sie dann an Guilmon gewandt.

Das Digimon wandte sich der Wohnung zu. „Er liegt im Bett. Guilmon weiß nicht, was es mit ihm tun soll.“

Juri nickte. „Lass mich mit ihm reden, Guilmon-chan“, meinte sie und griff dabei in ihre Tasche, um eine kleine Tüte herauszuziehen. „Ich habe dir auch etwas mitgebracht“, sagte sie dann und nahm ein Guilmon-Brot aus der Tüte, die sie von Takatos Mutter bekommen hatte, ehe sie hierher aufgebrochen war.

Anders, als man es normal von Guilmon erwartet hätte, brach es nicht in lautes Jubeln aus, sondern sah sie nur mit großen Augen an. „Danke“, meinte es dann und nahm das Brot vorsichtig mit seinen Krallen.

„Bitte“, antwortete Juri. „Eigentlich müsstest du dich bei Matsuda-san bedanken...“ Sie brach ab und richtete sich auf. Mit einem Seufzen betrat sie die Küche, in der viele leere Plastikbecher davon zeugten, dass sich Takato in den letzten Wochen offenbar nur oder zumindest vorrangig von Instant-Ramen ernährt hatte. Sie seufzte. Dann ging sie weiter zur halb angelehnten Tür, die zum Schlaf- und Wohnzimmer der kleinen Wohnung führte.

„Takato?“, fragte sie und machte einen Schritt in das Zimmer.

Noch immer antwortete er ihr nicht, doch sie konnte seinen Umriss nun unter der Bettdecke erkennen.

Noch einmal seufzte sie leise. Dann ging sie zum Fenster und schob die Vorhänge zur Seite und kippte das Fenster, ehe sie sich dem Bett zuwandte.

„Takato“, begann sie vorsichtig und setzt sich auf den Rand des Bettes. „Du kannst hier nicht für immer so liegen bleiben und dich verstecken. Das weißt du, oder?“

Noch immer reagierte er nicht sofort, doch nach einigen Sekunden drehte er sich langsam zu ihr um und sah sie mit müden Augen an, so als hätte er, obwohl er seine Wohnung seit zwei Wochen nicht wirklich verlassen hatte, kaum geschlafen. „Du hättest nicht kommen sollen, Juri“, meinte er dann und drehte sich wieder um.

Juri war verunsichert, doch sie war extra hergekommen und hatte sich dabei vorgenommen, sich nicht erneut abwimmeln zu lassen. Es war nun an ihr, auch einmal etwas für Takato zu tun, nach allem, was er in den vergangenen Jahren für sie getan hatte.

„Irgendjemand musste sich um dich kümmern“, meinte sie energisch. „Du kannst dich hier nicht weiter verkriechen. Wieso tust du das überhaupt? Das bist nicht du, Takato.“ Damit riss sie ihm die Decke weg, die er halb über seinen Kopf gezogen hatte.

„Lass mich“, protestierte er und rollte sich zusammen. Er schien nicht genug Energie zu haben, um sich zu wehren.

„Nein“, antwortete sie bestimmt. „Ich lasse dich nicht in Ruhe. Deine Eltern machen sich Sorgen um dich. Die anderen machen sich Sorgen um dich. Ich mache mir Sorgen um dich!“

Darauf erwiderte Takato nichts.

„Du musst wieder hier heraus“, fuhr Juri fort. „Du kannst dich nicht verstecken.“

„Ich verstecke mich nicht“, antwortete Takato, jedoch weiter ohne sie anzusehen.

„Und wieso bist du seit zwei Wochen nicht mehr draußen gewesen?“, entgegnete Juri.

„Weil ich beurlaubt bin“, murmelte der junge Mann kaum hörbar. „Was soll ich draußen?“

„Dich mit deinen Freunden treffen? Dich mit mir treffen?“, antwortete sie. „Was du auch sonst immer getan hast.“

Erneut schwieg er nur und zog seine nackten Beine nur noch näher an seinen Körper heran.

Juri holte tief Luft. Dann legte sie ihm die Hand auf die Schulter. Sie wusste zumindest grob, was in ihm vorging, und auch, dass sie ihn nicht davon abbrachte, indem sie ihn anschrieb und dazu zwang rauszugehen. „Takato, ich weiß, wie du dich fühlst... Aber du...“

„Du weißt gar nichts“, fuhr er sie an und drehte sich auf einmal zu ihr herum. „Du warst nicht einmal da! Ich habe versucht den Kerl zu töten und... Ich...“ Er senkte die Stimme und brach schließlich ab, als er sah, wie sie instinktiv zurückgewichen war. Erst jetzt bemerkte er, dass er aufgestanden war und ließ sich wieder auf das Bett sinken. „Es tut mir leid...“, murmelte er dann und rieb sich die Augen. „Es tut mir leid, Juri...“ Er schüttelte den Kopf. „Aber... Du warst nicht da. Du hast nicht gesehen, wie ich...“

„Ich weiß aber, was passiert ist“, antwortete sie. „Aber egal, was du versucht hast... Du hast ihn nicht getötet!“

„Ja“, murmelte er, „aber wenn Denrei nicht gewesen wäre, hätte ich es getan.“

„Aber es ist nicht passiert.“ Juri legte ihm erneut die Hand auf die Schulter. „Es ist nicht passiert. Du hast es nicht getan.“

„Nein“, erwiderte er. „Aber weißt du... Als sich die Verbindung zwischen Guilmon und mir aufgelöst hat, habe ich mir gewünscht, ich hätte es getan.“
 

Takumi fühlte sich befreit, als Endlich die Schulglocke klingelte und ihn und seine Mitschüler in den Nachmittag entließ.

Hastig packte er seine Sachen in die Schultasche und sprang auf, als er hörte, wie jemand seinen Namen rief.

„Hey, Shirou-kun, warte doch mal“, meinte Hiro und ging auf ihn zu. „Ich... Äh...“ Er schien verunsichert, als sich Takumi tatsächlich umdrehte. „Du warst ja nicht da und äh... Geht es dir mittlerweile besser?“

Takumi zuckte nur mit den Schultern.

„Also wenn du von den zweit Wochen irgendwelche Hausaufgaben brauchst“, begann Hiro dann, „frag mich ruhig, ja?“

„Danke“, meinte Takumi matt. „Aber mein Vater hat mir bereits die Unterlagen der anderen Lehrer nach Hause gebracht.“

„Ach so“, erwiderte sein Klassenkamerad. „Ja, ist klar.“

Takumi bemerkte, dass auch Ryoichi und Takeshi zurückgeblieben waren, während alle anderen bereits aus der Klasse geströmt waren, auch wenn sie Abstand hielten.

Schließlich nahm er seine Tasche. „Ich werde jetzt gehen. Bis morgen.“

„Warte, Shirou-kun“, meinte Hiro. „Was... Was wir dich fragen wollten. Du hast doch einen Digimon-Partner. Und, ähm, wir wollten dich fragen, ob wir ihn mal treffen können?“

Takumi zögerte. Damit hatte er nicht wirklich gerechnet. Auch wenn es vielleicht gar nicht so überraschend sein sollte. Immerhin gab es trotz allem relativ wenig Tamer in Tokyo, verglich man es mit der Zahl der Menschen, und nicht alle wilden Digimon ließen sich gerne aus der Nähe betrachten.

„Ähm“, begann er selbst unsicher. „Vielleicht später einmal, denke ich. Nur... Äh... Heute nicht. Ich... Ich habe etwas anderes vor.“

„Ach so“, erwiderte Hiro. „Das macht nichts... Ähm. Sag einfach Bescheid, wenn du Zeit hast, ja?“

Takumi nickte. „In Ordnung“, antwortete er. „Bis morgen.“

„Bis morgen“, meinte Hiro, während Takeshi und Ryoichi nur nickten.

Mit einem letzten unschlüssigen Blick auf die zurück, verließ Takumi schließlich das Klassenzimmer und lief dann mit schnellem Schritt den Schulflur hinab und zur Treppe.
 

Es war kurz vor halb vier, als Takumi schließlich zusammen mit Kotemon an der Ikebokuro-Station ausstieg, um sich auf den Weg zum Apartmentkomplex, in dem Rin und ihre Eltern lebten, zu machen.

Mittlerweile waren einige Wolken am Himmel aufgezogen und der Wind war stärker geworden, auch wenn es noch nicht regnete und noch immer der ein oder andere Sonnenstrahl seinen Weg auf die vielen Häuser der Metropole fand.

„Hey, Kleiner“, hörte Takumi eine vertraute Stimme, kaum, dass er den Bahnhof verlassen hatte.

Es war Impmon, das zusammen mit Ai offenbar vor dem Bahnhof auf sie gewartet hatte.

„Hey“, erwiderte Takumi matt und sah zu dem Mädchen, während es zu ihm aufschloss. „Makoto?“ Er hatte Ais Zwillingsbruder seit dem Vorfall in Chiyoda nicht mehr gesehen, was ihn an sich nur bedingt verwnderte.

Ai schüttelte den Kopf. „Er sagt, er müsse noch Hausaufgaben erledigen.“

Darauf erwiderte der Junge nichts, weil es nicht viel zu sagen gab. Er konnte sich nur annähernd vorstellen, was in Makoto vor sich ging. Wenn er daran dachte, wie es für ihn gewesen sein musste, als Ai mit Impmon verschmolzen war. Seinen Partner auf diese Art zu verlieren, war vielleicht sogar grausamer, als zusehen zu müssen, wie der Partner besiegt wurde.

Schweigend liefen sie nebeneinander her.

„Wie war es in der Schule?“, fragte Ai schließlich, als wolle die das Schweigen brechen, doch Takumi zuckte nur mit den Schultern.

„Es ging“, murmelte er. „Bei dir?“

Auch Ai antwortete nur mit einem Schulterzucken.

Erneut herrschte Schweigen zwischen ihnen. Es war schwer, über das zu sprechen, was sie fraglos beide bedrückte. Auch wenn es schon zwei Wochen her war, steckten ihnen die Ereignisse aus Chiyoda noch immer in den Knochen.

Keiner von ihnen hatte damit gerechnet, dass so etwas passieren würde - nicht so. Sie hatten viel erwartet, aber nicht diese Zerstörung.

Und die Wahrheit war, dass zumindest Takumi nicht anders konnte, als an die Worte des „Meisters der Spiele“ zu denken. „Es ist alles nicht mehr als eine Illusion!“, hatte er gesagt und Takumi verstand noch immer nicht wirklich, was es heißen sollte. Und doch kam er nicht umher darüber nachzudenken und sich zu fragen, was es bedeuten konnte und warum es diesen Mann dazu gebracht hatte, diese Dinge zu tun.

Wahrscheinlich war er nur ein Verrückter gewesen...

Und wahrscheinlich waren all das nicht die Dinge, über die ein 14jähriger nachdenken sollte.

Aber dennoch gingen sie ihm nicht aus dem Kopf.

Schließlich erreichten sie den Duplex Tower, den sie zu dieser Zeit einfach betreten konnten. Ein uniformierter Wachmann in der Eingangshalle des Apartmentkomplex grüßte sie kurz und höflich, ehe sie einen Aufzug nahmen und weniger als zwei Minuten später vor der Wohnungstür der Okamura-Residenz standen.

Es dauerte nicht lang, bis Rin öffnete.

„Hallo“, meinte sie mit matter Stimme. Anders als Takumi und Ai trug sie ihre Schuluniform nicht mehr.

„Hey“, erwiderten die beiden anderen Tamer und ihre Digimon synchron.

„Ihr könnt reinkommen.“ Rin trat zur Seite, um sie hinein zu lassen.

„Deine Eltern...“, begann Ai, doch Rin schüttelte nur den Kopf.

Sowohl Ai, als auch Takumi, zogen ihre Schuhe aus und schlüpften in für Gäste bereit stehende Pantoffeln.

Wie schon die letzten Male, als Takumi hier gewesen war, war die Wohnung beinahe gespenstisch ruhig und er kam nicht umher sich zu fragen, wieso Rins Eltern sie selbst jetzt alleine ließen. Doch auch diese Frage, traute er sich nicht laut zu stellen.

„Hatte dein Vater eigentlich nichts dagegen, dass du herkommst?“, fragte schließlich Impmon, während die Tamer ins Wohnzimmer gingen, an Takumi gewandt.

„Nein“, erwiderte Takumi leise. „Seit... Seit der Sache hat er mir weder etwas verboten, noch mich zu irgendetwas ermahnt...“ Er schwieg kurz. „Es ist seltsam.“

Es herrschte Schweigen, so dass man beinahe meinen konnte, dass es zwecklos für sie war, sich zu treffen, wenn sie nicht redeten. Immerhin war es jeden von ihnen klar, dass einige Fragen zwischen ihnen im Raum standen. Fragen, die sich aus den vergangenen Ereignissen ergeben hatten.

Doch im Moment waren sie noch nicht bereit, darüber zu reden, so dass ein stilles Einverständnis zwischen ihnen herrschte, die Fragen noch nicht zu stellen. Deswegen redeten sie nicht über Makoto, über Takumis Vater oder Rins Eltern und vor allem nicht über den Kampf in Chiyoda. Selbst die Digimon, die all das anders wahrgenommen hatten, als die Jugendlichen, schienen das zu verstehen.

Dennoch waren sie, wenngleich ratlos, nicht so nervös, wie es ihre Takumis Klassenkameraden oder ihre Eltern waren. Wenngleich die Stille zwischen ihnen bedrückt war, so erschien sie doch nicht unangenehm.
 

Während der Dämmerung begann es schließlich zu regnen. Mit einem Seufzen sah Denrei aus dem Fenster, gegen das nun schwere Tropfen schlugen. Er saß derweil an seinem Schreibtisch, der unter dem großen Fenster seines Zimmers stand, und versuchte sich auf seinen PC zu konzentrieren.

Auch wenn er sicher einige Sachen lieber getan hätte, so hatte er keine Wahl: Er musste den Stoff der verpassten zwei Monate irgendwie versuchen aufzuholen. Weshalb er, seit sie in die reale Welt zurückgekehrt waren, mehr Zeit in seinem Zimmer und der Universität verbracht hatte, als irgendwo anders. Da half es auch nicht, dass sich Dracomon, das nun auf seinem Bett lag und schlummerte, mehrfach beschwert hatte, dass ihm langweilig war.

Gerade wollte er sich wieder einer der Hausaufgaben, die eigentlich vom Anfang des Semesters war, zuwenden, als es an der Tür des Apartments, in dem er mit seinem Vater lebte, klingelte.

Dies weckte Dracomon, das sich neugierig umsah, und brachte Denrei dazu aufzustehen, da sein Vater noch auf der Arbeit war. Auch wenn er sich fragte, wer um diese Zeit klingeln könnte.

Auf dem Weg zur Tür folgte ihm Dracomon.

„Ich hätte es wissen müssen“, murmelte Denrei, als er die Tür öffnete, und Shuichon draußen stand.

Sie trug noch immer die grüne Matrosenuniform ihrer Schule und schien noch nicht zuhause gewesen zu sein.

„Hey“, meinte sie und lächelte ihn an, während sie ihren Schirm ausschüttelte und unaufgefordert hereinkam. „Ich dachte, du könntest etwas Abwechselung gebrauchen.“

Verlegen kratzte sich Denrei am Hinterkopf. „Ich muss lernen...“, murmelte er.

„Moumantai“, erwiderte Lopmon, das nun von Shuichons Schulter sprang und entgeistert seine Ohren hob, die offenbar trotz des Schirms etwas nass geworden waren. „Gib zu, dass du keine Lust hast.“

Da bemerkte Dracomon eine Plastiktüte, die Shuichon dabei hatte. Es schnüffelte daran. „Essen!“, rief es erheitert aus. „Ich habe Hunger“, stellte es dann fest, als wäre es ihm erst gerade aufgefallen.

Shuichons Lächeln wurde breiter. „Das habe ich mir schon gedacht.“

„Wahrscheinlich weil es immer Hunger hat“, antwortete Denrei.

Das Mädchen zwinkerte. „Vielleicht.“

„Gar nicht wahr“, protestierte Dracomon, woraufhin allerdings Lopmon auf seinem Kopf landete.

„Vielleicht nicht immer“, kommentierte es, „aber zumindest meistens.“

Das kleine Drachendigimon schien zu überlegen. „Na ja, vielleicht“, gab es dann kleinlaut zu.

„Und du bist sicher auch hungrig“, meinte Shuichon dann an Denrei gewandt und bugsierte ihn in Richtung der Couch des offenen Wohnzimmers und er ließ es geschehen, da er wusste, dass Widerstand zwecklos war.

Zugegebener Maßen war er froh über eine Ausrede, eine kleine Pause zu machen, und nicht minder froh darüber, seine Freundin wiederzusehen.

„Wie ist es in der Schule?“, fragte er so schließlich, während er sich auf das Sofa sinken ließ und Shuichon begann ihre Tasche auf dem Esstisch neben der Fernsehecke auszupacken.

„Na wie wohl“, meinte sie. „Ziemlich langweilig.“

„Und ich dachte, du gehst gerne dorthin“, erwiderte Denrei.

„Nicht, wenn ich zwei Monate Stoff verpasst habe und den nun aufholen soll“, grummelte sie. „Als ob wir nichts besseres zu tun haben.“

„Nicht zu vergessen, dass du dich auf einige Aufnahmeprüfungen vorbereiten solltest.“ Leicht grinsend beobachtete er, wie sie bei diesem Gedanken die Schultern hängen ließ.

„Fang bloß damit nicht an“, seufzte sie. Dann verschwand sie in der Küche um Teller zu holen, was ein wenig übertrieben wirkte, wenn man bedachte, dass sie offenbar Burger und anderes Fastfood geholt hatte. Doch andererseits war es auch die einzige Möglichkeit Hamburger Dracomon zu servieren, ohne, dass es das Papier aß oder eine riesige Sauerei veranstaltete.

„Mach den Fernseher an“, meinte sie schließlich, als sie die Teller auf den niedrigen Couchtisch abstellte.

Denrei zuckte mit den Schultern und griff nach der Fernbedienung. „Willst du irgendetwas bestimmtes sehen?“

„Ruki und Ryou“, meinte Shuichon und nahm ihm die Fernbedienung an, während das Gerät mit langsam heller werdenden Bildschirm anging. Sie schaltete auf Fuji TV um, wo offenbar erneut über die Vorfälle von vor zwei Wochen berichtet wurde.

„Die Aufräumarbeiten in Chiyoda halten noch immer an“, erklärte eine recht junge Reporterin, deren Haare blond gefärbt waren, gerade, während hinter ihr einige Bilder der Trümmer, die vom Kampf gegen Metamormon übrig geblieben waren, gezeigt worden. „Insgesamt wird der Schaden bisher auf mehr als eine Milliarde Yen geschätzt.“ Ein Schnitt erfolgte und das Bild wechselte die normale Studioansicht zurück.

„Danke für Ihre Ausführungen, Fumihato-san“, meinte ein etwas älterer Moderator. Er sah auf seine Karten und wandte den Blick dann wieder der Kamera zu. „So sieht es aktuell um die Lage in Chiyoda aus, nachdem dort vor zwei Wochen ein Digimon mehrere Menschen angegriffen hat. Nun bei uns sind Makino Ruki und Akiyama Ryou. Beide sind sogenannte Digimon Tamer und waren bei den Angriffen dabei. Akiyama-san arbeitet darüber hinaus für Hypnos, die Digimon-Überwachungsbehörde unserer Regierung.“ Es wurde ein wenig von ihm weggezoomt, so dass man nun Ruki und Ryou sehen konnte, die an einem Pult neben dem seinen Standen.

„Makino-san, Akiyama-san, wir bedanken uns, dass Sie heute hier sein konnten.“ Der Moderator machte eine kurze Verbeugung in ihre Richtung.

„Vielen Dank, dass Sie uns eingeladen haben“, erwiderte Ruki förmlich.

„Nun haben stellen sich sicher einige unserer Zuschauer dieselben Fragen, die auch schon mehrfach in den Vergangenen Wochen gestellt wurden. Nachdem es nun der dritte Vorfall in kurzer war, bei dem Digimon Menschen angegriffen haben, beharrt die Regierung bislang weiterhin darauf, dass die Digimon an sich nicht gefährlich seien. Wie stehen Sie zu dieser Aussage?“

„Wir stehen weiterhin hinter dieser Aussage“, antwortete Ryou mit einem etwas frostigen Tonfall. „Die Vorfälle wurden durch Menschen ausgelöst, die Digimon auf andere Menschen gehetzt haben. Zumal das Digimon, das für den Vorfall vor zwei Wochen verantwortlich war, sogar willentlich von einem Menschen erschaffen wurde.“

„Aber wenn ein Mensch – ein Tamer – derartige Kontrolle über ein Digimon haben kann, ist es dann nicht falsch, die Digimon in der Obhut von Kindern zu lassen?“, fragte der Moderator weiter, während Denrei und Shuichon vor dem Fernseher sich ansahen.

Shuichon verzog das Gesicht, während nun sogar Dracomon, das noch immer mit den Hamburgern beschäftigt war, aufsah.

„Das klingt nicht, als ob er überhaupt eine richtige Antwort möchte“, kommentierte Lopmon und hob seine Ohren kurz an, ehe es sie wieder schlapp über die Sofalehne hängen ließ.

Gedankenverloren nickte Denrei. Zumindest dieser Moderator – oder wer auch immer die Fragen aufgeschrieben hatte – hatte sich seine Meinung schon lange gebildet. Doch das wirklich traurige war, dass es wahrscheinlich vielen anderen Menschen in Tokyo nicht anders ging.
 

Tatsächlich sollte Lopmon recht behalten. Denn die kommenden Fragen des Moderators gingen alle in dieselbe Richtung, während alle Einwände bezüglich dessen, dass es nur zwei nun aufeinanderfolgende Ausnahmefälle gewesen waren, die beide von wahrscheinlich psychisch beeinträchtigten Menschen ausgegangen waren, ignoriert wurden, wie auch Aussagen, bezüglich der geringen Akzeptanz, die das Turnier und dadurch auch den Chiyoda-Vorfall erst möglich gemacht hatten.

Ryou hatte mit jeder Frage stärker mit sich kämpfen müssen, um die Beherrschung zu bewahren. Am liebsten hätte er den Moderator angeschrien, doch nachdem Yamaki am Vormittag eine geschlagene Stunde auf ihn eingeredet hatte, damit er genau dies nicht tat, hatte er sich bemüht und es irgendwie geschafft, sich zu beherrschen.

Zum Glück war Ruki souverän und hatte trocken und sachlich auf die Fragen geantwortet – auch wenn es wenig gebracht hatte.

Erleichtert atmete er auf, als er schließlich das Studio verließ und auf den Flur des Fernsehsenders hinausging. Er hatte nach dem Interview noch einmal mit dem Programmredakteur sprechen müssen und sich danach ein neues Hemd angezogen und sein Gesicht gewaschen. Schläfrig torkelte nun Monodramon, das nicht mit vor die Kamera gedurft hatte, neben ihm her, als er plötzlich stehen blieb.

Sein Herz machte einen Hüpfer. „Ruki“, murmelte er überrascht, als er die junge Frau vor der Glasfront am Rand des Flurs stehen und in den Regen hinaussehen sah. „Ich dachte, du wärst schon gegangen.“ Damit ging er zu ihr hinüber, während sie sich zu ihm umdrehte.

„Ich habe auf dich gewartet“, erwiderte sie.

Unsicher was er darauf sagen sollte, nachdem sie ihm seit Wochen nur die kalte Schulter zeigte, lächelte er vorsichtig.

„Begleitest du mich zur Aussichtsplattform?“, fragte sie und er zuckte mit den Schulter.

„Sicher. Natürlich.“ Dabei bemerkte er, dass seine Stimme noch immer unsicher klang.

Monodramon schien weniger begeistert. Ryou merkte, wie es ansetzte, um sich zu beschweren, da es wahrscheinlich nach Hause wollte, doch er warf ihm einen warnenden Blick zu und das Digimon schwieg, wenngleich es missmutig dreinblickte.

So machten sich die beiden auf den Weg zum Aufzug, der auf die Aussichtsplattform hinausfuhr, die – so vermutete Ryou – ziemlich leer sein würde. Immerhin waren keine Führungen mehr und dank des schlechten Wetters, würde man ohnehin nicht sehr weit sehen.

Ruki redete nicht und Ryou war sich unsicher, ob er etwas sagen sollte. Er wollte sie nicht wieder verärgern, was er mit jedem zweiten Wort jedoch meist zu tun schien. So stand er unschlüssig, die Hände in seine Hosentaschen gesteckt, neben ihr, während sie im Aufzug auf die Aussichtsplattform in der oberen Hälfte des runden Aufsatzes auf dem Gebäude der Fernsehstation hinauffuhren.

Schließlich öffnete blieb der Aufzug stehen und die Türen öffneten sich mit einem leisen „Pling“. Kurz zögerten sie beide, doch dann trat Ruki, die Arme vor der Brust verschränkt hinaus.

Tatsächlich war außer ihnen keiner hier, auch wenn der hohe Raum noch immer erleuchtet war.

Am runden Glasdach lief der Regen hinunter.

Ruki ging zum Rand dieser untersten Aufsichtsebene und lehnte sich gegen das Geländer, um hinauszusehen – auch wenn es dank Regen und Dunkelheit wenig zu sehen gab.

Nachdem so eine Weile schweigen herrschte, stellte sich Ryou neben sie. „Wollen wir vielleicht nachher noch etwas essen gehen?“, fragte er vorsichtig.

Leise seufzte sie. „Nein“, antwortete sie schließlich und sah ihn an. Für einen Moment schwieg sie, dann setzte sie nun selbst unsicher an: „Ryou, ich wollte mit dir reden.“

Ryou schluckte. Etwas an ihrem Ton gefiel ihm nicht. „Worüber denn?“, fragte er und versuchte sich nichts anmerken zu lassen.

Sie wich seinem Blick aus und wandte sich schließlich wieder dem Glas zu, auf dem sich ihr Gesicht spiegelte. „Ich... Weißt du, es war nicht fair, wie ich dich in den letzten Wochen... Monaten behandelt habe“, meinte sie.

Darauf erwiderte Ryou nichts.

„Vor allem, weil ich nicht mit dir geredet habe“, fuhr sie leise fort und seufzte. Dann sah sie ihn schließlich wieder an. „Die Sache ist nur, dass ich unsicher bin... War... Ich war unsicher, was wollte und ob ich... Ob ich glücklich bin... Sein kann.“

Ryou merkte, dass sein Herz für einen Schlag aussetzte. Er wusste, was kommen würde, doch er hätte alles darum gegeben, dass es anders sein würde. Lieber, so sagte er sich, würde er die furchtbare Unsicherheit für weitere Wochen ertragen. „Ruki“, begann er vorsichtig, doch sie schüttelte nur den Kopf.

„Es tut mir leid, Ryou“, meinte sie mit heiserer Stimme. „Ich bin so nicht glücklich. Ich... Ich mache Schluss. Es tut mir wirklich leid.“ Damit wandte sie sich rasch ab und wollte gehen, doch er hielt sie mit einer Hand auf der Schulter zurück.

„Warte, Ruki“, begann er verzweifelt. „Es muss nicht so sein! Ruki, ich kann mich ändern.“

Doch sie schüttelte nur den Kopf. „Es liegt nicht an dir, Ryou“, sagte sie, ohne ihn anzusehen. „Es liegt an mir.“

Damit lief zur Treppe, die als Alternative zum Aufzug von der Plattform hinabführte. Dort wartete Renamon auf sie.

Ryou starrte ihr hinterher, wie sie durch die Tür ging, ohne sich noch einmal zu ihm umzudrehen, bis sich die Tür hinter ihr schloss. Er hatte es schon lange geahnt, aber dennoch... Das Stechen in seiner Brust schien beinahe unerträglich.

Er zwang sich, sich von der Tür abzuwenden und drehte sich zur Glaswand, um seine eigene Reflektion anzustarren. „Verdammt“, flüsterte er dann und konnte nicht verhindern, dass eine einzelne Träne über seine Wange rann.

Episode 27: Beben

Episode 27: Beben
 

Jedes Mal wenn ich sehe, wie sich die Kinder entwickelt haben – Jenrya, Shuichon und ihre Freunde – beginne ich mich zu fragen, inwieweit es unsere Schuld ist. Auch wenn sie es wohl nie auf dieselbe Art sehen werden, wie wir erwachsenen, so wurde ihr Leben so sehr von unserm Schulprojekt beeinflusst und das auf mehr als eine Art. Sie haben gute Freunde in den Digimon gefunden, doch nicht nur das... Dank den Digimon haben sie schon in so jungen Jahren Dinge erlebt, die Kinder nicht erleben sollten. Vielleicht sind sie damals daran gewachsen, doch ich fürchte, was damals begonnen hat, hört niemals auf...
 

                                             - Lee Janyuu
 

Es war noch dunkel und nur ein wenig Licht von den Straßenlaternen leuchtete durch einen Spalt in den Vorhängen in das Zimmer, als Takumi schwer atmend aus dem Schlaf hochschreckte und sich erschrocken aufrichtete.

Er brauchte etwas, um sich daran zu erinnern, dass er in seinem Zimmer war. Langsam fasste er sich an die Brust und bemühte sich, sich zu beruhigen.

„Was ist los, Takumi?“, fragte Kotemon, das es bevorzugte auf einem Futon neben Takumis Bett zu schlafen, leise und richtete sich nun ebenfalls auf. Seine Augen schienen im Dunkeln noch mehr zu leuchten, als bei Tag.

Der Junge öffnete den Mund, wie um zu antworten, doch er brachte im ersten Moment kein Wort heraus. So schloss er den Mund wieder und schluckte, ehe er schließlich sprach. „Mein Herz klopft so schnell...“, brachte er heiser hervor. Seine Hand verkrampfte sich etwas an seiner Brust und krallte sich in den Stoff seines Pyjamas. „Es hört nicht auf.“

„Hattest du wieder einen Alptraum?“, fragte Kotemon leise.

Seit dem Vorfall in Chiyoda war Takumi mehrfach in jeder Nacht aufgewacht, nassgeschwitzt und mit schnellem Atem. Was – auch wenn Kotemon das nicht wusste – kaum verwunderlich war, nach allem was der gerade einmal 14jährige gesehen hatte.

Takumi zögerte mit seiner Antwort. „Ich glaube schon“, flüsterte er schließlich. Er schüttelte den Kopf. „Ich kann mich nicht wirklich erinnern. Ich weiß nur...“ Statt weiterzusprechen brach er ab und sah auf den Spalt der Gardinen. „Meine Brust tut weh...“

Nun war es Kotemon, das zögerte. Immerhin verstand es so wenig über die Menschen, wenn es zu diesen Dingen kam. Es war sich selbst nicht einmal sicher, ob es etwas hatte, dass mit einem menschlichen Herz vergleichbar war. „Vielleicht solltest du deine Eltern wecken“, meinte es schließlich vorsichtig.

Takumi schüttelte den Kopf. „Es geht schon.“ Noch ein paar Mal atmete er tief durch. Dann schob er schließlich seine Füße aus dem Bett. „Ich gehe etwas trinken.“

So stand er auf und ging zur Tür seines Zimmers.

Nach kurzem zögern folgte ihm Kotemon. Es kam nicht umher sich Sorgen um seinen Partner zu machen. Immerhin verhielt er sich seit den Dingen, die passiert waren, so anders. Er war viel ruhiger und rede wenig – auch wenn er davor schon nicht viel geredet hatte.

Da es selbst kein Mensch war, verstand es nicht wirklich, wieso die Ereignisse Takumi und auch die anderen so verändert hatten. Es hatte zwar verstanden, dass Menschen bei weitem nicht so an Tod und Zerstörung gewohnt waren, wie Digimon, und das sie das verstörte, doch die genauen Zusammenhänge der menschlichen Psyche blieben ihm ein Rätsel.

Takumi stand derweil an der Spüle und füllte sich ein Glas mit Leitungswasser. Nachdem er den Wasserhahn ausgestellt hatte, trank er in drei gierigen Schlucken und sah dann aus dem Fenster über der Spüle, als würde er Kotemon gar nicht bemerken.

Das kleine Digimon ließ die Schultern hängen. „Takumi...“, flüsterte es leise.

Heimlich fragte es sich, was mit seinem Partner passieren würde, wenn noch nicht alles vorbei war und noch weitere Dinge passieren würden. Würde es Takumi dann noch schlechter gehen?
 

Es war Samstagmorgen und die Sonne schien in die Küche der Lee-Familie. Janyuu hatte eine Tageszeitung aufgeschlagen, während auf dem Tisch vor ihm eine Tasse dampfender Kaffee und ein bisher unbenutzter Teller stand.

Der Toaster klackte und Mayuri, die ohnehin noch stand, da sie sich selbst Tee kochte, ging hinüber und legte ihrem Mann eins der Toaste auf den Teller.

Janyuu faltete die Zeitung zusammen, um später weiterzulesen, und wandte sich dem Toast zu, während sich Mayuri nun auch mit einer Tasse Tee zu ihm setzte.

Sie hatte auch sich ein Toast auf den Teller gesetzt, doch bevor sie begann sich dieses zu beschmieren, sah sie durch die offene Tür ins Wohnzimmer. „Es ist ruhig, mittlerweile, nicht?“

Janyuu trank einen Schluck Kaffee, um nicht sofort antworten zu müssen. Tatsächlich schien die Wohnung der Familie mittlerweile zu ruhig. Doch von ihren Kindern wohnte einzig Shuichon noch hier. Rinchei arbeitete mittlerweile in Yokohama, Jaarin hatte letztes Jahr selbst geheiratet und da Jenrya in den USA studierte war auch er nicht mehr im Haus. Und was Shuichon anging, so merkte man nun, da sie wieder da war, kaum einen Unterschied zu der Zeit, die sie in der digitalen Welt verbracht hatte.

Natürlich wusste er, dass es seine Frau bedrückte, auch wenn er vermutete, dass es sie mehr bedrückt hätte, wenn sie keinen festen Beruf und damit zumindest unter der Woche ausreichend Ablenkung gehabt hätte.

„Nun“, meinte er schließlich nach einem kurzen Räuspern, „die Ruhe kann auch einmal angenehm sein.“

„Ja, vielleicht“, antwortete Mayuri halbherzig und trank dabei selbst einen Schluck Tee, ehe sie sich daran machte, ihr Toast mit Marmelade zu beschmieren.

„Kinder werden erwachsen“, murmelte Janyuu, was seine Frau dazu brachte, inne zu halten.

„Ja, aber Jenrya und Shuichon sind noch nicht erwachsen“, erwiderte sie und er kannte sie gut genug, um die Spur von Bitterkeit aus ihrer Stimme herauszuhören, die unverkennbar da war, selbst wenn jemand anderes sie nicht bemerkt hätte.

„Aber Jenrya ist alt genug, um für sich selbst zu Sorgen“, meinte Janyuu. „Er ist bereits volljährig.“

„Das ist aber nicht der Grund, warum er gegangen ist“, entgegnete Mayuri. „Du weißt das genau so gut wie ich... Ich... Wir hätten uns besser um ihn kümmern sollen.“

Wieder versteckte Janyuu sich halb hinter seiner Kaffeetasse. Er wusste, dass mancher Hinsicht seine Frau Recht hatte, denn ihm war sehr wohl klar, dass Jenrya aus Wut auf die Welt um sich herum gegangen war und sich von seinen Freunden zurückgezogen hatte – doch als er angefangen hatte sich zurückzuziehen, war er auch weit über den Punkt hinaus gewesen, dass er Hilfe von irgendjemanden angenommen hätte.

„Er muss seinen eigenen Weg finden“, meinte Janyuu schließlich zurückhaltend.

„Natürlich, aber...“ Mayuri hielt inne, denn sie konnten hören, wie Schritte den Flur zum Wohnzimmer hinabkamen, ehe Shuichon schließlich – bereits voll bekleidet – ins Wohnzimmer kam und zur Küche hinüberlief.

„Guten Morgen“, rief sie fröhlich aus, während Lopmon schlaff und offenbar müde von ihrer Schulter hing.

„Guten Morgen“, kam es von ihren Eltern weitaus weniger energetisch zurück.

„Du bist schon früh auf“, stellte Mayuri fest – immerhin war Shuichon eine leidenschaftliche Langschläferin.

Das Mädchen ließ sich nicht beirren. Sie war dabei sich selbst mit dem noch heißen Wasser einen Tee zu bereiten, den sie, ohne ihn lange ziehen zu lassen, an eine Wand gelehnt, schnell zu trinken begann, während sie darauf wartete, das zwei Toastscheiben fertig geröstet waren. „Ich habe mich mit Denrei und Shoji im Park verabredet.“

„Willst du nicht einmal am Wochenende zuhause bleiben?“, fragte Mayuri vorsichtig.

Shuichon zögerte. Es zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab, dass sie ein schlechtes Gewissen gegenüber ihren Eltern hatte. „Vielleicht... Nächstes Wochenende“, meinte sie dann vorsichtig. Dann lächelte sie wieder breit. „Moumantai, O-kaa-san.“

Da schnellten ihre Toastscheiben aus dem Toaster hoch und sie nahm sie sich, um sie direkt am Tisch stehend zu beschmieren. Dann gab sie eins der beiden Brote Lopmon und wandte sich ab. „Ich gehe schon mal los. Habt einen schönen Tag, ja?“ Nach kurzem Zögern wandte sie sich noch einmal ihren Eltern zu und gab ihrer Mutter einen verhaltenen Kuss auf die Stirn, ehe sie durch die andere Tür die Küche in die Diele der Wohnung verließ.

Nicht viel später hörten sie, wie sich die Wohnungstür öffnete und wieder schloss.

Mayuri seufzte und Janyuu wusste warum. Nach gut zwei Monaten in der digitalen Welt war Shuichon wieder zuhause, doch man merkte es kaum, da sie, wenn sie nicht in der Schule war, meistens die meiste Zeit mit ihren Freunden und nicht selten sogar die Nächte bei Denrei verbrachte.

Schließlich streckte er seine Hand aus und legte sie auf die Hand seiner Frau. „Wir können nichts daran machen“, meinte er. Dann schenkte er ihr ein Lächeln. „Komm, lass uns heute auch einmal rausgehen und wieder etwas zusammen machen. Immerhin haben wir nun dafür Zeit.“ Und müssen uns dabei keine zu großen Sorgen um unsere Kinder machen, fügte er in Gedanken hinzu, da er die Wochen ohne Nachricht aus der digitalen Welt nur zu gut in Erinnerung hatte.

Noch einmal seufzte Mayuri, lächelte dann jedoch matt. „Du hast Recht“, meinte sie. „Lass uns wieder einmal raus gehen.“
 

Unsicher stand Ai vor der Zimmertür ihres Bruders. Sie hob die Hand, um zu klopfen, zögerte aber, so dass ihre Hand in der Luft schweben blieb.

Ihr Blick wanderte zu Impmon, dass sie nicht minder unsicher ansah. Doch Ai wusste, dass ihr Partner genau so mit Makoto reden wollte, wie sie selbst, nachdem er sie seit Chiyoda immer nur abblockte und ihr aus dem Weg ging – was besonders in der letzten Woche leicht gewesen war, da sie auf unterschiedliche Schulen gingen.

Schließlich holte sie tief Luft und klopfte an der Tür. Sie wartete, doch es kam keine Reaktion. Dabei war sie sich sicher, dass er schon wach war. „Makoto?“, fragte sie halblaut und klopfte erneut. „Makoto?“

Doch noch immer war nichts aus dem Inneren des Zimmers zu hören.

Wieder sah Ai ihren Partner an, der nun selbst seine kleine Faust hob und klopfte. „Makoto, wir wollen mit dir Reden!“

Weiter herrschte Schweigen und Ai ballte, ohne es zu merken, ihre Hand zur Faust. Wieso musste ihr Bruder es so kompliziert machen? Natürlich konnte sie seine Wut und Enttäuschung verstehen, doch wieso blockte er sie ganz ab und wollte nicht einmal mehr mit ihr reden? Es war doch nicht ihre Schuld gewesen!

Bei diesem Gedanke wandte sie sich mit einem Ruck von der Tür ab. „Lass uns gehen, Impmon“, meinte sie. „Er will ja ganz offenbar nicht mit uns reden.“

„Aber...“, begann Impmon und sah zwischen Ai und der Tür hin und her. Dann ließ es seine schmalen Schultern hängen. Es seufzte. „Ja...“

So gingen sie gemeinsam den Flur entlang und zur Treppe, die ins Erdgeschoss des Hauses führte. Erst auf der untersten Stufe hielt Ai noch einmal in und sah zurück, als hoffe sie, dass Makoto aus seinem Zimmer gekommen sei – was er natürlich nicht wahr.

„Glaubst du, er wird je wieder mit uns reden?“, fragte sie leise an Impmon gewandt.

Das Digimon zögerte, setzte zu einer Antwort an und schwieg dann doch. Es schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht.“

Natürlich stand es außer Frage, dass Makoto ab und an gezwungen sein würde, mit ihnen zu reden, doch es würde vielleicht nie wieder so sein, wie es in den letzten Jahren gewesen war. Und tatsächlich machte es Ai zu schaffen.

Sie hatte sich früher immer mit Makoto gestritten – lang und oft – doch hatte sie sich auch auf ihn verlassen können, wenn sie seine Hilfe gebraucht hatte. Er hatte ihr bei Hausaufgaben geholfen, ihr Dinge erklärt, die sie nicht verstand und dergleichen, auch wenn er dabei immer für ihre Faulheit gescholten hatte. Gleichzeitig hatte sie für ihn gesprochen, wenn er seine Meinung einmal wieder nicht herausgebracht hatte. Selbst wenn sie sonst wenig für ihn hatte tun können.

Natürlich waren sie beide selten damit glücklich gewesen „halbe“ Tamer zu sein, doch sie hatten sich damit arrangiert, doch nun...?

Das schlimmste daran war, dass sie genau wusste, wie sie sich fühlen würde, wäre es anders herum gewesen. Sie hätte auch nicht mehr mit Makoto reden wollen – doch zumindest hätte sie ihn angeschrien und ihm die Meinung gesagt. Ja, sie hätte es eher ertragen, hätte Makoto sie in den letzten Tagen angeschrien. Doch dass er sie ignorierte, konnte sie kaum ertragen.

„Es ist nicht meine Schuld...“, flüsterte sie leise mit Zitternder Hand und ging schließlich durch die Küche, um das Haus zu verlassen, nicht wissend, dass Makoto, der an seinem Schreibtisch saß und versuchte seine Hausaufgaben zu machen, als er die Haustür zugehen hörte, aufatmete, jedoch die Tränen, die über seine Wangen rannen, nicht aufhalten konnte.
 

„Ich bin froh, dass ihr wieder hier seid“, gab Shoji seufzend zu, während er zusammen mit Denrei, Shuichon und ihren Digimonpartnern vor der kleinen Hütte im Shinjuku Central Park saß, in der einst Guilmon und später auch Dracomon für jeweils beinahe ein Jahr gelebt hatten.

Sie saßen auf der Treppe, die zum von hier aus kaum zu sehenden Weg hinabführte und Shoji hatte sich auf die Treppenstufe hinter jener, auf der er saß, zurückgelehnt, um zum Himmel hianufzusehen.

„Ich nicht“, erwiderte Shuichon in scherzhaften Ton. „Jetzt muss ich wieder für die Schule lernen! Und dabei auch noch so viel!“

„Und ich kann deswegen auch nicht mehr ausschlafen“, grummelte Lopmon.

Dracomon zuckte mit den Schultern. „Also ich kann ausschlafen!“

„Ja, wenn du schläfst, kann man dich ja auch mit einer Bombe nicht aufwecken!“, antwortete das Tierdigimon und warf Dracomon einen störrischen Blick zu.

„Ich kann noch immer nicht glauben, dass wir so lange fort wahren“, murmelte Denrei.

„Und das wir dabei kaum schlauer geworden sind“, grummelte Shuichon, die den Kopf auf die Arme und dieser wiederum auf ihre Oberschenkel gestützt hatte.

„Nun, wir wissen jetzt zumindest, dass die Anomalie eine andere künstliche Intelligenz ist“, erwiderte Gazimon, das im Gras neben der Treppe lag und den Kopf auf seine Vorderpfoten gebettet hatte. „Und das sie nicht an sich feindlich gesinnt ist.“

Die anderen Digimon schwiegen, wie auch die drei Tamer.

„Ich bin jedenfalls froh, dass euch nichts passiert ist“, murmelte Shoji. „Ich weiß nicht, ob ich das ganze Chaos hier noch viel länger ertragen hätte...“

„Wir haben einiges verpasst...“ Denrei legte nun ebenfalls den Kopf in den Nacken, um zur digitalen Welt hinauf zu sehen, vor welcher sich der Kondensstreifen eines Flugzeuges abzeichnete.

„Ich frage mich, was noch kommen wir“, murmelte Lopmon und klang dabei ernster, als zuvor. „Nach den Dingen, die passiert sind, während wir in der digitalen Welt waren...“

Shuichon schnaubte auf. „Hört auf so negativ zu sein!“, rief sie aus. „Das hält doch keiner aus!“

Daraufhin verdrehte Shoji leicht die Augen. Er schien zu überlegen, dann fragte er: „Hast du inzwischen mit deinem Bruder geredet?“

Das Mädchen gab sich unwissend. „Wieso?“

„Weil er wahrscheinlich wissen will, wo du in den letzten zwei Monaten gewesen bist.“

Erneut ließ Shuichon ein Schnauben hören, das dieses Mal jedoch genervter klang als vorher. „Natürlich habe ich mit ihm geredet. Aber er macht sich nur unnötig Sorgen und regt sich nur unnötig auf.“ Sie streckte die Zunge raus. „So ein Idiot...“, grummelte sie dann noch. „Gibt es keine wirklich erfreulichen Themen, über die wir reden können? Oder geht die Welt morgen schon unter?“

„Na ja, im Moment...“ Shoji führte den Satz nicht zuende. Stattdessen richtete er sich voll auf und zuckte einfach nur mit den Schultern „Es ist halt...“ Er seufzte. „Tut mir leid.“

Sie schwiegen. Da hob Gazimon auf einmal alarmiert seinen Kopf, während auch Lopmon auf einmal seine Ohren abhob.

„Was ist?“, fragte Shoji.

Doch Gazimon musste nicht Antworten, denn im nächsten Moment spürten auch die Menschen das leichte Erdbeben, dass den Boden leicht erschütterte, jedoch nach nur wenigen Sekunden aufhörte.

„Nur ein Erdbeben“, meinte Shuichon und streckte sich.

Kurze, leichte Erdbeben waren in Tokyo keine wirkliche Seltenheit und prinzipiell nichts, worüber man sich Sorgen machen musste.

Nur Gazimon schien auch, nachdem das Beben aufgehört hatte, nicht ganz beruhigt zu sein. Doch hatte auch es nicht bemerkt, dass für einen Moment ein leichtes Flackern durch das Abbild der digitalen Welt am Himmel gezogen war.
 

Unbewusst hielten Takato und Juri inne, während der Boden unter ihren Füßen bebte, doch dies dauerte nicht zulange an. Auch sie waren im Shinjuku Central Park unterwegs, nachdem Juri den widerwilligen Takato zu einem Spaziergang überredet hatte.

Juri atmete auf, als das Beben nachließ. „Nur ein kurzes Beben“, murmelte sie erleichtert. „Hoffentlich bleibt es dabei...“

Guilmon, das sie natürlich begleitete, schien nicht so erleichtert zu sein. Seine Pupillen hatten sich verengt und es ließ ein leises Knurren hören.

„Ruhig“, meinte Takakto und legte seine Hand auf den Kopf seines Partners, woraufhin dieser sich tatsächlich zu beruhigen schien.

Takato fühlte sich noch immer nicht wohl hier draußen. Er hatte ein seltsames Gefühl im Magen und hätte nichts lieber getan, als zurück zu seiner Wohnung zu rennen und dort den Rest des Tages (und auch die folgenden Tage) zu verbringen. Er wollte sein Gesicht nicht der Öffentlichkeit zeigen – nicht nach dem, was passiert war.

Natürlich wusste niemand, außer den anwesenden, davon, doch das konnte nichts daran ändern, wie er sich fühlte. Vor lauter Wut darüber, was dieser Mann getan hatte, hätte er selbst beinahe etwas unverzeihliches getan. Vor allem hatte er Guilmon für etwas missbrauchen wollen, was er selbst so sehr verurteilte.

„Takato“, flüsterte Juri und schob ihre Hand in die seine. „Du bist so ruhig.“

Unsicher sah Takato seine Freundin an. Er wusste, dass es nicht fair war, sie unter seiner Wut auf sich selbst leiden zu lassen und dass sie sich um ihn sorgte, doch fiel es ihm schwer, seine Gefühle zu kontrollieren.

„Ich fühle mich nicht wohl, hier draußen“, sagte er schließlich, wobei seine Stimme selbst in seinen eigenen Ohren irgendwie hohl klang.

„Du musst aber wieder raus“, erwiderte Juri und wandte sich ihm nun ganz zu. „Du kannst dich nicht ewig von der Sache herunterziehen lassen.“

Takato senkte den Blick, um sie nicht ansehen zu müssen. „Das ist es nicht“, murmelte er. „Du kannst es nicht verstehen.“

„Du weißt, dass das nicht stimmt“, sagte sie vorsichtig, aber er schüttelte nur den Kopf.

„Es stimmt.“ Noch immer wich er ihrem Blick aus. „Ich habe etwas getan... Versucht etwas zu tun... Das uns alle in Gefahr gebracht hätte und alles... Alles nur noch schlimmer gemacht hätte. Ich habe die anderen verraten.“

„Das ist nicht wahr!“, erwiderte sie nun vehementer als zuvor. „Du hast es nicht getan!“

„Aber nur weil Slayerdramon kam und mich zurückgehalten hat.“ Nun hob auch Takato seine Stimme, kam dabei aber nicht umher Juri anzusehen. Als hätte er sich verbrannt, wich er zurück und wandte den Blick wieder ab.

Juri sah ihn unsicher an und sah dann zu Guilmon. „Guilmon-chan“, begann sie leise und dabei klang Verzweiflung in ihrer Stimme mit, „sag Takato, dass es nicht stimmt.“

Doch Guilmon sagte nichts, sondern ließ nur seine an Fledermaus Flügel erinnernden „Ohren“ hängen. Denn auch wenn es dies nicht laut aussprechen würde, so wusste es doch, dass Takato nicht log. Es hatte den kalten Hass Takatos gespürt, als dieser mit Dukemons Händen die Lanze erhoben hatte, um den Mann zu töten.

Auch, wenn die Worte nicht laut ausgesprochen wurden, schien sich Juri denken zu können, was Guilmons Schweigen zu bedeuten hatte. „Takato...“, flüsterte sie und griff nach seiner Hand. „Takato...“ Jedoch sagte sie nichts mehr, da sie langsam zu verstehen schien, dass ihre Worte im Moment nichts bewirken konnten.

Takato ließ zu, dass sie seine Hand hielt, sagte aber selbst ebenso nichts mehr. Er konnte einfach noch nicht darüber reden – und wollte vor allem nicht mit ihr darüber reden. Dafür bedeutete sie ihm zu viel.

„Lass uns weitergehen“, sagte er schließlich leise.

Sie nickte, nun selbst schweigend, und sah ihn zögerlich von der Seite an.

So gingen sie schließlich weiter den schmalen Pfad entlang, der abseits der Wege lag, auf denen sich im Moment die meisten Menschen tummelten (auch wenn dies nicht hieß, dass ihnen hier niemand entgegen kam).

Der klare Himmel und die Sonne, die von diesem hinab schien, konnten Takatos Laune nicht verbessern – im Gegenteil. Das gute Wetter, dass so gar nicht zu seiner Stimmung passte, ließ seine Stimmung noch weiter sinken. Wieso hatte er sich nur dazu überreden lassen, die beruhigende Stille seiner Wohnung zu verlassen?

Doch trotz der Dinge, die ihn bedrückten, kam er nicht umher inne zu halten, als sie sich den Stufen nährten, die durch das Gebüsch hindurch hinauf auf die kleine Anhöhe führten, auf der Guilmons altes Häuschen zu finden war. Auch Juri und Guilmon hielten inne, offenbar von denselben Erinnerungen an die vielen Nachmittage vor zehn Jahren, die sie hier verbracht hatten, verleitet.

Guilmon schnüffelte. „Dracomon ist hier“, stellte es dann fest und sah Takato an, wie in der unterschwelligen bitte, mit dem anderen Digimon spielen zu dürfen. Denn immerhin hatte es in den letzten Wochen nicht spielen dürfen – schon gar nicht mit anderen Digimon.

Takato wiederum wollte immer noch nichts mehr, als nach Hause. Vor allem wollte er nicht die direkte Anwesenheit von weiteren Menschen ertragen. Doch es kam ihm auch noch ein anderer Gedanke: Wenn Dracomon da war, würde auch Denrei da sein. Und letzten Endes hatte er mit beiden seit den Ereignissen von Chiyoda nicht geredet – obwohl sie wohl diejenigen waren, mit denen er am dringensten reden sollte.

So besann er sich, wenn auch widerwillig. „Lass uns nachsehen“, meinte er dann bemüht ruhig zu seinem Partner.

Unsicher sah Juri ihn an, so als traue sie diesem Sinneswandel nicht so ganz. Dennoch folgte sie ihm durch die Schneise im Gebüsch die Treppe hinauf.

Tatsächlich fanden sie vor der kleinen Betonhütte Denrei, Shuichon und Shoji, zusammen mit ihren Digimonpartnern, vor. Diese schienen überrascht, sie zu sehen und hielten in dem Gespräch, das sie offenbar geführt hatten, inne.

„Takato-kun“, bekannt Shuichon überrascht. „Juri-chan... Was...“ Sie unterbrach sich selbst und brachte sich zum Lächeln. „Schön euch zu sehen. Was machte ihr hier?“, fügte sie dann in einem möglichst neutralen Tonfall hinzu.

Es war offensichtlich, dass Takatos Anwesenheit sie verunsicherte, doch er war sich nicht sicher, ob es nur war, weil sie nicht wussten, wie sie sich ihm gegenüber verhalten sollten, oder ob es noch andere Gründe gab.

„Wir waren etwas im Part spazieren“, erklärte Guilmon, das deutlich über die Anwesenheit anderer Digimon erfreut war. „Und dann hat Guilmon Dracomon gerochen.“

Die beiden reptilienartigen Digimon begrüßten sich auf eine Art, die beinahe etwas an Hunde erinnerten, die einander freudig begrüßten.

„Es ist schön, dich einmal wieder draußen zu sein, Takato-kun“, meinte Shoji zurückhaltend, woraufhin Takato nichts erwiderte.

Stattdessen fixierte er Denrei. „Kann ich mit dir sprechen, Denrei?“

Dieser schien etwas überrascht und wechselte für einen kurzen Moment einen Blick mit Shuichon. Dann nickte er jedoch und stand auf. „Klar.“

So bedeutete Takato dem anderen jungen Mann, ihm zu folgen, so dass sie schließlich am Rand der Wiese, die auf der Anhöhe wuchs, standen, weit genug von den anderen entfernt, als dass zumindest die Menschen sie nicht hören würden, wenn sie leise sprachen, zumal auch die Geräusche anderer Parkbesucher und der Autos der direkt am Park vorbeiführenden Schnellstraße nicht zu unterschätzen waren.

Takato zögerte. Denn auch wenn er spürte, dass er dieses Gespräch führen musste, so kostete es ihn doch Überwindung. „Ich...“, begann er daher zögerlich. „Ich wollte mich nur bei dir bedanken.“

Denrei schien nicht ganz zu wissen, wie er reagieren sollte. „Wieso?“, meinte er schließlich.

„Wohl dafür, dass ihr rechtzeitig da wart“, erwiderte Takato. „Wären Dracomon und du nicht gewesen...“ Er scheute sich davor, die Worte, so wie er sie dachte, auszusprechen. „Wären Dracomon und du nicht gewesen, hätte ich etwas getan, was ich sehr bereut hätte...“, endete er daher schließlich.

„Kein Problem“, erwiderte Denrei unsicher. „Ich bin froh, dass wir rechtzeitig da waren.“

Schweigen herrschte zwischen den beiden und Takato wollte sich schon von Denrei abwenden, um zu Juri und den anderen zurück zu gehen, als der andere noch einmal die Stimme erhob.

„Weißt du“, setzte er vorsichtig an, „als wir damals in der digitalen Welt waren... Nun, du weißt, was damals vorgefallen ist. Ich... Nun, Dracomon und ich... Nein, eigentlich war es ich... Ich hätte damals Shuichon, Shoji und die anderen beinahe getötet... Hätte Shuichon mich nicht gerettet.“

Unwillkürlich ballte Takato die Hand zur Faust. „Es ist nicht dasselbe“, murmelte er. „Du wurdest kontrolliert und ich...“

Weiter kam er nicht, als auf einmal ein erneutes Beben, stärker als das zuvor, anhob und sie so überraschte, dass sie beinahe das Gleichgewicht verloren.
 

Auch in Ueno, wo Janyuu mit seiner Frau hingefahren war, bebte die Erde. Doch das Beben war nicht das einzige ungewöhnliche. Janyuu konnte nicht genau sagen, wieso er aufgesehen hatte, doch er hatte den Blick dem Himmel zugewandt und sah so die seltsame Verzerrung, die sich durch das Abbild der digitalen Welt zog.

Gleichzeitig meinte er ein Rauschen zu hören. Ein knisterndes Rauschen, wie aus einem Radio ohne Empfang.

Unwillkürlich zogen sich seine Augenbrauen zusammen, als sich ein ungutes Gefühl in ihm breit machte. Das Gefühl, dass mit den Kämpfen und all den Ereignissen der vergangenen Wochen – nein, der letzten zehn Jahre – noch nicht alles vorbei war und sie noch mit ganz anderen Dingen würden kämpfen müssen.

Zumindest für Mayuri schienen seine Gedanken sich auf seinem Gesicht ablesen lassen. „Es ist schon wieder etwas mit diesen Monstern und dieser anderen Welt, oder?“, fragte sie und die Verbitterung in ihrer Stimme war deutlich zu hören.

Janyuu sah sie bedrückt an, während das Beben langsam verebbte. „Ich weiß es nicht“, erwiderte er wahrheitsgemäß, da er keine voreiligen Annahmen machen wollte. „Aber... Es kann sein...“

Etwas in Mayuris Blick, ließ Janyuu sein schlechtes Gewissen nur zu deutlich spüren. Er wusste, dass seine Frau mehr als viele anderen unter all diesen Ereignissen gelitten hatte. Immerhin verstand sie, anders als er, nichts von den Digimon und musste dennoch zusehen, wie zwei ihrer Kinder in die Kämpfe mit den Monstern und anderen Lebensformen einer fremden, künstlich erschaffenen Welt hineingezogen wurden. Und dabei konnte sie nicht einmal etwas tun, um ihre Kinder zu beschützen.

„Es wird alles gut werden“, meinte er, einem Gefühl folgend, auch wenn sein Zweifel deutlich aus seiner Stimme heraus zu hören war. „Es ist nur...“ Er brach ab und keine Sekunde später hörte er, wie sein Handy klingelte.

Noch bevor er abhob, wusste er, dass es Yamaki Mitsuo war, der ihn anrief.

Entschuldigend sah er seine Frau an, zog das Handy aus seiner Tasche und hob ab. „Ja, Yamaki-kun?“
 

Megumi holte tief Luft, während sie ihren Computer, der aufgrund eines sehr kurzen Stromausfalls, der fraglos durch das Erdbeben begründet war, wieder hochfuhr. Sie sah sich in dem Zimmer um, in dem sie saß. Es waren einige Bücher aus den Regalen gefallen, doch schien nichts kaputt gegangen zu sein.

Widerwillig wandte sie sich von ihren PC ab, um auch in den anderen Zimmern nachzuschauen, wie sie es bei so vielen Katastrophenübungen gelernt hatte.

Doch roch sie nirgendwo ausgetretenes Glas und der Schaden in den anderen Zimmern schien sich ebenfalls in Grenzen zu halten. Sie fand einige Scherben auf dem Küchenboden, die sie rasch zusammenfegte, doch nichts wichtiges war kaputt gegangen.

So ging sie zurück in ihr Arbeits- und Wohnzimmer, wo ihr Computer mittlerweile wieder hochgefahren war. Sie hatte an einem Programm gearbeitet, als der Strom ausgefallen war und war sich unsicher, wie viel ihrer Arbeit durch den Stromausfall abhanden gekommen war.

Gerade öffnete sie ihre Arbeitsumgebung, als auch ihr Emailprogramm fertig gestartet war und ihr mit einem Pop-Up-Fenster mitteilte, dass sie eine neue Email erhalten hatte.

Mit einem Seufzen öffnete sie die Email, halb erwartend, eine Nachricht von Reika zu haben, die sich erkundigte, wie es ihr ging. Doch die Email war nicht von Reika...

Megumi hatte das Gefühl, dass ihr für einen Moment der Atem stockte, als sie den Namen im Absender der Email las.

„Shibumi-san...“, entfuhr es ihr unwillkürlich.

Die Email las sich kurz und bar jeder Einleitung.
 

Wir müssen reden.

Es wird schlimmer werden.
 

Mizuno Gorou

Episode 28: Generationen

Episode 28: Generationen
 

Es lässt sich generell feststellen, dass sich die Tamer, die ihren Partner nach nach ersten Digimonvorfällen in 2001 erhielten, sich von jener ersten Generation von Tamern unterscheiden, da ihre Digivices, wenngleich meist ähnlich im äußeren, nicht gänzlich dieselben Funktionen zu haben scheinen. Auch scheint ein großer Unterschied darin zu sein, dass die meisten jener neuen Tamer ihren Partner in der realen Welt trafen, während die Digimon jener ersten Tamer erst durch ihre Tamer in die reale Welt kamen. Es könnte jedoch auch weitere Gründe geben, die darin, dass sich die digitale Welt und ihre Daten in permanenter Veränderung befinden, zu finden sein könnte.
 

      - Auszug aus dem Buch „Digitales Leben und wie es unsere Realität beeinflusst“ von Sagisu Yoshimasa
 

Es war ein kurzes, nicht besonders heftiges Beben, das Megumi am nächsten Tag erwachen ließ.

Zuerst wusste sie nicht, was überhaupt geschah und als ihr Gehirn begann die gegebenen Eindrücke zu verarbeiten, hatte das Beben bereits geendet.

Verschlafen sah sie zur Uhr und stelle fest, dass es gerade einmal kurz nach acht war. Es war Samstag und sie hatte endlich einmal wieder das ganze Wochenende frei. Eigentlich hätte sie also weiterschlafen können, doch nachdem sie sich für ein paar Minuten von einer Seite auf die andere gedreht hatte, gab sie auf. Sie war viel zu unruhig.

So setzte sie sich auf und sah sich blinzelnd in ihrem sehr kleinen Schlafzimmer, das kaum größer als ihr Bett war, um.

Das Beben war ganz offenbar nicht stark genug gewesen, um etwas von ihrem Nachtschrank zu werfen und auch sonst schien alles in Ordnung zu sein.

Langsam wurden diese Beben zur Gewohnheit.

Seit nun mehr zwei Wochen verging kein Tag, ohne dass es nicht mindestens zwei oder drei Mal bebte. Meistens waren diese Beben nicht schwer und dafür, dass es nun seit zwei Wochen so ging, hielt sich der Sachschaden erstaunlicher Weise in Grenzen. Doch wer wusste schon, ob es so bleiben würde?

Jedenfalls sorgten diese Beben, so harmlos sie im Moment auch waren, für Panik. Denn was wäre, wenn auf einmal ein heftiges Beben kommen würde. Eins, dass die Infrastruktur angreifen würde. Was wäre, wenn einer der Vulkane ausbrechen würde oder es einen Tsunami gäbe? Denn wenn der Boden über längere Zeit so regelmäßig bebte, hieß es meistens, das ein größeres Beben anstehen würde.

Doch die Regelmäßigkeit dieser Beben war nicht das einzig seltsame. Noch war es das seltsamste.

Denn vorrangig fiel auf, dass sich die Beben bisher vorrangig einzig auf Tokyo und die nähere Umgebung der Metropole konzentrierten.

Ebenso auffällig war ein anderes Phänomen, was mit den Beben einher ging und das mittlerweile den meisten Menschen – auch außerhalb von Tokyo – aufgefallen war. Jedes Mal, wenn hier die Erde bebte, war für einige Augenblicke ein Flackern in der digitalen Welt, oder vielmehr deren Abbild am Himmel der realen Welt, zu sehen.

Natürlich hatte dies dazu geführt, dass viele meinten, die digitale Welt war für die Beben verantwortlich und nach allem was sie wussten, konnte dies durchaus sein. Doch was genau vor sich ging hatte bisher kein Forscher herausfinden können.

Nachdem sie sich gewaschen und angezogen hatte, nahm sich Megumi einen Joghurt aus dem Kühlschrank und setzte sich damit vor ihren PC. Es war schon beinahe armselig, wie sie so lebte. Nicht einmal an freien Tagen frühstückte sie noch richtig.

Mit einem Löffel Joghurt im Mund öffnete sie ihr Emailpostfach, nur damit einen Moment später leichte Enttäuschung über ihr Gesicht huschte. Die Email auf die sie wartete war nicht da. Natürlich nicht.

Ein Teil von ihr hasste sie dafür, überhaupt auf diese Email zu warten, ein anderer Teil rationalisierte es. Immerhin konnte das, was in der Email stand wichtig sein.

Sie schüttelte den Kopf.

Es war deprimierend. Schon das ganze Jahr hatte sie kaum Zeit mit etwas anderem als Arbeit und Programmieren verbracht, sofern Reika sie nicht eingeladen hatte. Sie sollte mal wieder raus gehen. Und sei es nur um durch irgendein Kaufhaus zu bummeln.

Doch wirklich Lust hatte sie dazu kaum.
 

Weitaus begeisterter mit dem, was sie tat, war dagegen Shuichon, als sie gegen Mittag zwischen Denrei und Shoji vor einem Café im Takashima Einkaufszentrum saß und einen großen Becher Parfait vor sich stehen hatte.

Shoji hatte einen Milchshake vor sich stehen, während Denrei sich mit einem Stück Kuchen begnügt hatte (das aber fraglos bald im Maul Dracomons verschwinden würde, so begierig wie das Digimon den Kuchen ansah). Die beiden Jungen sahen wieder einmal sehr angeschlagen aus, was eventuell daran liegen könnte, dass ihnen einige der normalen Einkaufenden seltsame Blicke zuwarfen.

Shuichon hatte sich mittlerweile wieder recht gut in der realen Welt eingelebt, auch wenn es gar nicht ihrer Vorstellung von Freizeitbeschäftigung entsprach, verpassten Schulstoff nachzuholen. Doch sie wollte letzten Endes keinesfalls so Enden wie Ryou...

„Wir sehen aus, als hätten wir ein sehr verqueres Date“, murmelte Shoji, während er einen Löffel mit Eiscreme zum Mund führte und dabei beobachtete, wie ihnen immer mehr Leute seltsame Blicke zuwarfen.

Tatsächlich mochte er damit recht haben, denn sie saßen nicht etwas einander gegenüber auf Stühlen, sondern auf einer halbrunden Bank eng nebeneinander, in deren Mitte ein runder Tisch stand.

Shuichon lachte. „Wenn es weiter nichts gibt.“

„Findest du das nicht seltsam?“, erwiderte Shoji, doch das Mädchen zuckte nur mit den Schultern.

Denrei seufzte. „Vielleicht solltest du so etwas doch einmal ernster nehmen.“

Auch das tat Shuichon nur mit einem weiteren Schulterzucken ab. „Die Leute kennen uns doch nicht. Na ja, nicht wirklich, oder?“ Sie sah den vorbeiziehenden Strömen an Menschen hinterher. „Außerdem schauen sie uns vielleicht nur wegen der Digimon an.“

„Zumindest einige von ihnen“, stimmte Gazimon ihr zu.

„Dabei sollten sie sich mittlerweile daran gewöhnt haben“, meinte Denrei und nahm ein Stück des Kuchens, wobei ihm allerdings Dracomons Blick, der unverwandt auf den Kuchen gerichtet war, sicher nicht entging.

„Nun, aber im Moment...“, meinte Lopmon und ließ die Worte offen ausklingen.

Denn im Moment, seit dem Chiyoda-Vorfall, waren die Stimmen, die gegen die Digimon wetterten lauter denn je. Die Tatsache, dass die Erdbeben jedes Mal von einem Flackern in der digitalen Welt begleitet wurden, machten das ganze nicht besser.

„Na ja, immerhin lassen sie uns noch hier herein, oder?“, meinte Shuichon und klang dabei sorgloser, als sie eigentlich war.

„Ja“, entgegnete Shoji in einem Tonfall, als ob er eigentlich nur darauf wartete, das die Security sie jeden Augenblick rauswerfen würde.

„Ich meine, das ist wirklich fast überraschend“, fuhr Shuichon vor und schwelgte in Gedanken. „Ich meine, nachdem Lilithmon vor drei Jahren die obere Etage beinahe komplett abgerissen hat...“

„Wenn du noch lauter redest, wissen es auch bald die Leute, die damals nichts davon mitbekommen haben“, murmelte Denrei leicht säuerlich.

„Da hat er Recht“, stimmte Lopmon zu.

Shuichon gab ein übertriebenes Seufzen von sich. „Ihr müsst nur immer so ernst drein blicken. Seht nicht alles so negativ.“

„Damit hat das wenig zu tun“, erwiderte Shoji. „Es ist nur...“ Er seufzte und brach seinen Satz ab.

„Es ist nur, dass alles im Moment nicht besonders gut aussieht“, ergänzte Denrei, der nun schließlich den Teller zu Dracomon reichte, dass freudig das halbe Kuchenstück, das noch da war, verputzte.

„Nun, der Spielemeister oder wie der Kerl sich auch genannt hatte, wurde ja besiegt, oder?“, meinte Shuichon. „Und an sich war der Schaden... Na ja, im Vergleich zu dem Schaden, der durch die Demon Lords entstanden ist, war es nicht viel.“

Shojis Blick wurde düsterer. „Ja, aber damals waren die Demon Lords eine Macht aus einer damals fremden Welt. Wie ein Tsunami. Sie waren nichts, was absehbar gewesen wäre. Jetzt sind die Digimon Teil dieser Welt und die Regierung ist für sie verantwortlich. Jedenfalls glauben das die meisten. Jetzt ist es nicht mehr so einfach... Weil die Leute jetzt erwarten, dass die Digimon und die Tamer kontrolliert werden.“

Für einen Moment herrschte an ihrem Tisch bedrücktes Schweigen, ehe Shuichon auf einmal die Arme in die Luft warf. „Das ist ja nicht auszuhalten mit euch! Seid doch etwas positiver, verdammt noch mal!“

„Moumantai“, seufzte Lopmon, das beinahe von ihrer Schulter geworfen worden war.
 

„Oh man, ich weiß noch, als Guilmon hier gelebt hat“, meinte Impmon in frechem, vermeintlich sorglosen Tonfall. „Und es ist nicht einmal rausgegangen, solange Takato ihm es nicht erlaubt hat. Wie unselbstständig.“

„Und deswegen musstest du es rauslocken und die anderen in Schwierigkeiten bringen, nicht?“, erwiderte Ai, während es heute sie war, die zusammen mit Takumi, Rin und den Digimon vor Guilmons alter Hütte im Shinjuku Central Park saß.

„Natürlich“, erwiderte Impmon, die Ärmchen vor seiner Brust verschränkt.

„Du warst damals ein ganz schöner Unruhestifter...“

„Na und?“ Das kleine Teufelsdigimon sah sie herausfordernd an, doch Ai fing an zu lachen.

Auch Takumi lächelte, wenn auch nur leicht, und sah zu Rin, die jedoch mit den Gedanken woanders zu sein schien.

Dies bemerkte offenbar auch Ai. „Was ist los?“, fragte sie an das andere Mädchen gewandt. „Ist etwas nicht in Ordnung?“

Rin erwiderte nicht sofort etwas, sondern schwieg. Ihre Hände lagen in ihrem Schoß, während sich Kunemon eng an ihren Hals geschmiegt hatte. „Ich schlafe nur nicht so gut“, erwiderte sie mit leiser Stimme. „Das ist alles.“ Sie schien zu zögern. „Außerdem machen mir die Erdbeben Angst.“

„Bisher sind sie ja aber nicht stark“, erwiderte Ai, ehe sie auf einmal das Gesicht verzog, als sie erkannte, dass der Satz so nicht unbedingt beruhigend wirkte. „Ich meine, ich glaube nicht, dass etwas schlimmes deswegen passieren wird.“

Auch Takumi sah Rin an. „Ich glaube auch nicht, dass was schlimmes ist. Du musst dir keine Sorgen machen, Okamura-san.“ Er versuchte sie aufmunternd anzulächeln, auch wenn das Lächeln nicht besonders überzeugend wirkte.

„Außerdem gab es seit Chiyoda keinen wirklichen Digimon Vorfall mehr“, meinte Ai. „Weder mit anderen Tamern, noch mit irgendwelchen wild gewordenen Digimon. Das ist doch gut!“

Rin nickte, sah aber immer noch etwas ängstlich aus. „Ja, wahrscheinlich habt ihr Recht.“

„Natürlich haben sie Recht“, meinte nun Impmon, das endlich verstand, was die beiden Tamer versuchten. „Ich bin mir sicher, dass jetzt alles in Ordnung ist. Und die Erdbeben werden auch aufhören... Vielleicht... Ähm... Vielleicht...“ Es rieb sich das Kinn – oder jedenfalls den Teil seines Gesichts, der bei einem Menschen das Kinn gewesen wäre – und schien dabei zu überlegen, was für eine sinnvolle, wenig Besorgnis erregende Erklärung es für die Erdbeben geben könnte.

„Na ja, vielleicht hört es jedenfalls bald auf. Ich habe das Gefühl, dass die Erdbeben auch leichter und kürzer werden!“, sagte nun Ai und sprang auf.

Ihre Worte hätte jede Zeitschrift in Tokyo momentan schnell widerlegt, doch immerhin war es nicht das, worum es hier ging.

„Mach dir nicht so viele Gedanken, Rin-chan!“ Ai streckte dem anderen Mädchen die Hand entgegen, um ihr aufzuhelfen. „Das ganze wird schon wieder...“

In dem Moment unterbrach ein neues Beben sie, heftiger als das am Morgen, und eng gefolgt von einem Piepsen ihres Digivices.

„So viel zum Optimismus...“, murmelte Impmon.
 

Eisbecher und Teller hatten sich mittlerweile geleert, als Shuichon ohne jedwede Vorwarnung aufsprang.

„Was...“, begann Denrei in gereiztem Tonfall, als er Shuichons Blick folgte.

„Megumi-san!“, rief das Mädchen aus.

Als die Frau, deren Haar im Moment kurz und dunkelbraun gerade einmal über ihre Ohren reichte, reagierte zuerst nicht, so dass Shuichon die Stimme noch weiter anhob.

„Megumi-san!“

Dieses Mal reagierte die Frau und sah zu ihnen hinüber. Sie schien unschlüssig zu sein, ob sie zu ihnen hinübergehen sollte oder nicht, entschloss sich aber aus irgendeinem Grund letzten Endes dafür.

Sie hatte die Tüte eines Kleidungsgeschäftes in der Hand und sah allgemein etwas müde aus, wie Denrei fand.

Unschlüssig stand sie bald vor ihrem Tisch. „Hallo ihr drei“, meinte sie zurückhaltend.

„Wollen Sie sich nicht zu uns setzen, Megumi-san?“, fragte Shuichon.

Denrei und Shoji tauschten Blicke, mit denen sie einander stumm fragten, ob sie dazwischen gehen sollten oder nicht. Denn auch wenn Shuichon meist bemerkte, wenn sie Leute bedrängte, entschloss sie sich meistens, es zu ignorieren. Etwas, das nicht immer schlecht war, doch gerade im Umgang mit Erwachsenen schnell respektlos wurde.

Doch Megumi zuckte nur mit den Schultern. „Wieso nicht...“, murmelte sie und zog einen leeren Stuhl von einem benachbarten Tisch dazu. Sie wirkte seltsam unschlüssig, so als wäre sie sich nicht ganz sicher, was sie gerade machte.

„Wollen sie vielleicht auch etwas essen oder trinken, Onodera-san?“, bot Shoji mit freundlich gewählten Worten an, doch die Frau schüttelte den Kopf.

„Nein, danke.“ Sie bewegte die Schultern, als wolle sie einen Krampf lösen, und atmete tief ein. Erst dann sah sie die drei (beziehungsweise sechs) an. „Und? Was macht ihr heute hier?“

„Och, nur das Wochenende genießen“, erwiderte Shuichon.

„Und Kuchen essen“, ergänzte Dracomon.

„Und Sie?“, fragte das Mädchen dann.

Megumi zuckte mit den Schultern. „Ich wollte ein wenig Einkaufen gehen. Ich habe dieses Wochenende frei.“ Letzteres sagte sie, als sei es bei weitem nicht selbstverständlich.

Für einen kurzen Moment herrschte Schweigen, wobei Shuichon Megumi neugierig ansah.

„Sie sehen besorgt aus“, meinte sie schließlich. „Was ist los?“

Unwillkürlich verpasste Denrei Shuichon einen Stoß in die Seite. „Das ist respektlos!“, zischte er ihr aus dem Mundwinkel zu.

„Na und?“, erwiderte sie ebenfalls gezischt.

Megumi wirkte nicht unbedingt verletzt von der Frage, wich jedoch bewusst dem Blick der jungen Halbchinesin aus. „Ich bin nur müde. Wir haben viel zu tun, bei Hypnos, wisst ihr?“

Bevor Shuichon weiterbohren wollte, ging Denrei auf dieses Angebot das Thema zu wechseln ein. „Aber es sollte doch wieder weniger werden, oder? In den letzten Wochen ist doch nichts passiert und wenn es dabei bleibt.“

„Ja, vielleicht“, erwiderte sie. „Sofern die Erdbeben nichts mit der digitalen Welt zu tun haben“, fügte sie dann in deutlich gesenktem Tonfall hinzu.

„Haben Sie bei Hypnos irgendetwas neues dazu herausgefunden?“, fragte Shoji, nun ebenfalls mit gesenkter Stimme, doch zur Antwort schüttelte Megumi nur den Kopf, sah ihn aber auch nicht direkt an, als würde sie noch etwas verbergen.

„Aber es ist angenehm, dass im Moment wenig passiert“, murmelte Shoji dann. „Vielleicht kommt die Sache bald zur Ruhe...“

„Ich weiß nicht, ob das so einfach ist“, erwiderte Gazimon finster.

„Moumantai“, murmelte Lopmon. „Die Menschen haben nach dem ersten D-Reaper-Vorfall beinahe vergessen, dass es die Digimon gab. Sie können viel verdrängen.“

„Lopmon!“ Shuichon sah zu ihrem Partner hinauf.

„Ist doch wahr“, erwiderte das Digimon. „Und eigentlich gar nicht so schlecht.“

Das Mädchen seufzte und sah sich um, da noch immer einige Menschen ihnen seltsame Blicke zuwarfen.

Da begann es mit einem Mal. Der Boden erbebte erneut, stärker als in den letzten Tagen, und dann brach das Chaos los, während die Digivices der drei Jugendlichen zu piepsen begannen.
 

„Okay, das ist ja beinahe nostalgisch!“, kommentierte Impmon die Situation in sarkastischen Tonfall, als es sah, was die Digivices dazu gebracht hatte zu reagieren.

Die Digimon, die vor dem Metropolitan Government Building sich offenbar gerade erst materialisiert hatten, waren eindeutig von jener seltsamen Sorte, wie sie bereits bei Takumis Baseballspiel waren. Ihre Augen leuchteten pink, während der Rest ihres Körpers seltsam hell und farblos war.

Es waren gleich drei Devidramon, deren normal schwarze Lederhaut grau und stumpf schien.

„Impmon!“, rief Ai.

Das kleine Dämonendigimon nickte. „Ich übernehme das rechte und ihr...“ Es sah zu den anderen beiden Digimon.

„Ich kümmere mich um das mittlere!“, rief Kotemon entschlossen aus.

Auch Kunemon, nach wie vor stumm, nickte.

Die drei Tamer sahen sich an, dann holten Takumi und Rin ihre Karten hervor, während Ai nur das Digivice hob.

„Card Slash! Matrix Evolution!“

„Kotemon – Shinka! Hanehamon!“

Während Kotemon und Kunemon kurz von Licht umhüllt waren, ehe sie sich in den Kampf stürzten, war auch Impmon kurz von einem ähnlichen Licht umgeben.

„Impmon – Shinka! Beelzebumon!“

Damit breitete das Dämonendigimon, direkt im Blast Modus, seine Flügel aus und flog los, während Takumi und Rin Ai fragen ansahen.

Diese zuckte nur mit den Schultern, schien aber etwas verlegen. „Es macht doch keinen großen Unterschied“, murmelte sie nur und wirkte für einen Moment verklemmt, ehe sie ihre Aufmerksamkeit dem Kampf zuwandte.

Die drei Devidramon breiteten ihre ledrigen Flügel aus und flogen los – auch wenn es nicht direkt ersichtlich war, was ihr Ziel sein sollte, wenn sie überhaupt eins hatten. Sie flogen in verschiedene Richtungen und gewannen dabei rasch an Höhe, so dass sie alle drei schnell auf der Höhe der oberen Stockwerke des doppeltürmigen Wolkenkratzers waren.

Natürlich hatte Beelzebumon seinen Gegner am schnellsten erreicht – immerhin hatte es einen Levelvorteil, der selbst wenn man die Verstärkung zu tragen kam, die diese Digimon wahrscheinlich durch den Virus (oder was auch immer es war, das diese Digimon verändert hatte) – und zog seine Pistolen.

Doch im selben Moment drehte sich Devidramon um und feuerte einen roten Strahl aus seinen Augen ab.

Beelzebumon, das bereits einmal erfahren hatte, dass mit derartigen Attacken solcher besessenen Digimon nicht zu spaßen war, wich aus, was der Drache verwendete, um erneut etwas Abstand zu gewinnen.

„So leicht kommst du mir nicht davon!“, knurrte Beelzebumon und spannte seine Flügel an, um an Auftrieb zu gewinnen. „Double Impact!“ Es feuerte gleich mehrere Runden aus seinen Pistolen ab, war dabei aber darauf bedacht, diese in einem Winkel zu halten, dass sie keine Gebäude beschädigten und auch nicht zur Gefahr für Menschen wurden.

Und so bestialisch und instinktgesteuert Devidramon auch zu sein schien, wirkte es beinahe so, als hätte es damit gerechnet. Es schien keine Schwierigkeiten damit zu haben, Beelzebumon auszuweichen.

In einem nach oben gerichteten Bogen wich es den Angriffen aus, machte einen Looping und stürzte sich dann von oben auf Beelzebumon herab. Mit rot leuchtenden Krallen griff es nach den Schultern des Dämonendigimons und schien mit ihm Richtung Boden stürzen zu wollen.

Ai beobachtete dies mit klopfendem Herzen. Ihr war eines klar: Sie mussten bei diesem Kampf um jeden Preis vermeiden, das Gebäude beschädigt wurden oder Menschen zu schaden kamen. Denn alles, was hier passierte, würde sonst erneut von den Medien gegen die Digimon verwendet werden.

Sie nahm eine Karte. „Card Slash! Alias!“

Damit löste sich das Beelzebumon, das im Griff der Klauen gefangen war, auf, während das eigentliche Dämonendigimon weiter unten, ohne seine Flügel auf dem Dach eines Hochhauses erschien.

Erneut ob es eine Pistole, doch da geschah etwas, womit es nicht gerechnet hatte.

„Explode Sonic Lance!“, erklang eine hallende Stimme, während etwas wie ein blauer Strahl durch die Luft schoss und zerteilte Devidramon in zwei Hälften, die sich im nächsten Augenblick in pinke Partikel auflösten.
 

Derweil sprang Hanehamon erst auf ein kleineres Gebäude, dann auf ein etwas größeres, um auf dieselbe Höhe, wie eins der anderen Devidramon zu kommen. Doch hatte es – einmal wieder – durch seine mangelnde Fähigkeit zu fliegen einen entscheidenen Nachteil, zumal sein Gegner auf seiner jetzigen Höhe leicht abschätzen konnte, aus welcher Richtung es angreifen würde.

Dies zeigte sich deutlich, als Hanehamon es schließlich geschafft hatte über Devidramon zu kommen und es von seiner Position aus angreifen konnte.

Das Dämonenbiest schien damit gerechnet zu haben und wandte ihm seinen großen Kopf zu, ehe es einen markerschütternden Schrei ausstieß, der eine ungeheure Energie in sich trug und – ehe Takumi oder Hanehamon es verhindern konnten – das reptilienhafte Digimon gegen das Hochhaus schleuderte, von dem es noch eben gesprungen war.

Einige Fenster zerbarsten und Menschen, die unvorsichtig genug gewesen waren, den Kampf von den Fenstern aus zu verfolgen, schrien.

„Takumi!“, rief Ai dem Jungen zu. „Du musst aufpassen! Wir dürfen nicht noch mehr...“

„Ich weiß!“, unterbrach Takumi sie grimmig. Er spürte etwas seltsames in sich. Die ganzen letzten Wochen seit dem Finale des vermeintlichen Turniers in Chiyoda, hatte er auch Angst davor gehabt, wie es wäre, wieder kämpfen zu müssen. Er war sich nicht sicher gewesen, ob er überhaupt würde kämpfen können, doch tatsächlich spürte er nun keine Angst, sondern nur eine grimmige Entschlossenheit.

„Hanehamon!“, rief er und zückte eine Karte. „Card Slash! White Wings!“

Durch die weißen Flügel konnte Hanehamon seinen Nachteil ausgleichen. Es stieß sich – so vorsichtig, wie es für einen mehrere Meter großen Echsenmenschen möglich war – vom Gebäude ab und flog nun auf seinen Gegner zu. Dabei zog es zwei Äxte aus seinem Gürtel hervor. „Lizard Slicer!“

Der Angriff verletzte Devidramon nur oberflächlich, doch für einen Moment schien es zurückzuschrecken. Dies nutzte Hanehamon aus und stieß ein Stück weiter in die Höhe, ehe es sich mit einem Fuß voran gestreckt, auf seinen Gegner hinabfallen ließ.

Doch bevor es Devidramon erreichte, hatte dieses sich bereits wieder gefangen. Es ließ seine Krallen rot aufglühen und ging zum Gegenangriff über.

Hanehamon, das dank Beelzebumons Kampf gegen das ebenfalls infizierte Waspmon damals (es schien beinahe eine Ewigkeit her), ebenfalls vorsichtig war und sich nicht unbedingt treffen lassen wollte, wich aus und wurde so sehr schnell zurückgedrängt.

Mit einem kräftigen Schlag der weißen Flügel gewann es einige Meter an Höhe, um so zwischen den Gebäuden wegzukommen und so vielleicht einigen Schaden zu vermeiden. Dann zog es das große Schwert von seinem Rücken.

„Akina...“ Hanehamon wollte angreifen, doch erneut versuchte Devidramon, das eindeutig schneller war, als normale Vertreter seiner Spezies, ging bereits zu einem erneuten Angriff über, so dass Hanehamon gezwungen war, mit seinem Schwert zu blocken, anstatt zu attackieren.

„Takumi!“, brüllte es, wobei es sich nicht sicher war, ob der Junge es von hier aus überhaupt noch hören konnte.

Doch da hörte es eine andere Stimme. „Nicht nötig!“

Ein anderes Digimon sprang über die Gebäude und attackierte Devidramon nun von unten. Es war ein Andiramon.

Der Schlag, den es ihrem gemeinsamen Gegner versetzte, warf diesen in die Höhe und brachte ihn deutlich aus dem Gleichgewicht.

Hanehamon dachte nicht darüber nach. „Akinades!“, rief es aus, als Devidramon auf seiner Höhe war, und schlug mit dem Schwert zu, das in einem Moment im Kopf des gegnerischen Digimons steckte, ehe sich dieses im nächsten Augenblick ebenfalls auflöste.
 

Waspmons Problem war derweil nicht, dass sein Gegner seine Angriffe vorhersah, sondern dass das dritte Devidramon nicht das geringste Interesse daran zu haben schien, zu kämpfen. Stattdessen flog es stur nach Südwesten und ignorierte beinahe die Laserstrahlen, die am und zu an ihm vorbeischossen.

Dabei war es für Waspmon problematisch, dass es seinen Flug verlangsamen musste, um eine solche Attacke abzufeuern und der Gegner erstaunlich schnell war.

Dazu kam, dass sie sich nun immer weiter vom Park und Goverment Building und somit auch von Rin entfernten, die so nur noch durch ihr Digivice sehen konnte, was genau vor sich ging, jedoch schwer die Situation einschätzen konnte.

Sie stand neben Takumi und Ai, unsicher, was sie tun sollte. Denn anders als Takumi war sie nicht entschlossen, sondern äußerst unsicher, was sie tun sollte. Eigentlich wollte sie nicht kämpfen, nicht mehr, nach all dem, was sie vor vier Wochen gesehen hatte, doch sie wollte auch nicht, dass noch mehr Menschen zu schaden kamen.

Da fiel ihr etwas auf.

Als Waspmons Blick für einen Moment über den Boden glitt, bemerkte sie dort eine schnelle Bewegung.

Es war ein weiteres Digimon, das sie dank ihres Digivices schnell als Matadrmon erkannte. Und offenbar war auch es darauf aus, gegen das Devidramon zu kämpfen.

Waspmon, das die Zurückhaltung seiner Partnerin irgendwie spüren konnte, hielt inne und beobachtete Matadrmon, das nun in die Luft sprang und Messer auf das Devidramon abschoss.

Das Dämonenbiest fuhr herum und schaffte es, einige Messer, die es sonst getroffen hätten, mit einem Flügel aus der Luft zu wischen, woraufhin die Messer sich wieder auflösten.

Matadrmon ließ sich zurück auf den Boden fallen, sprang jedoch im nächsten Moment wieder empor, dieses mal viel schneller als zuvor, und griff erneut mit einer Folge schneller Hiebe und Stiche an.

Dabei kam dem untoten Digimon seine große Geschwindigkeit zum Vorteil, doch ähnlich wie Hanehamons Angriff, machten auch Matadrmons Attacken weniger schaden, als es eigentlich erwartet hatte.

Allerdings war es schnell genug, als dass Devidramon nicht so leicht zu einem Gegenangriff übergehen konnte.

Dennoch war Matadrmon, das ebenfalls durch seine mangelnde Flugfertigkeit einen Nachteil hatte, schließlich gezwungen, sich zurückfallen zu lassen. Es wollte erneut in die Luft springen und angreifen, als bunte Bänder aus Flammen sich um den Körper Devidramons wickelten. Nein, es waren keine Bänder, sondern Fuchsgeister, die in verschiedenen Farben zu brennen schienen.

„Izuna!“, erklang eine Stimme, als sich die Geister noch enger um Devidramons Körper wickelten, der sich im nächsten Moment ebenfalls in pinke Partikel auflöste, die langsam auf die Stadt hinab rieselten.
 

„Wir hatten das auch ohne deren Hilfe geschafft“, grummelte Ai und sah missmutig zu den vier anderen Tamern hinüber, die zusammen mit Megumi unter einem Baum am Rand des Parks standen.

„Aber vielleicht nicht so schnell“, erwiderte Takumi vorsichtig.

„Na und?“, erwiderte das Mädchen genervt, seufzte dann aber, da sie wusste, dass er Recht hatte. „Wir bekommen nur wirklich keine Chance...“, murmelte sie, mehr zu sich selbst, als zu ihren beiden Freunden.

„Hey, wir haben den Meister der Spiele“, begann Impmon, sah dann aber zu Takumi und Rin und schwieg.

„Immerhin ist kaum jemand zu Schaden gekommen“, meinte Kotemon zuversichtlich.

„Ja“, erwiderte Ai leise, während Takumi zu Rin sah, die die ganze Zeit geschwiegen hatte.

„Okamura-san?“, fragte er vorsichtig und schien sich dabei nicht sicher zu sein, wie er sie überhaupt ansprechen sollte. „Ist etwas nicht in Ordnung?“

Rin schüttelte den Kopf. „Nein. Es ist alles in Ordnung.“ Sie sah ihn nicht an, sah stattdessen zu Boden. „Ich bin froh, dass sie uns geholfen haben.“ Nun wanderte ihr Blick zu den anderen Tamern hinüber. Unsicher machte sie einen Schritt auf diese zu, doch Ai griff nach ihrer Hand.
 

„Hey, du musst dich nicht bei ihnen bedanken“, meinte sie. „Wir haben sie schließlich nicht um Hilfe gebeten.“

„Und das heißt, wenn man kindisch ist, natürlich, dass man sich nicht bedankt“, kommentierte dies Impmon trocken.

„Was heißt hier kindisch?“, knurrte Ai mit gespielter Wut und fixierte ihren Partner.

Impmon zuckte in gespielter Ratlosigkeit mit den Schultern. „Was wohl?“
 

„Danke“, meinte Shoji derweil an Ruki gewandt, welche nun ebenfalls mit Renamon bei Ihnen stand.

„Wofür?“, erwiderte sie und lächelte ihn an. Etwas war anders an ihr – das merkte Shoji, doch er hätte nicht sagen können, was es war.

„Matadrmon hätte Devidramon auch ohne unsere Hilfe besiegen können“, fuhr Ruki fort.

Gazimon sah sie an. „Vielleicht. Aber so war es einfacher. Danke.“

„Ich frage mich, was es mit diesen Digimon auf sich hat“, murmelte Shoji und zog seine Augenbrauen nachdenklich zusammen. „Sind es überhaupt richtige Digimon...“

„Und wieso tauchen erst jetzt wieder welche auf“, fuhr auch Gazimon nachdenklich fort, was Shuichon jedoch dazu brachte, laut aufzustöhnen.

„Man, mit euch kann man auch keinen Sieg vernünftig feiern“, beschwerte sie sich. „Anstatt jetzt schon wieder so deprimierte Gesichter zu machen, könntet ihr euch auch einfach freuen, dass wir gewonnen haben.“

„Und was ist, wenn noch mehr dieser Art angreifen? Stärkere Digimon?“, fragte Denrei und fing sich dafür einen wütenden Blick seiner Freundin ein.

Ruki sah sie an. „Das werden wir sehen“, meinte sie. „Solange es weiter relativ schwache Digimon sind, sollten sie keine zu großen Probleme machen, solange wir nur rechtzeitig da sind.“ Sie holte tief Luft. „Vielleicht hat Shuichon recht...“

„Aber wieso haben sie hier angegriffen? Und wieso jetzt zu dritt?“, murmelte Shoji.

„Darüber können wir uns später noch Gedanken machen!“, rief Shuichon genervt aus und sah ihn gespielt böse an.

„Ja, aber...“, begann Shoji, musste aber dann doch Lächeln, als er den Blick auf dem Gesicht des Mädchens sah.

Derweil beobachtete Megumi die Tamer nur.

Es war bei weitem nicht der erste Digimonkampf, den sie gesehen hatte – natürlich nicht – doch es war seltsam zu beobachten, wie sich manche Dinge veränderten. Als die Digimon das erste mal in der realen Welt aufgetaucht waren, waren Takato, Jenrya und Ruki die einzigen Tamer gewesen, und nun...?

Diese Kinder – sie konnte noch immer nicht umher von ihnen als Kindern zu denken – hatten schon so oft gekämpft... Und das seltsame war, dass ein Teil von Megumi, sie darum beneidete. Wieso?

Sie seufzte. „Ich glaube, ich sollte langsam nach Hause gehen“, meinte sie dann zu den Tamern. „Ich... Ich muss mich noch um ein paar Dinge kümmern.“

„Och.“ Enttäuscht sah Shuichon sie an. „Ich dachte, Sie könnten noch etwas mit uns Essen gehen, oder so, Megumi-san.“

„Danke für die Einladung“, erwiderte Megumi höflich. „Aber ich hatte noch etwas vor.“

„Wir wollen Sie nicht aufhalten, Onodera-san“, meinte Shoji mit respektvollem Lächeln. „Kommen Sie gut nach Hause.“

„Danke, ihr auch.“ Sie wandte sich ab. „Wir sehen uns sicher ein andern Mal.“ Damit ging sie, während ihr Lopmon noch mit einem Ohr hinterherwinkte.

Aus irgendeinem Grund hatte sie es auf einmal tatsächlich eilig nach Hause zu kommen. Beinahe so, als würde sie dort etwas erwarten.

Beinahe, als wüsste sie bereits, dass sie dort die erwartete Email finden würde.
 

Die Erdbeben sind in der Anomalie in der digitalen Welt begründet.

Es wird schlimmer werden. Es wird sich auf die reale Welt ausbreiten, wenn nichts dagegen getan wird.

Mehr kann ich so nicht sagen.
 

Wir müssen reden.

Episode 29: Die andere Seite der Welt

Absender: Mizuno Gorou

Datum: 25.06.2011

Betreff: Re[2]: Anomalie
 

Die Erdbeben sind in der Anomalie in der digitalen Welt begründet.

Es wird schlimmer werden. Es wird sich auf die reale Welt ausbreiten, wenn nichts dagegen getan wird.

Mehr kann ich so nicht sagen.
 

Wir müssen reden.

Es war ein bewölkter Montagabend, an dem sich Takato, Ryou, Ruki, Kenta, Denrei, Shuichon und Shoji, zusammen mit einigen Hypnosmitarbeitern in einem Konferenzraum im Metropolitan Government Building versammelt hatten.

Es hatte am Vormittag ein Erdbeben gegeben, das stärker war als die vorherigen, doch das war nicht der einzige Grund, aus dem sie sich getroffen haben.

„Shibumi-san sagt, dass es mit der Anomalie zu tun hat“, erklärte Megumi ihnen zurückhaltend. Sie hatte den Blick gesenkt, als wolle sie niemanden ansehen.

„Shibumi-san wollte die Anomalie weiter erforschen, oder?“, fragte Kenta frei heraus.

„Ja“, antwortete Megumi. „Er hatte sie damals entdeckt.“

„Wo ist Shibumi jetzt?“, fragte Shuichon nun und zog die Augenbrauen zusammen.

Darauf erwiderte Megumi nicht sofort etwas. Sie hatte die Arme verschränkt und sah etwas bedrückt auf den Tisch vor ihr. „Ich weiß es nicht genau. Er arbeitet in Amerika, oder?“

„Ja, das ist auch das letzte, was ich weiß“, stimmte ihr Janyuu zu. „Doch wo?“ Er schwieg für einen Moment und es schien, als würde ihm etwas auf der Zunge liegen, während er sich nicht sicher war, ob er darüber reden sollte. „Aber warum hat er Sie benachrichtigt, Onodera-san?“, fragte er dann schließlich und sah die Frau von der Seite an.

„Nun, vielleicht weil ich es war, die letzten Winter mit ihm gesprochen hat“, antwortete Megumi, wobei ihre Stimme jedoch so schnell war, das selbst Denrei merkte, dass dies nicht die ganze Wahrheit sein konnte.

Ruki, die zwischen Denrei und Shoji saß, räusperte sich. „Davon abgesehen: Was ist, wenn das was er sagt, stimmt? Ich meine, können wir dann etwas gegen die Erdbeben tun?“ Sie verschränkte die Arme und sah fragend zu Yamaki und Janyuu.

Yamaki, der fraglos den herausfordernden Unterton in ihrer Stimme gehört hatte, schien unsicher. „Wir wissen noch immer nicht wirklich, was es mit dieser Anomalie auf sich hat, oder?“

„Es ist eine künstliche Intelligenz“, antwortete Denrei, „wie die Digimon... Nur, irgendwie auch anders. Aber die Anomalie hat ein Bewusstsein.“ Er zog die Lippen zusammen. Er hatte die Worte bewusst gewählt. Denn nach allem, was er wusste, war es tatsächlich so: Die Anomalie hatte ein Bewusstsein, zumindest war es ihm so vorgekommen, als jene seltsame Gestalt mit ihnen geredet hatte.

„Aber das sagt uns noch immer nicht, was sie mit der digitalen Welt zu tun hat“, murmelte Shoji, „und wie sie funktioniert... Und wie kann sie diese Erdbeben auslösen?“

„Nun, die digitale Welt ist mit unserer eng verbunden“, antwortete Megumi auf diese Frage. „Das heißt, dass manche Ereignisse eine Reaktion in beiden Welten hervorrufen können. Zumindest in der Theorie. Und eine weitere 'Welt', die sich in der digitalen Welt ausbreitet, wäre ein Ereignis, das fraglos groß genug wäre, um eine solche Reaktion möglich zu machen.“

Shoji nickte nur.

„Die wirkliche Frage“, meinte Reika nun, „ist was wir tun sollen. So lange wir nichts genaueres wissen, können wir zwar versuchen, den Zusammenhang selbst herauszufinden, doch... Nun, Mizuno-san weiß wahrscheinlich weitaus mehr darüber, als wir so schnell herausfinden können.“

„Wenn wir herausfinden können, wo sich Shibumi aufhält, so könnte ich ihn aufsuchen, wenn wir Jenrya besuchen.“ Janyuu sah in die Runde.

„Ich kann versuchen es herauszufinden“, erwiderte Megumi.

„Solang wir nichts wissen, können wir sonst wenig tun“, sagte Yamaki und klang dabei so missmutig, wie jeder der Tamer sich führte.

Takato seufzte. „Aber wir müssen bald etwas tun“, murmelte er, so leise nur, dass es nur die Tamer um ihn hörten. „So kann es nicht weiter gehen...“

„Wird schon“, meinte Kenta und klopfte ihm auf die Schulter.

„Moumantai, Takato, Moumantai“, sagte Shuichon und lächelte Takato an, der das erste Mal seit dem Chiyoda-Vorfall überhaupt wieder hier bei Hypnos war, da er eigentlich noch suspendiert war.
 

Während sich die Konferenz auflöste, blieb Megumi sitzen und sah zu, wie die Tamer gingen. Auch Janyuu und Yamaki gingen, doch Reika blieb bei der Tür stehen und sah sie an. Als Ryou als letzter den Raum verlassen hatte, schloss sie die Tür hinter ihm und setzte sich neben Megumi.

„Was ist Weihnachten passiert?“, fragte sie vorsichtig.

Megumi sah sie nicht an. „Ich weiß nicht was du meinst“, antwortete sie, wobei jedoch ihr unsicherer Tonfall sie bereits der Lüge entlarvte.

„Du warst schon so seltsam, als wir Silvester wiederkamen“, meinte Reika nun, wobei sie ihre Worte genau wählte. „Ich habe es erst ignoriert, aber seither bist du allgemein anders als vorher. Ich weiß, das etwas passiert ist – doch ich bin mir nicht ganz sicher was es ist.“ Sie legte eine Hand auf Megumis Schulter.

Die jüngere der beiden Frauen reagierte erst nicht, doch dann seufzte sie. „Man kann dir nichts verheimlichen, oder?“, meinte sie, jedoch vollkommen humorlos.

Reika lächelte sanft. „Nun, um ehrlich zu sein, bist du allgemein nicht gut darin, Dinge zu verheimlichen – nimm's mir nicht übel.“

Für einen Moment huschte ein mattes Lächeln über Megumis Gesicht, doch dann wandte sie den Blick wieder ab. „Die Wahrheit ist...“, begann sie und schien zu überlegen. Es fiel ihr offenbar schwer zu antworten. „Nun ja, als Shibumi-san herkam, wollte er eigentlich mit Janyuu oder Mitsuo reden, aber sie waren ja beide nicht da.“ Sie endete und schwieg.

Reika wartete eine Weile, ehe sie etwas nachhakte. „Und dann?“

Ihre Freundin erwiderte nichts und Reika seufzte. „Megumi, ich würde dich ja nicht bedrängen, aber ich habe das Gefühl, dass es dich belastet. Und ich würde dir gerne helfen.“ Das war die Wahrheit, auch wenn sie verschwieg, dass sie es außerdem wissen wollte, weil sie versuchte zu verstehen, warum Mizuno Gorou ausgerechnet mit Megumi Kontakt aufgenommen hatte. Natürlich war sie nicht dumm und konnte sich ihren Teil denken, doch ein paar Dinge machten auch für sie keinen Sinn.

„Ich weiß“, murmelte Megumi bedrückt. „Die Wahrheit ist, dass er mich am nächsten Tag angerufen hat, um mir die Unterlagen zu geben. Wir sind in eine Bar in Golden Gai gegangen und... Na ja... Danach bin ich mit ihm in Hotel gekommen.“ Sie warf Reika einen kurzen Blick zu, fast als erwarte sie, dass diese mit ihr schimpfen würde.

Doch natürlich tat Reika dies nicht. Es war in etwa das, was sie sich gedacht hatte. Allerdings blieben noch immer ein paar Fragen offen. „Hast du seitdem Kontakt mit ihm gehabt?“, fragte sie – auch wenn sie die Antwort bereits wusste, diese Frage aber als umsichtiger empfand, als die Alternativen.

Megumi zögerte. „Nein. Ich habe seitdem gar nicht mehr mit ihm gesprochen. Bis er vor mir vor ein paar Tagen eine Email geschrieben hat.“ Ihre Stimme war leise, während ihr Blick starr auf den Tisch vor ihr gerichtet war.

Daraufhin schwieg Reika. Zwar hatte sie, aufgrund von Megumis Verhalten, sich etwas ähnliches gedacht, dennoch konnte sie nicht sagen, dass es sie wirklich nicht überraschte – wahrscheinlich, weil Shibumi alles in allem eine eher unzulängliche Person war.

Und da ihr – zumindest im Moment – nichts zu sagen einfiel, schwieg sie.

Nur eine Sache verstand Reika noch immer nicht, auch wenn sie Megumi nicht danach fragen würde: Gerade wenn Shibumi sich die ganze Zeit nicht bei Megumi gemeldet hatte, warum schrieb er nun ihr und keinem seiner alten Freunde? Doch vielleicht lag es wirklich nur daran, dass er Shibumi war und wohl niemand Shibumi so richtig verstand.
 

Empfänger: Mizuno Gorou

Datum: 27.06.2011

Betreff: Re[3]: Anomalie
 

Wie kann ich mit Ihnen reden? Kommen Sie nach Japan zurück?

Wenn die Erdbeben schlimmer werden, dann werden bald Menschen zu Schaden kommen.

Als Denrei zusammen mit Shuichon und ihrem Vater an dem Haus, in dem die Lee-Familie lebte, ankam, fühlte er Unruhe in sich aufsteigen. Er wollte mit Shuichon sprechen, da er nach den Worten ihres Vaters ahnte, dass sie ihm etwas nicht erzählt hatte, doch er wollte nicht vor Janyuu darüber reden.

So folgte er, die Hände in den Hosentaschen und die Schultern hochgezogen, den beiden in den Aufzug, ehe sie in die fünfte Etage hochfuhren.

„Ist etwas, Denrei?“, fragte Shuichon, die seinen Missmut fraglos bemerkte, doch er schüttelte nur den Kopf.

„Nicht hier.“

So kamen sie zur Wohnungstür, die Janyuu für sie aufschloss.

Während sie hineinkamen und ihre Schuhe gegen Pantoffel austauschten, sah Mayumi, die offenbar bereits zuhause war, in den Flur. „Willkommen zurück“, meinte sie und lächelte ihnen müde entgegen. „Ich habe das Abendessen fast fertig.“ Dann sah sie, dass auch Denrei bei ihnen war. „Willkommen, Denrei-kun. Isst du auch mit oder gehst du mit Dracomon nach Hause.“

Denrei zwang sich zu einem Lächeln. „Danke sehr. Ich esse gerne etwas. Aber vorher wollte ich mit Shuichon reden.“

Diese sah ihn an. „Worüber denn?“ Doch anstatt zu antworten nahm er sie bei der Hand und zerrte sie zu ihrem Zimmer.

Doch kaum hatten sie die Tür zu diesem geöffnet, sprangen ihnen zwei Gestalten entgegen.

„Ihr seid zurück!“, jubelte die erste Gestalt.

„Man, es war ja so langweilig!“, meinte die zweite.

„Ich habe solchen Hunger“, jammerte wiederum die erste.

„Deine Mama wollte nicht, dass wir in der Küche rumlungern, Shuichon“, beschwerte sich die zweite.

Denrei tätschelte der ersten Gestalt, bei der es sich um Dracomon handelte, den Kopf. „Mayumi-san sagt, dass es gleich etwas zu essen gibt“, meinte er.

„Juhu!“, jubelte daraufhin der kleine Drache, dessen Laune sich bei der Aussicht auf baldiges Abendessen schnell besserte.

„Willst du schon mal ins Esszimmer gehen?“, schlug Denrei lächelnd vor und hockte sich vor seinen Partner, um mit ihm auf Augenhöhe zu sein. „Dann kannst du dir als erster etwas zu essen sichern!“

Das Digimon nickte begeistert und lief aus der offenen Tür heraus, während Lopmon, das nun von Shuichon gehalten wurde, Denrei missmutig ansah. „Und worum geht es hier?“

Denrei erwiderte den Blick missmutig. Da Lopmon bei weitem weniger naiv war, als Dracomon, war es auch schwerer, es loszuwerden.

Deswegen entschloss er sich dem Digimon die Wahrheit zu sagen. „Ich will mit Shuichon etwas allein bereden.“

„Ganz allein?“, fragte Lopmon und sah ihn weiterhin misstrauisch an. „Wieso?“

„Weil es keinen Sinn hätte, allein zu reden, wenn ich dir jetzt sage warum?“, erwiderte Denrei, woraufhin Shuichon seufzte.

Sie sah auf ihren Digimonpartner hinab. „Bitte, Lopmon“, meinte sie.

Lopmon hob seine kleinen Arme, um ein Schult5erzucken zu imitieren, sprang dann aus Shuichons Armen auf den Boden und ging dann seine langen Ohren hinter sich herziehend aus dem Zimmer hinaus. Sie hörten noch ein gemurmeltes „Moumantai“, ehe Shuichon die Tür schloss und die Arme verschränkte.

„Und, worum geht es?“, fragte sie nun mit gereiztem Unterton.

Denrei lehnte sich gegen ihren Schreibtisch und verschränkte die Arme. „Kann es sein, dass du vergessen hast, mir etwas zu erzählen?“

Das Mädchen hob eine Augenbraue. „Wie zum Beispiel?“

„Zum Beispiel, dass du in den Ferien in den USA bist?“, erwiderte er. „Wenn dein Vater von 'wir' spricht, nehme ich an, dass du mitfährst, oder?“

Shuichons Blick wurde etwas Schuldbewusst und ihre Gereiztheit war schnell verflogen. „Ähm“, machte sie verlegen. „Ja, so haben wir es eigentlich geplant.“

„Und wieso hast du mir das nicht gesagt?“, fragte Denrei nun noch gereizter. „Es wäre ganz nett gewesen, zu wissen, dass meine Freundin für... Wie lange seit ihr weg?“

„Zweieinhalb Wochen“, antwortete Shuichon und bemühte sich schnell vorzufahren, ehe er ihr noch weitere Vorwürfe machen konnte. „Denrei, hör zu. Ich... Nun... Ich wusste nicht genau, wie ich es dir sagen sollte, weil... Na ja, Jian-nii-san und du... Ihr... Ihr könnt einander nicht unbedingt leiden, nicht?“

„Wenn du damit sagen willst, dass er irgendein Problem mit mir hat, dann ja“, grummelte Denrei.

„Eben“, erwiderte Shuichon.

„Aber was für einen Unterschied macht es, ob du es mir früh genug erzählst, oder erst später?“ Er sah sie an. „Außer dass ich mir so dumm vorkomme – und sauer auf dich bin?“

Daraufhin wich sie seinem Blick aus – etwas, das nicht besonders häufig vorkam. „Na ja, es ist nich so, als hätte ich es darauf angelegt, es dir so spät erst zu erzählen. Ich habe nur... Nun ja... Auf den richtigen Moment gewartet... Und der ist halt nicht gekommen.“

Denrei hob eine Augenbraue. „Der richtige Moment, ja?“

Sie nickte heftig. „Genau.“

Für einen Moment schwieg Denrei, da er auch nicht mehr wusste, was er dazu sagen sollte. Dann seufzte er und ließ sich auf ihren Schreibtischstuhl fallen.

„Es tut mir leid, Denrei“, meinte Shuichon. Sie setzte sich auf seinen Schoss und strich ihm nun über die Wange. „Sei mir nicht sauer, ja? Ich wollte es nicht wirklich verheimlichen... Ich wollte nur nicht, dass du... Na ja...“

„Wenn du nicht wolltest, dass ich wütend werde, dann hat es nicht geklappt“, grummelte er und sah sie an – was sich allerdings als Fehler herausstellte, da es ihm schwer fiel, ihr noch länger böse zu sein, während sie ihren besten Hundeblick aufsetzte.

„Bitte“, flüsterte sie nun mit ernster Miene und gab ihm einen kurzen Kuss auf die Lippen, was ihn dazu brachte erneut zu seufzte.

„Jetzt kann man es ja nicht mehr rückgängig machen“, meinte er schließlich.

Die Wahrheit war letzten Endes, dass er – spätestens nachdem, was sie in der digitalen Welt zusammen erlebt hatten – sich nicht vorstellen konnte – oder besser: sich nicht vorstellen wollte, gleich zwei Wochen ohne sie in Tokyo zurück zu bleiben. Schon gar nicht, während sie Jenrya besuchte, der ihn ja aus irgendeinem Grund (der in Denreis Augen recht deutlich ein übermäßiger Schwesterkomplex war) nicht leiden konnte.

Doch da kam ihm ein anderer Gedanke.

Gerade küsste ihn Shuichon noch einmal. „Bist du mir nicht mehr böse?“, fragte sie dann und sah ihn an.

„Nicht mehr zu sehr“, gab er zu. „Aber ich komme mit.“
 

Absender: Mizuno Gorou

Datum: 27.06.2011

Betreff: Re[4]: Anomalie
 

Ich kann im Moment nicht nach Japan zurückkommen. Ich habe hier Verpflichtungen.

Im Moment arbeite ich in den USA an einem Projekt. Mehr kann ich wirklich nicht sagen.

Sie müssen hierher kommen.

Es war früher Montagmorgen, als Jenrya vom Klingeln seines Handys aus dem Schlaf gerissen wurde. Um genau zu sein, war es nicht sein Handy, das klingelte, sondern Skype, das auf dem Smartphone installiert war.

Dies bedeutete für Jenrya beinahe immer, dass jemand aus seiner Familie anrief.

Auch Terriermon war mittlerweile aufgewacht. Verschlafen hob es ein Ohr. „Mach das aus“, grummelte es.

Jenrya tastete nach dem Gerät, dessen Bildschirm nun leuchtete und nahm den Anruf entgegen, wobei er registrierte, dass es gerade einmal kurz nach sechs war.

„Ja?“, fragte er auf Japanisch, während er sich aufrichtete und in seine Pantoffeln schlüpfte, die neben dem im Vergleich zu Japan sehr hohen Bett standen.

„Guten Morgen, Jian-nii-chan!“, flötete die Stimme seiner kleinen Schwester aus dem Smartphone.

„Ah, Shuichon“, seufzte er und frage sich augenblicklich, warum sie ihn um diese Zeit anrief.

„Ja“, erwiderte sie überschwänglich. „Ich dachte, ich rufe meinen lieben, großen Bruder einmal wieder an.“

Jenrya trat auf den Flur des Studentenheims, in dem er lebte, hinaus. „Das ist sehr nett.“ Er gähnte herzhaft. „Aber du weißt schon, dass es hier noch früher Morgen ist, ja?“

Für einen Moment schwieg Shuichon. Dann lachte sie verlegen auf. „Ups, daran habe ich gar nicht gedacht.“

Stumm streckte Jenrya sich. „Hat es denn einen besonderen Anlass, dass du mich anrufst?“, fragte er dann.

„Och, ich wollte nur hören, wie es dir in den USA so geht“, meinte Shuichon.

„Nicht besser oder schlechter als sonst“, erwiderte er und wurde langsam misstrauisch. Denn die traurige Tatsache war, dass Shuichon ihn bisher selten angerufen hatte – nicht zuletzt, weil sie in der digitalen Welt verschollen war, ohne dass ihm jemand etwas gesagt hatte.

Deswegen legte er die Stirn in Falten. „Wie geht es dir denn?“

„Och, eigentlich ganz gut. Ich muss nur viel für die Schule nachholen“, erwiderte sie und ihm kam es so vor, als sei ihr Tonfall betont beiläufig, was ihn nur noch misstrauischer machte.

„Du hättest einfach nicht allein in die digitale Welt gehen sollen“, meinte er nun.

„Ich war nicht allein“, war die schmollende Antwort, die er bekam, „Lopmon, Dracomon und Denrei waren ja auch dabei.“

Was es nicht besser machte – im Gegenteil, dachte sich Jenrya. „Es war trotzdem viel zu gefährlich.“

„Ach was“, meinte Shuichon ein wenig gereizt.

Jenrya seufzte und schwieg für einen Moment. „Bist du dir sicher, dass sonst alles in Ordnung ist?“, fragte er dann.

„Ja, ja.“

Doch irgendetwas überzeugte ihn nicht. „Hattest du Streit?“

Auf die Frage hin antwortete seine Schwester nicht sofort. „Na ja...“

„Mit Denrei?“, fragte er weiter – und war sich nicht sicher ob er seine Stimme soweit unter Kontrolle hatte, dass diese nicht auch ein wenig hoffnungsvoll klang.

„Na ja... Ja“, antwortete Shuichon.

„Habt ihr euch etwa getrennt?“

Daraufhin kam die Antwort prompt: „Natürlich nicht!“

Jenrya musste sich ein Seufzen verkneifen.

Da hörte er eine andere Stimme vom anderen Ende der Leitung. „Jetzt sag schon, Shuichon“, meinte Lopmon in drängelnden Tonfall. „Oder ich mach's!“

„Sei ruhig, Lopmon“, zischte Shuichon zurück und Jenrya hörte ein Rascheln am anderen Ende der Leitung, ehe die Stimme seiner Schwester wieder deutlich zu vernehmen war.

„Entschuldige, Jian“, meinte sie.

„Was sollst du mir sagen?“, fragte Jenrya, nun alarmiert.

„Na ja“, murmelte Shuichon. „Also die Sache ist die... Na ja...“ Dann platzte es auf einmal aus ihr heraus. „Denrei kommt mit in die USA.“

Daraufhin ließ Jenrya sein Handy sinken.
 

Empfänger: Mizuno Gorou

Datum: 27.06.2011

Betreff: Re[5]: Anomalie
 

Lee Janyuu wird in fünf Wochen in die USA kommen, um seinen jüngsten Sohn zu besuchen.

Können Sie nicht mit ihm reden? Er wird das Problem wahrscheinlich sogar besser verstehen als ich es kann. Sie waren doch früher ein Kommilitone von ihm und haben mit ihm zusammen gearbeitet.

Jenrya hätte sich kaum einen schlechteren Start seiner Woche vorstellen können. Nicht nur, dass ihn Shuichon unglaublich früh geweckt hatte, auch die Nachricht, für die sie ihn angerufen hatte, war unverhofft schlecht gewesen.

„Moumantai“, murmelte Terriermon, das müde auf seiner Schulter hing, während sie auf dem Weg zur Universität waren.

Das Studentenheim war nicht allzu weit von der Universität entfernt, um genau zu sein nur zwei Blöcke, was allerdings nicht besonders verwunderlich war, wenn man bedachte, dass um die Universität von Paolo Alto der größte Teil der Stadt entstanden war und die ersten Gebäude dort waren Wohnheime für Studierende und Professoren gewesen, so dass diese noch heute auf dem eigentlichen Campus zu finden waren.

„Jenrya!“, hörte er eine Stimme rufen, ehe ihm im nächsten Moment jemand auf die Schulter klopfte.

Er sah um und sah zu einem dunkelhäutigen Mädchen, das beinahe einen Kopf größer war als er und ihn nun angrinste. „Guten Morgen“, begrüßte sie ihn auf Englisch.

Jenrya seufzte. „Morgen“, grummelte er, selbst englisch sprechend.

„Guten Morgen, Alex“, gähnte derweil Terriermon.

„Ihr seht beide nicht besonders fröhlich aus“, meinte das Mädchen, das eigentlich viel eher eine junge Frau war und sogar älter als Jenrya wirkte, was jedoch auch durch den Größenunterschied begründet sein mochte. Ihr Haar lag in dünnen, geflochtenen Zöpfen eng an ihrem Kopf, während die dünnen Zöpfe wiederum zu einem Pferdeschwanz gebunden waren. „Schlecht geschlafen?“

„So in der Art“, seufzte Jenrya nur.

„Seine Schwester“, begann Terriermon langsam, da sein Englisch weitaus schlechter war, als das Jenryas, doch dieser stupste mit einem Finger vor die Schnauze des Digimon, woraufhin dieses schwieg.

Das Mädchen, dessen Name Alex war, zog eine Augenbraue hoch. „Also ich weiß nicht, irgendwie habe ich das Gefühl, dass du mir etwas verschweigst.“

„Wieso nur?“, meinte Jenrya trocken. „Aber ich muss dir ja auch nicht alles erzählen, oder?“

„Oh, ich sehe schon, du zeigst dich heute von deiner charmantesten Seite“, kommentierte dies wiederum Alex.

Jenrya seufzte nur, antwortete aber nicht.

Wenn er ehrlich war, war seine Hauptintention als er sich entschlossen hatte, in die USA gewesen, seine Ruhe zu haben. Er war es satt, dass ständig jemand auf ihn einredete und ihn versuchte davon zu überzeugen, dass dies oder jenes falsch war und er sowieso alles viel zu eng sah. Natürlich, Terriermon konnte er nicht zurücklassen, doch allgemein konnte er im Moment gut auf menschliche Gesellschaft verzichten.

Doch dabei hatte er nicht mit Alex gerechnet, die im selben Semester wie er studierte und mit ihrer Familie gänzlich in Paolo Alto lebte, da auch ihr Vater an der Universität beschäftigt war. Und aus einem für ihn unerfindlichen Grund, hatte das Mädchen vom ersten Tag an beschlossen, ihn unter ihre Fittiche zu nehmen (wie sie es nannte), beziehungsweise ihm beinahe täglich auf den Geist zu gehen (wie er es ausdrückte).

Dabei war es nicht einmal so, dass sie ihm als Person unsympathisch war, es war viel eher, dass er allgemein keine Lust auf allzu enge soziale Kontakte hatte, die sich am Ende doch als unzuverlässig herausstellen würden.

„Ersthaft, Jenrya“, meinte sie, „du solltest dein Studentenleben etwas mehr genießen!“

„Ich studiere nicht, um das ganze zu genießen“, erwiderte er nüchtern. „Ich studiere, um später einen guten Beruf zu haben und diesen bestmöglich ausführen zu können.“

Alex zuckte mit den Schultern. „Was für eine langweilige Sicht der Dinge.“

„Wieso verbringst du dann deine Zeit nicht mit jemand weniger langweiligerem?“, fragte Jenrya, noch immer in einem vollkommen trockenem Tonfall, was Terriermon leise auf Japanisch mit „Autsch“ kommentierte.

Darüber schien Alex für eine Weile nachzudenken. „Weil es eine geringere Herausforderung wäre, denke ich.“
 

Absender: Mizuno Gorou

Datum: 28.06.2011

Betreff: Re[6]: Anomalie
 

Ja, ich könnte auch mit TAO reden. Es gibt jedoch etwas, das ich nur mit Ihnen besprechen möchte. Sie könnten TAO begleiten.

So vergingen zwei Vorlesungen, in denen Alex ihm nicht von der Seite wich und Terriermon letzten Endes auf der Bank neben ihm schlief, da Terriermon deutlich vom Studentenleben gelangweilt war und sich sicher nicht über etwas Abwechselung beschwert hätte, wovon es zugegebener Maßen hier wenig gab, wenn man bedachte, dass selbst bei Digimon-Vorfällen einfache Tamer nicht eingreifen sollten.

Jenrya war mit einem sich noch immer im Halbschlaf befindenden Terriermon im Arm auf dem Weg zur Mensa, während Alex ihm folgte und dabei irgendwelche Nachrichten auf ihrem Smartphone beantwortete.

„Sehr schön“, meinte sie auf einmal zu ihm und er sah zu ihr.

„Was?“, fragte er – mehr aus Höflichkeit, als weil es ihn wirklich interessierte.

„Sarah hat mich gefragt, ob wir heute Nachmittag mit zum Bowlen kommen“, antwortete sie ihm.

„Nein“, erwiderte Jenrya sofort, um die Frage, die in ihrer Antwort mitschwang, auszuschlagen. „Ich muss heute Nachmittag lernen.“

„Es sind ja auch nur noch fünf Wochen bis zu den Examen, nicht?“ Alex‘ Stimme war zynisch. „Wenn schon, sei doch ehrlich und sag, dass du keine Lust hast.“

Jenrya stöhnte leicht genervt auf. „Na gut: Ich habe keine Lust.“

Daraufhin zuckte das Mädchen nur mit den Schultern. „Stell dich nicht so an. Ein bisschen Spaß zu haben, schadet dir sicher nicht.“

„Und woher willst du wissen, dass ich dabei Spaß haben werde?“, entgegnete Jenrya nun.

„Du könntest viel Spaß haben, wenn du nur wolltest“, erwiderte Alex und warf ihm einen Seitenblick zu. „Stattdessen bist du die ganze Zeit grummelig und schlecht gelaunt.“

Daraufhin blieb der junge Chinese stehen. „Na und?“, meinte er kühl. „Es ist doch meine Sache.“ Dann wandte er sich von ihr ab und ging in die Richtung zurück, aus der er gekommen war, während ihm andere Studierende entgegen kamen.

„Das war nicht sehr nett“, meinte Terriermon auf Japanisch und sah zu seinem Gesicht auf.

„Na und?“, erwiderte er. „Sie soll sich nicht in Dinge einmischen, die sie nichts angehen.“

Das Digimon streckte seine Ohren aus und kletterte dann auf seine Schulter. „Weißt du, das erinnert mich ein wenig an Shuichon.“

„Wieso das?“, fragte Jenrya mit gereiztem Unterton.

Terriermon zuckte mit seinen kleinen Schultern. „Na, Shuichon mischt sich auch immer in Dinge ein, die sie nichts angehen.“ Es schwieg für einen Moment. „Denrei und Shoji könnten dir darüber viel erzählen.“

Daraufhin verkrampfte sich der junge Mann unwillkürlich. „Mich interessiert es nicht, was Denrei zu erzählen hat.“

Das Digimon ließ ein leises Seufzen hören und sah ihn von der Seite an. „Ja, ja, ich weiß schon. Moumantai.“

„Moumantai, ja...“ Jenrya seufzte nun selbst und ließ die Schultern hängen.

Er wusste, dass er überreagierte und sowohl Terriermon, als auch Alex unfair behandelte. Doch er konnte einfach nicht anders. Wieso musste Denrei nun auch hierher kommen? Musste er ihm wirklich das bisschen Zeit, das ihm mit seiner Familie blieb, nehmen? Das bisschen Zeit, das er eigentlich hatte mit seiner Schwester verbringen wollen?

„Jian“, meinte Terriermon schließlich und ließ ihn aufhorchen.

„Ja?“, fragte er matt.

„Lass uns nachher mit Alex zum Bowlen gehen“, bat sein Partner kleinlaut. „Ich finde, du solltest ein wenig mehr mit den anderen machen, Jian...“ Er machte eine kurze Pause. „Außerdem haben sie an der Bowlingbahn so gute Cream Soda und Softeis!“

Der junge Mann lächelte matt. „Also geht es dir nur darum, hmm?“

„Ach was“, meinte das Digimon. „Moumantai.“

So seufzte Jenrya. „Vielleicht hast du Recht“, erwiderte er dann, auch wenn er die Worte nicht unbedingt meinte. Er wollte den Flur durch eine der Türen, die auf den Campus führten, verlassen, als eine Stimme auf Englisch nach ihm rief.

„Mr. Lee, hätten Sie einen Moment?“
 

Absender: Mizuno Gorou

Datum: 28.06.2011

Betreff: Re[7]: Anomalie
 

Es wird für mich nicht so einfach sein,in die USA .|
 

[Nachricht als Entwurf gespeichert]

Megumi starrte auf den Bildschirm. Es war mitten in der Nacht, doch sie saß noch immer zuhause vor ihrem Computer, da sie keinen Schlaf gefunden hatte. Seit dem Gespräch, das sie mit Reika gehabt hatte, war sie bedrückt.

Die Wahrheit war, dass sie noch immer nicht mit dem, was am vergangenen Weihnachten passiert war, abgeschlossen hatte.

Doch wenn das, was Mizuno Gorou schrieb die Wahrheit war, dann blieb ihr vielleicht keine andere Wahl.

Episode 30: Matsuri

Episode 30: Matsuri
 

Es ist nun drei Jahre her. Drei Jahre, seit wir in die digitale Welt gekommen sind, und beinahe drei Jahre, seit Toshi gestorben ist. Dabei war er nicht einmal ein Tamer, als er in die digitale Welt gegangen ist – ohne mich hätte er damit nie etwas zu tun gehabt. Und doch war er es, der in der digitalen Welt gestorben ist und nicht ich. Und ich bin es, die nun in dieser neuen Welt lebt, nicht er...
 

                            - Akimoto Kayako
 

Ein warmer Wind wehte Kayako entgegen, als sie an der Shinjuku-Station aus dem Shinkansen ausstieg.

Es war Mitte Juli und da die ersten Tokyoter Universitäten bereits Ferien hatten, hatte sie sich überreden lassen, die anderen Tamer in Tokyo zu besuchen. Doch als sie sich nun umsah, konnte sie von den anderen niemand entdecken.

„Ich habe Hunger“, jammerte Chiupumon, das auf ihrem Kopf saß.

„Ich weiß“, meinte sein Tamer, da das Digimon sich bereits die letzte halbe Stunde der Bahnfahrt über seinen Hunger beklagt hatte, Kayako es jedoch nicht eingesehen hatte, etwas aus dem überteuerten Bistrowagon zu kaufen. „Du bekommst schon etwas zu essen.“

„Ich habe aber jetzt Hunger!“, beschwerte sich das Digimon.

„Das ist dann dein Problem“, erwiderte Kayako. Da sie keinen der anderen sehen konnte, beschloss sie in die Haupthalle des Bahnhofs zu gehen.

Mit ihrer Sporttasche, in der sie Kleidung für das Wochenende verstaut hatte, unter dem Arm, machte sie sich auf den Weg die Treppe vom Gleis hinab zum Tunnel, der in die Eingangshalle der Bahnstation führte.

Gerade als sie dort ankam, hörte sie ein Rufen. „Kayako-san!“

Das Mädchen, das nach ihr rief, hätte sie in dem hier herrschenden Gedrängel nicht gesehen, wohl aber Lopmon, dessen Ohren durch die Luft wedelten.

So kämpfte sich Kayako zu der Stelle, wo sie Lopmon sehen konnte, durch.

„Tut mir leid, dass ich etwas verspätet bin!“, entschuldigte sich Shuichon, als sie vor ihr stand.

Kayako schüttelte den Kopf. „Das macht nichts.“

„Hattest du eine gute Fahrt“, fragte Shuichon.

„Ja“, antwortete Kayako. Sie folgte dem Mädchen durch das Gedränge aus dem Bahnhof hinaus, nur um an den Haaren gerissen zu werden, kaum dass sie draußen war.

„Essen!“, rief Chiupumon aus und schnupperte angeregt in der Luft. Dann breitete es seine Flügel aus und flog zu einem Takoyaki-Stand. „Kayako!“, rief es dann und zeigte auf den Stand. „Takoyaki!“

Daraufhin seufzte Kayako und holte ihre Geldbörse hervor. „Entschuldige mich bitte“, meinte sie zu Shuichon, die ihr allerdings zum Takoyaki-Stand folgte.

„Ich sehe, das Chiupumon noch immer... Eigenwillig ist“, kommentierte sie das Verhalten des Digimon dabei.

„Ja“, erwiderte Kayako, während sie für zwei Portionen Takoyaki bezahlte. „Hier.“ Sie wollte die zweite Portion Shuichon geben, doch diese winkte ab.

„Du solltest selbst etwas essen“, meinte sie. „Meine Mutter kommt wahrscheinlich erst heute Abend nach Hause, daher gibt es vorher nichts zu essen. Außerdem solltest du doch auch einmal tokyoter Takoyaki probieren.“ Sie grinste. „Ich kann mir selbst etwas kaufen.“

Kayako nickte.

Während Shuichon nun ebenfalls Oktopusbällchen für sich und Terriermon kaufte, machte sich Chiupumon über seine Portion her, machte jedoch direkt nachdem es das erste Bällchen in seinen Mund geschoben hatte. „Also die in Osaka sind besser“, verkündete es nicht gerade leise.

Kayako zog eine Augenbraue hoch. „Dann musst du eben hungern.“

„Gemein“, grummelte das Digimon, aß aber weiter.

„Wie läuft es im Studium?“, fragte Shuichon schließlich, woraufhin Kayako nur mit den Schultern zuckte.

„Ganz gut.“ Für einen Moment schwieg sie. „Und die Schule bei dir?“

„Es geht“, erwiderte Shuichon. „Aber jetzt sind ja Ferien.“

Kayako nickte. Sie wusste, dass Shuichon zusammen mit ihren Eltern nach Amerika fliegen würde, um ihren Bruder zu besuchen. „Wann fliegt ihr?“

„Montag Abend“, antwortete Shuichon. Sie schaute etwas verlegen drein. „Ich schwänze die letzte Schulwoche dafür.“
 

Etwas später saß Kayako in dem Zimmer, das früher einmal Shuichons Schwester Jaarin gehört hatte, die mittlerweile jedoch bereits verheiratet war und nicht mehr hier lebte.

Sie seufzte. Sie war schon lange nicht mehr in Tokyo gewesen.

Allerdings war sie erstaunt, wie einfach es war mit Shuichon zu reden. Auch wenn sie sich von ihr hatte überreden lassen, überhaupt herzukommen, so hatte sie das Mädchen doch als aufmüpfiger in Erinnerung. Doch auch wenn ihr Verhalten noch immer nicht unbedingt japanischer Etikette entsprach, so schien sie mittlerweile doch ganz umgänglich zu sein.

Dennoch kam sie nicht umher, sich ein wenig bedrückt zu fühlen.

Auch Chiupumon, das am Fenster saß und hinaussah, schien dies zu bemerken. „Was hast du, Kayako?“, fragte es und drehte sich zu ihr herum.

„Nichts“, murmelte sie, wusste aber, dass sie nicht besonders überzeugend klang.

„Du denkst an Toshi“, stellte Chiupumon fest und ließ seine Flügel etwas hängen.

Darauf antwortete Kayako nicht. Natürlich hatte das Digimon Recht. Sie kam nicht umher an Toshi zu denken, denn als sie das erste Mal hier gewesen war, war er noch bei ihr gewesen, so dass sie sich jedes Mal, wenn sie herkam, an ihn erinnert fühlte.

„Kayako“, meinte Chiupumon vorsichtig.

Sie seufzte und kam sich albern vor, weil sie noch immer nicht ganz darüber hinweg war. Doch kam sie nie umher, darüber nachzudenken, wie es wohl gewesen wäre, wenn all die Dinge nie passiert und sie nie in die digitale Welt gekommen wären. Wenn Toshi nicht dort gestorben wäre. Wären sie zusammen geblieben? Wären sie glücklich gewesen?

Es war diese Frage, die sie so sehr quälte.

„Kayako!“ Chiupumons Stimme hatte nun größeren Nachdruck und sie sah auf.

Matt lächelte sie das kleine, teddybärartige Digimon an, dessen weiße Flügel noch immer hinabhingen. „Es ist schon in Ordnung.“

In dem Moment merkte sie, wie die Erde begann zu beben. Natürlich wusste sie, dass diese Beben in Tokyo nun schon seit Wochen anhielten, doch verhinderte dieses Wissen nicht, dass sie sich im ersten Moment erschreckte.

„Kayako, schau!“, rief Chiupumon und zeigte aus dem Fenster, woraufhin sie aufsprang, um hinauszusehen.

Tatsächlich zog ein Flackern über das Abbild der digitalen Welt im Himmel.

Dann verebbte das Beben, ehe es nur wenige Sekunden später an der Tür klopfte.

„Kayako, kann ich hereinkommen?“, fragte Shuichons Stimme.

„Ja“, erwiderte Kayako schnell, woraufhin Shuichon ihren Kopf ins Zimmer steckte.

„Ich wollte nur fragen, ob alles in Ordnung ist.“

Kayako nickte. „Ja“, antwortete sie. „Ich habe mich nur etwas erschrocken.“

„Dann ist gut“, meinte Shuichon. „Magst du etwas mit ins Wohnzimmer kommen? Wir könnten etwas spielen oder so, bis die Jungen kommen.“

Noch bevor Kayako darüber nachdenken konnte, nahm Chiupumon ihr die Antwort ab. „Spielen klingt gut“, meinte er mit einer so überschwänglichen Begeisterung, dass Kayako wusste, dass es sie dazu bringen wollte mit zu gehen – und sei es nur um auf andere Gedanken zu kommen.

„Ja“, meinte sie daher. „Spielen klingt gut.“

„Super.“ Shuichon lächelte breit. „Du kannst ja schon einmal vorgehen. Ich hole uns noch etwas zu trinken und zu knabbern.“ Damit lief sie in die Küche, die ohnehin direkt neben dem Wohnzimmer lag.
 

Das Licht der Nachmittagssonne wirkte blass auf Makoto, während er durch die Straßen der Wohngegend von Shinjuku ging. Er hatte keine Hausaufgaben mehr, um die er sich hätte kümmern können, so dass er kaum etwas anderes tun konnte. Immerhin hatte er keine Lust mit den anderen auf eins der Sommerfeste zu gehen oder sich überhaupt in der Nähe seiner Schwester aufzuhalten.

Er wusste, dass es teilweise kindisch war, vor allem nicht mit seiner Schwester zu reden, doch er konnte nicht anders. Auch wenn er wusste, dass weder Ai, noch Impmon diese Entscheidung bewusst getroffen hatten, konnte er einfach nicht umher sich von ihnen betrogen zu fühlen.

Doch nicht nur das. Er fühlte sich außerdem einsam.

Vielleicht wäre es anders gewesen, wäre er wie Takato und die anderen und hätte Impmon erst mit zehn Jahren oder sogar noch später getroffen. Doch Impmon war bei ihm und Ai gewesen, beinahe seit er denken konnte. Seit zehn Jahren waren sie ein Team gewesen – nun, mehr oder weniger zumindest – selbst wenn er und Ai oft gestritten hatten. Es war für ihn normal gewesen und jetzt war es auf einmal anders.

Er kickte gegen einen Stein, der am Rand der Gasse lag.

Was sollte er denn überhaupt machen? Sollte er einfach ein normales Leben führen und sich nicht mehr um die Digimon kümmern? Sollte er so werden, wie die Geschwister von Jenrya und Shuichon? Oder vielleicht wie Katou Juri?

Hatte er überhaupt eine Wahl?

„Makoto-kun?“, hörte er eine Stimme hinter sich und drehte sich um.

Dort stand Kitagawa Kenta, zusammen mit seinem Partner Penmon.

„Kitagawa-san“, grüßte Makoto ihn halbherzig. Eigentlich wollte er im Moment allgemein nicht um Leute mit Digimonpartnern sein.

Kenta kam zu ihm hinüber. „Ich bin überrascht dich hier zu treffen“, meinte er. „Was machst du hier?“

Makoto seufzte. Er hatte keine Lust auf eine Unterhaltung, doch da er gut erzogen war, wollte er den Älteren auch nicht einfach abwimmeln. „Ich gehe nur ein wenig spazieren“, antwortete er – nicht ganz ehrlich. „Und du?“

„Ich wohne hier in der Nähe“, erwiderte Kenta. „Ich wollte eigentlich gerade zur U-Bahnstation um die anderen in Shinjuku zu treffen.“

„Ach so“, meinte Makoto.

„Wieso bist du nicht mit Shirou-kun, deiner Schwester und dem Okamura-Mädchen unterwegs?“, fragte Kenta weiter.

Daraufhin steckte Makoto die Hände in die Hosentaschen und ließ den Kopf hängen.

Kenta schien zu verstehen, dass diese Frage nicht besonders durchdacht war. „Tut mir leid“, meinte er halblaut und ging für eine Weile schweigend neben Makoto her.

„Weißt du“, begann er nach einer Weile wieder, „du solltest morgen mitkommen. Wir wollen alle zusammen nach Ueno zum Natsu Matsuri fahren.“

„Ich weiß“, murmelte Makoto, der davon bereits von seiner Schwester gehört hatte, als sie versucht hatte mit ihm zu reden, ohne dass er ihr die Tür zu seinem Zimmer geöffnet hätte. „Aber ich habe keine... Keine Zeit.“

„Popipa“, meldete sich nun auch Penmon zu Wort und sah ihn mit einem Blick an, der genau wie der Kentas sagte, dass es ihm nicht wirklich glaubte.

„Ich kann verstehen, dass du nicht unbedingt Zeit mit den anderen verbringen willst“, meinte Kenta vorsichtig. „Aber... Na ja, vielleicht würde es dir ganz gut tun, wieder ein bisschen etwas mit Freunden zu machen.“

Makoto hatte den Blick auf den Boden gerichtet, wo die kleinen Häuser und niedrigen Mauern länger werdende Schatten auf die den Weg warfen. „Freunde...“

Er war sich nicht einmal sicher, ob Takumi und Rin seine Freunde waren. Immerhin war es Ai gewesen, die so wirklich den Kontakt zu ihnen hergestellt hatte. Was verband ihn schon mit den beiden?

Wenn er so darüber nachdachte, fragte er sich, ob er überhaupt irgendwelche Freunde hatte. Mit seinen Klassenkameraden und den anderen Spielern aus der Baseball-AG hatte er selten etwas unternommen, da er sich doch meistens mit den Digimon beschäftigt und sonst gelernt hatte.

Aber was blieb ihm ohne die Digimon?

„Ich bin mir sicher, dass die anderen mal wieder gerne etwas mit dir unternehmen würden“, meinte Kenta.

Erneut erwiderte Makoto nichts, sondern ging nur stumm neben dem jungen Mann her.

„Pipa!“, hörte er irgendwann Penmon ausrufen.

Es zeigte auf eine Seitengasse, die zu einer der breiteren Straßen führte.

„Du hast Recht“, erwiderte Kenta zu seinem Digimon und wandte sich dann wieder an Makoto. „Dort ist die Station“, meinte er. Er schien zu überlegen. „Überleg' es dir, Makoto-kun. Bis... Bis morgen.“

„Bis dann“, murmelte Kenta und sah ihm hinterher. Dann wandte er sich wieder nach vorn.

Ein Teil von ihm wollte tatsächlich etwas Zeit mit den anderen verbringen, doch es gab eine Sache, die er einfach nicht vergessen konnte. „Ich habe kein Digimon“, murmelte er und ging weiter.
 

Takumi stand vor der Ueno Station und starrte in die Menschenmassen, die alle in Richtung des Parks strömten.

„Ich weiß nicht, ob es eine gute Idee war, uns hier zu treffen“, meinte Kotemon, das neben ihm stand und von den Menschenmassen noch überwältigter war, als sein Partner, da es den meisten Menschen kaum bis zur Hüfte ragte.

„In Shinjuku ist es wegen der Parade nicht besser“, erwiderte Takumi und hielt nach den anderen Ausschau.

Es dämmerte bereits, da es Abend war, doch da der Himmel klar war, konnte man nun besonders gut die Strukturen der digitalen Welt erkennen. Takumi fragte sich, wie es dort wohl war, denn mehr als ein paar Bilder und die Erzählungen der alten Tamer, kannte er nicht.

„Takumi-kun“, hörte er eine Stimme ganz in seiner Nähe und sah sich um.

Es war Rin, die mit Kunemon auf der Schulter zu ihm kam. Sie trug einen dunken Yukata mit Kirschblütenmuster und hatte ihre Haare nach japanischen Stil hochgesteckt.

„O-Okamura-san“, stammelte Takumi und fragte sich, warum seine Wangen brannten. Er war überrascht Rin in dieser Kleidung zu sehen – wahrscheinlich, weil sie normal sehr westlich wirkte, dank ihrem blondierten Haar. „Du trägst einen Yukata?“

Das Mädchen wandte den Blick ab. „Ja“, murmelte sie und wirkte etwas verlegen. „Ich dachte, es wäre ganz angemessen...“

„Äh, ja...“ Mehr brachte Takumi nicht heraus.

„Ich habe vorhin Matsuda-san, Katou-san und Makino-san gesehen“, meinte Rin dann. „Dahinten!“ Sie zeigte in die Richtung, in der ein anderer Ausgang der Station gelegen war.

Takumi nickte. „Dann lass uns dort nachschauen.“

Während sie sich durch die Menschenmasse drängelten, die in Richtung des Parks strömte, kam sich Takumi ein wenig schlecht vor, da er Kotemon nicht tragen konnte, was es dem Digimon einfacher gemacht hätte, durch die Menge zu kommen.

Tatsächlich fanden sie Takato, Juri, Steve und Ruki in Begleitung Yamaki Mitsuo, den Takumi aus dem Fernsehen kannte, und einer rothaarigen, schlanken Frau und einem Mädchen, das Rukis Hand hielt und von einem dunklen Digimon, das nur wenig kleiner war, als Renamon, begleitet wurde, unter einer Straßenlaterne stehen. Auch Juri, Ruki und das kleine Mädchen trugen Yukatas, während Takato tatsächlich Hakama trug. Der andere Mann und die rothaarige Frau trugen jedoch Alltagskleidung.

„Guten Abend, Shirou-kun“, grüßte ihn Takato, als sie näher kamen, und schenkte ihm ein mattes Lächeln.

Auch Ruki nickte ihm zu. „Guten Abend, Shirou-kun, Okamura-san.“

„Guten Abend“, erwiderte Takumi und kam nicht drum herum erneut zu erröten, da ihm gleich zwei der alten Tamer grüßten.

„Guten Abend“, sagte auch Rin und verbeugte sich förmlich.

„Wisst ihr wo die anderen sind?“, fragte Takato dann.

Takumi schüttelte nur den Kopf. „Nein, tut mir leid.“

Ruki seufzte genervt. „Wo bleiben die nur?“

„Vielleicht finden sie uns nicht“, meinte Renamon ruhig. „Ich werde nach ihnen suchen.“ Damit sprang es auf die Straßenlaterne und war im nächsten Moment verschwunden.

Das dunkle Digimon, das offenbar zu dem kleinen Mädchen zu gehören schien, sah sich um. „Ich werde Renamon helfen“, sagte es dann und tat es Renamon gleich.

Während die beiden Digimon fort waren, stellte Takato Takumi und Rin die beiden Erwachsenen vor. Die Frau an der Seite Yamaki Mitsuos war dessen Frau Reika, das junge Mädchen das Kind der beiden – Namiko. Das Digimon, das sie begleitete, war Lumamon.

Kurz darauf kam eine weitere Gruppe zu ihnen, bestehend aus drei Männern und drei Frauen. Einen der Jungen, Shoji, kannte Takumi bereits. Den anderen Mann und eine der jungen Frauen kannte er zumindest vom Sehen. Diese waren Yuki Denrei und Lee Shuichon – sie war die einzige, die sich für das Fest gekleidet hatte, allerdings nicht in einem Yukata, sondern in einem chinesischen Kleid, während sie ihre Haare zu zwei Pons gebunden hatte – doch die zweite Frau, deren hellbraunes Haar zu einem Zopf gebunden war, war ihm vollkommen unbekannt. Sie wurden von ihren Digimon begleitet: Gazimon, Dracomon, Lopmon und Chiupumon, das, wie Guilmon ein Digimon war, das von Kayako selbst erdacht und real geworden war. Die beiden älteren Leute, die die beiden begleiteten, waren die Eltern von Shuichon.

Schließlich brachte Renamon Hirokazu und Kenta her. „Ist Ryou nicht hier?“, fragte Hirokazu, als er zu ihnen kam. Zumindest war sein schwebendes Digimon dazu gut, ihm einen Weg im Gedränge freizuräumen.

„Ryou kommt nicht“, erwiderte Ruki, ohne ihn anzusehen.

„Oh.“ Hirokazu wirkte ein wenig enttäuscht.

Nun begann Rin sich jedoch etwas unsicher umzusehen. „Wo ist Ai? Wollte sie nicht noch kommen?“

Shuichon war es, die ihr Handy aus dem Beutel, den sie bei sich trug, herausholte. „Ich rufe sie an“, meinte sie und wählte offenbar Ais Nummer aus dem Telefonbuch aus.

Doch gerade als sie ihr Handy ans Ohr hob, rief jemand nach ihnen. „Takato! Takumi! Hey, alle zusammen!“ Jemand sprang in der Menge auf und ab, so dass ab und an eine winkende Hand zu sehen war, doch bald schon schaffte es Impmon sich zu ihnen vorzudrängen.

„Ich sehe, man hat uns schon erwartet!“, kommentierte es.

„Ich sehe, du musst dich etwas aufspielen“, erwiderte Renamon in einem so neutralen Tonfall, dass es schwer war, zu sagen, ob es das kleinere Digimon aufziehen wollte, oder nicht.

Da kam auch Ai zum Vorschein. Sie verschaffte sich recht rücksichtlos mit den Ellenbogen einen Weg durch die Menge und stand schließlich neben ihnen. „Puh, es tut mir leid. Bin zu spät.“ Sie schient etwas außer Atem. „Die Sandalen bringen mich um.“

Noch mehr als bei Rin überraschte es Takumi, dass auch Ai in einem Yukata und dazu Geta trug. Vielleicht starrte er sie zu sehr an, vielleicht war sie aber einfach nur gereizt, da sie ihm einen genervten Blick zuwarf.

„Was gibt es zu schauen?“ Sie verschränkte die Arme.

Takumi tat sein bestes schnell in eine andere Richtung zu sehen. „Nichts.“

Es war in dem Moment, dass noch jemand anderes zu ihnen stieß, der noch mehr angestarrt wurde, als Ai, jedoch offenbar nicht ganz darauf brannte, sie zu größen.

„Guten Abend“, murmelte Makoto und blieb – offenbar ganz bewusst – am Rand des nicht ganz so kleinen Kreises stehen.

„Hanemura-kun“, stieß Rin überrascht aus.

„Du kommst auch mit, Hanemura?“, fragte auch Takumi überrascht.

Tatsächlich sah Makoto nicht unbedingt aus, als wäre er erfreut, dabei zu sein. Jedoch wirkte es auch nicht so, als wäre es Ai gewesen, die ihn dazu gezwungen hatte mitzukommen.

Für einen Moment wirkte es so, als würde eine peinliche Stille entstehen, aber Ruki unterbrach diese früh genug. „Dann können wir losziehen, oder?“
 

„Kayako, schau! Kandierte Äpfel!“ Wieder saß Chiupumon auf Kayakos Kopf und zeigte zu einem der eng stehenden Stände.

„Ich frage mich immer wieder, wie du bei so einem kleinen Körper so viel essen kannst“, meinte Kayako, holte aber ihren Geldbeutel hervor.

Takato, der zusammen mit seiner Freundin vor ihr ging, drehte sich um. „Das frage ich mich bei beinahe jedem Digimon.“

Kayako lächelte. Es fiel ihr viel einfacher, als sie es in Erinnerung hatte, mit den anderen Tamern und den Digimon auszukommen und zu reden. Sie fühlte sich lockerer, als in der Vergangenheit und sie kam sich – obwohl sie die anderen beinahe ein Jahr lang nicht mehr gesehen hatte – weniger wie ein Außenseiter vor, als bei ihrem letzten Treffen.

Dabei war sie sich nicht ganz sicher, ob dies nun an ihr selbst lag, oder an den anderen.

Während sie den Apfel für Chiupumon kaufte, blieb Shoji stehen, um auf sie zu warten.

„Pass auf, dass du uns nicht verlierst“, meinte er.

Sie nickte und reichte den Apfel Chiupumon. „Pass auf, dass du nichts in meine Haare klebst!“, ermahnte sie es, was das Digimon nur mit einem „Ja ja“ abtat, ehe sich Kayako Shoji zuwandte. „Nun, zumindest die Digimon sind einfach zu finden, nicht.“

„Wohl wahr“, erwiderte Gazimon und sah sich um. Es wirkte etwas angespannt, als wäre ihm die Menschenmenge nicht ganz lieb.

„Ich hoffe, du fühlst dich nicht zu sehr außen vor“, meinte Shoji dann und ging weiter, als sie ihre Geldbörse weggesteckt hatte.

„Nein, gar nicht“, antwortete sie. „Aber danke für deine Besorgnis.“

„Sehr gern“, erwiderte er und sah sich um. „Was willst du eigentlich machen, wenn du mit den Studium fertig bist, Kayako-san?“

Sie hatten schon am Vortag, als sie Abends mit Shuichon, Denrei und Shoji bei der Parade an der Shinjuku-Station gewesen waren, darüber geredet, dass sie dieses Jahr ihr Studium beenden würde. „Ich weiß es noch nicht“, erwiderte sie wahrheitsgemäß. „Aber ich denke, ich werde wieder nach Hokkaido gehen. Vielleicht nach Wakkanai.“

Shoji nickte, und für eine Weile zögerte Kayako.

„Und was willst du machen? Willst du studieren? Du bist doch im letzten Schuljahr, oder?“

„Ja“, antwortete Shoji. „Ich überlege auf Lehramt zu studieren.“

Kayako lächelte ihn an. „Ich denke, du wärst ein guter Lehrer.“

„Danke.“ Shoji sah verlegen aus und für eine Weile liefen sie wieder still nebeneinander her.

„Wer ist eigentlich der Ausländer?“, fragte Kayako schließlich. Ihr war der junge, westlich aussehende Mann schon zuvor ins Auge gestochen, doch hatte sie sich nicht getraut, zu fragen, da sie nicht hatte unhöflich erscheinen wollen.

„Du meinst Steve?“ Shoji sah sich nach hinten um, wo der ausländische Mann an einem Stand stehen geblieben war und einige Masken, die dort für Kinder verkauft wurden, ansah. „Er ist als Austauschstudent hier – aus Amerika. Er hat uns bei der Sache in Chiyoda geholfen...“ Bei dem letzten Teil senkte er die Stimme.

Daraufhin nickte Kayako nur. Sie hatte von dem Vorfall gehört und genug mitbekommen, um zu wissen, dass es sehr schlimm gewesen war.

Als der Amerikaner sich nun von dem Stand abwandte, winkte Shoji ihn zu ihnen herüber.

„Was ist?“, fragte er, wobei man seiner Aussprache deutlich anhörte, dass er kein Japaner war.

„Ich wollte dir Kayako vorstellen, da es noch niemand gemacht hat“, erklärte Shoji. „Das ist Akimoto Kayako.“

Nach kurzem Zögern verbeugte sich Kayako förmlich.

„Und das ist Larson Steve“, fuhr Shoji fort.

Steve lächelte. „Ähm, freut mich dich kennen zu lernen.“
 

Anders als Kayako ging es Makoto. Denn auch wenn er sich durch Kentas Worte dazu hatte bringen zu lassen, seine Schwester zu begleiten, so fühlte er sich nicht besonders wohl. Er konnte nichts dagegen tun.

Er merkte, dass sich seine Schwester, Takumi, Rin und auch Impmon sehr um ihn bemühten und doch fühlte er eine immer eisiger werdende Kälte in seiner Brust.

„Möchtest du etwas Zuckerwatte?“, fragte Ai und hielt ihm die rosa Zuckerwolke entgegen.

„Nein, danke“, murmelte er und steckte die Hände noch tiefer in die Taschen der Sommerjacke, die er trug.

Seine Schwester sah ihn für einen Augenblick mit einer Mischung aus Besorgnis und etwas anderem an, beschloss dann jedoch offenbar nichts zu sagen, ehe Kotemon die Aufmerksamkeit der Kinder auf sich zog.

„Was machen die da?“, fragte es und zeigte auf einen Stand.

Es war ein Stand, an dem einige Kinder um ein niedriges Becken saßen und versuchten mit Papierringen die Goldfische darin zu fangen.

„Man fängt die Fische“, meinte Impmon. „Hast du so etwas noch nie gesehen?“

„Nein“, erwiderte Kotemon. „Ist es ein Spiel für Menschenkinder?“

„Nicht nur für Kinder“, entgegnete Rin sanft. Sie sah lächelnd zu den anderen. „Lasst es uns auch probieren.“

„Ich weiß nicht...“ Takumi sah sie unsicher an. Seine Wangen erröteten.

Ai grinste. „Ich finde die Idee klasse!“ Sie drehte sich zu Makoto um und schien ihn erst bei der Hand nehmen zu wollen, überlegte es sich dann aber doch anders und packte stattdessen Takumi, um ihn hinüber zu ziehen. „Magst du auch, Makoto?“, fragte sie dann vorsichtig an ihn gewandt.

Anstatt zu antworten, schüttelte Makoto nur den Kopf. „Nein, nein.“ Er blieb am Rand des Standes stehen, während die drei anderen sich die Papierringe zum fangen kauften.

Ai kaufte auch einen für Impmon, das diesen nur missmutig ansah. „Was soll ich damit.“

„Hast du Angst zu scheitern?“, meinte Ai und grinste es an.

„Quatsch!“ Impmon riss ihr den Ring aus der Hand. Es starrte auf die Fische, die dicht gedrängt in dem Becken schwammen, doch schon als sein Ring das Wasser berührte, zerriss er. „Verdammt.“

Auch Rin seufzte, da ihr Ring ähnlich schnell zerriss, wie der Impmons. „Schade...“

Takumi saß konzentriert neben dem Becken und beobachtete die Fische. Dann ließ er den kleinen Kescher auf das Wasser hinabsaußen – wo jedoch auch bei ihm das dünne Papier riss.

„Lasst euch zeigen, wie es gemacht wird“, meinte Ai nun.

Makoto seufzte und wandte sich ab. Er ahnte, dass seine Schwester wieder einen der kleinen Fische fangen würde. Sie hatte schon immer ein Talent mit allem gehabt, was Kraft oder Geschick erforderte. Doch nicht nur damit. Sie war immer dickköpfiger gewesen als er, immer eigensinniger, aber dabei auch viel eher bereit, auf andere Menschen zuzugehen.

Als er Rin im nächsten Moment „Wow, du bist wirklich gut“ sagen hörte, fühlte er sich bestätigt. Er ging.

Er gehörte einfach nicht zu ihnen dazu. Egal wie sehr sie sich bemühten.

Am Ende hatte das alles nie etwas mit ihm zu tun gehabt. Das Turnier, die Morde – er selbst hätte sich nie eingemischt, anders als Ai... Anders als Impmon. Ja, wahrscheinlich waren die beiden deswegen Partner. Wahrscheinlich war er immer nur das fünfte Rad am Wagen gewesen.
 

Die ersten Laternen schwammen bereits auf dem Wasser, als Kayako, Shoji, Steve und Ruki, die die Hand des kleinen Mädchens Namiko hielt, zum Sumida-Fluss kam. Sie waren die ersten der Gruppe hier.

Takato und seine Freundin hatten sich schon vor einer Weile ein wenig distanziert, was Kayako verstehen konnte, und nachdem Dracomon gejammert hatte, dass es noch etwas essen wollte, waren Denrei und Shuichon erst zu einem Fastfood-Restaurant aufgebrochen.

Nun standen sie am Ufer des Flusses, wo Namiko sich an einen Stein gekniet hatte, um ihre Laterne zu beschriften.

„Sei vorsichtig, dass das Papier nicht reißt“, ermahnte Lumamon es.

Tatsächlich war das Kind so verspannt, da es offenbar ordentlich schreiben wollte, dass es stark auf das Papier der Laterne aufdrückte. „Ja, ja...“, murmelte es.

Auch Kayako hielt eine Laterne in der Hand, hatte jedoch nicht begonnen, sie zu beschriften.

„Hast du keinen Stift?“, fragte Shoji, der dies bemerkte.

Kayako sah auf, überrascht angesprochen zu werden. „Doch“, meinte sie. Auch sie hockte sich hin, um besser schreiben zu können.

Die Laternenbote sollten die Seelen der Verstorbenen auf das Meer zurück leiten. Sie kam nicht umher sich zu fragen, ob dies auch für Toshi möglich war. Er war in der digitalen Welt gestorben hatte nicht einmal einen toten Körper hinterlassen. Und was war mit Culumon und den anderen Digimon. Hatten sie überhaupt eine Seele?

Sie hielt inne und atmete tief durch. Der Gedanke an die Ereignisse von vor drei Jahren versetzte ihr noch immer einen Stich in der Brust.

Da zuckte sie zusammen. Jemand hatte ihr die Hand auf die Schulter gelegt und als sie aufsah, erkannte sie, dass es der Amerikaner war.

„Alles in Ordnung?“, fragte er. „Du siehst... traurig aus.“

Kayako schüttelte den Kopf. „Es ist schon in Ordnung.“ Sie schrieb was sie begonnen hatte fertig und faltete die Laterne dann auf.

„Hast du jemanden verloren?“, fragte Steve dann, was Kayako beinahe erschreckte.

Sie musste sich daran erinnern, dass der junge Mann Ausländer war.

Ihm schien jedoch auch im nächsten Moment klar geworden zu sein, dass die Frage unangebracht war.

„Es tut mir leid. Die Frage war sehr persönlich, ja?“

Sie seufzte und lächelte matt. „Es ist schon in Ordnung.“ Für einen Augenblick zögerte. „Ich hatte einen Freund, der vor drei Jahren bei einem Kampf in der digitalen Welt gestorben ist.“

„Oh“, machte Steve. „Das... Tut mir leid.“

„Dann wart ihr beim Kampf vor drei Jahren dabei?“, fragte Leormon, das offenbar nicht ganz bemerkte, wie unangebracht die Frage in der Situation war.

Doch Chiupumon nahm es Kayako ab, dazu etwas zu sagen. „Ja. Wir haben gegen D-Reaper und gegen Ultimate Chaosmon gekämpft.“

„Oh, ich habe davon gehört“, murmelte das katzenhafte Digimon, senkte aber den Kopf und schwieg, als es endlich Steves Blick bemerkte.

„Hier“, meinte nun Shoji und reichte Kayako eine Kerze, um sie in die Laterne zu stecken.

„Danke.“ Sie bemühte sich die Kerze zu befestigen, ehe Shoji ein langes Streichholz anzündete und gegen den Wind schützte, um erst seine, dann Kayakos Kerze anzuzünden.

Sie sprachen dabei nicht, doch ließen sie ihre Boote danach gemeinsam zu Wasser.

„Es ist so schön“, freute sich derweil Namiko, welche als Kind sich wenig Gedanken um etwas anderes zu machen schien.

„Psst“, machte Ruki und kniete sich neben sie. „Sei für eine Weile ruhig, ja?“

Kayako seufzte leise, während die beiden Laternen von der Strömung erfasst wurde und in die Mitte des Flusses trieb, wo sie neben einer Gruppe anderer Laternen herschwammen. Sie hoffte, dass die Seelen von Digimon ebenso Frieden finden konnten, wie die von Menschen, und dass Toshis Seele, wo auch immer sie war, ebenfalls Frieden gefunden hatte.

Und sie konnte nicht umher dafür dankbar zu sein, dass sie mit den Ereignissen, die nun hier in Tokyo vor sich gingen, nichts zu tun hatte. Denn sie wollte nicht kämpfen. Nie mehr.
 

Ai seufzte und sah sich noch einmal um, als sie am Ufer des Flusses standen. „Blöder Makoto“, grummelte sie.

Makoto war nun schon seit einer Weile verschwunden, hatte sich offenbar zwischen den Ständen davon geschlichen, während sie nicht auf ihn geachtet haben.

„Lass ihn“, meinte Impmon und verschränkte nun die Arme.

„Er hätte zumindest etwas sagen können“, erwiderte Ai.

Rin sah die Augen des anderen Mädchens böse funkeln. „Er hat sich wahrscheinlich außen vor gefühlt“, versuchte sie Ai zu beruhigen, bekam jedoch nur ein Schnauben zur Antwort.

„Aber er hat sich selbst ausgeschlossen!“

„Sprich mit ihm, wenn du nach Hause kommst“, schlug Takumi vor.

Ai holte tief Luft, als müsste sie dies tun, um sich selbst zu beruhigen, seufzte dann aber. „Du hast ja Recht... Ich verstehe ihn nur nicht.“

„Vielleicht sollte ich versuchen, allein mit ihm zu reden“, meinte Impmon.

Sein Tamer zögerte für einen Moment. „Ja, vielleicht...“

Dann schwiegen sie beide und Rin wandte sich zu einem der Stände um, die Laternen verkauften.

„Ich möchte eine anstecken“, meinte sie. „Wartet kurz.“ Damit ging sie zu dem Stand hinüber, um eine Laterne zu kaufen und sich einen Stift zu leihen, um diese zu beschriften.

„Wieso...?“, begann Takumi, der ihr dabei zusah.

Rin zögerte. Sie hatte dies von Anfang an vorgehabt, doch sie war sich nicht sicher, was die anderen darüber denken würden. „Es ist nur... Es sind so viele wegen der Kämpfe mit den Digimon gestorben und auch... Auch der Junge, der die Leute angegriffen hat und...“ Sie zögerte. „Auch der Meister der Spiele. Ich weiß nicht ob sonst jemand für ihn...“ Sie brach ab und sah auf die zusammengefaltete Laterne in ihren Händen.

Nun kam Ai zu ihr. „Ich finde es ist eine gute Idee.“

Zögerlich nickte Takumi. „Ja, ich auch.“

Mit einem zurückhaltenden Lächeln sah Rin sie an. „Danke.“
 

Derweil saß Makoto auf einer Bank auf der anderen Seite des Flusses und sah auf die kleinen Flotten von Laternen, die den Fluss hinabtrieben, ohne sie wirklich zu sehen. Er ahnte, dass seine Schwester wieder versuchen würde, mit ihm zu reden, sobald er nach Hause kam, und er wusste, dass sie sauer war.

Er konnte nicht so einfach davon laufen. Natürlich nicht. Doch im Augenblick wünschte er sich nichts mehr als das. Er wollte mit all den Sachen, die hier vor sich gingen, nichts mehr zu tun haben. Er wollte seine Schwester nicht mehr sehen.

Doch wohin konnte er schon gehen?

Unwillkürlich wanderte sein Blick zu der schimmernden Struktur der digitalen Welt im Nachthimmel hinauf. Allein der Gedanke war verrückt!

Er seufzte und stand auf, um entlang des Flusses zu laufen und vielleicht irgendwann nach Hause zurück zu gehen. Dabei schimmerten die vielen Kerzen in den Laternen, die in kleinen Gruppen nebeneinander schwammen, erstaunlich hell in der Nacht.

Jedoch war er nicht weit gegangen, als er unbewusst etwas aus einem Gespräch mithörte.

„Die Laternen sollen Seelen führen, richtig?“, fragte eine etwas kindlich wirkende Stimme.

„Ja“, erwiderte eine andere matt.

„Vielleicht führen sie ja auch deinen Bruder zurück.“

„Als ob. Wie denn? Wenn er in der digitalen Welt ist...“

„Nun, vielleicht...“ Die erste Stimme brach ab, da ihr offenbar keine Antwort darauf einfiel.

„Wenn ich nur dahin könnte...“, meinte die andere Stimme wieder. „Er ist nun schon sechs Jahre fort...“

Makoto sah sich nach den Sprechern um und erkannte schließlich einen Jungen, der älter war als er selbst, zusammen mit einem Vogeldigimon auf der zum Fluss hinabfallenden Wiese am Rand des Walls saß und zum Fluss schaute.

Er hätte selbst in dem Moment nicht sagen können, was ihn dazu antrieb, doch er machte einen Schritt auf den Jungen zu.

„Ich weiß, wie man in die digitale Welt kommt“, sagte er laut vernehmbar. „Ich kann es euch zeigen.“

Der andere Junge sah sich zu ihm um. Auf seinem Gesicht zeichneten sich sowohl Überraschung, als auch so etwas wie Wut ab. „Und wer bist du?“

Makoto zögerte für einen Moment. „Ich bin Hanemura Makoto.“

Der andere Junge stand auf und sah ihn an. „Und selbst wenn du es wüsstest“, meinte er dann. „Wieso solltest du es uns zeigen wollen?“

Dieses Mal zögerte Makoto etwas länger. „Ich... Ich habe meinen Partner verloren. Und ich... Ich will ihn zurückholen!“

Episode 31: Ankunft

Episode 31: Ankunft
 

Der US-Senat hat am gestrigen Abend eine erneute Einschränkung für das Bewegungsrecht der digitalen Monster – sogenannter Digimon – und gleichzeitig eine weitere Erhöhung des Budgets der Anti-Digitalen Verteidigungseinheiten beschlossen. Laut der neuen Einschränkung soll es Digimon über dem so bezeichneten Adult-Level, die nicht in Begleitung eines lizensierten Tamers sind, in Zukunft verboten sein, sich in urbanen Gebieten mit hoher Besiedlungsdichte aufzuhalten. Es wird hierbei um die Mitarbeit der Bevölkerung gebeten, die Behörden rechtzeitig über betreffende Digimon zu informieren.
 

      - Auszug aus einem Artikel der New York Times des 04.07.2011
 

Es war früher Morgen in Los Angeles, als Jenrya mit den Händen in den Taschen auf einer der Wartebänke im Ankunftsbereich saß. Da es noch nicht einmal sechs war, fühlte er sich müde, davon abgesehen, dass er sich auf die Ankunft seiner Familie nicht mehr so sehr freute, wie es noch vor kurzem der Fall gewesen war.

Alex ließ sich neben ihn fallen und hielt ihm einen Pappbecher hin. „Hier“, meinte sie und lächelte ihn an, während sie an ihrem eigenen Becher nippte. „Der Kaffee ist ganz schön überteuert.“

„Was erwartest du?“, murmelte Jenrya und trank ebenfalls einen Schluck des viel zu dünnen Aufguss. „Wir sind an einem Flughafen.“

Daraufhin gab die junge Frau ein grummelndes Geräusch von sich. „Ich weiß“, meinte sie dann.

„Was ist mit mir?“, beschwerte sich Terriermon, das schläfrig auf der anderen Seite Jenryas saß.

Alex sah zu ihm hinüber. „Ich dachte, du magst keinen Kaffee.“

Das Digimon schüttelte den Kopf. „Mag ich auch nicht. Du hättest mir aber doch irgendetwas bringen können.“

Jenrya knuffte das Digimon leicht gegen den Kopf. „Ignorier es“, meinte er zu Alex und seufzte leise. „Du hättest überhaupt nicht mitkommen müssen.“

„Ich bin froh, dass du da bist“, meinte Terriermon zu Alex. „So muss ich Jian nicht allein ertragen.“ Damit zeigte es mit seinem kurzen Arm auf seinen Partner und machte einen genervten Gesichtsausdruck.

„Danke, sehr nett“, kommentierte Jenrya trocken, während er weiter an seinem Kaffee nippte.

„Douitashimashite“, sagte Terriermon.

Damit sah Jenrya auf den Bildschirm in der Mitte des Ganges, auf dem sie saßen, der anzeigte, dass der Flieger aus Seattle etwa eine halbe bis eine Stunde verspätet ankommen würde.

„Ich will doch auch einmal deine Familie kennen lernen“, meinte Alex nun, offenbar zur Erklärung warum sie unbedingt hatte mitkommen wollen.

„Wirst du das nicht sowieso?“ Jenrya nahm einen letzten Schluck Kaffee, ehe er aufstand um den leeren Becher wegzuwerfen.

Daraufhin schenkte ihm Alex einen herausfordernden Blick. „Nun“, erwiderte sie dann spitz, „nach allem was ich weiß, kannst du dich morgen entscheiden, mit deinen Eltern in ein Hotel zu ziehen und ich sehe dich erst Ende der Ferien wieder.“ Damit gab sie indirekt zu, dass sie vermutete, dass er nicht vor hatte, sie seiner Familie vorzustellen oder umgekehrt – womit sie durchaus recht hatte.

„Wieso interessiert es dich überhaupt?“, grummelte er.

Alex zuckte mit den Schultern. „Nun, ich wüsste schon gern wie deine Eltern so sind. Wobei mich deine kleine Schwester weitaus mehr interessiert – und der legendäre Yuki Denrei.“ Dabei äffte sie den Tonfall nach, mit dem sie ihn wohl hatte von Denrei reden hören, was Terriermon zum Kichern brachte. „Du willst mir nicht zufällig erzählen, was so schlimm an dem Kerl ist?“

Seit Jenrya erfahren hatte, dass Denrei mitkam und Terriermon dies letzten Endes gegenüber Alex erwähnt hatte, versuchte sie bereits heraus zu finden, warum er den Jungen nicht leiden konnte – Jenrya jedoch sah wenig Anlass es ihr zu erzählen.

„Nein“, antwortete er daher auf ihre Frage und verschränkte die Arme.

Terriermon seufzte, dann stellte es sich auf – was bei seiner Körpergröße keinen wirklichen Unterschied machte – und sah zu Alex. „Jian mag Denrei nicht, weil Denrei Shuichons Freund ist“, meinte es dann in einem Tonfall, als sei es das simpelste der Welt, und zuckte mit den Schultern.

„Das ist nicht wahr“, protestierte Jenrya und spürte Wut in sich aufsteigen.

Dies brachte Alex zum Grinsen. „Sag bloß, du hast einen kleinen Siscon.“

„Nein!“, schrie er und zog damit die Blicke einige anderer wartender auf sich. Als er dies bemerkte, atmete er tief durch und zählte innerlich bis zehn, um sich zu beruhigen. „Das stimmt nicht“, sagte er dann leiser und setzte sich schließlich wieder.

„Was stimmt dann?“, fragte Alex, die offenbar nicht vorhatte, nachzugeben.

Jenrya seufzte. „Denrei ist faul und unverantwortlich, denkt nicht über seine Handlungen nach und bringt andere ständig in Gefahr.“

Mit hochgezogener Augenbraue sah die junge Frau ihn an. „Nein, tut mir leid, klingt für mich noch immer nach Siscon.“

Erneut brachte sie mit ihren Worten Terriermon zum Kichern.

Jenrya wollte sich weiter verteidigen, doch in dem Moment erklang der Flughafengong und eine Stimme verkündete über die Lautsprecher, dass der Flug aus Seattle gerade gelandet sei. Also stand er auf und ging ohne ein weiteres Wort in Richtung des Ausgangs des Zollbereiches.
 

Auch wenn Jenrya es nicht wissen konnte – und es ihn, hätte er es gewusst, wohl kaum interessiert hätte – so sah Denrei dem Treffen nicht minder missmutig entgegen als er.

Er war müde vom langen Flug, zumal sie in den letzten zwei Stunden mit einigen Turbolenzen zu kämpfen gehabt hatten. Im Moment sehnte er sich nur nach einem warmen Hotelbett und nach einer Dusche, nicht danach sich von Jenrya anknurren zu lassen.

„Wow, das Wetter scheint klasse zu sein!“, freute sich Shuichon, derweil mit Blick aus dem Fenster, während Lopmon seine Ohren hängen ließ.

„Nicht so laut, Shuichon!“, grummelte es. Dabei sah es mindestens genau so müde aus, wie Denrei sich fühlte. Immerhin hatte es sich während des Fluges einen Sitz mit Dracomon teilen müssen und außerdem einige Misstrauische Blicke über sich ergehen lassen müssen – vor allem nachdem sie in Seattle umgestiegen waren.

„Aber ich bin aufgeregt“, meinte sie grinsend.

Denrei seufzte. Mittlerweile wusste er, dass sie immer aufgeregt war, wenn sie verreiste, egal ob sie den Ort schon besucht hatte, oder nicht, doch war es auf dem Flug durchaus anstrengend gewesen, zumal sie ihn davon abgehalten hatte, einen Film zu schauen.

Hinter ihnen liefen Janyuu, Mayumi und Megumi und versuchten bei ihnen zu bleiben, während ziemliches Gedrängel an den Schaltern der Grenzkontrolle herrschte.

Ein Schrei ließ Denrei aufschrecken.

„Hey!“, rief ein Wachmann.

„Denrei!“

Der zweite Schrei war zu hören und dieses Mal war es die Stimme Dracomons.

„Denrei!“, war die Stimme erneut zu hören – dieses Mal etwas verzweifelter.

Denrei und Shuichon sahen sich an und rannten dann in die Richtung, aus der sie Dracomon schreien hörten.

Dabei verfluchte Denrei sich, dass er nicht besser aufgepasst hatte. Er hatte nicht einmal gemerkt, dass Dracomon nicht mehr bei ihnen war.

Glücklicher Weise fanden sie das Digimon schnell. Ein dunkelhäutiger Wachmann hatte es gepackt und wollte es mit sich zerren.

„Warten Sie!“, rief Denrei aus, ehe ihm einfiel, dass der Mann wahrscheinlich kein Japanisch verstand. Er kramte in seinen nach wie vor nicht allzu guten Englischkenntnissen nach. „Äh, please stop, sir!“

Der Mann sah ihn an. „Please, stand back, sir“, sagte er zu ihnen, während er mit Dracomon rangelte.

„No, please wait“, meinte Denrei und seine Stimme war dabei unsicher. „This Digimon is my partner. We are Digimon Tamers from Japan. Dracomon is my partner. See!“ Er hielt Dracomons Aufenthaltsgenehmigung hoch, die sie bei Abreise in Japan bekommen hatten.

Der Blick des Wachmanns wanderte zu dem Formular, das er so offenbar erkannte. Er ließ Dracomon missmutig los und nahm das Formular, um es genauer zu begutachten, schien allerdings nicht sonderlich erfreut. Schließlich gab er den Zettel Denrei zurück. „Be careful to keep an eye on your Digimon. Digimon are not allowed to wander arround like this in the US.“

„I am very sorry“, meinte Denrei und verbeugte sich, wie es in Japan üblich war.

Shuichon tat es ihm gleich.

Mit einem weiteren missmutigen Blick in ihre Richtung entfernte sich der Wachmann und Denrei wandte sich Dracomon zu.

„Was machst du denn, Dracomon?“, fuhr er seinen Partner an. „Ich habe dir doch gesagt, dass du dich nicht einfach von mir entfernen kannst, wenn wir hier sind.“

Schuldbewusst sah das Digimon auf den Boden. „Ich weiß, Denrei. Aber ich hatte Hunger und dachte ich hätte etwas gutes gerochen.“

Erneut tauschten Shuichon und Denrei einen Blick, ehe der junge Mann seufzte. „Wir kaufen dir etwas zu essen, sobald wir durch die Grenzkontrolle sind. So lange musst du aber noch aushalten.“

Daraufhin ließ Dracomon den Kopf hängen, während sich Shuichon auf eben diesen fallen ließ. „Moumantai“, meinte er mit lakonischer Stimme und gähnte herzhaft. „Ich pass jetzt auf dich auf.“

So machten sie sich wieder auf den Weg zur Schlange, die sich mittlerweile an den Schaltern der Grenzkontrolle gebildet hatte, wo auch Shuichons Eltern und Megumi warteten.

„Was ist passiert?“, fragte Mayumi Lee und sah die Tamer und ihre Digimon an.

„Dracomon ist weggelaufen und hatte einen kleinen Zusammenstoß mit einem Wachmann“, meinte Shuichon grinsend, erntete dafür aber einen tadelnden Blick ihres Vaters.

„Wir müssen hier vorsichtig damit sein“, erwiderte Janyuu. „Digimon sind hier nicht so gerne gesehen, wie in Japan.“

„Ich weiß“, murmelte Shuichon und streckte sich. „Moumantai.“

Es dauerte etwa fünf Minuten, bis sie schließlich durch die Grenzkontrolle durch waren. Auch hier warfen die Wachleute den beiden Digimon strenge Blicke zu, als erwarteten sie, dass die beiden jeden Moment einen Menschen angreifen würden, ließen sie aber schließlich durch.

Da sie sich um ihr Gepäck nicht kümmern mussten, da sie dafür bezahlt hatten, dass es direkt zu ihrem Hotel gebracht werden würde, machten sie sich so gleich auf den Weg zum Ausgang des Zollbereiches und in die Ankunftshalle.

Das erste, was sie hier von Jenrya sahen oder hörten, war Terriermon, das aufgeregt in die Luft sprang und sich zu ihnen hinüber gleiten ließ. „Shuichon, Denrei, Jians Vater!“ Damit landete es in Shuichons Armen. „Da seit ihr ja endlich!“, meinte es vergnügt und grinste sie an. „Nur unter uns“, fügte es dann mit gesenkter Stimme hinzu, „rechnet mit keinem ganz so begeisterten Empfang von Jian. Er ist sauer.“

Shuichon hob eine Augenbraue. „Wieso?“, fragte sie, doch das kleine Digimon zuckte nur mit den Schultern.

„Moumantai!“

Denrei jedoch ahnte, dass Jenrya genau wegen ihm sauer war – was auch immer er getan haben sollte, während sie noch nicht einmal angekommen waren. Er seufzte.

Natürlich herrschte hier einiges Gedränge, da neben ihrem Flugzeug auch noch ein anderes angekommen war und gleich mehrere Freunde, Verwandte oder auch Tourguides anderer Passagier warteten. Sie entdeckten Jenrya jedoch bald am Rand der Halle, wo er mit verschränkten Armen und in Begleitung eines afroamerikanischen Mädchens, das einen guten Zopf größer war als er stand.

Tatsächlich war das Mädchen diejenige, die sie zuerst grüßte. „Hello everyone!“, meinte sie und winkte ihnen zu. „I am very exited to meet you all, so I came along. Hope you don't mind.“ Sie sprach schnell und in einem Slang, den Denrei nicht genau identifizieren konnte. „I am Alex, by the way, a fellow student of Jians.“

„Nice to meet you“, erwiderte Shuichon und versuchte ebenfalls schnell zu sprechen, so dass ihre Aussprache etwas undeutlich wurde. „It is nice to see, that my dear bro actually has some friends over here.“ Dabei betonte sie das Wort „Bro„ übermäßig, so als wäre sie stolz einen Slangausdruck zu können. Nun, wie Denrei sie kannte, war sie es wahrscheinlich wirklich. „I hope he is not too annoying.“

„Ah, I don't mind.“ Die junge Amerikanerin winkte ab, während Jenrya nun reagierte.

„Shuichon!“, rief er wütend aus und sagte dann etwas auf Chinesisch zu ihr, was bei ihr jedoch nur zu einem Grinsen führte. „Moumantai, Jian-nii.“

Jenrya atmete tief durch. „Ich bin froh euch wieder zu sehen, O-too-san, O-kaa-san“, meinte er zu seinen Eltern und nickte dann zu seiner Schwester. „Shuichon.“

Diese legte sogleich die Arme um ihn. „Ich habe dich ja auch vermisst, Brüderchen.“

Dabei bemerkte auch Denrei, dass sich Jenryas Körper versteifte, bis Shuichon ihn losließ.

Ohne großartig darüber nachzudenken, legte Denrei den Arm um Shuichon, als diese wieder neben ihn stand, was Jenrya mit einem Blick, nicht aber mit Worten bedachte. Offenbar hatte er beschlossen, Denrei gänzlich wie Luft zu behandeln.

Stattdessen wandte er sich zu Megumi. „Sie sind mitgekommen, um Mizuno-san zu treffen, nicht?“

Daraufhin nickte Megumi nur stumm und es kam Denrei beinahe vor, als würde die neue Umgebung sie etwas einschüchtern. Doch vielleicht war es auch etwas anderes.

„So“, warf nun die Amerikanerin – Alex – ein. „As Jenrya does not introduce you, I am guessing.“ Sie zeigte auf Janyuu. „You are Jenrya's father, right? You were part of the Wild Bunch and a friend of Professor McCoy's dad, not?“

„Yes. I was studying in Palo Alto, till our second child Jaarin was born.“ Er zeigte auf Mayumi. „This is my wife, Mayumi, Jenrya's mother.“

Alex streckte ihr die Hand entgegen und war offensichtlich erleichtert, dass jemand mit ihr sprach. „Nice to meet you, Mrs. Lee.“

Mayumi schüttelte ihr die Hand. „Thank you for looking after our son, Alex.“ Ihr Englisch war bei weitem steifer als das ihres Mannes.

„Ah, no problem“, meinte Alex und sah dann zu Shuichon und Denrei hinüber. „So, I am guessing you are Shuichon and that means you are Denrei.“

Beide nickten sie und anstatt wie ihre Mutter die Hand der Amerikanerin zu schütteln, umarmte Shuichon sie gleich. „It is really nice to meet you, Alex.“

„Nice to meet you“, murmelte auch Denrei und war noch ein wenig misstrauisch, was er von der amerikanischen Frau halten sollte.

„What did you do to make Jian so angry?“, fragte sie mit einem verschmitzten Grinsen, was ihn dazu brachte sie mit offenem Mund anzustarren.

„I am just kidding“, meinte sie und klopfte ihm auf die Schulte, dann wandte sie sich derweil zu Megumi. „But I have absolutely no idea, who you are.“

„I am Onodera Megumi“, antwortete Megumi etwas unsicher. „I am here to meet... A friend.“

Dies schien Alex zufrieden zu stellen. Sie setzte an, um eine weitere Frage zu stellen, doch Jenrya legte ihr die Hand auf die Schulter, woraufhin sie ein Seufzen hören ließ.

„Wir sollten zum Hotel fahren“, meinte Janyuu. „Dann sehen wir weiter.“

„Und essen!“, warf Dracomon ein.

Lopmon, das noch immer auf seinem Kopf saß, gähnte. „Und schlafen.“

Alex schaute verwirrt rein, bis Shuichon für sie übersetzte. Dann nickte sie. „I would guess, we should get ourselves a cab.“
 

Gut eineinhalb Stunden, eine Fahrt mit einem Großraumtaxi und eine Dusche später, lag Denrei auf dem Bett in ihrem überraschender Weise ziemlich geräumigem Hotelzimmer und hatte die Augen geschlossen.

Er wusste, dass er nicht schlafen durfte, um ein Jetlag zu vermeiden. Denn wenn er jetzt schlafen würde, würde er während ihres Aufenthaltes kaum in den Tag-Nacht-Rhythmus von hier kommen, aber er sehnte sich danach auch nur ein kleines Nickerchen zu halten.

Lopmon schien recht wenig auf einen Tag-Nacht-Rhythmus zu geben, denn es lauf auf der kleinen Couch in ihrem Zimmer an ein Kissen gelehnt und schlief selig direkt neben Dracomon, dass sich nachdem es ein paar Hamburger gegessen, dort zusammengerollt hatte.

Im Badezimmer plätscherte die Dusche, da auch Shuichon nun duschte.

Während er geduscht hatte, war sie mit ihrem Bruder und Alex in der Hotellobby geblieben – auch wenn es Denrei etwas gewurmt hatte, wie er selbst überrascht festgestellt hatte. Aber er mochte es tatsächlich nicht, wenn Shuichon mit Jenrya allein war, einfach, weil ihm der Gedanke zusetzte, dass Jenrya ihr ihre Beziehung schlechtzureden versuchte.

Er döste schon halb, als Shuichon aus dem Badezimmer kam und zum Bett hinüber ging. Denrei hörte ihre Schritte, bemühte sich aber nicht seine Augen zu öffnen, ehe sie auf einmal auf seiner Hüfte saß.

„Nicht schlafen!“, rügte sie ihn. „Sonst wirst du nie wach.“

„Ich weiß“, grummelte er, jedoch ohne die Augen zu öffnen.

„Also unten in der Lobby gibt es sicherlich auch Energydrink“, meinte Shuichon und kicherte.

„Da gibt es auch ein Wesen, das dein Bruder ist“, erwiderte er. Vorsichtig blinzelte er sie an.

„Jetzt stell dich nicht auch noch so an.“ Sie ließ ein genervtes Stöhnen hören. „Man sollte meinen, dass sich zwei junge, fast erwachsene Männer nicht anstellen, wie zwei Grundschüler.“

Seufzend zog Denrei einen Schmollmund. Er wusste selbst, dass es nur vernünftig wäre, mit gutem Vorbild voran zu gehen, wenn er sich über Jenrya beschwerte, aber dennoch... „Er hat angefangen“, meinte er dann übertrieben kindlich.

„Das zweifle ich ja gar nicht an“, erwiderte Shuichon und beugte sich zu ihm hinab. „Aber ich denke, du kannst dich in der Hinsicht wirklich nicht beschweren. Du warst mit mir in der digitalen Welt, du hast mich in Japan die ganze Zeit für dich und du teilst dir sogar hier ein Zimmer mit mir. Also lass meinem Bruder seine Eifersucht und seinen...“ Kurz suchte sie nach einem passenden Wort. „Seinen übertriebenden Beschützerinstinkt.“ Das solltest du doch aushalten.“ Sie küsste ihn sanft auf die Lippen.

„Ja, ja“, murmelte Denrei und seufzte noch einmal, da er wusste, dass sie Recht hatte. Er strich durch ihr zwar geföhntes, aber noch restfeuchtes Haar.

Shuichon trug bisher nur eins der Hotelhandtücher, das sie sich um die Brust gebunden hatte, so dass ihre Schultern und auch ihre Beine unbedeckt waren.

Sie küsste ihn noch einmal. „Außerdem mache ich mit dir Dinge, die ich nie mit meinem Bruder machen würde.“

„Das will ich auch hoffen“, empörte sich Denrei, musste dann aber lachen. Langsam strich er ihre Seiten hinab.

„Vielleicht bekommen wir dich so wach“, meinte Shuichon leise und küsste ihn nun auf die Wange, während sie ihre Hände unter sein T-Shirt gleiten ließ.

Erneut lachte er leise. „Ich glaube eher das Gegenteil ist der Fall. Danach schlafe ich ganz ein.“ Dennoch küsste er sie nun wieder.

In dem Moment schreckte Dracomon auf. „Was war das?“

Die beiden Jugendlichen sahen gleichsam etwas genervt und bedauernd zu dem Digimon hinüber, das nun auch Lopmon geweckt hatte.

Dieses hob seine langen Ohren. „Hört sich an wie Schüsse.“

Mit einem bedauernden Seufzen sahen Denrei und Shuichon einander an und standen dann auf, um zum Fenster zu gehen.

Denrei öffnete das Rollo, dass er zuvor herunter gelassen hatte und spähte heraus. Als sie noch immer nichts hörten oder sahen, öffneten sie das Fenster.

Nun hörten sie es auch. Ein fernes Rattern, wie von einer Schnellfeuerwaffe.

„Was ist das?“, fragte Shuichon.

Denrei überlegte kurz, ob es weise wäre, dem ganzen nachzugehen. Doch letzten Endes gab es kaum etwas, das eine Gefahr für ihn darstellen konnte, so lange Dracomon dabei war, und vielleicht konnte er helfen.

„Ich gehe nachsehen“, meinte er so zu Shuichon und zerrte eine Hose aus einem Koffer, in die er schnell hinein schlüpfte, da er nach dem Duschen bisher nur T-Shirt und Unterhose angezogen hatte, ehe er ohne Socken anzuziehen in seine Schuhe schlüpfte und sein Kartendeck nahm, um mit diesem in der Hand zur Tür zu laufen. „Komm, Dracomon!“

Das kleine Drachendigimon gähnte herzhaft, sprang dann jedoch zu Boden und lief zu ihm hinüber.

„Warte, Denrei“, rief Shuichon aus, was ihn mit der Hand auf der Türklinke inne halten ließ. „Glaubst du, dass es wirklich eine gute Idee ist?“

Er sah sich zu ihr, lächelte aber. „Was soll schon groß passieren?“ Dann öffnete er die Tür und lief hinaus, wobei Dracomon ihm folgte.

Sie fuhren mit dem Aufzug von ihrem Zimmer, das im vierten Stockwerk des Hotels lag, hinab und liefen direkt auf dem Ausgang zu.

Dabei musste Denrei gestehen, dass er froh war, unterwegs nicht auf Jenrya zu treffen.

So stand er keine zwei Minuten, nachdem er das Zimmer verlassen hatte auf dem Parkplatz vor dem Hotel, durch dessen Mitte sich zwei Reihen von Palmen zogen.

Er konnte das Geräusch hier kaum noch vernehmen, was jedoch dank der umliegenden Häuser und des Rauschens der anliegenden Schnellstraße kein Wunder war.

„Kannst du es noch immer hören?“, fragte er so Dracomon, welches nickte.

„Es kommt irgendwo von da!“ Damit zeigte es in die Richtung der Straße, hinter der – so wusste Denrei von der Fahrt zum Hotel – irgendwo Grünflächen und eine Bucht lagen.

„Dann komm!“ Denrei zog eine Karte aus der Ledertasche, die er mittlerweile an seiner Hose befestigt hatte. „Card Slash! Chou Shinka Plug-In S!“

„Dracomon – Shinka! Coredramon!“ Vom hellem Licht umgeben digitierte Dracomon und zog damit die Blicke einiger Umstehender auf sich, was Denrei jedoch nicht großartig beachtete.

„Card Scan! Aero Wings!“ Damit vergrößerten sich die Flügel auf Dracomons Rücken und Denrei kletterte auf die Schulter seines Partners und hielt sich fest.

Er musste dem Digimon nicht einmal sagen, was es tun sollte, denn es breitete bereits die Flügel aus und stieß sich einen Moment später vom Boden ab. Nur wenige Sekunden später, waren sie hoch genug, um sehen zu können, woher die Geräusche kamen.

Auf der Bucht und an dessen Rand waren einige Menschen zu sehen. Auch wenn Denrei nichts genaues erkennen konnte, so ahnte er, dass diese zum Militär gehörten, da auch das Schnellboot, mit dem diejenigen auf der Bucht fuhren, eindeutig militärisch war. Von diesem schienen auch die Schüsse zu kommen, denn nach allem was er sehen konnte, war am Bug des Bootes ein Gewehr montiert mit dem sie ins Wasser feuerten.

„Da ist ein Digimon“, knurrte Coredramon und nun sah Denrei auch die helle Gestalt, die sich durch das Wasser wand.

„Schauen wir, was da los ist“, meinte er und Coredramon flog auf das Ufer der Bucht zu.

„Was ist hier los?“, rief Denrei kurz, bevor sie landete, ehe er sich darauf besann, Englisch reden zu müssen. „What is happening here?“

Einer der Soldaten kam zu ihm hinüber. „Please stay back, young sir.“

„I am Tamer“, erwiderte Denrei. „I can help.“

Der Mann, der tatsächlich nicht viel größer als Denrei war, winkte energisch ab. „I assure you, we have everything under controll. Furthermore you are not allowed to intervine.“

„Aber...“, begann Denrei. „But...“

Er sah zur Bucht hinüber. Er erkannte nun, dass das Digimon, dessen Kopf ab und an aus dem Wasser schaute, offenbar ein Tylomon war. Was ihn jedoch verwunderte, war, dass die Munition der Soldaten dem Digimon offenbar tatsächlich Schaden zufügte. Dabei hatte er nie gesehen, dass einem Digimon über dem Adultlevel auch nur eine Panzerfaust wirklich hätte schaden können.

Doch wenn sie ihm schadeten, ging es ihm durch den Kopf, dann würde es sich auch wehren, oder? Allgemein kam es ihm seltsam vor, dass es offenbar bisher nur vor dem Schnellboot zu entkommen versuchte – wieso griffen die Soldaten es überhaupt an?

„Was passiert hier, Denrei?“, fragte Coredramon, doch Denrei konnte es selbst nicht genau sagen.

„Why you attack the Digimon?“, rief er nun zu dem Soldaten, der ihn noch immer im Auge behielt, hinüber.

„Please stay back“, wiederholte der Mann nur.

„But the Digimon“, murmelte Denrei, kam jedoch nicht weiter, ehe genau das geschah, was er befürchtet hatte.

Tylomon drehte sich um und stieß mit dem Kopf aus dem Wasser. Seine Augen leuchteten auf und im nächsten Moment hoben sich zwei dünne, aber mit Wasser gefüllte Tornados in die Höhe.

„Golden Triangle!“, erklang ein Ruf und im nächsten Augenblick schoss ein goldener Strahl in die Tiefe hinab, ließ das Wasser in alle Richtungen spritzen und zerstörte Tylomon im nächsten Moment.

„Was...?“, begann Denrei und sah sich um, was Coredramon ihm gleich tat.

„Denrei!“, ertönte ein Ruf und im nächsten Moment sah er Shuichon auf sich zurennen, die sich mittlerweile ein knappes Kleid angezogen hatte.

Auf einer Düne stand Wendimon und vor diesem Jenrya, während über ihnen Rapidmon schwebte.

„Alles in Ordnung?“, fragte Shuichon an Denrei gewandt. „Was ist passiert?“

Denrei biss in unterdrückter Wut die Zähne zusammen. „Das frage ich mich auch noch“, murmelte er.

„What are you doing?“, rief ein anderer Soldat nun zu ihnen hinüber und Jenrya ging zu den Soldaten hinüber.

„I am a licensed Tamer“, sagte er zu dem Soldaten und zückte eine kleine Plakette. „I wanted to help.“

Der Soldat sah auf die Plakette und winkte einen anderen – von den Streifen auf seinen Schultern her offenbar hochrangerigeren – Soldaten herbei, der sich die Plakette ebenfalls ansah und nickte.

„Sie haben das Digimon einfach angegriffen“, meinte Denrei nun zu Shuichon. „Ich glaube, es hatte gar nicht kämpfen wollen.“

Shuichon sah ihn unsicher an. „Aber wieso sollten sie es dann angegriffen haben?“

„Weil sich Perfect und Ultimate Digimon, die nicht zu einem Tamer gehören, in den meisten großen Städten nicht aufhalten dürfen“, erwiderte Rapidmon, als es bei ihnen landete.

„Aber wieso?“, fragte Denrei aufgebracht.

„Weil es zu gefährlich ist.“ Nun wandte sich Jenrya ihnen zu, während die Soldaten offenbar mit dem Begutachten des Plastikscheins fertig und zufrieden gestellt waren. „Die Digimon sind nun einmal ein Risiko.“

„Aber das rechtfertigt doch nicht, ein Digimon einfach so anzugreifen!“, erwiderte Denrei nun aufgebracht. Innerlich fragte er sich, ob Jenrya die Seite der Soldaten nur ergriff, um sich gegen ihn zu stellen.

Der junge Halbchinese schnaubte. „Vielleicht nicht für jemanden, der über Risiken nicht nachdenkt.“

„Ach ja? Und ein wildes Digimon einfach anzugreifen ist kein Risiko?“, entgegnete Denrei nun noch wütender.

Schon setzte Jenrya zu einer weiteren Erwiderung an, als sich Shuichon zwischen sie stellte. „Hört auf!“, rief sie aus und klang ebenfalls gereizt. Sie holte tief Luft. „Hört auf zu streiten.“

Denrei schloss für einen Moment die Augen, trat dann aber einen Schritt zurück. „Schon gut.“ Er sah sich zu der Stelle, an der sich das Digimon aufgelöst hatte.

Nach kurzem Zögern trat auch Jenrya zurück. „Du hättest dich gar nicht erst einmischen sollen“, meinte er nur mit Blick auf Denrei und dieser war sich nicht ganz sicher war, ob er die aktuelle Situation meinte oder ihre allgemeine Lage.
 

Noch während Denrei, Alex, Megumi und die Lees auf dem Weg zum Hotel waren, war es in Japan schon früher Abend und die Sonne schickte letzte rote Strahlen auf die japanische Metropole hinab.

Betrübt saß Rin auf einer Schaukel in einem Spielplatz mit Kunemon auf ihrer Schulter, während Takumi auf der Schaukel neben ihr saß.

Sie hatten sich hier verabredet, da der Spielplatz sehr nahe am Metropolitan Government Building lag, ohne, dass sie wussten, dass es genau der Spielplatz war, an dem Takato, Hirokazu und Kenta sich mit ihren Klassenkameraden früher zum Kartenspielen getroffen hatten. Ai hätte dies gewusst, doch hatte sie nicht daran gedacht, es ihnen gegenüber zu erwähnen.

„Glaubst du, sie haben ihn gefunden?“, fragte Rin schließlich, wobei es deutlich war, dass sie eigentlich nur ein Gespräch anfangen wollte.

Takumi seufzte und schüttelte den Kopf. „Nein, ich glaube nicht. Ich glaube, dann hätten wir schon etwas gehört.“ Leicht schaukelte er wenige Zentimeter vor und zurück.

Auch Rin ließ ein Seufzen hören und sah auf den Kunststoffboden unter der Schaukel, auf den das Klettergerüst ihnen gegenüber einen langen Schatten warf.

Kunemon wickelte sich noch enger um ihren Hals.

„Takumi! Rin!“, hörten sie schließlich eine Stimme rufen und als sie aufsahen erkannten sie Ai, die den Fußweg neben dem Spielplatz entlang gerannt kamen, ehe sie schließlich durch das Tor zu ihnen kam.

Ihr Gesicht spiegelte Besorgnis wieder und auch Impmon, das sie zuvor getragen hatte, dass sich aber kaum, dass die beiden sie erreicht hatten, aus ihren Armen losriss und zu Boden sprang, wirkte angespannt.

„Und?“, fragte Takumi, ohne wirklich daran zu glauben, dass sich etwas ergeben hatte.

Tatsächlich schüttelte Ai den Kopf. „Die Polizei hat keine Spur. Außer, dass auch ein anderer Junge nicht nach Hause gekommen ist...“

„Ein anderer Junge?“ Rin sah auf.

Ai nickte.

„Der Sohn eines Politikers“, erklärte Impmon.

Daraufhin tauschten Rin und Takumi betretene Blicke aus.

„Glaubt ihr, dass sie den Jungen entführt und Makoto vielleicht etwas gesehen hat?“, fragte Kotemon schließlich und sah zu Ai, die jedoch den Kopf schüttelte.

„Wäre es so, hätte die Familie des Jungen schon ein Erpresserschreiben oder so etwas erhalten, oder?“, meinte Impmon, während sein Partner zum Abbild der digitalen Welt im Himmel hinauf sah.

„Nein“, flüsterte sie und sah die beiden anderen an. „Der andere Junge war ein Tamer.“

„Und?“, fragte Takumi, unsicher worauf sie hinaus wollte.

Ai zögerte und sah sie an. „Ich glaube“, begann sie dann vorsichtig und augenscheinlich etwas unsicher. „Ich glaube, dass Makoto mit dem anderen Jungen in die digitale Welt gegangen ist.“

Die beiden anderen und ihre Digimonpartner sahen sie an, während Takumi langsam ihre Worte verarbeitete. Obwohl die digitale Welt so nahe der realen Welt war, so hatte er doch nie über sie wie einen Ort, den man einfach so erreichen konnte, nachgedacht.

„Aber...“, flüsterte Rin. „Wieso sollte Makoto in die digitale Welt gehen?“

Takumi sah zu ihr. „Weil er einen neuen Digimonpartner sucht“, erwiderte er leise. Denn wenn er darüber nachdachte, machte es durchaus Sinn.

Ai stimmte seinen Worten mit einem Nicken zu.

Nun hob auch Takumi den Blick und sah zur digitalen Welt hinauf. Er kam nicht umher sich zu denken, wie Makoto sich fühlen musste, nachdem er seinen Partner auf diese Art und Weise verloren hatte. Ja, es erschien als durchaus nachvollziehbar, dass er in die digitale Welt gehen würde – doch, so musste er auch sagen, als nicht besonders überlegt.

Schließlich war es Kotemon, das sich räusperte und erneut sprach: „Dann... Holen wir Makoto zurück?“

Episode 32: Das Tor zur digitalen Welt

Episode 32: Das Tor zur digitalen Welt
 

Habe ich mir nur etwas vorgemacht? War ich je ein richtiger Tamer? Die ganze Zeit... Was konnten Ai und ich überhaupt für Impmon tun? Impmon hat uns kaum gebraucht – nicht um zu kämpfen. Wir waren seine Freunde, sicher, aber sonst? Aber Ai und Impmon, sie haben sich in den letzten Jahren immer besser verstanden, oder? War ich zu nachgiebig – oder war es einfach nie mein Schicksal ein Tamer zu sein...?
 

                            - Hanegawa Makoto
 

Takumi saß beim Abendessen mit seinen Eltern. Auch Kotemon war bei ihnen und hockte auf dem Stuhl neben Takumi, der beklommen auf seine Reisschale sah. Er dachte an das, was Ai gesagt hatte, daran, was sie gemeinsam beschlossen hatten, und fühlte sich schuldig.

„Gibt es schon irgendeine Spur von dem verschwundenen Jungen?“, fragte seine Mutter und riss ihm aus seinen Gedanken.

Natürlich hatten seine Eltern ebenfalls mitbekommen, dass Takumi verschwunden war, doch von der Vermutung Ais wussten sie wiederum nichts.

So schüttelte Takumi nur still den Kopf. „Nein. Gar nichts.“

Seine Mutter gab ein deutlich besorgtes Seufzen von sich. „Ich hoffe nur, dem Jungen ist nichts passiert.“ Sie sah zu ihrem Ehemann. „Man hört allerhand Sachen. Ich meine, ich hoffe wirklich, dass er nicht entführt wurde. Ist nicht auch der Sohn dieses Politikers verschwunden?“

Nun sah auch Takumis Vater auf. „Ja, der Sohn von Nakamura Masato.“

Shirou Kaede nickte. „Er war bei den letzten Wahlen Kandidat für den Bürgermeister, nicht? Glaubst du, dass sie ihn erpressen wollen?“

Takumi sah zu Kotemon hinüber. Er hatte beschlossen seinen Eltern nichts zu erzählen – allein weil sein Vater versuchen würde, es zu verhindern. Immerhin war er von Kotemon und der allgemeinen Vorstellung, dass Takumi ein Tamer war, noch immer alles andere als begeistert.

„Nein“, sagte er dennoch. „Es gab kein Erpressungsschreiben oder so etwas.“ Damit schob er die noch immer halbvolle Schüssel mit Reis von sich. „Mir ist nicht wohl, Okaa-san, Otoo-san. Darf ich mich entschuldigen?“

Nun warf seine Mutter ihm einen besorgten Blick zu. „Wirst du krank?“

Schnell schüttelte Takumi den Kopf. „Nein, nein“, sagte er rasch. „Ich... Habe letzte Nacht nur nicht gut geschlafen, das ist alles.“

„Dann solltest du heute früher schlafen gehen“, meinte sein Vater nun in nüchternem Tonfall. „Aber hast du schon deine Hausaufgaben gemacht?“

Takumi wusste, dass er nicht zu lange mit einer Antwort warten durfte, jedoch auch nicht zu schnell entworten durfte. „Ja, ich habe sie schon mit den anderen zusammen gemacht.“ Letzten Endes war es ohnehin egal, ob er die Hausaufgaben für den Folgetag hatte – er würde ja doch nicht zur Schule gehen.

„Dann nimm ein Bad und leg dich dann ins Bett“, meinte seine Mutter aufmunternd. „Soll ich dir Wasser einlassen?“

Takumi winkte rasch ab. „Nein, das kann ich selbst.“ Damit schob er seinen Stuhl zurück und stand auf. „Komm Kotemon.“

Daraufhin sprang sein Partner vom Stuhl und folgte ihm alsbald ins Bad, wo Takumi sich wirklich Wasser in die Wanne einlaufen ließ. Immerhin – so dachte er – würde er in der digitalen Welt kaum Baden können.

Kotemon, das nie seinen Helm ablegte – wenn es dies überhaupt konnte – sah ihm aus sicherer Entfernung dabei zu, wie er sich entkleidete und duschte, während das Wasser in die Wanne lief. Doch blieb es hier, als wolle es ihm im Moment nicht allein lassen.

Erst als Takumi in der Wanne saß, sagte es etwas. „Willst du ihnen wirklich nichts sagen?“, fragte es leise. „Deine Mutter wird sich Sorgen machen.“

Der Junge zog seine Beine an den Körper und seufzte. „Ich weiß“, erwiderte er. „Aber ich kann sie nicht um Erlaubnis bitten. Weil...“

Kotemon setzte sich auf einen kleinen Hocker, den sie normal zum Duschen verwendeten. „Ja, ich weiß“, erwiderte es. „Aber mir tut es nur leid.“

Daraufhin sah Takumi nur zum Fenster über der Wanne, das halb geöffnet war, so dass der Dampf nach draußen treten konnte. „Mir auch. Aber ich werde ihnen einen Brief schreiben...“ Damit seufzte er noch einmal.

„Was ist, wenn wir Makoto-san nicht finden?“, fragte Kotemon.

„Ich weiß nicht“, erwiderte Takumi, der sich dasselbe in den vergangenen Stunden mehrfach gefragt hatte.

Immerhin war es nur eine Vermutung Ais, dass Makoto in der digitalen Welt war. Sie hatten keinerlei Beweise. Aber er wusste, dass Ai gehen würde und daher blieb ihm kaum eine andere Wahl, oder? Natürlich wollte ein Teil von ihm seinen Eltern keine Sorgen machen, doch ein anderer Teil konnte es auch kaum erwarten, jene fremde Welt, von der er seit seiner Kindheit geträumt hatte, endlich zu sehen. Und dann gab es noch einen weiteren Teil, der ihm sagte, dass er es sich nicht würde verzeihen können, würde er Ai alleine gehen lassen oder auch nur in der Begleitung von Rin. Denn immerhin waren sie mittlerweile doch ein Team, oder? So seltsam es ihm erschien. Aber nach allem, was sie in den vergangenen Wochen zusammen erlebt hatten, kam es ihm einfach falsch vor, die beiden gehen zu lassen, während er selbst zurückblieb.

„Wir werden schon zurückfinden“, murmelte er schließlich. „Egal was ist...“ Damit sah er wieder zu seinem Partner. „Und außerdem sind wir vielleicht auch etwas Schuld, wenn Makoto fortgelaufen ist, oder?“
 

Anders sah es bei Rin aus. Als sie nach Hause kam, war weder von ihrem Vater, noch von ihrer Mutter eine Spur zu sehen. Zwar waren beide momentan in Tokyo, doch es war so selten, dass sie überhaupt zuhause waren, während Rin wach war, dass es sie nicht unbedingt wunderte. Sie fragte sich, ob ihre Eltern überhaupt bemerken würden, dass sie nicht mehr da war, wenn sie in die digitale Welt ging.

Kunemon hobste von ihrer Schulter auf die Schulterlehne der Couch, während Rin in die Küche ging, um den Inhalt des Kühlschranks zu inspizieren.

Ai hatte ihnen gesagt, dass sie in der digitalen Welt nichts zu essen brauchten, doch sie konnte es zum einen nicht ganz glauben, zum anderen fühlte es sich einfach seltsam an, ohne jedwede Verpflegung ein Abenteuer anzutreten.

Still lächelte sie bei diesem Gedanken. Es war doch ein richtiges Abenteuer, oder?

Der Gedanke kam ihr beinahe falsch vor und dennoch ließ er ihr Herz schneller schlagen, obwohl sie es doch eigentlich besser wusste, nachdem was in den vergangenen Wochen geschehen war. Immerhin wusste sie nun, dass richtige Abenteuer grausam waren. In den Vorstellungen von Abenteuern starb nie jemanden und niemand litt echte schmerzen – anders als bei den Dingen, die hier geschehen waren.

Wieso freute sie sich dennoch so sehr bei dem Gedanken, die digitale Welt erforschen zu können?

Vielleicht weil es die digitale Welt war? Eine fremde Welt, die nicht den Regeln der Welt der Menschen unterworfen war?

Sie zuckte zusammen, als sie etwas an ihrem Bein spürte, doch es war Kunemon, dass seinen Kopf an ihrem Knöchel rieb, als wollte es ihr Mut zusprechen.

Erst jetzt wurde ihr klar, dass sie noch immer vor dem offenen Kühlschrank stand und beschloss schließlich ein paar Instantsuppen und Onigiri, die ihre Mutter offenbar gekauft hatte, herauszunehmen, ehe sie Kunemon hochhob.

„Kannst du dich noch an die digitale Welt erinnern?“, fragte sie ihren Partner, der den Kopf jedoch nur auf die Seite legte und dann eine Bewegung machte, die wohl einem Kopfschütteln gleichkam.

Rin lächelte. „Dann wird es für uns beide ein Abenteuer, hmm?“ Damit ließ sie Kunemon wieder auf ihre Schulter krabbeln.

Nun holte sie Plastikbeutel aus einem anderen Schrank und verstaute die Onigiri in diesen, ehe sie in ihr Zimmer ging, um sich einen für ein Abenteuer geeigneten Rucksack zu holen. Nachdem sie kurz einige Schubladen und ihren Schrank geöffnet hatte, fand sie schließlich, was sie suchte: Einen Rucksack, den ihr Vater ihr einmal vor drei oder vier Jahren geschenkt hatte, als sie gemeinsam wandern waren.

Damals, so bemerkte sie, als sie darüber nachdachte, waren ihre Eltern nicht jeden Abend aus dem Haus gewesen – auch wenn sie schon damals viel gearbeitet hatten.

Aber letzten Endes war das doch ohnehin egal. Sie brauchte ihre Eltern nicht unbedingt. Immerhin konnte sie selbst für sich sorgen und Kunemon passte auf sie auf, während nun auch zumindest Ai und Takumi für sie da waren.

Mit einem Blick zu ihrem Schreibtisch seufzte sie. „Vielleicht“, murmelte sie schließlich, „sollte ich ihnen dennoch eine Erklärung schreiben.“ Sie zögerte, wandte sich dann jedoch ab und ging aus der Küche, ohne Zettel und Stift aus ihrem Schreibtisch zu nehmen.
 

Es war bereits dunkel, als Ai an Impmons Seite am Rand des Shinjuku Koen wartete. Sie sah am Metropolitan Government Building hinauf, in dem noch immer einige der Fenster hell erleuchtet waren, da fraglos noch immer einige Leute arbeiteten. Selbst die Hypnoszentrale war Tag und Nacht besetzt – immerhin waren sie für die Kontrolle der Digimon in der realen Welt verantwortlich.

„Ai“, begann Impmon, das auf einer niedrigen Mauer am Rand des Parkweges saß, und sah zu ihr. „Glaubst du wirklich, dass Makoto in der digitalen Welt ist?“

Sie sah zu ihrem Partner. „Ja“, erwiderte sie. „Ich... Ich weiß es irgendwie.“ Sie schüttelte den Kopf. „Es wäre einfach das, was er tun würde. Es ist das logischste.“

Impmon zögerte. „Vielleicht“, murmelte es, „aber... Glaubst du nicht, dass es besser wäre, mit Yamaki-san und den anderen darüber zu sprechen?“

Misstrauisch sah Ai ihren Partner von der Seite an. „Woher kommt die plötzliche Zurückhaltung?“, fragte sie.

Das Digimon zögerte und wich ihrem Blick aus. „Es ist nur, dass mir irgendetwas sagt, dass die digitale Welt im Moment nicht besonders sicher ist.“

„Das war sie noch nie“, warf Ai ein.

„Nein, das meine ich nicht. Die Digimon die auftauchen. Irgendetwas ist komisch.“ Impmon sprang auf und sah sie mit einem ernsten Blick an, wie sie es selten bei ihrem Partner sah. „Ich weiß, dass du dir Vorwürfe wegen Makoto und dem, was passiert ist machst. Aber deswegen solltest du dich nicht unnötig in Gefahr bringen. Außerdem... Außerdem...“ Für einen Moment zögerte es. „Außerdem ist es meine Schuld! Es war meine Entscheidung...“

Für einen Augenblick sah Ai das Digimon an, dann versetzte sie ihm eine Kopfnuss, seufzte aber. „Wir sind beide Schuld. Wir haben Makoto hintergangen. Wir hätten all diese Entscheidungen nicht ohne ihn treffen sollen.“ Sie holte das Digivice aus der Tasche an ihrer Seite.

Ja, sie hatte ihren Bruder hintergangen, als sie einfach beschlossen hatte an diesem Turnier teilzunehmen. Sie wusste, dass dies falsch gewesen war, dass all dies die Folge ihrer Sehnsucht danach gewesen war, sich zu beweisen. Doch auf der anderen Seite, so dachte sie sich zumindest, hatte sie so Takumi und Rin gerettet, irgendwie, oder? Makoto hatte es nicht verstanden. Aber vielleicht... Vielleicht hätte sie mehr mit ihm reden müssen? Immerhin war sie seine Schwester. Mehr noch: Sie war sein Zwilling. Sie waren immer zusammen gewesen und jetzt trennte sie eine ganze Welt!

Doch nicht mehr lang. Sie würden in die digitale Welt gehen. Sie würden Makoto finden und zurückholen. Und den anderen Jungen auch, sofern er bei Makoto war!

Und immerhin... Die digitale Welt. Auch wenn Impmon sicher nicht Unrecht hatte und es sicherlich gefährlich war – sie kam nicht umher eine gewisse Aufregung bei dem Gedanken zu spüren, jene fremde Welt wieder zu betreten. Außerdem war sie dieses Mal nicht nur – wie das letzte Mal – mit Impmon und Makoto zusammen, sondern mit Freunden, ihrem eigenen Team...

Und gleichzeitig erschreckte sie dieser Gedanke. Wollte sie sich vielleicht doch nur wieder beweisen?

„Du, Impmon“, begann sie mit klopfendem Herzen, als sie schnell näher kommende Schritte hörte.

„Ist Okamura-san noch nicht da?“, fragte Takumi, als er neben ihr stehen blieb.

Ai zögerte kurz, ein wenig überrascht so unwillkürlich aus ihren Gedanken gerissen worden zu sein, schüttelte dann aber den Kopf. „Nein.“

Der Junge seufzte daraufhin und Ai konnte sehen, dass er nervös war.

„Hast du deinen Eltern gesagt, wo du hingest?“, fragte Impmon, das dies ebenso merkte, in einem herausfordernden Tonfall.

Der Körper des Jungen spannte sich an, doch dann schüttelte er den Kopf und sah etwas Schuldbewusst aus. „Nein“, erwiderte er. „Wir haben uns herausgeschlichen.“

„Aber wir haben ihnen einen Brief dargelassen“, fügte Kotemon schnell hinzu. „Also wissen sie, wo wir sind.“

Ai nickte nur und sah auf den Boden vor sich, während sie nervös mit den Füßen im Boden scharrte.

Über ein Problem hatte sie noch nicht mit Takumi und Rin gesprochen: Der einzige Zugang zur digitalen Welt den sie kannte, war das Portal das Hypnos gebaut hatte. Natürlich gäbe es eventuell auch einen Weg, würden sie hochgenug fliegen – zumindest wusste sie, dass so Denrei, Shuichon und Shoji einmal aus der digitalen Welt in die reale zurückgekommen waren – doch war sie nicht sicher, ob sie einen so hohen Flug in dieser Welt überleben konnten. Dafür ein anderes Portal zu suchen, hatten sie im Moment keine Zeit.

Das Problem war, dass sie wusste, dass man sie sicher nicht einfach in die digitale Welt gehen lassen würde. Immerhin dachten Erwachsene anders – sie würden es nicht verstehen, wo es doch nicht einmal einen Beweis gab, dass Makoto in der digitalen Welt war.

Doch Ai war sich sicher und deswegen würde sie dieses Portal benutzen – komme was wolle!

„Hast du deinen Eltern Bescheid gesagt?“, fragte Takumi auf einmal und erschreckte sie damit erneut.

Für einen Moment sah sie ihn an. „Nein“, sagte sie dann. „Aber ich... Habe es meiner Großmutter gesagt. Sie versteht es.“

„Hmm“, machte daraufhin der Junge nur und nickte stumm. Vielleicht fühlte er sich weniger schlecht bei dem Gedanken, dass er nicht der einzige von ihnen war, der seinen Eltern keine Nachricht hinterlassen hatte.

Sie hörten ein näher kommendes Fahrrad und sahen schließlich Rin auf diesem näher kommen.

„Habt ihr auf mich gewartet?“, fragte sie mit ihrer üblichen sehr zurückhaltenden Stimme.

„Nein, nein“, meinte Ai nur und winkte halbherzig ab.

Sie bemerkte, dass Rin offenbar einen Wanderrucksack dabei hatte und sich auch anders gekleidet hatte, als sie es bisher von ihr gewohnt waren. Bisher hatte Ai sie außerhalb der Schuluniform nur in irgendwelchen Blusen und allgemein förmlich wirkenden Sachen gesehen, doch nun trug sie einfache Jeans und ein helles T-Shirt. Nur die Töpfe hatte sie gebunden, wie zuvor, und auch Kunemon lag wie ein seltsames Modeaccessoire um ihren Hals.

Das andere Mädchen schien ihren Blick zu bemerken und wurde etwas rot. „Ich dachte, ich ziehe mich etwas passender an... Für die digitale Welt.“

Daraufhin lächelte Ai. „Ich denke nicht, dass dies nötig gewesen wäre. Die digitale Welt ist... Anders, als die unsere.“ Dabei konnte sie selbst sehr wenig darüber sagen – immerhin war sie bisher auch nur einmal dort gewesen.

„Es macht letzten Endes keinen Unterschied“, meinte Impmon und tat gleichgültig.

Für einen Augenblick trat eine seltsam beklommene Stimme zwischen ihnen ein und sie sahen sich an.

„Also...“, begann Takumi schließlich, „wie kommen wir in die digitale Welt?“

Ai seufzte und wechselte einen Blick mit ihrem Partner – sie konnte es nicht länger verheimlichen. „Wir benutzen das Portal Hypnos'.“

„Was?“, fragte Rin zurückhaltend.

„Was für ein Portal?“ Takumi sah sie fragend an.

Nun holte Ai tief Luft. „Hypnos hat vor beinahe neun Jahren ein Portal gebaut, damit die Digimon zu uns zurückkehren konnten. Sie haben es seither ein paar Mal benutzt – auch wenn es nicht besonders genau ist und ein paar Nachteile hat. Meist haben sie es nur für eine Arche benutzt. Aber es ist da.“ Sie zeigte auf den östlichen Turm des Gebäudes. „Es ist im 45. Stockwerk – und wird wahrscheinlich bewacht.“

Sie merkte, wie Takumi und Rin Blicke austauschten.

„Aber wie sollen wir das Tor dann nutzen?“, fragte Rin mit unsicherer Stimme. „Wir können nicht einfach so hereingehen, oder?“

Ai schüttelte den Kopf. „Natürlich nicht.“

„Also dringen wir mal eben in ein Regierungsgebäude ein?“, fragte Takumi ungläubig.

„Ich kann kämpfen“, bot sein Partner sofort an, doch der Junge schüttelte den Kopf.

„Das ist nicht das Problem. Aber es ist die Regierung und...“ Er zögerte für einen Moment. „Ich glaube nicht, dass es eine gute Idee wäre, ein noch schlechteres Bild auf die Digimon zu werfen.“

Darüber hatte Ai auch schon nachgedacht – doch kam sie nicht umher zu bemerken, dass es am Ende ohnehin egal wäre, wenn sie bedachte, dass sie sich nicht für irgendwelche Daten Zutritt verschafften, sondern nur um in die digitale Welt zu gehen. Außerdem ging es um ihren Bruder – so sagte sie sich jedenfalls.

Sie holte tief Luft und verkrampfte die Hand, in der sich noch immer ihr Digivice hielt. „Makoto ist in der digitalen Welt – wegen mir. Er ist vielleicht in Gefahr – wegen mir. Ich zwinge euch nicht mitzugehen, aber zumindest ich werde in die digitale Welt gehen und ihn zurückholen. Selbst wenn ihr bei Hypnos einbrechen muss.“

Wieder sah sie, wie Rin und Takumi Blicke austauschten – ratlose, aber auch irgendwie schuldbewusste Blicke.

„Wir kommen mit“, versprach Rin leise.

„Es ist nur“, begann Takumi, „dass wir vorsichtig sein müssen und...“ Er brachte den Satz nicht zuende.

Ai sah beide und auch ihre Digimon an, dann nickte sie. „Ich weiß ja, dass es nicht leicht ist, aber...“ Sie senkte den Blick.

Da spürte sie, wie Rin nach ihrer Hand griff.

„Wir finden Makoto schon“, flüsterte das Mädchen.

„Und wir holen ihn zurück, bevor ihm etwas passieren kann“, versprach auch Kotemon.

„Und ohne dass uns etwas zustöst“, stimmte Takumi zu.

Zögerlich lächelte Ai. „Ja.“

„Also“, meinte Takumi, „wie sollen wir zum Portal kommen?“

„Mit unseren Digimon“, erwiderte Ai und zog eine Karte aus ihrer Tasche, die sie sich bereits gelegt hatte. Es war die „Weiße Flügel„ Karte, die Takato schon so oft benutzt hatte.

Als die anderen beiden sie fragen ansahen, erklärte sie ihren Plan: „Es könnte schwer werden vom Erdgeschoss unbemerkt herauf zu kommen. Aber vom Dach aus sind es nur zwei Stockwerke. Wir können die Fluchtwege benutzen. Natürlich müssen wir eventuell noch an Wachen für das eigentliche Tor vorbei – aber zumindest sollten wir so auf die richtige Etage kommen.“

„Außerdem“, meinte Impmon und ließ eine rote Flammenkugel über seine Finger tanzen, „können wir versuchen die Wachen abzulenken.“

Ein weiteres Mal beobachtete Ai, wie Takumi und Rin Blicke tauschten, doch dann nickte der Junge und holte selbst eine Karte heraus. „Okay“, sagte er, während auch Rin eine Karte zog und stumm nickte.

Beide zogen die Karten durch ihr Digivice. „Card Slash – Chou Shinka Plug-In S!“

„Kotemon – Shinka! Dinohumon!“

Die beiden Adult-Digimon standen – beziehungsweise schwebten in Waspmons Fall – vor ihnen, während Takumi nun Ai die Karte abnahm und durch sein Digivice zog.

„Card Slash – White Wings!“

Damit erschienen weiße Flügel auf dem Rücken Dinohumons, welches sich bückte. „Ich kann dich auch tragen, Hanegawa-san“, sagte es freundlich und Ai nickte.

So hob Dinohumon sie, Impmon und Takumi hoch, während Rin auf Waspmons Rücken kletterte.

Dann hoben sie vom Boden ab.

Im nächsten Moment wehte ihnen die Nachtluft um die Ohren, während die beiden Digimon in rasanter Geschwindigkeit an Höhe gewannen und die Lichter des Metropolitan Government Buildings an ihnen vorbei rauschsten. Sie waren so schnell, dass der Flug schon zuende war, ehe er richtig begonnen hatte und sie auf der Spitze des Turms angelangt waren, wo sich neben einigen Satelitenschüsseln auch ein Helikopter-Landeplatz befand.

Außerdem gab es eine Tür die in das Gebäude hineinführte.

„Verschlossen“, flüsterte Ai, kaum dass sie diese erreicht hatte.

Verschlossen blieb die Tür jedoch nicht lange, ehe eine Flammenkugel Impmons das Schloss aufweichte und die Tür so öffnete, so dass sie in das Treppenhaus kamen, dass eine Etage weiter unten zu einer Fluchttreppe wurde.

Dabei war es zumindest für Flymon nicht besonders einfach, sich in den für die Größe seines Körpers doch recht engen Durchgang zu quetschen, doch zum Glück war die Treppenbreite gerade ausreichend, als dass auch es Rin hinterher die kriechen konnte – auch wenn sein Körper eindeutig nicht zu einer bodenbehafteten Fortbewegung geschaffen war.

Schließlich erreichten sie den 45. Stock, wo Ai den anderen voraus ging. Sie konnte sich, auch wenn sie nicht häufig hier gewesen war, daran erinnern, hinter welcher Tür der Raum, in dem das Portal aufgestellt war, befand.

An einer Ecke des recht breiten und auch Nachts erleuchteten Flurs blieb sie stehen und gestikulierte den beiden anderen und den Digimon es ihr gleich zu tun.

Vorsichtig spähte sie um die Ecke und wie sie vermutet hatten standen hier zwei Männer des Sicherheitsdienstes vor der Doppeltür, die zum Portal führte.

„Irgendwelche Ideen?“, flüsterte sie so leise es ging an die beiden anderen und die Digimon gewandt.

Ratlosigkeit zeichnete sich auf ihren Gesichtern ab, da keiner von ihnen die Digimon nutzen wollte, um Menschen anzugreifen. Natürlich hätten sie die Wachmänner leicht ausschalten können – auch ohne sie zu verletzen – doch auch ohne darüber zu sprechen waren sie sich einig, dass es falsch wäre.

Rin holte ihre Karten aus dem Deck, dass sie weiterhin am Bund ihrer Hose in einer Ledertasche aufbewahrte. „Vielleicht hiermit“, flüsterte sie und zeigte ihnen eine Karte. Palmon.

Ai und Takumi sahen sie an. Palmons Attacke „Sleep Spore„ wäre kein wirklicher Angriff und würde den Wachen sicher keinen Schaden zufügen.

Also nickte Ai und Takumi tat es ihr gleich.

Ohne etwas zu sagen zog Rin die Karte durch den Schlitz am Digivice und die Daten wurden auf Flymon übertragen, das daraufhin um die Ecke flog und Sporen von seinen Flügeln rieseln ließ, noch bevor die beiden Wachen wirklich begreifen konnten, was vor sich ging. Dann, ganz plötzlich, gaben die Beine der beiden nach und sie sanken zu boden.

Die drei Jugendlichen liefen zusammen mit Impmon und Dinohumon zu den Wachen. Ai fühlte den Puls der beiden Männer, doch dieser schien normal zu sein. „Es scheint ihnen gut zu gehen“, sagte sie – noch immer mit gedämpfter Stimme.

Dinohumon half die beiden Männer gegen eine Wand zu lehnen, ehe es ihnen die ebenfalls verschlossene Tür zum Raum mit dem Portal aufstemmte.

„Das hat vielleicht einen Alarm ausgelöst“, meinte Ai, während sie in das Zimmer liefen, in dem momentan kein Licht brannte.

Im Licht des Flures, das durch die Tür hereinschien sah sie sich um und entdeckte einen Sicherungskasten nicht weit von der Tür entfernt unter dem auch ein Lichtschalter zu sein schien. Als der Schalter nichts tat, öffnete sie erst den Sicherungskasten und legte – da sie es nicht besser wusste – alle Sicherungen um.

Tatsächlich sprang das Licht im Raum nun an, so dass sie sich besser umsehen konnten.

An sämtlichen Wänden, abgesehen von der Wand, in der die Tür war, standen Konsolen und Computer, die – so wusste Ai – dazu gebraucht wurden, um das Portal anzusteuern. Wie dies genau funktionierte wusste sie nicht, doch zumindest hatte sie zwei Mal gesehen, wie die anderen Tamer es benutzt hatten.

„Helft mir mit“, sagte sie zu Rin und Takumi. „Wir müssen die Konsolen hochfahren. Dinohumon? Du bewachst die Tür.“

„In Ordnung“, erwiderte das Digimon und auch die beiden anderen Tamer nickten.

Sie liefen zu den Konsolen hinüber und schalteten eine nach der anderen an.

„Aber was ist das Portal?“, fragte schließlich Takumi, woraufhin Ai nur auf die vermeintliche Bühne aus weißen Würfeln in der Mitte des Raumes zeigte.

An den Gesichtern der beiden anderen konnte sie erkennen, dass diese es sich anders vorgestellt hatten, doch im Moment hatten sie keine Zeit darüber zu reden. Wenn ein Erwachsener hierher kam, bevor sie in der digitalen Welt waren, würden sie Makoto vielleicht nie helfen können.

Die Konsolen starteten und verschiedene Bildschirme zeigten Zahlen und – so vermutete Ai zumindest – Koordinaten an.

Schließlich ging sie zur letzten Konsole: Einem Gerät, das direkt neben der vermeintlichen Bühne stand und von dem aus Yamaki, die beiden Male, dass sie dieses Portal in Aktion gesehen hatte, geöffnet zu haben schien.

Das einzige Problem, so erkannte sie nun, war, dass sie nicht die geringste Ahnung hatte, wie das Portal aktiviert würde. Die einzige Bedienungseinheit abgesehen von dem zumindest offensichtlichen Ein- und Ausschalter des Computers, war eine Tastatur.

„Verdammt“, flüsterte sie leise.

Sie verfluchte sich selbst. Was hatte sie auch erwartet? Einen großen roten Knopf, den man einfach drücken konnte? So etwas gab es doch nur in Filmen.

Auf dem Bildschirm der Konsole erschienen Zeilen mit Zahlen und Englischen Begriffen, von denen sie jedoch nur wenig verstand.

„Was ist?“, fragte Rin, die angespannt wirkte.

Ai sah zu ihr. Sie wollte nicht zugeben, dass sie nicht wusste, was sie tun sollten. „Nichts“, erwiderte sie.

Nicht minder angespannt, als das andere Mädchen wirkte, sah sie auf die Tastatur und dann wieder auf den Bildschirm.

„Ai“, hörte sie Impmons Stimme neben sich und sie bemerkte den drängenden Tonfall in dieser.

Dennoch hatte sie keine Idee, was sie eingeben sollte. Digital Gate Open, gab sie schließlich in die Konsole rein.

ERROR, war die einzige Antwort der Konsole. Invalid arguement.

„Verdammt“, flüsterte Ai.

„Was ist los?“, fragte nun auch Takumi und kam zu ihr.

Ai zögerte. Sie wollte nicht zugeben, dass sie nichts machen konnte. Also sagte sie nichts und versuchte es mit einigen weiteren Eingaben.

Start. Open. Digital Gate. Digital World. HYPNOS Start.

Aber es schien egal, was sie eingab. Das Ergebnis blieb dasselbe: ERROR – Invalid Arguement.

„Verdammt“, flüsterte sie erneut.

Wieso konnte es nichts intuitives sein? Wieso konnte sich das verfluchte Tor nicht einfach für sie öffnen? Sie hatten doch keine Zeit!

Wie um diesen Gedanken zu bestätigen, hob Impmon seine Ohren. „Ich höre jemanden – ich glaube jemand kommt.“

Dinohumon, das die Tür geschlossen hatte, lauschte an dieser. „Ja. Ich höre Schritte.“

„Verdammt!“, schrie Ai nun und merkte, dass sie Tränen in den Augen hatte – dabei weinte sie normal doch nie.

„Du weißt nicht, wie man das Tor öffnet, oder?“, fragte Takumi und packte sie bei der Schulter.

Sie sah ihn an und eine Träne lief dabei über ihre Wange. „Nein“, flüsterte sie. Dann wandte sie sich wieder der Konsole zu und Schlug mit der Faust auf die Tastatur. „Ich will doch nur meinen Bruder zurückholen!“, rief sie aus.

Was dann geschah verstand keiner von ihnen so ganz. Doch etwas, das Ai schon einmal gehört hatte erklang: Ein tiefes Summen.

Als sie an der Konsole vorbeischaute, sah sie, wie die Luft über den weißen Würfeln zu flimmern begann. Genau wie damals, als Takato und die anderen in die digitale Welt gingen.

„Was...?“, flüsterte Rin, doch statt zu antworten, nahm Ai sie beim Handgelenk zu zerrte sie mit sich. „Kommt, schnell!“

Sie lief auf die Bühne hinauf, wobei sie Rin mit sich zog. Auch Takumi und Impmon folgten ihnen, ehe auch Flymon zu ihnen hinüber flog und nach kurzem Zögern sich Dinohumon von der Tür entfernte und auf die Bühne sprang.

Einen Augenblick später ging die Tür auf und sie konnten Reika in dieser erkennen.

„Was macht ihr da?“, rief diese aus und wollte zu ihnen hinüber laufen.

Doch in diesem Moment begannen seltsame Zeichen um die drei Tamer und ihre Digimon durch die Luft zu schweben und dann hatten sie auf einmal das Gefühl zu fallen.

Nur ein Gedanke schoss durch Ais Kopf: Sie hatten es wirklich geschafft. Sie waren auf dem Weg in die digitale Welt!
 

Einige Staubpakete wurden vom Wind über die physische Ebene geweht, wo Makoto am Eingang der Höhle eines der massiven Felstürme, die hier die Landschaft prägten, stand und hinaussah. Der Wind nahm zu und ab, doch zumindest stürmte es nicht mehr so heftig, wie als sie angekommen waren.

Dabei war er sich noch immer nicht sicher, was es mit dem Sturm auf sich hatte, konnte er sich doch erinnern, dass dieser in der digitalen Welt nicht unbedingt ein gutes Zeichen war.

Kaito, der Junge, den er auf dem Ueno Matsuri getroffen hatte, saß zusammen mit Kuraimon, seinem Partner, in der Höhle. Er hatte die Arme verschränkt und sich an den rotbraunen Fels gelehnt, der in der Dunkelheit der Nacht schwarz wirkte.

Makoto sah unsicher zu ihm. Er hatte ihn angelogen, als er ihm gesagt hatte, sein Digimonpartner sei hier. Er wusste nicht einmal, wieso er es getan hatte, doch etwas hielt ihn davon ab, ihm nun die Wahrheit zu sagen. Vielleicht weil er sich – obwohl Kaito ganz offenbar älter war, als er selbst – für ihn verantwortlich fühlte. Immerhin war er selbst schon einmal in der digitalen Welt gewesen.

„Wieso“, begann Makoto schließlich unschlüssig, da sie sicherlich bereits eine halbe Stunde geschwiegen hatten. „Wieso glaubst du, dass dein Bruder in der digitalen Welt ist?“

Kaito öffnete die Augen. „Na, weil es doch Sinn macht, oder? Er wollte... Fort. Und man hat nie eine Spur von ihm gefunden. Wäre er in der Menschenwelt...“ Er brach ab und schwieg für einen Augenblick. „Ich weiß es halt einfach, okay?“, meinte er dann mit einem etwas agressiven Tonfall.

Leise seufzte Makoto und zuckte mit den Schultern.

„Woher wusstest du überhaupt, dass da ein Tor in diese Welt ist?“, fragte Kaito schließlich.

Ja, tatsächlich konnte Makoto sich noch immer nicht erklären, wie sie hierher gekommen waren. Er hatte nicht nachgedacht, als er dem anderen Jungen gesagt hatte, er wüsste, wie man in die digitale Welt käme, doch als Kaito ihm misstrauisch gefolgt war, waren sie praktisch in ein Tor hereingestolpert. Vielleicht, so überlegte Makoto, hatte es etwas mit den Digignomen zu tun. Diese erfüllten immerhin wünsche, oder?

„Kaito“, begann Kuraimon ruhig, „egal wie er es wusste. Wir sollten ihm dankbar sein, oder?“

„Vielleicht“, erwiderte der ältere Junge, „aber seltsam ist es dennoch.“

Leise seufzte Makoto und beschloss sich zumindest was dies anging die Wahrheit zu sagen. „Ich hatte eigentlich etwas anderes vor. Aber... Das Tor war einfach da.“ Er zuckte mit den Schultern. „Vielleicht hat es etwas mit der Natur dieser Welt zu tun.“

„Der Natur dieser Welt?“ Kaito hob eine Augenbraue.

„Nun, nicht dieser Welt“, erwiderte Makoto vorsichtig, „aber der Wesen hier... Hast du schon etwas von Digignomen gehört?“

Verständnislos sah Kaito ihn an, während das Digimon an seiner Seite interessiert aufhorchte.

„Sag, Makoto-san, warst du schon einmal hier?“, fragte es.

Wiese zögerte Makoto, da er sich nicht verraten wollte. „Ja, ich war einmal hier.“ Wenn auch wirklich nur einmal, fügte er in Gedanken hinzu. Immer wenn er daran dachte, kam er sich vor, als wäre er selbst damals kaum ein richtiger Tamer gewesen. Immerhin waren er und Ai immer irgendwie überflüssig gewesen, da Impmon auch ohne sie digitieren konnten. Natürlich hatten sie ihren Partner mit Karten unterstützen können – doch was für einen Unterschied machte das? Nie hatten sie mit Impmon verschmelzen können, was, so musste er zugeben auch seltsam gewesen wäre. Na ja, und nun konnte es Ai und er... Er war vollendens überflüssig geworden.

Kaito musterte ihn für eine Weile. Dann lehnte er sich wieder zurück und schloss die Augen. „Ist es hier immer so stürmisch?“, fragte er dann.

Daraufhin sah Makoto wieder hinaus. Er hatte ein mulmiges Gefühl im Bauch. „Nein. Nicht immer...“
 

„Was?“, fragte Takoto und sah Reika an.

„Ich habe sie gerade noch verschwinden sehen“, erwiderte sie ruhig.

Takato hatte zusammen mit ihr Dienst gehabt. Erst das zweite Mal, seit er wieder arbeiten durfte, und es war – wie es ihm sofort durch den Kopf ging – kein besonders guter Anfang. „Aber wie konnten sie das Tor öffnen?“

Reika schüttelte nur mit dem Kopf. „Ich weiß es nicht.“ Mit einem Seufzen holte sie ihr Handy hervor. „Aber ich sollte Yamaki-san anrufen.“

Takato sah sie an und holte einige Male tief Luft. „Ich verstehe nur nicht... Wieso?“

Daraufhin stupste Guilmon mit seiner Schnauze gegen seine Hand. „Guilmon glaubt, es weiß, warum“, sagte es. „Guilmon glaubt, dass Ai zu Makoto wollte.“

„Aber wieso gehen sie dann in die digitale Welt?“, fragte Takato und seufzte. Eigentlich wusste er die Antwort. Sie musste glauben, dass Makoto in der digitalen Welt war. Aber wieso?

Das war die Frage, die am Ende wohl offen blieb.

Er ließ sich auf einen Stuhl fallen. Das nun auch noch drei junge Tamer verschollen waren, während sich die Lage nach Chiyoda kaum beruhigt hatte, hatte ihnen gerade noch gefehlt...

Episode 33: Verloren

Episode 33: Verloren
 

Die bisherigen Schäden, die Aufgrund der seit fünf Wochen regelmäßig auftretenden Erdbeben im Großraum Tokyo entstanden sind, belaufen sich bisher auf geschätzt 3,5 Billionen Yen. Eine Ursache für die Erdbeben ist bisher noch nicht bekannt.
 

                           - Newsflash von FNN am 20. Juli 2011
 

Noch immer stürmte es, während Makoto und Kaito versuchten, auf der physischen Ebene voran zu kommen. Sie hatten nur wenig geschlafen, doch das machte ihnen nichts aus – immerhin waren ihre Körper, solange sie aus Daten bestanden, nicht einmal auf den Schlaf angewiesen.

Makoto konnte es nicht verhindern, dass er sich immer beunruhigter fühlte. Er wurde das Gefühl nicht los, dass irgendetwas hier nicht stimmte. Nicht nur der Sturm machte ihm Sorgen, sondern auch die Tatsache, dass sie bisher kein wildes Digimon gesehen hatten. Nun, natürlich kannte er die digitale Welt nicht anders, da diese das letzte Mal, als er hier gewesen war, zu großen Teilen von D-Reaper angegriffen worden war, doch zumindest wusste er, dass es auf der physischen Ebene einige Digimon geben sollte. Die Tatsache, dass er in derselben Zeit, die er hier verbracht hatte, selbst in der realen Welt ein oder zwei wilde Digimon gesehen hätte, erschien ihm seltsam.

„Wo ist dein Digimonpartner eigentlich, Makoto-san?“, fragte Kuraimon und schien dabei aufrichtig interessiert, brachte Makoto damit jedoch erneut in Verlegenheit.

Wie sollte er den beiden erklären, dass er eigentlich keinen Partner mehr hatte?

„Ich weiß es nicht“, erwiderte er zurückhaltend. „Ich weiß nur, dass er in der digitalen Welt ist.“

Kaito, der mit der Zeit immer missmutiger wirkte blieb stehen und verschränkte die Arme. „Warum benutzt du nicht dein Digivice? Sollte es dir nicht anzeigen, wo dein Partner ist?“

Makoto zögerte, von dem unguten Gefühl beunruhigt, dass der ältere Junge zu ahnen begann, dass er log. „Die digitale Welt hat viele verschiedene Ebenen und es funktioniert nur, wenn dein Partner auf derselben Ebene ist“, redete er sich heraus.

„Und woher willst du wissen, dass dein Partner nicht auf dieser Ebene ist?“, fragte Kaito.

„Ich...“, Makoto verstummte und wich dem Blick des anderen Jungen aus. Wie würde dieser reagieren, wenn er mitbekam, dass Makoto nicht einmal ein Digivice hatte?

„Was für ein Digimon ist dein Partner überhaupt?“ Kaitos Stimme war nun schärfer als vorher und er wirkte misstrauisch.

Kuraimon berührte das Bein seines Partners. „Kaito“, begann es und Makoto schien es, als wolle es seinen Tamer beruhigend wollen.

Er selbst wusste nicht, wie er reagieren sollte. Irgendwie machte ihn das Misstrauen des anderen Jungen wütend und er konnte nicht einmal sagen warum. Doch was für einen Unterschied machte es für ihn, ob er – Makoto – einen Partner hatte oder nicht? Selbst wenn er ihn belogen hatte.

„Hast du überhaupt einen Partner? Oder ein Digivice?“, fragte Kaito nun, während Kuraimon an seiner Seite unruhig zu werden schien.

„Kaito!“, versuchte es die Aufmerksamkeit des älteren Jungen auf sich zu ziehen, wurde jedoch ignoriert.

Makoto sah derweil zu Boden. „Nun, ich...“

Doch bevor er weiter reden konnte, schrie Kuraimon nun. „Kaito, wir müssen hier weg!“

„Was?“, fragte der ältere Junge und sah sich um.

Auch Makoto sah auf und erkannte den Datastream, der geradewegs auf sie zukam.

„Was ist das?“, fragte Kaito.

„Ein Stream!“, erwiderte Makoto und wollte loslaufen, doch eigentlich wusste er, dass es bereits zu spät war.
 

„Accel Arm!“ Blitze zuckten von dem Punkt, an dem Justimons Arm den Boden traf, über den Asphalt, konnten seinen Gegner jedoch nicht so leicht treffen.

Sagomon sprang in die Luft und hob seinen Hammer – Kouyouhoujou – in die Höhe.

Das Digimon hatte sich vor etwa zwanzig Minuten in Ikebukuro materialisiert und bereits einigen Schaden an Häuserfronten, der Straße und diversen Autos angerichtet, so dass es beinahe überraschte, dass es bisher keinen nennenswerten Personenschaden gab.

Sagomon sprach nicht, doch im nächsten Moment schoss ein Wasserstrahl aus der in Sagomons Hand rotierenden Waffe.

Verdammt“, zischte Ryou im Inneren Justimons, während er sich gemeinsam mit seinem Partner mit der Hilfe des mechanischen Armes des Digimon zu schützen versuchte.

Ryou!“, drängte sein Partner ihn, „wir müssen es zu Ende bringen.

Ich weiß“, grummelte Ryou.

Damit sprang Justimon zurück, so dass der Wasserstrahl im nächsten Moment den Boden traf und ein klaffendes Loch in die Asphaltdecke schlug – etwas das alles andere als ideal war, betrachtete man, dass sie eigentlich Schaden an der Stadt vermeiden sollten.

Verdammt“, schrie Ryou erneut, während Justimon seinen Arm hob und dieser sich in eine Klinge aus Energie verwandelte.

„Critical Arm!“ Damit sprang Justimon in die Höhe, stieß sich von einer Hauswand ab und sprang so auf das gegnerische Digimon zu.

Doch noch immer gab dieses sich nicht so leicht geschlagen. Es war eins der seltsamen Digimon, die mit jenem Virus – oder was auch immer es war – infiziert zu sein schienen, der ihrer Gestalt die Farben nahm und ihre Augen dafür beinahe pink leuchten ließ.

Sagomon blockte, auch wenn es eigentlich ein Level unter Justimon sein sollte, die Energieklinge mit Leichtigkeit ab.

Verdammt“, grummelte Ryou.

Justimon versuchte die Verteidigung des Digimon zu durchbrechen, als dieses seine Waffe durch die Luft sausen ließ und innerhalb des Bruchteils einer Sekunde Justimon auf den Boden schlug.

Ryou“, hörte der junge Mann die Stimme seines Partners, der dieselben Schmerzen spürte, wie er selbst, „du musst bei der Sache bleiben.

Ich weiß“, erwiderte Ryou, doch wusste Monodramon genau so gut, wie er selbst, dass dies nicht so leicht war.

Wieso war er so schwach? Wieso konnte er nicht einmal mehr richtig kämpfen?

Verdammt“, flüsterte er erneut, als sich Justimon im letzten Moment zur Seite rollte, ehe der Hammer seines Gegners auf die Stelle der Straße hinabfiel, an der es gerade noch gelegen hatte.

Tiefe Risse zogen sich im nächsten Moment durch den Asphalt und es schien, als würde die Erde beben.

Erneut passte Ryou nicht genug auf und ehe er sich versah, traf Justimon ein Tritt Sagomons und schleuderte es nun gegen eine Hauswand, ehe Sagomon seine Klauenhand ausstreckte. Kouyouhoujou flog in diese zurück und im nächsten Moment sah sich Justimon vom Halbmondklingenende der Waffe an die Hausfassade gepresst, wobei es ihm nur gerade so gelang, die Klinge soweit zurückzuhalten, dass sie nicht in seinen Körper schnitt, da Ryou genau so gut wie sein Partner wusste, dass die Angriffe jener infizierten Digimon ihnen bei weitem mehr schaden würden, als normal, sobald Justimons Datenstruktur verletzt würde.

Verdammt“, schrie er.

Im nächsten Moment war die Luft erfüllt von einem wohligen Gesang, der Ryou nur allzu bekannt war. Die Blätter der Sakura wirbelten durch die Luft, ehe die zuvor noch singende Stimme, auf einmal einen entschlossenen Ruf ausstieß. „Izuna!“

Justimon sah auf und sah Sakuyamon über ein Häuserdach hinwegfliegen, während ihre vier Flammenfüchse die Arme und Beine Sagomons umwickelten und so dafür sorgten, dass es von Justimon ablassen musste.

Ruki!“, stieß Ryou aus, doch Sakuyamon schenkte Justimon keine besondere Beachtung.

Derweil begann Sagomon zu knurren und kämpfte gegen die flammenden Fesseln der Füchse an, ehe diese sich auf einmal in Datenpartikel auflösten, die Sagomon absorbierte. Im nächsten Augenblick ließ es erneut seine Waffe rotieren und schoss einen weiteren Wasserstrahl – nun auf Sakuyamon gerichtet – ab.

Sakuyamon hatte jedoch durch seine Fähigkeit fliegen zu können, einen entscheidenden Vorteil und wich der Attacke aus. Dabei achtete es ganz offenbar darauf so auszuweichen, dass selbst als Sagomons Attacke ihm folgte, es keins der umstehenden Häuser traf.

Schließlich schien das wilde Digimon genug von diesem vermeintlichen Spiel zu haben und setzte zum Sprung an, als Justimon sein Bein ergriff und es über seinen eigenen Kopf hinweg auf den Boden schleuderte.

„Accel Arm!“, rief es erneut und ließ dieses Mal den mechanischen Arm direkt auf den Kopf des feindlichen Digimon hinabsausen, der in eine Wolke aus Datenpartikeln explodierte, ehe es der Rest des Körpers es ihm gleichtat.

Ruki“, flüsterte Ryou.

Justimon blickte zu Sakuyamon hinauf, das seinen Blick für einen Augenblick erwiderte, dann jedoch davonflog.

„Warte, Ruki!“, rief Justimon nun aus und sprang auf das flache Dach eines dreistöckigen Ladens, um von dort aus Sakuyamon folgen zu können. „Ruki!“ So folgte es dem Göttinnendigimon drei Blöcke, ehe Sakuyamon schließlich über einer Straße schweben blieb.

„Hör auf mir zu Folgen, Ryou“, hörten sie Rukis Stimme, die aus Sakuyamons Mund sprach.

„Aber, Ruki, ich...“, begann Ryou, ebenfalls durch das Digimon, dessen Körper er teilte, sprechend, brach dann jedoch ab, unsicher, was er überhaupt sagen wollte.

„Ryou“, hörte er die Stimme seiner Exfreundin, während Sakuyamon seicht den Kopf schüttelte. „Es ist vorbei, Ryou. Akzeptier das.“ Damit wandte Sakuyamon sich ab und flog davon.

Justimon folgte ihm nicht mehr. Stattdessen bleib es auf dem Dach des Mehrfamilienhauses, auf dem die kurze Verfolgung geendet war, stehen. Im nächsten Moment war es von hellem Licht umgeben, ehe Ryou und Monodramon in nun getrennten Körpern an seiner Stelle erschienen.

Monodramon sah seinen Partner mit großen Augen und einem sowohl verwirrten, als auch mitleidigem Blick an. „Ryou...“, begann es, sprach aber nie weiter. Es war noch nie besonders gut darin gewesen, sich in Worten auszudrücken.

Ryou sah auf den Punkt in der Ferne, der Sakuyamon war. „Ruki“, flüsterte er, ehe er sich abwandte und auf die Tür zuging, die in das Treppenhaus des Gebäudes führte.
 

Ai hob ganz automatisch den Arm, um zu vermeiden, dass der Sand der physischen Ebene ihr in die Augen wehte, auch wenn er anders als physischer Sand sich dort nur auflöste, anstatt einem die Augen zu verkleben.

Takumi stand hinter ihr. Zum ersten Mal hatte er einen praktischen Nutzen in der Fliegerbrille, die er so lange schon bei sich trug, gefunden und hatte sie sich nun über die Augen gezogen um diese zu schützen – nicht zuletzt, da ihm der digitale Sand genau so wenig geheuer war, wie die Staubpakete, von denen ihm eins, als er es berührt hatte, einen elektrischen Schock verpasst hatte.

„Und jetzt?“, sprach Kotemon die Frage aus, die sich alle sechs von ihnen stellten.

Sie hatten in der Nacht bereits aufgrund des Sturms Zuflucht in einer Höhle suchen müssen und hatten sich nur vorsichtig heraus getraut, auch wenn der Sturm etwas nachgelassen hatte.

„Ich weiß es nicht“, gab Ai zu.

Natürlich hatten sie gewusst, dass es kaum möglich sein würde, Makoto in der weiten digitalen Welt sofort zu finden, doch es schien beinahe, als hätte sie vergessen gehabt, wie groß diese Welt überhaupt war – und dabei waren sie bisher nur über die physische Ebene geirrt.

„Bei dem Sturm und den Datastreams kann Makoto irgendwo gelandet sein“, seufzte Impmon und schien von dem Gedanken bedrückt.

Takumi ließ seinen Blick zu einen der hellen und am Rand pink leuchtenden Strahlen wandern, der sich in einiger Entfernung mit scheinbar vollkommen zufälligen Bewegungen über die Ebene bewegte. Ai hatte ihnen erklärt, dass jeder, der mit einem solchen Strahl in Berührung kam, davon irgendwohin in die digitale Welt gebracht werden konnte. Unter normalen Umständen hätte Takumi es vielleicht sogar als spannend angesehen, dies einmal auszuprobieren, da er sich nichts sehnlicher wünschte, als diese Welt zu erforschen, doch deswegen waren sie nicht hier.

„Und was ist, wenn wir irgendein Digimon fragen?“, fragte nun Rin zurückhaltend, die Hand auf den Kopf Kunemons gelegt, das erneut wie ein Schal um ihren Hals lag.

„Ich sehe nur kein Digimon“, grummelte Impmon.

Wie auch Makoto und Kaito hatten sie feststellen müssen, dass es auf der physischen Ebene der digitalen Welt kein einziges Digimon mehr zu geben schien.

Takumi zögerte. „Wenn... Wenn Makoto-san in die digitale Welt gekommen ist, um einen Digimonpartner zu finden, so wird er wohl kaum hier bleiben, so lange hier kein Digimon ist, oder?“ Er richtete die Frage an Ai, die noch immer in die Ferne spähte.

Nach einer kurzen Pause drehte Ai sich zu ihm um und seufzte schwer. „Du hast wahrscheinlich Recht“, gab sie dann zu und etwas Verzweiflung schien durch ihre Stimme zu klingen. „Aber... Es gibt so viele andere Ebenen in dieser Welt... Wie sollen wir ihn da finden?“

Darauf wusste Rin ganz offenbar genau so wenig eine Antwort, wie Takumi und die beiden sahen sich betreten an.

„Vielleicht“, begann Kotemon, „helfen uns die Digignome! Heißt es nicht, dass sie Wünsche erfüllen?“

„Digignome...“, murmelte Takumi. Er hatte den Begriff schon einmal gehört, konnte ihn aber nicht zuordnen.

„Ich weiß es nicht“, seufzte Ai.

„Und dazu müssen wir erst einmal einen Digignome finden“, ergänzte Impmon und schüttelte den Kopf.

„Nun...“ Rin sah auf die triste Wüste, die sich vor ihnen ausbreitete. „Es sieht nicht so aus, als wäre hier... Irgendetwas... Oder? Vielleicht sollten wir wirklich einen dieser... Dieser Streams nutzen.“

„Aber was ist, wenn wir von woauchimmer uns der Stream hinbringt nicht mehr zurückkommen?“, fragte Ai. „Wie es Denrei und Shuichon passiert ist?“

Erneut antwortete ihr niemand.

Takumi fand es seltsam bedrückend, Ai, die normal immer genau zu wissen schien, was sie machen wollte, so bedrückt zu sehen. „So einfach verirren wir uns nicht, da bin ich mir sicher“, versuchte er sie aufzumuntern und lächelte ihr zu, auch wenn er sich dessen bewusst war, dass sein Lächeln nur halbherzig wirken würde.

„Ich weiß nicht...“, seufzte Ai.

Daraufhin schwiegen alle drei Tamer und auch Impmon und Kotemon sagten erst einmal nichts. Stattdessen sahen die drei Jugendlichen sich mit bedrückten Blicken an. Jedem von ihnen war klar, dass sie in der digitalen Welt wohl bis auf weiteres festsaßen, da sie ohne Hilfe von außen nicht zurückkamen – was ihrem Ziel zugute kam, doch gleichzeitig auch bedeutete, dass sie jedweder Gefahr hier schutzlos ausgeliefert waren.

Bevor jedoch einem von ihnen eine Lösung oder auch nur irgendetwas zu sagen einfiel, schreckten die Digimon zusammen.

„Was ist das?“, flüsterte Kotemon und zog sein Bambusschwert.

„Ein Beben“, antwortete Impmon.

Und im nächsten Moment sahen sie das, was sie in der realen Welt schon so oft in den vergangenen Wochen aus großer Entfernung hatten beobachten können: Ein seltsames Flackern, das hier beinahe wie eine Welle bestehend aus grober Verpixelung, so als wäre ein Streifen der Grafik in einem Computerspiel nicht richtig gerendert worden, aussah, kam auf sie zu. Und noch bevor einer von ihnen auch nur den Beschluss fassen konnte zu fliehen, hatte diese Welle sie erreicht. Dann gab der Boden unter ihren Füßen nach.
 

„Schon wieder“, seufzte Takato während der Boden auch in Tokyo erneut bebte.

„Habt ihr denn noch immer nicht herausgefunden, was es damit auf sich hat?“, fragte seine Mutter und klang ernsthaft besorgt.

Zusammen mit Juri und Impmon an seiner Seite saß Takato in der Küche seines Elternhauses, wo er zu Abend essen wollte, ehe er zur Abendschicht erneut zu Hypnos würde.

Er schüttelte den Kopf und wusste nicht, was er sagen sollte. Er wollte seinen Eltern auch keine Angst machen und wollte ebenso wenig, dass sie sich um ihn oder irgendetwas unnötig Sorgen machte – denn Sorgen machte er sich alleine schon genug.

Mehr als alles andere hoffte er, dass Hypnos es, bis er später dorthin gehen würde, eine Spur von Takumi, Ai und Rin haben würde, vielleicht auch von Makoto und dem Politiker-Sohn, sofern die beiden tatsächlich in der digitalen Welt waren, wie es Ai offenbar glaubte.

„Wir wissen nicht einmal sicher, ob es wirklich etwas mit der digitalen Welt zu tun hat“, meinte Juri nun. „Vielleicht hat es auch etwas anderes damit auf sich.“

Takatos Vater, der in der anliegenden Backstube aufgeräumt hatte, steckte seinen Kopf durch die Tür zur Küche. „Ich weiß nicht ob ich eine physische Ursache als gute Nachricht empfinden würde“, meinte er.

„Guilmon versteht nicht.“ Das überdimensionierte rote Reptil an Takatos Seite zog die Schuppen über seinen Augen so zusammen, dass es wirkte, als würde es die Stirn runzeln.

„Nun“, begann Juri freundlich, „wenn die Erdbeben natürlich wären, könnte es heißen, dass irgendwann ein Vulkan ausbricht oder so.“

„Genau“, stimmte Matsuda Takehiro ihr zu. „Immerhin ist Fuji-san noch aktiv, nicht?“

Takatos Mutter seufzte und stemmte die Hände in die Seiten. „Lasst uns über etwas weniger deprimierendes reden.“ Als niemand sich bemühte ein anderes Thema vorzuschlagen, seufzte sie. „Was macht deine Ausbildung, Juri-chan?“

Juri, die ganz offenbar nicht minder besorgt war, als Takato selbst, brauchte etwas, um darauf eine Antwort zu finden. „Es geht alles ganz gut, danke.“

„Das ist doch zumindest etwas“, meinte Takehiro, der nun, nachdem er sich offenbar noch die Hände gewaschen hatte, in die Küche kam und sich dabei die Backschürze auszog. „Dann könnt ihr irgendwann eine richtige Konditorei aus unserem Laden machen oder so.“ Er lachte.

Die Implikation seiner Worte entging niemandem – außer vielleicht Guilmon – und ließ beide junge Erwachsene erröten, während sie einander ansahen.

Takato konnte auch in Juris Blick Zweifel erkennen, die er auch in seinem Herzen spürte. Nicht etwas Zweifel an ihrer Beziehung, sondern an der Zukunft. Immer, wenn er in den letzten Wochen versucht hatte über diese nachzudenken, so war sie ihm wie ein weit entferntes Land erschienen, dass man doch nie erreichen würde. Zumindest ein Teil seines Herzens glaubte nicht mehr daran, dass es für sie auf lange Sicht eine solche Zukunft geben würde.

„Vielleicht“, sagte Juri dennoch unsicher und blickte auf die Tischplatte vor sich, während unter dem Tisch ihre Hand nach der Takatos suchte.

„Hmm?“ Guilmon legte den Kopf auf die Seite.

„Na ja“, meinte Matsuda Yoshie schließlich und ging zum Kühlschrank. „Du musst bald los, oder, Takato?“ Sie öffnete den Kühlschrank und holte eine Packung Eier aus diesem hervor. „Ich sollte langsam Anfangen zu kochen, nicht?“

„Danke, Okaa-san“, erwiderte Takato lächelnd.

Es war kaum mehr als ein paar Sekunden später, dass das Handy in seiner Tasche zu klingeln begann.

„Ja, Matsuda hier?“, hob er ab und ging dabei aus dem Raum hinaus in die Backküche, die sein Vater erst verlassen hatte.

„Weißt du, wo Akiyama abgeblieben ist?“, fragte die Stimme eines offenbar müden Yamakis grußlos vom anderen Ende der Seite.

„Ryou?“, fragte Takato und runzelte die Stirn. Er kam nicht umher, sich ein wenig genervt zu fühlen. Ryou war in den letzten Wochen, obwohl er selbst noch immer nicht ganz wieder auf der rechten Spur war, vollkommen unzuverlässig geworden und Takato konnte nur ahnen, wieso.

„Ja“, antwortete Yamaki. „Er ist vor zwei Stunden gegangen, als ein weiteres Infiziertes aufgetaucht ist und danach nicht wiedergekommen.“

Takato war sich nicht sicher, ob ihn diese Nachricht wütend oder besorgt stimmte. „Ihm ist nichts passiert, oder?“, fragte er.

„Das Wilde wurde besiegt“, erwiderte Yamaki nur.

„Und er ist nicht wiedergekommen?“ Das klang tatsächlich eher, als sollte er wütend sein, schloss er.

„Und er geht auch nicht an sein Handy.“

Takato seufzte und sah zur Küche. Er wusste, was dies bedeutete. „Ich komme eher“, sagte er dann. „Geben Sie mir eine halbe Stunde.“

„Danke, Matsuda-kun“, erwiderte Yamaki, doch Takato hörte ihn schon nicht mehr wirklich, da er sein Handy bereits hatte sinken lassen. Er seufzte. Dabei war es so selten geworden, dass er mit seinen Eltern essen konnte.
 

„Und warum musstest du mich mitschleppen?“, fragte Kaito nun wütend, doch Makoto antwortete auf die Frage genau so wenig wie auf die Fragen zuvor. „Was willst du hier eigentlich überhaupt?“

Kuraimon schien weniger wütend, als sein Partner über die Erkenntnis zu sein, dass Makoto ihnen nicht die Wahrheit gesagt hatte. Stattdessen wirkte es beinahe mitleidig, während es Makoto, der sich mit dem Rücken gegen den Stamm eines Baumes gelehnt hatte, der in eine unendliche Höhe zu wachsen schien.

Er hatte die Beine an den Körper gezogen und vermied es, Kaito anzusehen.

Er kam sich beinahe etwas kindisch vor, als würde er schmollen, doch er wusste wirklich nicht, was er auf irgendeine der vielen wütenden Fragen des älteren Jungen erwidern sollte.

Der Data Stream, in den sie in der realen Welt geraten waren, hatte sie hierher gebracht und es hatte hier Kaito nicht lange gebraucht, um den Gedankengang, mit dem er bereits auf der physischen Ebene begonnen hatte, zuende zu führen.

„Lass ihn doch“, meinte Kuraimon nun vorsichtig an seinen Partner gewandt.

„Aber ich will wissen, wieso er uns angelogen hat!“, erwiderte Kaito.

Makoto seufzte. „Kann es dir nicht eigentlich egal sein? Wolltest du nicht hierher um deinen Bruder zu suchen? Dann such ihn doch. Mach dir um mich keine Gedanken.“

Kaito verschränkte die Arme. „Vielleicht mache ich das auch!“, erwiderte er und wandte sich ab, ging aber nicht.

Derweil machte sein Partner einen Schritt auf Makoto zu. „Sag, Makoto-kun“, begann es vorsichtig, „du warst wirklich schon einmal hier, oder?“

Noch einmal seufzte Makoto, nickte dann aber leicht.

„Wie bist du hierher gekommen, wenn du kein Tamer bist?“, fragte es dann.

Kaito sah über seine Schulter hinweg zu Makoto, der jedoch noch immer nicht aufsah.

„Ist dein Partner gestorben?“, fragte Kuraimon, doch Makoto verneinte die Frage mit einem Kopfschütteln.

Eigentlich war er nicht besonders darauf erpicht, vor den beiden zu erörtern, wie es kam, dass er nun kein Tamer mehr war. Wie sollten sie es auch verstehen? Immerhin waren er und Ai sowieso offenbar ein absoluter Ausnahmefall gewesen. Zwei Menschen, die sich einen Digimonpartner teilten...

„Makoto-kun...“ Das Vogeldigimon klang tatsächlich mitleidig, während Kaito nur ein verächtliches Grummeln hören ließ.

„Lass ihn“, meinte er, „wenn er nicht mit uns reden will, dann suchen wir eben allein nach Shinji.“ Er machte ein paar Schritte von Makoto fort, blieb dann aber stehen.

Kuraimon flatterte über seinen Kopf hinweg und stellte sich vor ihn. „Ich weiß, dass du Makoto-kun nicht einfach hier allein zurücklässt. Ich weiß, dass du nicht so bist“, meinte es. „Also tu nicht so gleichgültig, Kaito.“

Der ältere Junge erwiderte daraufhin nichts.

Makoto seufzte. „Meine Schwester“, sagte er dann, während er beschloss, ihnen zumindest eine gekürzte Fassung zu erzählen. Dabei spürte er, wie die Blicke der beiden auf ihm ruhten. „Ich habe mir einen Digimonpartner mit meiner Schwester geteilt. Impmon. Aber Impmon ist nicht mehr mein Partner. Er ist nur noch der Partner meiner Schwester.“

„Was?“, fragte Kaito und klang dabei verwirrt.

„Aber wieso?“ Kuraimon lugte an den Beinen seines Partners vorbei zu Makoto, der jedoch nur mit den Schultern zucken konnte.

„Ich weiß es nicht. Vielleicht... Vielleicht, weil Ai Impmon einfach immer besser verstanden hat. Vielleicht... Vielleicht, weil sie eher etwas tun wollte. Ich weiß es nicht.“

„Impmon“, murmelte Kaito und klang, als wäre ihm gerade etwas eingefallen. „Das Impmon, das zu Beelzebumon digitiert?“, fragte er dann vorsichtig.

Stumm nickte Makoto erneut.

Erst da schien Kaito zu verstehen, womit er es hier zu tun hatte. „Das heißt, du gehörst eigentlich zu den ersten Tamern? Zu denen, die damals gegen D-Reaper gekämpft haben?“

Nun sah Makoto schließlich auf. „Nicht wirklich. Wir waren damals zu jung. Impmon... Impmon konnte ohne unsere Hilfe digitieren. Wir haben erst kurz vor dem Ende des Kampfes überhaupt unser Digivice erhalten... Na ja, Ais Digivice wohl eher.“

Kuraimon und Kaito wechselten Blicke.

Es war schließlich Kuraimon, das eine weitere Frage stellte. „Wieso hast du uns hierher gebracht?“

Makoto sah auf die Ebene, die sich um sie herum erstreckte, um so erneut ihren Blicken auszuweichen. „Ich habe schon die ganze Zeit darüber nachgedacht hierher zu kommen... Um einen Partner zu finden. Einen neuen Partner.“ Und zu beweisen, dass ich auch etwas kann, fügte er in Gedanken hinzu. „Aber irgendwie fehlte mir der Mut... Oder vielleicht eher...“ Er suchte nach dem richtigen Wort. „Die Entschlossenheit. Aber als ich euch habe reden hören... Vielleicht wollte ich auch einfach nur nicht allein gehen.“ Noch einmal holte er tief Luft, ehe er aufstand und sich abwandte. „Na ja, ich wollte dich eigentlich nicht in meine Probleme mit hineinziehen, Nakamura-kun“, meinte er dann. „Tut mir leid. Ich werde denke ich einfach nach einem Partner suchen...“

Doch als er den ersten Schritt von den beiden fort machte, legte ihm Kaito die Hand auf die Schulter. „Warte, Hanegawa-kun“, begann er. Etwas schuldig blickte er nun selbst zu Boden. „Entschuldige, dass ich so ausgerastet bin. Ich... Ich mag es nur nicht, wenn mich Leute anlügen.“ Es war nun an ihm tief Luft zu holen. „Eigentlich kannst du uns doch begleiten, oder nicht? Oder willst du in einer bestimmten Ecke dieser Welt einen Partner suchen?“

„Nicht wirklich“, erwiderte Makoto. „Aber... Ich will euch auch nicht weiter belästigen.“

„Ach was“, meinte Kuraimon. „Du warst immerhin schon einmal hier und kennst dich hier aus. Und wir brauchen einen Führer.“

Daraufhin schüttelte Makoto den Kopf. „Als wir das letzte Mal hier waren, war diese Welt kurz davor zerstört zu werden...“ Als er sah wie das Digimon den Kopf schüttelte, brach er ab.

„Du weißt sicherlich dennoch vieles über diese Welt“, sagte das Digimon aufmunternd. „Also komm mit uns mit.“

Makoto blickte zu ihm und dann zu Kaito, der sich um ein Lächeln bemühte.

Schließlich seufzte Makoto ein weiteres Mal. „In Ordnung“, meinte er dann.

Darauf folgten einige Momente der Stille, in denen niemand von ihnen so recht zu wissen schien, was er sagen sollte. Schließlich zuckte Kaito mit den Schultern und wandte sich ab. „Ich denke, dann sollten wir einfach aufbrechen, eh?“

„Ja“, meinte Makoto mit einem schwachen Lächeln auf den Lippen. Er sah in die Höhe und erkannte, dass er das Abbild der realen Welt zwischen den Stämmen der endlosen Bäume erkennen konnte. Ob Ai sich wohl Sorgen um ihn machte? Bestimmt. Tatsächlich fühlte sich ein Teil von ihm deswegen schuldig. Doch dann wiederum dachte er daran, dass es immerhin wegen Ai war, dass er keinen Partner mehr hatte und wandte den Blick wieder nach Vorne.

Dass Ai, Takumi und Rin ihm bereits in die digitale Welt gefolgt waren, ahnte er nicht einmal.
 

Die Sonne war bereits untergegangen, als Hirokazu endlich die Straße zu dem Apartmenthaus, in dem er mittlerweile lebte, betrat. Hagurumon folgte ihm, während der Himmel zusehends dunkler wurde und entlang der schmalen Straße langsam die Straßenlaternen angingen.

„Weißt du, Hagurumon, manchmal wünschte ich wirklich, ich wäre studieren gegangen“, seufzte er, während er im Gehen seine verspannten Schultern massierte.

„Dann hättest du dich auch geärgert“, meinte Hagurumon nur, das an diesen Dialog bereits gewohnt war.

„Hey“, grummelte Hirokazu. „Immerhin bin ich jetzt ja nicht so blöd, nicht? Ich meine, die anderen haben ja auch studiert... Na ja, studieren.“

„Bis auf Takato und Ryou-san“, korrigierte ihn das Digimon altklug. „Und ich dachte Ryou-san sei dein Vorbild!“

Hirokazu sah seinen Partner von der Seite an. „Seit wann bist du so altklug?“

„Weiß ich auch nicht“, erwiderte das Digimon, wobei die kleinen Zahnräder an seinen Seiten auf und ab wippten, so dass man sich beinahe vorstellen konnte, wie es mit den Schultern zuckte.

Hirokazu zog eine Augenbraue hoch und seufzte dann. „Na ja, ich nehme an, so muss ich mich zumindest nicht mit irgendwelchen Professoren herumschlagen.“

„Und du könntest während so einer Vorlesung eh nicht ruhig sitzen“, fügte das Digimon hinzu.

„Hey!“, protestierte Hirokazu, kam jedoch nicht zu einer Antwort, da er im nächsten Moment damit beschäftigt war den Briefkasten am Hauseingang zu kontrollieren. Doch einmal wieder war dieser leer. Er überlegte eine freche Erwiderung zu den Worten seines Partners zu bringen, ließ es aber bleiben.

Stattdessen betrat er das Haus, dessen Tür um diese Zeit noch unverschlossen war und machte sich die Treppe hinauf auf den Weg in den dritten Stock.

Das Apartmenthaus war eher klein und hatte nur fünf Etagen und keinen Fahrstuhl. Es war Anfang der 80er Jahre gebaut worden und demnach ein wenig heruntergekommen, dafür aber billig.

„Was meinst du, Hagurumon“, meinte er, während er die Treppe hinaufstieg und seinen Partner für die Fähigkeit zu schweben beneidete, „machen wir uns heute einen gemütlichen Filmabend?“

„Das klingt gut, Hirokazu“, erwiderte das Digimon und lächelte, was dank seines metallenen Gesichtes etwas seltsam wirkte.

Doch Hirokazus Hoffnung auf einen gemütlichen Abend, der ein Bad, ein Bier und einen albernen Film beinhalten sollte, wurde plötzlich zerbrochen, als er sah, das bereits jemand vor seiner Tür saß. Nun, um genau zu sein, war dort nicht nur eine Person zu finden.

„Ryou-san!“, rief Hirokazu überrascht aus, als er den jungen Mann offenbar halb bewusstlos an seine Tür im dunklen Treppenhaus gelehnt sah. Er musste nicht viel näher kommen, um die Alkoholfahne, die er verströmte, zu riechen.

„Ihr seid da, Hirokazu, Hagurumon“, rief Monodramon, das zuvor noch etwas ratlos neben seinem Partner gesessen hatte. „Ich weiß nicht, was ich machen soll! Ich weiß nicht, was los ist! Ryou ist komisch! Schon die ganze Zeit ist er komisch!“

Hirokazu seufzte. „Was ist passiert?“

„Ich weiß es auch nicht wirklich“, sagte das Digimon. „Wir haben heute gekämpft und danach war Ryou komisch. Er hat etwas getrunken. Und dann wurde er noch komischer.“

Und als Hirokazu Ryou, der so lange sein großes Idol gewesen war, dort liegen war, fühlte er etwas, das er für Ryou noch nie gefühlt hatte: Mitleid. Er hockte sich vor ihn hin und schlug ihn sacht auf die Wange. „Ryou“, meinte er. „Hey, Ryou.“

Doch Ryou grunzte nur etwas Unverständliches, was Hirokazu ein weiteres Seufzen entlockte. Er holte seinen Schlüssel heraus, um die Tür aufzuschließen, wobei er darauf achtete, dass diese nicht plötzlich aufging, so dass Ryou zu Boden gefallen wäre. „Wir bringen ihn am besten erst einmal rein“, seufzte er schließlich. „Kannst du mir helfen, Monodramon?“

Das Digimon nickte unschlüssig, half ihm jedoch Ryou über die Wohnungsschwelle halb zu tragen, halb zu ziehen und schieben, um ihn so schließlich in das kleine Wohnzimmer zu bringen.

Hirokazu seufzte erneut und schloss die Tür hinter ihnen. „Und was mache ich jetzt mit euch?“, murmelte er, wobei er nur laut überlegte. Nachdem er sich die Schuhe ausgezogen hatte, hockte er sich erneut neben Ryou, etwas unschlüssig, was er tun sollte. War es vielleicht besser ihn in eine stabile Seitenlage zu bringen?

Da murmelte Ryou erneut etwas, dieses mal etwas verständlicher als zuvor. „Ru... ki...“, konnte Hirokazu verstehen und seufzte.

Er kam nicht umher festzustellen, dass er offenbar einige Dinge nicht mitbekommen hatte. Und während er sich letzten Endes entschloss den jungen Mann wirklich auf die Seite zu drehen, ahnte er nicht einmal, wie viel er nicht wusste. Nicht nur, dass er nicht einmal ahnte, was zwischen Ruki und Ryou vorgefallen war oder bei dem Kampf in Ikebukuro zuvor, selbst was nur wenige Blöcke von seinem Apartment entfernt geschah, wusste er nicht.

Denn es war dort, dass die ersten weißen Tetraeder in einer dunklen Gasse, die nicht einmal von einer Straßenlaterne erhellt wurde, auftauchten und ganz wie in der digitalen Welt begannen sich um ihre eigenen Achse zu drehen...

Episode 34: Ruki und Ryou

Episode 34: Ruki und Ryou
 

Was habe ich die ganze Zeit gemacht? Habe ich jemals etwas anderes getan als vor meinem Leben davon zu laufen? Ich habe so viel Zeit in der digitalen Welt verbracht. Die digitale Welt... Eine Welt ohne Regeln. Eine Welt, in der ich ein Held sein konnte und unsterblich. War es der Fehler einfach dorthin zu gehen? Oder war der eigentliche Fehler, zurück zu kehren? Letzten Endes ist es doch diese Welt in der ich keinen Platz habe.
 

                                                            – Akiyama Ryou
 

Es war zur Zeit des dritten Blocks, nicht all zu lang vor der Mittagspause. Shoji hatte Geschichte, wo er ruhig die Anschriebe seines Lehrers über Daten aus dem zweiten Weltkrieg von der Tafel kopierte.

Wie es von ihnen erwartet wurde, taten auch seine Mitschüler dasselbe, so dass es erstaunlich ruhig im Klassenraum war, der allerdings auch – anders als es bei einer öffentlichen Schule der Fall gewesen wäre – recht klein war und gerade einmal 20 Tischen Platz bot, von denen aktuell jedoch nur 19 besetzt waren.

Shoji bemerkte zuerst nicht, was geschah, doch es war, als ein Rascheln durch den Raum ging und Schritte aus dem Nachbarzimmer zu hören war, wie auch Stimmengewirr, dass er aufsah. Auch viele seiner Mitschüler sahen auf und es dauerte nicht lang, bis ihre Blicke zur Fensterfront auf der aus ihrer Perspektive linken Seite des Klassenzimmers wanderten.

Dann hörten sie einen Knall, wie von einer Explosion.

Das war der Moment, als Shoji wusste, dass er gehen musste.

Einige seiner Mitschüler liefen zum Fenster und auch ihr Lehrer hatte mittlerweile inne gehalten und sah hinaus.

Über die Köpfe der anderen Jungen hinweg konnte Shoji etwas schnell über den Himmel fliegen sehen und er wusste, dass es ein Digimon sein musste.

Ohne noch einmal darüber nachzudenken, schob er seinen Stuhl zurück und stand auf. „Entschuldigen Sie bitte“, rief er zu seinem Lehrer hinüber, nahm sein Digivice aus seiner Schultasche und lief aus dem Zimmer hinaus, noch bevor ihr überraschter Lehrer „Sie sind entschuldigt“, murmeln konnte.

Shoji rannte den Flur vor dem Klassenzimmer hinab. Als er die Treppe am Ende des Gangs erreichte, nahm er gleich zwei Stufen auf einmal und rannte dann durch die Eingangshalle nach draußen auf den Platz vor der Schule.

„Gazimon!“, rief er, wohl wissend, dass sein Partner sich hier irgendwo versteckte.

Doch sein Partner musste gar nicht antworten, da Shoji ihn bereits auf dem Hof sehen konnte. Die Augen des Tierdigimon waren gen Himmel gerichtet und seine Pupillen hatten sich verkleinert.

„Was ist es, Gazimon?“, fragte Shoji und lief zu seinem Partner hinüber.

Ganz so, als würde es ihm einige Überwindung kosten, wandte Gazimon seine Augen vom Himmel ab. „Ich weiß es nicht. Aber es ist stark.“

Shoji nickte nur. „Lass uns gehen.“

Darauf antwortete auch sein Partner nur mit einem Nicken und das Digivice in Shojis Hand leuchtete auf.

„Matrix Evolution!“

„Gazimon – Shinka! Duftmon!“

Das Ritter-Digimon breitete seine Flügel aus und hatte die Schule schon bald ein ganzes Stück unter sich gelassen. Es flog in die Höhe, von wo aus sie eine bessere Übersicht über das Gebiet haben würden.

Schnell erkannten sie die Stellen, an denen bereits ein Kampf stattfand, denn tatsächlich war dort zwei Digimon, die gegeneinander kämpften. Das erste der beiden erkannte Shoji schnell: Es war Justimon und damit offenbar auch Ryou. Das andere Digimon war jedoch bei weitem schwerer zu erkennen.

Es war offensichtlich, das es ebenfalls mit dem Virus – oder was auch immer es war – infiziert war, dass dafür sorgte, dass sich so viele Digimon in den letzten Monaten aggressiv verhielten. Doch es schien, als wäre es bei diesem Digimon schlimmer. Sein Körper erschien nicht nur merkwürdig farblos, sondern auch unnatürlich hell in der Färbung. Wirklich auffällig war jedoch die Tatsache, dass eine Art Flackern bei jeder Bewegung durch seinen Körper zu schießen schien, so dass es beinahe wirkte, als hätte es Mühe, seinen Körper beieinander zu halten.

Der Körper des Digimon war länglich und hatte etwas schlangenartiges an sich, wurde jedoch nach oben breiter, so als hätte es dort einen menschlichen Oberkörper besessen, und das, was auf deinem Rücken saß und nun seltsam inkomplett wirkte, schienen Flügel zu sein.

Shoji überlegte. „Goddramon?“, flüsterte er unsicher.

Justimon zeigte derweil keinerlei Unsicherheit. Obwohl es dadurch nicht fliegen zu können im Nachteil war, sprang es immer wieder auf seinen Gegner zu und griff mit verschiedenen Attacken an.

„Critical Arm!“ Der Arm des Digimons wurde zu einer rot glühenden Energieklinge und schnitt durch den Körper des Goddramon, doch richtete offenbar keinerlei Schaden an. Die Klinge glitt einfach durch den Körper des anderen Digimon hindurch.

Was ging hier vor?

Wir sollten ihm helfen!“, hörte Shoji die Stimme seines Partners und nickte.

Aber wir können nicht hier kämpfen“, erwiderte er mit Blick auf die vielen umstehenden Gebäude und wohl wissend, dass seine Klassenkameraden nicht die einzigen waren, die dem Kampf gebannt verfolgten.

Duftmon sah sich um, um einen besser für diesen Kampf, der dank der Stärke ihres Gegners eventuell sehr gefährlich werden konnte, geeigneten Ort zu finden, was jedoch nicht so leicht war, wie es vielleicht an anderen Orten gewesen wäre. Die einzige unbebaute Stelle in der näheren Umgebung war der Toritsuchou-Park und dieser war nicht besonders groß.

Verdammt“, murmelte Shoji, während er nach dem besten Ausweg suchte.

Glaubst du, wir können es zum Hafen locken?“, fragte Gazimon.

Der Hafen war von hier vielleicht anderthalb Kilometer entfernt – eine Strecke, die sie leicht in weniger als einer Minute fliegen konnten. Doch das Problem war, dass Digimon, das sie eventuell nicht dazu bringen konnten, ihnen zu folgen, dorthin zu geleiten.

„Justimon!“, rief Duftmon aus, in der Hoffnung das andere Digimon auf sich aufmerksam zu machen.

Tatsächlich sah Justimon, das gerade auf dem Dach eines anstehenden Hauses landete, zu ihnen auf, gab ihnen jedoch keinerlei Zeichen.

Derweil zog Duftmon seine Rapiere und ließ diese aufglühende, ehe es im Sturzflug auf die Stelle zuschoss, auf die auch das infizierte Digimon gerade zuhielt.

Nur einen Moment vor ihm erreichte Duftmon diese Stelle. „Ernste Welle!“ Damit ließ es eine Energiewelle von seinen Rapieren nach schräg oben gerichtet auf seinen Gegner zuschießen, in der Hoffnung so kein umstehendes Gebäude zu beschädigen.

Das Digimon ließ ein verzerrte Jaulen hören und wandte nun Duftmon seine Aufmerksamkeit zu, während sein Körper weiterhin flackerte.

Duftmon hielt derweil auf es zu, warf dann sein Rapier, das durch den Körper Goddramons glitt, wie Shoji es erwartet hatte. Anstatt das infizierte Digimon zu tackeln, wich Duftmon ihm aus und fing seine Waffe hinter dem Rücken seines Gegners, der ihm nun mit pink glühenden Augen folgte.

„Los! Fang mich!“, rief Duftmon, während Shoji nur hoffte, dass dieser Plan funktionierte.

Sie flogen in die Richtung, in der der Hafen lag, davon, doch als Duftmon über seine Schulter sah, machte Goddramon keinerlei Anstalten ihnen zu folgen.

Stattdessen erschien ein violett brennender Feuerball in dem, was einmal seine Hände gewesen war und schoss auf sie zu.

Verdammt“, zischte Shoji und wich sofort gen Himmel aus, doch der Flammenball, der nicht minder flackerte, als ihr Gegner selbst, schien ihnen zu folgen.

Da erklang eine andere Stimme. „Crystal Sphere!“

Im nächsten Moment bildete sich eine riesige violett schimmernde Kugel, die auch Duftmon mit einschloss und vom Flammenball trennte, der im Moment, als er auf die Kugel traf, in Datenpartikel zerfiel.

Was...“, begann Shoji, für einen Moment verwirrt, ehe er erkannte.

„Sakuyamon!“, rief Duftmon aus. „Was machst du hier?“

„Es war schwer den Kampf zu überhören“, erwiderte das Göttinnendigimon, dessen Stab leise klingelte.

Auch die Kugel begann zu flackern, während die infizierten Datenpartikel noch immer in der Luft schwebten.

„Was ist mit diesem Digimon?“, fragte Sakuyamon, doch Duftmon schüttelte nur den Kopf.

„Ich weiß es nicht“, erwiderte es. „Aber wir müssen es zerstören, ehe es jemanden verletzt.“

Darauf nickte Sakuyamon nur.

Ein Ruf erklang von den Hausdächern, die gute fünfzig Meter unter ihnen lagen. „Ruki!“ Dabei war es nicht die Stimme Justimons, die sie hörten, sondern die Ryous.

Shoji konnte Ruki Seufzen hören, doch Sakuyamon reagierte sonst nicht.

„Blitz Arm!“ Damit griff Justimon Goddramon erneut an, konnte jedoch erneut keinen Schaden anrichten.

Dieser Idiot“, erklang Rukis Stimme.

Auch wenn Shoji es selbst nicht so ausgedrückt hätte, konnte er die Reaktion durchaus verstehen. Dadurch, dass Justmon selbst nicht fliegen konnte, wandte Goddramon seine Aufmerksamkeit nun wieder dem Boden zu.

Blitze, die ebenfalls pink erschienen, zuckten um es herum.

„Wir müssen es komplett zerstören“, sagte Duftmon. „Ich weiß nicht wieso, aber es scheint nicht normal möglich zu sein, seinen Digicore zu beschädigen.“

„Dann darf es nicht ausweichen“, erwiderte Sakuyamon, woraufhin Duftmon nickte.

„Und wir müssen es mit aller Kraft auf einmal treffen.“

Beide sahen sich an und hatten denselben Gedanken.

„Izuna!“ Sakuyamon streckte seinen Stab in die Höhe, dessen Ringe aufeinandertrafen und wie Glöckchen erklangen. Die flammenden Füchse materialsierten sich und schossen auf das infizierte Digimon zu, dessen Gestalt zwar flackerte, die Füchse jedoch nicht sofort abschütteln konnte.

Derweil ging Duftmon erneut in den Sturzflug, um sich unter seinen Gegner zu bringen. Als es beinahe auf Höhe der Dächer war, wandte es sich wieder nach oben. „Aussterben!“ Dabei konzentrierte es alle seine Energie auf die Spitze seines ersten Rapiers, wo sich eine Energiekugel bildete. Aus dieser Schoss ein Strahl, der sich schnell verbreitete, auf das gegnerische Digimon zu.

Goddramon versuchte sich von den Füchsen loszureißen, doch erneut führte Sakuyamon eine Bewegungen mit seinem Priesterinnenstab durch. „Rairyuukyaku!“ Damit schossen Blitze aus einem Riss in der Luft auf das Digimon und drängten es der Energiewelle entgegen, die es im nächsten Moment traf und gänzlich umgab.

Noch bevor der Energiestrahl abriss, konnten sie violette Datenpartikel durch die Luft schweben sehen.

Duftmon zog sein Rapier zurück und sah auf die Stelle, an der Goddramon gestorben war. Auch die Partikel waren anders, als bei den infizierten Digimon, gegen die sie zuvor gekämpft haben. Wie das Digimon selbst schienen sie zu flackern. Ab und zu wechselten sie die Farbe, wurden weiß, dann blau, dann wieder pink, und rieselten langsam auf den Boden hinab, wo sie schließlich erloschen.

Was war das?“, flüsterte Shoji angespannt, während Duftmon auf der Straße unter ihnen landete, wo die Autos, die hier gefahren waren, still standen und teilweise von ihren Fahrern verlassen worden waren, als diese den Kampf bemerkt hatten.

Auch Sakuyamon landete.

Sie sahen einander an, dann leuchteten die Körper beider Digimon auf, ehe im nächsten Moment Ruki und Shoji zusammen mit ihren Partnern auf der Straße standen und auf die Stelle sahen, wo die Datenpartikel Goddramons verschwunden waren.

Ruki!“, hörten sie dann eine Stimme rufen und Justimon sprang zu ihnen herab. Auch sein Körper leuchtete auf und Ryou landete zusammen mit Monodramon auf der Straße.

Shoji konnte ein Zucken im Gesicht der jungen Frau sehen.

Für einen Moment sah Ryou sie an und versuchte dann ein Lächeln, was ihm jedoch misslang. „Du hast mich wieder gerettet“, meinte er dann.

„Falsch“, sagte sie kühl. „Ich habe nicht dich gerettet, sondern die Leute, die du in Gefahr gebracht hast! Denkst du überhaupt einmal nach, was du machst? Hätte eine der Attacken von diesem Digimon ein Haus getroffen, wären viele Menschen gestorben!“

„Aber Ruki“, begann Ryou.

„Wenn du die Leute nicht beschützen kannst, dann lass es!“, sagte Ruki.

„Ruki-san“, meinte Shoji zurückhaltend, da er nicht ganz verstand, was vor sich ging.

„Ich gehe“, erwiderte die junge Frau kühl und sah zu ihm. „Kommst du mit?“

Unsicher sah Shoji zu Ryou, der tatsächlich so aussah, als wüsste er nicht ganz, was er sagen sollte. Etwas, das er bei Ryou, der von allen Tamern jener ersten Generation von 2001 derjenige gewesen war, mit dem er bisher am wenigsten direkt zu tun gehabt hatte, noch nie gesehen hatte. Dann sah er zu Ruki und seufzte.

„Ja“, sagte er, auch wenn ihm Ryou tatsächlich leid tat.

Ruki drehte sich noch einmal zu diesem um, während sie zum Bürgersteig hinüber ging. „Und folge mir nicht, klar?“

Ryou erwiderte nichts. Von allem was Shoji sagen konnte, war er nicht einmal sicher, ob Ryou sie gehört hatte.

„Was ist mit euch?“, fragte er, als sie um eine Ecke in eine Gasse, die – so wusste er – der schnellste weg zur nächsten U-Bahn-Station war, gebogen waren.

Anstatt etwas zu erwidern, verschränkte Ruki nur die Arme.

„Ruki“, sagte Renamon, das ihnen langsam folgte, ruhig.

Doch Shoji verstand schon. „Ihr habt Schluss gemacht?“, fragte er unüberlegt und bereute es direkt. Es war unhöflich so etwas privates zu Fragen. „Entschuldige“, fügte er so hastig hinzu und sah sie nicht länger an. Stattdessen richtete er den Blick nun auf den Boden vor sich.

„Schon gut“, meinte Ruki. „Ja. Ich habe Schluss gemacht.“

Darauf sagte Shoji nichts mehr. Ein Teil von ihm hätte gerne nach dem „Warum“ gefragt, doch er wusste, dass dies nicht minder unhöflich war.

„Wir sollten zu Hypnos“, sagte Ruki, als ihr offenbar klar wurde, dass er nichts mehr fragen würde.

Shoji nickte. „Ja.“ Er seufzte. „Aber ich fürchte vorher muss ich noch zu meiner Schule zurück“, meinte er dann, sich an seine Tasche erinnernd, die er dort zurückgelassen hatte.
 

Die Hände in den Taschen wanderte Ryou eine Straße irgendwo im Norden in Chou – oder vielleicht war er auch schon irgendwo in Arakawa – hinab.

Vielleicht hatte Ruki ja Recht und er war zu gar nichts zu gebrauchen. Er schaffte es nicht einmal irgendwelche wilden Digimon zu besiegen. Infiziert hin oder her... Shoji war beinahe sieben Jahre nach ihm ein Tamer geworden und die Macht von Duftmons Attacke hatte gereicht um das Digimon zerstören.

Nur Justimon konnte nichts tun. Justimon war zu schwach. Er selbst war zu schwach.

„Ryou“, jammerte Monodramon, das keuchend hinter ihm her watschelte. Seine kurzen Beine hatten schon, als Ryou noch ein Teenager war, kaum gereicht mit ihm mitzuhalten, doch seit er mit 16 einen ganzen Schuss nach Oben gemacht hatte, musste er aufpassen, dass er seinen Partner nicht verlor.

„Warte doch!“ Das kleine Drachendigimon musste stehen bleiben um zu verschnaufen. „Ich habe Hunger, Ryou!“

Ryou sah das Digimon an und seufzte. Ja, natürlich hatte es Hunger. Sie hatten gekämpft und hier in der realen Welt musste es die verbrauchte Energie wieder auffüllen. Wo er darüber nachdachte, fiel ihm ein, dass er selbst auch Hunger haben sollte.

„Wir können uns eine Pizza holen, oder so“, meinte er leise.

„Wieso können wir nicht nach Hause gehen?“, jammerte das Digimon. „Ich will mal wieder schlafen!“

Beinahe hatte Ryou ein schlechtes Gewissen. Immerhin musste sein Partner ihm mehr oder weniger in diesen Tagen folgen. Damit er kämpfen konnte, sollte es nötig sein – selbst wenn er keinen Unterschied machen konnte. Doch er wollte nicht in seine Wohnung zurück. Seine Wohnung, in der er so viel Zeit zusammen mit Ruki verbracht hatte.

Er verstand es einfach nicht. Was hatte er falsch gemacht?

Vielleicht war dies die falsche Frage, dachte er dann. Vielleicht hätte er sich eher fragen sollen, was er richtig gemacht hatte. Letzten Endes war er ein Versager. Er hatte die Schule abgebrochen, hatte so oft unüberlegt gehandelt und andere dadurch in Gefahr gebracht. Dank Yamaki – oder viel mehr dank Reika – arbeitete er bei Hypnos, doch er machte sich nichts vor: Er war kaum mehr als eine Werbefigur, seit Takato dabei war. Zu mehr war er wirklich nicht gut.

„Wir können etwas essen und dann kannst du irgendwo schlafen“, meinte er nur. „Wir können uns in eine Bar setzen oder so.“

„Wieso können wir nicht nach Hause?“, fragte Monodramon erneut, doch Ryou wandte sich von ihm ab.

„Weil ich nicht weiß, was ich dort soll“, flüsterte er.

Monodramon war nie ein besonders empathisches Digimon gewesen, das wusste er. Es verstand nicht, was mit ihm los war und er wollte nicht einmal versuchen, es zu erklären.

Er machte ein paar weitere Schritte, als sein Handy zu klingeln begann. Zuerst überlegte er, es ganz zu ignorieren, sah dann aber auf den Bildschirm. Yamakis Name wurde als Anrufer angezeigt.

Er seufzte. Er lehnte den Anruf ab. Natürlich wusste er, dass sie den erneuten Angriff besprechen würden, doch was sollte er dort? Außerdem würde vielleicht Ruki da sein und sie wollte ihn nicht sehen. Also würde er ihr den Gefallen tun und nicht da sein. Es war zumindest etwas, das er für sie tun konnte.

Mit diesem Gedanken schaltete er das Handy aus und setzte seinen Weg fort.
 

Draußen bewegten sich Anhäufungen von Wolken über den Himmel, jedoch aufgelockert genug, als dass man zwischen ihnen noch immer das Blau des Himmels und die Struktur der digitalen Welt erkennen konnte.

Takatos Blick war aus dem Fenster gerichtet, während außer ihm bisher nur Ruki und Shoji im Raum saßen.

„Was hast du, Takato?“, fragte Guilmon, das die gedankliche Abwesenheit seines Partners bemerkte.

„Es ist nichts“, erwiderte Takato und kam nicht umher zu bemerken, wie oft sie in den vergangenen Wochen genau dieselben Worte ausgetauscht hatten.

Die Wahrheit war, dass das, was er bisher von Ruki und Shoji gehört hatte, ihm Sorgen machte. Doch fragte er sich auch, was genau mit Ryou vorgefallen war, der eigentlich gearbeitet hatte, als das infizierte Digimon aufgetaucht war. Dennoch hatten sie seither nichts mehr von ihm gehört und während Ruki Fragen nach ihm offen abgeblockt hatte, war Shoji diesen nur ausgewichen.

Schließlich kam Yamaki in den Raum, sein Handy in der Hand. „Akiyama...“, murmelte er und es war für jeden der drei Tamer und auch für die Digimon offensichtlich, dass er aufgebracht war. Er wandte sich an Takato: „Versuch du Akiyama anzurufen.“

„In Ordnung“, erwiderte Takato nur, langsam wirklich besorgt, und holte sein eigenes Mobiltelefon heraus. Er hatte die Nummer Ryous gespeichert und versuchte ihn anzurufen, landete jedoch direkt auf dessen Anrufbeantworter. „Nichts. Ausgeschalten“, sagte er zu Yamaki.

Er bemerkte, wie sich Yamakis Finger in die Lehne des Stuhls, auf den er sich gestützt hatte, gruben, doch Yamaki sagte nichts.

So wandte sich Takato an die beiden anderen Tamer. „Wisst ihr, wo Ryou hingegangen ist?“, fragte er.

Ruki sah demonstrativ in eine andere Richtung, während Shoji den Kopf schüttelte. „Wir sind zu meiner Schule gegangen, um meine Sachen zu holen und dann hergekommen. Als wir gingen stand Ryou-san noch dort, wo der Kampf geendet hatte“, erklärte er. „Seitdem haben wir ihn nicht wieder gesehen.“

„Weißt du etwas, Ruki?“, fragte Takato vorsichtig, bekam jedoch die Reaktion, die er erwartet hatte.

„Wieso sollte ich?“, zischte Ruki.

Takato seufzte und wusste auch nicht mehr, was er dazu sagen sollte. Er hatte durchaus mitbekommen, dass etwas zwischen Ruki und Ryou vorgefallen war, doch was es genau war, konnte er nicht sagen.

Es war schließlich Renamon, das etwas erklärte: „Er wurde abgewiesen“, sagte es. „Damit muss er fertig werden.“

„Renamon!“, fuhr Ruki das Digimon an.

„Sie sollten wissen, was los ist“, entgegnete Renamon in seinem üblich ruhigen Tonfall. „Wir sollten im Moment nicht unnötig Zeit damit verschwenden, zu diskutieren, was mit Ryou los ist.“

„Das stimmt“, meinte nun auch Gazimon und sprang auf einen der leeren Stühle, um über die Tischkante sehen zu können. „Ich fürchte irgendetwas wird passieren.“

„Was sollte denn noch passieren?“, grummelte Yamaki.

„Ich weiß es nicht“, erwiderte das Digimon.

Takato seufzte und kam nicht umher erneut aus dem Fenster zu sehen, auch wenn er sich dafür umdrehen musste. Irgendetwas bereitete ihn ein unwohles Gefühl, dass er nicht genau definieren konnte. Es war beinahe, wie eine Vorahnung, doch von was genau vermochte er im Moment nicht zu sagen. „Was ist genau passiert?“, fragte er dann an Ruki und Shoji gewandt.

Die beiden tauschten Blicke und es war schließlich Shoji, der antwortete. „Ich war in der Schule, als wir – also meine Mitschüler und ich – einen Knall gehört haben. Ich habe mir schon gedacht, dass es ein Digimon war und als ich etwas am Himmel gesehen habe, bin ich rausgelaufen.“

„Ich habe es schon eine Weile gespürt“, erklärte nun Gazimon. „Aber anders als... Anders als normale Digimon. Es hat sich gar nicht wie ein Digimon angefühlt oder wie eines gerochen.“

„Wir sind zu Duftmon digitiert“, fuhr Shoji fort, „und haben in den Kampf eingegriffen. Ryou-san und Monodramon haben bereits als Justimon gegen das Digimon gekämpft und...“ Er brach ab und schien unsicher zu sein, was er sagen sollte.

Hier übernahm Ruki: „Er war unvorsichtig und hat nicht Nachgedacht, weshalb er den Kampf offenbar“ – sie sah zu Takato, von dem sie es zuvor gehört hatte – „über mehr als zwei Kilometer gezogen hat. Ich hatte eine Freistunde und wollte eigentlich einkaufen, als Renamon es bemerkt hat. Also haben wir als Sakuyamon eingegriffen. Aber das Digimon war seltsam.“

„Inwiefern?“, fragte Yamaki, der bisher nur indirekt von der Geschichte gehört hatte.

Es war nun Gazimon, das übernahm zu erklären, was mit dem Digimon gewesen war: „Es hatte kaum mehr eine richtige Gestalt. Seine Daten sind die ganze Zeit verrückt und haben seine Gestalt verändert, wenn es sich bewegt hat. Sein Körper hatte keine feste Kontur und keine Farben mehr. Und als wir es besiegt haben sind selbst seine Datenpartikel langsam zerfallen.“

„Außerdem konnte es von normalen Attacken nicht angegriffen werden“, fuhr Shoji fort. „Sowohl Justimon, als auch wir haben es mit physischen Attacken versucht, die jedoch einfach durch den Körper des Digimon geglitten sind... Als wäre es ein Geist.“

„Wir haben es letzten Endes gemeinsam durch einer Energieattacke besiegen können“, erklärte Ruki.

Darauf erwiderten weder Yamaki, noch Takato etwas.

Letzten Endes lief es auf eine Sache heraus: Sie hatten bisher nicht einmal heraus gefunden, was es mit den „normalen“ infizierten Digimon auf sich hatte und wussten nicht, was sie – außer zu kämpfen – gegen diese tun konnten. Und nun gab es eine weitere Art von infizierten Digimon, die noch schwieriger zu besiegen war? Was blieb ihnen noch an Möglichkeiten?

„Ihr habt versucht den Schaden zu minimieren?“, fragte Yamaki schließlich mit Blick auf den Bildschirm seines Handys, wo er offenbar Informationen über den Vorfall ablas.

„Ja“, erwiderte Shoji. „Wir hatten erst versucht, das Digimon in den Hafen hinaus zu locken, doch es hat nicht funktioniert. Daraufhin haben wir uns bemüht, die Attacken in Richtung des Himmels zu richten, um möglichst niemanden zu gefährden.“

Yamaki nickte. „Das war richtig.“ Noch immer schien er mit der Situation unzufrieden zu sein. „Wir müssen herausfinden, was es mit diesen Digimon auf sich hat“, murmelte er dann – so leise, dass Takato sich nicht sicher war, ob die Worte überhaupt an jemand anderen, als ihn selbst gerichtet waren.
 

Steve hatte nichts vom Kampf der Digimon mitbekommen. Allgemein hatte er seit dem Vorfall in Chiyoda selten gekämpft und kam nicht umher sogar ganz froh darum zu sein. Noch immer hatte er das unangenehme Gefühl, das ihn nach Chiyoda erfüllt hatte, nicht ganz abschütteln können, und sein Studium gab ihm letzten Endes Ausrede genug, um sich nicht um die Digimon zu kümmern, die letzten Endes meistens von Takato und den anderen besiegt wurden. Immerhin konnten diese – anders als er – mit ihren Digimon verschmelzen und so das Ultimate-Level erreichen.

An diesem Abend war er jedoch nicht am lernen, sondern streifte gemeinsam mit Leormon durch den Osten Shijukus, wo er sich eigentlich in einer halben Stunde mit zwei Kommilitonen treffen wollte. Nachdem er jedoch beschlossen hatte, für diesen Tag genug gelernt zu haben, war er bereits losgegangen, um einmal wieder gedankenverloren durch die Gassen Tokyos zu wandern, wie er es zu Beginn seines Aufenthalts so oft gemacht hatte.

Es war früher Abend, weshalb viele Männer in Anzügen und Frauen in Kostümen, die von der Arbeit kamen, unterwegs waren. Einige von ihnen verschwanden in kleinen Bars, von denen er an mehreren vorbei kam und als er in die Nähe der Shinjuku-Station kam, sah er auch viele Schüler und Studenten, die auf Freunde oder vielleicht auch auf ein Date warteten.

Er seufzte. Er kam nicht umher, sich ein wenig deplatziert zu fühlen, da er doch herausstach. Er war größer, als die meisten Japaner, und die Tatsache, dass Leormon an seiner Seite lief, brachte ihm noch einige misstrauische Blicke mehr ein.

Schließlich blieb er auf dem Plaza gegenüber des Studio Alta stehen. Auf dem großen Bildschirm des Studios wurde das aktuelle Fernsehprogramm übertragen und hier über das Plaza, wo langsam die Lichter angingen, während es am mäßig bewölkten Himmel dämmerte, liefen viele Menschen. Einige weitere Leute auf dem Weg von der Arbeit nach Hause, andere mit Freunden oder geliebten.

Doch er sah eine Person, die weder auf dem Weg irgendwohin zu sein schien, noch in Begleitung von jemanden war.

Steve sah zu der Person, die halb in sich zusammen gesunken auf einer Bank saß und mit leeren Augen in die Gegend starrte, hinüber, weil er das Digimon zu ihren Füßen sah. Er brauchte jedoch etwas, um zu erkennen, um wen es sich handelte.

„Akiyama-san“, begann er überrascht, als er begriff, dass es sich um Akiyama Ryou handelte.

Unsicher ging er zu ihm hinüber.

„Akiyama-san“, sagte er erneut in fragendem Tonfall.

Ryou reagierte nicht sofort, was Steve als etwas besorgniserregend erschien. Er überlegte jemanden anzurufen.

„Akiyama-san?“, fragte er erneut.

Erst jetzt sah Ryou auf. „Was willst du?“, fragte er in rauem Ton und seine Stimme wirkte belegt.

„Ich“, begann Steve und musste doppelt so lang überlegen, bis er die richtigen japanischen Worte gefunden hatte. Letzten Endes nahm er den einfachsten Satz, der ihm einfiel. „Alles in Ordnung?“

„Alles bestens“, grummelte Ryou und schien alles andere als begeistert, über seine Besorgnis zu sein.

Dennoch wusste er, dass es als unhöflich galt, jemanden zu sehr zu bedrängen. Er sah zu Leormon, das eine ratlose Kopfbewegung machte. Letzten Endes entschloss er sich dennoch das zu machen, was er für das beste hielt: „Du siehst nicht so aus, als wäre alles bestens“, sagte er langsam und überlegt.

„Und?“, erwiderte Ryou daraufhin und sah ihn nicht einmal an.

„Kann ich dir irgendwie helfen?“, drängte Steve weiter.

Ryou warf ihm nur kurz einen Blick zu. „Nein. Kannst du nicht.“

„Ihr könntet ihn nach Hause bringen“, jammerte Monodramon, das unter der Bank saß und offenkundig missmutig dreinblickte.

Steve sah das Digimon an und auch Leormon wandte diesem seine Aufmerksamkeit zu. Schließlich ging Steve in die Hocke. „Was ist passiert?“, fragte er das Digimon, das seufzte.

„Das weiß ich auch nicht so genau“, meinte es wehleidig. „Ryou ist schon eine ganze Weile so. Ich will aber nach Hause.“

Erneut sah Steve zu Ryou, der auf die Worte seines Digimon gar nicht zu reagieren schien. Er selbst wusste nicht einmal wo Ryou wohnte und wollte sich ihm auch nicht aufdrängen, doch tatsächlich schien irgendetwas ganz und gar nicht mit ihm zu stimmen. So holte er zögerlich sein Handy heraus und dachte nach. Er hatte die Nummer von Takato und von Shoji. Wahrscheinlich wusste Takato, wo Ryou wohnte, beschloss er und wollte gerade die Nummer wählen, als sein Digivice einen schrillen Piepston von sich gab.
 

Seit ihrer sehr kleinen Konferenzrunde waren fast vier Stunden vergangen und da Ryou zu seiner Schicht nicht mehr aufgetaucht war und Takato die Schicht nach ihm hatte, würde es eine ganze Weile sein, bis er nach Hause gehen konnte. Er seufzte und sah auf die drei Bildschirme, vor denen er saß. Letzten Endes war er doch vorrangig hier, um auf Abruf zu stehen, sollten Digimon – oder schlimmeres auftauchen. Zwar kannte er sich ein wenig informatisch aus, doch letzten Endes konnte er niemanden der Forscher hier die Arbeit abnehmen, was dafür sorgte, dass er sich nun, da er ohnehin irgendwie unruhig war, fehl am Platz fühlte.

„Ich hole mir etwas zu trinken“, beschloss er schließlich laut und stand auf, was Guilmon, das mindestens genau so gelangweilt war, wie er selbst, dazu brachte den Kopf zu heben.

„Pause“, murmelte es müde, aber erfreut.

Er sah es lächelnd an. „Ja, Pause“, meinte er.

Damit verließ er die Überwachungszentrale der Einrichtung und ging auf den Flur hinaus, um sich dort am Automaten einen Kaffee zu holen.

Es war in dem Moment, dass eine vertraute Gestalt, gefolgt von einem schwebenden Digimon den Flur entlang kam.

„Hirokazu!“, rief Takato erfreut aus. Es war tatsächlich angenehm einen seiner Schulfreunde, die er seit sie die Schule abgeschlossen hatten, viel zu selten sah, zu sehen. „Guten Abend! Was machst du hier?“

Hirokazu, der den Blick zuvor auf den Boden vor seinen Füßen gerichtet hatte, sah auf. „Takato“, meinte er, wobei jedoch Überraschung in seiner Stimme mitklang. „Guten Abend.“ Er zögerte mit einer Antwort auf Takatos Frage. „Ist Ryou noch da?“, fragte er dann.

Takato seufzte und schüttelte den Kopf. „Nein. Er ist heute Nachmittag nicht wiedergekommen.“

„Er war am Kampf beteiligt?“, fragte Hirokazu. „Ich habe davon nur im Radio gehört.“

Daraufhin nickte Takato. „Ja. Aber er ist nicht wiedergekommen. Ruki und Shoji sagten sie hätten ihn dort das letzte Mal gesehen.“

„Ruki und Shoji waren beim Kampf auch dabei?“ Es schien, als würde diese Information Hirokazu Sorgen bereiten.

„Ja.“ Takato sah ihn verwirrt an. „Wieso?“

Hirokazu seufzte. „Es ist nichts. Ich mache mir nur Sorgen um Ryou und dachte, ich hole ihn ab. Aber ich nehme an, da bin ich zur falschen Zeit am falschen Ort.“

„Viel eher ist Ryou-san am falschen Ort“, korrigierte Hagurumon und erntete dafür einen entgeisterten Blick seines Tamers.

„So könnte man es vielleicht sagen“, meinte Takato und seufzte. „Weißt du, was mit Ryou los ist?“

Als er ihn ansah, wich Hirokazu seinem Blick aus. „Es ist nichts wichtiges“, murmelte er, doch seine Stimme war dabei so unsicher, dass seine Lüge offenkundig war.

Nun runzelte Takato die Stirn. Wenn er das Verhalten von Ruki und Shoji und nun auch Hirokazu bedachte, konnte er sich durchaus denken, was vorgefallen war, doch es war die Tatsache, dass niemand klar darüber redete, die ihm beinahe als etwas seltsam erschien.

„Wir sollten vielleicht alle einmal mit Ryou reden“, begann er langsam, als er auf einmal spürte, dass sich Guilmon hinter ihm anspannte.

Dann begann das Digimon zu knurren und auch Hagurumon wandte wie hypnotosiert seinen Blick in Richtung der Wand, als ob es dort etwas magisches erkennen konnte.

„Hagurumon?“, fragte Hirokazu zurückhaltend.

Doch Takato verstand, dass hier etwas vor sich ging, das ganz und gar nicht in Ordnung war. Hatte es etwas mit dem Digimon, das am Mittag aufgetaucht war, zu tun?

„Komm mit“, sagte er zu Hirokazu und wandte sich dann zur automatischen Tür der Zentrale, die sich für ihn öffnete.

„Matsuda-san“, rief ihm direkt Tetsukawa, einer der Informatiker, die aktuell das Netz überwachten, hinüber. „Etwas kommt!“ Die Art, wie er es formulierte, machte auch Takato klar, dass sie das, was dort kam, nicht als Digimon identifizieren konnten, doch auch die Tatsache, dass auf der Innenseite der Halbkugel, mit dem sie die OSI-Schichten, die die beiden Welten trennten, beobachteten, überall in roten Buchstaben das Wort ERROR erschienen war, während ein Warnton erklang, sagte ihm, das etwas nicht stimmte.
 

Noch bevor er das Piepsen der beiden Digivices hörte oder Monodramons Knurren bemerkte, spürte Ryou, das etwas nicht stimmte. Es war, als würde ein Sturm auf sie zukommen und eine Welle aus kalter Luft mit sich bringen. Doch während genau dieses Gefühl Takato schon den ganzen Tag Unwohlsein verursacht hatte, brachte es Ryous Herz zum Schlagen, als er es bemerkte.

Er beachtete den Amerikaner, der vor ihm hockte, nicht mehr sondern stand, wie an unsichtbaren Schnürren gezogen, auf.

Es war etwas gänzlich anderes als zuvor. Das wusste er im selben Moment.

„Monodramon“, flüsterte er und nahm sein Digivice.

„Ryou?“, fragte sein Partner leise und unsicher, als er das Digivice hob und dieses aufleuchtete.

„Matrix Evolution!“

„Monodramon – Shinka! Justimon!“

Als Justimon lief er los, sprang auf das Dach des Fernsehstudios und von dort auf das des nächsten Gebäudes, von wo aus er auf die Shinjuku-Station, die Bahngleise und die Hauptstraße sehen konnte.

Was machst du, Ryou?“, hörte er die Stimme seines Partners, doch er antwortete nicht.

Das, was sich näherte, war auf der anderen Seite des Bahnhofs.

Er konnte es sehen. Ein heller Punkt mitten auf dem Platz und dann erschien ein Datastream, der blau und türkis leuchtete.

Ein Wesen, wie das, das schließlich dort erschien, als der Stream verblasste, hatte er noch nie gesehen...

Episode 35: Der Sturm

Episode 35: Der Sturm
 

Ist das die Ruhe vor dem Sturm oder befinden wir uns schon im Auge des Hurrikans?
 

                                                            - Shizukasato Kazumi
 

Selbst wenn er darüber nachgedacht hätte, so hätte Ryou es nicht erklären können. Er spürte, das etwas kam. Er spürte, das sich etwas, wie er es noch nie gesehen hatte nicht unweit von ihnen materialisierte. Und als wäre dieses Wissen das einzige in der Welt, das noch zählte, stand er auf.

Steve, der noch immer neben ihm stand, hatte er schon lange vergessen. Das grelle Piepsen des Digivices hörte er nur wie aus weiter ferne.

Stattdessen spürte er den Wind, der ihm entgegenwehte, während er das Digivice aus seiner Tasche nahm und es aufleuchtete.

„Matrix Evolution“, rief er und hielt das Gerät in die Höhe.

Im nächsten Moment durchströmte ihn jene mittlerweile so vertraute warme Energie, während er mit Monodramon verschmolz.

„Monodramon - Shinka! Justimon!“

Dann rannte er los. Er wusste genau, wo sich das etwas, das vollkommen neue materialisieren würde: Auf der anderen Seite der Shinjuku Hauptstation. Also lief er dorthin. Über das Café kam er auf das Dach des Studio Alta Gebäudes und von dort aus sprang er über die Straße zum nächsten Gebäude. Er konnte den Bahnhof schon sehen und genau so sah er auch das Licht, das von jenem Fleck ausging, wo es sich materialisierte.

Einige weitere Sprünge brachten ihn über die Gleise und auf das Dach des Bahnhofs, von wo aus er es richtig sehen konnte.

Wie eine Fontäne aus Licht schoss etwas aus dem Boden hervor am Rand der Straße hervor, kurz vor dem Tunneleingang. Jedoch war es anders, als bei den Digimon. Kein Nebel breitete sich aus und der Strahl, der aus dem Boden hervorschoss, reichte auch nicht bis in die Wolken hinein. Nein, es war vollkommen anders als ein Digimon.

Was machst du, Ryou?“, hörte er die Stimme seines Partners, während er durch Justimons Augen auf den Vorplatz des Bahnhofs sah.

Die Menschen dort hatten vorsichtig Abstand von dem leuchtenden Fleck genommen, einige flohen direkt, unsicher, was es damit auf sich hatte. Sowohl Autos, als auch Busse waren stehen geblieben. Doch Ryou kümmerte sich nicht um sie.

Ryou“, jammerte Monodramon erneut.

Dann brach etwas aus dem Licht hervor, vollkommen anders, als irgendetwas, das er je zuvor gesehen hatte.

Es ist da“, flüsterte er und eine seltsame Aufregung durchströmte ihn.

Dabei wusste er nicht einmal, was es war, das sich dort materialisierte. Was auch immer es war, es wuchs aus dem Licht hervor, den unförmigen Kopf allem anderen voran. Seine Form, die dank des hellen Lichtes kaum zu erkennen war, schien eher, wie eine Tonfigur, die von einem jungen Kind gefertigt worden war: Der Kopf war rund, etwas oval, und es schien keinen richtigen Hals zu haben. Stattdessen saß der Kopf auf einen abgerundeten Torso, aus dem lange unförmige Arme, die zu den Händen - oder eher klauen - breiter wurden, hervorwuchsen. Dann zog das Wesen - denn ein Wesen schien es zu sein - gekrümmte und im Verhältnis viel zu kurze Beine aus dem Licht hervor.

Gesamt war es gute fünfzehn Meter groß - und erschien riesig.

Doch das seltsamste an dem Wesen schien das Material, als dem sein Körper bestand. Dieser war keine feste Form, sondern schien als kleinen aneinander gereihten, weißen Tetraedern zu bestehen, die unablässig um ihre eigene Achse rotierten. Die Augen des Wesens, wie auch sein weites, unförmiges Maul, schimmerten hell violett, beinahe pink, ganz so wie die Augen der infizierten Digimon.

Und Ryou wusste: Er musste diesen Gegner besiegen. Er hatte so lange darauf gewartet.

Der Gedanke, warum eigentlich, kam ihm gar nicht in den Sinn.

Warte, Ryou!“, rief Monodramons Stimme, doch es schien nicht die Macht zu haben, Justimons Körper zu kontrollieren.

Er würde diesen Gegner besiegen. Er würde sich beweisen. Dies war sein Test.

Also lief er in Justimons Gestalt los und hob seinen Arm. „Critical Arm!“, rief Justimon aus und seine Hand verwandelte sich in eine rot glühende Klinge, die während es auf den Gegner zusprang anwuchs, ehe es sie durch die Tetraeder schnitt.

Doch diese wurden einfach nur zur Seite verschoben ohne Schaden zu nehmen.

Ryou!“, schrie Monodramon nun förmlich, als ein elektrischer Schock Justimons Körper durchfuhr.
 

„Was zur Hölle ist das?“, schrie Yamaki, während auf den Bildschirmen in der Hypnoszentrale Bilder von den Ereignissen vor dem shinjukuer Hauptbahnhof erschienen. Seine Hände hatten sich auf einem der Armaturenbretter verkrampft, während er ungläubig auf die Bilder sah.

„Das ist Ryou“, murmelte Hirokazu, der zusammen mit Takato hinter Yamaki stand und Justimon entdeckte.

Doch Takato wurde etwas anderes klar: „Kann es sein... Das ist, was diese Digimon infiziert hat?“ Denn die Ähnlichkeiten zu den infizierten Digimon waren deutlich zu erkennen, auch wenn es nicht im geringsten die Frage danach beantwortete, was sie dort auf dem Bildschirm überhaupt sahen. Es erinnerte ihn beinahe an D-Reaper und doch was es anders. Doch egal was es war: Es machte ihm Angst.

„Verdammt noch mal, geht!“, rief Yamaki nun aus und sah ihn und Hirokazu an.

Takato nickte und ohne ein weiteres Wort zu verlieren drehte er sich um und rannte zum Ausgang, Guilmon an seiner Seite.

Es dauerte einige Sekunde, ehe er auch Hirokazus Schritte hinter sich hören konnte. „Verdammt noch mal, was ist das?“, fragte Hirokazu, doch Takato antwortete nicht, da er es selbst nicht wusste.

Aber eine Sache wusste er: Sie würden die anderen brauchen.

So holte er nun sein Handy aus der Tasche, während er zur Feuertreppe lief.

„Hey, nehmen wir nicht den Aufzug?“, rief Hirokazu.

„Nein!“, erwiderte Takato nur. Er hatte nicht die Ruhe jetzt in einem Aufzug zu stehen und so konnten sie schneller sein.

Derweil wählte er eine Nummer.

„Ja?“, erklang Rukis Stimme einen Moment später.

„Komm zum Hauptbahnhof. Sofort!“, rief Takato. „Sag den anderen Bescheid.“

„Aber...“, begann Ruki.

„Keine Zeit. Komm einfach. Wir brauchen Sakuyamon“, sagte Takato, während er bereits im zehnten Stock angekommen war. Er legte auf. Er wusste, dass Ruki kommen würde.

„Takato“, hörte er nun Guilmons Stimme. „Takato, da ist etwas...“ Doch während des Rennens kam es kaum zum Sprechen.

Dann waren sie im fünften Stock, dann im dritten. Hier verließen sie das Treppenhaus und rannten auf die Galerie in der Eingangshalle des Metropolitan Government Buildings hinaus, wo sich einige Leute überrascht zu ihnen umdrehten.

„Takato!“, rief Hirokazu, während sie bereits eine Rolltreppe zum Erdgeschoss hinabrannten.

„Ruf Kenta!“, rief Takato zurück, als sie endlich ebenerdig waren.

Zusammen mit Guilmon lief er aus dem Gebäude hinaus und hob schließlich sein Digivice. „Matrix Evolution!“

„Guilmon - Shinka! Dukemon!“
 

Steve war sich nicht sicher, was er sah, als auch er und Liamon endlich am Bahnhof ankamen. Da Liamon weder so weit springen konnte, wie Justimon, noch so schnell war, hatten sie länger gebraucht und sahen nun das seltsame Wesen, das sich Justimon zugewandt hatte.

Noch immer standen Menschen umher, einige in schierer Panik, andere unsicher oder scheinbar nur Neugierig. Vor allem einige Autofahrer schienen unsicher, ob sie ihre Wagen einfach so zurücklassen sollten.

Justimon griff das Wesen an, nur um einen Moment später - ohne dass sich sein Gegner auch nur bewegte - zurückgeworfen zu werden. „Justimon!“, rief Steve automatisch aus, doch das Digimon schenkte ihm keine Beachtung.

So besann Steve sich. Es gab wichtigere Dinge - und zudem konnte er kaum in diesen Kampf eingreifen. Letzten Endes fehlte ihm dafür die Kraft, so lange er nicht selbst mit Leormon verschmelzen konnte, wie die anderen Tamer.

„The people“, flüsterte er zu Liamon, das verstand. In einem weiten Kreis lief es um das seltsame Wesen herum, während Steve sich an die Menschen wandte. „Sie müssen hier weg! Sofort!“, rief er. „Es ist gefährlich!“

Er hielt vor einer Gruppe aus drei weiblichen Teenagern, die mit ihren Smartphones den Kampf filmten. „Ihr müsst hier weg! Es ist zu gefährlich.“

Die Mädchen sahen ihn an, doch keine widersprach, ehe sie langsam zurückwichen.

„The station“, knurrte Liamon nun. „There are still people in there.“

Und Steve nickte, ehe er sich in der Mähne seines Partners festhielt und dieser auf das Bahnhofsgebäude zu galoppierte. Schlitternd kam Liamon in der Bahnhofshalle zum stehen und tatsächlich standen hier noch einige Menschen verwirrt und verängstigt herum, während Angestellte der Bahngesellschaften für Ruhe zu sorgen versuchten.

„Sie müssen hier heraus“, rief Steve nun. „Sofort!“

Es war einer der Sicherheitsmänner, die sich ihm zuwandten. „Wir können die Leute nicht herauslassen, während diese Biester dort kämpfen“, protestierte er, wenngleich mit kontrollierter Stimme und einem respektvollen Ton.

„Schicken Sie die Leute hinten heraus“, meinte Steve verständnislos, „auf der anderen Seite der Gleise. Da ist kein Kampf.“

Noch immer sah der Sicherheitsmann ihn mit einem Gesichtsausdruck an, als sei er sich nicht ganz sicher, was er davon halten sollte.

„Beeilen Sie sich“, knurrte Liamon laut, was den Mann dazu brachte, sich zu bewegen und Anweisungen an seine Kollegen zu rufen.

Da erfüllte ein lauter Knall die Halle, dann ein weiterer und ein Stück der Fassade brach ein, ehe Justimon umgeben von Glassplittern und Betontrümmern hindurchfiel.

Es sah bereits mitgenommen aus, richtete sich jedoch wieder auf.

Steve sah zu dem Digimon und setzte schon an, etwas zu sagen, doch da sprang Justimon bereits wieder hinaus.

Bevor aber Justimon sich erneut auf seinen Gegner stürzen konnte, durchschnitt ein roter Blitz die Luft und traf das seltsame Wesen. Zumindest schien es so, während eine Stimme erklang: „Quo Vadis!“

Auf der anderen Seite des seltsamen Wesens schwebte Dukemon in seinem Crimson Mode in der Luft, seine Lanze fest in den Händen. Es drehte sich zu dem seltsamen Gegner um, der so plötzlich erschienen war, nur um zu sehen, dass seine Attacke keinen Schaden an ihm hervorgerufen hatte.

Auf Liamons Rücken sitzend, starrte Steve zu dem Kopf des Wesens hinauf. Er wusste nicht, was dies überhaupt sein konnte.
 

Takato war beunruhigt, als er auf das Wesen sah. Etwas an ihm wirkte so vertraut, doch er konnte nicht sagen woher. Nur eine Sache wurde ihm klar, als er das Wesen nun vom Nahen sah: „Die Anomalie“, flüsterte er im Inneren von Dukemon. Ja, es sah aus, wie das Phänomen, das Denrei und Shuichon beschrieben hatten. Doch wie konnte das möglich sein? Was hatte es zu bedeuten?

Takato“, erklang Guilmons Stimme. „Guilmon kennt dieses Wesen!

Was?“, fragte er, während Dukemon bewegungslos in der Luft schwebte.

Wir haben es schon einmal getroffen...“, begann Guilmon, doch da sahen sie etwas aus Dukemons Augenwinkeln, das ihre Aufmerksamkeit auf sich zog: Justimon machte sich zu einem erneuten Angriff bereit.

„Warte! Justimon!“, rief Dukemon aus. „Es muss nicht unser Feind sein!“

Takato erinnerte sich daran, was Denrei und Shuichon ihnen erzählt hatten: Die Anomalie war eine eigene Lebensform, sie war intelligent. Und wenn dieses Wesen wirklich ein Teil der Anomalie war - wie er vermutete - so konnte es sein, dass es nicht ihr Gegner sein musste. Vielleicht war es, wie die wilden Digimon damals, einfach nur verwirrt von der neuen, ungewohnten Welt und hatte sich bloß gegen Justimon verteidigt.

So schwebte Dukemon zum Kopf des Wesens hinauf. „Wer bist du?“, fragte das Ritterdigimon.

Das Wesen wandte seinen Blick - soweit sie es sagen konnten, da keine Pupillen in den glühenden Augen zu erkennen waren - ihm zu, antwortete aber nicht.

„Wer bist du?“, versuchte Dukemon es noch einmal. „Wie bist du hierher gekommen?“

Für einen weiteren Moment herrschte Schweigen, ehe das Wesen sein Maul öffnete und einen Laut ertönen ließ, der Klang wie Walgesang von einer zerkratzten Schallplatte wiedergegeben.

„Wir wollen dir nicht schaden“, erklärte Dukemon dem Wesen. „Wir wollen nur diese Welt beschützen! Verstehst du das?“

Erneut ein ähnlicher Laut.

Dukemon streckte einen Arm aus, um das Wesen zwischen den Augen zu berühren, während Takato und Guilmon unsicher waren, wie sie handeln sollten. Das Wesen schien nicht wirklich bösartig zu sein, sonst hätte es sie bereits angegriffen.

„Du gehörst nicht in diese Welt“, sagte Dukemon, als es das Wesen berührte. „Wie nur bist du hierher gekommen?“

Die Augen des Wesens verfärbten sich und wurden bläulicher als zuvor. Der Ton, den es nun von sich gab, war leiser als zuvor.

Ein leichter elektrischer Strom durchfuhr Dukemons Körper, als es das Wesen berührte, jedoch nicht schmerzhaft. Viel eher erweckte es in Takato den Eindruck eines Hundes, der neugierig schnupperte, so als wäre diese Elektrizität nur ein Sinn des seltsamen, anomalen Wesens.

Langsam zog Dukemon seine Hand zurück und bemerkte, dass diese für einen Moment lang leicht flackerte, so als wären die Daten des Digimon durch Kontakt mit dem Wesen etwas durcheinander geraten.

Erst jetzt bemerkte es, dass nun auch weitere Digimon hinzugekommen waren: Auf dem Dach des Bahnhofs standen Sakuyamon und Duftmon und beobachteten sie ruhig, während Justimon noch immer angespannt am Rand des Loches saß, durch das es zuvor gestürzt war.

Dukemon wandte sich ihnen zu. „Wir müssen nicht gegen dieses Wesen kämpfen!“, sagte es voller Überzeugung. „Es ist nicht bösartig.“

„Aber es gehört nicht hierher“, rief Sakuyamon ihnen zu.

„Ich weiß“, erwiderte Dukemon. „Aber deswegen müssen wir es noch nicht bekämpfen.“

Erneut ließ das Wesen das seltsam melodische Geräusch erklingen.

Sakuyamon stieß sich vom Gebäude ab und kam zu ihm hinübergeschwebt. „Aber was sollen wir dann mit ihm machen?“, fragte es und in seiner Stimme schwang eine gewisse Ratlosigkeit mit.

Dukemon schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht“, erwiderte es.

Am liebsten hätte Takato vorgeschlagen, es in die digitale Welt zurück zu schicken, doch er wusste, dass es auch dahin nicht gehörte. Davon abgesehen war das einzige Tor, das sie kontrollieren konnten, in einem Raum, der nicht einmal annähernd genug Platz für dieses Wesen hatte.

„Aber es muss doch nicht weiter gekämpft werden“, flüsterte Dukemon, während Takato sich an den Kampf in Chiyoda erinnerte und an den Fehler, den er beinahe gemacht hätte.

Auch Duftmon kam nun zu ihnen hinüber geschwebt. „Aber wir müssen irgendetwas tun“, meinte es. „Hier kann dieses Wesen nicht bleiben.“

„Ich weiß“, erwiderte Dukemon.

Sakuyamon seufzte und Dukemon wusste, dass dies eigentlich Rukis Seufzen war. „Vielleicht findet sich eine Lösung“, murmelte das Digimon und versuchte dem fremden Wesen in die Augen zu sehen. Vorsichtig streckte es eine Hand aus, um es Dukemon gleich zu tun und das Wesen zu berühren. „Kannst du nicht sprechen?“, fragte Sakuyamon das Wesen und betrachtete es.

Wie zuvor bei Dukemon, begann seine Hand leicht zu flackern, während sie das Wesen berührte doch es schien dem Körper des Digimon als solchen keinen wirklichen Schaden zuzufügen. Vielleicht war es nur ein Effekt davon, dass beide Wesen aus vollkommen verschiedenen Welten kamen oder aus einem unterschiedlichen Code bestanden.

Dukemon sah zu Justimon hinüber, das noch immer angespannt war.

„Wir müssen nicht kämpfen“, sagte es noch einmal an das andere Digimon gewandt, da es die Kampfeslust im Inneren Justimons spüren konnte.

Doch Justimon erwiderte nichts.

„Was...“, hörte Dukemon auf einmal Sakuyamons Stimme und sah wieder zu dem Wesen und den beiden Digimon, die bei ihm schwebten.

Seltsame kleine Fäden, fast wie Tentakel, waren zwischen den Tetraedern hervorgekommen und schlangen sich um Sakuyamons Unterarm, der nun ebenfalls zu flackern begann.

„Ist alles in Ordnung?“, fragte Duftmon, während sich die Fäden weiter den Arm von Sakuyamon hinauftasteten.

Da fiel Takato ein, woher ihm dieses Wesen bekannt vorkam. Und er verstand auch, was Guilmon ihn vorher hatte sagen wollen.

Wir haben so etwas schon einmal gesehen“, sagte Guilmons Stimme. „Es war schon einmal in dieser Welt. Damals hat es Guilmon zu einem seltsamen Ort gebracht.

Ja, natürlich. Takato erinnerte sich. Damals war Guilmon noch nicht lange bei ihm gewesen und war auf einmal, in der Nähe des Wasserreservoirs verschwunden. Es war das erste Mal gewesen, dass er zusammen mit Ruki und Jenrya etwas als Tamer gemacht hatte. Damals waren sie nachts in das Reservoir eingebrochen, um Guilmon zu suchen und hatten ein seltsames Gebilde gefunden, das genau wie dieses Digimon aus seltsamen, weißen Tetraedern bestand.

Es will verstehen“, erklärte Guilmon auf einmal. „Es will Digimon verstehen.

„Nicht“, flüsterte Sakuyamon und wollte sich von den Fäden losreißen, als diese nun auch seinen Körper betasten wollten und diesen Flackern ließen. Es schwebte rückwärts um sich loszureißen, doch noch immer tasteten die Fäden nach ihm.

Ruki!“, erklang auf einmal Ryous Stimme und im nächsten Moment stieß sich Justimon vom Gebäude ab und hob seinen Arm. „Blitz Arm!“ Damit ließ es seinen mechanischen Arm anwachsen, um die Fäden und auch den Kopf des Wesens zur Seite zu schlagen.

„Was tust du?“, schrie Dukemon, als es sah, dass die Attacke gegen den Kopf das Wesen tatsächlich zurücktaumeln ließ.

Justimon stieß sich vom Kopf des Wesens ab, um wieder auf dem Gebäude zu landen. „Ich lasse nicht zu, dass du ihr etwas tust!“

„Aber es tut mir nichts“, rief Sakuyamon. „Es will nur verstehen.“

Doch in diesem Moment griffen weitere Fäden nach Sakuyamon, während sich die Farbe der Augen des Wesens wieder in ein eher rötliches violett verfärbt hatte.

Sakuyamon riss sich erneut los und wich zusammen mit Duftmon zurück, während Justimon erneut angriff.

„Justice Kick!“ Wieder attackierte es den Kopf des Digimon. „Ich werde dich besiegen!“ Mit mehreren Tritten griff es an und landete dann auf dem Kopf des Wesens, als dieses seinen Arm hob und schwerfällig nach Justimon griff.

Weitere Fäden wuchsen aus der Hand hervor und schlangen sich um Justimons Körper, der zu flackern begann.

Wieder erklang ein langgezogenes Jaulen aus dem Rachen des seltsamen Wesens, doch keiner von ihnen vermochte dies zu deuten.

Ryou-san!“, erklang eine Stimme, als mit einem Sprung ein weiteres Digimon auf dem Dach des Bahnhofs landete: Es war High Andromon, begleitet von Slash Angemon.

Die beiden Digimon nickten einander zu.

„Hört auf!“, rief Dukemon noch aus, doch es war zu spät. Die beiden Digimon griffen gemeinsam an.

„Atomic Ray!“ Die Schulterpanzer High Andromons öffneten sich und schossen atomare Strahlen in Richtung des Wesens ab, während Slash Angemon auf das Wesen zuflog.

„Holy Espada!“ Damit hieb es auf die Hand des Wesens ein, an der sich die Fäden tatsächlich zurückzogen und so das am ganzen Körper flackernde Justimon freizugeben, welches Slash Angemon auffing und auf das Bahnhofsdach flog.

„Oh nein“, flüsterte Sakuyamon, als die Augen des Wesens noch röter wurden und der nun erklingende Ton fraglos wütend klang. Das Wesen richtete seinen Blick auf die drei Digimon auf dem Dach der Bahnstation und öffnete sein Maul.

Ehe auch nur eins der Digimon reagieren konnte, schoss ein Energiestrahl aus dem Maul des Wesens hervor, dem die drei Digimon nur im letzten Moment auswichen.

„Aufhören!“, rief Dukemon aus, doch niemand schenkte ihm Beachtung.

Slash Angemon, das Justimon trug, landete auf der Überdachung der anliegenden Busstation und setzte das Cyborg-Digimon dort an, ehe er zusammen mit High Andromon, das zu Boden gesprungen war, zum Gegenangriff überging.

Slash Angemon hob seinen klingenbewährten Arm, welcher aufleuchtete. „Heaven's Ripper!“, rief es aus und ließ goldene Klingen auf das Wesen hinabsausen, während High Andromon einen weiteren Energiestoß auf den vermeintlichen Gegner abfeuerte.

„Diese Idioten“, flüsterte Sakuyamon, dessen Körper nun aufgehört hatte zu flimmern.

„Wir müssen sie aufhalten“, erwiderte Dukemon.

Duftmon nickte nur und flog auf Slash Angemon zu. Mit seinem eigenen Rapier wehrte es die Angriffe des Engeldigimons ab. „Hört auf! Dieses Wesen ist nicht bösartig!“

Derweil beschwor Sakuyamon seine flammenden Füchse, welche im nächsten Augenblick High Andromon fesselten.

„Aufhören!“, rief Dukemon erneut und sah zu den drei anderen Digimon, ehe es sich wieder an das Wesen wenden wollte.

Doch dieses hatte erneut sein Maul geöffnet und schoss einen weiteren Energiestrahl in Richtung Slash Angemons ab, der damit auch Duftmon traf.

Schnell warf sich Dukemon in den Weg des Strahls und ließ seinen beidseitigen Speer zu einem Schild werden. „Hör auf! Bitte!“, rief es, während das Schild die Attacke zwar abwehrte, dabei aber ähnlich zu flackern begann, wie Dukemons Hand zuvor bei Berührung des Wesens.

Dann brach dieses jedoch seine Attacke ab und sah Dukemon an. Dabei war es schwer in den nun beinahe ganz roten Augen irgendeine Form von Emotion zu lesen, doch Takato wollte daran glauben, dass dieses Wesen eine solche empfand. „Bitte, hör auf“, flüsterte Dukemon und streckte erneut seine Hand aus, um das Wesen zu berühren. Dabei war Takatos und auch Guilmons Hoffnung, dass dieses Wesen, wenn sie es berührten, ihre Emotionen verstehen konnte.

Doch noch bevor Dukemon die seltsamen Tetraeder erreicht hatte, schossen zwischen diesen weitere Fäden hervor und umschlangen seinen Körper. Vor Überraschung und auch, weil erneut elektrische Schläge, weit stärker als zuvor, durch seinen Körper schossen, schrie Dukemon auf.

Bitte, dachten Takato und Guilmon nur und versuchten den Körper des Kriegerdigimon wieder zu bewegen, wir wollen nicht kämpfen.

„Dukemon!“, hörten sie einen Ruf vom Boden und sahen ein Licht.

„Liamon - Evolves to! Loader Liomon!“ Dann sprang das tierische Cyborgdigimon hinauf und durchriss die Fäden, die Dukemon hielten, so dass dieses sich befreien konnte, jedoch flackernd zusammen mit Steves Partner auf dem Boden landete.

Auch dessen Körper flackerte, ehe es einen Moment später wieder zu Leormon zurückdigitierte.

„What happened? Was ist passiert?“, rief Steve, der noch immer die blaue Karte in der Hand hatte und zu seinem Partner lief.

„Die Daten von diesem Wesen“, flüsterte Dukemon, hatte jedoch keine Zeit, mehr zu erklären. Stattdessen breitete es seine Flügel aus und flog erneut empor.

Das Wesen heulte erneut auf und es war ein markerschütternder Ton, der Dukemon jedoch gleichzeitig auch auf eine unbekannte Weise berührte.

„Bitte!“, rief Dukemon. „Hör auf!“

Doch noch immer waren die Augen des Wesens rot. Es hob eine Klaue und schlug damit nach High Andromon, welches, noch immer durch Sakuyamons Izuna gefesselt, nicht ausweichen konnte und so in eins der anliegenden Gebäude geschleudert wurde.

„Jetzt reicht es“, rief Justimon, dessen Körper nun auch aufgehört hatte, zu flackern und sprang wieder auf den Gegner zu. „Critical Arm!“ Wieder wurde sein Arm zu einem Schwert, das auf den Gegner hinabsauste und zwischen die Tetraeder schnitt.

Ein weiteres Heulen, dann feuerte das Wesen einen erneuten Energiestrahl ab, dem Justimon auswich, der jedoch ein tiefes Loch in die Straße riss. Ein Loch, das bis zur U-Bahnstation hinabreichte.

„Hört auf!“, schrie Dukemon erneut, doch als Justimon nun wieder in Richtung der Busstationen sprang, richtete das Wesen sich auf und folgte ihm mit zwei gewaltigen Sprüngen.

Erst jetzt wurde ihnen klar, das auch der Boden unter dem Geschöpf angefangen hatte zu flackern und so flackerte auch das Dach der Busstation, als das Wesen sie berührte.

„Wollt ihr uns noch immer vom Kämpfen abhalten?“, rief Slash Angemon nun gereizt. „Es zerstört hier alles!“ Damit wandte es sich von Duftmon ab und flog dem Wesen hinterher, wobei Duftmon es nicht aufhielt.

„Dukemon!“, hörte das Kriegerdigimon eine Stimme hinter sich und erkannte Sakuyamon. „Wenn wir nichts tun...“ Es beendete den Satz nicht, aber Takato verstand genau so wie sein Partner, was es meinte.

Es war ihre Aufgabe diese Stadt - diese Welt - zu schützen und solange sie das Wesen nicht vom Kämpfen abhalten konnten, selbst wenn es nicht seine Schuld war, würde diese Welt weiter zerstört werden.

„Aber es ist nicht seine Schuld“, flüsterte Dukemon.

Sakuyamon nickte. „Ich weiß, aber...“ Es sah zur anderen Seite des Busbahnhofs, wo einige Wohnhäuser standen.

Verdammt“, hauchte Takato, als er erkannte, dass sie keine Wahl hatten. Sie konnten keine Menschen deswegen sterben lassen - wenn nicht ohnehin schon welche gestorben waren.

„Kämpfen wir endlich?“, rief High Andromon, das sich aus den Trümmern, die von der Hauswand geblieben waren, zu ihnen hinauf. Doch Dukemon antwortete ihm nicht, sondern flog zusammen mit Sakuyamon hinter dem Wesen her.

Dieses hatte mittlerweile Justimon eingeholt und öffnete erneut sein Maul, um anzugreifen, doch Dukemon schwebte vor seinen Kopf. „Bitte, hör auf!“, versuchte es ein letztes Mal, das seltsame Geschöpf zu beruhigen, doch erneut ohne Erfolg.

Ein weiterer Energiestrahl.

„Crystal Sphere“, erklang Sakuyamons Stimme, als sich ein kristallines Schutzschild um Dukemon und Justimon bildete.

Das Kriegerdigimon schenkte dabei Justimon keine Beachtung. Stattdessen sah es auf das Gebäude, von dem sie nur noch wenige Meter entfernt waren. „Es tut mir leid“, flüsterte es dann und schloss voller Reue die Augen. „Quo Vadis!“ Damit Griff es den Gegner unterhalb des Kopfes an.

Wie schon zuvor drang seine Attacke zwischen den Tetraedern hindurch, doch das nun erklingende Heulen verriet ihm, dass seine Attacke nicht wirkungslos war.

„Zusammen“, sagte Duftmon, das nun auch bei ihnen war.

Sakuyamon und Dukemon nickten, ehe alle drei Digimon ihre Waffen erhoben.

„Koenkyaku!“, rief Sakuyamon aus und eine große Flamme wuchs über seinem Priesterinnenstab empor, ehe sie als Strahl auf das Wesen zuschoss.

„Aussterben!“ Auch Duftmon hob sein Rapier und feuerte eine Attacke auf den vermeintlichen Gegner ab.

„Gungnir!“ Damit hob Dukemon seinen Speer empor, welcher sich in reine Energie verwandelte und ebenfalls auf das Wesen hinabschoss.

Dieses ließ ein Heulen hören, lauter als zuvor, doch auch ihre gemeinsamen Attacken schienen ihm zwar zu schaden, jedoch unfähig zu sein, es zu vernichten.

Da griffen auch Slash Angemon und High Andromon an.

„Heaven's Ripper!“

„Atomic Ray!“

Das Jaulen, welches aus dem Rachen des Wesens zu vernehmen war, wurde schwächer, während sie zwischen all dem Licht, das ihre gemeinsamen Attacken erzeugten, sehen konnten, wie es sich wand.

„Accel Arm!“ Damit ließ Justimon einen gewaltigen elektrischen Schlag über den Boden schießen, ehe der so entstehende Blitz ebenfalls das Wesen traf.

Das Heulen riss ab und für einen Moment schien es, als wäre das Wesen erstarrt. Dann fielen die Tetraeder nacheinander in sich zusammen und mit ihnen das Wesen, das sie bildeten, ehe dieses ganz und ohne Datenpartikel zu hinterlassen. Das einzige, was von ihm blieb, war das Flackern auf der Straße, wo es einen Moment vorher noch gestanden hatte.

Die fliegenden Digimon landeten und eins nach dem anderen löste die Verbindung zwischen Tamer und Partnerdigimon auf, während sie atemlos auf dem Boden sitzen blieben.

Besonders Ryou schien auch in menschlicher Gestalt arg blasiert und Monodramon der Ohnmacht gleich. Dennoch war dies nicht, was ihn besorgte. „Bist du in Ordnung, Ruki?“, fragte er, rappelte sich auf und lief zu ihr hinüber, nur um im nächsten Moment eine Ohrfeige verpasst zu bekommen.

„Was hast du getan?“, zischte sie.

„Ich?“, fragte Ryou verständnislos. „Aber ich...“

„Du hättest es nicht angreifen müssen“, schrie Takato, der schwer atmend auf die Beine gekommen war, ihn an. „Es hätte nicht so enden müssen!“

„Es hätte alles zerstört, wenn ich es nicht angegriffen hätte!“, rief Ryou nun auch entrüstet aus.

Die Frustration und Reue, die Takato in sich angestaut hatte, verwandelte sich in Wut. Ehe er selbst auch nur Begriff, was er tat, stürzte er sich auf den älteren Tamer und verpasste ihn einen Kinnhaken, der Ryou zu Boden warf. Im nächsten Moment war Takato auf ihn und wollte erneut auf ihn einschlagen, als ein paar Arme ihn von hinten ergriff.

„Takato, das hat keinen Sinn“, hörte er Hirokazus Stimme.

„Lass mich“, zischte er zähneknirschend, als ein zweites paar Arme ihn umfasste und er von Ryou heruntergezerrt wurde.

„Hör zu, Takato“, sagte Shoji, der ihn nun ebenfalls festhielt, „ich kann dich verstehen, aber das bringt jetzt nichts.“

Takato atmete schwer, als eine andere Stimme erklang.

„Bitte, Takato“, krächzte das offenbar auch mitgenommene Guilmon und trat vor ihn. „Streite dich nicht.“

Er sah seinen Partner an und spürte seine Muskeln erschlaffen, woraufhin ihn schließlich auch Hirokazu und Shoji losließen, blickte dann aber voller Verachtung zu Ryou. „Du wolltest niemanden beschützen“, flüsterte er, „du wolltest dich nur selbst beweisen. Dich abreagieren. Als ob du je an jemanden außer dich selbst gedacht hättest.“ Damit wandte er sich von Ryou ab, während der Boden unter ihren Füßen erneut zu beben begann.
 

Impmon zuckte mit den Ohren.

„Was ist?“, fragte Ai und sah ihren Partner an, welcher nur den Kopf schüttelte.

„Ich dachte, ich hätte etwas gehört“, meinte es. „Aber es ist nichts.“

Sie alle seufzten. Immerhin wäre ein Ton vielleicht ein Hinweis dafür gewesen, wo sie hier gelandet waren, doch darauf hatten sie noch immer keine Antwort gefunden. Nachdem der Boden unter ihren Füßen nachgegeben hatte, waren sie auf einem Plateau gelandet, von dem nur ein Weg geführt hatte: Über eine Treppe, die in den Felsen unter ihren Füßen geführt hatte.

Diese Treppe, die zu allem Überfluss eine sich eng windende Wendeltreppe war, führte weiter und immer weiter hinab, so dass auch der letzte von ihnen mittlerweile aufgehört hatte, die Stufen zu zählen, die, wenn sie auftraten, matt in verschiedenen Farben fluoreszierten.

„Ich bin müde“, seufzte Rin und ließ sich nun auf eine Stufe fallen. Sie zog die Beine an sich heran und legte Arme und Kopf auf den Knien ab. „So finden wir Makoto nie“, flüsterte sie.

Ai und Takumi sahen einander bedrückt an. Während sie tiefer und tiefer die Treppe hinabgestiegen waren, vollkommen von Fels umgeben, hatten sie sich dasselbe gedacht.

„Diese Treppe führt irgendwohin und von dort aus können wir Makoto suchen“, sagte Takumi nun und bot Rin seine Hand an. „Komm. Hier können wir uns nicht vernünftig ausruhen.“

Rin sah ihn müde an, ergriff dann jedoch seine Hand und ließ sich aufhelfen.

„Geht es?“, fragte Ai nun ebenfalls.

„Ich bin mir sicher, das wir bald... Irgendwo ankommen“, meinte Kotemon zuversichtlich.

„Hoffen wir es“, seufzte Impmon.

Und so setzten sie ihren weg die vielen, vielen Stufen hinab fort - nur um herauszufinden, das Kotemon auf eine seltsame Art und Weise recht behalten sollte. Denn sie hatten kaum zwanzig weitere Stufen geschafft, als Rin dank ihrer Erschöpfung fehl trat und das Gleichgewicht verlor.

Intuitiv griff sie nach Takumis Arm, brachte diesen jedoch ebenfalls aus dem Gleichgewicht, so dass sie fielen und dabei Ai, die vor ihnen ging, mitrissen.

Doch im selben Moment verschwanden die Stufen unter ihnen und hinterließen stattdessen nur eine abfallende, glatte Fläche, die sie im nächsten Moment schreiend hinabschlitterten.

Episode 36: Fragen

Episode 36: Fragen
 

Hat all das wirklich etwas mit mir zu tun? Ich habe nie einen großen Einfluss auf die Dinge gehabt, nie etwas zu sagen gehabt. Wieso soll es nun an mir sein, etwas zu verändern? Zwischen Yamaki, Reika, Janyuu-san und den Kindern gibt es für jemanden wie mich keinen Platz. Ich bin kein Genie, keine Führungsperson und sicher auch kein Tamer. Ich hätte auf meine Mutter hören, jemanden heiraten und eine Familie gründen sollen. Wer bin ich eigentlich?

- Onodera Megumi
 

„Denrei! Denrei!“ Shuichons Stimme drang wie von weit her in Denreis schlaftrunkenes Bewusstsein.

Er blinzelte, während Shuichon ihn immer noch rüttelte. „Ich bin schon wach“, gähnte er, schloss die Augen und blinzelte dann erneut, da sie ihm irgendetwas leuchtendes vor die Augen hielt.

„Schau dir das an“, sagte sie und Denrei erkannte, dass das helle, das ihm ins Gesicht leuchtete, ihr Smartphone war. Offenbar hatte sie, nachdem sie aufgewacht war, über das Hotel-WiFi im Internet gesurft.

Er rieb sich die Augen und nahm dann das Handy. Ein Video war aufgerufen und da sie dies offenbar von ihm erwartete, startete er es, nur um im nächsten Moment beinahe das Gerät fallen zu lassen.

Sein noch immer schlaftrunkenes Gehirn brauchte etwas, um zu begreifen, was er da sah. Erst fragte er sich, ob es ein Scherz war, doch dann sah er, dass das Video in eine japanische Nachrichtenseite eingebunden war.

Er erkannte die seltsame Masse, die sich dort vor der Shinjuku Station wie ein lebendiges Wesen bewegte, sofort, nachdem was sie in der digitalen Welt erlebt haben. Doch er konnte sich nicht erklären, wie diese dorthin kam – dort, nach Shinjuku, in die reale Welt.

Er sah zu Shuichon, die seinen Blick ernst erwiderte.

„Was ist das?“, fragte er – obwohl es die falsche Frage war.

Selbst Shuichon, die normal nie um eine Antwort verlegen war, zögerte. „Wir müssen mit den anderen sprechen, sofort!“, meinte sie dann und sprang auf.

Und dieses Mal widersprach Denrei nicht, trotz der Aussicht so vielleicht schneller mit ihrem Bruder konfrontiert zu werden, auch wenn dieser über Nacht in das Studentenwohnheim, in dem er lebte, zurückgefahren war. Dies hatte im Moment Priorität. Immerhin war es ein Grund, warum sie hier waren – oder zumindest der Grund, warum Megumi hier war. Doch nun wusste er: Sie mussten alle mit Shibumi sprechen, sofern dieser wirklich eine Antwort hatte.

So schnell er konnte, zog er saubere Kleidung aus seinem Koffer und schlüpfte hinein.

„Dracomon!“, rief er dann und weckte so auch seinen Partner, der noch immer seelig schlummerte und ihn nun verwirrt ansah. „Komm!“, meinte Denrei nur und öffnete die Tür, während Lopmon bereits auf Shuichons Schulter saß.

„Was ist los?“, fragte Dracomon verwirrt, bekam jedoch keine Antwort und folgte so den beiden missmutig auf den Flur des Hotels.

„In welchem Zimmer sind deine Eltern?“, fragte Denrei, da er wusste – und sich zuerst zumindest darüber gefreut hatte – dass Mayumi und Janyuu Lee keins der benachbarten Zimmer hatten.

Shuichon zeigte den Gang hinab und sie liefen hinab, bis Shuichon am vorletzten Raum zu ihrer Rechten vor dem Treppenhaus stehen blieb und klopfte.

„O-too-san! O-kaa-san!“, rief sie, laut genug, das Denrei meinte, dass sie damit wohl die ganze Etage aufwecken würde, so dass er nun ihre Hand festhielt, bevor sie noch einmal gegen die Tür hämmerte.

„Du weckst noch alle auf“, meinte er.

„Und was soll ich dann machen?“, fragte sie leicht gereizt.

Denrei atmete durch und merkte, das sein Gehirn langsam wieder zu arbeiten begann. „Wie sollten sie anrufen.“

Shuichon seufzte und beide trotteten – das verwirrt dreinsehende Dracomon noch immer im Schlepptau – zurück auf ihr Zimmer, wo sie zum Telefon hetzten, mit dem man innerhalb des Hotels kostenlos telefonieren konnte.

Schon hatte Shuichon die Nummer des Zimmers ihrer Eltern gewählt und wartete nun ungeduldig, auch wenn dies die Zeit, bis schließlich jemand abhob, nicht verkürzte.

Denrei drückte die Lautsprechertaste, damit auch er mithören konnte.

„Ja?“, fragte die deutlich verwirrt und müde klingende Stimme von Shuichons Mutter.

„Weck O-too-san auf“, meinte Shuichon ernst. „Es ist wichtig. Wir müssen reden.“

„Weißt du, wie früh es ist?“ Auch Lee Mayumi schien noch nicht wach genug zu sein, um die leichte Panik aus der Stimme ihrer Tochter heraus zu hören.

„Ja, O-kaa-san“, erwiderte Shuichon. „Aber es ist sehr, sehr wichtig. Gib mir O-too-san!“

„In Ordnung“, meinte schließlich ihre Mutter und sie konnten hören, wie sie versuchte ihren Mann aufzuwecken, ehe dieser ein Grummeln hören ließ.

„Was ist?“, fragte die Stimme Janyuus im Hintergrund.

„Unsere Tochter“, erwiderte Mayumi.

Ein Knacken war zu hören, als Janyuu den Hörer entgegennahm. „Was ist denn los, Shuichon?“

„In den Nachrichten“, brachte Shuichon hervor. „Die Anomalie, die wir in der digitalen Welt gesehen haben ist in Tokyo aufgetaucht!“
 

Megumi fühlte sich irgendwie fehl am Platz, während sie mit den anderen in einem leeren Auditorium der Paolo Alto Universität stand. Es war noch recht früher Morgen, doch man hatte auch sie geweckt, nachdem Janyuu die Nachrichten aus Japan erhalten hatte. Nun stand sie hier, an einer der festmontierten Tischreihen gelehnt, während Janyuu zusammen mit Dolphin und dessen Sohn an einem großen Bildschirm saß, um sich die Übertragungen aus Japan erneut anzusehen.

„Aber wenn es kein Digimon ist, wie konnte es sich materialisieren?“, fragte Keith auf Englisch und sah sich nun zu Denrei und Shuichon um, die auf zwei Stühlen hinter der Tischreihe saßen.

„Wakaranai“, murmelte Shuichon nur und wirkte dabei verschlafen.

Der junge Mann an ihrer Seite schien nachzudenken und hatte ganz offenbar Schwierigkeiten auf Englisch zu antworten. „Wir wissen nicht. Wir haben es in digitaler Welt gesehen und es ist die Anomalie.“

„So desu“, gähnte Lopmon, das von allen am müdesten aussah und im Halbschlaf auf Shuichons Schoß sah.

Megumi seufzte. So in etwa hatte sich das Gespräch bereits seit einiger Zeit im Kreis gedreht und an den Ergebnissen hatte sich nichts geändert: Die beiden Tamer – und ihre Digimon – behaupteten, dass dies die Anomalie war, die zu erforschen sie in die digitale Welt im Frühjahr aufgebrochen waren. Doch wie diese Anomalie nun in die reale Welt kam, konnte sich niemand von ihnen erklären.

„Vielleicht weiß Shibumi mehr darüber“, meinte Dolphin nun, der offenbar ebenfalls befand, dass sie nicht weiterkamen, in denen sie sich das Video erneut ansahen.

Niemand erwiderte etwas, auch wenn Dolphin nun merkte, dass man sie ansah.

„Haben Sie schon mit ihm geredet?“, fragte Keith, der dem Blick seines Vaters folgte.

Megumi schüttelte den Kopf, erwiderte aber nichts. Sie hatte bisher nicht einmal versucht Shibumi zu erreichen, seit sie hier angekommen war, selbst wenn es der Grund war, warum sie überhaupt mitgekommen war. Doch noch immer scheute sie sich davor.

„Was ist mit Yamaki?“, erkundigte sich Shuichon und sah zu ihrem Vater, welcher ebenfalls nur den Kopf schüttelte.

„Es ist ja auch nachts“, murmelte Denrei. „Wahrscheinlich schläft er.“

Das bezweifelte Megumi, denn immerhin kannte sie Yamaki schon lang genug und wenn so etwas geschah, würde er wahrscheinlich notfalls zwei Nächte in Folge in der Hypnoszentrale bleiben und – sollte Reika ihn nach Hause zwingen – dort am Ende die ganze Nacht wachbleiben. Doch noch immer sagte sie nichts. Sie fühlte sich unwohl.

„Also können wir erst einmal nichts weiter tun“, seufzte Dolphin und ließ sich mit verschränkten Armen auf einen Stuhl, der vor dem Lehrpult des Hörsaals stand, fallen. Es war ihm anzusehen, dass es ihm gar nicht gefiel.

Denrei und Shuichon tauschten besorgte Blicke aus, doch keiner der beiden sagte etwas. Allerdings schien Megumi nicht die einzige zu sein, die dies bemerkte.

Auch Keith, in dessen Haaren einige graue Strähnen zu sehen waren, sah zu ihnen hinüber. „Ihr habt diese Anomalie in der digitalen Welt gesehen, nicht?“, fragte er. „Ich habe die Berichte gelesen, aber...“ Er beendete seine Frage nicht, doch es war klar, worauf er hinaus wollte.

Erneut sahen sich die beiden an und Megumi bemerkte, dass sie unter dem Tisch die Hand des anderen hielten. „Wir wissen nicht“, meinte Shuichon nun, „was es ist. Aber wir glauben nicht, dass diese Anomalie bösartig ist oder etwas zerstören will. Es ist nur ein anderes Programm, als die Digimon. Doch es hat uns nicht geschadet.“ Wieder tauschten die beiden Blicke aus.

„Takato“, begann Denrei nun und starrte auf die weiße Tischplatte, „hat es nicht angreifen wollen, glaube ich...“

Darauf sagte niemand etwas, denn es konnte auch niemand etwas sagen. Sie hatten die Videos gesehen und tatsächlich hatte es so gewirkt, als hätte Dukemon versucht, die Anomalie nicht anzugreifen, doch letzten Endes war alles, was sie zur Verfügung hatten, die Auswahl einiger Nachrichtenzusammenschnitte und ein paar schlechte Handyaufnahmen von YouTube und NicoNico. Bei weitem nicht genug, um sich ein definitives Bild der Ereignisse zu machen.

Da ging die Tür auf und Jenrya – dieses Mal ohne die Begleitung des afroamerikanischen Mädchens – kam herein. „Was ist los?“, fragte er. Offenbar hatte er von jemanden die Nachricht bekommen, dass sie hier waren.

Für einen Moment schwiegen alle, so als wäre sich niemand sicher, wer ihm antworten sollte.

„Nande?“, fragte er noch einmal, dieses Mal auf japanisch und direkt an seinen Vater gewandt.

„Es ist etwas in Tokyo aufgetaucht“, erwiderte Janyuu und zeigte auf den Bildschirm, so dass Jenrya nun näher zu ihnen hinüberkam und ebenfalls draufschaute.

„Nandesuka?“ Terriermon sah sich bewusst zu Lopmon um und sprang von Jenryas Schulter auf den Tisch.

„Dejitaru sekai no anomalii“, erwiderte seine Schwester. „...“

„Aber wie kommt das nach Tokyo?“, fragte nun Jenrya und sah zu seinem Vater, der nur den Kopf schüttelte.

„Wir wissen es nicht“, erwiderte er.
 

Die Rutschpartie endete plötzlich, als Takumi, Ai, Rin und ihre Digimon aus dem Loch in einer Wand schossen und im nächsten Moment nicht mehr wussten, wo oben oder unten war. Dann kam jedoch auch ihr Sturz ad hoc – wie es Stürze meistens an sich hatten – zu einem Stopp und sie blieben auf einem Haufen liegen.

„Autsch“, murmelte Takumi, der zwischen Ai und Kotemon lag und versuchte sich zwischen den beiden herauszuwinden.

Er hörte ein Raunen. „Menschen“, flüsterten einige Stimmen. „Tamer.“

Dies brachte ihn dazu, seiner Umgebung ein wenig mehr Aufmerksamkeit zu widmen.

Sie waren auf einem hellen Steinboden gelandet und waren umgeben von einer ganzen Horde kleiner Digimon. Er erkannte Koromon, Wanyamon, Leafmon, Agumon, Gotsumon und einige andere – vorrangig Digimon auf dem Baby II und Child Level, wenngleich er vereinzelte Adult-Digimon erkennen konnte.

„Geh von mir runter“, murrte Ai, während er die Digimon anstarrte und Rin sich von seinen Beinen rollte.

„Ich versuch's ja“, erwiderte er und seufzte erleichtert auf, als Kotemon von seinem Rücken rutschte.

Als sie schließlich alle nebeneinander saßen und die Digimon ansahen, während diese zurückstarrten.

„Hier sind die Digimon also abgeblieben“, murmelte Kotemon, woraufhin Ai ihm einen Seitenblick zuwarf.

„Jetzt müssten wir nur noch wissen, wo 'hier' ist.“

Impmon sah sich um. „Nun, dies scheint eine eigene Eben der digitalen Welt zu sein“, stellte es dann fest.

Nun, wo Takumis Aufmerksamkeit von den umstehenden Digimon abgelenkt wurde, sah er, dass sie in einer riesigen und offenbar perfekt runden unterirdischen Höhle waren, in der einige Säulen vom Boden und der Decke wuchsen, bei denen es sich – wie er dann erkannte – um Stalagmiten und Stalaktiten handelte, die jedoch weit größer waren, als jene, die er in der realen Welt gesehen hatte.

Und offenbar lebten Digimon in diesen riesigen Strukturen, die ihn immer wieder ein wenig an Eiszapfen erinnerten, denn es waren Löcher in sie gebohrt, aus denen Lichter leuchteten.

„Was machen Menschen hier in der digitalen Welt?“, fragte schließlich eins der Digimon, das Takumi als ein Pandamon idenfizieren konnte. Es trat vor und sah sie mit einer Mischung aus Neugierde und Misstrauen an.

Es war Ai, die nun aufsprang und dem Digimon entgegensah. „Wir sind auf der Suche nach jemanden.“ Für einen Moment hielt sie inne. „Wir suchen meinen Bruder.“

„Noch einen Menschen?“, fragte das Digimon.

„Ja, natürlich noch einen Menschen“, meinte Impmon ungehalten. „Und vielleicht noch einen weiteren.“

„Ihr habt keine Menschen gesehen?“ Es war Rin, die nun zögerlich die Stimme erhob und vom Boden auf zu Pandamon aufsah.

„Nein“, erwiderte dieses. „Schon sehr lange nicht mehr.“

Die drei Tamer tauschten enttäuschte Blicke, auch wenn es – so dachte sich Takumi – gar nicht so verwunderlich war.

„Warum lebt ihr alle hier?“, fragte Kotemon nun und sah sich um. „Ich glaube, ihr seid nicht ursprünglich von hier, oder?“

Ein neuerliches Raunen ging durch die Scharen der umstehenden Digimon, doch niemand antwortete ihnen.

„Kommt mit“, sagte Pandamon schließlich und bedeutete ihnen selbiges noch einmal mit einer Geste.

Die Tamer und ihre Digimon sahen einander erneut an und es war Impmon, das schließlich den Entschluss fasste:

„Folgen wir ihm.“

Takumi fiel nichts ein, das dagegen sprach – zumal sie letzten Endes auch herausfinden mussten, wo sie hier nun überhaupt gelandet waren – und ließ sich so von Ai aufhelfen, ehe er wiederum Rin auf die Beine zog.

Dann folgten sie gemeinsam Pandamon, während sich die Masse der Digimon teilte, um ihnen eine Gasse, durch die sie gehen konnten, zu lassen.

„Was meintest du damit, dass die Digimon nicht von hier sind?“, fragte Takumi leise seinen Partner, der neben ihm ging.

„Nun“, erwiderte das Digimon an seiner Seite, „es ist so, das normal eher kleine Gruppen von Digimon – meist Digimon derselben Art oder zumindest derselben Familie zusammenleben. So große und gemischte Gruppen sind unüblich und früher...“ Es hielt inne und sah sich um, als wolle es nicht vor den Baby-Digimon weitersprechen.

„Früher haben Digimon nun einmal gekämpft“, sagte Ai leise und ging näher bei ihnen. „Und anstatt dass so große Gruppen verschiedener Digimon miteinander gelebt hätten, hätten sie wohl einander umgebracht, um stärker zu werden und sich zu digitieren.“

Takumi nickte, um zu zeigen, dass er verstand.

Derweil liefen sie zwischen zwei Stalagmiten hindurch, immer dem roten, wehendem Schal von Pandamon hinterher.

Dieses führte sie schließlich zu einem weiteren Stalagmiten, der – so schätzte Takumi zumindest – mindestens zehn Meter Durchmesser hatte. In diesem war unten eine Tür eingelassen, gemacht aus demselben Material, wie die Steine selbst, so schien es, welche Pandamon nun öffnete.

„Kommt herein.“

Noch einmal tauschten sie Blicke, ehe sie eintraten, was mit dem seltsamen Gefühl verbunden war, durch eine unsichtbare Wand zu treten. Anstatt in einer Art Treppenhaus oder vergleichbarem zu stehen, wie Takumi angenommen hatte, standen sie direkt in so etwas, wie einem gemütlichen Wohnzimmer, das – ebenfalls entgegen seinen Erwartungen – nicht abgerundet, sondern vollkommen eckig war.

„Setzt euch, setzt euch“, sagte das Pandamon und deutete auf einen Tisch, der in mitten des mit Tatamimatten ausgelegten Raums stand, niedrig genug, als das man drumherum knien konnte.

Wieder wurden Blicke ausgetauscht, doch die drei Menschen und ihre Digimon taten wie ihnen geheißen und knieten sich nun nebeneinander auf die eine Seite des Tisches, wobei Kotemon und Impmon an ihren Seiten saßen und Kunemon wieder einmal sich um Rins Hals legte.

Auch Pandamon kniete sich nun hin und für eine Weile herrschte Schweigen, während sie und das eine Digimon sich ansahen.

„Irgendetwas stimmt hier nicht“, stellte Ai schließlich fest und verschränkte die Arme. „Was ist hier los?“

Das Pandamon wirkte bedrückt und druckste etwas herum. „Nun, ihr müsst sehen... Ihr solltet in eure Welt zurückgehen“, sagte es schließlich.

„Was?“, kam es wie aus einen Mund von ihnen.

„Es ist nicht gegen euch“, versicherte das Digimon. „Im Gegenteil. Es ist zu eurem Schutz.“

„Was meinst du?“, fragte Rin besorgt, die Hände auf ihre Brust gelegt.

Das Digimon seufzte. „Diese Stadt ist etwas... Wie sagen die Menschen? Ich glaube, ich habe einmal das Wort Flüchtlingslager gehört.“

„Du kennst Menschen?“, fragte Ai, während Takumi aufhorchte: „Flüchtlingslager?“

„Ich habe einmal eine Zeit in der Menschenwelt gelebt, bin jedoch hierher zurückgekehrt“, antwortete Pandamon auf Ais Frage, ehe es seinen Blick Takumi zuwandte. „Die digitale Welt ist nicht länger sicher“, sagte es. „Etwas verändert diese Welt und macht es schwerer für uns Digimon hier zu leben. Vor allem für die kleinsten Digimon, wie jene, die ihr draußen gesehen habt.“

Sie sahen einander an.

„Es begann vor einigen Wochen“, meinte das Digimon. „Nun, zumindest würdet ihr es wohl so sagen. Stürme auf der physischen Ebene und seltsame andere Phänomene in anderen Bereichen der digitalen Welt.“

„Aber seid ihr dann hier sicher?“, fragte Kotemon.

„Wir wissen es nicht“, antwortete Pandamon, „doch was sollen die kleinen Digimon sonst tun? Sie können sich nicht schnell genug anpassen, um woanders zu überleben.“

Die drei Tamer sahen sich bedrückt an.

„Warum... Geht ihr nicht in die reale Welt?“ Rin sah das Pandamon mitleidig an.

„Weil es schwer ist dorthin zu kommen.“ Pandamon seufzte erneut. „Es gibt wege dorthin zu kommen und natürlich ist es mittlerweile leichter... Aber nicht alle der jungen Digimon würden es schaffen, sofern wir nicht zufälliger Weise über eine direkte Verbindung stolpern würden – doch die Wahrscheinlichkeit dafür ist sehr gering. Daher bleibt ihnen keine andere Möglichkeit, als hier zu warten und zu hoffen, dass es irgendwann wieder aufhört.“

„Und du bleibst bei ihnen, um sie zu beschützen?“, fragte Kotemon und bekam ein Nicken als Antwort. „Das ist sehr ehrenwert.“

Erneut herrschte Schweigen. „Gibt es irgendetwas, das wir für euch tun können?“, fragte Takumi schließlich.

Doch daraufhin schüttelte Pandamon nur seinen großen, runden Kopf. „Nein. Verschwendet nicht eure Zeit. Wenn es stimmt, was ihr sagt, und noch andere Menschen in dieser Welt sind, solltet ihr euch beeilen, sie finden und in eure Welt zurückkehren, bevor euch noch etwas passiert. Es ist aktuell nicht die richtige Zeit, um durch diese Welt zu reisen.“
 

Megumi war überrascht, dass der Kaffee, den sie an einem Automaten geholt hatte, relativ stark und sogar recht genießbar war – nun, jedenfalls im Vergleich zum Kaffee anderer Automaten. Mit dem Kaffee auf einen kleinen Tisch an ihrer Seite saß sie in einem Gang der Paolo Alto Universität und hatte ihr Smartphone hervorgeholt.

Letzten Endes war ihr ganzes Treffen zu keinem wirklichen Ergebnis gekommen. Sie konnten Yamaki nicht erreichen und hatten zu wenig Informationen. Nicht nur das: Sie waren auch zu weit weg, um irgendetwas zu machen. Es waren mehrere tausend Kilometer zwischen ihnen und Tokyo und wäre es nicht ihre Heimat, würde es sie vielleicht nicht einmal interessieren.

Doch sie wussten eine Sache: Dieses Wesen, das in Shinjuku erschienen war, hatte etwas mit der Anomalie zu tun. Und Shibumi hatte etwas über die Anomalie herausgefunden. Also mussten sie mit Shibumi sprechen, wenn sie mehr herausfinden wollten.

Und so verfasste sie auf ihrem Smartphone, das sie mit dem Wi-Fi-Netzwerk der Universität verbunden hatte, eine Email oder versuchte es zumindest. Sie wusste nicht, was sie schreiben sollte, obwohl sie eigentlich nur aus dem einen Grund mit in die USA gekommen war, Kontakt zu Shibumi aufzunehmen. Doch je wahrscheinlicher ein Treffen wurde, desto mehr graute ihr davor.

Hallo  Mizuno-san, begann die Email nun. Ich bin mir sicher,  Sie haben von den Ereignissen in Shinjuku gehört. Denrei und  Shuichon, zwei der Tamer, die zu Beginn des Jahres in die digitale  Welt gereißt waren, haben das Wesen, das dort erschienen ist, als  einen Teil der Anomalie identifiziert. Wenn Sie weitere Informationen  über dieses Phänomen haben |

Sie war sich nicht sicher. Die Email klang vielleicht etwas zu formell. Doch persönlicher zu werden, wirkte auch nicht richtig.

„Miss Onodera“, hörte sie auf einmal eine wenig vertraute Stimme und sah auf.

Es war Keith McCoy, der den Gang entlang auf sie zukam.

„Geht es Ihnen gut?“, fragte er auf Englisch.

Megumi nickte. „Ja, natürlich.“

Er sah sie an, schien sich aber dessen bewusst zu werden, dass er beinahe schon starrte und wandte den Blick ab. „Sie sehen ein wenig blass aus.“

„Ich bin nur etwas müde. Vom Flug“, erwiderte sie rasch, wobei sie sich dessen bewusst war, dass ihr Englisch sehr steif war.

„Natürlich“, sagte er schnell und etwas steif. „Verständlich.“

Er setzte sich neben sie, sagte aber nichts, sondern sah sie nur von der Seite an, während sie weiter auf ihre halbfertige Email sah, mehrfach begann weiter zu tippen, sämtliche Ergebnisse jedoch wieder löschte.

„Was machen Sie?“, fragte er.

„Die Email an Mizuno...“ Sie brach ab. „An Shibumi.“

„Oh, natürlich...“ Er wurde wieder still, dieses Mal jedoch nur kurz. „Wieso will sich Shibumi mit Ihnen treffen?“, fragte er dann mit deutlicher Zurückhaltung in der Stimme, so als fühlte er sich schlecht dafür diese Frage zu stellen.

Megumi erwiderte nichts auf diese Frage und war kurz davor, ihn darauf aufmerksam zu machen, dass sie zu persönlich war und nie ein Japaner auf die Idee gekommen wäre, eine vergleichbare Frage zu stellen. Doch sie hielt sich zurück. Immerhin war Keith McCoy kein Japaner und letzten Endes – so musste sie zugeben – war die Frage durchaus berechtigt. Immerhin war sie kein Mitglied des Wild Bunchs und auch ansonsten so furchtbar unbedeutend, sobald man das gesamte Bild betrachtete.

„Ich habe mich bereits etwas mit der Anomalie auseinander gesetzt“, erwiderte sie schließlich. Immerhin entsprach dies auch der Wahrheit, selbst wenn sie es erst getan hatte, nachdem sie vergangene Weihnachten mit Shibumi gesprochen hatte. Doch dieses Detail behielt sie für sich. Sie hatte mit Reika nicht darüber gesprochen und sie würde sicherlich auch nicht mit einem Fremden darüber sprechen.

Sie sah zu Keith und stellte fest, dass dieser ihr in die Augen sah.

„Sie haben großen Respekt vor Shibumi, nicht?“, fragte er dann.

Für einen Moment zögerte sie. „Ja, so könnte man es sagen“, sagte sie schließlich – sich sowohl ihrer Worte, als auch ihres Tonfalls unsicher.

„Er war immer etwas seltsam, wissen Sie?“ Keith sah zu einem Fenster, das den Stühlen am Rand des Korridors, auf denen sie saßen, gegenüber war und den Blick auf eine Wiese des Campus. Einige Studenten waren draußen und genossen die Sonne, saßen auf der Wiese oder gingen spatzieren.

Es war so warm draußen, doch im klimatisierten Inneren der Universität merkte man davon nichts.

„Ich weiß noch“, fuhr Keith fort. „Als ich ein Kind war, hatte ich immer etwas Angst vor ihm.“

„Vor Shibumi?“, fragte Megumi. Heimlich gestand sie sich ein, dass sie dies nur allzu gut verstehen konnte. Auch sie hatte Shibumi immer etwas seltsam gefunden, es schwer empfunden, ihn einzuschätzen... Und das tat sie auch jetzt noch.

„Ja.“ Der Amerikaner lächelte verlegen. „Er war immer... Anders. Wenn ich mal im Labor war, während Dad und die anderen die Digimon erschaffen haben... Die anderen haben immer mit mir geredet, haben mich für meine Zeichnungen gelobt oder mir Dinge erklärt... Shibumi... Shibumi hat mich meistens nicht einmal angesehen. Er hat meistens an seinem Computer still vor sich hingearbeitet, als würde es keine Welt um ihn herum geben. Als wäre er in seiner eigenen Welt.“

Megumi sah nun ebenfalls aus dem Fenster.

Sie wusste genau, wovon Keith sprach. Immerhin hatte sie immer schon dasselbe gedacht. Shibumi, Mizuno Gorou, lebte in seiner eigenen Welt, einer Welt, die sie und vielleicht auch niemand anderes sonst je verstehen würde.

Sie seufzte. „Ich verstehe, was Sie meinen...“

Ihr Blick wanderte wieder auf ihr Handy und die unfertige Mail auf dem Bildschirm.

„Aber letzten Endes“, meinte Keith schließlich, „ist er vielleicht genau deswegen derjenige, der uns am besten helfen kann.“

Megumi nickte. „Ja“, flüsterte sie dann und seufzte. „Vielleicht.“
 

Ein immer wiederkehrendes Geräusch weckte Takumi aus seinem Schlaf. Er horchte auf und erkannte dann, dass es ein Klopfen war.

Langsam richtete er sich auf und erkannte, dass er noch immer in Pandamons seltsamen Wohnzimmer war, welches nun abgedunkelt war.

Kotemon schlief neben ihm auf der einen, Impmon auf seiner anderen Seite. Hinter Impmon lagen Ai und Rin, welche die Arme um Kunemon geschlungen hatte. Jedoch war auch Impmon aufgewacht und schüttelte nun Ai.

„Was ist los?“, fragte Ai, doch in diesem Moment öffnete Pandamon, das ebenfalls aufgewacht zu sein schien, jedoch nicht bemerkt hatte, dass sie wach waren, die Tür.

Draußen stand ein Digimon, das Takumi von seiner Lage aus nicht erkennen konnte.

„Pandamon“, sagte es mit einer recht hohen Stimme, die Takumi vermuten ließ, dass es ein Childdigimon war. „Wir haben etwas seltsames entdeckt.“

Sofort schien Pandamon sich anzuspannen. „Etwas seltsames?“, fragte es.

„Ja, am Rand der Stadt“, erwiderte die Stimme.

„Wie seltsam?“ Pandamons Stimme wirkte misstrauisch.

„Es ist... Als wäre die Wand lebendig geworden“, meinte das Digimon draußen.

Für einen Moment schien es, als würde Pandamon überlegen. „Ich werde es mir ansehen“, sagte es dann schließlich.

„Wir kommen mit“, sagte Takumi sofort, woraufhin ihn sowohl Pandamon, als auch Ai überrascht ansahen.

Pandamon schien zu zögern, als wüsste es nicht, ob es diese Hilfe annehmen sollte oder wollte. „In Ordnung“, sagte es dann schließlich.

So weckten sie schnell Rin auf, während Kotemon offenbar überhaupt nicht geschlafen hatte, wie Takumi bald feststellte. Dann standen sie auf und folgten Pandamon aus der Tür hinaus, wobei Takumi erneut das Gefühl hatte, durch eine unsichtbare Wand zu treten.

Nun sah er auch die Digimon draußen: Es waren ein Bearmon und ein Candmon.

„Die Menschen“, flüsterte das Candmon beinahe schon ehrfürchtig, als es sah, dass Takumi, Ai und Rin Pandamon folgten.

„Jetzt zeigt mir, was ihr entdeckt habt“, forderte Pandamon die beiden Digimon auf.

„Natürlich, Pandamon.“ Es war nun Bearmon das Sprach und die Stimme klang, als wäre es auch das Digimon gewesen, das an der Tür mit Pandamon gesprochen hatte.

Und so folgten sie nun Candmon und Bearmon durch die gesamt abgedunkelte Stadt, in der Candmons Flamme den Weg vor ihnen erleuchtete. Sie gingen an mehreren der überdimensionierten Stalagmiten vorbei und auf einen Rand der Stadt zu – auch wenn Takumi in dieser beinahe perfekten unterirdischen Kugel nicht sagen konnte, welche Richtung es war.

Als sie die Wand erreichten, führten die beiden Childdigimon sie eine Treppe hinauf und einen schmalen Pfad an der Wand entlang.

Und während sie den beiden folgten, erkannte Takumi bereits, wovon die Digimon gesprochen hatten, da ein Stück der Wand wortwörtlich im Dunkeln leuchtete und sich scheinbar zu bewegen schien.

„Was ist das?“, fragte Rin mit ängstlicher Stimme und griff nach Takumis Hemd, doch er schüttelte nur den Kopf.

„Ich weiß es nicht.“

Ai spannte sich derweil an und tauschte Blicke mit Impmon.

„Ich habe das Gefühl, es ist nichts gutes“, grummelte letzteres.

Und schließlich erreichten sie die seltsame Stelle in der Wand und Takumi musste zugeben, dass es eine der seltsamsten Dinge war, die er je gesehen hatte. Es war, als würde die ganzen Wand aus kleinen aneinandergesetzten Pyramiden – oder wie auch immer diese sehr geometrisch wirkenden Gebilde hießen – bestehen, welche weiß und auch ein wenig blau schimmerten und sich dabei um ihre eigene Achse drehten, so dass ihm schwindelig wurde, sobald er sich das ganze nur länger ansah.

„Was ist das?“, fragte nun auch Pandamon überrascht und nachdenklich. Es streckte seine Pfote aus, um das seltsame etwas zu berühren, als Impmon auf seine Schulter sprang.

„Fass das nicht an!“, warnte es.

„Wisst ihr, was es ist?“, fragte Pandamon und sah sich zu den Tamern um, doch auch diese sahen nur zu Impmon.

„Ich habe ein ungutes Gefühl“, beantwortete es die unausgesprochene Frage.

Die beiden wilden Childdigimon wirkten nun noch verängstigter als zuvor. „Aber was...“, begannen sie und sahen sie beinahe flehend an. „Was sollen wir denn tun?“

Darauf wusste natürlich keiner von ihnen eine Antwort. Immerhin wussten sie – und vor allem Takumi und Rin – so unglaublich wenig über die digitale Welt. Wie sollten sie also eine solche Frage beantworten?

Doch in genau diesem Moment geschah etwas: Einige dünne, tentakelartige Ärmchen streckten sich aus dem seltsamen Wandstück heraus und schienen Bild umher zu tasten. Dann traf eins der Ärmchen auf Candmons Arm, welcher sofort anfing zu flackern.

„Candmon!“, rief Bearmon aus, während sich das Kerzendigimon zur Wand umdrehte. Doch in dem Moment wickelten sich noch mehr der dünnen Tentakel um seinen Arm und schienen es zu ziehen.

„Candmon!“ Bearmon griff nach Candmons anderem Arm und hielt diesen fest, während Candmon kaum zu verstehen schien, was eigentlich mit ihm geschah.

„Was...“, begann es schließlich und sah auf die Wand. „Was geht hier...“ Sein Körper flackerte immer mehr und Bearmon hatte offenbar ganze Mühe es festzuhalten.

Dann erklang ein plötzlicher Aufschrei und im nächsten Moment verschwand Candmon in der Wand, ehe auch nur einer von ihnen begreifen konnte, was geschah.

„Candmon!“ Die Stimme Bearmons war nun panisch und es stürzte auf die Wand zu, doch Kotemon hielt es zurück.

„Du darfst es nicht berühren!“, warnte es das andere Digimon.

„Aber...“, flüsterte Bearmon und sah es an. „Was ist mit Candmon.“

Doch Ai sah nur die Wand an, aus der nun noch mehr Tentakel hervorkamen. „Wir können nichts für Candmon machen“, flüsterte sie. „Wir müssen hier weg.“ Damit wandte sie sich den anderen zu. „Schnell!“

Und in diesem Moment erklang ein tiefes Knurren von der anderen Seite der Wand.
 

Stille herrschte zwischen den beiden Jungen, während sie im dunklen der digitalen Welt über einen weiteren Baumstamm balancierten, der über einen weiteren digitalen Fluss, dessen Wasser seltsam schimmerte, hinwegführte.

Die Ebene der endlosen Bäume, in der sie zuvor gelandet waren, war irgendwann einer von Klippen und Flüssen durchzogenen Landschaft gewichen, in der umgekippte Bäume wie Brücken aus einer Klippe in die nächste wichen, während ihre Blätter, auf denen verschiedene Zahlen und Zeichen schimmerten, in Richtung des Wassers unter ihnen wuchsen. Die digitale Welt war ein seltsamer Ort.

Doch noch immer hatten sie kein einziges Digimon getroffen, was Makoto mittlerweile zu beunruhigen begann. Was war hier nur los?

Natürlich, als D-Reaper das letzte Mal die digitale Welt angegriffen hatte, waren auch keine Digimon hier gewesen, doch da hatten sie den Grund dafür gekannt. Es war ein Digital Hazard gewesen und dass bei einem solchen die digitale Welt seltsam war, hatten sie erwarten können. Doch was es es dieses Mal? Ein weiterer Hazard, von dem sie nichts wussten?

Er sah zu Kaito, der jedoch sein bestes gab, ihn nicht anzusehen, ehe sie schließlich wieder hintereinander balancieren mussten.

So ging es schon eine ganze Weile, doch sie hatten beschlossen, keine Pause zu machen, ehe sie nicht zumindest einen Unterschlupf fanden.

Es war da, dass Kuraimon, das über ihren Köpfen flatterte, etwas bemerkte. „Da!“, rief es auf einmal aus – so plötzlich, dass Makoto zusammenzuckte. Es zeigte auf einen Klippenvorsprung, der sich über einer weiteren Klippe erstreckte. Und als Makoto seine Augen zusammenkniff, konnte er eine Gestalt erkennen, die auf diesem Vorsprung saß.

„Ein Digimon?“, fragte Kaito unsicher und sah nun Makoto an, welcher nur den Kopf schüttelte.

Die Gestalt war humanoid, weshalb es schwer war, zu sagen, ob es Mensch oder Digimon war.

„Es ist ein Digimon“, bestätigte Kuraimon, das weit besser sehen konnte und durch seinen Flug einen weiteren Vorteil hatte.

„Was machen wir?“, fragte Kaito nun Makoto, welcher so überrascht war, dass er zuerst nicht wusste, was er erwidern sollte.

Er überlegte, auch wenn es nicht viel zu überlegen gab. Sie wussten nicht, wo in der digitalen Welt sie waren, wie sie hier wegkamen und was hier überhaupt los war. „Wir versuchen, mit ihm zu reden.“

„In Ordnung“, sagte Kaito und sie überquerten eine weitere Schlucht, ehe Kuraimon einen Pass fand, der am Rand der Klippe, auf deren Vorsprung das fremde Digimon saß, entlang führte.

Als sie näher kamen, erkannte Makoto auch, um was für ein Digimon es sich handelte. Es hatte das Gesicht eine schwarze Lederjacke, während ein Stab an seiner Seite lag. Dies war fraglos ein Gokuwmon. Es saß im Lotussitz am Rand des Abgrundes und schien zu meditieren, so dass die beiden Jungen, als sie endlich das kleine Plateau auf der Klippe erreicht hatten, unschlüssig ansahen.

Dann seufzte Kaito. „Entschuldige!“, meinte er vorsichtig, als das Digimon eine Hand hob, um ihn zum Schweigen zu bringen.

„Ihr habt mich gefunden“, stellte es mit tiefer, feierlicher Stimme fest.

Verwirrt sahen die beiden Jungen sich an. „Haben wir?“, fragte Kaito.

„Aber wir haben dich doch gar nicht gesucht“, meinte auch Makoto.

Das Digimon drehte sich um, ohne seine Beine aus der Lotusposition zu bewegen. „Das ändert jedoch nichts daran, dass ihr mich gefunden habt“, sagte es mit einem zähnebleckenden Lächeln.

Episode 37: Die Flucht

Episode 37: Die Flucht
 

Ein Computervirus ist ein Programm, das in der Lage ist andere Programme zu beschädigen oder zu verändern, sich selbst zu vervielfältigen oder Änderungen an Systemeinstellungen vorzunehmen, um so die Ausführbarkeit der Programme oder des gesamten Systems zu behindern oder Daten auszuspähen.

– Computerlexikon
 

Um Rin herum herrschte heilloses Chaos und sie wusste nicht, was sie tun sollte. Sie hatte noch nicht einmal wirklich verstanden, was vor sich ging und nun führte sie auf einmal zusammen mit Takumi und Ai die Digimon an, die aus der Stadt fliehen wollten.

Obwohl sie von jener Stelle in der Wand sich wieder entfernt hatten, konnte sie diese in der Ferne zwischen den Säulen schimmern sehen.

Kunemon hatte sich an ihren Hals geschmiegt und rieb nun seinen Kopf an ihrer Wange, was ein seltsames Gefühl war, sie jedoch beruhigte. Sie legte eine Hand kurz auf den Kopf des Digimons und sah sich um.

Sie standen an der Seite Pandamons, das dafür gesorgt hatte, das sich die ganzen flüchtigen Digimon um sie versammelten.

Die Baby- und Child-Digimon brabbelten Aufgeregt vor sich hin und einige schienen in Panik zu sein, so dass Pandamon einige Schwierigkeiten hatte, sich Gehör zu verschaffen.

„Hört zu!“, schrie Ai schließlich, die Hände an den Mund gepresst, um ihre Stimme noch weiter zu verstärken. „Seid ruhig und hört zu!“

„Klappe, ihr Kleinen!“, rief nun auch Impmon und sprang auf den Kopf seiner Partnerin.

Tatsächlich verstummten einige Digimon, ob nun aus Respekt vor Ai oder vor Impmon vermochte Rin nicht zu sagen.

Sie sah zu Takumi, der genau so verwirrt wirkte, wie sie selbst war.

„Hört zu“, sagte Pandamon nun, da es etwas leiser um sie herum geworden war, mit lauter Stimme. „Wir müssen von hier fort und das so schnell wie möglich. Es ist ein Fehler an unserer Ostwand aufgetreten, der sich zu verbreiten scheint. Eine Berührung mit dem Fehler kann jeden von uns zerstören, weshalb wir von hier fort müssen.“

Erneut setzte wildes Getuschel an und erneut war es Impmon, das sich Gehör verschaffte.

„Seid doch einmal ruhig!“, schrie es. „Kein Grund panisch zu werden!“

„Ihr müsst mir folgen“, fuhr Pandamon nun fort. „Ich kann euch auf eine andere Ebene führen.“

„Aber sind wir dort auch sicher?“, fragte ein Tanemon ängstlich.

„Folgt uns der Fehler auch nicht?“ Auch ein Floramon, das direkt neben Tanemon stand, schien verängstigt und auch etwas misstrauisch zu sein.

„Das können wir nicht sagen“, erwiderte Pandamon. „Doch wenn wir hier bleiben, dann sind wir Datenmüll, versteht ihr das? Will das einer von euch riskieren? Immerhin seid ihr hierher gekommen, um zu leben, nicht?“

Die Digimon sahen einander an und murmelten weiter.

Da war es zu Rins Überraschung Kotemon, das seine Stimme erhob. „Wenn wir von hier fortgehen, können wir vielleicht einen Weg finden, in die Welt der Menschen zu gehen. Dieser Fehler kann uns dorthin nicht folgen. Wir kommen von dort und dort ist es sicher.“

„Die Welt der Menschen?“

„Die reale Welt?“

Weiteres Tuscheln ging durch die Reihen der Digimon.

„Genau diese Welt“, sagte Takumi nun. „Aber wir müssen jetzt aufbrechen, bevor etwas passiert.“

Unschlüssig sahen die Digimon einander an, doch dann war von vielen Seiten ein Nicken zu sehen.
 

„Aber was machst du hier?“, fragte Makoto, der nun im Schneidersitz vor Gokuwmon saß.

„Ich habe gewartet, dass ich gefunden werde“, erklärte das affenartige Digimon nur von neuem. „Und ich wurde lange nicht mehr gefunden.“

Kaito sah zu Makoto und zuckte dann nur mit den Schultern.

„Aber, Gokuwmon“, meinte nun Kuraimon, „kannst du uns sagen, was hier vor sich geht?“

„Vor sich gehen?“, fragte das Perfect-Digimon und zog eine seiner buschigen Augenbrauen hoch. „Was sollte hier vor sich gehen?“

„Ich meine, wo die anderen Digimon hin sind“, erwiderte Kaitos Partner. „Du bist das erste Digimon, das wir gesehen haben, seit wir in die digitale Welt gekommen sind. Und das heißt doch, dass irgendetwas vor sich geht.“

Daraufhin wiegte Gokuwmon seinen Kopf von einer Seite auf die andere. „Es passieren Dinge, ja.“ Es nickte bedächtig. „Ja, Dinge passieren. Seltsame Dinge. Diese Welt verändert sich.“

„Sie verändert sich?“, hakte Makoto nach und kam nicht umher ein unwohles Gefühl in der Magengegend zu spüren. Eine Veränderung, die dafür sorgte, dass die Digimon verschwanden, konnte nicht gut sein, oder? „Was verändert sich?“

„Dies und jenes“, erwiderte das Digimon. „Die Atmosphäre, könnte man sagen.“

Kaito schnaubte ein wenig aufgebracht aufgrund dieser wagen Aussage. „Aber warum verschwinden Digimon?“

„Das weiß ich nicht“, antwortete ihm Gokuwmon. „Woher sollte ich das auch wissen? Aber man sagt, so habe ich gehört, das etwas anderes in dieser Welt ist. Etwas neues.“

„Ein neues Digimon?“, fragte Kaito, doch es war Kuraimon, das nun den Kopf schüttelte.

„Nein“, murmelte es. „Kein Digimon. Etwas anderes, oder?“

Gokuwmon nickte. „Ja, etwas anderes.“

Makoto sah es an und wusste nicht, was er sich aus dieser Information machen sollte. Was konnte in dieser Welt sein, das kein Digimon war? Und wieso verschwanden die Digimon? War es gefährlich? Wahrscheinlich. Und genau als er daran dachte, ertappte er sich bei dem Wunsch, dass Ai und Impmon hier wären, doch er verdrängte diesen Gedanken wieder. Er war hierher gekommen, um seinen eigenen Weg zu finden.

Also seufzte er nur und sah Gokuwmon an. „Sag, Gokuwmon, weißt du, wie wir diese Ebene verlassen können?“

„Verlassen?“, fragte das Digimon. „Du meint in eine der anderen kleinen Welten?“

Makoto nickte, woraufhin Gokuwmon so plötzlich aufsprang, das beide Jungen zusammenzuckten.

„Natürlich weiß ich einen Weg von hier“, meinte es. „Und ich kann ihn euch zeigen.“
 

Die Scharen der Digimon drängten sich durch einen engen Tunnel, während Rin an der Seite von Ai am Ende des Zuges lief, um zu verhindern, das Digimon zurückgelassen wurden, während Takumi und Kotemon an der Spitze zusammen mit Pandamon lief.

Rin fröstelte. Dieser Tunnel machte ihr Angst. Nicht nur, weil er eng war, sondern weil er anders als die große, von einem schimmernden Licht erleuchtete Höhle vollkommen dunkel war. Das einzige Licht kam von bläulich schimmernden Kristallen, die einige der Digimon hielten. Doch das bläuliche Licht war seltsam gespenstisch und ließ alles noch unheimlicher wirken.

Doch das war nicht alles, das ihr seltsam vorkam.

„Was ist?“, fragte Ai, als sie bemerkte, dass Rin die Arme um die Brust geschlungen hatte.

„Ich meine immer, ich würde etwas hören“, flüsterte Rin und versuchte zu lächeln. „Ich glaube, ich bilde es mir nur ein.“

Impmon, das sich widerwillig von Ai tragen ließ, horchte auf. „Hören? Was hörst du?“

Rin merkte, dass sie etwas errötete. Sie hatte nicht gewollt, dass man den Illusionen, die wahrscheinlich nur durch die gespenstische Stimmung und das Tuscheln der vielen Digimon, tatsächlich Aufmerksamkeit schenkte. „Nichts. Nur etwas wie... Wie ein Stöhnen.“ Sie sah über ihre Schulter in die Dunkelheit des Tunnels hinter ihnen.

Da legte Ai eine Hand auf ihren Rücken, während sie im anderen Arm noch immer Impmon hielt. „Mach dir nichts drauß. Ich habe auch etwas Angst.“ Sie lächelte sie an und Rin lächelte zurückhaltend zurück.

Dann gingen sie schweigend weiter durch den Tunnel. Rin fragte sich, ob dieser überhaupt ein Ende finden würde.

Sie hatte ja gewusst, dass die digitale Welt seltsam war, doch wie seltsam sie tatsächlich war, überraschte sie am Ende doch. Nichts hier schien den einfachsten Naturgesetzen zu folgen – ja, sie hatte sogar das Gefühl nicht einmal wirklich sagen zu können, wo oben und unten war und so wie es von ihrer Perspektive aus schien, gingen einige Digimon vor ihnen tatsächlich an der Decke und nicht auf dem Boden der Höhle.

Es war so irreal, wie in einem seltsamen Traum. Einem Alptraum? Sie konnte es nicht sagen.

Doch es war als sie diesen Gedanken hatte, dass sie wieder etwas hörte. Eine Art lautes Stöhnen, gefolgt von einem Knall. Es kam von hinter ihnen aus dem Tunnel.

Unwillkürlich sah sie sich um, ehe sie den Kopf schüttelte und sich wieder nach vorne wenden wollte, doch Ai sah sie besorgt an.

„Ich habe es auch gehört“, flüsterte sie.

„Ich auch“, sagte Impmon grimmig. „Etwas kommt.“

Ai nickte. „Los!“, rief sie dann laut nach vorne. „Lauft schneller, etwas ist hinter uns!“

Die Digimon direkt vor ihnen wurden noch panischer, als sie es ohnehin schon waren und die Panik schwappte wie eine Welle durch die Masse der Digimon nach vorne. Die Karawane beschleunigte sich und während viele Child-Digimon rannten hatten viele der Baby-Digimon keine Wahl, außer so schnell zu hüpfen, wie sie nur irgendwie konnten.

Immer wieder sah Rin, die so schnell ging, wie es die teilweise eher langsamen Digimon vor ihnen zuließen, sich um, bis sie ein Flackern, wie von Flammen, jedoch von seltsam hellen, fast weißen Flammen, hinter sich im Tunnel sah.

Sie fühlte die Angst in sich hochkriechen.

Als sie das nächste Mal nach vorne blickte, sah sie, dass Pandamon stehen geblieben war, während die anderen Digimon um es herumströhmten. „Wir sind hier fast raus“, sagte es, als die beiden Mädchen es erreichten. Mit zusammengekniffenen Augen sah es nach hinten. „Passt auf die Digimon auf.“

„Du kannst nicht einfach hier bleiben“, warf Impmon ein. „Lass uns das machen. Wir sind erfahrene Kämpfer.“

„Deswegen will ich, dass ihr bei den Digimon bleibt“, meinte Pandamon. „Ich vertraue euch. Und wir wissen nicht, was vor uns liegt.“

„Aber...“, setzte Ai an, doch Pandamon schüttelte vehement seinen Kopf.

„Ich komme nach! Geht jetzt!“

Rin sah zu Ai und konnte erkennen, dass es ihr widerstrebte, das Digimon zurückzulassen.

„Komm, Ai“, meinte Impmon und schließlich nickte das andere Mädchen.

So liefen sie weiter ohne sich umzusehen, unablässig am Lauschen ob sie hinter sich einen Kampf entbrennen hören konnten. Doch zuerst hörten sie nichts.

Dann merkte Rin, dass der Gang breiter wurde und sie weiter vorne ein gedämpftes Licht erkennen konnte. Sie beschleunigte ihre Schritte und nahm schließlich ein Upamon, das mit den anderen Digimon nicht mehr mithalten konnte auf den Arm.

Da hörten sie das Geräusch, auf das sie die ganze Zeit gewartet hatten: Etwas knallte hinter ihnen. Es war ein dumpfer knall, als wäre etwas hart gegen den Felsen geschleudert worden.

Rin merkte, dass sie zitterte und drückte nun das Upamon fester an sich, während sie weiterlief.

Dann, so plötzlich, dass sie sich fragte, wie sie es zuvor nicht bemerkt haben konnte, erreichte sie das Ende des Tunnels und trat auf eine weite Wiese hinauf.

Sie waren aus einer riesigen Statue, die sie an die Bilder der Osterinsel, die sie einmal gesehen hatte, erinnerte, nur war das Gesicht irgendwie seltsam und unmenschlich. Tatsächlich war die mindestens zwanzig Meter hohe Statue, aus der sie gekommen waren, nicht die einzige auf dieser Wiese, die vom Licht der realen Welt hoch über ihnen erhellt wurde. Nein, es standen viele dieser dunklen Statuen hier, in den verschiedensten größen. Einige so hoch, wie die, aus der sie gekommen waren, während andere Rin nur zur Hüfte reichten.

„Was ist los? Wo ist Pandamon?“, fragte Takumi, der nun durch die Scharen der Digimon zu ihnen kam, und sah sich um.

„Es wollte kämpfen“, meinte Rin bedrückt und sah in den Tunnel, der wie ein klaffendes Loch unter dem Kinn der Statue prankte. „Es wollte die Digimon beschützen.“

Tatsächlich drangen nun die Laute eines Kampfes aus dem Tunnel hervor. Es klang, als würden Attacken aufeinandertreffen und sie sahen immer wieder Lichtschimmer in der schwarzen Finsternis des Gangs.

„Wir müssen ihm helfen!“, meinte Takumi nun, während Kotemon sein Bambusschwert zog.

Die beiden Mädchen sahen sich an.

„Nein“, sagte Ai schließlich mit zitternder Stimme. „Wir müssen die Digimon in Sicherheit bringen.“

„Was ist denn los?“, fragte das Upamon in Rins Armen verängstigt.

Rin sah zu ihm und seufzte schwer. „Wir müssen weiter.“

Nun war es Ai, die in die Mitte der Digimon ging. „Kommt, Digimon, wir sollten weitergehen. Wir müssen von hier fort, damit wir in Sicherheit sein können.“

„Aber was ist mit Pandamon?“, warf ein Gabumon ein.

„Ja, was ist mit Pandamon?“, meinte auch ein Flamon. „Wir können Pandamon nicht zurücklassen.“

„Wir lassen Pandamon nicht zurück!“, erwiderte Impmon entschlossen. „Aber Pandamon kämpft darin, um euch zu beschützen! Also seit dankbar und bringt euch in Sicherheit!“

Erneut machte sich Unsicherheit zwischen den Digimon breit, doch niemand wollte mehr widersprechen.

„Lasst uns weitergehen!“, rief Ai nun und nahm einem Gaomon einen der leuchtenden Kristalle ab, um ihn in die Höhe zu halten und so den Weg zu weisen.

Als formierten sich die Digmon wieder und folgten ihr, während nun Takumi und Rin die Schlusslichter bildeten.

Doch weit kamen sie nicht, ehe die Druchwelle einer Explosion aus dem Tunnelende hervor und über sie hinweg schoss, so dass Takumi und Rin fast von den Beinen gerissen wurden.

Sie konnten Flammen in der Höhle flackern sehen und Rin wandte den Blick ab. Das arme Pandamon, dachte sie, als Kotemon einen Ruf ausstieß.

„Schaut!“, rief es. „Da!“

Vorsichtig schaute sie und konnte gegen die Flammen zwei Gestalten sehen, von denen eine Pandamon zu sein schien. Sie atmete erleichtert auf, doch im nächsten Moment spürte sie, wie sich Kunemons Beine in ihre Schultern bohrten. Sie wusste, was dies bedeutete: Etwas stimmte nicht. Ganz und gar nicht.
 

Makoto saß gegen einen Felsen gelehnt und starrte in die Nacht. Weder Gokuwmon, noch Kaito und Kuraimon hatten es für eine gute Idee gehalten, bereits aufzubrechen, so dass er am Ende gezwungen war zuzustimmen, dass sie bis zum Ende der Nacht hier blieben.

Kaito hatte sich hingelegt und schlief nun, während Gokuwmon offenbar wieder angefangen hatte zu meditieren und ihm den Rücken zugewandt hatte.

Doch ihm war nicht nach schlafen zu mute. Immerhin war es in dieser Welt nicht zwingend erforderlich zu schlafen, um sich auszuruhen und so dachte er nach oder versuchte es zumindest. Denn eine innere Unruhe hatte Besitz von ihm ergriffen und verhinderte es, dass es einen klaren Gedanken fassen konnte. Es war beinahe, als würde ihn etwas vor einer Gefahr warnen. Aber aktuell konnte er weit und breit keine Gefahr erkennen.

Schließlich schloss er die Augen und versuchte Ruhe zu finden. Tatsächlich döste er irgendwann weg, jedoch nur um kurze Zeit später wieder aus dem Schlaf aufzuschrecken, nachdem er einen seltsamen Schatten und weißes Feuer in seinem Traum gesehen hatte.

„Makoto“, meinte nun Gokuwmon. „Was ist es, was du hier suchst, Makoto?“

Der Junge war so überrascht, dass das Digimon ihn ansprach, dass er für einen Moment kein Wort herausbrachte. Nachdem dieser Moment vergangen war, kam ihm jedoch der Gedanke, dass er diesem Digimon keine Antwort schuldig war.

„Ich weiß, dass du etwas suchst“, murmelte Gokuwmon nun. „Immerhin weiß ich darüber viel, über das Suchen und Finden.“ Es lachte, als hätte es einen Witz gemacht, den Makoto nicht verstehen konnte, weshalb der Junge es etwas entgeistert ansah.

„Aber ich weiß nicht“, meinte das Digimon dann, „ob du das, was du suchst, auf unserem Weg morgen auch finden kannst.“

Weiterhin schwieg Makoto nur. Er zog seine Beine an den Körper heran und legte seinen Kopf auf die Knie, während er auf die dunkle Ebene unter ihnen starrte.

Ihm war auf einmal klar, dass er sie vermisste. Die reale Welt. Ai und Impmon. Sogar Takumi und Rin irgendwie, auch wenn sie, wie er sich sagte, nie seine Freunde gewesen waren. Doch aus irgendeinem Grund vermisste er sie. Sie alle. Und das erste Mal in den letzten drei Tagen gestand er sich ein, dass es vielleicht ein Fehler war hierher zu kommen.

Und dabei ahnte er zu diesem Zeitpunkt nicht einmal, das Ai, Impmon und auch die beiden anderen ihm in die digitale Welt gefolgt waren und sich deswegen nun in Gefahr befanden.
 

Weiße Flammen umspielten die Gestalt der beiden Digimon, die dort in der Höhle standen und erst, als sich die Augen der drei Tamer an das flackernde Licht gewöhnt hatten, konnten sie erkennen, dass etwas nicht stimmte.

„Es ist, wie in der realen Welt“, flüsterte Rin verängstigt. Sie spürrte ihr Herz gegen ihren Brustkorb schlagen. „Wir mit den Digimon...“ Sie sah zu Kunemon und erinnerte sich noch zu gut daran, wie es war, als Kunemon von diesem seltsamen Etwas besessen gewesen war.

Doch genau dasselbe schien mit Pandamon passiert zu sein, das so seltsam blass wirkte, während seine Gestalt immer wieder merkwürdig flimmerte.

Für einen Moment sahen alle drei Tamer die beiden Digimon – Pandamon und Meramon – wie gebannt an, ehe Takumi als erster reagierte. „Kotemon!“, rief er aus, worauf sein Partner, das Bambusschwert bereits in der Hand, losstürmte.

„Card Slash!“, rief Takumi. „Matrix Evolution!“ Damit zog er die blaue Karte, die er einmal von Takato bekommen hatte, durch sein Digivice, das im nächsten Moment aufleuchtete.

„Kotemon – Shinka! Dinohumon! Shinka! Hanehamon!“

Die Gestalt Kotemons hörte erst dann wieder auf zu leuchten, als sie die Perfectform erreicht hatte und es stürmte los, um die Digimon anzugreifen.

„Aber was macht ihr da?“, rief Bearmon aus. „Warum greift ihr Pandamon an?“

Auch einige der anderen Digimon empörten sich, während Rin sie nur bedauernd ansah. Wie sollten sie Ihnen erklären, was dort vor sich ging?

„Lizard Slicer!“, rief Hanehamon aus und griff Pandamon damit an. Doch natürlich war es nicht so einfach, denn immerhin waren infizierte Digimon – wie sie schon so oft festgestellt hatten – stärker als sie es normal gewesen wären.

So hob Pandamon eine Faust und schlug Hanehamon zurück, so dass es aus dem Tunnel herausflog und zwischen den schnell auseinanderstobenen Digimon auf dem Boden landete.

Dann hob das Meramon eine Hand, über der ein Flammenball entstand, und warf diesen Hanehamon hinterher.

„Hanehamon!“, schrie Takumi, woraufhin sein Partner aufsprang und der Attacke in der letzten Sekunde auswich.

„Ihr müsst hier weg!“, rief nun Ai den anderen Digimon zu. „Schnell!“

Doch die Digimon bewegten sich nicht. „Aber Pandamon!“, echote es durch ihre Reihen.

Da kam Pandamon selbst aus dem Tunnel hervor, die flackernden Krallen ausgefahren und griff Hanehamon an, welches seine Arme hob um mit den Klingen an diesen die Angriffe abzuwehren.

„Hört auf zu kämpfen!“, rief Bearmon nun aus und sein Ruf wurde von den anderen Digimon geechot.

Daraufhin fuhr Pandamon überraschend zu dem Child-Digimon, das neben Takumi stand, herum und hob einen seiner krallenbewährten Arme, ehe es seine messerschafen Krallen auf es hinabfahren ließ.

„Nichts da!“ Hanehamon griff nach dem Arm, um Pandamon davon abzuhalten, das Digimon zu töten, das nun mit feuchten Augen zu Pandamon blickte.

„Aber Pandamon!“

„Das ist nicht mehr Pandamon!“, sagte Ai nun laut und an die Digimon gewandt. „Es ist besessen und kann euch nicht mehr hören.“

„Aber wir müssen etwas tun“, meinte ein Koromon an ihrer Seite.

Die drei Tamer sahen sich an, doch Rin wusste nicht, was sie hätten tun sollen. Zwar hatte es Takumi damals geschafft, Kunemon von dem seltsamen Virus zu befreien, aber vielleicht waren Digimon von Tamern anders, als Wilde. Außerdem war da noch Meramon, das nun erneut Flammenbälle auf sie warf.

„Card Slash!“, rief nun Ai aus. „Brave Shield!“

Damit sprang Impmon vor, die Arme in die Höhe gestreckt, ehe vor diesen das Schild War Greymons erschien und die Angriffe Meramons abwährte, während die Digimon nun hinter Ai flohen.

Impmon, das nun flackernde Schild noch immer über sich gehoben, drehte sich zu ihr um. „Ai!“

Das Mädchen schien zu verstehen. „Bist du sicher?“, fragte sie, woraufhin das Digimon nickte.

Eine weitere Salve Flammenbälle kam auf sie zugeschossen, während Hanehamon noch immer seine Mühe damit hatte, die Angriffe Pandamons abzuwehren.

Da nickte auch Ai und hob ihr Digivice, während sie auf Impmon zulief. „Matrix Evolution!“, rief sie, ehe das Gerät sie und das Digimon in Licht hüllte.

„Impmon – Shinka! Beelkomon!“

Das Dämonendigimon rannte auf die beiden kämpfenden Perfects zu und sprang in die Höhe, ehe es mit einem Tritt Pandamon gegen eine der Statuen beförderte. „Kümmere dich um Meramon!“, sagte es in befehlerischem Ton zu Hanehamon, das nur nickte.

Während Hanehamon nun auf Meramon zulief, bevor dieses weitere Attacken abfeuern konnte, sah Rin sich um. Denn die Wahrheit war, dass sie nicht kämpfen wollte, nicht gegen diese infizierten Digimon – nicht gegen Pandamon, das vorher so nett zu ihnen gewesen war.

Schließlich sah sie zu Kunemon. „Komm, wir bringen die Digimon hier weg“, flüsterte sie und nahm eine normale Karte aus ihrem Deck, um Kunemon digitieren zu lassen.
 

Derweil kämpfte Beelkomon gegen Pandamon, das zwar durch den Virus – oder was auch immer es war – schneller war als zuvor, jedoch nicht mit Beelkomon als Ultimate mithalten konnte. Doch Ai, im Inneren von Beelkomon, war noch immer unschlüssig. Sie wusste, dass sie die Digimon beschützen mussten, doch war es nicht eigentlich auch Pandamons Wunsch gewesen die Digimon zu beschützen?

Immerhin hatte es den Kampf gegen Meramon aufgenommen, um genau dies zu erreichen. Gab es wirklich keine Möglichkeit, Pandamon zu retten?

Anders aber als Rin wusste sie, das Wilde die Daten, die zur Digitation nötig waren, anders aufnahmen und in ihren Digicore einspeisten, als Digimon mit einem Partner, weshalb es einfacher war, ein Digimon mit einem Tamer dazu zu zwingen auf ein niedrigeres Level zurück zu digitieren.

Ai!“, hörte sie die Stimme Impmons und merkte zu spät, dass ihre Zögerlichkeit dazu geführt hatte, dass sich Beelkomons Reflexe verlangsamten. Zu spät hob das Digimon die Arme, um einen Schlag Pandamons abzuwehren.

„Beelkomon!“, hörte sie die Stimme Takumis, der sich besorgt zu ihnen umgewandt hatte.

Doch der eine Schlag hatte Beelkomon nur wenig Schaden gemacht, so dass es leichtfüßig wieder auf die Beine sprang und nun dazu überging, einen Gegenangriff auszuführen.

Ai“, erklang Impmons Stimme erneut, während ihr gemeinsamer Körper Schläge auf den Gegner hinabhageln ließ, „wir müssen es besiegen.

Nein!“, erwiderte Ai. „Wir müssen zumindest versuchen es zu retten. Und das Meramon.“ Denn sie konnte sich denken, dass dies Candmon war, das durch diesen Virus irgendwie zur Digitation gezwungen worden war, so wie es bei Flymon damals geschehen war.

Aber was hast du vor?“, fragte Impmon, jedoch ohne eine Antwort zu erhalten.

Als Pandamon zum Gegenschlag ausholte, fing Beelkomon seinen Arm auf und warf es gegen eine der kleineren Statuen, die in Datenpartikel zerstob.

Die kleinen Digimon folgten mittlerweile Rin, die auf dem Rücken Flymons saß.

Zöglich zog Beelkomon seine Pistole und zielte auf Pandamon, das nur langsam auf die Beine kam. „Fly Bullet!“, rief es dann, doch die Kugel traf den Boden neben Pandamon.

Ai!“, erklang erneut Impmons Stimme und Ai wusste, dass der Vorwurf in dieser berechtigt war. Sie hatte Angst Pandamon zu töten. Das Digimon hatte immerhin auch sie beschützt.

Aber sie mussten es besiegen, bevor sich der Virus noch weiter ausbreitete – zumindest war es die Theorie, die Ai aufgestellt hatte: Wenn ein Digimon zu lange mit diesem Virus infiziert war, konnte man es vielleicht nicht mehr rückgängig machen.

„Fly Bullet!“ Noch einmal schoss Beelkomon auf Pandamon, das nun auf sie zustürmte, und traf es dieses Mal in die Schulter.

Das Digimon hielt in seinem Angriff inne und ließ ein Heulen hören, das beinahe schon gespenstisch klang.

„Pandamon!“, erklang da ein Ruf, das – wie sie sahen – von Bearmon kam, das sich offenbar hinter einer der Statuen versteckt hatte, anstatt zusammen mit den anderen Digimon zu fliehen.

Das infizierte Digimon reagierte nicht sofort, sondern starrte nur mit leeren Augen in die Gegend.

„Pandamon?“ Die Stimme Bearmons wurde unsicherer, da es sich ganz offenbar noch an den Angriff zuvor erinnerte. Dennoch machte es einen Schritt auf die beiden kämpfenden Digimon zu.

Ai...“, flüsterte Impmon, während Pandamon sich langsam regte und sich zu Bearmon umdrehte, das nun eine Tatze nach dem größeren Digimon ausgestreckt hatte.

„Ich weiß, dass du noch da bist, Pandamon“, hauchte Bearmon. „Du hast doch versprochen uns zu beschützen!“

Doch da kamen erneut Klingen aus der Tatze von Pandamon hervor.

Beelkomon reagierte sofort. Mit einem weiteren Tritt beförderte es Pandamon in die Luft, mit einem Schlag ließ es das infizierte Digimon gegen eine der größeren Statuen fliegen, gegen das es hart aufprallte, wobei sich einige Datenpartikel aus seinem Körper lösten.

„Fly Bullet!“, rief Beelkomon, während es noch in der Luft war, und feuerte seine Waffe ab, während Ai im Innern des Digimons nur hoffen konnte, dass es funktionierte.

Die glühende Kugel traf Pandamon im Kopf.

Eine Datenwolke stob aus Pandamon hervor, ohne dass sie erkennen konnten, was geschehen war.

„Pandamon!“, schrie Bearmon, ehe eine kleine Gestalt gen Boden fiel.

Mit noch immer ausgestreckter Waffe ging Beelkomon auf das am Boden liegende Digimon zu, das zwar von heller Gestalt, aber nicht seltsam flackernd erschien, wie es bei Pandamon zuvor der Fall gewesen war.

Ai atmete auf.

„Takumi!“, rief Beelkomon zu dem Jungen und seinem Digimon hinüber. „Das muss Candmon sein! Versuch es wie bei Waspmon!“

Takumi sah zu ihnen und nickte.
 

Wie immer in der digitalen Welt kam der Morgen ohne eine vorherige Dämmerung. Mit einem Mal wurde es hell auf dem Felsenplateau, wo Kaito und Kuraimon noch schliefen, während auch Makoto vor sich hindöste, jedoch bald erwachte, als er das Licht um ihn herum wahrnahm.

Er stand auf und sah auf die zerkluftete Landschaft unter ihnen, in der die Flüsse nun hell funkelten, obwohl es keine Sonne gab, die sie hätten reflektieren können. Dann wandte er seinen Blick zum Himmel hinauf, wo er weit entfernt die reale Welt erkennen konnte, wo man sich fraglos um ihn – und um Kaito Sorgen machte.

Gokuwmon, das die ganze Zeit im Lotussitz meditiert hatte, sprang auf einmal auf. „Lasst uns gehen!“, sagte es in einem seltsam entschlossenem Tonfall.

Kuraimon blinzelte. „Gehen?“, murmelte es, während es sich aufrichtete.

„Ihr wart es, die eine andere Ebene erreichen wolltet“, erwiderte Gokuwmon.

Das offenbar etwas überrumpelte Kuraimon nickte nur und wandte sich dann zu seinem Partner um, damit es diesen wachrütteln konnte.

„Was?“, murmelte Kaito schlaftrunken, woraufhin sein Partner nur „Wir wollen gehen“ flüsterte.

So also machten sie sich auf den Weg, Gokuwmon folgend, das sie zu ihrer Überraschung nicht wieder vom Felsen hinabführte, auf dem sie standen, sondern nur in die Richtung, in der ein scheinbar schieres Kliff zu einem der Flüsse hinabfiel.

Vor dem Abgrund jedoch bleib es stehen. Hier war ein perfekter, runder Stein, dessen Durchmesser etwa der Länge von Makotos Unterarm entsprach. Mit seinem Stab stieß Gokuwmon gegen den Stein, der auf einmal aufleuchtete.

Ehe sie sich versahen, breitete sich dichter Nebel um sie herum aus.

„Was ist das?“, fragte Kaito und blinzelte in den hellen Nebel hinein.

„Folgt mir“, sagte Gokuwmon, ohne direkt auf die Frage zu antworten. Dann trat es ins Leere und blieb – zum Erstaunen der beiden Jungen – einfach dort schweben.

Makoto sah auf den Boden unter Gokuwmons Füßen oder besser auf die Stelle, wo eigentlich Boden hätte sein müssen, jedoch nicht zu sehen war. Eine unsichtbare Brücke? Er zögerte, machte dann jedoch einen Schritt nach vorn und tatsächlich spürte er einen Widerstand. Er machte einen weiteren Schritt und stand – zumindest dem Anschein nach – nun komplett in der Luft.

Damit wandte er sich zu Kaito um. „Es ist sicher. Es scheint eine Art unsichtbare Brücke zu sein.“

Kaito sah ihn an. „Das ist verrückt.“

„Nicht in dieser Welt“, erwiderte Makoto und schüttelte den Kopf. „Nicht hier.“

Kuraimon flog los und landete neben ihm auf der unsichtbaren Brücke. „Komm, Kaito.“

Erst jetzt wurde Makoto bewusst, dass Kaito tatsächlich zögerlich war ihnen zu folgen, und sich offenbar fürchtete.

„Komm schon, Nakamura-san“, meinte er nun zu ihm und hielt ihm die Hand entgegen. „Du willst deinen Bruder doch finden, oder?“

Noch immer zögerte Kaito, doch dann ging er los, auch wenn er dabei die ihm angebotene Hand ignorierte und auf der unsichtbaren Brücke ab Makoto vorbei lief.

Makoto seufzte und beschleunigte dann seinen Schritt, da Gokuwmon nur noch ein entfernter Schatten im Nebel war und er – auch wenn er wusste, dass er so einfach in dieser Welt nicht sterben konnte – keine Lust hatte den Weg zu verlieren und in das nebelige Nichts unter seinen Füßen zu fallen.
 

Zu einer anderen Zeit, doch auch am frühen Morgen, stand Megumi auf einer schmalen Straße in San Francisco, wo Keith McCoy sie hingefahren hatte. Sie sah auf ihr Smartphone und die Adresse, die Shibumi in seiner Email angegeben hatte.

Ihr war bei der Sache nicht wohl, doch sie sagte sich, dass sie keine Wahl hatte.

Auch in der Bucht von San Francisco, die sie von hier aus sehen konnte, war es nebelig, auch wenn der Nebel nicht bis in die etwas höher gelegenen Straßen reichte.

Sie seufzte und sah sich nach der richtigen Hausnummer um – was verwirrend war, da die Reihenhäuser hier sich alle irgendwie ähnlich saßen, von den Farben einiger Haustüren einmal abgesehen.

Noch immer stand der helle Wagen von Keith neben ihr. „You don't need to go alone“, meinte er nun zu ihr, da er ihr offenbar ihre Unsicherheit ansehen konnte.

Erneut seufzte sie. Denn am liebsten hätte sie ihn gebeten, sie zu begleiten, da ihr bei der Sache nicht wirklich wohl war. Doch sie gab sich einen Ruck, da Shibumi sie gebeten hatte, allein zu kommen. Zwar war ihr dabei wirklich nicht wohl und sie fand es auch etwas seltsam, doch glaubte sie nicht, das Shibumi ihr etwas antun würde. Außerdem, so dachte sie sich, war Shibumi nun einmal seltsam. Dennoch hätte sie es bevorzugt, hätten sie sich in Anwesenheit von Dolphin und Janyuu in der Universität getroffen.

„It's alright“, erwiderte sie und sah zu Keith. „But it would be nice if you get me later.“

Keith zögerte und schürzte die Lippen. „I actually think, I will wait here“, meinte er und sie bemerkte, dass er nervös mit einem Finger gegen das Lenkrad trommelte.

Der höfliche, japanische Teil in ihr, wollte ihm versichern, dass dies nicht notwendig war, doch auch als sie den Mund öffnete, kam keine derartige Erwiderung aus ihm hervor. „Thank you“, sagte sie schließlich.

Dann wandte sie sich um und holte tief Luft, ehe sie zur Hausnummer 442 sah, die auf der anderen Straßenseite war. Sie ging hinüber und sah auf das Schild neben der Tür, auf dem Tatsächlich in Romanji der Name „Mizuno“ aufgebracht war.

Dann streckte sie die Hand aus und klingelte.

Episode 38: Shibumi

Episode 38: Shibumi
 

Bis ich Cellomon getroffen habe, ist nie etwas gutes in meinem Leben passiert. Cellomon war mein erster und bester Freund und nie, nie werde ich erlauben, dass man ihm etwas tut. Nie werde ich erlauben, dass wir getrennt werden. Bevor ich dies zulasse, werde ich sterben. Ich will nie wieder ohne Cellomon sein. Ich will nie wieder nach Hause zurück.

– Nicolas Tawney
 

Megumi wandte sich um und holte tief Luft, ehe sie zur Hausnummer 442 sah, die auf der anderen Straßenseite war. Sie ging hinüber und sah auf das Schild neben der Tür, auf dem Tatsächlich in Romanji der Name „Mizuno“ aufgebracht war.

Dann streckte sie die Hand aus und klingelte.

Zuerst geschah nichts, doch nach einigen Sekunden konnte sie hören, wie jemand sich im Haus der Tür näherte.

Megumi hörte, wie von innen mehrere Schlösser geöffnet wurden, ehe schließlich die Tür aufging. Dann stand Shibumi vor ihr.

Im Nachhinein vermochte sie nicht zu sagen, was sie erwartet hatte, doch zumindest war es etwas anderes gewesen, als das was sie nun sah.

Shibumi wirkte heruntergekommen. Nachdem er im vergangenen Winter kurze Haare getragen hatte, waren sie nun wieder gewachsen und wirkten unordentlich, da er sie nicht im geringsten frisiert hatte. Auch trug er eine Art Jogginganzug, anstatt richtiger Kleidung und wirkte dabei nicht im geringsten, als hätte er Besuch erwartet.

Er sah sie für einen Moment ohne jedwede Emotion an und nickte dann. "Sie sind wirklich gekommen“, stellte er dann fest, jedoch ohne dass seine Stimme irgendeine Überraschung über diese Tatsache vermuten ließ. Es wirkte mehr wie eine nüchterne Feststellung.

Megumi war überrumpelt. Sie hatte zumindest mit einer Begrüßung oder vergleichbarem gerechnet und sicher nicht damit, einfach nur mit leeren Augen angesehen zu werden. So brauchte sie einen Moment, um sich zu fangen und zu antworten. "Ja, ich bin gekommen“, antwortete sie. "Aber warum, Mizuno-san? Warum...“ Sie zögerte einen Augenblick. "Warum wollen sie mich sehen und nicht Lee-san oder Dolphin?“ Diese Frage platzte nun aus ihr heraus, weil sie sie bereits seit ihrem Emailwechsel vor einigen Wochen gequält hatte.

Doch erneut fragte sie sich, was sie erwartet hatte, denn die einzige Antwort, die sie bekam war ein Schulterzucken, ehe Mizuno Gorou sich abwandte und in das Haus hineinging.

Erneut zögerte Megumi, entschloss sich dann aber ihm zu folgen – immerhin war sie hergekommen, um mit ihm zu sprechen, oder?

An sich war es kein kleines Haus – zumindest wenn man japanische Verhältnisse oder schlimmer noch tokyoter Verhältnisse gewohnt war. Es gab eine geräumige Diele und eine Treppe, die in ein zweites Stockwerk führen. Direkt in der Diele war eine Waschmaschine eher schlecht als recht angeschlossen, doch ansonsten war hier nichts zu sehen – nicht einmal Jacken oder Schuhe, die zum Ausgehen bereit standen.

Einzig dicke Kabelbünde waren zu sehen, die von einer Art Kellertreppe, wie es ihr schien, in den Flur kamen und von dort aus weiter verlegt waren. Dabei schien "verlegt“ vielleicht nicht das richtige Wort zu sein, denn tatsächlich waren die Kabel einfach mit Kabelbindern zusammengebunden und mit Panzerband in der Ecke zwischen Wand und Boden fixiert worden.

Alles wirkte heruntergekommen oder viel eher so, als sei das Haus nicht einmal richtig eingerichtet worden.

Doch sie folgte Shibumi, der sie nun um eine Ecke in der Diele führte in einen geräumigen Raum. Nun, zumindest wäre der Raum sehr geräumig gewesen, wäre er nicht größtenteils mit Rechnern, Kühlgeräten und anderen technischen Anlagen zugestellt gewesen, die sogar die Fenster, die Megumi an der gegenüberliegenden Wand vermutete, verdeckten, so dass das einzige Licht im Raum von gesamt zwölf Bildschirmen kam, von denen drei auf einem Schreibstisch standen, während zwei weitere über diesem fixiert waren.

Verschiedene Dicke Kabel lagen lose über den Boden und Verbanden verschiedene Geräte, die zusammen ein lautes Summen ertönen ließen.

"Was ist das hier?“, fragte Megumi. Zuerst flüsterte, doch dann merkte sie, dass sie lauter reden musste, damit man sie über das Summen der verschiedenen Rechner und des Zubehörs hören konnte. "Mizuno-san, was ist all dies?“

Shibumi hatte auf einem zerschlissenen Bürostuhl vor dem Schreibtisch platz genommen und seine Aufmerksamkeit wieder den Bildschirmen zugewandt, während er mit unglaublicher Geschwindigkeit etwas auf einer Tastertur eintippte.

Zuerst schien es, als wolle er nicht antworten, doch dann öffnete er doch den Mund. "Das hier ist meine Forschungsanlage.“

"Aber was...“ Megumi schüttelte verwirrt den Kopf.

Es war so seltsam. Mizuno Gorou, Shibumi, war vor nun mehr fast sieben Monaten verschwunden und hatte seine Arbeit bei der amerikanischen Regierung aufgegeben. Wenn er forschen wollte, warum tat er es nicht bei der Regierung? Und wie war er an all diese Rechner gefunden?

Diese Fragen schossen Megumi durch den Kopf, doch sie wusste nicht, ob sie sie stellten konnte.

Sie tat sich schwer, den Mann, der ihr den Rücken zugewandt hatte und offenbar an mehreren Bildschirmen und mit zwei Tastaturen gleichzeitig arbeitete, einzuschätzen.

"Mizuno-san“, setzte sie nun erneut an und bemühte sich dabei ihrer Stimme einen festeren Klang zu geben, "warum haben Sie mich hierher gerufen? Und warum nicht Lee-san oder Dolphin?“
 

Denrei sah nachdenklich aus dem Fenster seines Zimmers, ohne wirklich hinaus zu sehen.

"Schau nicht so bedrückt, Denrei“, meinte Shuichon und trat hinter ihn. Sie legte ihm die Hände auf die Schultern und massierte diese ein wenig.

"Was mache ich eigentlich hier?“, murmelte er missmutig.

Shuichon hüstelte. "Du wolltest mitkommen, erinnerst du dich? Es hat dich niemand gezwungen, ganz im Gegenteil.“

Der junge Mann seufzte tief und drehte sich schließlich zu ihr um. "Ja, ich weiß“, antwortete er. "Aber unten in der Lobby hockt wahrscheinlich noch jener große Bruder von dir, der mich angiften wird, wenn er mich sieht.“

Nun verdrehte Shuichon die Augen. "Könnt ihr mit eurem Zickenkrieg wirklich nicht aufhören?“, fragte sie.

Denrei wusste es besser, als etwas gereiztes zu erwidern, zuckte stattdessen nur mit den Schultern.

"Und außerdem ist Jenrya mit meinen Eltern in die Stadt gefahren. Ich habe gesagt, dass ich bei dir bleibe.“ Sie beugte sich und küsste ihn auf die Wange. "Aber du lässt mich die Entscheidung bereuen, wenn du hier nur so missmutig rumhockst.“

"Jaja“, meinte er und seufzte.

"Außerdem langweilen sich die Digimon.“ Damit nickte sie zu dem Sofa, auf dem die Digimon in einer Art Wachschlaf lagen und verträumt den Ventilator ansahen, der sich unter der Zimmerdecke drehte.

"Moumantai“, seufzte Lopmon sehr leise.

Noch einmal seufzte Denrei, dann stand er auf. "Ist ja schon gut“, erwiderte er. "Also... Was hast du vor?“

Shuichon grinste. "So ist es schon besser. Alex fragte, ob sie uns die Stadt zeigen solle.“

"Sie ist noch hier?“, fragte Denrei überrascht.

"Ja, sie meinte, sie wolle nicht mit Jenrya rumhängen, solange er so miesepetrig dreinschaut.“

Daraufhin konnte sich Denrei ein Grinsen nicht ganz verkneifen. Diese Einstellung konnte er nur zu gut verstehen.

"In Ordnung“, stimmte er dann zu.
 

"Diese Welt und die digitale Welt“, sagte Mizuno Gorou nach einem Moment des gleichmäßigen Rauschens der Rechner, "gehen zuende.“

"Wovon reden Sie?“, fragte Megumi, noch immer angestrengt versucht, ihrer Stimme einen festen Klang zu geben.

Tatsächlich verstand sie nicht, was er sagte, doch trat sie nun langsam aber vorsichtig hinter Shibumi, um zu sehen, was auf seinen Bildschirmen angezeigt wurde.

Für einen Laien hätten die Bildschirmanzeigen wenig ausgesagt, da es Zahlen, Programmcode und sich veränderne Diagramme waren, doch Megumi verstand sie nur zu gut. Sie waren eine abgeänderte Version der Überwachungsanzeigen der digitalen Welt, wie sie auch in der Hypnoszentrale verwendet wurden.

"Es heißt“, antwortete Shibumi, "dass beide Welten vernichtet werden, wenn es nicht aufgehalten wird.“

Megumi starrte auf seinen Rücken, dann wieder auf die Rechner. Diese Behauptung erschien ihr aberwitzig. Natürlich wusste sie, dass etwas mit beiden Welten nicht stimmte, doch dass die Welten deshalb untergehen würden... Nein, das schien zu weit hergeholt.

Vor allem aber stellte sich ihr so eine andere Frage:

"Aber warum reden Sie dann mit mir? Warum nicht mit Lee-san oder Dolphin?“

"Weil Dolphin zwischendurch für die Regierung gearbeitet hat, wie ich...“

"Und Lee-san?“, fragte Megumi, doch erneut erhielt sie keine Antwort.
 

Es war dunkel geworden in Tokyo – richtig dunkel sogar, da selbst die Straßenbeleuchtung in Chou ausgefallen war, nachdem ein weiteres dieser seltsamen Wesen aufgetaucht war. Doch es störte Ryou nicht, denn die Augen Justimons konnten auch in der Finsternis genug sehen und außerdem sendete ihr Gegner selbst ein sanftes Licht von sich aus.

"Hör auf, Ryou!“, flehte die Stimme Monodramons ihn an, doch aus irgendeinem Grund konnte das Digimon nichts tun, um die Kontrolle über den von ihnen geteilten Körper zu erlangen.

Doch es brachte nichts. Trotz allem konnten sie dem Wesen keinen Schaden zufügen, wie auch bei dem ersten Wesen, das erschienen war.

Dies würde Ryou aber nicht davon abhalten, es weiter zu versuchen. Kämpfen war das einzige, das er noch tun konnte, zu nichts anderem war er gut. Also würde er kämpfen – gegen dieses seltsame Wesen.

Dabei konnte er nur froh sein, dass er der erste war, der hier angekommen war – denn immerhin würden ihn Takato und die anderen nur wieder davon abzuhalten versuchen, gegen dieses Untier zu kämpfen. Dabei zerstörte es doch diese Welt! Dabei zerstörte es durch seine bloße Anwesenheit die Welt um sie herum!

Niemand würde ihn davon abhalten, dies zu verhindern!

Es war seine Aufgabe, als Tamer!

"Accel Arm!“, rief Justimon und schlug gegen die kleinen Tentakel, die sich nach seinem Körper ausstreckte. Diese wurden durchtrennt und zervielen zu Daten, während das Wesen wieder seinen seltsamen Walgesang hören ließ.

Doch auch diesen beachtete Ryou nicht, sondern griff lieber erneut an.

"Justice Kick!“

Justimon versuchte den eigentlichen Körper des Wesens zu attackieren, doch wie auch beim letzten Mal glitt sein Bein einfach in den Körper des Wesens hinein und verschwand zwischen den sich drehenden Tetraedern.

"Hör auf!“, erklang ein lauter Ruf und auch ohne hinzusehen, wusste er, dass es Dukemon – oder viel besser: Takato und Guilmon – war.

Weitere der kleinen Ärmchen wanden sich um Justimons Körper, doch es warf sich zurück und schaffte es, sich durch den Schwung zu befreien und auf dem flackenden Beton der Durchgangsstraße zu landen, noch bevor Dukemon sie erreichte.

"Blitz Arm!“, rief Justimon und schlug auf den Boden, woraufhin die Elektrizität durch den Boden auf das Wesen zuschoss.

Erneut konnte Ryou Dukemon rufen hören: "Hör auf!“ Und ehe er sich versah, wurde Justimon zur Seite getackelt.
 

"Tao...“, murmelte Shibumi nachdenklich. "Tao würde mir nicht glauben wollen. Er hat so viel, dass er beschützen will...“

Megumi sah ihn an. Langsam begann sie dieses Gespräch zu frustrieren, auch wenn sie nicht einmal genau sagen konnte, weshalb. Vielleicht war es, weil sie auf andere Antworten gehofft hatte... Auf Antworten zu den Fragen, die sie nun seit Monaten quälten. Doch damit konnte sie ganz offenbar nicht rechnen.

"Außerdem“, fuhr der Mann nun fort, ohne den Blick von den Bildschirmen abzuwenden, "ist vieles von dem, was die Welten nun bedroht, unsere Schuld. Wir haben es herauf beschworen.“ Für einen Moment zögerte. "Vielleicht... Vielleicht war es auch ich...“

Ganz ohne dass sie es wollte, spürte Megumi, wie sich ihre Faust ballte. "Wovon reden Sie?“

Erneut gab Shibumi etwas auf einer der beiden Tastaturen, die vor ihm lagen, ein, und es schien beinahe, als wolle er eine Antwort herauszögern. Dabei war er ihr zumindest doch das schuldig, oder?

"Wovon reden Sie?“, wiederholte Megumi ihre Frage nun mit größerem Nachdruck als zuvor und, wie sie selbst bemerkte, einiger Wut in der Stimme.

Gedankenverloren starrte der Mann auf die Bildschirme. "Ich habe es damals nicht erkannt... Nun, wie hätte ich es damals erkennen können? Wir konnten uns dergleichen doch damals kaum vorstellen.“ Erneut verstummte er, starrte und schwieg wieder.

Megumi sah auf seinen Nacken. "Ich verstehe nicht, wovon Sie sprechen, Mizuno-san.“

Schweigen. Stille, abgesehen vom Surren und Summen der Rechner in diesem Raum.

Dann drehte er sich zu ihr um. Sein Blick wirkte noch immer selstsam leer. "Diese Welt und die digitale Welt sind von gleicher Natur. Sie sind nicht 'real', sie sind nicht 'physisch', sondern nicht mehr, als eine Simulation.“

Ein seltsames Gefühl machte sich in Megumis Magengegend breit, während sie selbst kein Wort herausbrachte. Sie starrte ihn an. "Sie sind verrückt“, flüsterte sie schließlich.
 

Wind wehte durch die langen Haare des Jungen, während sein Partner mit ihm durch die Berglandschaft des Mill Valley trabte. Schon seit einer Weile hatte er ein ungutes Gefühl in der Magengegend, doch es war, als sie den Wald verließen, dass er das erste Mal den Helikopter sah, der – noch immer ein ganzes Stück von ihnen entfernt – zwischen zwei Bergspitzen zu sehen war.

"Schneller, Redmon“, flüsterte er dem Digimon, auf dessen Schulter er saß, zu.

Das Digimon, dessen Gestalt Assotiationen mit mittelalterlichen Teufelsdarstellungen erweckte, knurrte und beugte sich vor, um noch schneller laufen zu können. Dabei erreichte es mit seinen eher kurzen Beinen ein ohnehin überraschendes Tempo, doch der Junge machte sich keine falschen Hoffnungen: Wenn man sie vom Helikopter aus gesehen hatte, würde man sie früher oder später einholen.

Die einzige Chance, die sie hatten, war die Stadt, die er in der Ferne erkennen konnte und die er erkannte, obwohl er so lange schon nicht mehr in einer Stadt gewesen war. Wenn sie es dorthin schafften, wenn sie es nur über die Brücke schafften, könnten sie vielleicht in der Menge untertauchen.

Doch auf der anderen Seite, lief er in einer Stadt Gefahr, auf Polizisten zu treffen. Polizisten, die ihn fragen würden, ob er die Erlaubnis hätte, ein Digimon zu besitzen.

"Sie kommen näher“, knurrte sein Digimon, während der Junge, der auf den Namen Nico hörte, sich nun umdrehte und tatsächlich sah, dass der Helikopter näher zu sein schien.

Er verfluchte es, noch immer in dieser dämlichen Welt festzusitzen. Wieso konnte er kein Tor in die digitale Welt finden, wo er sich nicht mit Menschen herumschlagen musste? Menschen mit ihren seltsamen Vorschriften...

"Zur Stadt“, flüsterte er dem Digimon zu, das für einen Moment inne hielt.

"Bist du sicher?“, fragte es.

"Wenn die wegen uns hier sind, können wir nur in der Menge verschwinden.“
 

Wenn sie ehrlich mit sich war, musste Megumi zugeben, dass sie dasselbe schon so oft gedacht hatte, seit die Grenze zwischen den Welten verschwomen war. Sie hatte keinen Verrückten mit einem Tamer-Tunier in Tokyo gebraucht, um auf diese Idee zu kommen, da es doch die einzige Möglichkeit war, um so viele Dinge zu erklären.

Ja, eigentlich hatte sie sich dies schon gewundert, als sie damals, vor zehn Jahren, Kinder und Digimon zu einem Wesen hatte verschmelzen sehen, während sie in der realen Welt waren.

Dennoch erfüllten die Worte Shibumis – Mizuno Gorous – sie nun mit einer seltsamen Wut. Wie konnte er es nur wagen, dies zu sagen?, schoss es ihr durch den Kopf.

Doch sie sagte nichts mehr, während er sie anstarrte oder viel mehr etwas für sie unsichtbares in der Luft zwischen ihnen zu beobachten schien.

"Sie müssen selbst darauf gekommen sein“, antwortete er mit seltsam monotoner Stimme. "Die beiden Welten sind sich zu ähnlich, um es anders zu erklären. Und wie sonst soll es möglich sein, dass sie miteinander verschmelzen?“ Er schüttelte den Kopf. "Es ist nur eine Simulation, die mit einer anderen verschmilzt. Deswegen und nur deswegen sind die beiden Welten bereits die ganze Zeit so abhängig voneinander gewesen. Doch wir wollten es alle nicht sehen... Ich wollte es nicht sehen.“

Gedankenverloren wandte er sich dem Rechner wieder zu. "Hätte ich es damals erkannt, hätte ich wohl auf Tao gehört. Dann hätte ich die Gefahr gesehen. Doch ich hatte damals ganz andere Dinge im Kopf und nun...“ Er verstummte und für einige weitere Sekunden herrschte Schweigen.

Wie ein Fisch an Land öffnete Megumi den Mund, brachte aber kein Wort hervor. Wieder öffnete sie den Mund, jedoch noch immer stumm, schloss dann die Augen um sich zu sammeln. Wieso sagen Sie mir das?, wollte sie fragen, doch sie wusste, dass es nicht die Frage war, die er beantworten würde. "Aber selbst... Selbst wenn das stimmt. Was ist nun anders?“

"Nun ist etwas entstanden, das von keiner Simulation beeinflusst wird“, erwiderte Shibumi langsam. "Etwas, das weder wir erschaffen haben, noch... Nun, wer auch immer diese Welt kreiert hat... Vielleicht ist es durch die Entelechie entstanden. Vielleicht war es nur eine Frage der Zeit. Zumindest das kann ich mir noch einreden.“

Megumi verstand sehr wohl, wovon er sprach. "Die Anomalie?“
 

Langsam wurde Takato klar, dass er schon wieder zu spät war. Er würde das seltsame Wesen nicht beruhigen können und dann würde er erneut kämpfen müssen, würde es besiegen – töten – müssen. Weil es die einzige Möglichkeit war, die Menschen von Tokyo zu beschützen. Und doch war es falsch.

„Bitte, beruhige dich!“, rief Dukemon dem Wesen zu. "Bitte, hör mir zu! Ich weiß, du kannst mich verstehen.“

Anstatt das Wesen anzugreifen, stellte es sich mit ausgestreckten Armen vor es hin. "Bitte, wir müssen nicht kämpfen!“

Doch da schossen weitere der seltsamen Ärmchen auf es zu und schlangen sich um beide Arme, die sofort gelähmt waren. Dabei wussten sowohl Takato, als auch Guilmon, dass sie so in Schwierigkeiten gerieten.

„Hör auf, es weiter hinaus zu zögern“, hörte er die gereizte Stimme Yamakis. Sie hatten Dukemon mit einem Code ausgestattet, so dass sie mit der Zentrale in Verbindung bleiben konnten, wobei es nicht so gewesen war, als hätte Takato dagegen Einspruch erheben können.

Er antwortete Yamaki nicht. Sie hatten die Diskussion schon einmal gehabt und er wusste auch, dass Yamaki langsam am Ende seiner Weisheit war, da die Situation so sehr außer Kontrolle geraten war.

Jedoch wollte er diese Attacke nicht einsetzen. Er wollte es nicht benutzen, nachdem was letztes Mal passiert war...

"Takato!“, hörte er Guilmon seinen Namen rufen.

Er konzentrierte sich wieder. Die weißen Flügel auf Dukemons Rücken leuchteten auf, während es dem Wesen in die glühenden Augen sah – noch immer nicht sicher, ob diese überhaupt zum Sehen geeignet waren.

"Bitte!“, flehte Dukemon nun, ohne sich zu bewegen, "du musst nicht gegen mich kämpfen. Wenn du niemanden angreifst kannst du hier bleiben.“

"Accel Arm!“ Sie hatten Justimon beinahe vergessen, dass nun mit einer Attacke die Ärmchen durchtrennte und so auch die Verbindung zwischen Dukemon und dem seltsamen Wesen.

"Halt dich endlich daraus!“, rief Dukemon. "Du musst nicht alles noch schlimmer machen!“

"Ein Danke hätte auch gereicht“, erwiderte Justimon, doch Takato wusste genau, dass es Ryou war, der dort redete.

Die Wut kochte in ihm über.

Dukemon streckte die Hand aus und ließ eine Energiekugel entstehen, die es auf Justimon schoss.

"Hört damit auf, beide!“, konnte er Yamakis Stimme hören. "Matsuda-kun, du musst es zuende bringen, ehe es noch weiteren Schaden gibt. Du kannst an dieser Situation nichts ändern!“

Takato sah das Wesen an. Konnte er wirklich nichts ändern? Er wünschte, er wüsste es. Doch alles, was er wusste, war, dass Yamaki recht hatte: Dieser Kampf musste beendet werden, ehe schlimmeres passierte.
 

Als Shibumi nichts erwiderte, fragte Megumi weiter: „Dann wissen Sie jetzt, was die Anomalie ist?“

Sie erkannte den Code, den er ihr bereits vor sieben Monaten gezeigt hatte, als er nach Tokyo gekommen war, auf einem der Bildschirme. Der Code der Anomalie. Doch auch wenn sie die Zeilen und Zeichen erkannte, so sah sich auch, dass er sich verändert hatte.

Hatte die Anomalie sich wirklich entwickelt, wie es die Digimon taten?

„Es ist etwas aus einer anderen Welt, die ebenfalls digital existiert, jedoch auf einer anderen Ebene als unsere 'Realität' oder die der Digimon. Etwas aus einer zweiten digitalen Welt, wenn man so will.“ Shibumi schwieg für einen Augenblick. „Ich weiß nicht wie es passiert ist, aber diese Welt muss irgendwann mit der unseren oder der digitalen Welt in Kontakt gekommen sein und dadurch muss ein Programm...“ Er brach ab.

Megumi fragte nicht weiter nach. Sie wusste, dass er von der Entelechie sprach, dem Programm, dass den Digimon ermöglicht hatte, sich weiter zu entwickeln, dem Programm, durch dass die Digimon eine eigene Intelligenz und Selbstwahrnehmung entwickelt hatten.

Digimon waren letzten Endes nur Computerprogramme, doch wenn das, was Shibumi sagte, stimmte. Wenn es stimmte, dass beide Welten kaum mehr als eine "Simulation“ waren, wer sagte dann, dass es keine Entelechie der "realen Welt“ gab? Irgendetwas hatte doch auch hier die Evolution angetrieben, wenn es wirklich nur eine Simulation war, musste es auch hier ein Programm geben, dass den Organismen das "Surival of the fittest“ Prinzip gelehrt hätte.

Wieder sah sie auf den Programmcode. "Glauben Sie, dass die Anomalie sich mit der Entelechie entwickelt hat oder... Mit etwas anderem?“, flüsterte sie schließlich. Sie merkte, dass ihr Mund vollkommen trocken war.
 

"And I thought you two were a bit... Less like Jenrya“, sagte Alex und sah zu Denrei, während sie die Promenade am nördlichen Rand von Los Angeles entlang gingen, etwa zwei Stunden, nachdem sie in Paolo Alto losgefahren waren.

"I am sorry“, sagte Shuichon und überlegte, damit ihr die richtigen englischen Vokabeln einfielen. „He is just tired.“

„Ja, dank deinem Bruder“, grummelte Denrei auf japanisch.

„Ach, komm schon“, meinte Shuichon und klopfte ihm auf die Schulter.

Dracomon trottete neben ihnen her, während Lopmon auf seinem Kopf saß und die langen Ohren im Wind wehen ließ. Die beiden Digimon sahen ebenfalls auf die Brücke.

„Die Farbe ist falsch“, meinte Dracomon nachdenklich.

„Brücken sind verschieden, weißt du?“ Lopmon klopfte ihm gegen die Stirn.

„What are they saying?“, fragte Alex.

„They are talking about the color of the Bridge“, antwortete Shuichon. „But... I agree with them. Should it not be gold?“

Nun lachte Alex und grinste sie dann an. „Well, the name would suggest so, right?“

Auch Denrei sah zur Brücke und sah sie gleichzeitig nicht wirklich an. Stattdessen starrte er auf einen Punkt irgendwo oberhalb der Brücke.

Shuichon wusste, dass er noch immer über die Sache mit der Anomalie, die in Tokyo aufgetaucht war, nachdachte. Doch nun, da sie hier waren, konnten sie daran wenig tun – weshalb auch sie sich bemühte, den Gedanken daran zu verdrängen.

„So, tell me, why Jenrya hates him so much!“, meinte Alex nun lachend und wandte sich an Shuichon.

„Ähm“, begann Shuichon. „Because he is my boyfriend... I think.“

Die Amerikanerin grinste. „So Jenrya has some sort of siscon?“

„Yeah.“ Shuichon seufzte und warf Denrei einen Seitenblick zu, da sie beinahe damit rechnete, dass er etwas einwarf, doch ihr Freund sah nur auf Dracomon, dessen Blick auf einen Punkt jenseits der Brücke gerichtet war.

Die Augen des Digimon hatten sich zu Schlitzen verengt.

„Was ist los?“, fragte Shuichon, als auch Alex stehen blieb und dies bemerkte.

„What is it?“

Doch Dracomon antwortete nicht, während sich nun auch der Ausdruck auf Lopmons Gesicht verhärtete und es seine Ohren angespannt anhob.
 

Shibumi ließ ein sehr leises Seufzen hören. „Es ist letzten Endes egal, wodurch es sich entwickelt hat. Fakt ist, dass es eine weitere Welt gibt und dass die Grenzen zu dieser Welt hin auch immer weiter verschwimmen.“ Seine Augen schienen noch immer hart und leer und Megumi hatte den Eindruck, dass er die Bildschirme gar nicht wirklich ansah. „Aber anders als unsere Welt und die digitale Welt kann diese Welt nicht einfach mit der unseren koexistieren. Diese Wesen, diese Anomalien zerstören den Code von was auch immer sie in unseren Welten berühren. Das geht in der digitalen Welt bereits die ganze Zeit so und nun hat es auch in unserer Welt begonnen...“

Diese Aussage klang nicht besonders hoffnungsvoll und Megumi dachte darüber nach.

Denn egal wie sie es in ihren Gedanken drehte und wendete, wirklich realisieren konnte sie nicht, dass ihre Existenz nichts weiter als eine Simulation war. Ihr Leben war real und all das, was sie spürte, war real für sie. Simulation oder nicht, sie wollte nicht einfach ihr Leben oder die Existenz dieser Welt aufgeben.

„Haben Sie deswegen mit mir reden wollen?“, fragte sie. „Wissen Sie, wie man diese Anomalie aufhalten kann?“ Doch noch während sie diese Worte sprach, kam ihr ein anderer Gedanke:

Wenn die Anomalie sich so wie die Menschen oder wie die Digimon entwickelt hatte, war sie dann auch intelligent? Hatte sie dann auch so etwas wie Gefühle und einen Willen zu überleben?

Langsam und bedächtig schüttelte Shibumi den Kopf. „Nein“, erwiderte er dann mit hohler Stimme. „Das einzige, was ich weiß, ist wie wir diese Welt retten könnten.“

„Diese Welt?“, fragte Megumi. Dabei verstand sie eigentlich ganz genau, was er meinte.
 

Redmon hielt auf den Highway zu, während Nico sich auf seinem Rücken festhielt. Wäre Redmon nur ein guter Schwimmer, wäre es einfacher gewesen – oder hätte er nur eine passende Digimonkarte. Doch Tatsache war, dass Redmon kaum schwimmen konnte und Wasser zudem nicht besonders mochte, während Nico so gut wie gar keine Digimonkarten besaß.

So blieb Redmon nichts anderes übrig, als auf die rote Brücke zuzuhalten, die den kleinen Nationalpark mit San Francisco verband, ungeachtet der Autos, die auf ihr fuhren und der Sirenen, die Nico nur zu gut hören konnte.

„Vielleicht ist das doch keine so gute Idee“, knurrte Redmon.

Und Nico wusste genau was es meinte: Denn so wie sie bereits verfolgt wurden, wusste er nicht, wie sie in der Menge untertauchen sollten.

Doch mittlerweile war ein zweiter Helikopter aufgetaucht und wenn sie sie einholten... Daran wollte er nicht einmal denken. Immerhin war er der letzte, den man ein Digimon behalten lassen würde. Vor allem ein Digimon, das am Ende aussah wie der Teufel selbst...

Episode 39: Gebundene Hände

Episode 39: Gebundene Hände
 

Um die potentielle Gefahr von Übergriffen durch Digimon, die mit menschlichen Partnern assoziiert sind (sog. Tamer), zu verringern, ist es innerhalb der vereinigten Staaten von Amerika verpflichtend, dass Menschen, die mit einem Digimon assoziiert sind und sich im Besitzt eines D-Arc (auch: Digivice) befinden, bei den örtlichen Behörden registrieren und sich freiwillig einer Reihe psychischer und sozialer Eignungstests unterziehen.[...]

– Begründung der Tamer-Regulierungsordnung von Januar 2009
 

Denrei merkte, wie Dracomon sich auf einmal anspannte und als er zu seinem Partner sah, hatte dieser die Augen zu Schlitzen verengt und auch Lopmon schien etwas zu sehen.

Denrei folgte dem Blick der Digimon, konnte jedoch zuerst nichts sehen.

„Was ist los?“, fragte Shuichon, gerade als Denrei erkannte, dass sich etwas am anderen Ende der Golden Gate Bridge bewegte.

„What is that?“, fragte nun auch Alex und legte eine Hand gegen die Stirn um besser sehen zu können.

Doch auch wenn Denrei soweit nur eine große rötliche Gestalt erkennen konnte, die zwischen den Spannungsseilen, die die Brücke hilten, hangelte, während in der Ferne ein Helikopter am Himmel erschienen war, so konnte er ahnen, dass es sich um ein Digimon handelte.

Dies schien sich nun auch Shuichon zusammen zu reimen. „Ein Digimon?“

Denrei merkte, wie er unwillkürlich die Faust ballte, denn wenn er richtig lag, wurde das Digimon von dem Helikopter dort verfolgt. Er erinnerte sich an das Tylomon, das von Jenrya getötet worden war, weil es nicht in die Stadt durfte. So etwas wollte er nicht noch einmal mit ansehen.

„Dracomon!“, rief er und löste sein Digivice vom Gürtel, doch Shuichon legte ihre Hand um die seine.

„Ich habe eine bessere Idee“, meinte sie und zog ihr eigenes Digivice. „Card Slash – Chou Shinka Plug-In S!“

„Lopmon – Shinka! Wendimon!“

Während Wendimon auf einmal neben ihnen in die Höhe ragte und einige Aufmerksamkeit zwischen den Passanten auf sich zog, hob Shuichon eine weitere Karte. „Card Slash! White Wings!“

Die großen Flügel wuchsen auf Wendimons Rücken, ehe es mit einer seiner großen Klauen Denrei und Dracomon hochhob und mit der anderen Shuichon und Alex.

„Und in wie weit ist das eine bessere Idee?“, rief Denrei zu Shuichon hinüber, als sich Wendimon mit einem mächtigen Sprung vom Boden abstieß, dann die Flügel ausbreitete und sich so in die Luft erhob.

„Insoweit, dass Wendimon uns besser tragen kann, als es Coredramon könnte!“

Sie rasten über die Autos, die auf der Brücke unterwegs waren hinweg und kamen nun näher an die rote Gestalt heran, bei der es sich tatsächlich um ein Digimon zu handeln schien, dessen Gestalt sehr an einen Teufel, so wie Denrei ihn in Animedarstellungen kannte, erinnerte. Es hatte etwas von einem roten Mephistomon auf zwei Beinen, dachte er.

Doch da war noch etwas, das Wendimon als erstes bemerkte: „Da ist ein Junge auf dem Rücken des Digimon!“

„There are police cars!“, rief Alex, die wahrscheinlich kein Wort, von dem was sie gesagt hatten, verstanden hatte.

„What is happening?“, rief Denrei zu ihr hinüber.

„Why would I know?“, erwiderte sie. „Maybe that kid has done something.“

Denrei sah hinunter, während das Digimon, das sein Digivice nun als Redmon identifizierte, auf den Drahseilen hinabschlitterte und zwischen zwei stehen gebliebenen Autos landete.

Die Autos schienen allesamt zum Stehen zu kommen, während der Helikopter nun auf der Brücke war, und Redmon sah sich hektisch um.

„More police!“, rief Alex, die sich leicht panisch an dem Finger Wendimons festhielt und zeigte auf das Ende der Brücke, von dem sie gekommen waren, wie Denrei nun tatsächlich blinkende Lichter sah und meinte Sirenen hören zu können.

„Wendimon!“, wies Shuichon ihren Partner an, der sofort in den Sturzflug ging, um so neben Redmon herfliegen zu können.

„You need to turn around!“, schrie Shuichon dem vielleicht dreizehn- oder vierzehnjährigen Jungen zu, der auf der Schulter Redmons saß.

Dieser schien so überrascht von dem Digimon zu sein, das auf einmal neben ihnen aufgetaucht war, dass er beinahe den Halt auf dem Rücken seines Digimon verlor und hinuntergerutscht wäre, hätte das Digimon nicht mit einer Pranke nach ihm gegriffen und dies verhindert.

„There is police behind me!“, schrie er zurück. „They will kill Redmon!“

„There is police on the other side, too!“, erwiderte Shuichon.

„Hey, kid!“, rief nun auch Alex, während Wendimon immer wieder mit den ungewohnten Flügeln schlagen musste, um seine Höhe zu halten. „Did you do anything wrong?“

Der Junge, dessen Gesichtsausdruck ohnehin schon panisch war, schien noch erschrockener. „No!“, rief er entschlossen. „Why?“

„Because the police is after you“, antwortete Alex.

Für einen Moment zögerte der Junge – den Blick nun auf den Helikopter gerichtet, der das eine Ende der Brücke erreicht hatte.

„Surrender the Digimon and you will not be harmed!“, erklang eine laute Stimme, wie durch einen Lautsprecher und Denrei schloss, dass diese vom Helikopter kommen musste.

„No“, antwortete der Junge dann, so leise, dass sie ihn fast nicht hören konnten. „I am just… Not allowed to keep a Digimon.“

Shuichon sah zu Denrei und er erwiderte ihren Blick.

Er wusste, dass sie dachte, was er dachte: Sie konnten nicht zulassen, dass dieses Digimon getötet wurde, nur weil der Junge aus irgendeinem Grund keinen Partner haben durfte. Doch auf der anderen Seite wussten sie nicht, ob es nicht vielleicht doch einen guten Grund dafür gab.

Schließlich nickte Shuichon ihm zu, da sie offenbar eine Entscheidung getroffen hatte, und löste sich aus dem Griff Wendimons, um auf die Schultern Redmons hinüber zu springen, was den Jungen überraschte.

Shuichon fischte eine weitere Karte aus dem Beutel an ihrem Gürtel. „Use this!“, rief sie.

Der Junge sah sie vollkommen fassungslos an, so dass sie ihm die Karte in die Hand drücken musste.

„Use it!“

Verständnislos sah der Junge auf die Karte.

„You need to slash it with your Digivice!“, wies Shuichon ihn an.

Noch immer sah der Junge überrascht und fassungslos aus, doch schließlich tat er mit zitternden Händen, wie ihm geheißen und zog die Karte durch Schlitz seines Digivices, woraufhin sich Datenpartikel an den Schultern seines Partners sammelten, ehe dieser zwei schwarze Lederflügel ausbreitete.

„Now fly!“, rief Shuichon, viel mehr an den Partner gewandt, als an den Jungen und klammerte sich selbst am Nacken des Teufelsdigimon fest.

Redmon stieß sich von der Brücke ab und breitete etwas unbeholfen die Flügel aus, um zu fliegen, während sich auch Wendimon mit einigen Flügelschlägen von der Brücke entfernte um etwas mehr Freiraum zu bekommen.

„Where are we going?“, rief Alex ratlos zu Denrei hinüber, doch dieser hatte selbst nicht die geringste Ahnung und glaubte auch nicht, dass Shuichon einen Plan hatte.

Da wandte sich Wendimon auf einmal um und sah zu dem Helikopter und erst nach einem Augenblick der Verwirrung konnte Denrei erkennen, dass etwas leuchtendes auf sie zuschoss.

„Vorsicht!“, schrie er.

Wendimon hatte jedoch schon verstanden und ließ sich Fallen, so dass die Rakete über es hinweg flog und auf die Wasseroberfläche schlug, wo sie explodierte.

Alex schrie auf – ob aus reinem Schreck oder vor Angst konnte Denrei nicht sagen – während Wendimon nun die Flügel weiter spannte und sich noch schneller fortbewegte.

„Vorsicht, Shuichon!“, rief Wendimon zu seiner Partnerin hinüber, während es nun dicht über dem Wasser flog.

Weitere Raketen flogen durch die Luft – offenbar jede auf eins der Digimon gerichtet – und die Digimon mussten ihre Tempo beschleunigen, wenn sie ihnen entkommen wollten.

„I cannot believe, they are shooting at us!“, rief Alex aus und ihre Stimme klang deutlich panisch. „We need to do something!“

„And what should we do?“, erwiderte Denrei, der eine Hand vor das Gesicht hielt, um seine Augen vor dem ihnen entgegenpeitschenden Wind zu schützen.

„I don't know!“ Alex versuchte sich zu dem Helikopter umzudrehen, konnte ihn jedoch wie auch Denrei nicht sehen, da Wendimons Schultern den Blick versperrten.

Erneut machte Wendimon einen Schlenker, um den Waffen auszuweichen.

„Lass mich kämpfen, Denrei!“, knurrte Dracomon, nun mit zu Schlitzen verengten Pupillen.

Doch Denrei wusste, dass dies keine Option war. Sobald sie Gegenwehr leisteten, würden sie den Polizisten oder wer sie auch immer Angriff, nur einen noch besseren Grund liefern, sie weiter anzugreifen und nachdem er gesehen hatte, dass diese offenbar Waffen hatten, die auch Digimon schaden konnten, wollte er Dracomons Leben nicht unnötig riskieren. Doch er ahnte auch, dass ihnen niemanden zuhören würde, sollten sie versuchen zu reden.

„Denrei!“, hörte er Shuichon rufen. „Ich benutze eine Highspeed Karte!“

Er reckte einen Daumen nach oben, um zu gestikulieren, dass er verstanden hatte. „Hold on!“, rief er dann zu Alex hinüber, die ihn nur verwirrt ansah, während Shuichon es irgendwie schaffte, trotz der Geschwindigkeit in der sie ohnehin schon flogen, die Karte durch ihr Digivice zu ziehen und sie dann an den Jungen weiterzugeben.

Im nächsten Moment musste Denrei die Augen schließen, da sie sich nun zu schnell bewegten. Er konnte spüren, dass sie an Höhe gewannen und meinte, dass das Rattern des Helikopters leiser wurde, wenngleich dies auch daran liegen konnte, dass der Wind zu laut in seinen Ohren rauschte. Auch hörte er Alex panisch kreischen und weitere Rufe, die – so dachte er – wahrscheinlich von Shuichon und dem Jungen kamen.
 

Denrei hätte nicht sagen können, wie lange sie so flogen. Das einzige, was er wusste, war, dass sein Gesicht taub war, als er merkte, wie Wendimon langsamer wurde, und der feste Griff des Digimons Dracomon unangenehm gegen ihn drückte.

Er blinzelte und stellte fest, dass sie offenbar ein ganzes Stück von der Stadt entfernt waren. Zumindest konnte er weit und breit keinen einzigen Wolkenkratzer erkennen oder auch nur ein normales Haus. Stattdessen waren sie von Bäumen umgeben, deren Laub Schatten auf sie warf und sie wahrscheinlich auch vor Blicken aus der Luft schützte.

„Wo sind wir?“, fragte er an Shuichon gewandt, nachdem Wendimon ihn auf den Boden abgesetzt hatte.

Stolpernd stand er auf, da seine Füße ihn nicht ganz tragen wollten, und ging zu ihr hinüber.

„Ich habe absolut keine Ahnung“, erwiderte sie und grinste verlegen. „Da musst du Wendimon fragen.“

„Hier ist Wald“, erwiderte Wendimon und setzte sich auf den Boden. „Ich habe versucht, aus dem Sichtfeld des Helikopters zu kommen und bin dann hier gelandet.“ Es legte seinen monströsen Kopf auf die Seite.

„That was totally crazy!“, hauchte Alex, die es bisher offenbar nicht gewagt hatte, sich wieder aufzurichten.

„Who are you?!“, fragte nun der Junge, der sie überhaupt erst in diese Situation gebracht hatte, während sich sein Partner, der nicht ganz so groß war, wie Wendimon, auf dem Boden niederließ.

„We are japanese Tamers!“, antwortete Shuichon und machte das Peace-Zeichen.

„Japense Tamers?“ Der Junge sah sie ratlos an.

Jetzt erst konnte Denrei ihn genauer beobachten und bemerkte, dass seine Kleidung ziemlich mitgenommen wirkte, so als hätte er sie weit länger getragen, als es vernünftig war, und während sein weit über die Ohren reichendes Haar nicht dreckig wirkte, so war es auch weit davon entfernt, gepflegt zu sein. Eine Ahnung kam in ihm hoch, doch er war sich nicht sicher, wie er sie äußern sollte.

„The really question should be: Who the fuck are you?“, grummelte Alex und sah zu dem Jungen.

Der Junge sah sie nicht direkt an, sondern ließ sich stattdessen nun auch vom Rücken seines Digimon zu Boden gleiten.

Shuichon sah zu Denrei, doch dieser zuckte nur mit den Schultern. Da begann der Junge zu seiner Überraschung zu sprechen.

„My name is Nico“, sagte er leise. „Nico Tawney. And this is Redmon.“

„Thank you for helping us“, meinte das Digimon nun ebenfalls mit tiefer Stimme.

„And why is the fucking police after you?“, fragte Alex, deren Laune sich deutlich verschlechtert hatte.

Digimon und Junge tauschten Blicke, während Denrei und Shuichon dasselbe taten.

Denrei hatte Mitleid mit dem Jungen und wäre gerne dazwischen gegangen, doch auf der anderen Seite hatte er das Gefühl, dass sie wirklich erfahren mussten, was es mit diesem Tamer auf sich hatte. Immerhin musste es einen Grund geben, warum er von der Polizei verfolgt worden war, oder? Selbst wenn es ein Grund war, den sie nur bedingt nachvollziehen konnten.

Also sah er zu dem Jungen, der noch immer deutliche Züge eines Kindes hatte, während dieser sie weiterhin nicht ansah.

„It's like I've said: I am not allowed to be a Tamer and they would take Cellomon… That is… Redmon from me, if they got me“, sagte er schließlich. „Maybe they would even kill him.“

„They sure tried to kill all of us!“, rief Alex aus und sprang auf die Beine, nur um gleich darauf in die Knie zu sinken, da sie offenbar feststellte, dass ihre Beine sie nicht tragen wollten.

„I am very sorry“, erwiderte der Junge.

Alex sah zu ihm hinüber und etwas in ihrer Miene wurde weicher.

Derweil ging Denrei zu Shuichon hinüber.

„Was sollen wir denn jetzt machen?“, fragte er.

Shuichon zuckte nur mit den Schultern. „Wir können ihn nicht einfach ausliefern, oder?“

Soweit stimmte Denrei ihr zu, doch aktuell fehlten ihm eindeutig Ideen, was sie tatsächlich machen konnten, um etwas an ihrer Situation zu ändern. Der Junge erinnerte ihn etwas an sich selbst, als er Dracomon bekommen hatte. Damals hatte er versucht in die digitale Welt zu fliehen, als er das Gefühl gehabt hatte, in der realen Welt nicht länger bleiben zu können.

„Warum hast du mich nicht kämpfen lassen, Denrei?“, fragte Dracomon nun und zupfte mit seinen Klauen an Denreis Hose.

„Weil wir nicht gegen die Polizei kämpfen können“, antwortete Shuichon für Denrei. „Wir würden Probleme bekommen. Große Probleme.“

„Aber sie haben uns angegriffen!“, protestierte das Drachendigimon verständnislos.

„Ich weiß“, seufzte Shuichon, während Denrei zum Himmel sah.

Er kannte sich nicht wirklich mit der Technologie des Militärs aus, doch etwas sagte ihm, dass es gut sein könnte, dass so ein Helikopter sie trotz des Sichtschutzes, den das Blätterdach bot, aufspüren könnte. „Ich fürchte, dass sie das noch einmal probieren könnten.“
 

Von all dem bekam Megumi nichts mit. Während Nico weiter im Norden gerade den Helikopter bemerkte und die Flucht ergriff, saß sie in Keiths Auto, nachdem sie ihn vor zehn Minuten angerufen hatte.

Sie hatte nicht bei Shibumi auf ihn gewartet, sondern war lieber ein Stück gelaufen.

Im Moment wusste sie nicht, was sie denken sollte. Noch immer konnte sie nicht sagen, was sie überhaupt erwartet hatte, doch irgendwie hatte sie damit gerechnet, dass sie durch Shibumi irgendwelche Antworten bekommen würde – und sei es nur, dass sie sich endlich ihrer eigenen Gefühle sicher sein konnte. Doch stattdessen hatte sie nur noch mehr Fragen als zuvor.

Nicht nur, dass es sie an sich schon eher verwirrt hatte, Shibumi wiederzusehen, nachdem er im vergangenen Dezember einfach verschwunden war, seine Worte hatten nur noch mehr Fragen gebracht.

Konnte das, was er sagte, wirklich sein? Konnte ihre Welt selbst nur eine Simulation sein?

Die Wahrheit war, dass sie selbst darüber nachgedacht hatte, seit die beiden Welten kollidiert waren und man die digitale Welt am Himmel der realen sehen konnte. Auch jetzt wanderte ihr Blick zum mittlerweile blauen Himmel hinauf, vor dessen Blau man nun wieder die digitale Welt erkennen konnte.

„Megumi“, riss Keiths Stimme sie aus ihren Gedanken.

Verwirrt sah sie ihn an. Aus seinem Tonfall schloss sie, dass er sie nicht das erste Mal ansprach und offenbar vorher versucht hatte, ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.

„Entschuldige“, stotterte sie auf Englisch.

Er schüttelte den Kopf, während er wieder auf die Ampel, an der sie im Augenblick warteten, sah. „Kein Problem“, erwiderte er. „Dein Schweigen ist Antwort genug.“

„Antwort?“, wiederholte sie. „Was?“

„Was ich vorher sagte: Es gab nicht die Antworten, die du erwartet hattest, oder?“, meinte Keith.

Die Ampel sprang auf Grün und sie fuhren weiter, während Megumi seufzte.

„Ja und nein“, murmelte sie. „Es ist sehr… Mamoi… Wie sagt man? Verwirrend. Er wusste, was es mit diesen Wesen auf sich hat, aber einige Sachen… Sie… Du hast Shibumi früher kennen gelernt, oder? Er spricht in Rätseln.“ Dabei waren diese Worte nicht ganz wahr, denn sie hatte Shibumis Worte sehr wohl verstanden. Doch es fiel ihr schwer zu sagen, was Shibumi gesagt hatte. Dass alles nur eine Simulation war – eine Illusion. Was war sie dann? Nur ein Programmcode?

Keith nickte, auch wenn er den Blick nicht von der Straße abwandte. „Ja. Er war seltsam.“ Er seufzte und rückte mit einer Hand die Sonnenbrille, die er nun zum Autofahren trug, zurecht. „Ich verstehe noch immer nicht, warum er sich ausgerechnet mit dir treffen wollte.“

„Ich auch nicht“, gab Megumi zu und log dabei nicht einmal. Denn auch wenn sie weiterhin für sich behielt, was an Weihnachten geschehen war, so hatte sie das Gefühl, das auch dies keine Antwort auf die Frage war. Immerhin war Shibumi weiterhin anders und hätte es nicht mehr Sinn gemacht, mit Janyuu zu reden.

„Könntest du ihn überreden, sich mit meinem Vater oder Tao zu treffen?“

Sie schüttelte den Kopf. „Er traut ihnen nicht, sagt er. Weil er… Weil er der Regierung nicht traut.“

„Nicht, dass ich das nicht verstehen kann“, seufzte Keith. Wieder kamen sie vor einer Ampel zum Stehen. „Sag, Megumi“, meinte er dann mit Blick auf einen der vielen Coffeeshops, von denen Megumi gefühlt an jeder Straßenecke mindestens einen sah, „willst du vielleicht mit mir einen Kaffee trinken?“

Megumi zögerte, denn auf der einen Seite hatte sie das Gefühl, dass sie mit Janyuu reden sollte, wollte dies auf der anderen Seite jedoch nicht unbedingt. „Wieso nicht?“, erwiderte sie schließlich.

„Gut.“

Dann sprachen sie nicht mehr, während sie weiterfuhren, ehe sie schließlich auf einen Parkplatz kamen.

Gerade als sie ausstiegen, fuhr ein Polizeiauto mit laufenden Sirenen an ihnen vorbei. Da San Fransisco eine Großstadt war und Megumi an das permanente Heulen von Sirenen aus irgendeiner Straße Tokyos gewöhnt war, dachte sie sich nichts dabei.

„Komm“, meinte Keith.

Sie nickte und folgte ihm, während er den Parkplatz verließ, als ein weiteres Polizeiauto an ihnen vorbeifuhr.

„Ich frage mich, was da los ist…“, murmelte Keith und sah diesem Auto nun hinterher.

Megumi schüttelte den Kopf. „Wer weiß“, erwiderte sie. Wieder wanderte ihr Blick zur digitalen Welt hoch über ihnen. „Keith“, platzte es dann auf einmal aus ihr heraus, „glaubst du, dass diese Welt real ist?“
 

Shuichon war froh, dass sie im Schatten der Bäume saßen, da die frühe Nachmittagshitze langsam kam. Wendimon und auch Redmon waren mittlerweile zu Lopmon und Cellomon zurückdigitiert, doch hatten sie es bisher nicht gewagt, das Dickicht des Waldes zu verlassen.

Immer wieder tauschten sie und Denrei Blicke.

Normal hätte sie ihn geärgert, dass er zu missmutig dreinblickte, doch ausnahmsweise musste sie zustimmen, dass sein Missmut seine Berechtigung hatte. Also schwieg sie.

Alex sah ebenfalls nicht besonders begeistert drein und Shuichon konnte auch sie irgendwo verstehen – immerhin war es das erste Mal, dass sie in einen Kampf geraten war.

„Ich habe Hunger“, jammerte Dracomon, das bäuchlings auf dem Waldboden lag.

„Und ich muss zugeben, dass ich auch etwas zu essen vertragen könnte“, meinte Lopmon, das neben Shuichon gegen einen Baum gelehnt saß.

„Can't you speak Englisch, please?“, grummelte Alex, die die Arme verschränkt hatte.

„Well, they can not“, erwiderte Denrei und zeigte auf die Digimon.

Shuichon sah zum Himmel. Zumindest war beinahe eine halbe Stunde vergangen, ohne dass sie gefunden worden waren – auch wenn sie zwei Mal einen Helikopter ganz in der Nähe gehört hatten. Vielleicht also hatten sie Glück.

Doch dann blieb noch immer eine Frage.

Sie sah zu dem Jungen, der neben seinem Partner saß und mit seltsam leeren Blick auf den Boden sah. „You have parents?“, fragte sie.

„No“, erwiderte und zog seine Beine näher an sich heran.

„Nico“, murmelte Cellomon und stupste ihn an.

Er seufzte. „Well, yes… But I won't go back to them!“

„And why is that?“, fragte sie.

„Because…“ Er schüttelte heftig den Kopf. „Why would you care? You do not know me!“

Nun seufzte Shuichon und sah einmal mehr zu Denrei. Dieser Junge erinnerte sie sehr stark an ihn vor nur drei Jahren. Damals hatte er ihr beinahe genau dasselbe geantwortet, als sie versucht hatte ihm zu helfen.

„Seriously?“, fragte nun Alex. „I mean, how old are you? Fourteen? Fifteen?“

Der Junge antwortete zuerst nicht, gab dann aber unter Alex' wütendem Blick nach. „Thirdteen“, murmelte er und wich dem Blick aus.

„You should be at home with you parents!“, meinte Alex nun vehement und sprang auf. „No matter what happened! Or, at least, you should not roam around here alone!“

„I am not alone“, rief der Junge aus. „Cellomon is with me!“

„Yeah, and I am sure Cellomon can cook for you and cloth you and…“ Sie musterte die zerfransten Kleidungsstücke am dürren Leib des Jungen. „I don't think so.“

Der Junge zog nur einen Schmollmund und sah nun demonstrativ in eine andere Lichtung.

„Well, maybe…“, begann sein Partner doch als sie das Rattern eines Helikopters hörten, verstummte es.

Sie alle sahen zum Himmel, von dem sie nur kleine blaue Flecken durch das Blätterdach erkennen konnten, hinauf, beinahe darauf wartend, dass ein erneuter Angriff kam.

Shuichon kam nicht drumherum an Jenrya zu denken. Er würde ausrasten, wenn er davon hörte, dass sie schon wieder in Schwierigkeiten gekommen war – und dann würde er Denrei die Schuld geben. Sie seufzte.

„Moumantai“, murmelte Lopmon, das wahrscheinlich ihre Gedanken erraten hatte.

Der Junge sah zu ihnen. „Mouman… What?“

„Mou-Man-Tai“, wiederholte Shuichon langsam für ihn. „Meaning: Don't worry.“

Er nickte.

Wieder schwiegen sie, während sich das Rattern des Helikopters weiter entfernte.

„Ob Dolphin helfen kann?“, fragte Denrei auf einmal. „Er arbeitet doch für die Regierung und vielleicht…“ Er sah zu Nico hinüber. „Na ja, vielleicht kann er ihm helfen.“

Auch Shuichon sah zu Nico. „Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht.“

„Wir müssen irgendetwas machen“, murmelte Denrei.

„Ja…“ Noch immer ruhte Shuichons Blick auf dem Jungen, der dies nun zu bemerken schien.

Er sah sie an, sagte jedoch nichts. Sein Blick aber wurde misstrauisch.

„Can I have your mobile?“, fragte Shuichon nun Alex.

Diese sah sie verwirrt an und nahm ihr Handy heraus. „Why?“

„We should phone Dolphin“, antwortete Denrei. „He might help.“

Nico sah auf, das Gesicht wieder misstrauisch. „You cannot phone anybody!“

„Well, we need some help“, erwiderte Alex. „I certainly don't want to get shot!“

Widerspenstig starrte der Junge sie an. „Me neither. But even less, I want to have any stupid adult involved in this!“

„I guess we have different priorities“, meinte Alex und verschränkte nun die Arme.

Shuichon beobachtete sie und seufzte. „Calm down.“ Sie sah auf das Mobiltelefon. „It looks like we do not… Eh… Verbindung…“ Sie brach ab, da weder Alex, noch der Junge ihr zuzuhören schienen. Hilfesuchend sah sie zu Denrei, der jedoch auch nur ratlos mit den Schultern zuckte.

Als sie ihn weiterhin anstarrte, seufzte er. „Listen“, meinte er. „We can not… Just sit.“

„Well, I am comfortable with that. You can go, if you want to.“ Nico verschränkte die Arme, während Alex sich an den Kopf fasste.

„What is your problem?“, fragte sie. „Do you really want to stay out here or get shot?“

Daraufhin zuckte der Junge nur mit den Schultern. „I don't care.“

„Calm down, please“, seufzte Shuichon. Sie wünschte sich, dass ihr Englisch besser wäre, doch durch die Sprachbarriere klang sie unsicherer, als sie eigentlich wollte. Noch immer überlegte sie, wie zur Hölle sie aus dieser Situation herauskommen sollten – denn leider fürchtete sie, dass der Helikopter, sollte er sie finden, ohne weitere Nachfragen auf sie schießen würde. Warum mussten diese Amerikanischen Behörden nur so gottverdamt schießwütig sein?!

„Wenn nur einer von uns geht…“, begann Denrei langsam. „Vielleicht könnten wir so jemand anderen erreichen und…“ Wirklich überzeugt klang er nicht, doch Shuichon wusste zumindest seinen Vorschlag zu schätzen.

„Vielleicht könnte einer von uns sie ablenken?“, murmelte sie, doch so ganz gefiel ihr die Idee nicht. Selbst wenn sie relativ sicher war, dass die Waffen ihnen, sobald sie mit den Digimon verschmolzen weniger anhaben konnten.

Doch während sie nachdachten – und Dracomon noch immer bäuchlings im Morrast lag – stritten Alex und Nico weiter.

„Why are you even so sure, that they will take your Digimon partner?“, fragte Alex nun weiter.

„It is non of your god damn business!“ Mittlerweile bemühte sich Nico nicht mehr ihrem Blick auszuweichen, sondern sah sie herausfordernd an.

„Well, it kinda became when we were shot at!“, wiederholte die junge Amerikanerin mit in die Seiten gestämmten Armen.

„Nobody asked you to help me!“

Alex sah zu Denrei und Shuichon hinüber. „Well, I certainly wasn't asked!“

„That's your problem!“

„Nico!“, jammerte Cellomon immer wieder dazwischen. „You should not argue with her.“ Doch es wurde mittlerweile nicht mehr beachtet.

„If you are not allowed to keep a Digimon, you must be some kind of sicko, eh?“, meinte Alex nun, noch immer wütend.

„Shut up!“, schrie der Junge sie an, nun in einer gänzlich anderen Tonlage.

„Stop it!“, riefen Denrei und Shuichon wie aus einem Mund dazwischen.

„Nobody asked you, to help me!“, fauchte der Junge nun laut und mit zitternden Armen.

Shuichon meinte Tränen in seinen Augen glitzern zu sehen, als er sich abwandte.

„You know what? I don't care. I don't even know, why I stayed here. I am better of alone!“ Er lief los. „Come along, Cellomon!“ Und auch wenn der Dickicht sein Tempo etwas einschränkte, war er schnell aus ihrer Sichtweite verschwunden.

Shuichon und Denrei sahen erneut einander an, dieses Mal noch ratloser als zuvor, doch es war Alex die loslief.

„Hey, wait you idiot!“, rief sie.

„Das ist der Helikopter…“, murmelte Lopmon und hob seine langen Ohren.

Noch immer blickten Denrei und Shuichon einander an, beide kaum fähig zu verstehen, was gerade geschehen war. Dann, ohne ein Wort zu wechseln, liefen sie los und folgten den beiden. Doch Shuichon kam nicht drum herum ein unwohles Gefühl in der Magengegend zu verspüren.
 

„Takato.“ Yamaki sah ihn an, als Takato zusammen mit Guilmon in die Hypnos-Zentrale kam. Er zögerte für einen Moment, dann: „Wo ist Akiyama?“

Takatos Gesicht war deutlich von Müdigkeit gezeichnet, dennoch sah er Yamaki mit einer bitteren Wut in den Augen an. „Ich weiß es nicht. Er ist gegangen, nachdem das Wesen besiegt war.“

„Du hättest es nicht so lange hinauszögern sollen“, meinte Yamaki nun streng und sah ihn an. „Du hättest dieses Wesen schneller besiegen sollen.“

„Aber Yamaki-san versteht nicht“, warf Guilmon ein und gestikulierte mit seinen Krallen. „Diese Wesen sind nicht böse, sie wollen nichts tun.“

„Es ist Ryous Schuld“, hauchte Takato bitter. „Würde er nicht gegen sie kämpfen, würde so etwas nicht passieren. Dann müssten wir überhaupt nicht kämpfen.“

Yamaki sah nun selbst etwas wütend oder viel eher irritiert zu dem jungen Mann hinüber. „Die Existenz dieser Wesen beeinflusst diese Welt. Wenn sie länger hier bleiben, würde diese Welt zerstört werden.“

„Dasselbe hast du auch einmal von den Digimon gedacht, oder?“, fragte Takato nun, wobei er vollkommen auf jedwede Respektform, mit der er normal Yamaki ansprach, verzichtete. „Und jetzt leben sie hier und es ist nicht passiert, oder? Es muss eine Möglichkeit geben, dass diese Wesen in unsere Welt leben können. Ich bin mir sicher!“

„Matsuda-kun“, begann Yamaki und Wut klang nun deutlich aus seiner Stimme. Dennoch zögerte er, als er sah, dass Takato die rote Karte in der Hand hielt.

„Und das hier“, fuhr der Tamer fort, „dieser Code könnte auch beide Welten zerstören, oder? Hat es nicht damit angefangen?“

Auf diese Frage hin schwieg Yamaki und wich dem Blick Takatos aus. Er biss sich auf die Lippen, während er ihn ansah. „Es ist aktuell unsere einzige Waffe.“

Daraufhin steckte Takato die Karte ein und wandte sich ab. „Gehen wir nach Hause, Guilmon“, meinte er und ohne auf eine Antwort seines Partners zu warten oder sich förmlich zu verabschieden, ging er auf den Ausgang zu, so dass selbst Guilmon für einen Moment überrascht stehen blieb und zwischen Takato und Yamaki hin und her sah.

„Aber“, begann es, rannte seinem Tamer dann aber doch hinterher. „Warte, Takato!“

Episode 40: Die Gefallenen

Episode 40: Die Gefallenen
 

Als die Digimon auf einmal überall waren, dachte ich, es sei Interessant. Immerhin habe ich mich schon immer für Roboter interessiert und künstliche Intelligenzen. Dennoch habe ich mir, anders als mein Bruder, nie gewünscht, selbst ein Tamer zu sein. Terriermon war das erste Digimon, dass ich wirklich kennenlernte und... Manchmal denke ich mir: Kann es wirklich sein, dass diese Wesen nur aus Daten bestehen?

                                                                 - Alex Snyder
 

23. Juli 2011 – Etwa 20km nördlich von San Fransisco
 

Tränen glitzerten in den Augen des Jungen, während er in die Runde sah. „You know what? I don't care. I don't even know, why I stayed here. I am better of alone!“ Er lief los. „Come along, Cellomon!“ Und auch wenn der Dickicht sein Tempo etwas einschränkte, war er schnell aus ihrer Sichtweite verschwunden.

Denrei sah zu Shuichon, die jedoch genau so ratlos war, wie er aussah. Doch noch bevor sie stillschweigend einen Entschluss fassen konnten, lief Alex los.

„Hey, wait you idiot!“, rief sie Nico hinterher.

In dem Moment hob Lopmon seine langen Ohren, als hätte es etwas gehört. „Das ist der Helikopter…“

Noch immer blickten Denrei und Shuichon einander an, beide kaum fähig zu verstehen, was gerade geschehen war. Dann, ohne ein Wort zu wechseln, liefen sie los und folgten den beiden. Doch Shuichon kam nicht drum herum ein unwohles Gefühl in der Magengegend zu verspüren.

Auch sie wurden vom Dickicht aufgehalten, doch sie wussten, das sie etwas tun mussten. Nur was? Wenn der Helikopter Nico sah, würde man dann auf ihn schießen? So etwas mussten sie verhindern, aber wie? Was konnten sie machen, ohne dass sie einen Menschen verletzten? Immerhin waren die Soldaten Menschen und davon abgesehen, dass sie wohl sämtliche Gesetze, die es ihnen erlaubten auf Digimon zu schießen, bestätigen würden, wenn sie sie angriffen, so folgten die meisten von ihnen wahrscheinlich auch nur Befehlen.

Shuichon bemerkte, wie sie sich wünschte, dass sie einfach ein Tor zur digitalen Welt öffnen könnten. Dorthin konnten ihnen die Soldaten nicht folgen und selbst wenn Nico ihnen dort weglief, konnte er sich kaum in so große Gefahr bringen wie jetzt.

Nun hörten auch sie den Helikopter und bemerkten, wie sich das Dickicht lichtete.

„Verflucht“, hauchte Denrei und blieb stehen, noch bevor er den Wald ganz hinter sich gelassen hatte.

Shuichon verstand nur zur gut, was er meinte: Auch sie konnte bereits Soldaten erkennen, die mit Gewähren im Anschlag auf einer Wiese, die in Richtung einer Straße abfiel auf sie warteten.

Nico und Cellomon standen wie erstarrt auf der Wiese und starrten auf die Soldaten, während Alex fassungslos hinter ihnen stand.

Shuichon fragte sich, ob Jenrya ihnen hätte helfen können, wäre er hier, oder ob er es überhaupt versuchen würde – immerhin hatte er auch das wilde Digimon getötet. Doch Jenrya war nicht hier, weshalb die Frage sinnlos war. Sie war sich nur wegen einer Sache sicher: Ihr Bruder später würde wegen ihres unüberlegten Handelns wütend werden und dann Denrei die Schuld an allem geben.

Der Helikopter schwebte über den Soldaten, bedrohlicher – so fand Shuichon – als es ein Digimon je gekonnt hätte.

„Cellomon!“, rief Nico mit zitternder Stimme und Shuichon meinte zu erkennen, wie er sein Digivice in den Händen hielt.

„Er darf nicht...“, murmelte Denrei und auch ohne dass er den Satz beendete, wusste Shuichon genau was er sagen wollte: Cellomon durfte nicht digitieren. Wenn es digitierte, würden die Soldaten sicher schießen.

„Verflucht“, zischte sie und lief los.

„Shuichon!“, konnte er Denrei, Lopmon und Dracomon gleichzeitig nach ihr rufen hören, doch sie konnte sich nicht zu ihnen umdrehen.

„Don't!“, rief sie aus und lief auf Nico zu. Sie griff die Hand, in der er das Digivice hielt, und hielt sie fest. „You cannot do that.“

„But I...“, stammelte der Junge, dem Tränen in den Augen standen.

Shuichon sah den Soldaten entgegen und stellte fest, dass sie sich weit unwohler dabei fühlte, in etwa fünfzehn Gewehrmündungen zu sehen, als dabei einem Ultimate-Digimon gegenüber zu stehen – selbst wenn das Digimon dabei auch Pistolen oder Waffen bei sich trug. Sie schluckte. „Please, stopp this!“, rief sie aus. Vorsichtig ließ sie Nicos Hand los und machte einen Schritt nach vorne.

„Stay where you are!“, rief jemand, auch wenn sie nicht sagen konnte wer.

„Stop this, please“, flehte sie. „Don't harm him or the Digimon.“ Ihre Stimme zitterte. Weil sie Angst hatte und weil sie sich im Englischen nicht besonders sicher fühlte. „Please!“

„Shuichon, stop!“, hörte sie Alex rufen. „Don't move!“

„Stay where you are!“, wiederholte man.

„Please!“, wiederholte sie.

„Shuichon!“, hörte sie erneut Denrei und Dracomon.

„Shuichon!“, rief auch Lopmon, doch seine Stimme war viel näher.

Sie drehte sich um und sah, wie Lopmon auf sie zuflog.

„Lopmon, nein!“, rief sie aus, wohl wissend, dass dies als Provokation gesehen werden konnte. Sie hoffte das Lopmon verstand und wandte sich wieder den Soldaten zu. „Let him...“, begann sie, doch noch bevor sie ein weiteres Wort sagen konnte, hörte sie einen Schuss.
 

24. Juli 2011 – Digitale Welt
 

Nebel, sie waren noch immer von dichtem Nebel umgeben und Makoto konnte nicht sicher sagen, wie lange es schon her war, dass sie jene Ebene der Klippen und Flüsse verlassen hatte.

Sie hatten sich mehrfach ausgeruht, doch er hätte wirklich nicht sagen können, wie lange es her war, dass sie losgegangen waren. Von allem was er wusste, konnten sie gerade einmal ein paar Stunden oder eine halbe Ewigkeit unterwegs sein. Es war, als würde um sie herum nur eine kleine Kugel aus „Etwas„ existieren, hinter der ein weißes, waberndes „Nichts„ anfing, denn der Nebel war so dicht.

„Makoto!“, hörte er eine Stimme erstickt rufen und drehte sich um.

Es war nicht das erste Mal, dass er so etwas hörte, doch die Stimmen klangen so erstickt, so fern, dass er sich nie sicher war, ob er es sich nicht einfach nur einbildete.

„Was hast du, Makoto?“, fragte Kuraimon und sah ihn an.

„Nichts“, murmelte er. „Ich dachte, ich hätte etwas gehört...“ Dabei wollte er sich selbst nicht eingestehen, dass die Stimme, die er gehört hatte, irgendwie nach seine Schwester klang. Doch das konnte nicht sein.

„Wohin bringst du uns, Gokuwmon?“, fragte Kaito und schloss mit dem Perfect-Digimon auf, dass sie auf unsichtbaren Wegen durch den Nebel führte.

„Zu einem Ort, wo euch geholfen wird oder nicht“, antwortete das Digimon mit derselben Stimme wie zuvor.

Kaito seufzte und verdrehte die Augen. „Eine unglaublich hilfreiche Antwort.“

Makoto schwieg. Irgendwie erschien ihm diese Dimension der digitalen Welt unheimlich. Außerdem hatte er einen andern Gedanken: Hier würde er nie einen Partner finden.

„Makoto!“, hörte er erneut eine weit, weit entfernte Stimme, dieses Mal die von Impmon.

Nein, das bildete er sich nur ein. Seine Schwester und sein ehemaliger Partner konnten nicht nach ihm rufen, sie waren in einer ganz anderen Welt... Sie brauchten ihn nicht mehr.
 

Impmon verengte die Augen zu Schlitzen und starrte in den Sandsturm, der nun auch diese Ebene befallen hatte, die die Gruppe sehr an die physische Ebene erinnerte, sich jedoch in kleineren Details von ihr unterschied. So bildeten die Felsenformationen hier immer wieder Tore und manchmal auch kurze Tunnel, in denen sie Schutz suchen konnten.

Sie waren hierher gelangt, nachdem sie am Morgen – nun, zumindest nahmen sie an, dass es Morgen gewesen war, denn die Tages- und Nachtzeiten in der digitalen Welt schienen verrückt zu spielen, doch zumindest war es hell geworden – einen seltsamen Spiegel in der von Wiesen bewachsenen Ebene mit den großen Steinen gefunden hatten. Durch den Spiegel waren sie hierher gekommen, doch sie wussten noch immer nicht, wo sie waren.

„Das kann nicht Makoto gewesen sein“, meinte Takumi und sah ebenfalls in den Sandsturm, während er neben Ai auf dem Dach eines kleinen Tunnels, in dem die Digimon Zuflucht gesucht hatten, stand.

Dort wo sie hingesehen hatten war für einen kurzen Moment eine Gestalt – nun, um genauu zu seine eine Gruppe von Gestalten aufgetaucht – von denen eine sehr nach Makoto ausgesehen hatte.

„Ich weiß nicht“, seufzte Ai und ließ die Schultern hängen.

„Vielleicht war es eine Art Fata Morgana“, meinte Ai zurückhaltend. „Die zeigen einem manchmal Dinge, die weit weg sind. Durch Luftspiegelungen oder so.“

„Vielleicht“, gab Takumi, der seine Fliegerbrille über die Augen gezogen hatte, um sie vor dem Sand zu schützen, zu. „Lasst uns herunter gehen“, meinte er dann.

Die beiden Mädchen nickten und gemeinsam mit Impmon schlitterten sie den Rand des kleinen Tunneldurchgangs hinunter.

„Habt ihr etwas gesehen?“, fragte Kotemon, das hier geblieben war, um auf die Digimon aufzupassen.

Takumi sah zu Ai und Impmon, doch Ai schüttelte den Kopf. „Nicht wirklich“, meinte sie dann.

„Was sollen wir jetzt machen?“, fragte Bearmon, das neben Tailmon hockte.

Tailmon war das, was von Pandamon übrig geblieben war, nachdem sie es wieder zur Vernunft gebracht hatten, doch es war noch nicht wieder ganz zu Kräften gekommen, hatte doch das – was auch immer mit ihm passiert war – ihm offenbar einige Energie gekostet.

„Ich glaube wir können nur warten, bis der Sturm vorbei ist“, murmelte Rin und kniete sich auf den sandigen Boden.

Takumi nickte und setzte sich nach kurzem Zögern, woraufhin Kotemon zu ihm kam.

Einzig Ai reagierte nicht, sondern sah nur auf den düsteren Sandsturm, der draußen herrschte. Sie dachte an Makoto, der irgendwo dadraußen in der digitalen Welt sein musste, die beinahe apokalyptisch wirkte.

Sie dachte daran, wie sie vor drei Jahren mit Makoto und Impmon hier festgesessen war, während das neue D-Reaper sie angegriffen und die digitale Welt beinahe vollkommen zerstört hatte. Nur deswegen waren sich die Welten so nahe gekommen, dass sie nun recht einfach zwischen ihnen wechseln konnten. Damals... Ja, damals waren Coronamon und Lunamon bei ihnen gewesen und hatten sie beschützt.

„Apollomon und Dianamon“, murmelte sie auf einmal.

„Was?“, fragten Rin und Takumi beinahe gleichzeitig.

Ai zögerte mit ihrer Antwort, da es nur ein Gedanke war, der ihr gekommen war. Sie wusste nicht, wie sie es den anderen erklären sollte.

„Vor drei Jahren haben sich zwei wilde Digimon in die reale Welt verirrt“, erklärte Impmon und verschränkte seine Arme. „Zwei vollkommene Idioten, deren Digicores aber mit einer seltsamen Energie erfüllt waren. Sie sind im Kampf gegen D-Reaper zu Apollomon und Dianamon digitiert und am Ende in der digitalen Welt geblieben, um sie anstelle der vier heiligen Tiergötter zu schützen.“

Takumi und Rin sahen sie verständnislos an.

„Wenn wir die beiden finden könnten“, murmelte Ai, „dann könnten sie uns vielleicht helfen Makoto zu finden und dann... Könnten wir zurückgehen.“

„Wir sollten sofort gehen“, erwiderte Tailmon leise und richtete sich auf. „Wir haben nicht mehr viel Zeit.“

Nun sahen alle das weiße Katzendigimon überrascht an. „Was?“

Tailmon griff sich mit einer Tatze an die Stirn. „Ich weiß nicht... Aber irgendwie... Ich kann es spüren. Diese Welt wird nicht mehr lang existieren. Wir müssen von hier fort, wenn wir leben wollen.“

Bei diesen Worten breitete sich Unruhe zwischen den Digimon aus. Ängstliches Gemurmel schwoll an, während die Baby- und Childdigimon miteinander flüsterten.

Auch die Tamer tauschten unbehagliche Blicke.

„Sag doch so etwas nicht, Panda... Tailmon“, murmelte Bearmon und sah besorgt das andere Digimon an.

Tailmon sah auf und ließ seine Ohren hängen. „Es tut mir leid.“

„Wir können nicht gehen, bevor wir Makoto gefunden haben“, warf Ai nun entschlossen ein. Sie konnte ihren Bruder einfach nicht im Stich lassen und allein die Vorstellung machte sie wütend.

Sie merkte, dass nun Rin, Takumi und Kotemon blicke wechselten.

„Vielleicht könnten Takumi und ich bei den Digimon bleiben“, meinte Kotemon schließlich. „Und du geht zusammen mit Rin, Kunemon und Impmon und suchst deinen Bruder.“

„Nein, das können wir nich tun!“, protestierte Rin. „Wir können uns nicht trennen. Was sollen wir dann tun?“

„Und was ist, wenn noch einmal so etwas wie in der Zuflucht passiert? So etwas... Seltsames“, warf ein Upamon ein und bezog sich ganz offensichtlich damit auf dieseltsame Macht, die von Pandamon und Candmon Besitz ergriffen hatte.

Ai wusste, was es meinte. Nur sie und Impmon konnten das Ultimate-Level erreichen.

Doch was konnten sie tun? Sie konnte nicht einfach ohne Makoto gehen. Wenn diese Welt zerstört wurde, dann würde er sterben. Dann hätte sie ihren Bruder verloren, nur weil sie sich immer hatte durchsetzen müssen. Das konnte sie nicht zulassen. Aber was... Was sollten sie sonst tun?
 

Es war auf einer gänzlich anderen Ebene, dass eine weitere menschliche Gestalt an einer Spalte, mitten auf einer Wiese saß, ein Tablet in der Hand.

Aus der Spalte, um die herum der Boden zu Flackern schien, kam ein kaltes, weißes Licht hervor, während immer mehr Digignome sich auf dieser Ebene zu versammeln schienen und panisch plappernd um die menschliche Gestalt herum flogen.

Diese sah auf den Tablet-PC in seiner Hand, dessen Bildschirm flackerte, jedoch ein Bild anzeigte.

Wer genau hinsah, konnte feststellen, dass es sich bei der Gestalt tatsächlich um einen Menschen handelte. Um einen Jungen oder einen jungen Mann von vielleicht 18 Jahren, dessen äußeres eindeutig auf eine Ostasiatische Herkunft schließen ließ.

Sein Gesicht war besorgt.

„Es breitet sich immer weiter aus“, murmelte er.

„Wir können nicht viel länger hier bleiben“, erwiderte eine weiblich klingende Stimme, deren Ursprung nicht ersichtlich war.

„Ich weiß“, antwortete der junge Mann, den Blick weiterhin auf den Bildschirm gerichtet. Er sah zu den Digignomen auf und seine Augenbrauen zogen sich zusammen. „Wie lange noch...?“
 

23. Juli 2011 – Paolo Alto
 

Im ersten Moment dachte Janyuu, es sei das Beben gewesen, das ihn geweckt hatte, doch als er im nächsten Moment wahrnahm, dass sein Handy klingelte, war er sich nicht mehr so sicher.

Auch Mayumi öffnete die Augen, während er das Smartphone vom Nachtschrank hob und abhob. „Moshimoshi?“, meldete er sich, wobei er zuerst aus Gewohnheit die japanische Version nutzte. Er besann sich aber, dass er sich in den USA befand und meinte auch, dass die angezeigte Nummer amerikanisch gewesen war. „Entschuldigen Sie“, sagte er daher. „Lee hier.“

„Spreche ich mit Mr. Janyuu Lee?“, fragte eine hektische Frauenstimme am anderen Ende der Leitung.

„Ja, genau der bin ich. Janyuu Lee.“ Er bemühte sich nicht laut zu Gähnen und blinzelte auf die Zeitanzeige des kleinen Radiogeräts, das zur Zimmerausstattung gehörte. Es war kurz vor Mitternacht.

„Hier spricht das California Pacific Medical Center. Wenn ich richtig informiert bin, sind sie der Vater von Shuichon Lee.“

Für einen Moment glaubte er, sein Herz würde aussetzen. „Ja, der bin ich“, erwiderte er, nun schneller sprechend.

„Ihre Tochter wurde vor einigen Minuten eingeliefert und wird zur Zeit operiert“, sagte die Stimme sachlich.

„Was? Was ist passiert?“, fragte Janyuu aufgebracht, auch wenn er bereits wusste, dass man ihm diese Frage nicht beantworten würde.

„Das darf ich Ihnen am Telefon nicht beantworten. Wenn es Ihnen möglich ist, kommen Sie bitte sobald möglich her“, antwortete die Frauenstimme.

Janyuu war bereits aufgestanden, während Mayumi ihn besorgt ansah. „Ich mache mich auf den Weg. Vielen Dank für die Benachrichtigung“, sagte er förmlich und beinahe automatisiert, ehe er auflegte und zu seiner Frau sah. „Shuichon ist im Krankenhaus. Ich weiß nichts genaueres.“ Damit nahm er direkt die Antworten auf die Fragen, die ihr auf der Zunge lagen vorweg. „Wir müssen gehen.“ Dabei bemerkte er nicht einmal, dass er weiterhin Englisch sprach, so durcheinander war er.

„Dou natte iruno?“, erwiderte Mayumi, die genug verstanden hatte, um noch besorgter auszusehen.

Er schüttelte den Kopf. „Shuichon wa byoin hakobareta.“ Dann schrieb er eine kurze Nachricht an Dolphin, da er eine ungute Vorahnung hatte, ehe er sich anzog und während er auf seine Frau wartete die Nummer Jenryas wählte.
 

23. Juli 2011 – San Fransisco
 

Zur selben Zeit saß Denrei unruhig in einem engen Raum auf einer Polizeidienststelle und war dabei beinahe überrascht, dass man sie nicht zu einer Militärbasis gebracht hatte. Er hatte wenig verstanden, doch von dem was er verstanden hatte, wollte man sie angeblich nur verhören.

Er hätte vielleicht darüber nachgedacht, dass es dafür durchaus seltsam war ihn, den Jungen und Alex in ein kleines Zimmer ohne Fenster einzuschließen oder die Digimon getrennt von ihnen wegzusperren. Er hätte sich vielleicht auch gesorgt, dass Dracomon – auch wenn er ihm beinahe mechanisch zugerufen hatte, es solle sich ruhig verhalten – jemanden angreifen könnte, nachdem was passiert war. Doch an all das dachte er nicht, zu besorgt war er um Shuichon. Und dabei wusste er nicht einmal was mit ihr geschehen war. Alles, was er wusste, war, dass sie geblutet hatte, als man sie in einem Krankenwagen fortgebracht hatte, und das weder er, noch Lopmon hatten mitfahren dürfen.

War die Schusswunde lebensgefährlich? Was würde getan werden? Wie hatte das überhaupt passieren können?

So vertieft war er in diese Gedanken, die er in seinem Kopf immer und immer wieder hin und herrollte, dass er nicht einmal bemerkt hätte, wie die Erde zu Beben begonnen hatte, wäre Alex nicht überrascht aufgesprungen.

„An earthquake“, murmelte sie.

Er sah sie an und ein Teil von ihm war beinahe überrascht, dass sie da war.

Er erwiderte nichts. Irgendein vollkommen logischer und distanzierter Teil seines Gehirn, teilte ihm mit, dass es in San Fransisco öfter kleinere Erdbeben gab, da die Stadt, ähnlich wie Tokyo, in der Nähe von geologisch aktiven Gebieten lag. Doch eigentlich war es ihm egal.

So bemerkte er auch kaum, dass der Junge – Nico – neben ihm, beinahe genau so elend aussah, wie er sich fühlte und ebenfalls nicht auf Alex oder das Erdbeben reagierte.

Denrei fragte sich, ob überhaupt jemand kommen würde, um mit ihnen zu reden. Wann würden sie hier heraus kommen? Wann würde er mit Shuichon reden können?

Man hatte ihnen sowohl ihre Digivices, als auch ihre Handys abgenommen, ehe man sie hier eingeschlossen hatte.

„Macht euch keine Sorgen“, meinte Alex nun auf Englisch, auch wenn selbst sie deutlich bleich war – so bleich, dass es trotz ihrer dunklen Haut auffiel. „Mein Vater wird uns hier bald heraus holen.“

Sie hatte die halbe Fahrt hierher davon gesprochen. Ihr Vater war ein Anwalt und würde sie schon hier herausholen können. Sie schien sich der Sache ganz sicher. Doch Denrei würde erst daran glauben, wenn es wirklich geschah. Würde man hier überhaupt darauf hören, was rechtlich korrekt war? Was war überhaupt legal? In einem Land, wo einfach mit Raketen auf sie geschossen wurde, war er sich dieser Sache so gar nicht sicher.

Alex sah sie an und ließ leise seufzend die Schultern sinken. „Wirklich. Macht euch keine Sorgen. Wir sind hier schon bald draußen. Versprochen.“ Obwohl die Erde noch immer leicht weiter bebte, ließ sie sich auf die unbequeme Holzbank zurücksinken. „Es tut mir Leid. Das ist alles meine Schuld.“

„Nein, es ist meine Schuld“, erwiderte Nico. „Ich habe euch in Gefahr gebracht und... Ich... Ach, ihr hättet mich einfach in Ruhe lassen sollen.“

„Hätte ich dich nicht angeschrien...“, begann Alex.

„Ich bin weggelaufen, das Mädchen hat sich vor mich gestellt, es ist mein Fehler“, antwortete Nico, beinahe schon etwas gereizt.

Denrei fragte sich, ob sie wirklich nun auch noch anfangen wollten zu streiten, doch tatsächlich gab Alex nach.

„Wir haben alle blöd gehandelt“, murmelte sie. „Dabei sollte ich wissen... Ich meine, ich habe einen Bruder, der etwa so alt ist, wie du...“

Der Junge erwiderte nichts mehr darauf und so senkte sich Schweigen über den Raum, während das Erdbeben langsam nachließ.

Denrei merkte, wie seine Hand zitterte. Er wollte einfach nur wissen was mit Shuichon war. Er wollte hier heraus, doch was konnte er tun um hier heraus zu kommen.

Schweigen. Stille. Sie konnten entfernte Stimmen hören. Schritte, die an dem Raum vorbei gingen. Andere Geräusche. Doch niemand kümmerte sich um sie. Niemand kam herein.

Dann hörten sie einen entfernten Streit und kamen nicht umher aufzusehen, auch wenn die kahle, braune Holztüre ihnen keine Antwort gab. Stimmen, die schrieen, lauter Protest und eine noch lautete Antwort, doch alles zu weit entfernt, um genaue Worte zu verstehen. Dann eine ruhigere Stimme, die etwas sagte und für sie kaum mehr als ein leises Murmeln zu sein schien. Eine weitere Erwiderung. Dann erneute Stille.

Während sie sich verwirrt ansahen – nun, zumindest sah Denrei kurz und mit müdem Blick zu Alex – hörten sie erneut Schritte Näher kommen. Doch wer auch immer zu den Schritten gehörte: Die Menschen schienen sich leise zu unterhalten.

Und dann hörten sie einen Schlüssel und zu ihrer großen Überraschung wurde die Tür geöffnet.

Als erstes erschien ein stämmiger Mann mit rötlichem Haar in der Tür.

„Dad!“, rief Alex aus, sprang auf und fiel ihm um den Hals.

Denrei fiel auf, dass sie Tränen in den Augen hatte.

Dann erkannte er einen verschlafen wirkenden Keith hinter dem rothaarigen Mann, der offenbar Alex' Vater war.

„McCoy-san“, sagte er und wählte unüberlegt die japanische Anredeform.

„Mein Vater hat mich informiert“, meinte Keith, als Alex' Vater genug zur Seite ging, damit er eintreten konnte, wobei er auch den Blick auf einen unzufrieden wirkenden Polizisten offenbar lateinamerikanischer Abstammung freigab, der im Flur stehen soll. „Ihr könnt gehen. Na ja, nur dieser Junge...“

„Dad“, meinte Alex und sah zu ihrem Vater, wobei sie sich mit einer flinken Geste die Tränen aus den Augen wischte.

Ihr Vater schien zu verstehen. „Wir kümmern uns erst einmal um ihn“, sagte er an Keith und den Polizisten gewandt. „Ich werde alle notwendigen Formulare unterschreiben.“

Nico erwiderte nichts.

„Denrei“, meinte nun Keith und klopfte ihm auf die Schulter. „Ich fahre dich zum Krankenhaus.“

Denrei war zu erschöpft, um viel dazu zu sagen, außer: „Danke„ und dann: „Aber Dracomon und Lopmon.“

Keith nickte nur.
 

24. Juli – Digitale Welt
 

Takumi wusste, dass er in der digitalen Welt nicht schlafen musste, aber dennoch kam er nicht umher einzudösen, während sie in dem Tunnel verschnauften und darauf warteten, dass der Sandsturm draußen endete. All die Sorge, die er verspürte, änderte nichts daran, dass offenbar irgendetwas in seinem Geist befand, dass er Schlaf brauchte und ihn so langsam in einen seichten Schlaf gleiten ließ.

Als er aufwachte war es noch immer dunkel, wie bereits, als sie hier angekommen waren. Doch das vermochte nichts zu sagen, da sie bereits gemerkt hatten, wie sehr das Wetter, Tag und Nacht und sowieso alles in der digitalen Welt verrückt spielte.

Im ersten Moment war ihm nicht klar, was ihn geweckt hatte. Die meisten der Digimon schienen auch zu dösen und auch Ai und Rin hatten sich in eine sandige Kuhle gelegt und schienen zu schlafen.

Außerhalb des Tunnels tobte immer noch der Sturm.

Erst nach einigen Sekunden, vielleicht auch einer Minute, bemerkte er, dass Tailmon am Eingang des Dunnels stand und mit leicht zurückgelegten Ohren und auf allen Vieren in die sturmige Finsternis draußen starrte. Dabei erinnerte es ihn tatsächlich an eine Katze aus der realen Welt, die auf einen Fleck starrte, als würde dort eine Bedrohung lauern, die für Menschen nicht sichtbar war.

Vorsichtig stand er auf und ging zu dem Digimon hinüber. „Was hast du, Tailmon?“, fragte er vorsichtig.

Das Digimon fauchte und erinnerte ihn damit noch mehr an eine richtige Katze. Erst nach einigen Augenblicken entspannte es sich soweit, dass es sprach, jedoch ohne den Blick von der Stelle im Sturm abzuwenden. „Es kommt.“

Verständnislos sah Takumi es an. „Was kommt?“

„Es!“, wiederholte das Katzendigimon. „Sie kommen. Dann wird auch diese Ebene...“

Und da verstand Takumi, eher intuitiv als bewusst, dass es von dem seltsamen weißen Etwas sprechen musste, dass in der Höhle erschienen war.

„Kotemon!“, rief er aus, woraufhin sein Partner, beinahe so, als hätte er gar nicht geschlafen, aufsprang.

Auch Ai und Rin öffneten die Augen und sahen ihn verwirrt an, ehe ihre Blicke zu Tailmon wanderten und dann zu der Stelle, die Tailmon anstarrte.

Doch es dauerte eine ganze Weile, ehe etwas geschah. Tatsächlich glaubten sie schon fast, dass Tailmon sich nur einbildete, was auch immer es zu spüren meinte. Doch dann... Merkten sie es.

Ja, sie spürten es viel eher, als dass sie es sahen. Es war so, als würde irgendetwas zerbrechen, zumindest waren das die Worte, die Takumi in den Sinn kamen, als er es wahrnahm. Und dann sahen sie in der Ferne durch die Schleier des Sturmes hindurch ein stumpfes Glimmen und hörten ein Heulen, das beinahe an den Gesang eines Wales erinnerte.

„Ist das ein weiteres Digimon...“, begann Rin, die mittlerweile neben Takumi getreten war, doch Tailmon fauchte.

„Kein Digimon. Keine Digimon mehr“, erwiderte es.

Ai zögerte und sah sich dann um. „Wir müssen hier weg. Alle!“

„Aber wohin?“, fragte Rin.

„Es muss einen Weg von dieser Ebene geben“, erwiderte Ai.

Takumi verstand, doch war er sich nicht sicher, was sie tun sollten. Immerhin wurden die kleinen Digimon vom Wind beinahe problemlos fortgeblasen, weshalb es kaum eine Option war weiter zu laufen.

Erneut klang das Heulen, das wie Walgesang klang und es war in diesem Moment, dass der Sturm plötzlich stoppte, ganz so als hätte das Wesen, das sie nun in der Ferne erkennen konnten, ihn abgestellt.

Nun konnten sie auch das Wesen erkennen, das auf diese seltsame Art heulte: Es leuchtete in einem kalten Weiß und schien nicht aus einem festen Material zu bestehen. Seine Augen und sein Maul – obwohl es eher ein langer, breiter Schlitz war, der sich durch das obere Ende des Wesens zog – leuchteten beinahe pink. Es erschien riesig.

„Los, alle zusammen! Aufstehen! Wir müssen weiter!“, schrie Impmon nun die kleinen Digimon an, die noch nicht erwacht waren.

Und wieder machte sich Panik breit und wieder mussten sie die Digimon beruhigen, ehe sie langsam – viel zu langsam – losgingen.

Das Wesen, zu dem sich Takumi immer wieder umdrehte, stand einfach nur da, beinahe, als könnte es sich gar nicht bewegen. Doch um es herum, schienen Felstore und -tunnel anzufangen zu flackern, wie in einem schlecht eingestellten Fernsehsender.

„Was passiert hier?“, fragte Rin ängstlich und hielt Kunemon, das sich wieder um ihren Hals gelegt hatte, fest.

„Die digitale Welt funktioniert nicht mehr“, murmelte Kotemon und sah sich zu dem Wesen und den flackernden Felsen um. „Ich glaube, es ist, weil dieses Wesen nicht hierher gehört... Es ist...“

„Eine Anomalie“, flüsterte Ai und sah zu den anderen. „Davon haben Takato, Yamaki-san und die anderen einmal gesprochen...“

Keiner sagte etwas, während weitere kleine Digimon an ihnen vorbei liefen, hopsten oder flatterten – ganz wie es ihre Körper ihnen erlaubten.

Ein weiteres Heulen erklang und auf einmal wandte das Wesen seinen Blick in ihre Richtung.

„Impmon“, hauchte Ai und ihre Hand klammerte sich um ihr Digivice.

Episode 41: Konfrontation

Episode 41: Konfrontation
 

Am gestrigen Nachmittag ereignete sich in der Nähe der Neighborhood Parks ein Autounfall als ein Fahrer die Kontrolle über seinen Wagen verlor und ein 9jähriges Mädchen anfuhr, das bald darauf im Krankenhaus verstarb. Über den genauen Unfallhergang ermittelt aktuell die örtliche Polizei.

                                                                      - Morgennachrichten „Peninsula News“ vom 12.09.1998
 

24. Juli – San Fransisco

Keith sah auf den blassen und geschafft sehenden Jungen, der nun im Beifahrersitz seines Autos sah, während sie auf dem Weg zum California Pacific Medical Center waren. Er konnte die Besorgnis des Jungen nur zu gut verstehen und wieder einmal ärgerte er sich über die vielen Ampeln in der Stadt.

Er erinnerte sich an etwas, das schon so viele Jahre zurücklag. Damals, als sie Alice ins Krankenhaus gebracht hatten – nach dem Unfall. Irgendwie hatte er schon bevor sie am Krankenhaus angekommen waren gewusst, dass es zu spät war.

Dabei war Alice nicht einmal zehn Jahre gewesen.

Damals hatte er nicht gewusst, wie er damit umgehen sollte, und Michelle – seine Frau – hatte den Verlust ihrer Tochter nicht verkraftet. Es war der Grund für ihre Scheidung gewesen.

Er wusste nur zu gut, wie es war, sich um einen geliebten Menschen zu sorgen, und fragte sich ob der Junge denselben Hass in sich spürte, wie er damals. Wahrscheinlich. Er selbst hatte den jungen Mann, der den Unfall verursacht hatte, gehasst, und dabei war es damals nur ein Unfall gewesen. Der Mann hatte Alice nicht mit Absicht tot gefahren, doch der Soldat, der auf Janyuus Tochter geschossen hatte, hatte dies mit Absicht getan.

Er konnte kaum glauben, was er über die Ereignisse am Mittag erfahren hatte. Sie hatten auf die Kinder – nun, eigentlich waren es Jugendliche – geschossen, nur weil sie Digimon bei sich hatten? Beziehungsweise nur weil ein Junge, der dafür keine Erlaubnis hatte, bei ihnen war? Wie hatte es soweit kommen können?

Eigentlich hatte Keith die Tamer immer beneidet. Immerhin war er es gewesen, der die Digimon damals entworfen hatte. Dennoch hatte er selbst nie einen Partner für sich gefunden. Jedoch hatte er deswegen nie seine Freude daran verloren, die Digimon zu beobachten – selbst, wenn immer wieder Menschen durch die Digimon gestorben waren.

Die Digimon waren nun einmal Wesen, in deren Natur der Kampf lag. Die Menschen sollten eigentlich darüber stehen und vor allem sollten sie nicht Kinder oder Jugendliche unter Beschuss nehmen, ohne dass diese es provoziert hatten.

Wieder sah er zu dem japanischen Jungen im Beifahrersitz und den nicht minder besorgt wirkenden Digimon auf dem Rücksitz.

Keith sagte nichts, denn er wusste, dass er nichts sagen konnte, das Jungen oder Digimon beruhigt hätte. Zumal er nicht viel mehr wusste, als das, was er von seinem Vater gehört hatte: Janyuus Tochter wurde operiert. Wie schlimm ihre Verletzungen waren wusste er nicht.

Doch dann kam ihm etwas anderes in den Sinn. Das, was Megumi gesagt hatte: Diese Welt war nicht real. Zumindest glaubte das Mizuno Gorou, Shibumi, und Keith hatte keinerlei Möglichkeit zu beweisen, dass dies nicht stimmte. Schlimmer noch: Megumi hatte ihm erzählt, was sie von Shibumi gehört hatte, und vieles von dem, was auf reinen Beobachtungen der Realität beruhigte, machte zu viel Sinn.

Und wenn es wirklich stimmte: Was hatte all das hier noch für einen Sinn. Immerhin bedeutete es doch, dass nichts von dem was sie taten real war. Sie selbst waren nicht real.

Die Besorgnis im Blick des Jungen, der auf seinem Beifahrersitz saß, sah allerdings nur zu real aus...
 

24. Juli – Digitale Welt

Ai hatte das Gefühl, dass das Wesen sie ansah, und sie wusste nicht, was es tun würde. Würde es sie angreifen? Sie hatte gesehen, wie dieses weiße Zeug in der Höhle, in der die flüchtigen Digimon gelebt hatten, die Umgebung beschädigt hatte, und wie es von Pandamon und Candmon Besitz ergriffen hatte. Würde all das auch bei diesem Wesen geschehen?

Irgendwie wusste sie, dass es mit demselben Zeug zu tun hatte, das sie in jener Höhle gesehen hatten. Doch konnten sie überhaupt dagegen kämpfen?

Sie sah zu den Digimon, die teilweise in Panik verfielen, während Tailmon noch immer mit glasigen Augen in die Richtung sah, in welcher das Wesen war. Das Digimon fauchte nicht mehr, sondern schien viel eher wie erstarrt.

„Wir müssen hier weg“, flüsterte Rin.

Ai spürte, wie das andere Mädchen nach ihrer Hand griff, mit der sie noch immer ihr Digivice umklammert hielt. „Komm, Ai.“

Doch Ai schüttelte den Kopf. Sie und Impmon waren die einzigen, die das Ultimate-Level gemeinsam erreichen konnten und so dieses Wesen vielleicht aufhalten konnten. „Nein, Impmon und ich...“

Nun war es Impmon, das den Kopf schüttelte. „Ich kann alleine kämpfen!“, rief es aus. „Du fliehst mit den anderen!“ Entschlossen sah es sie an.

„Ich lasse dich nicht wieder alleine kämpfen!“, widersprach Ai. „Ich will dich nicht auch noch verlieren!“ Dabei dachte sie an Makoto und ihre immer geringer werdende Hoffnung ihn wieder zu finden.

„Hört damit auf!“, rief Rin. „Wir sollten alle zusammen fliehen!“

„Sie hat recht“, warf Kotemon ein. „Kommt jetzt. So lange dieses Wesen noch nichts macht, können wir vielleicht einfach entkommen.“

Nur Takumi sagte nichts, sondern sah Ai nur zweifelnd an, als wäre ihm bei der ganzen Sache nicht besonders wohl.

Erneut erklang ein Heulen des Wesens und es bewegte sich langsam. Sie konnten auf die Entfernung nicht genau erkennen, was es machte, doch es schien beinahe so, als würde es den Boden betasten, der auf seine Berührung hin jedoch anfing zu flackern.

Ai sah zu ihrem Partner. Sie würde auf keinen Fall zulassen, dass Impmon als Beelzebumon alleine in diesen Kampf zog. Zu gut erinnerte sie sich noch daran, wie Rins Flymon von diesem Virus oder was auch immer die Anomalie war, besessen gewesen war, und stellte sich vor, wie es wäre, würde dasselbe mit Impmon passieren. Nein, das würde sie nicht zulassen. „Impmon“, flüsterte sie und sah dem Digimon in die Augen.

Es hatte die Arme verschränkt, doch schließlich seufzte es. „Lass uns gehen.“ Bei diesen Worten klang es von der Idee allerdings noch immer nicht wirklich überzeugt.

Ai nickte und riss ihre Hand von Rin los, wohl wissend, dass diese es eigentlich nur gut meinte und nicht wollte, dass ihr etwas geschah. Doch gleichzeitig konnte sie nicht zulassen, dass all den anderen etwas geschah nur wegen ihr und ihrem Bruder. Sie hob das Digivice. „Matrix Evolution!“, rief sie aus und das Gerät in ihrer Hand hüllte sie und Impmon in helles Licht.

„Impmon – Shinka! Beelkomon!“

Nun war der Blick des fremdartigen Wesens gänzlich auf sie gerichtet und folgte Beelkomon, als dieses auf eine andere Felsstruktur – eine Art Torbogen – sprang und zu ihm hinübersah.

„Ai! Impmon!“, hörten sie noch Rin rufen, doch dann verstummte sie.

Ai ahnte, dass Takumi sie weitergezogen hatte.

Ihre größte Sorge war, dass die anderen keinen Weg von dieser Ebene herunter finden würden. Sie selbst wusste doch viel zu wenig über die digitale Welt und wusste daher nicht, wo es Wege gab, die auf andere Ebenen führten.

Zumal sie nicht wusste, ob das Wesen ihnen würde folgen können.

Bleib bei der Sache, Ai!“, hörte sie Impmons Stimme.

Ich weiß“, erwiderte sie und konzentrierte sich auf das Wesen, welches sich noch immer auf sie konzentrierte.

Es heulte und das Geräusch jagte ihnen einen Schauder durch den Körper. Dann, ohne jede weitere Vorwarnung, sprang das Wesen auf sie zu und holte mit einer riesigen Pranke aus.

Doch Beelkomon war immerhin ein Ultimate-Digimon und damit schnell genug, dem Angriff auszuweichen.

Es stieß sich vom Felsen ab und war im nächsten Augenblick in der Luft. Es sprang über das Wesen hinweg, dessen Berührung den Steinbogen vollkommen in Datenpartikel auflöste, und sah zu der Gruppe Digimon, die sich mittlerweile ein ganzes Stück von ihnen entfernt hatte. Sie mussten das Wesen lang genug ablenken...

Noch in der Luft zog Beelkomon seine beiden Pistolen. „Fly Bullet!“ Damit feuerte es Schüsse auf das fremdartige Wesen ab, das schon zu ihnen herumfuhr.

Die Schüsse trafen es im Kopf, doch anders, als es bei einem Digimon gewesen wären, drangen die Kugeln einfach durch den Körper des Wesens hindurch, der aus seltsamen rotierenden Formen zu bestehen schien, ohne irgendeinen offensichtlichen Schaden anzurichten.

Stattdessen schlug das Wesen nun nach Ihnen und nur indem Beelkomon sich im letzten Moment zur Seite warf, konnte es ausweichen.

Ai wusste intuitiv, dass es nicht gut sein würde, wenn das Wesen sie berührte. Doch was sollten sie nun machen? Wenn ihre Attacken dem Wesen nicht schaden konnten und sie das Wesen nicht berühren konnten, konnten sie diesen Kampf kaum gewinnen.

Wir müssen den Kampf nicht gewinnen“, erwiderte Impmon Ais Gedanken. „Wir müssen dieses Ding nur lang genug ablenken, bis die anderen einen Weg von der Ebene gefunden haben.

Du hast Recht“, murmelte Ai, während Beelkomon nun auf einem turmartigen Felsen landete. Dabei verdrängte sie den Gedanken, dass auch sie fortkommen mussten und ansonsten vielleicht sterben würden... Dann würden sie Makoto nie finden und sie konnte sich nie richtig bei ihm entschuldigen!

„Hierher du dummes Vieh!“, rief Beelkomon und sprang auf eine andere Felsformation, entgegengesetzt der Richtung, in die die anderen geflohen waren.

Dabei wussten sie nicht einmal, ob das Wesen sie verstand, doch es schien zu klappen: Die seltsame unwirkliche Kreatur folgte ihnen.
 

Takumi war nicht wohl dabei, Ai und Impmon allein kämpfen zu lassen, doch auf der anderen Seite waren hier die ganzen anderen Digimon, die fraglos ihre Hilfe brauchten, um jemals in Sicherheit zu kommen.

Sie konnten die Digimon auch nicht einfach im Stich lassen.

Erneut blieb Rin stehen und sah sich um, obwohl sie von ihrer jetzigen Position aus, zwar den fernen Schimmer des Wesens sehen konnten, jedoch nicht, was im Kampf selbst vor sich ging.

Nach einem kurzen Moment des Zögerns griff Takumi nach Rins Hand und zog sie dann weiter. „Wir können nicht warten. Wir müssen hier weg.“

Als das Mädchen ihn ansah, lag ein gewisser Vorwurf in ihrem Blick, doch sie sagte nichts und lief weiter.

Es war schwer, eine Übersicht über die ganzen kleinen Digimon zu behalten, nun wo sie in einer offenen Ebene waren. Takumi bemühte sich, all die kleinen Kreaturen im Blick zu halten, während sie weiter hopsten und rannten, von den wenigen größeren Digimon in ihrer Umgebung angetrieben, die auch einige der kleinen Baby-Digimon trugen.

„Können wir denn gar nichts machen?“, flüsterte Rin nur an Takumi gewandt.

Er wusste nicht, was er antworten sollte, da er ihre Sorge verstand. Zum Glück hatte er Kotemon, das etwas weiter vorne lief, nun aber stehen blieb und zu ihnen sah.

„Beelkomon ist stärker als Waspmon oder Hanehamon – wenn es nichts gegen dieses Wesen tun kann, dann können wir auch nichts tun“, antwortete es.

„Aber Ai...“, murmelte Rin und sah sich erneut um.

Da jedoch bemerkte Takumi, dass sich auch zwischen den Digimon eine Traube gebildet hatte, die nicht weiterlief und stattdessen in die Richtung sah, aus der sie immer wieder Heulen, Krachen und Schüsse hörten.

Erst wollte er die Digimon weiterschicken, doch da erkannte er, dass in der Mitte der Traube Tailmon und Bearmon standen.

Während Tailmon – noch immer mit seltsam glasigen Augen – in Richtung des Kampfes sah, hatte Bearmon eine seiner Pfoten ergriffen und versuchte es zum Weiterlaufen zu bringen.

„Bitte, Tailmon, wir müssen weiter“, hörte Takumi nun Bearmon jammern. „Wir müssen bei den anderen Digimon bleiben!“ Das kleine Bärendigimon zögerte. „Du willst sie doch weiterhin beschützen, oder?“

Doch Tailmon reagierte nicht, sondern sah nur in die Richtung des Kampfes.

„Was ist, Tailmon?“, fragte nun auch Kotemon, bevor einer der beiden Tamer etwas sagen konnte.

„Das Mädchen hätte es nicht angreifen dürfen“, flüsterte das katzenhafte Digimon.

Ein Koromon, das ebenfalls in der Traube war, die Tailmon umringten, sah es überrascht an. „Aber sie versucht doch, uns zu beschützen.“

„Es wollte uns aber nicht angreifen“, murmelte Tailmon und Takumi erschien es, als würde das Digimon wie in Trance sprechen. „Es ist... Es ist...“ Seine Stimme wurde schwächer, während Bearmon begann es zu schütteln.

„Komm zu dir, Tailmon“, rief es, als Kotemon das Bärendigimon an der Schulter griff.

„Lass es!“, sagte Kotemon ruhig.

„Was ist es, Tailmon?“, fragte Takumi an das katzenhafte Digimon gewandt.

Zuerst war es nicht sicher, ob das Digimon es gehört hatte, da es noch immer in die Richtung des Kampfes starrte, doch schließlich beendete seinen Satz.

„Es ist nicht hier zum zu kämpfen. Es will nur leben. Sie wollen nur Leben.“

„Sie?“, fragte Kotemon.

Auch Takumi verstand nicht, wovon das Digimon redete oder auch nur, was überhaupt vor sich ging. Woher wusste Tailmon all diese Dinge? Stand es etwa noch immer mit diesem Virus in Verbindung?

Da sprach Tailmon auf einmal erneut: „Aber nun werden sie kämpfen. Um zu existieren...“
 

Natürlich bekam Ai von diesem sehr seltsamen Gespräch nichts mit, während sie im Körper Beelkomons sich ganz darauf konzentrieren musste, dass das seltsame Geschöpf, das wie aus dem Nichts erschienen war, sie nicht zu fassen bekam.

Der Teil des Plans, dieses Wesen von den anderen fernzuhalten funktionierte irgendwie, doch jedwede Versuche, das seltsame Ungeheuer zu besiegen, waren fehlgeschlagen. Tatsächlich hatte Beelkomon sämtliche seiner Attacken bereits durchprobiert – mehrfach – und keine davon hatte irgendein Ergebnis erzielt.

All ihre Attacken schienen durch den Körper des Geschöpfes hindurch zu gleiten, als wäre es nur ein Geist – doch ein Geist mit ziemlicher Zerstörungskraft, wenn sie bedachten, dass dieses Wesen offenbar die Fähigkeit hatte, die Daten von allem, was es berührte, zu beschädigen. Viele der Felsformationen um sie herum flackerten, einige waren durch Schläge des Wesens zerstört worden.

Vorsicht!“ Impmons Stimme warnte sie beide irgendwie und Beelkomon wich einem weiteren Schlag des Wesens aus, indem es zur Seite sprang.

Immer, wenn Beelkomon in der Luft war, sah es in Richtung der anderen, doch noch immer waren sie zu sehen und hatten offenbar keinen Weg von dieser Ebene gefunden. Und Ai wusste nur zu gut, dass sie nicht ewig kämpfen konnten – irgendwann hätten sie ihre Energie verbraucht.

Was sollen wir tun?“, flüsterte Ai im Innern des Digimon.

Durchhalten“, antwortete Impmon, während sie einem weiteren Schlag auswichen.

Zumindest schien dieses Wesen keine Energie-Attacken zu haben, dachte sich Ai, auch wenn es nur ein schwacher Trost war, sobald sie bedachte, dass das Wesen über große Schnelligkeit verfügte, so dass sie es auch nicht auf diese Art übertreffen konnten.

Ein weiterer Schlag, der weitere Felsen in Datenpartikel auflöste und wieder sprang Beelkomon in die Luft.

Als es dieses Mal zu den anderen sah, erkannte es ein helles Licht. Ein Licht, dass Ai nur zu gut kannte: Das Licht der Digitation.

Was machen die Idioten?“, rief sie aus und im nächsten Moment erkannte sie, dass Flymon in ihre Richtung flog.

„Hört auf!“, erklang ein Ruf, der fraglos von Rin kam.

In diesem Moment wickelte sich etwas um Beelkomons Beine und zu spät erkannte es, dass seltsame kleine Tentakelarme aus der Hand des Wesens geschossen waren und sich nun langsam um seinen Körper wickelten.

„Beelkomon!“, schrie Rin, die sie nun auf Flymons Rücken näherte.

„Bleib weg!“, rief Beelkomon.

Ai spürte, wie der Körper des Ultimates dort, wo die Ärmchen es umschlagen, langsam taub wurde und einzig ein Gefühl, als würden leichte Elektroschocks durch den Körper des Ultimates zucken.

„Verflucht!“, knurrte Beelkomon.

Zum Glück hatte es noch seine Arme frei, auch wenn es seine Beine nicht mehr bewegen konnte, und hatte so die Möglichkeit mit seinen Pistolen auf die Ärmchen zu zielen, die es nun an den Körper des seltsamen Wesens heranzogen. Zwar konnten die Kugeln einige der Ärmchen durchtrennen, doch umso mehr dünne Tentakel kamen aus der unförmigen Klaue des Wesens hervor und wickelten sich weiter um Beelkomons Körper, bis sie schließlich auch die Arme lähmten.

Sie zogen das Ultimate nun gänzlich in die Klauen des Wesens.

„Beelkomon!“, rief Rin aus. „Ai!“

Beelkomon konnte nichts erwidern. Ansonsten hätte es das Mädchen wohl dazu angetrieben, zu fliehen. So aber konnte es nicht verhindern, dass Rin nun eine weitere Karte aus ihrem Deck zog und durch ihr Digivice zog.

„Card Slash! Matrix Evolution!“

Erneut erstrahlte das Licht, ehe sich Flymon – wie immer stumm – in Waspmon verwandelte.

Beelkomon – oder besser vielleicht Ai und Impmon – ging es nicht, wie Sakuyamon oder Dukemmon an jenem Tag, als die erste Manifestation der Anomalie in Tokyo aufgetaucht war. Sie spürten nicht nur ein leichtes Kribbeln, als das Wesen den Körper Beelkomons umfasste, sondern einen Schmerz, so als als würden mehrere hundert Volt durch seinen Körper gejagt. Es hätte geschrien, doch es war so paralysiert, dass es selbst das nicht konnte.

Ein Laserstrahl schoss aus dem Unterkörper Waspmons auf die Hand des seltsamen Wesens und anders, als die Kugeln Beelkomons schienen diese auch den eigentlichen Körper des Geschöpfes irgendeinen Schaden zuzufügen, denn der Griff des Wesens lockerte sich etwas.

Beelkomon jedoch konnte sich noch immer nicht bewegen und sich damit auch nicht befreien.

„Verflucht“, flüsterte Ai nur.

Was würde passieren, wenn sie alle Energie verbraucht hatten? Wenn sich ihre Verbindung löste?

„Beelkomon!“ rief Rin, während Waspmon erneut angriff.

Nun hob das Wesen seine zweite Klaue und holte aus, offenbar um nach Waspmon zu schlagen, doch in diesem Moment erklang ein seltsamer Ruf.

„Kochoume-kyou!“ Licht erstrahlte ganz nahe und im nächsten Moment sahen sie kleine, goldene Lichter, die um sie herumschwirrten und das seltsame Wesen umkreisten. Dann, mit einen Mal, schossen einige der Lichter auf den Arm des Wesens und sein Griff um Beelkomon löste sich.

Unfähig, sich noch länger zu halten, fiel das Digimon zu Boden, wobei sich die Verbindung von Ai und Impmon löste.

Nur noch halb bei Bewusstsein sah Ai, wie ein weiteres Digimon in der Luft erschien. Woher vermochte sie nicht zu sagen. Es schwebte vor dem Wesen und war von den goldenen Lichtern umgeben.

Ai meinte, dass dieses Digimon etwas sagte, doch die Worte drangen nicht mehr durch ihren Geist.

Das einzige, was sie hörte, war Rin, die nach ihr rief.

Sie merkte nicht einmal mehr, wie sie auf den Boden aufkam. Tatsächlich fühlte es sich eher so an, als würde sie in warmes Wasser eintauchen, doch das war wahrscheinlich nur ihr ermüdeter Geist, der ihr etwas vorgaukelte.

Goldenes Licht umgab sie, doch was es mit diesem Licht auf sich hatte, erfuhr sie nicht mehr, denn im nächsten Augenblick verlor sie das Bewusstsein.
 

24. Juli – San Fransisco

Alex war unendlich müde, als sie endlich vor dem hohen Apartmentbuilding, in dem ihre Familie wohnte, vorfuhren und in die darunter gelegene Garage hineinfuhren. Das Gebäude stand in einem der besseren Stadtteile von San Francisco und war entsprechend modern ausgestattet. Die Garage hatte eine eingebaute Automatik, mit der das Auto erkannt wurde, und die Schranke öffnete.

Sie wusste nicht ganz, was sie mit dem Jungen machen sollte, der nun neben seinem Digimon auf dem Rücksitz des dunklen Wagens saß, auch wenn sie hoffte, dass sich ihr Vater darum Gedanken machte.

Immerhin konnten sie ihn nicht einfach wieder alleine losziehen lassen, oder?

Natürlich war es nicht das einzige, das sie bedrückte. Auch sie sorgte sich um Shuichon, da sie noch immer nichts davon gehört hatte, wie es ihr ging. Doch Alex war pragmatisch genug, diese Sorgen weiter zu verdrängen und sich erst einmal um die Probleme zu kümmern, auf die sie Einfluss hatte.

Sie bemerkte, wie der Junge zögerte, als sie und ihr Vater in Richtung des Aufzugs gingen, der zu den Wohnungen hinauffuhr.

„Denk nicht daran, einfach abzuhauen“, mahnte sie ihn.

Der Junge sah sie stumm an, ganz so, als würde er genau darüber nachdenken. Seine Augen wanderten zur Garageneinfahrt.

„Nico“, murmelte sein Digimonpartner nur und klang dabei genau so müde, wie Alex sich fühlte.

Daraufhin verzog der Junge kurz das Gesicht und folgte ihnen dann steifen Schrittes zum Aufzug, den Blick starr auf seine Füße gerichtet.

Der Aufzug kam mit einem „Pling„ in der Gerage an und erneut zögerte Nico, ehe er ihnen hinein folgte und sich soweit von ihnen entfernt, wie es ihm auf dem begrenzten Raum nur möglich war, hinstellte.

„Wir werden morgen deine Eltern anrufen“, sagte Alex' Vater, als sich die Aufzugstür schloss.

Der Junge sah ihn kurz an, ehe er wieder zu Boden schaute. „Nein.“ Seine Stimme war störrisch, doch Alex konnte erkennen, dass er eigentlich wusste, dass er nichts mehr daran ändern konnte.

„Es steht nicht zur Debatte“, erwiderte ihr Vater in dem Tonfall, den sie vor ein paar Jahren noch so unglaublich gehasst hatte.

Ein weiteres „Pling“, als der Aufzug im 16sten Stockwerk ankam.

Unschlüssig verließ der Junge den Aufzug vor ihnen, da er am nächsten zur Tür gestanden hatte.

„Hör mal“, begann Alex zögerlich. „Du solltest wieder zu deinen Eltern zurück. Sie machen sich sicher Sorgen und...“ Sie biss sich auf die Lippen. „Na ja, du und Cellomon können ja nicht ewig so herumziehen, oder?“

Der Junge antwortete nichts, doch sein Gesichtsausdruck war weiterhin störrisch.

Alex seufzte. „Weißt du, ich bin mir sicher, dass man etwas machen kann, damit Cellomon bei dir bleiben kann. Darum musst du dir keine Sorgen machen.“

„Hör auf so zu tun, als ob du mich verstehst“, antwortete Nico ohne sie anzusehen.

Alex war ihrem Vater dankbar, dass er erst einmal nichts mehr sagte, während er nun vorging, um die Wohnungstür aufzuschließen.

Tatsächlich war Cellomon es, das nach einer kurzen Stille wieder sprach. „Weißt du, Nico, ich glaube sie hat Recht. Du solltest zu deinen... Deinen Eltern zurück.“

Noch immer erwiderte der Junge nichts und Alex merkte, wie das Digimon nun ihr einen Blick zuwarf. Allerdings konnte sie nicht viel mehr tun, als mit den Schultern zu zucken, auch wenn sie zugeben musste, dass es etwas beruhigend war, dass Cellomon ihre Meinung teilte. Immerhin mussten sie sich so keine zu großen Sorgen machen, am nächsten Morgen ein Loch in der Größe Redmons in der Wand des Wohnzimmers widerzufinden.

Alex seufzte, als sie hinter dem Jungen in die vertraute Wohnung ging. „Wenn du magst, kannst du dich vor mir duschen“, meinte sie zu ihm und beschloss innerlich, dass es wohl das beste wäre, den Jungen erst einmal etwas Zeit zu lassen, die Erkenntnis, dass er zu seinen Eltern zurückkehren würde, einsickern zu lassen.

Er war still, ging aber in das Badezimmer, als Alex ihm die Tür öffnete und ihm zeigte, wo sie Badetücher hatten.

Sie selbst wusch sich erst einmal nur Hände und Gesicht, auch wenn sie sich – trotz ihrer Müdigkeit – nach nichts mehr, als nach einer Dusche sehnte.

Bevor sie jedoch Zeit hatte sich deswegen zu bedauern, hörte sie eine Tür aufgehen und ihre durchaus wohl beleibte Mutter kam den Flur auf sie zugerannt, um sie einen Moment später in eine feste Umarmung zu schließen.

„Oh mein Gott, Schatz, da bist du ja wieder. Ich habe mir solche Sorgen gemacht!“ Dabei bemühte sich ihre Mutter leise zu sprechen, doch Alex hörte dennoch, wie sich die Türen der Zimmer ihrer Geschwister öffneten.

„Ins Bett ihr beiden!“, hörte sie die strenge Stimme ihres Vaters und seufzte selbst.

Endlich ließ ihre Mutter sie los. „Wir haben uns solche Sorgen gemacht, als wir gehört haben, dass du auf der Polizei bist“, redete sie schnell auf Alex ein. „Was ist denn passiert? Und wer ist da im Bad.“

Alex seufzte. „Digimon, Mum, wir hatten... Ein kleines Problem. Aber kann das nicht bis morgen warten? Ich bin hundemüde.“

Ihr Vater, der nun am Ende des Flurs stand, sah zu ihr. „Ich fürchte, dass ich noch einmal in Ruhe hören will, was passiert ist. Und wer dieser Junge ist.“

Noch einmal seufzte Alex, wusste aber sehr wohl, dass es keinen Sinn hatte zu widersprechen. „Lasst uns in die Küche gehen“, murmelte sie und fragte sich derweil, ob sie in dieser Nacht überhaupt noch so etwas wie Schlaf bekommen würde.
 

Der Morgen graute am Horizont, wofür Denrei jedoch keine Augen hatte.

Im Moment hatte er ein fürchterliches Deja-Vu. Er saß in einem Krankenhaus neben Shuichons Bett. Nur, dass es kein japanisches Krankenhaus war, er nicht damit rechnen konnte, dass sein Vater ihm irgendetwas mitteilte und dass er nicht alleine war. Denn Mayumi Lee, Shuichons Mutter, saß neben ihm, während Janyuu zum Automaten gegangen war, um etwas Kaffee zu holen.

Noch etwas war anders, gegenüber jener Nacht, die er nur vor ein paar Wochen in Shinjuku verbracht hatte, nachdem er und Shuichon aus der digitalen Welt zurückgekommen waren: Die Digimon waren nicht hier.

Man hatte sie nicht ins Krankenhaus gelassen, so dass Keith am Ende zugestimmt hatte, sie mit zu sich zu nehmen und auf sie aufzupassen, was weder Dracomon, noch Lopmon gefallen hatte. Doch was hatten sie tun sollen? Sie konnten sich nicht noch weiter mit dem Land anlegen, oder? Immerhin hatten sie Glück am Leben und auf freiem Fuß zu sein.

Nun, gerade am Leben, dachte er und sah auf Shuichon.

Sie hatte Glück gehabt, dass ihre Mutter ihre Blutgruppe teilte und früh am Krankenhaus gewesen war, denn offenbar hatte Shuichon viel Blut verloren, auch wenn man ihm gesagt hatte, dass sie nicht mehr in Lebensgefahr schwebte.

Dennoch erschien sie unglaublich blass und die Tatsache, dass sie noch immer Atemschläuche in der Nase hatte, wirkte auf ihn befremdlich.

Mayumi hatte gesagt, dass sie wohl nicht so schnell aufwachen würde, da noch immer das Anastätikum von der Operation, bei der die Überreste der Kugel entfernt und offenbar auch einige Blutgefäße auf irgendeine Weise geflickt worden waren, und Schmerzmittel wirkten. Denrei hatte wenig verstanden, von dem was man ihm gesagt hatte, auch wenn sein Vater ihm einiges vielleicht hätte erklären können.

Das EKG neben dem Bett piepste in regelmäßigen Abständen.

Er war so müde, doch er würde nirgendwohin gehen, bevor sie nicht aufgewacht war.

Demnach schaute er erwartungsvoll zur Tür, als diese aufging, in der Hoffnung, dass es Janyuu mit dem Kaffee war. Doch die Person, die nun im Türrahmen erschien, war ihm weitaus weniger willkommen.

„Was ist passiert?“, verlangte Jenrya zu wissen. „Wieso habt ihr mich nicht angerufen?“ Diese Frage war an seine Mutter gerichtet, die im Moment jedoch selbst zu müde und zu überrascht war, um schnell genug zu antworten.

Denn im nächsten Moment sah Jenrya Denrei, der noch immer in einem eher unbequemen Stuhl neben dem Bett saß. „Was hast du wieder gemacht?“

Denrei wusste nicht, was er erwidern sollte. Immerhin wusste er nur zu gut, dass es am Ende doch egal war, denn Jenrya hatte bereits beschlossen, dass es seine Schuld war. Natürlich war es seine Schuld – alles schien irgendwie seine Schuld zu sein. Deswegen sah er nur kurz zu Jenrya, ehe er den Blick abwandte und wieder zu Shuichon sah.

„Ignorier mich nicht!“, schrie Jenrya nun und kam auf ihn zu.

„Jian“, versuchte die Stimme seiner Mutter ihn zu beruhigen, als sie nun aufstand und ihn am Arm festhielt. „Beruhige dich, Jian.“

Doch es war ganz offensichtlich, dass Jenrya nicht das geringste Interesse daran hatte, sich zu beruhigen.

Nun stand auch Denrei auf – mehr aus einem Reflex heraus, als dass er etwas damit bezwecken wollte. Er war müde und hatte keine Lust sich mit Jenrya zu streiten, auch wenn er nicht vermeiden konnte, dass die Wut, die er schon die ganze Zeit in sich spürte, anfing zu brodeln, verstärkt von der Sorge um Shuichon und den Unmut über ihre gesamte Situation.

Jenrya packte ihn an der Schulter. „Was hast du gemacht?“, brüllte er ihn an.

Denrei holte tief Luft, um nicht zurück zu schreien. „Ich habe nichts gemacht. Die verfluchten Soldaten haben das getan.“ Dabei hätte er am liebsten darüber gelacht, wie lächerlich die Annahme war, das er Shuichon in irgendeiner Form verletzt haben sollte.

„Jian“, versuchte es Mayumi erneut, wurde aber weiterhin ignoriert.

„Dann hast du dich wieder als Held aufspielen müssen?“, fragte Jenrya, noch immer laut und wütend und drängte Denrei nun zurück.

Dieser griff nun nach Jenryas Hand, um sie von seiner Schulter zu drücken. „Beruhige dich, verdammt noch mal. Keiner von uns hat irgendetwas gemacht, um irgendjemanden zu provozieren, wenn es das ist, was du meinst.“ Er konnte nicht verhindern, dass seine Stimme nun auch lauter wurde. „Also hör verflucht noch einmal auf, mir die Schuld an allem zu geben!“

„Nun, du bist doch an allem Schuld, oder nicht?“, erwiderte Jenrya und schüttelte seine Hand ab. Er war stärker und schneller als Denrei und packte ihn nun am Kragen seines T-Shirts. „Seit du aufgetaucht bist, ist sie ständig in Schwierigkeiten!“ Er hob die Faust, schlug aber nicht zu.

„Du solltest endlich lernen, dass Shuichon ihre eigenen Entscheidungen treffen kann, verdammt“, antwortete Denrei, bemüht seine Stimme ruhig zu halten. „Komm endlich damit klar, dass sie kein kleines Kind mehr ist, dass du vor allem beschützen kannst. Sie ist nicht mehr auf dich angewiesen und das ist verdammt noch mal nicht meine Schuld.“ Er versuchte Jenryas Hand an seinem Kragen zu lösen. „Scherst du dich überhaupt wirklich darum, was mit ihr ist?“

„Du...“ Jenrya zitterte und presste ihn noch stärker gegen die Wand.

„Wenn du dich wirklich um sie sorgst, solltest du dann nicht zumindest so etwas wie Rücksicht nehmen?“, setzte Denrei nach.

„Du weißt gar nichts“, schrie Jenrya und es war klar, dass er zuschlagen wollte.

Im nächsten Moment geschahen mehrere Dinge schnell hintereinander. Die Tür ging erneut auf, Kaffeebecher fielen zu Boden und im nächsten Moment zerrte Janyuu seinen Sohn von Denrei weg.

„Jenrya!“, rief er aus und redete dann auf Chinesisch auf ihn ein.

Denrei atmete tief durch und starrte nur wütend auf Jenrya, der seinem Vater trotzig in die Augen sah.

Episode 42: Distanz

Episode 42: Distanz
 

Daran zu denken, dass all diese Dinge, die Monster, die zusammen mit Kindern kämpfen, auf Dinge zurückgehen, die ich mir als Kind ausgedacht habe... All das, was mein Vater damals erschaffen hat, war für mich nie mehr als ein Spiel. Ich war zu jung, um die Vision, die mein Vater hatte, zu verstehen. Doch nun weiß ich, dass auch er sich nie hätte träumen lassen, dass ihr Projekt im wahrsten Sinne des Wortes Realität werden würde. War es wirklich Shibumi, der diese neue Realität geschaffen hat?

                                                                            - Keith  McCoy
 

Shinjuku, Tokyo - 24.7.2011

Einige graue Wolken zogen über den Himmel hinweg. Wahrscheinlich trugen sie einen kommenden Regenschauer in sich, doch sah es im Moment nicht so aus, als würden sie diesen über Tokyo niederregnen lassen. Ihre Ränder leuchteten orangerot, so wie der Himmel, der an einigen freien Stellen hinter ihnen zu erkennen war.

Justimon stand auf einem der Wolkenkratzer Shinjukus und sah auf die Stadt, während sein roter Schal im Wind wehte.

Ryou würde hier bleiben und warten, bis das nächste dieser Ungeheuer auftauchen würde. Er würde die Stadt beschützen und damit beweisen, dass er noch immer zu etwas gut war, dass er Takato etwas voraus war.

Was blieb ihm denn noch, außer dem Kampf? Ruki wollte nicht einmal mehr mit ihm reden. Vielleicht zurecht? Er vermochte es nicht einmal zu sagen, doch es war ihm egal. Zumindest versuchte er sich dies immer und immer wieder einzureden. Es war egal, was Ruki dachte. Es war egal, was irgendjemand dachte. Er tat dies für sich.

Und doch kam er nicht darum, ihre Nähe zu vermissen.

„Ryou?“, hörte er die zurückhaltende Stimme seines Partners aus dem Inneren von Justimons Körper.

Er antwortete nicht, denn er wusste auch so, was sein Partner sagen wollte. Irgendetwas davon, dass er müde war oder vielleicht hungrig. Doch für so etwas hatten sie keine Zeit - jeden Moment konnte ein weiteres Ungeheuer angreifen und dann würde er bereit sein. Monodramon musste das verstehen!

„Bitte, Ryou“, flehte sein Partner, „lass uns nach Hause gehen und schlafen und essen und... Na ja, du kannst doch Fernsehen schauen oder so.“

„Dazu haben wir keine Zeit“, erwiderte er.

„Aber, Ryou, im Moment passiert doch nichts.“

„Aber es kann...“, begann er zu antworten, als er einen Fleck auf Höhe der umliegenden Dächer sah. Und dieser Fleck kam auf sie zu.

„Justimon!“, rief eine Stimme nach ihm. „Ryou!“

Er seufzte und sah widerwillig genauer hin.

Der Fleck war Guardromon und auf dem Rücken des Digimon saß Hirokazu und winkte zu ihm hinüber. Einen Moment später landete Guardromon auf dem Platz, der eigentlich für Hubschrauber gedacht war, und ließ Hirokazu von seinem Rücken rutschen.

Etwas unschlüssig blieb der junge Mann erst neben seinem Partner stehen, ging dann aber zum Rand der Landebefestigung und sprang auf das anliegende Kiesbett hinab. „Hey, Justimon - Ryou...“ Er schien durchaus unsicher zu sein. „Was machst du hier?“ Dabei schien er bemüht, beiläufig zu klingen, was jedoch nicht so leicht war, da der Höhenwind ihnen um die Ohren rauschte und Hirokazu die Stimme heben musste, um dagegen anzukommen. Außerdem war es offensichtlich, dass er nach ihnen gesucht hatte.

„Auf den nächsten Angriff warten“, antwortete Ryou kurz angebunden mit Justimons Stimme.

„Ähm, ja... Ich denke, wir bekommen schnell genug mit, wenn es einen weiteren Angriff gibt.“ Dabei musste er nun fast rufen, als eine besonders kräftigte Windböe um das Gebäude heulte.

Ryou und damit auch Justimon antwortete nicht.

„Nun, äh, ja, ich, das heißt Kenta und ich, hatten uns gedacht, wir könnten uns 'nen Kerleabend machen, so zu dritt... Oder, na ja, zu sechst, wenn wir die Digimon mitzählen, nicht?“ Er wirkte verlegen. „Wir dachten, das bringt dich auf andere Gedanken und... Ja... Was sagst du?“ Er zwang sich zu einem Lächeln, während sein eigenes Halstuch vom Wind umher gerissen wollte.

Noch immer antwortete Justimon nicht, so dass das erzwungene Lächeln auf Hirokazus Gesicht erstarb.

„Hör mal, Ryou“, meinte er nun, „ich - also Kenta und ich - wir machen uns Sorgen um dich. Du bist nicht mehr der Alte und... Nun, ich verstehe ja, dass es wichtig ist, die Stadt zu beschützen und so und dass wir ganz schön Schwierigkeiten haben könnten, wenn noch so ein Ding angreift, aber... Na ja, du bist ja nicht der einzige Tamer hier und wir können alle kämpfen, weißt du? Und ich, also wir... Wir glauben, dass es nicht gut ist, was du machst... Also nicht für dich, weißt du?“

Justimon sah ihn an und Ryou sah das erneute gezwungene Lächeln.

Wie sollte Hirokazu das verstehen? Er und Kenta... Die beiden hatten nie richtig Verantwortung für etwas tragen müssen. Und sie wussten auch nicht, wie es war, allein gelassen zu werden.

„Ich weiß, dass ihr es gut meint“, zwang er sich schließlich zu sagen, „aber dafür habe ich im Moment keine Zeit. Sorry.“ Damit hob er die Hand zu einem Abschiedgruß und ließ Justimon dann zum Rand des Daches laufen und hinunterspringen.

„Ryou!“, hörte er Hirokazu ihm noch hinterher rufen, doch er sah sich nicht um.
 

Namiko saß gelangweilt auf dem Sofa neben ihrer Mutter, während die Nachrichten liefen. „Ich wollte Anime schauen“, grummelte sie mit verschränkten Armen.

Reika wusste, dass ihre Tochter gelangweilt war, tätschelte ihr aber nur den Kopf. „Es läuft doch sowieso nichts.“

„Auf Animax läuft Pocket Monsters“, antwortete das Mädchen schmollend. „Was soll ich denn sonst machen, wenn ich nicht raus darf?“

Reika seufzte und wusste, dass es Namiko störte, dass sie außer zur Schule nicht aus dem Haus durfte. Doch was sollten sie sonst tun, im Moment, da die Erdbeben mehrfach täglich kamen und jederzeit eine dieser seltsamen Anomalien auftauchen konnte. „Die Nachrichten sind gleich vorbei“, meinte sie.

Gerade wurde über Erdbeben in Korea, China, den Philipinnen und Taiwan berichtet und sie kam nicht umher sich zu fragen, ob diese auch mit der Anomalie zu tun hatten. Denn sie ließ sich nicht einreden, dass diese Erdbeben rein zufällig zur selben Zeit auftraten, wie die seltsamemn Erscheinungen in Japan.

Gerade als das Bild zur Wettervorhersage wechselte, hörte sie, wie die Tür aufgeschlossen wurde und sah sich um, während Namiko aufsprang.

„Otoo-san!“

Mitsuo kam in die Wohnung und zog sich die Schuhe aus. Wie immer in den letzten Tagen - nun, mittlerweile waren es schon Wochen - sah er übermüdet aus.

„Gibt es was Neues, Otoo?“, drängelte Namiko und lief nun zu ihrem Vater. „Habt ihr etwas gefunden, um diese komischen Monster zu stoppen?“

Noch bevor sie ihren Vater erreichen konnte, erschien Lumamon hinter ihr und hielt sie am T-Shirt fest. „Langsam“, mahnte es, offenbar bemerkend, dass Mitsuos Nerven zum zerreißen gespannt waren.

Reika stand nun ebenfalls auf. „Namiko-chan“, meinte sie, „du kannst jetzt schauen.“

Namiko verschränkte die Arme. „Sag doch einfach, dass ihr alleine reden wollt“, antwortete sie mit altklugem Tonfall.

„Ich dachte, du wolltest schauen“, erwiderte Reika und bekam ein entnervtes „Schon gut„ zur Antwort, ehe Namiko zum Sofa zurückstapfte.

Lumamon blieb für einen Moment stehen und sah zu Mitsuo und Reika hinüber, ehe es sich umdrehte und ebenfalls zum Sofa ging, hinter dessen Lehne es still wie eine Statue stehen blieb, die leuchtenden Augen auf eins der Fenster gerichtet.

„Wie war dein Tag?“, fragte Reika und strich ihrem Mann über die Wange.

Gerne hätte sie sich beschwert, dass er auch an einem Sonntag, an dem er eigentlich keinen Dienst hatte, arbeiten gegangen war, doch sie wusste, dass er keine Wahl gehabt hatte. Auch hätte sie sich gerne beschwert, dass sie von seiner Kleidung erneut den Geruch von Zigaretten wahrnahm, auch wenn er versucht hatte, diesen mit einem Duftspray zu überdecken, aber sie hatte auch keine Lust einen unnötigen Streit zu provozieren.

Als Mitsuo keine Anstalten machte, auf ihre erste Frage zu antworten, setzte sie nach: „Willst du einen Kaffee?“

Er seufzte. „Ja“, damit ging er in die Küche und setzte sich dort auf einen Stuhl, während Reika eine Tasse unter die Kaffeemaschine legte, ein Pad in das Gerät gab und es anstellte.

Mitsuo lehnte sich zurück und hatte die Augen geschlossen. So verharrte er, bis sie die Tasse an den Tisch brachte und sich neben ihn setzte.

„Und?“, fragte sie, während er die Augen langsam öffnete. „Gibt es etwas neues?“

Er schüttelte den Kopf und nahm einen Schluck des Kaffees. „Nein. Gar nichts.“ Nach einem weiteren Schluck sah er in Richtung des Sofas, das sie über die Theke zwischen Küche und Wohnzimmer hinweg sehen konnten. „Zumindest ist kein weiteres dieser Wesen aufgetaucht.“

„Dafür ein weiteres Erdbeben“, murmelte Reika, die Stimme gesenkt, damit zumindest Namiko nicht mithörte.

„Ja“, seufzte ihr Mann.

Sie bemerkte, dass er ihrem Blick auswich und fragte sich, ob er ein schlechtes Gewissen hatte, da er heimlich rauchte, oder einfach nur zu müde war.

„Der Verteidigungsminister wird langsam ungeduldig“, seufzte Mitsuo schließlich. „Und Akiyama macht das ganze auch nicht besser.“

Reika nickte. Natürlich hatte auch sie mitbekommen, dass Ryou sich zur Zeit als Superheld aufführen musste. Anders als ihr Mann, ahnte sie jedoch, dass die Sache mit Ruki etwas damit zu tun hatte. Sie wusste, dass Ruki nicht besonders feinfühlig war und während sie das Mädchen nicht zwingen wollte, etwas gegen ihren Willen zu tun, glaubte sie, dass Ruki wahrscheinlich die einzige war, die Ryou zur Vernunft bringen konnte.

„Vielleicht hören wir bald etwas von Shibumi“, meinte sie. „Zumindest haben Magumi und Janyuu offenbar Kontakt zu ihm aufgenommen.“

„Ja“, seufzte Mitsuo nur erneut. Er trank den letzten Schluck Kaffee.

„Du solltest dich hinlegen“, sagte Reika nun sanft. „Ruh dich etwas aus.“ Obwohl sie morgen Frühschicht hatte, ahnte sie, dass er bereits vor ihr auf der Arbeit sein würde.

„Ja“, war wieder die einzige Antwort. „Danke“, fügte er dann zurückhaltend hinzu.

Reika lächelte matt und stand auf, um die Tasse in die Spülmaschine zu stellen. „Geh nur.“

Und während ihr Mann zum Badezimmer ging, sah sie zum Sofa und fragte sich, wie viel Namiko von alledem verstand.
 

Es war vielleicht eine Stunde später, als sich Dunkelheit langsam über die Straßen der Stadt senkte, dass ein erneutes Erdbebend die Gegend um Tokyo erschütterte.

„Hat es aufgehört?“, fragte Juri, als der Boden endlich aufhörte zu zittern und sah sich um.

Sie hatte Takato zur Hypnoszentrale begleitet. Besser gesagt: Sie hatte darauf beharrt, dies zu tun, auch wenn er nicht unbedingt begeistert von der Idee gewesen war.

Zum einen wollte er sie nicht unnötig in weitere Konflikte involvieren, zum anderen hatten sie aktuell genug Probleme mit den Politikern - sowohl den regionalen, als auch den nationalen - als dass sie noch einen Streit darüber brauchten, ob es vertretbar war, dass seine Freundin ihn zur Arbeit begleitete. Denn er wusste, dass es Shinagawa egal wäre, dass Juri ehemals auch ein Tamer gewesen war und damit ohnehin zumindest teilweise mit in der Sache drin steckte, wenn es bedeutete, dass er über einen weiteren Erlass noch mehr Kontrolle über die Organisation bekommen konnte.

„Ja, ich denke es hat aufgehört“, murmelte er.

„So kann das nicht weitergehen“, grummelte Edogawa, der am anderen Ende der Halle vor einem Bildschirm saß, laut genug, als dass sie ihn hören konnten.

„Du solltest nach Hause gehen, Juri“, meinte er nun ruhig. „Da ist es sicherer.“

Juri lächelte ihn halbherzig an. „Willst du mir wirklich weiß machen, dass es in unserem alten Haus sicherer ist, als in einem Regierungsgebäude?“

Daraufhin seufzte Takato und wandte den Blick von ihr ab. Er sah auf den Bildschirm vor sich, ohne ihn wirklich zu sehen.

„Juri sollte nicht allein nach Hause gehen“, meinte Guilmon nun auch. „Ihr könnte etwas passieren.“

„Danke, Guilmon-chan“, erwiderte Juri und streichelte den Kopf des roten Reptils, was dieses mit geschlossenen Augen genoss. „Takato“, begann sie das. „Willst du wirklich nicht mit mir reden?“

Takato antwortete ihr nicht und schaffte es gerade noch, ein weiteres Seufzen zu unterdrücken. Sie hatte schon mehr als einmal in den letzten paar Tagen versucht, dieses Gespräch anzufangen, doch er hatte sein bestes getan, dem Thema auszuweichen.

„Das hier ist nicht der richtige Ort...“, murmelte er.

„Woanders tust du dich leichter, einfach davonzulaufen“, antwortete sie.

Takato sah weiterhin auf den Bildschirm, auf dem sich eine endlose Zahlenreihe ständig zu verändern schien.

„Was ist es, das dich bedrückt?“, fragte Juri.

„Ich kann mit dir nicht darüber reden“, hauchte er. „Es ist... Geheim. Ich darf darüber nicht reden.“ Dabei stimmte dies nicht wirklich, da ihm offiziell niemand so etwas gesagt hatte, davon abgesehen, dass man ihm verboten hatte, der Presse davon zu berichten.

„Ich verstehe ja“, fuhr Juri fort, „dass es dir schwer fällt, diese Wesen zu töten... Aber du weißt, dass es hier sonst noch schlimmer werden könnte.“

„Das weiß ich eben nicht“, antwortete Takato leise. „Wir wissen nichts über diese Wesen, außer, dass sie dafür sorgen, dass sich die Welt um sie herum falsch verhält.“ Dabei betonte er das Wort falsch besonders, da es ihm nicht als das passende Wort erschien, ihm jedoch auch kein besseres einfiel. „Und, dass sich so etwas vor zehn Jahren schon einmal hier materialisiert hat und von Hypnos vernichtet wurde. Mehr nicht. Vielleicht würden diese Wesen dieser Welt nichts tun, wenn wir sie nur...“ Er unterbrach sich. „Aber das ist es nicht.“

„Was dann?“, fragte Juri.

Doch wieder antwortete er nicht und so herrschte für sicher eine Minute schweigen zwischen ihnen.

„Es ist die Karte“, sagte Guilmon schließlich.

„Sei ruhig“, meinte Takato schnell.

„Aber Juri macht sich Sorgen um dich“, antwortete Guilmon. „Und Guilmon will nicht, dass Juri sich Sorgen machen muss.“

„Was für eine Karte?“, fragte Juri.

Doch erneut antwortete Takato nicht. Er hielt es nicht für sinnvoll ihr davon zu erzählen. Nein, er wollte einfach nur nicht darüber reden.

„Takato“, flüsterte sie nun und griff nach seiner Hand. „Bitte, Takato. Ich will doch nur verstehen...“

Widerwillig und nicht ohne eine ganze Weile zu zögern, sah er sie an und zog schließlich eine Karte aus seinem Deck. Es war die rote Karte, die Yamaki ihm gegeben hatte.

„Was ist das für eine Karte?“, fragte Juri.

Erneut zögerte Takato. „Du weißt, dass man mir ein Programm gegeben hat, bevor wir damals zum Finale von diesem verdammten Turnier gegangen sind.“

„Ja.“ Juri sah ihn an, drängte ihn jedoch noch nicht weiter zu sprechen.

„Dieses Programm ist wahrscheinlich mit daran Schuld... Dass die Erdbeben aufgetreten sind. Zumindest glauben wir, dass die Grenze zwischen den Welten dadurch weiter beschädigt wurde.“

„Aber wieso hast du die Karte dann noch?“, fragte sie.

„Es ist nicht dieselbe Karte... Dies ist eine modifizierte Version des Programms. Es soll... Sicherer sein und ist mit einem Teil dem, das früher einmal Yuggoth war verbunden“, antwortete er. „Es kann diese Anomalien löschen.“

„Aber du willst die Anomalien nicht löschen“, murmelte sie und er nickte nur mit einem finsterem Ausdruck im Gesicht.

„Ich will nur eine Lösung finden, bei der weder Menschen, noch Digimon, noch... Was auch immer diese Anomalien sind... Eine Lösung, bei der niemand sterben muss...“
 

Hirokazu seufzte, als er endlich zuhause ankam.

„Du hast es versucht, Hirokazu“, versuchte Hagurumon ihn aufzumuntern, doch so wirklich etwas konnte es mit seinen Worten nicht erreichen.

Einmal mehr fühlte Hirokazu sich absolut nutzlos, da selbst das bisschen, das er glaubte tun zu können, zu nichts geführt hatte. Selbst nun, da sie mit ihren Partnern verschmelzen konnten, waren er in Kenta nur ein drittes Rad am Wagen, unnütz im Großen und Ganzen. Sie hatten wenig mit Hypnos zu tun, konnten auf die Situation keinen Einfluss nehmen und ihm war nur allzu bewusst, dass sie mit den anderen viel weniger zu tun hatten als vorher. Ja, selbst die Neulinge, wie er sie in Gedanken immer bezeichnete, Denrei und Shoji, waren doch mehr in die Dinge involviert als er und Kenta.

Er hatte helfen wollen, als sie dieses Wesen am Bahnhof angegriffen hatten, doch Takato hatte ihnen das Gefühl gegeben, dass sie das Gegenteil getan hatten. Seither redete er kaum noch mit ihnen. Dabei waren sie doch einmal beste Freunde gewesen, oder?

Doch Hirokazu war sich sicher gewesen, dass sie zumindest Ryou helfen konnten. Immerhin hatte Ryou manches, wenn es um die Digimon als Teil dieser neuen Welt ging, nicht ganz so ernst genommen. Und - zumindest hatte Hirokazu sich das eingebildet - hatte Ryou nicht den Kopf zwischen den ganzen politischen Aktionen und Reaktionen verloren. Er war noch er selbst gewesen - auch nachdem er bei Hypnos angefangen hatte zu arbeiten. Von diesem Ryou jedoch merkte Hirokazu nichts mehr. Es war nicht so, wie mit Takato, bei dem er regelmäßig dass Gefühl hatte, dass dieser sich um wichtigere Dinge Gedanken machte - Dinge, von denen er meinte, dass Hirokazu sie nicht verstehen würde - und auch nicht so, wie mit Ruki, die sie ohnehin immer schon herablassend behandelt hatte. Denn er hatte weniger den Eindruck, dass Ryou sich überlegen fühlte, sondern eher... Nun, das wusste er nicht genau. Doch er wusste, dass es Ryou nicht gut ging und dass sie etwas tun sollten, aber was vermochte er nicht zu sagen.

So schloss er die Tür auf, nicht überrascht drinnen einen Fernseher laufen zu hören. Immerhin war es keine Lüge gewesen, was er Ryou gesagt hatte: Es war eine Idee, auf die er und Kenta gemeinsam gekommen waren. Einfach nur Abends zusammenhocken, reden und vielleicht hätte Ryou ihnen Bier kaufen können.

„Hirokazu?“, rief Kenta nun, was Penmon mit einem „Pipopapu„ echote.

„Ja, wir sind wieder da“, seufzte Hirokazu und zog sich die Schuhe aus, während Hagurumon sich an ihm vorbei seitlich durch die noch offene Tür zwängte und dann ins einzige Zimmer der Wohnung schwebte.

Nun stand Kenta auf und ging zu ihm hinüber. „Was ist mit Ryou?“

Hirokazu schüttelte nur den Kopf, um ihm zu bedeuten, dass Ryou nicht mitgekommen war.

„Oh.“ Das war die einzige Reaktion Kentas, ehe er sich umdrehte und wieder auf das Bettsofa, fallen ließ.

„Er ist einfach abgehauen“, grummelte Hirokazu, während er zu seinem Kühlschrank ging und sich eine Cola herausnahm. „Hat mich einfach abgeblockt. Pfft.“ Er wünschte sich in dem Moment wirklich, ein Bier zu haben, da es wunderbar zu seiner Stimmung gepasst hätte.

„War er allein...?“

Hirokazu wusste, dass Kenta eigentlich nach Monodramon fragte. „Er war Justimon. Und hat es sich einfach gemacht...“

Kenta sah zum Fernseher und stellte diesen leise.

„Pipo?“, fragte Penmon, das sehr offensichtlich schon verstand, wovon sie redeten, selbst wenn seine eigenen Anmerkungen nicht unbedingt einer fließenden Diskussion beitrugen.

„Ich frage mich, was Monodramon hielt“, murmelte Hirokazu.

„Als ich die beiden das letzte Mal gesehen habe, wirkte es müde“, erwiderte Kenta.

„Ja...“ Hirokazu seufzte und ließ sich dann neben Kenta auf das Sofa fallen. „Ich wünschte nur, er würde zuhören.“ Während Kenta nur nickte, trank er einen weiteren Schluck seiner Cola. „Und das alles nur wegen Ruki...“

„Ich denke nicht, dass es nur wegen Ruki ist“, erwiderte Kenta. „Ich denke, Ryou fühlt sich allgemein... Von allen außen vor gelassen.“

„Damit ist er nicht allein“, murmelte Hirokazu halblaut.

„Deswegen wollen wir doch mit ihm sprechen, oder?“, fragte Hagurumon und schwebte vor Hirokazus Gesicht herum.

Er zuckte nur mit den Schultern. „Was für einen Unterschied macht das. Er will ja nicht mit uns sprechen.“ Er seufzte und sah auf den Fernseher, der offenbar auf Fuji-TV lief, wo gerade ein Wochenrückblick lief. Und es war genau in diesem Moment, dass er auf den Bildschirm schaute, dass eine Meldung durch den unteren Bildschirmrand lief. „Neues Erdbeben im Großraum Tokyo„ war das letzte, dass dort zu lesen war, ehe es durch „Warnung an alle Bürger aus dem Shijuku-Distrikt: Ein weiteres Monster ist erschienen. Anwohner werden dazu angehalten in den Häusern zu bleiben.“

Hirokazu und Kenta tauschten Blicke. Keiner von ihnen schlug ernsthaft vor dorthin zu gehen. Wenn sie gingen, waren sie doch nur im Weg, oder?

Dann drehte sich Hirokazu um und sah aus dem Fenster. „Ob Ryou wohl schon dort ist?“
 

Paolo Alto, Californien - 24.07.2011

Natürlich war Reika in Japan nicht die einzige, der Aufgefallen war, dass sich die Erdbeben von Japan aus immer weiter verbreiteten. Es waren bereits mehrere Forschungseinrichtungen darauf aufmerksam geworden und natürlich war es auch an Rob McCoy nicht vollkommen vorbei gegangen, selbst wenn ihn niemand drauf angesprochen hatte. Er wusste jedoch das Kali zu einem solchen Projekt hinzugezogen war. Besser gesagt, hatte er erst vor wenigen Stunden eine entsprechende Mitteilung von ihr erhalten.

In seinen Augen bestand keine Frage daran, dass dies auch mit den Digimon zu tun hatte, selbst wenn er nicht hätte sagen können, was genau. Allerdings war er pessimistisch oder vielleicht auch realistisch genug, um zu sehen, dass es nicht viel länger so weitergehen konnte. Wenn sich auch diese anomalen Geschöpfe weiter ausbreiten würden und irgendwann nicht mehr nur Tokyo betrafen, dann würde es nicht lange dauern, bis ihre moderne Zivilisation am Ende angekommen war.

Mit diesen Gedanken saß er vor seinem PC, eigentlich mit der Dissertation eines Studenten beschäftigt, doch unfähig sich auf diese zu konzentrieren. Immerhin, so sagte er sich mit einem Anflug von Galgenhumor: Wenn die Welt in ein paar Tagen untergehen würde, dann würde sich sicher niemand daran stören, dass er etwas länger gebraucht hätte, um den Fachaufsatz zu korrigieren.

„Dolphin?“, hörte er eine Stimme von der Tür seines Büros.

Überrascht sah er sich um und sah Janyuu in der Tür stehen, doch war dieser nicht allein, sondern in Begleitung von einer müde wirkenden Linda.

„Daisy“, begann er überrascht. Immerhin hatte er nicht damit gerechnet, sie zu sehen, wo sie doch mittlerweile eine Stelle in Toronto hatte. „Was machst du hier?“

„Ich bin nicht vollkommen von der Welt“, erwiderte sie lächelnd. „Nein, Dolphin, ich habe von den ganzen Probleme mitbekommen und auch davon dass Shibumi wieder hier ist. Und wenn ich mir die Nachrichten anschaue, denke ich mir, dass es vielleicht an der Zeit ist, dass wir uns alle wieder zusammensetzen.“

„Wie in alten Zeiten, hmm?“, murmelte Dolphin und seufzte. Er deutete vage in die Richtung zweier Stühle, die an einem weiteren Tisch in seinem Büro standen. „Setzt euch. Ich mache einen Kaffee.“ Damit stand er auf und ging zur Kaffeemaschine, wie sie praktisch in jedem Professorenbüro, dass nicht in zu großer Nähe zur nächsten Mensa angesiedelt war, zu finden war.

Janyuu und Linda kamen seiner Aufforderung nach und Robert hörte die Bürotür hinter ihnen zugehen.

„Es war überraschend, dass ich Janyuu hier treffe. Ich wusste zwar, dass er seinen Sohn besuchen wollte...“, meinte Linda im Plauderton.

„Nun, vielleicht bin ich genau zur richtigen Zeit hier“, seufzte Janyuu. „Oder vielleicht auch nicht.“

Rob fragte sich, wie viel Linda schon von den Ereignissen des vergangenen Tages gehört hatte und warf ihr einen Blick zu. Aus ihrem verständnislosen Gesichtsausdruck schloss er, dass sie wahrscheinlich noch nicht allzuviel mitbekommen hatte.

„Shuichon hatte gestern einen kleinen Zusammenstoß mit unseren 'Gesetzeshütern'“, meinte er düster, während er die ersten beiden Tassen Kaffee zum Tisch brachte.

„Shuichon?“, fragte Linda im ersten Moment verwirrt, ehe sie sich Janyuu zuwandte. „Deine Tochter?“

Es war deutlich, dass Janyuu dieses Thema nicht gefiel. „Sie und ihr Freund haben einem Jungen geholfen, der wegen seinem Digimon Probleme mit dem Militär hatte. Er sollte kein Digimon haben und war offenbar schon eine Weile herrenlos unterwegs. Das fand das Militär und auch die örtliche Polizei nicht besonders gut.“ Seine Miene verfinsterte sich noch weiter. „Nun liegt sie mit einer Schussverletzung im Krankenhaus.“

Linda schlug eine Hand vor den Mund. „Man hat sie angeschossen?“

„Von allem, was ich gehört habe, hat man auch mit Raketen auf die Kinder geschossen“, antwortete Janyuu bitter. „Es ist beinahe ein Wunder, dass keiner von ihnen gestorben ist.“

Daraufhin schwieg Linda, während sich Robert den beiden gegenüber an den Tisch setzte.

„Wie geht es ihr mittlerweile?“, fragte er.

„Sie ist mittlerweile aufgewacht“, erwiderte Janyuu. „Aber sie wird wahrscheinlich etwas brauchen, um ganz wieder auf die Beine zu kommen. Zumindest ihren Arm wird sie für ein paar Wochen nicht benutzen können.“ In seinen Worten klang klar ein Vorwurf mit, doch Robert hatte keine Lust den amerikanischen Umgang mit den Digimon jetzt zu erörtern. Dafür blieb immer noch Zeit, wenn in zwei Wochen die Welt noch immer nicht untergegangen war, dachte er sich pragmatisch.

„Das tut mir wirklich leid, Janyuu“, sagte Linda und legte eine Hand auf seinen Rücken. „Davon habe ich noch nichts gehört. Hätte ich das gewusst...“ Sie brach ab, da es wohl wenig gab, das sie hätte tun können, wenn sie es gewusst hätte.

Für eine Weile herrschte ein unangenehmes Schweigen zwischen ihnen, da Janyuu nicht antwortete und Rob weiterhin schwieg.

Schließlich wechselte Linda das Thema. „Was ist nun mit Shibumi? Ist er hier?“

Rob warf Janyuu einen Blick zu und schloss, dass dieser nicht antworten würde. So tat er es selbst: „Nun, es scheint zumindest so. Megumi hat sich vor zwei Tagen mit ihm getroffen.“

„Megumi Onodera von Hypnos?“, fragte Linda um sicher zu gehen.

Zur Antwort nickte Rob nur. „Ich weiß nicht, wieso ausgerechnet sie.“

Für einen Moment schwieg Linda. „Aber dann ist Shibumi hier und hat wieder Kontakt mit jemanden aufgenommen. Ich hatte eigentlich gedacht, er sei außer Landes - vielleicht wieder zurück in Japan.“

„Offenbar nicht...“, murmelte Janyuu.

„Weiß er mehr über all das, was in Japan vor sich geht?“, frage Linda dann.

Auf diese Frage wusste Rob kaum eine Antwort. Immerhin hatte er kaum mit Megumi geredet und auch sein Sohn, der sie immerhin gefahren hatte, war erstaunlich kurz angebunden gewesen, als würde ihn etwas bedrücken.

Da er nicht antwortete, setzte Janyuu schließlich an: „Nun, er war es, der uns letztes Jahr das erste Mal auf die Anomalie aufmerksam gemacht hat, ehe er verschwunden ist. Er hat es also recht früh gemerkt und so, wie ich Shibumi kenne, hat es ihm danach keine Ruhe gelassen. Also wird er etwas wissen, denke ich.“

„Er sollte mit uns darüber reden“, murmelte Rob. Er starrte auf die nun halbleere Tasse Kaffee vor ihm. Seit er davon gehört hatte, dass diese Wesen mit der Anomalie zu tun hatten, war er nicht umher gekommen, sich zu fragen, ob es etwas mit dem Programm zu tun hatte, das Shibumi vor 25 Jahren heimlich geschrieben, oder viel mehr verändert hatte. Mit der Entelechie. Hatte diese neue künstliche Intelligenz sich dank diesem Programm weiter entwickelt?

„Wissen wir, wo Shibumi ist?“, fragte Linda nun.

Rob seufzte. „Nun, zumindest Keith sollte es wissen.“

Linda zögerte für einen Moment. „Nun, vielleicht sollten wir... Sollten wir selbst mit ihm Kontakt aufnehmen.“

Episode 43: Über den Wolken

Episode 43: Über den Wolken
 

Es ist bis heute noch immer nicht vollständig geklärt, was 2011 geschah, als auch auf der Erde überall ein gigantisches Monster zu sehen war, das nach aktuellem Wissen aus den tiefen der digitalen Welt kam. Doch es lässt sich sagen, dass der Grund, warum die digitale Welt und vielleicht auch unsere Welt nicht zerstört wurde, die jene Kinder und Jugendliche waren, die dieses Monster gemeinsam mit ihren Partnern aufgehalten haben.

           - Auszug aus dem Buch „Digitales Leben und wie es unsere Realität  beeinflusst“ von Sagisu Yoshimasa
 

24. Juli - Digitale Welt

Als Ai wieder zu sich kam, hatte sie beinahe vergessen, dass sie in der digitalen Welt waren. Umso verwirrter war sie, als sie feststellte, dass sie auf Holzboden lag und sich offenbar in einer Art Tempel zu befinden schien. Zumindest war Tempel das erste Wort, das ihr in den Sinn kam, als sie die Schriftrollen an den Wänden sah.

Mit schmerzendem Kopf richtete sie sich auf. Sie fühlte sich seltsam und sie fragte sich, wo ihr Bruder war.

Dann fand sie ihr Digivice und ihre Tasche mit den Karten neben dem sehr dünnen Kissen, auf dem ihr Kopf gebettet gewesen war liegen und langsam erinnerte sie sich: Makoto war verschwunden und sie waren in die digitale Welt gegangen um ihn zurückzuholen. Und dann hatten sie gegen etwas seltsames gekämpft – ein seltsames weißes Wesen. Doch sie vermochte nicht zu sagen, was dann passiert war.

Da schoss ihr ein Gedanke durch den Kopf und sie sprang auf: „Impmon!“

Doch schon im nächsten Moment bereute sie dies, denn ihr wurde schwindelig und im nächsten Moment verlor sie den Boden unter den Füßen.

Sie verstand nicht. Sie war doch in der digitalen Welt – oder etwa nicht? Und wie konnte ihr in der digitalen Welt durch so etwas schwindelig werden?

Da wurde die Tür zu dem eher kleinen Raum, in dem sie sich befand, energisch aufgeschoben.

Impmon stand in der Türöffnung und Rin mit Kunemon auf den Schultern direkt hinter ihm.

„Du bist wach, Ai!“, rief Rin überrascht aus, während Impmon zu ihr hinüberlief, dann aber etwa einen Schritt von ihr entfernt unschlüssig stehen blieb.

Ai zögerte, da sie sich nicht sicher war, warum die beiden so seltsam reagierten. „Was ist passiert?“, fragte sie schließlich. „Wo sind wir?“

Impmon sah sie unschlüssig an. „Na ja, wo wir sind wissen wir auch nicht so ganz genau. Wir sind auf einer Ebene in der digitalen Welt – aber das sagt nicht besonders viel...“

Bemüht sich zu erinnern, was als letztes geschehen war, runzelte Ai die Stirn. „Aber was ist passiert und wie sind wir hierher gekommen? Und wo ist Takumi? Wo sind die Digimon?“

„Takumi geht es gut“, meinte Rin zurückhaltend und kniete sich schließlich neben das behelfsmäßige Bett Ais. „Er ist auch hier. Sanzomon wollte ihn nur nicht zu dir lassen.“

„Sanzomon?“, fragte Ai, von dieser Antwort nur noch verwirrter als zuvor. „Jetzt sagt mir doch verdammt noch einmal, was passiert ist.“

„Du hast Glück gehabt, dass du noch am leben bist“, sagte auf einmal eine recht tiefe Frauenstimme von der Tür aus und als Ai dorthin sah, erkannte sie ein Digimon, das den Körper einer hübschen Frau hatte. Um genau zu sein hätte sie es sogar für eine Frau gehalten, doch etwas an dem weißen Gewand und den großen Gebetsperlen, die es um die Hüfte trug, sagten ihr, dass dies ein Digimon sein musste. Das Digimon hatte blondes Haar, das jedoch wie auch der größte Teil seines Gesichts von der Gebetsmütze und dem dazugehörigen Kopftuch verdeckt war. Einzelne Strähnen hingen jedoch unter den roten und weißen Tüchern hervor.

„Wieso habe ich Glück gehabt?“ Ai sah das Digimon an, noch nicht ganz sicher, was sie davon halten sollte.

„Als du gegen die Anomalie gekämpft hast, wurden die Daten deines Körpers beschädigt. Dein Digicore, wenn man so will. Hätten wir dich nicht gerettet, wäre dein Digicore zerstört worden.“ Sanzomons Stimme hatte etwas erhabenes in sich, während es Ai genau musterte.

„Mein Digicore, hmm?“, murmelte Ai, die Hand an ihre Brust gepresst. „Und Impmon? Sind seine Daten auch...?“ Sie sah ihren Partner an.

„Sanzomon sagt, mich hätte es nicht so schwer getroffen“, murmelte es verlegen. „Du hattest Pech.“ Dann ballte es seine behandschuhten Hände zu Fäusten. „Du hättest mich alleine kämpfen lassen sollen!“, rief es dann plötzlich aus.

„Und dann?“, erwiderte Ai aufgebracht. „Dann wärst du vielleicht ganz vernichtet worden!“

„Aber so...“ Impmon sah zu Boden. „Sanzomon sagt, es weiß nicht, was es für einen Menschen bedeuten kann, wenn seine Daten beschädigt wurden.“

Ai seufzte und sah dann wieder auf das weiblich wirkende Digimon. Dann nahm sie ihr Digivice, um Sanzomons Daten abzulesen. Es war also ein Digimon auf dem Perfect Level...

„Du solltest dich weiter ausruhen“, meinte das Digimon.

„Aber was ist mit den anderen?“, fragte Ai. „Ich will zumindest Takumi und Kotemon sehen. Und die Digimon!“

„Das hat Zeit“, erwiderte Sanzomon im Tonfall einer strengen Erzieherin. „Du musst dich ausruhen, Menschenmädchen.“

Ai zog einen Schmollmund.

„Sanzomon ist sehr streng“, flüsterte Rin ihr zu. „Aber es hat dich gerettet. Na ja, uns alle. Auch wenn ich noch immer nicht weiß, wie... Als... Na ja, als du gegen das Ding gekämpft hast, ist irgendetwas passiert, aber wir konnten nicht genau sehen was. Takumi wollte zu dir laufen, aber dann war da auf einmal goldenes Licht und... Dann waren wir auf einmal hier.“ Sie sah nun ebenfalls zu Boden. „Und dann waren du und Impmon da und ihr lagt auf dem Boden und... Im ersten Moment dachte ich, ihr seid tot...“

„Wären wir tot gewesen, hätten wir uns doch aufgelöst“, meinte Ai, erkannte aber dann, dass Rin den Tränen nahe war. Unsicher griff sie nach ihrer Hand. „Hey, es ist alles in Ordnung. Wir... Sind ja in Ordnung, nicht?“

Rin nickte nur stumm.

Bald brachte Sanzomon Ai einen seltsam schmeckenden Tee und bestand dann darauf, dass Ai schlafen sollte. Dabei ignorierte es jedweden Protest, dass sie nicht müde sei und außerdem in der digitalen Welt sowieso nicht schlafen musste. Also scheuchte es Rin und Kunemon, aber auch Impmon aus dem kleinen holzvertäfelten Zimmer hinaus und schloss die Tür, während Ai schmollend und mit geschränkten Armen dort liegen blieb, aber tatsächlich nach einer Weile in einen unruhigen Schlaf glitt.
 

Takumi beobachtete die leuchtende Kugel. Seit sie hier angekommen waren, löste sie eine seltsame Faszination in ihm aus, doch was es damit auf sich hatte wollte ihm niemand erklären.

Die Kugel stellte das Zentrum des Hauptsaals des Tempels dar. Sie schwebte über einer halbhohen Säule und hatte einen Durchmesser von vielleicht einem Meter. Von ihr ging ein seltsames goldenes Licht aus, das auch die Digimon zu faszinieren schien. Nicht nur das: Kotemon hatte ihm gesagt, dass es sich ausgeruht fühlte, wenn es die Kugel nur für ein bisschen beobachtete.

Da kamen Rin, Kunemon und auch Impmon in den Raum.

Er sah sie an. „Ist Hanagawa-san aufgewacht?“, fragte er.

„Ja“, Rin seufzte und kniete sich neben ihn auf ein Gebetskissen. „Aber Sanzomon sagt, sie muss schlafen.“

Er seufzte und sah auf den jungen Mann, der am anderen Ende des kleinen Saals saß, auf beiden Seiten von ihm Digimon. Der junge Mann schien zu meditieren und nach einem Tag, den er hier verbracht hatte, wusste Takumi bereits, dass es sinnlos war ihn anzusprechen, während er so im Lotussitz dort saß.

Am liebsten hätte er genervt geseufzt, doch hatte ihm das bereits eine Rüge von Sanzomon eingebracht, weshalb er sich ein solches Seufzen verkniff.

„Was sollen wir jetzt machen?“, fragte er schließlich Rin, auch wenn er wusste, dass sie es genau so wenig sagen konnte, wie er.

Rin schüttelte nur den Kopf. „Wir werden Makoto-kun nicht finden, oder?“, fragte sie.

Takumi sah auf den Boden und seufzte. „Ich glaube nicht. Und wenn wir länger hier bleiben...“ Sanzomon hatte ihnen gesagt, dass Ais Daten beschädigt waren – was auch immer das genau heißen mochte. „Unsere Eltern machen sich sicher Sorgen. Aber wir können Hanegawa-kun auch nicht einfach hier lassen, oder?“

„Wenn er überhaupt hier ist“, murmelte Rin.

„Impmon“, begann Kotemon nun, das zu Takumis Linken kniete, und sah an Takumi und Rin vorbei. „Du hast doch von zwei Digimon erzählt, die uns vielleicht helfen können, oder?“

„Ja, Apollomon und Diannamon“, antwortete Impmon. „Wenn wir sie finden, könnten die beiden Idioten mal zu etwas nützlich sein.“ Es verschränkte die Arme. „Aber ich weiß nicht, wo wir sie finden können.“

„Apollomon und Diannamon residieren auf der Ebene, die einst Heim der heiligen Biester war“, sagte eine erhabene Frauenstimme. „Doch sie sind im Moment nicht dort.“

„Sanzomon!“, riefen alle vier leicht erschrocken aus, während Kunemon weiterhin stumm blieb, jedoch den Kopf hob.

„Weißt du, wo sie sind?“, fragte Impmon dann.

„Ich kann es vielleicht herausfinden“, erwiderte das Perfect-Digimon.

„Aber diese Kinder sollten in ihre Welt zurück“, sagte nun eine weitere Stimme.

Takumi seufzte nun doch genervt. „Nakamura-san...“ Dabei spürte er förmlich den wütenden Blick Sanzomons.

„Wir können Makoto-kun nicht einfach hier zurücklassen!“, protestierte Rin nun.

„Genau!“, stimmte ihr Impmon lautstark zu. „Makoto ist...“ Es schüttelte seinen Kopf so heftig, dass seine Ohren schlackerten. „Wir können ihn nicht einfach zurücklassen! Wir sind hergekommen um ihn zu retten.“

Sanzomon sah sie an. „Aber ihr wisst, dass euer Vorhaben sinnlos ist“, sagte es. „Ihr riskiert euer Leben nur unnütz!“

Takumi sah es herausfordernd an. „Das werden wir ja sehen!“

Der junge Mann stand nun auf und seufzte. „Ihr wisst genau so gut, wie wir, dass es dumm ist, eure Leben zu riskieren. So, wie es in der digitalen Welt jetzt aussieht, könnt ihr nicht hier bleiben.“

Wütend sah Takumi ihn an, sagte aber nichts, da er genau wusste, dass er die Wahrheit sagte. Und war es nicht, wenn es hier so gefährlich war, verantwortungsvoll, Rin und Ai dazu zu überreden, in die reale Welt zurückzugehen? Allerdings erinnerte er sich auch an die Erdbeben in der realen Welt und an die besessenen Digimon, die dort aufgetaucht waren. Machte es überhaupt einen Unterschied?

Er wusste nur eins: Er hasste den Gedanken daran, aufzugeben und Makoto einfach zurück zu lassen!

„Wie sollen wir überhaupt zurückkommen?“, fragte Rin vorsichtig. „In die reale Welt, meine ich.“

„Wir können euch zurückbringen. Und sollten wir den Jungen, den ihr sucht, finden, ihn auch.“

Rin seufzte und sah zu Takumi.

„Was ist mit euch?“, fragte dieser nun. „Du bist auch ein Mensch. Du solltest auch in die reale Welt zurück!“

„Nein“, antwortete der junge Mann nur kühl. „Ich bleibe hier und beobachte, wie sich alles entwickelt.“ Seine Stimme war so ruhig, dass sie Takumi innerlich zur Weißglut trieb.

„Hast du keine Familie, die sich um dich sorgt?“, erwiderte er.

„Meine Familie hat sich vielleicht einmal gesorgt“, murmelte der junge Mann. „Aber ich bin zu lange schon fort, als dass sie glauben würden, dass ich noch lebe.“ Er schüttelte den Kopf. „Ich bleibe hier.“
 

„Wohin gehen wir?“, fragte Makoto erneut. Langsam hatte er von diesem Nebelweg eindeutig die Nase voll. Er fragte sich, ob sie bis alle Ewigkeit hier herumirren würden. Hatte Gokuwmon sie nur in eine Falle gelockt?

Zudem konnte er das seltsame ungute Gefühl, dass sich in seiner Magengegend ausgebreitet hatte, nicht länger verleugnen.

„Das werdet ihr sehen, wenn wir ankommen“, antwortete das Digimon nur und schritt unbeirrt weiter.

„Wenn wir denn einmal ankommen“, grummelte Kaito mit verschränkten Armen.

„Wieso kannst du uns nicht sagen, wohin wir gehen?“, fragte Kuraimon, das mittlerweile ebenfalls kurz davor zu sein schien, seine Nerven zu verlieren. Es flatterte neben Gokuwmon her und versuchte offenbar etwas aus dessen Ausdruckslosem Gesicht abzulesen.

„Weil der Ort, an den ich euch bringe, keinen Namen hat.“

„Und wieso bringst du uns an diesen Ort ohne Namen?“, fragte Kaito genervt.

„Weil es dort jemanden gibt, der euch helfen kann in eure Welt zurück zu kommen“, erwiderte das Digimon ruhig.

„In unsere Welt?“, fragte Kaito aufgebracht. „Das ist nicht, was du uns versprochen hast. Ich suche meinen Bruder und ich gehe nicht in unsere Welt zurück, ehe ich ihn gefunden habe!“

„Auch dabei kann man euch da helfen“, antwortete Gokuwmon. „Geduldet euch, Menschenkinder. Es ist nicht mehr weit.“

„Das hat es die letzten Male auch schon gesagt“, murmelte Makoto, sagte es aber nicht zu laut. Stattdessen ging er einfach weiter hinter dem Digimon hinterher und fragte sich, was jenes ungute Gefühl zu bedeuten hatte.
 

25. Juli - Digitale Welt

Der Morgen kam plötzlich, so als hätte jemand auf einmal das Licht angemacht. Takumi war sich nicht sicher, was er davon halten sollte, selbst wenn er es während der letzten Tage so oft gesehen hatte.

Er saß vor dem Tempel, in dem Sanzomon und sein Tamer – Nakamura Shinji – zu leben schienen. Noch immer war es ihm ein Rätsel, was es mit den beiden auf sich hatte und er war sich vor allem nicht sicher, ob er sie besonders gut leiden konnte. Er hatte kaum geschlafen in dieser Nacht, weshalb er irgendwann hier rausgegangen war.

Der Tempel stand in einer Ebene, die beinahe komplett über den Wolken erhoben zu sein schien.

Die Ebene erinnerte an alte Chinesische Malereien, die die Heimat ihrer Götter darstellten: Abgerundete Bergkuppen, die teilweise durch Hängebrücken verbunden waren, stießen aus einer dichten, weißen Wolkendecke hervor. Der Tempel lag auf einem der größten Berge und von diesem Berg aus, spannten sich gesamt drei Brücken zu anliegenden Bergen. Seltsamer Weise sah er auf einigen anderen Bergen, weiter entfernt, Torii und noch weiter entfernt andere Bauwerke, die von ihrer Form her nicht so wirklich in diese Umgebung passen sollten.

Takumi hatte sich die Wand der Pagode gelehnt und sah auf die weite Ebene hinaus, während Kotemon schweigend neben ihm saß.

„Glaubst du, wir sollten in die reale Welt zurückgehen, Kotemon?“, fragte er leise und sah nun auf zu der blauen Kugel, die oben am Himmel leuchtete.

Kotemon schwieg für eine Weile. „Ich weiß es nicht“, sagte es dann. „Wenn weitere von diesen veränderten Digimon oder dieser Anomalie hier auftauchen, dann sind wir in Gefahr und es wäre dumm hier zu bleiben. Aber ich will auch nicht Makoto-san zurücklassen. Das ist es doch auch, was du denkst, oder, Takumi?“

Takumi nickte stumm. Er hatte nie ein besonders enges Verhältnis zu Makoto gehabt und war sich nicht einmal sicher, ob er ihn als Freund bezeichnen würde, doch zumindest kam es ihm einfach falsch vor, ihn seinem Schicksal zu überlassen. Außerdem war da noch Ai und er war sich sicher, dass sie Ai schon fesseln und knebeln mussten, damit sie ohne ihren Bruder zurückkehren würde.

Doch hatten sie überhaupt eine Wahl? Würden ihnen Nakamura und sein Digimon überhaupt eine Wahl lassen?

„Hier seid ihr“, hörten sie eine Stimme.

Rin kam aus dem Gebäude herein und schob die Holztür, durch die sie gekommen war, hinter sich zu. „Ich habe euch gesucht.“

Takumi sah sie für einen Moment an. „Konntest du auch nicht schlafen?“

Rin schüttelte den Kopf und setzte sich neben Kotemon.

„Was denkst du, was wir tun sollten?“, fragte sie und Takumi verstand, dass diese Frage sie genauso quälte wie ihn, weshalb sie jemanden gesucht hatte, um darüber zu sprechen.

„Wir sollten in die reale Welt zurückgehen“, murmelte er, wobei seine Stimme jedoch so zweifelnd klang, wie er selbst war. „Unsere Eltern machen sich sicher Sorgen... Und was wäre, wenn wir hier sterben und sie nie erfahren würden, was mit uns passiert ist?“

Rin seufzte. „Wenn sie überhaupt bemerken würden, dass ich nicht da bin.“

Unsicher sah Takumi zu ihr. Natürlich hatte er schon mitbekommen, dass es etwas gab, das sie bedrückte. Auch sie schien irgendwelche Probleme mit ihren Eltern zu haben, die er bisher allerdings nur einmal gesehen hatte. Er wusste, dass es unhöflich war, danach zu fragen, aber ihm schien es beinahe, als wolle Rin darüber sprechen. Also zögerte er, fragte aber dann: „Was ist mit deinen Eltern?“

Noch einmal seufzte Rin. „Nichts. Also wirklich nichts. Sie beachten mich kaum. Sie arbeiten beide und sind ziemlich erfolgreich, deswegen aber auch kaum zuhause. Ich bin die meiste Zeit allein. Manchmal habe ich das Gefühl, sie merken gar nicht, dass ich da bin. Denn die meiste Zeit, die sie zuhause sind, schauen sie nur fern oder schlafen. Ihnen scheint es vollkommen egal zu sein, ob ich da bin und was ich machte.“

Kunemon rieb seinen Kopf an ihrer Wange und sie streichelte es.

Unsicher, was er darauf antworten sollte, schwieg Takumi, obwohl die Stille zwischen ihnen zu schnell unbehaglich wurde. Zum Glück aber kam Kotemon ihm zur Hilfe.

„Ich bin mir sicher, dass du ihnen nicht egal bist“, sagte es.

Rin zog ihre Beine näher an ihren Körper. „Ich wäre mir da nicht so sicher.“ Sie starrte auf die Ebene hinaus. „Ich habe mir die Haare blondiert und deswegen eine Ermahnung von der Schule bekommen. Sie haben nichts gesagt, sondern nur der Schule etwas Geld bezahlt, woraufhin niemand etwas gesagt hat. Ich habe Kunemon mit nach Hause genommen und sie haben es nicht mal gemerkt...“ Für einen Moment schwieg sie. „Ich habe am Turnier teilgenommen, weil ich dachte, wenn ich richtig Ärger bekomme, beachten sie mich vielleicht, aber auch als sie mich vom Ais Großeltern abgeholt haben, haben sie einfach nichts gesagt.“

Nun seufzte auch Takumi. Eigentlich schien ihm die Vorstellung von Eltern, die einem solche Freiheiten ließen geradezu zu beneidenswert, doch offenbar war Rin damit alles andere als glücklich. „Ich bin mir sicher, dass du deinen Eltern nicht egal bist“, meinte er unsicher. „Vielleicht wollen sie dich einfach nur nicht zu sehr einengen...“

„Oder vielleicht ist ihnen außer ihrer Arbeit einfach nichts wichtig“, erwiderte Rin leise. Sie legte ihre Stirn auf die Knie, so dass sie ihr Gesicht verbarg.

Unsicher sah Takumi sie an und streckte dann, ganz vorsichtig, eine Hand aus, um sie ihr auf die Schulter zu legen.
 

Der vorhersehbare Streit kam gegen Mittag, als nun auch Ai mit ihnen aß.

Sie war von dem niedrigen Tisch aufgesprungen. „Ich gehe nicht ohne meinen Bruder nach Hause!“, rief sie aus. „Ich lasse Makoto nicht einfach im Stich.“

Es war offensichtlich, dass sie noch immer wackelig auf den Beinen war, doch sie blieb tapfer stehen und sah Nakamura herausfordernd an.

„Was willst du dagegen machen?“, fragte dieser, nachdem er seine Reisschale abgestellt hatte.

„Ihr könnt mich nicht zwingen zu gehen!“, antwortete Ai.

„Das sollte keine Herausforderung sein.“ Der junge Mann sah sie an. „Ich sehe keinen Weg für dich, dich zu wehren.“

Ai sah ihn nur wütend an.

„Ai...“, murmelte Rin und berührte das andere Mädchen am Bein. „Beruhige dich.“

Widerwillig ließ Ai sich auf ihr Sitzkissen zurücksinken. „Ich gehe nicht ohne Makoto“, bekräftigte sie noch einmal.

„Ich auch nicht!“, stimmte Impmon ihr zu.

Takumi sah sie an, schwieg aber.

So aßen sie schweigend weiter, bis sie ein leises Geräusch, das Takumi als das Vibrieren eines Handys erkannte. Verwirrt sah er sich um – immerhin hatten sie in dieser Welt keinen Handyempfang – sah dann aber, wie Nakamura ein Tablet hervorholte und den Bildschirm studierte.

Dann sah er auf. „Sanzomon.“ Mehr sagte er nicht, doch das Digimon, das neben ihm saß und sie nur beim Essen beobachtete, nickte und stand auf.

„Bleibt hier“, sagte der junge Mann. „Wir müssen etwas nachsehen.“

Takumi, Rin und Ai wechselten Blicke, doch der andere Tamer wartete nicht auf eine Antwort von ihnen, sondern stand ebenfalls auf und verließ das Zimmer.

„Lasst uns abhauen“, meinte Ai plötzlich.

Die anderen beiden – und auch die anderen Digimon, von denen ein Teil mit ihnen gegessen hatte, sahen sie an.

„Aber wohin?“, fragte Rin.

„Ist doch egal. Wir müssen Makoto weiter suchen.“

Takumi sah sie an.

„Uns was ist mit uns?“, fragte Bearmon dann an sie gewandt. „Wollt ihr uns zurücklassen?“

„Ihr seid hier in Sicherheit“, meinte Impmon entschlossen. „Sanzomon kann euch in die reale Welt bringen.“

Viele der Baby-Digimon schienen eher angetan von dieser Idee und murmelten zustimmend.

„Ich will euch aber nicht einfach so gehen lassen“, sagte Bearmon nun. „Ihr solltet eure Leben nicht weiter unnötig riskieren.“

Takumi sah zu Ai, welche nicht so aussah, als würde sie sich von Worten überzeugen lassen. Auch wollte er keinen Streit mit ihr anfangen, zumal er wusste, wie viel ihr daran lag, ihren Bruder zurückzubringen.

„Aber...“, begann Kotemon. „Vielleicht sollten wir wirklich in die reale Welt zurück!“ Es sah zu Ai, schien aber auch unsicher zu sein und nicht begeistert von der Idee zu streiten.

„Ich lasse Makoto nicht in der digitalen Welt zurück!“, sagte Ai entschlossen. „Ihr müsst nicht mitkommen, aber Impmon und ich werden gehen!“

Impmon nickte, ehe Ai sich von ihnen abwandte und zur Tür lief.

„Warte!“, meinte Rin und griff nach Ais Hand. „Ich... Ich komme mit.“

Takumi seufzte und wechselte kurz Blicke mit Kotemon. „Ich komme auch...“, murmelte er.

Ai zögerte, nickte dann aber.

„Ich werde mitkommen!“, meinte Bearmon nun entschlossen.

Die drei Tamer und ihre Partner sahen es an und tauchten untereinander Blicke.

„Es ist sicherer, wenn du hier bleibst, Bearmon“, sagte Ai. „Außerdem hast du viele Kameraden, auf die du aufpassen musst.“

Die Babydigimon murmelten zustimmend und sammelten sich um Bearmon, während die Tamer sich abwandten. „Kommt“, meinte Ai und verließ die Halle auf denselben Weg wie Sansomon und Nakamura zuvor.

Bald standen sie vor dem Tempel und sahen sich um.

„Da lang!“, meinte Ai und zeigte auf eine der drei Hängebrücken.

Noch immer war sich Takumi der Sache nicht sicher. Denn auch wenn er Makoto nicht im Stich lassen wollte und die beiden Mädchen sicher nicht alleine gehen lassen wollte, so hatte er ein äußerst ungutes Gefühl bei der Sache.

Ai hatte bereits die ersten Schritte auf die Hängebrücke gemacht, während Rin darauf zu warten schien, dass Takumi sich bewegte. Sie sah sich zu ihm um, als eine Windböe über die Berge hinwegsauste und ihr blonden Zöpfe wehen ließ.

„Worauf wartest du?“, fragte sie Takumi.

Noch immer zögerte er. „Ich frage mich nur, warum Sanzomon und Nakamura verschwunden sind. Nakamura sah ernst aus, oder?“

„Sah er doch die ganze Zeit!“, warf Impmon mürrisch ein. „Jetzt kommt schon, bevor sie zurücksind.“

Sicher der Sache noch immer nicht sicher, folgte Takumi den beiden zusammen mit Rin und Kotemon, während eine weitere Böe die Brücke schaukeln ließ. Doch sie erreichten die andere Seite – einen Hügel, auf der eine Statue stand, die Takumi an die Bilder von den Osterinseln erinnerte, die er mal im Fernsehen gesehen hatte – ohne Schwierigkeiten.

Doch es war hier, dass sie einen lauten Knall hörten, der von einem weiteren Windstoß getragen wurde.

„Was war das?“, fragte Rin, während Kunemon nun aufmerksam den Kopf hob.

Kotemon sah zwischen zwei Bambusbäumen, deren Stämme seltsam flackerten, hindurch in die Ferne.

„Ein Kampf?“, sprach Impmon laut aus, was es zu denken schien.

„Ja...“, murmelte Kotemon.

Auch die drei Tamer sahen in die Richtung, in die die Digimon sahen.

„Ist doch egal!“, meinte Ai nun etwas lauter. „Wir sollten uns von weiteren Kämpfen fern halten und schauen, dass wir Makoto finden!“

Sie schritt mit langen Schritten auf die nächste Brücke und Takumi und Rin sahen kaum eine andere Möglichkeit, als ihr zu folgen. Als letztes löste sich Kotemon, das die ganze Zeit zwischen den Bäumen hindurch gestarrt hatte aus seiner Starre und folgte ebenfalls.

Weitere Windböen schüttelten auch diese Brücke, ehe sie eine sehr schmale, geländerlose Treppe am Rand des nächsten Berges hinaufgingen, um eine weitere Treppe zu erreichen.

„Wartet!“, rief Rin, die sich etwas ängstlich an den Felsen drückte, als sie die nächste Brücke fast erreicht hatten.

Ai sah sich zu ihr um. „Was ist denn?“

Rin zögerte, doch Takumi verstand es bereits. „Der Kampf“, murmelte er und nickte in die Richtung, in die die Brücke führte.

Erst jetzt schien es auch Ai zu bemerken und wandte sich wieder in die Richtung, um zu sehen, ob sie genaueres erkennen konnte. Dann lief sie die Treppe weiter hinauf, ehe auch Takumi ihr folgte, nach einigen Schritten aber auf Rin wartete.

Sie schienen ohnehin schon näher an dem Kampf zu sein, erkannte Takumi, als er immer wieder Lichtblitze und Lichtstrahlen sah, selbst wenn sie noch immer weit von ihnen fern waren.

Kotemons Augen, die hell aus dem Dunkeln seines Helms hervorleuchteten, hatten sich zu Schlitzen verängt und auch Impmon schien angespannter als zuvor.

„Was sollen wir tun?“, fragte Rin, als sie endlich die Spitze des Berges erreichten, von wo aus die nächste Brücke weiterführte.

„Vielleicht sollten wir umkehren...“, murmelte Takumi, woraufhin ihn Ai und Impmon wütend ansahen. „Ich mein“, fügte er rasch hinzu, „wir könnten eine der anderen Brücken vom Tempel aus nehmen.“

„Das ist Sanzomon!“, rief Kotemon auf einmal aus und zog damit ihrer aller Aufmerksamkeit auf sich. „Es ist Sanzomon, dass da kämpft!“

„Das heißt, Nakamura...“, flüsterte Takumi.

Ai wandte sich energisch zur Treppe zurück. „Lasst uns zurück und eine andere Treppe nehmen.“

Kotemon schüttelte seinen Kopf. „Ich werde mitkämpfen!“

„Mach was du willst“, murmelte Ai und verschränkte die Arme.

Kotemon sah nun zu Takumi, der noch immer überlegte. Er wusste einfach nicht, was er machen wollte. Noch immer fand ein Teil von ihm, dass es vielleicht wirklich das klügste wäre, in die reale Welt zurückzukehren, doch er würde dies auf keinen Fall ohne Ai und Rin machen. Auch wollte er Makoto nicht zurücklassen, auch wenn er sich daran erinnerte, dass sie nicht einmal sicher wussten, dass Makoto in dieser Welt war. Er seufzte. Ihm war Nakamura unsympathisch vorgekommen, doch kämpfte er wahrscheinlich, um sie zu beschützen. Zumindest wäre es eine Erklärung für die plötzliche Anspannung, die er von ihm gespürt hatte, als er das Tablet rausgeholt hatte. Vielleicht hatte er eine Warnung bekommen?

„Takumi!“, riss ihn Kotemons Stimme aus seinen Gedanken.

Er holte tief Luft, nickte dann aber. „In Ordnung.“

Rin stellte sich neben ihn. „Ich helfe euch auch...“, murmelte sie.

„Aber...“, begann Ai. „Was ist mit Makoto?“

„Wir können ihn später suchen“, erwiderte Takumi ernst. „Wir können Nakamura nicht einfach im Stich lassen.“

„Aber...“, begann Ai erneut, doch Takumi und Rin hatten bereits ihre Karten hervorgeholt.

„Card Slash! Matrix Evolution!“

Beide Digivices leuchteten auf, ehe auch die Digimon in hellem Licht erstrahlten.

„Kotemon – Shinka! Hanehamon!“

Während Waspmon vorausflog, zog Takumi eine weitere Karte durch sein Digivice. „Card Slash! White Wings!“ Dann folgte auch Hanehamon in die Richtung, während Takumi und Rin die nächste Brücke entlang rannten.

„Aber...“, murmelte Ai und sah ihnen hinterher.

Dann tauschte sie Blicke mit Impmon und folgte ebenfalls.
 

Makoto hatte das Gefühl, dass der Nebel sich langsam lichtete, als sie weitergingen, aber vielleicht bildete er sich das nur ein. Immerhin hatte er in den letzten Stunden, Tagen oder Wochen so viel Nebel gesehen, dass es gut sein konnte, dass seine Augen ihn nun täuschten.

Doch da sah er etwas inmitten des Nebels, das weit entfernt zu sein schien – auch wenn er sich nicht ganz sicher war. Wie weit konnte es entfernt sein, wenn sie es durch den Nebel hindurch doch sehen konnten?

Und dann schien es auf einmal ganz nahe.

„Was...“, murmelte auch Kaito und sah an dem Ding, das da aufgetaucht war, empör.

Es war ein zinnoberrotes Torii, zwischen dessen zwei Trägersäulen auch Papierschlangen hinabhingen.

„Wir sind da!“, verkündete Gokuwmon und trat durch das Tor.
 

Ihre Schritte trommelten auf den Holzbrettern, die die Brücke bildeten, während sie sich dem Kampf nährten.

Hanehamon und Waspmon waren bereits vorausgeflogen, so dass ihnen kaum etwas übrig blieb, als zu folgen. Und langsam erkannten sie auch, was vor sich ging.

Sie hatten nun zwei weitere in Wolken endende Abgründe überquert und sahen nun die Attacken, die ausgetauscht wurden. Wenngleich für sie die Gestalten der Digimon noch zu klein waren, konnte Takumi auf seinem Digivice nun auch sehen, was Hanehamon sah und erkannte ein weiteres Digimon, dessen Gestalt so seltsam wirkte, wie die der anderen Digimon, die von dieser Anomalie besessen schienen.

„Oh nein“, flüsterte Rin, als sie es sah.

Sie waren zum Verschnaufen auf einem Berg stehen geblieben.

„Was...“, murmelte Impmon angespannt, sah aber nicht direkt auf den Kampf, sondern auf etwas ganz in der Nähe. „Das ist Nakamura...“

Was Impmon so verwunderte, war zweifelsohne die goldene Kugel, in der Nakamura in der Luft zu schweben schien.

Mit einem weiteren tiefen Atemzug rannte Takumi weiter und hörte die Schritte der Mädchen ihm folgen.

„Was macht ihr hier?“, rief eine wütende Stimme, die sie als die Nakamuras erkannten, als sich sich dessen Position näherten.

Die goldene Kugel senkte sich zu ihnen hinab.

„Wir können auch kämpfen!“, rief Rin, wenngleich ihre Stimme sehr unsicher klang.

„Nein!“, erwiderte der junge Mann wütend.

„Lass uns das ganze zu Ende bringen“, meinte Ai nun kühl zu ihrem Partner.

Impmon nickte und Ai hob ihr Digivice. „Matrix Evolution!“

Doch nichts geschah.

Die beiden tauschten Blicke.

„Matrix Evolution!“, schrie Ai erneut, doch ohne Erfolg.

Nun sahen Takumi und Rin einander an und Takumi wusste, dass Rin dasselbe vermutete, wie er: Ais Daten waren beschädigt worden, hatte Sanzomon gesagt und vielleicht konnte sie deswegen nicht mehr so einfach mit Impmon verschmelzen.

Derweil sah der Kampf der drei Perfects alles andere als ausgeglichen aus. Wie auch zuvor, war das Digimon enorm schnell und stärker, als es gewöhnlich war.

„Es ist Ravemon“, murmelte Rin.

Auch Takumi hatte in der hellen und verpixelten Gestalt des Digimon das Ultimate-Digimon erkannt.

„Aber wir sind zu dritt“, erwiderte er.

„Card Slash!“, riefen beide wieder zusammen aus. „High Speed – Plug-In H! Attack – Plug in A!“

Die Angriffe von Waspmon und Hanehamon wurden schneller. Hanehamon warf gleich mehrere Messer gleichzeitig auf das korrupierte Ravemon ab, ehe dieses einem Laser Waspmons nur knapp auswich.

„Ihr Kinder...“, murmelte Nakamura ungehalten, wandte seine Aufmerksamkeit dann aber auch dem Kampf zu.

Gerade in diesem Moment, ging Ravemon zum Gegenangriff über und ließ nicht minder verpixelte Federn auf die drei Perfectdigimon regnen.

„Card Slash!“, rief nun Nakamura. „Ulforce V-dramon!“

„Tense-great Shield!“ Ein Energieschild erschien im letzten Moment vor Sanzomon, das es schützte, doch Takumi und Rin konnten nicht so schnell reagieren.

Hanehamon konnte den Federn ausweichen, doch Waspmon schaffte es nicht schnell genug und wurde getroffen. Sein Körper begann zu flackern, ehe es zu Kunemon zurückdigitierte und hinabfiel.

„Kunemon!“, schrie Rin erschrocken aus und streckte die Hand nach ihrem Partner aus, der jedoch viel zu weit entfernt war, als dass sie ihn hätte erreichen können.

Da machte Sanzomon eine Handbewegung und Kunemon wurde in einer weiteren goldenen Blase in die Höhe und zu Rin getragen.

Doch während Sanzomon seine Aufmerksamkeit einen Moment zu lang Kunemon zugewandt hatte, wurde es von Ravemon getakelt, das im nächsten Moment sein Schwert zückte.

„Pass auf!“, rief Nakamura, doch es war Hanehamon, das dazwischen ging, noch bevor Nakamura etwas tun konnte.

„Akinakes!“ Es griff Ravemon an, welches sich daraufhin mit seinem eigenen Schwert verteidigte.

Die Waffen prallten aufeinander, doch kaum das Akinakes die gegnerische Klinge berührt hatte, fing es an zu flackern und zerstob einen Moment später in Datenpartikel.

„Hanehamon!“, rief Takumi aus.

Dann ging Ravemon zu einem erneuten Angriff über und attackierte Hanehamon mit seinen Flügeln, wobei Hanehamon zuerst zurückwich. Doch es war zu langsam und konnte den Angriffen nicht sehr lang entgehen.

Sein Körper begann zu flackern und verlor nach und nach Datenpartikel.

„Hanehamon“, flüsterte Rin.

„Impmon!“, rief Ai nun aus.

Das Digimon nickte und ballte seine kleinen Hände zu Fäusten. „Impmon – Shinka! Beelze...“ Es stoppte, als nichts geschah. „Was soll das?“, rief es wütend. „Impmon – Shinka...“ Doch noch immer geschah nichts.

„Mugen Danmakushin-kyou!“ Es war Sanzomon, das nun, während Hanehamon immer mehr Daten verlor Ravemon angriff. Seine Kette aus Gebetsperlen verlängerte sich und wickelte sich um Ravemons Körper – nicht ohne ebenfalls zu flimmern zu beginnen.

Das Ravemon fuhr wild zu ihm herum und sprengte – offenbar aus reiner Kraft die Ketten. Perlen regneten in die Wolken unter ihnen hinab, ehe mehrere Dinge schnell hintereinander weg geschahen:

Nakamura wurde auf die Bergkuppe geschleudert, auf der auch die drei anderen Tamer standen, wo die goldene Kugel um ihn herum zerbarst. Dann wurde auch Sanzomon zurückgeworfen und gegen die Felsen unter Takumi, Rin und Ai geschleudert. Nur halb bewusst verstand Takumi, dass dies nicht gut war, und drängte die Mädchen zurück, als sich Brocken aus dem Berg vor ihnen lösten und in die Tiefe glitten.

Takumi merkte, wie Rin den Halt verlor und griff vollkommen instinktiv nach ihrer Hand. Doch dann verlor auch er den Halt und ehe er irgendwie reagieren konnte, glitt auch er ab und fiel im nächsten Moment.

„Takumi! Rin!“, rief Hanehamon und stürzte ihnen hinterher, doch es verlor immer mehr Daten und einen Moment später glühte sein Körper auf und es fiel als Kotemon ihnen hinterher.

„Takumi! Rin!“, hörten sie auch noch Ai und Impmon rufen, doch dann fielen sie schon in den weißen Nebel der Wolken hinein.

„Takumi...“, hörte er die Stimme seines auch in Child-Form recht angeschlagenen Partners.

Und dann verstand er.

Episode 44: Nah und fern

Episode 44: Nah und fern
 

Vielleicht bin ich nicht so, wie die anderen. Ich habe nie von Abenteuern geträumt und auch nie davon eine Heldin zu sein. Nein, ich wollte beachtet werden, doch egal was ich tat, schien es, als wäre ich für die Welt unsichtbar. Kunemon war mein erster richtiger Freund. Und nun habe ich Ai-chan und Shirou-kun und das erste Mal fühle ich mich, als wäre meine Existenz wirklich von Bedeutung – zumindest für sie, für meine Freunde.

                                                              - Okamura Ri
 

Digitale Welt – 25. Juli 2011
 

Als Makoto durch das Torii trat, verschwand der Nebel auf einmal so plötzlich, dass Makoto sich verwirrt umsah. Weder vor, noch hinter ihm war eine Spur des Nebels zu sehen, so als wäre er nie da gewesen. Doch konnte er auch Kaito nicht sehen, ehe dieser neben ihm durch das zinnoberrote Tor trat und dann einfach neben ihm erschien.

„Wo sind wir hier?“, fragte Kaito und sah sich verwirrt um. Als ihm niemand antwortete, richtete er die Frage direkt an ihren Führer. „Hey, Gokuwmon, wo sind wir?“

Doch Gokuwmon antwortete ihm nicht. Es hatte seine Augen zu Schlitzen verengt und starrte in die Tiefe.

„Gokuwmon?“, fragte Kaito langsam.

Makoto versuchte Gokuwmons Blick zu folgen, doch konnte er zuerst nicht erkennen, was den Blick des Digimon so auf sich zog.

So war es nicht überraschend, dass es Kuraimon war, das zuerst erkannte, was vor sich ging. „Ein Kampf!“, rief es aus und zeigte in eine Richtung.

Zuerst verstand Makoto noch immer nicht, doch als er genauer hinsah, sah er sich bewegende Lichter, die in weiter Ferne durch die Luft schwirrten und darauf hinwiesen, dass dort tatsächlich Digimon kämpften.

Und dann, auf einmal, stieg ein Lichtstrahl in die Höhe.
 

Alles geschah so schnell, dass Takumi kaum verstand was vor sich ging. Sanzomon prallte gegen den Felsen unterhalb der Stelle, wo er zusammen mit Ai und Rin stand. Im nächsten Augenblick lösten sich große Felsbrocken aus dem Berg unter ihnen und der Boden unter ihren Füßen begann zu rutschen.

Ganz automatisch stolperten sie rückwärts und Takumi merkte, wie Rin neben ihm das Gleichgewicht verlor. Instinktiv griff er nach ihrer Hand, um sie am Abstürzen zu hindern, doch als sie im nächsten Moment gänzlich den Halt verlor, als der Felsen, auf dem sie stand, mit abrutschte, verlor auch Takumi das Gleichgewicht und stürzte ihr hinterher.

„Takumi! Rin!“, rief Hanehamon und stürzte ihnen hinterher, doch es verlor immer mehr Daten und einen Moment später glühte sein Körper auf und es fiel als Kotemon ihnen hinterher.

„Takumi! Rin!“, hörten sie auch noch Ai und Impmon rufen, doch dann fielen sie schon in den weißen Nebel der Wolken hinein.

„Takumi...“, hörte er die Stimme seines auch in Child-Form recht angeschlagenen Partners.

Und dann verstand er.

Er sah Kotemon neben sich fallen, als sie die Wolkenschicht beinahe erreicht hatten und er spürte das Digivice, das er noch immer in der linken Hand hielt, während seine Recht noch immer Rins Arm umklammerte. Das Digivice fühlte sich warm an und er wusste, dass er Rin noch retten konnte.

Er wusste, was er tun musste.

„Matrix Evolution!“, rief er.

Sein Körper fühlte sich warm an, angenehm, während er selbst kaum glauben konnte, was geschah.

„Kotemon – Shinka! Kasikewemon!“

Als Takumi das nächste Mal die Augen öffnete, sah er durch die Augen eines Digimon.

Kasikewemon war wie Dinohumon und Hanehamon humanoid, doch anders als bei diesen Stufen war sein Kopf fast gänzlich verhüllt, von etwas, das zum Teil Stoff, zum Teil aber auch Nebel oder Dampf zu sein schien. Flammen umspielten seine Füße und auch seine Hände, während es Rin wieder in die Höhe trug, ohne, dass die Flammen sie zu verbrennen schienen.

Das ist unglaublich...“, murmelte Takumi im Innern des Digimon.

Nun war er tatsächlich mit Kotemon verschmolzen. Sie hatten gemeinsam das Ultimate-Level erreicht, konnten gemeinsam kämpfen. Doch konnten sie so ihren Gegner besiegen?

„Takumi?“, flüsterte Rin und sah in das Gesicht das Digimon auf, das nur nickte, ehe es zur Seite flog, um einem Angriff Ravemons, das nun auf sie aufmerksam geworden war, auszuweichen.

Irgendwie wusste Takumi, was zu tun war, was sie machen mussten, um anzugreifen oder sich zu verteidigen und er fragte sich, ob dies bei Digimon immer so war, ob sie ganz intuitiv ihre Attacken kannten.

Doch zuerst setzte Kasikewemon Rin und Kunemon auf der Spitze des Bergs neben Ai und Impmon ab, die es beide mit großen Augen ansahn.

Rin war ganz offensichtlich froh, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben und sah nun ebenfalls das neue Ultimate-Digimon an.

„Kasikewemon...“, begann Ai, es noch immer anstarrend.

Das Digimon nickte ihr zu und ihr Blick wurde entschlossener.

„Los, kämpfe“, sagte sie erst halblaut.

Erneut nickte das Digimon und wandte sich seinem Gegner zu, der in diesem Moment mit seinem Schwert in der Hand auf es zugeflogen kam.

Doch auch jetzt wusste Takumi, was sie tun mussten.

Kasikewemon streckte seine Hand aus und ein langes Schwert, ähnlich einem Katana, materialisierte sich, und wurde, kaum, dass das Digimon es ergriffen hatte, von Flammen umgeben.

Mit diesem Schwert verteidigte sich Kasikewemon nun und stieß seinen Gegner dann zurück. Dem nächsten Angriff wich es aus, flog um Ravemon herum und lockte es so von dem Berg, auf dem die anderen standen, fort.

Doch auch wenn sich durch das neue Level einiges geändert hatte, so bewegte sich Ravemon in der Luft noch immer schneller, als Kasikewemon und holte es rasch ein. Gerade noch so konnte das Kriegerdigimon nach unten ausweichen, um einem Angriff der mit Chromedigizoid überzogenen Flügel zu entgehen.

Wir dürfen uns nicht treffen lassen“, hörte Takumi die Stimme Kotemons und nickte nur.

Er erinnerte sich zu gut daran, wie Beelzebumon beim Kampf gegen Odaiba von einem solchen Digimon getroffen worden war und Ais Verletzung war gerade einmal zwei Tage her. „Ich weiß!“

Weiter und weiter flog Kasikewemon von dem Berg fort, wobei es immer wieder erneuten Angriffen ausweichen musste, während Ravemon außerdem versuchte, ihm den Weg abzuschneiden. Als sie schließlich weit genug von den anderen entfernt waren, dass sich Takumi sicher war, dass sie nicht mehr von verfehlten Attacken getroffen werden konnte, wandte sich Kasikewemon seinem Gegner zu.

„Emusi Ape!“ Bei diesem Ruf vergrößerte sich das Schwert in Kasikewemon Hand, während die Flammen noch hungriger um die Klinge loderten. Das feurige Schwert nun erhoben, ging das Digimon zu einem Gegenangriff über, der zuerst jedoch vom Schwert seines Gegners blockiert wurde.

Immer und immer wieder prallten die Schwerter der beiden Digimon aufeinander und Takumi bemerkte, dass ihr Schwert zu flackern begann. Auch es schien Schaden allein durch die Berührung mit der Waffe des korrumpierten Gegners zu nehmen.

Aufpassen!“, hörte er Kotemons Stimme, während Kasikewemon gerade noch so einem Konterangriff entging.

So geht das nicht“, flüsterte Takumi, während das Kriegerdigimon nun rückwärts flog, um einem weiteren Angriff zu entgehen.

Er sah sich um. So lange sie nicht schnell genug waren, nutzte ihnen ihre neue Stärke auch nichts, denn so lange Ravemon ihre Attacken abwehrte, konnten sie den Kampf nicht zu Ende bringen.

Unter ihnen lag die weiße Wolkendecke und als Takumi durch die Augen Kasikewemons hinabsah, kam ihm ein Gedanke.

Erneut wehrten sie einen Angriff Ravemons mit dem Schwert ab, doch dann ließ sich das Kriegerdigimon in die Tiefe fallen, bis die Wolken es umgaben. Hier sollte Ravemon sie nicht sehen können, was ihnen die Möglichkeit gab, einen Gegenangriff vorzubereiten.

Kasikewemon schloss die Augen und konzentrierte sich. Seine Sinne wurden schärfer und es spürte, wie nun auch Ravemon in die Wolken hinabstieß. Dies war ihre Chance!

Ravemon schien zumindest erahnen zu können, wo sie waren und griff sie mit einer weiteren Salve der messerscharfen Federn an, doch die Attacke war nicht gut gezielt, so dass Kasikewemon ihr ohne Schwierigkeiten auswich. Es ließ sich noch weiter hinabfallen und flog unter Ravemon her, so bis es spürte, dass das Cyborgdigimon ihm den Rücken zugewandt hatte.

Jetzt!“, rief Takumi.

Kasikewemon wirbelte sein Schwert durch die Luft, wobei sich dessen Form veränderte. Es streckte sich und wurde zuerst länger, ehe es sich in einen Speer verwandelt hatte.

Diesen Speer stieß Kasikewemon nun in die Höhe. „Ipa Etopi!“, rief es und ein Donnern durchschnitt die Luft, als ein Blitz aus der Höhe auf Ravemon hinab schlug und es in den Rücken traf.

Für einen Moment schien es paralysiert und Takumi wusste intuitiv, dass sie es geschwächt hatten. Dennoch hielt es Ravemon nicht davon ab, sich nun selbst in die Tiefe zu stürzen, um seinen Gegner erneut anzugreifen.

Doch sie wussten, dass dieser Angriff kam und entgingen ihm im Schutz des Nebels.

Erneut hob Kasikewemon seinen Speer und erneut zuckte ein Blitz auf Ravemon hinab und traf es genau zwischen die Flügel.

Dieses Mal dauerte die Paralyse länger an und gab dem Kriegerdigimon Zeit, hinter Ravemon zu schweben. Es holte mit seiner linken Faust aus und Wind in der Form eines kleines Tornados sammelte sich vor seinen geballten Klauen. „Atto tek!“ Damit schlug Kasikewemon zu, auf die Stelle zielend, an der Ravemon bereits von dem Blitz getroffen worden war.

Die Attacke riss ein Loch in die Brust Ravemons und für einen Moment verharrte es so, flackernd in der Luft, ehe es in Datenpartikel zerfiel.

Im Innern Kasikewemons atmete Takumi auf. Dann flog das Kriegerdigimon wieder empor, um dem Nebel der Wolken zu entkommen und landete kaum mehr als einen Augenblick später bei den anderen auf dem Berg.

Dort leuchtete sein Körper für einen Moment auf, ehe Takumi noch etwas atemlos zusammen mit Kotemon zu Boden fiel.

Ai und Rin sahen ihn für eine ganze Weile sprachlos an.

„Habt ihr...“, setzte Rin schließlich an. „Habt ihr es besiegt?“

Takumi nickte. „Ja...“ Er sah auf seine Hände, die sich aktuell auf den moosüberwachsenden Fels stützten. „Ja, wir haben es besiegt.“

„Das war unglaublich“, sagte nun eine Stimme, die eindeutig nicht zu einem der beiden Mädchen oder Impmon gehörte.

Also Takumi aufsah, erkannte er Nakamura, den er während des Kampfes beinahe vergessen hatte. Dieser sah durchaus mitgenommen aus – wahrscheinlich, da er zuvor gegen den Fels geprallt war – doch Takumi konnte in seinen Augen Respekt erkennen.

„Ich habe davon gehört, dass Mensch und Tamer verschmelzen können, aber ich habe es nie selbst gesehen“, sagte er und bot Takumi nun eine Hand an, um ihn aufzuhelfen.

„Danke“, stammelte Takumi nun und nahm die Hand. Dann sah er sich um. „Was ist mit Sanzomon?“

„Es geht ihm gut“, erwiderte Nakamura ihm.

Noch immer begriff Takumi kaum, was gerade geschehen war.

Er hatte es tatsächlich geschafft. Er und Kotemon waren zusammen digitiert, hatten ein neues Level erreicht. Er selbst war für diesen Kampf Teil eines Digimon gewesen.

„Shinji.“ Sanzomon schwebte auf einmal wieder neben ihnen, auch wenn es deutlich angeschlagen aussah.

Nakamura sah es an, sagte aber nichts.

„Wir haben Besuch“, erklärte Sanzomon nur.

„Noch eins dieser Monster?“, flüsterte Rin erschrocken, doch Sanzomon sah sie an und schüttelte den Kopf.

„Nein, keine weiteren Feinde“, sagte es und seine Stimme klang zu Takumis Überraschung sanfter als zuvor. „Wir sollten zum Tempel zurück.“

Nakamura nickte, doch Takumi und Rin sahen nur Ai an. Sie erinnerten sich noch zu gut, dass sie eigentlich den Tempel verlassen hatten, um weiter nach Makoto zu suchen. Doch Ai hatte nun Impmon vom Boden aufgehoben und trug es vor sich, während ihr Blick gesenkt war.

Sie schien jedoch zu merken, dass die beiden sie ansahen. „Lasst uns gehen“, sagte sie und ihre Stimme klang bei diesen Worten lakonisch.
 

„Ich verstehe noch immer nicht, was wir hier tun“, murmelte Kaito, während sie Gokuwmon eine Treppe hinab folgten, die sich eng um den Fels einem der Berge entlang wandt.

Kuraimon hatte es einfach, dachte sich Makoto, der vorsichtig war, nicht das Gleichgewicht zu verlieren, da die Treppe kein Geländer hatte. Das Digimon flog einfach neben ihnen her und ließ sich von einer leichten Briese tragen.

„Wir sind hier um den Hüter dieser Ebene zu treffen“, sagte Gokuwmon in seinem üblichen, sehr ruhigen Tonfall.

Makoto wusste noch immer nicht, was er von der ganzen Sache halten sollte. Er war sich ohnehin nicht mehr sicher, warum er überhaupt hierher gekommen war. Er hatte einen Digimonpartner gewollt – einen eigenen Digimonpartner. Einen Partner, den er nicht mit seiner Schwester teilen musste und den er damit auch nicht an seine Schwester verlieren würde. Doch mittlerweile... Vielleicht lag es daran, dass sie bisher kein Digimon, bis auf Gokuwmon getroffen haben. Vielleicht lag es auch an der Zeit, die er nun von seiner Schwester getrennt verbracht hatte. Doch tatsächlich spürte er die Wut, die ihn ursprünglich dazu getrieben hatte, in die digitale Welt zu gehen, nicht mehr.

Er war sich sicher, dass Ai sich Sorgen machte. Und die anderen? Da waren auch Takumi und Kotemon. Auch wenn er mit ihnen wenig zu tun hatte, so glaubte er doch, dass auch die beiden sich um ihn Sorgen würden.

Doch auf der anderen Seite...

Er fühlte sich so nutzlos. All die Zeit hatte er nichts getan – hatte er nichts tun können. Ai hatte die Entscheidung getroffen, an dem Turnier teilzunehmen, ohne ihn zu fragen. Doch er wusste auch, dass er sie versucht hätte davon abzuhalten, wenn sie ihn gefragt hätte. Und dann? Was wäre dann passiert? Hätten sie dann jenen selbsternannten Meister der Spiele aufhalten können? Hätten sie dann noch helfen können Takumi und Rin zu retten? Hätten sie überhaupt etwas ausrichten können?

Er versuchte mit den Augen in der Ferne noch einmal jenes Leuchten zu sehen. Die Lichtsäule, die zuvor erschienen war. Denn er meinte, dieses Licht erkannt zu haben: Das Licht der Digitation, wie es auch erschienen war, als Ai und Impmon verschmolzen waren. Wie es jedes Mal erschien, wenn einer der anderen Tamer mit seinem Partner verschmolz.

Makoto trat fehl und hätte beinahe das Gleichgewicht verloren und wäre in die Tiefe gefallen, doch als hätte es dies vorhergesehen, griff Gokuwmon nach seinem Arm.

„Sei vorsichtig“, sagte es ruhig.

Kaito sah an Makoto vorbei in die Tiefe. „Was ist da unten?“, fragte er durchaus interessiert. „Würden wir sterben, wenn wir hinabfallen?“

„Nein“, antwortete Gokuwmon. „Sofern du nicht glaubst, dass du stirbst. Doch da unten sind Durchgänge zu anderen Ebenen und dies ist keine Zeit, um allein durch diese Welt zu irren.“

„Warst du nicht vorher auch allein unterwegs?“, meinte Kaito nun mit verschränkten Armen.

„Ich bin ein Digimon“, erwiderte ihr Anführer.

Endlich erreichten sie den Fuß der langen Treppe, die in einer weiteren, roten Holzbrücke endete, die sich über einen Abgrund spannte. Diese Brücke führte zu einem sehr flachen, breiten Berg, dessen Spitze ein Plateau bildete, auf welchem wiederum eine Art Tempel zu stehen schien.

„Das ist unser Ziel“, sagte Gokuwmon und deutete auf den Tempel, ehe es leichtfüßig ihnen voran über die Brücke schritt.

Makoto und Kaito tauschten Blicke. Sie beide fragten sich, warum Gokuwmon sie hierher gebracht hatte und wie ihnen dies helfen sollte, doch nachdem sie dem Digimon nun schon so lange gefolgt waren, war dies wohl nicht der Moment, um sich doch noch anders zu entscheiden.

Also folgten sie Gokuwmon, während Kuraimon weiter neben ihnen herflog.

Eigentlich rechnete Makoto damit, dass sie in den Tempel hineingehen würden, doch Gokuwmon verharrte draußen, setzte sich wieder in den Lotussitz und verharrte so.

„Und was machen wir jetzt?“, fragte Kuraimon, das Gokuwmon beobachtete.

„Wir warten darauf, dass Sanzomon hierher kommt“, erwiderte Gokuwmon, das nun auch seine Augen geschlossen hatte.

„Sanzomon?“ Kaito sah es verwirrt an. Immerhin war es das erste Mal, dass sie etwas von einem Sanzomon hörten.

Erst dachte Makoto, dass Gokuwmon ihnen nicht antworten würde, da es wieder zu meditieren schien, doch schließlich erwiderte es: „Der Wächter dieser Ebene. Sanzomon ist ein sehr weises Digimon, das viel darüber weiß, was in dieser Welt vor sich geht.“

„Und es wird auch wissen, wo mein Bruder ist?“, fragte Kaito.

„Vielleicht“, antwortete Gokuwmon – erneut nachdem es eine Weile geschwiegen hatte. „Es weiß viel.“

Seufzend sah Kaito zu Kuraimon und ließ sich schließlich auf die Veranda des Tempels fallen, wo er sitzen blieb.

Auch Makoto zögerte und blieb so schließlich an die Wand des Tempels gelehnt stehen, während sein Blick zum Abbild der realen Welt im Himmel wanderte.

So saßen und standen sie dort und warteten – wenngleich nicht für besonders lang. Denn es dauerte nur wenige Minuten, bis sie Schritte auf einer der Brücken, die zu diesem Tempel führten, hörten und im nächsten Moment einen überraschten Ausruf: „Makoto? Makoto bist du das?“

Und als Makoto seine Schwester dort stehen sah, verstand er im ersten Moment nicht, was vor sich ging.
 

25. Juli – Tokyo, Japan
 

Selbst im Körper Dukemons spürte Takato die Müdigkeit noch. Es war mitten in der Nacht und eigentlich hatte er einmal ausschlafen wollen – nun, oder hatte es zumindest versuchen wollen, da ihn noch immer Albträume oft um den Schlaf brachten.

Doch was sollte er tun? Er hatte keine andere Wahl als sich um die Anomalie, die in Edogawa aufgetaucht war, zu kümmern. Sonst würden noch mehr Menschen sterben, noch mehr Menschen verletzt und noch mehr... Nein, er musste eingreifen.

Yamaki hatte ihn angerufen und ihm von diesem Angriff erzählt, also hatten sich Takato und Guilmon auf den Weg gemacht.

Glaubst du, dass Justimon da sein wird?“, hörte er die Stimme Guilmons, die ebenfalls müde klang.

Ich weiß nicht“, gab er leise zu, während sie über die Häuser hinweg flogen.

Er musste zugeben, dass er es nicht hoffte. Er wollte nicht schon wieder mit Ryou aneinander geraten. Ryou, der keine Rücksicht nahm. Ryou, dem alles egal zu sein schien.

Doch im Moment hatte Takato einfach keine Zeit, sich auch noch um Ryous Probleme zu kümmern. Wenn die Erdbeben weiter zunahmen und mehr Anomalien auftauchten, würde diese Welt vielleicht zerstört werden und mit ihr auch die digitale Welt.

Endlich konnte er den weißen Schimmer in der Ferne sehen, wie er von diesen Anomalien ausgestrahlt wurde.

Noch immer wollte Takato nicht gegen diese Anomalien kämpfen, doch er wusste nicht, was er sonst tun konnte. Denn in den vergangenen Tagen waren die Anomalien immer aggressiver geworden, so dass ihnen kaum eine andere Wahl bliebt. Außerdem wollte Yamaki nichts davon hören, dass mit diesen Wesen verhandelt werden sollte – denn für ihn, so viel hatte Takato verstanden, waren es keine Wesen, sondern nur Gefährdungen für das Land, das sie zu schützen gesuchten.

Und dann war da noch Ryou.

Auch jetzt sah Takato, wie Justimon sich einmal wieder auf das seltsame Wesen stürzte. „Accel Arm!“ Die Straße riss an einigen Stellen auf, ohne dass es der Anomalie Schaden zuzufügen schien.

Doch das war nicht das einzige, das Dukemon erkannte, als sie näher kamen. Da war noch ein weiteres Digimon, das Takato an einen Elch oder etwas ähnliches erinnerte und sich vor einem Mädchen mit europäischem Aussehen aufgebaut hatte – offenbar um sie zu schützen.

Da die Anomalie Justimon nicht zu fassen bekam, schlug sie immer wieder nach den beiden aus und das Digimon, das wahrscheinlich nur auf dem Adult-Level war, konnte immer nur knapp ausweichen. Sein Körper flackerte bereits an einigen Stellen, was darauf hinwies, das seine Daten offenbar Schaden genommen hatten.

Als die Anomalie erneut angriff, flog Dukemon auf die beiden zu und fing den Schlag ab, indem es sein Schild beschwor. Auch dieses begann zu Flackern, hielt dem Schlag aber statt.

„Was macht ihr hier?“, rief es Digimon und Mädchen zu, nicht wissend, ob diese überhaupt verstanden. „Das ist zu gefährlich! Haut ab!“

Das Mädchen wich etwas weiter zurück, während das Digimon mit entschlossen seine Stellung hielt.

Verflucht...“, murmelte Takato im Inneren Dukemons.

Es war auch nicht das erste Mal, dass sich Tamer in diese Sache einmischten, doch es erschien Takato wie ein Wunder, dass noch keines der Digimon bisher vernichtet worden war.

„Haut ab!“, wiederholte Dukemon laut, da es merkte, wie das Schild langsam immer mehr beschädigt wurde.

Ein weiterer Schlag traf es und dieses Mal zersprang es, woraufhin eine Hand des Wesens nach Dukemon griff.

Dies war der Moment, als Justimon erneut die Anomalie angriff. „Ignorier mich nicht!“, rief unverkennbar die Stimme Ryous, während sich der Cyberarm Justimons zu einem Schwert formte, mit dem es versuchte, dem Wesen der Anomalie zu schaden. Doch wie immer war dies erfolglos.

Während die linke Hand des Wesens nun Dukemon umfasste, schlug die andere Hand nach Justimon aus und schleuderte es so gegen eine Hauswand, an der es – sein Körper nun auch flackernd – hinabrutschte.

„Hirvi Kortaus“, erklang es da von dem Elchsdigimon, das in die Höhe gesprungen war und nun sein Geweih gegen die Hand des Wesens rammte.

Im nächsten Moment leuchtete die Gestalt des Digimon auf und es viel als ein kleineres Wesen – ein Childdigimon in der Gestalt eines Rehkitz, wie es Takato schien – zu Boden.

„Shikamon!“, rief das Mädchen aus und lief zu ihm.

Das Anomaliewesen heulte überrascht auf, auch wenn Takato vermutete, dass die Attacke ihm keinen Schaden zugefügt hatte.

Doch zumindest konnte Dukemon die Überraschung des Wesens nutzen, um sich aus dem Griff zu befreien. Es streckte die Hand aus, so dass sein Schwert zu ihm geflogen kam, nachdem es ihm zuvor aus der Hand gefallen war.

„Final Elysium!“, rief es und ein Lichtstrahl schoss aus dem weißen Schwert und traf das Wesen direkt in der Brust, wo er ein Loch hinterließ, ehe die Anomalie in sich zusammenfiel. Etwas, das nur dank dem Programm möglich war, dass durch die rote Karte auf Dukemon überschrieben worden war.

Und noch immer wünschte sich Takato, dass es nicht so wäre.

„Warum...“, hörte Dukemon eine Stimme.

Sie wandten sich um und sahen Justimon, das offenbar außer Atem zu sein schien und noch immer an einigen Stellen flackerte, vom Boden aufstehen. Natürlich waren Justimons Augen von dem Helm verdeckt, doch Takato wusste, dass sie – wenn sie sie hätten sehen können – voller Wut gewesen wären.

„Warum müsst ihr euch immer einmischen?“, fragte Justimon – oder viel eher Ryou.

Wieder spürte Takato seine eigene Wut. „Hör endlich auf mit diesem Unsinn!“, rief er durch Dukemon aus. „Merkst du nicht, dass du andere Leute gefährdest?“

„Ich versuche zu helfen!“, erwiderte Ryou.

„Du versuchst nur, dich selbst zu profilieren! Mittlerweile sind dir alle anderen doch vollkommen egal!“

„Ach ja? Schön, dass der edele Ritter dies alles zu wissen scheint!“ Verachtung klang in Ryous Stimme mit.

Gereizt wollte Takato etwas darauf erwidern, doch es war Guilmons Stimme, die ihn davon abhielt:

Warum streitet ihr? Wir sollten alle nicht streiten. Wir sind doch Freunde, oder?“

Er seufzte und merkte daraufhin auch, wie sich Dukemons Körpersprache entspannte. „Hör zu, Ryou. Du solltest wirklich aufhören, dich die ganze Zeit von einen Kampf in den nächsten zu stürzen. Komm zurück zu Hypnos, entschuldige dich bei Yamaki und...“ Er wusste nicht so wirklich, was er sagen sollte. „Wir können deine Hilfe gebrauchen. Aber das was du jetzt machst, hilft niemanden, sondern bringt nur noch mehr Leute in Gefahr. Also bitte, Ryou, sei vernünftig.“

Justimon sah nur zu ihnen hinüber. „Aber ich brauche eure Hilfe nicht!“, sagte Ryou schließlich, ehe Justimon sich abwandte und auf eins der nächsten Häuser hinaufsprang.

Takato seufzte, ehe Dukemon sich dem Mädchen zuwandte, das zu seinem Digimon gelaufen war und es nun auf den Arm genommen hatte.

Noch einmal wandte Dukemon sich zu dem Haus um, auf dem Justimon verschwunden war, doch Takato hatte keine Lust, sich weiter mit ihm zu streiten. Er war zu müde, um Ryou noch zu folgen, und er ahnte, dass es ohnehin keinen Sinn hatte.

Stattdessen kniete sich sich Dukemon nun vor das Mädchen.

„Ist bei euch alles in Ordnung?“, fragte Dukemon sehr langsam, da sich Takato noch immer nicht sicher war, ob das Mädchen sie verstehen konnte.

Zögerlich nickte das Mädchen. „Ja“, flüsterte es. „Danke.“

Etwas in ihren Augen ließ Takato an die Zeit denken, als Guilmon das erste Mal in der realen Welt erschienen war und er versucht hatte, sich als Tamer zu beweisen, wobei er und Guilmon in allerhand Probleme geraten waren.

Dieses Mädchen schien nicht viel älter zu sein, als er es damals gewesen war.

„Ihr habt uns geholfen“, erwiderte Dukemon. „Danke.“

Zögerlich nickte das Mädchen.

Normal hätte Takato die Verbindung zwischen sich und Guilmon nun aufgelöst, da er wusste, dass ein Ultimate Digimon selbst in humanoider Gestalt einschüchternd wirken konnte. Doch er war müde und wusste, dass es Guilmon nicht besser erging, weshalb er fürchtete, dass sie nicht wieder verschmelzen könnten, wenn sie die Verbindung nun lösten. Und er hatte nicht einmal ein Portemonei dabei, mit dem er für U-Bahntickets hätte zahlen können.

„Wie ist dein Name?“, fragte Dukemon so möglichst freundlich.

„A-Aamu“, stotterte das Mädchen. „Und das ist Shikamon.“ Mühsam stand sie auf, während sie noch immer auf ihren leicht flackernden Partner sah. „Es wird ihm gut gehen, oder?“, fragte sie mit leichtem Dialekt, den Takato nicht einordnen konnte.

„Sicher“, antwortete Dukemon. „Es muss sich nur ausruhen.“

Das Mädchen – Aamu – nickte nur stumm.

„Was macht ihr beide überhaupt noch hier draußen? Ich glaube, ihr solltet eigentlich im Bett sein, oder?“, meinte Dukemon dann.

Nun zögerte Aamu. „Wir wohnen hier“, sagte sie dann zurückhaltend. „Wir haben das Monster gesehen und wollten helfen.“

Dukemon nickte – so gut es ihm seine Rüstung erlaubte. „Dann geht jetzt aber zurück, ja?“

Unsicher nickte auch das Mädchen. „Ja. D-Danke, Dukemon“, flüsterte es und wandte sich zögerlich ab. „Gute Nacht“, meinte es dann noch, ehe es davon lief.

Dukemon sah Aamu nach, bis sie in einer Seitenstraße verschwunden war. Dann breitete es seine Flügel aus und erhob sich in die Luft.

Was meinst du, wo Ryou jetzt ist?“, fragte Guilmon.

Takato seufzte und sah auf die Häuserdächer, die unter ihnen hinwegsausten, während sie wieder in Richtung Shinjuku flogen. „Ich weiß es nicht... Wahrscheinlich nicht zuhause.

Guilmon mag es nicht, wenn wir uns mit ihm streiten...

Noch einmal konnte sich Takato das Seufzen nicht verkneifen. „Ich weiß“, flüsterte er. „Ich möchte ja nicht streiten, aber...

Episode 45: Das Ende der Welt?

Episode 45: Das Ende der Welt?
 

Die Krisensituation, die sich in den vergangenen Tagen in Tokyo entwickelt hat, breitet sich immer mehr aus. Gestern kam es auch in anderen Teilen Japans zu Sichtungen der digitalen Wesen, die in Tokyo bereits für Schäden in Milliardenhöhe sorgten, während heute Morgen derartige Sichtungen aus Korea und China gemeldet wurden. Noch immer ist nicht geklärt, was es mit diesen Wesen auf sich hat. Es scheint einzig klar, dass sie aus der digitalen Welt kommen. Zuständige Behörden haben bisher keine genauen Angaben gemacht.

                                                                       – Bericht im Newsfeed von CNN vom 26. Juli
 

Shinjuku, Tokyo – 26. Juli 2011
 

Die Sonne schien heiß von einem strahlend blauen Himmel, vor dem sich die Struktur der digitalen Welt klar abzeichnete. Das Wetter schien sich nicht dran zu stören, dass die Welt kurz vor ihrem Ende zu stehen schien und auch nicht darum, dass aufgrund der Erdbeben viele Klimaanlagen ausgefallen waren.

Shoji war sich nicht sicher, was er überhaupt in der Stadt machte, wo er seine Zeit vielleicht doch besser damit verbracht hätte, für die nächsten Trimesterprüfungen zu lernen, da er im letzten Schuljahr gute Noten brauchte, um es einfacher zu haben, überhaupt für die Aufnahmeprüfungen der Universität zugelasen zu werden, doch wenn er so darüber nachdachte: Wenn die Welt in einer Woche unterging, war es auch egal, ob er theoretisch hätte die Todai oder eine andere respektierte Universität hätte besuchen können. Davon abgesehen konnte er sich einfach nicht konzentriern.

„Shoji“, hörte er ein leises Knurren von Gazimon, das ganz angespannt zu sein schien, während Shoji am Rand des Shinjuku Central Parks saß und mit seinem Handy die neusten Internetberichte über die sich immer weiter ausbreitenden Erdbeben durchlas.

Kurz darauf bemerkte auch er, dass die Erde anfing zu beben, was Verwirrung und Panik bei einigen anderen Parkbesuchern auslöste. Nicht, dass der Park allzu voll war. Die Ereignisse der letzten Tage und Wochen hatten dafür gesorgt, dass viele Menschen in ihren Wohnungen blieben oder sogar die Stadt verlassen hatten.

Doch nach allem, was sie nun wussten, konnte man nirgendwohin fliehen. Die ersten der seltsamen Anomalen Wesen waren nicht nur außerhalb Tokyos, sondern offenbar in Korea und China aufgetaucht und es tauchten immer mehr von ihnen in immer kürzeren Abständen auf – wenngleich sie nirgendwo so häufig erschienen, wie in Tokyo.

Erstaunlicher Weise war bisher niemand direkt durch eins dieser Wesen umgekommen. Viel mehr war es so, dass ihre Einflüsse auf die Umwelt zu Todesfällen geführt hatten. Durch Stromausfälle, von denen es mehrere gegeben hatte, waren mehrere Menschen in Krankenhäusern gestorben, da nicht überall die Notstromversorgung beim wiederholten Mal schnell genug eingesetzt hatte. Auch hatte es technische Störungen gegeben, die zu Verkerhsunfällen geführt hatten und vergleichbares.

„Glaubst du, dass wir irgendetwas tun können, Gazimon?“, fragte er leise.

Gazimon, das zu seinen Füßen halb unter der Parkbank saß, sah ihn aus den Augenwinkeln an. Es schien verunsichert und erwiderte nicht sofort etwas. Dann sah es zum Himmel auf. „Ich weiß es nicht, Shoji“, sagte es. „Bisher haben wir alle Gegner besiegen können und auch Takato und die anderen haben es geschafft, aber…“ Es ließ seine Ohren hängen. „Ich weiß nicht, was das richtig wäre.“

Shoji verstand was es meinte. Denn auch er war sich noch immer nicht sicher, ob es das richtige war gegen die Anomalie zu kämpfen, oder ob sie nicht viel eher sich bemühen sollten, diese irgendwie davon zu überzeugen, nicht länger anzugreifen.

„Vielleicht finden Lee-san und seine Kollegen in den USA eine Lösung“, murmelte er schließlich, auch wenn er nicht wirklich daran glaubte.

„Ja. Sie haben auch eine Lösung gefunden, D-Reaper zu besiegen, oder?“, meinte Gazimon, obwohl es diese Geschichte, wie auch Shoji, nur aus Erzählungen kannte.

„Ja…“ Shoji seufzte.

Er steckte sein Handy weg und sah sich um. Das Beben hatte mittlerweile wieder aufgehört, doch der Park hatte sich schnell geleert. Doch während er den Weg, an dem er saß, hinabsah, erkannte er einen roten Haarschopf, der ihm sehr bekannt vorkam.

„Makino-san“, murmelte er. Kurz überlegte er, ob er sie ansprechen sollte, entschied sich dann aber dafür. „Makino-san! Ruki-san!“, rief er zu ihr hinüber, woraufhin sie sich umblickte.

Auch Renamon, das ihr immer versteckt folgte, erschien neben ihr und sah zu ihnen hinüber.

Kurz hob Ruki die Hand zum Gruß und ging dann zu ihnen hinüber.

„Hey“, sagte sie, als sie nur noch einen knappen Meter von der Bank entfernt war.

„Hey“, erwiderte Shoji. Er rückte ein wenig zur Seite, damit sie sich neben ihn setzen konnte, auch wenn so noch immer das am Boden sitzende Gazimon zwischen ihnen war.

„Was macht ihr hier?“, fragte Ruki.

Shoji zuckte nur mit den Schultern. „Ich weiß es selbst nicht. Und ihr?“

„Wir wollten zu Hypnos“, erwiderte sie mit matter Stimme. „Ich wollte fragen, ob es irgendetwas gibt, was wir tun können.“

Daraufhin nickte Shoji. „Ja… Vielleicht können wir etwas tun.“ Die Wahrheit war, dass er daran nicht glaubte, aber es würde ihm zumindest das Gefühl geben etwas zu tun. „Kann ich dich begleiten?“

Ruki antwortete nicht direkt, nickte aber knapp. „Natürlich.“ Sie stand jedoch nicht auf und als Shoji sie ansah, wusste er, dass etwas nicht stimmte.

„Was ist los?“, fragte er.

Sie schüttelte mit dem Kopf, doch ihre im Schoß gefalteten Hände spannten sich an. „Ich hasse es“, sagte sie schließlich, schwieg dann aber erneut.

Shoji wusste nicht, wie er darauf reagieren sollte, denn er war sich nicht sicher, was sie meinte. Hasste sie es, so untätig zu sein? Nichts tun zu können? Oder… Ihm kam ein Gedanke. Konnte es sein, dass sie von Ryou sprach? Doch er wusste nicht, was er sagen sollte, denn er wollte sich nicht in ihre privaten Angelegenheiten einmischen. Eigentlich ging es ihn nichts an, aber… Vielleicht war es doch besser, wenn sie darüber redete? Woher sollte er das wissen? Er hatte mit solchen Dingen keine Erfahrung.

„Ich wünschte, wir könnten mehr tun“, meinte er schließlich. „Ich wünschte, wir könnten Leute beschützen, aber diese seltsamen Wesen…“

„Wir sollten nicht gegen sie kämpfen“, erwiderte Ruki leise. „Takato sollte nicht gegen sie kämpfen und… Dieser Idiot schon gar nicht.“

„Akiyama-san?“, fragte Shoji.

Ruki biss sich in die Unterlippe und sah ihn dann an. „Er ist ein unüberlegter Idiot. Ohne ihn hätten wir dieses Schlamassel vielleicht gar nicht.“

Wieder wusste Shoji nicht, was er erwidern sollte. Sollte er ihr zustimmen? Denn eigentlich stimmte er ihr zu. Doch er wollte Ryou auch nicht schlecht reden. „Das wissen wir nicht“, meinte er vorsichtig, doch Ruki sah ihn scharf an.

„Glaubst du das wirklich? Du hast gesehen, was an der Station passiert ist!“, fuhr sie ihn an.

„Ruki“, kam es von Renamon, das halb hinter ihr stand.

„Entschuldige, bitte“, seufzte sie und stand schließlich auf. „Komm, lass uns gehen.“

Etwas verwirrt sah Shoji sie an, stand dann aber selbst auf und sah kurz zu Gazimon, um sicher zu gehen, dass es ihm folgte.

„Wisst ihr, was mit den Anomalien ist, die außerhalb Tokyos erschienen ist?“, fragte Gazimon nun, während es neben ihnen hertrottete.

„Soweit ich weiß, hat sich Takato um die in Japan gekümmert, doch ich weiß nicht, was mit den anderen Anomalien passiert ist“, erwiderte Ruki.

„Takato-san kann sich aber nicht um alle kümmern“, meinte Shoji zweifelnd.

„Ich weiß“, erwiderte Ruki leise.

Dann schwiegen sie, da keiner von ihnen zu wissen schien, was sie sonst noch sagen sollten. So liefen sie schweigend nebeneinander her, bis sie schließlich zum Eingang des Metropolitan Government Buildings kamen.

„Weißt du, wer heute da ist?“, fragte Shoji, während sie auf einen Aufzug warteten, der sie zur Hypnoszentrale bringen konnte.

Ruki schüttelte den Kopf. „Ich glaube kaum, dass Takato da ist und Ryou sowieso nicht.“

„Yamaki-san wird wahrscheinlich da sein“, warf Renamon ein.

„Ja“, murmelte Shoji. „Und seine Frau?“

„Nein, Reika passt heute auf Namiko auf“, erwiderte Ruki, woraufhin Shoji nur nicken konnte. Es überraschte ihn nicht, dass Ruki davon wusste, wo sie doch meistens auf Namiko aufpasste.

Mit einem „Pling“ verkündete der Aufzug, dass er angekommen war und auch während der Fahrt mit dem Aufzug herrschte jene unangenehme Stille, die für Aufzugsfahrten so typisch ist, wenn niemand so recht weiß, was er sagen soll.

Wenigstens funktionieren die Aufzüge noch, dachte Shoji. Denn es wäre nicht so untypisch, dass Aufzüge durch die Erdbeben ausfielen oder ausgesetzt wurden, um Unfälle zu vermeiden.
 

Zur selben Zeit war Reika, wie Ruki es gesagt hatte, daheim. Auch sie machte sich Sorgen wegen der Situation und es war ihr in den letzten Tagen zur Gewohnheit geworden, dass der Fernseher meistens lief, wenn sie nicht bei Hypnos war. Und die Nachrichtensender der Welt berichteten laufend von neuen Ereignissen, weiteren Erdbeben und den Wesen dieser Anomalie, die nun auch außerhalb Japans aufgetaucht waren. Sie seufzte.

Sie konnte kaum mehr tun, als sich zu Sorgen, sich um alle zu Sorgen. Sie machte sich Sorgen um ihre Tochter, fürchtete, dass dieser etwas geschehen konnte. Sie machte sich Sorgen um ihren Mann, da sie merkte, dass Mitsuo langsam unter dem Stress zusammenzubrechen drohte. Sie machte sich Sorgen um die Tamer, die auch in die ganzen Kämpfe mit hineingezogen wurden, während sie wusste, dass auch sie unter den vergangenen Ereignissen litten.

Doch was sollte sie tun? Was konnte sie tun? Von allem was sie wusste, würde diese Welt irgendwann verschwinden. Sie hatte mittlerweile zu genüge gesehen, wie diese Anomalien auch diese Welt beeinflussten und nun wo immer und immer mehr dieser Wesen auftauchten, konnten sie irgendwann nichts mehr dagegen tun. Und dann? Was würde dann passieren?

Natürlich – einen Weg gab es noch: Der Code, den sie Takato gegeben hatten, die rote Karte. Es wäre möglich, diesen Code auch anderen Tamern zu übertragen, doch sie hatten gesehen, was dieser Code auslösten konnte. Die Erdbeben hatten begonnen, als Takato ihn das erste Mal benutzte und vielleicht war es wegen diesem Code überhaupt soweit gekommen. Von allem was sie wussten, konnte es sein, dass dieser Code es der Anomalie erst möglich machte, zu erscheinen. Doch hatten sie eine Wahl? Wenn es so war, war es eine Teufelsspirale. Es gab kein Entkommen und sie konnten nichts tun.

Sie sah auf den Fernseher. Offenbar war eine weitere Anomalie in China erschienen. In der Nähe von Peking. Und offenbar hatten ein paar Tamer den Kampf gegen sie aufgenommen. Doch Reika wusste, dass die Tamer, an deren Seite Perfect-Digimon kämpften, kaum eine Chance hatten. Sie seufzte. Ob sie wohl sterben würden? Es waren auch nur Kinder, Jugendliche, die nicht eine solche Verantwortung tragen sollten.

Nun fiel ihr Blick auf die Uhr. Es war bereits nach Vier. Namiko hätte schon vor einer halben Stunde nach Hause kommen müssen.

Die ganze Zeit schon hatte dieser Gedanke an ihr genagt, doch sie hatte ihn zuerst verdrängt, da sie wusste, dass ihre Tochter in letzter Zeit gerne beim Weg nach Hause klüngelte, da es aktuell die einzige Zeit war, die sie außerhalb von Schule und Wohnung verbringen konnte. Langsam aber, begann sie sich ernsthafte Sorgen zu machen.

Sie nahm das Haustelefon, dass sie mittlerweile immer in Reichweite hatte und wählte die Nummer von Namikos Handy.

Nichts. Die Leitung war tot.

Reika fluchte und nahm nun ihr Handy heraus. Es war nicht das erste Mal, seit das ganze Chaos begonnen hatte, dass Telefonnetze ausgefallen waren. Immerhin störte die Anomalie die Netzsignale und beschädigte teilweise die physischen Leitungen. Dazu kam, dass die Überlastungen, die mit jedem Auftauchen der Anomalie kamen, das vorhandene Netz noch weiter überstrapaziert wurde.

Doch auch das normale Handynetz schien gerade nicht zu funktionieren, zumindest bekam sie nur eine Nicht-Erreichbarkeitsmeldung und sie hatte Namiko eingeschärft, dass sie ihr Handy zu jeder Zeit anhaben sollte.

Eine Möglichkeit hatte sie jedoch. Denn besser als das normale Netz, war das mobile Internet ausgebaut, so dass sie, wie viele andere auch, auf Skype ausgewichen waren, wenn das normale Netz nicht funktionierte.

Also versuchte sie es so, doch wieder: Ohne Erfolg.

Reika war keine Frau, die leicht in Panik verfiel, doch machte sie sich nun langsam aber sicher Sorgen. Sie beschwichtigte sich, denn von allem was sie wusste, konnte Namiko auch einfach zu Ruki gegangen sein. Sie hatte so oft in den letzten zwei Wochen gejammert, dass sie Ruki kaum gesehen hatte, da Reika sich im Moment lieber selbst um ihre Tochter kümmerte – und sei es nur, damit Ruki im Notfall die anderen Tamer unterstützen konnte.

Also versuchte sie Ruki zu erreichen – erneut über Skype.
 

Gerade als sie die Hypnoszentrale betraten, hörte Shoji ein Geräusch, dass ihm unbekannt vorkam. Es war das Klingeln eines alten Telefons. Erst als Ruki ihr Handy hervorholte, erkannte er, dass es ein Klingelton gewesen sein musste.

Fragend sah er sie an, als sie einen Schritt in Richtung eines der Fenster machte.

„Ja, Makino hier“, sagte sie, wie aus Gewohnheit.

Shoji konnte nur dumpf die Stimme von dem anderen Ende der Leitung hören, nicht gut genug um Worte verstehen zu können. „Reika-san“, sagte Ruki nun überrascht. „Namiko?“ Kurze Stille Rukis. „Nein“, sagte sie dann und ihre Stimme klang auf einmal angespannt und besorgt. „Nein, sie ist nicht bei mir.“ Wieder kurze Stille, dann: „Ich bin bei Hypnos. Nein, sie ist nicht hier.“ Wieder ein kurzes Schweigen. „Ich suche ihn“, sagte sie dann und sah zu Shoji.

„Hol Yamaki-san her“, flüsterte sie zu ihm hinüber.

Shoji sah sich um. Er konnte Yamaki nirgendwo sehen, doch konnte es sein, dass er in einem Büro oder im Konferenzraum war. Und auch, wenn sich Shoji nicht sicher war, ob er ihn wirklich stören sollte, ging er – gefolgt von Gazimon los. Denn Rukis Stimme klang besorgt.

Tatsächlich hörte er Yamaki, bevor er ihn sah, denn aus einem Raum, dessen Tür geschlossen war, war seine Stimme deutlich zu vernehmen.

„No, I cannot talk about this“, sagte er ganz offenbar aufgebracht. „No, I am not allowed to share that information. You need to contact Mr. Aogawa. No. I have no authority over this.“

Shoji verharrte vor der Tür und sah sich um. Ganz offenbar schien Yamaki ein wichtiges Telefonat zu haben und er wusste, dass er nicht stören sollte. Denn was es auch immer war, was Namiko anging, eigentlich konnte es nicht wichtig sein, als ein offenbar internationales Telefonat. Doch Namiko war seine Tochter. Vielleicht sah er es ganz anders.

„Mach schon“, sagte Gazimon angespannt.

Also seufzte Shoji und klopfte. Dabei überraschte es ihn nicht, dass niemand „Herein“ rief, doch nach kurzem Zögern und einem leichten Stoß seines Partners, öffnete er einfach die Tür.

„Was machst du hier?“, fauchte Yamaki ihn an und ließ den Telefonhörer kurz sinken. Dann hob er ihn wieder. „Once again, you need to talk to Mr. Aogawa, I cannot tell you.“ Dabei gestikulierte er Shoji, dass er wieder gehen sollte.

Doch während Shoji noch zögerte, was es Gazimon, das nun sprach: „Namiko ist nicht nach Hause gekommen.“

Shoji sah es an, doch natürlich hatte Gazimon die Stimme Reikas wahrscheinlich verstehen können.

„Was?“, fragte Yamaki.

„Namiko ist nich nach Hause gekommen“, wiederholte Gazimon. „Ihre Frau will mit Ihnen sprechen.“

Für einen Moment noch zögerte Yamaki, dann hob er den Hörer noch einmal. „I cannot talk to you. Please talk to Mr. Aoyama. I need to hang up now, I have another call incoming. Good Bye.“ Damit legte er auf.

„Was ist los?“, fragte er noch einmal und Shoji überließ es seinem Digimon zu reden, da es ganz offenbar alles mitbekommen hatte.

„Namiko ist noch nicht nach Hause gekommen und Ihre Frau hat bei Ruki angerufen, doch Ruki hat Namiko heute nicht gesehen. Und das normale Telefonnetz scheint nicht zu funktionieren“, erklärte Gazimon schnell. „Kommen Sie mit.“

Die letzte Information überraschte Shoji. Aber es erklärte den seltsamen Klingelton, denn er meinte sich zu erinnern, dass Skype diesen Klingelton verwendete. Wenn Reika also auf diese Software ausgewichen war, machte es Sinn, dass Rukis Handy nicht normal klingelte. Und Yamaki hatte wahrscheinlich auf ein amtliches Telefonnetz zugriff, dass nicht so schnell ausfiel.

Gazimon lief nun voraus, während Shoji noch hinter Yamaki folgte, der Ruki nun fast das Handy aus der Hand riss. „Was ist los?“, fragte er nun. „Nein, ist sie nicht.“ Kurz schwieg auch er. „Vielleicht kommt sie noch.“

Ruki sah zu Shoji. „Ich werde sie suchen.“

Daraufhin nickte Shoji. „Ich kann dir helfen.“

„Danke.“

„Ja, ich kann es versuchen“, sagte Yamaki nun.

Dann hörten sie einen Alarm.

„Was ist das?“, fragte Shoji.

„Eine weitere Anomalie“, erwiderte Renamon, das die ganze Zeit still neben Ruki gestanden hatte.

Shoji sah, wie Yamaki mit den Zähnen knirschte. „Ich muss auflegen. Ja, ich werde es versuchen. Versprochen.“ Er legte auf und gab Ruki das Handy.

„Wir suchen nach Namiko“, sagte Ruki, woraufhin Yamaki nur nickte.

Dann liefen auch sie schon los.

„Und was ist, wenn sie selbst versucht, gegen die Anomalie zu kämpfen? Wenn sie auch etwas tun will?“, sprach Shoji aus, was er sich nun seit ein paar Minuten fragte. Immerhin konnte er diesen Gedanken nur zu gut nachvollziehen.

„Ich hoffe nicht“, flüsterte Ruki und rannte weiter.

Sie liefen Treppenhaus und hoben ihre Digivices, noch während sie die ersten Treppenstufen nahmen. Denn sie wussten, dass sie am schnellsten waren, wenn sie als Digimon suchten. Als Sakuyamon und Duftmon!

„Matrix Evolution!“, riefen sie beiden, dabei noch weiterlaufend.

„Renamon – Shinka! Sakuyamon!“

„Gazimon – Shinka! Duftmon!“

Auf die nächste Stufe traten die größeren Füße der Digimon und dann schwebten sie die nächsten Etagen einfach die Treppe hoch, ehe sie aus dem Dachzugang hervorschossen.

Ich werde zu mir nach Hause fliegen und sehen, ob sie da ist!“, rief Ruki aus Sakuyamons Körper heraus.

Nein!“, wiedersprach Shoji. „Ich weiß, wo du wohnst und kann dort nachsehen. Ich weiß nicht, wo Namiko zur Schule geht. Es ist besser, du siehst da und auf ihrem Schulweg nach.

Sakuyamon nickte. „In Ordnung.“

Und damit flogen die beiden Digimon in unterschiedliche Richtungen davon.
 

Auch wenn er es natürlich noch nicht wissen konnte, hatte Shoji in gewisser Hinsicht recht. Denn tatsächlich hatte Namiko ganz bewusst beschlossen, nicht nach Hause zu gehen. Dabei ging es ihr weniger darum, dass sie selbst etwas beitragen wollte, denn auch wenn sie erst sieben war, war sie nicht so naiv, zu denken, dass sie und Lumamon allzuviel ausrichten konnten. Doch zumindest hatte sie es satt die ganze Zeit in ihrem Zimmer oder im Wohnzimmer zu sitzen und im Fernsehen zu sehen, was draußen alles passierte.

Sie war auch ein Digimon Tamer und zumindest sollte dieser ganze Kram, der gerade in der Stadt geschah, sie nicht davon abhalten, einmal rauszugehen. Immerhin waren Ruki und die anderen ja auch mit zehn Jahren ganz allein für Wochen in der digitalen Welt gewesen! Wieso sollte sie dann zuhause herumsitzen und abwarten, dass vielleicht oder vielleicht nichts passierte. Nicht mal Ruki hatte sie in den letzten Wochen gesehen und auch ihre Mutter war meistens angespannt und machte nicht viel mit ihr. Sie hasste das. Und im Fernsehen liefen auch überall nur noch Nachrichten, so kam es ihr vor. Viele der Animeausstrahlungen waren auch verschoben worden.

„Wir sollten nach Hause gehen“, meinte Lumamon sanft, während es mit wachsamen Blick hinter ihr her lief.

Namiko verschränkte die kleinen Arme. „Nein, ich will nicht die ganze Zeit zuhause rumhocken und nichts tun.“

„Aber was willst du stattdessen tun?“, erwiderte ihr Partner. „Du weißt, dass ich gegen diese Wesen nicht kämpfen kann.“

Daraufhin seufzte das Mädchen übertrieben schwer. „Ich weiß.“ Sie löste ihre Arme und ließ sie hängen. „Ich wünschte, ich könnte mit dir verschmelzen, so wie Ruki und Renamon es können. Dann könnten wir auch kämpfen.“

Nach einem kurzen Zögern hob das Digimon sie hoch. „Ich weiß. Aber dann würde sich deine Mutter noch mehr Sorgen machen. Und dein Vater. Und das willst du nicht, oder?“

„Ich will Ruki und den anderen helfen“, meinte das Mädchen vehement, hielt sich aber am Fell ihres Partners fest, während dieser auf eine anliegende Gartenmauer sprang.

Sie waren in einem der äußeren Wohngebiete Shinjukus, das an Shibuya angrenzte. Hier waren viele kleine Ein- und Zweifamilienhäuser mit Miniatorgärten, die oft nicht größer als vier Quadratmeter waren. Es war eine der Gegenden, wo man viele kleine Seitengassen entdecken und erkunden konnte, was normal nicht besonders gefährlich war. Natürlich konnte man immer auf Digimon treffen, doch bisher war es nur drei Mal passiert, das eins dieser Digimon sie angegriffen hatte und Lumamon hatte jedes von diesen ohne Schwierigkeiten besiegen können. Doch nun war es anders und sie wusste das.

„Du weißt, dass Ruki-san nicht gegen diese Wesen kämpfen will“, gab Lumamon nun zu bedenken.

„Ich weiß“, erwiderte Namiko kleinlaut.

Und sie war sich noch immer nicht sicher, ob sie das verstand. Warum wollten sie nicht diese Monster besiegen, die doch offenbar angefangen hatten, diese Welt zu zerstören. Sie hätte darüber so gerne mit Ruki geredet, doch alles was sie gehört hatte, war das, was sie bei ihrer Mutter am Telefon belauscht hatte.

Denn niemand würde mit ihr reden.

„Wir sollten nach Hause gehen“, wiederholte Lumamon nun.

„Ich weiß“, seufzte das Mädchen. „Aber lass uns… Lass uns…“

Doch da fuhr Lumamon auf einmal herum und Namiko konnte erkennen warum: Nicht weit von ihnen entfernt, war ein Stream vom Himmel hinabgeschossen.
 

Es gab einen Tamer in Tokyo, der von diesen Ereignissen gar nichts mitbekam: Steve saß in seinem kleinen Studentenapartment und sah aus dem Fenster. Er hatte von den Kämpfen der vergangenen Tage mitbekommen, doch er wusste, dass es keinen Grund und keine Möglichkeit für ihn gab, sich dabei einzumischen. Immerhin konnten auch er und Leormon, das im Moment auf einen Kissen lag und vor sich hindöste, nicht verschmelzen und demnach nicht eingreifen. Er hatte im Fernsehen gesehen, dass die anderen Tamer gegen diese Anomalie gekämpft und beinahe verloren hatten und wusste auch, dass offenbar nur Dukemon etwas gegen diese Anomalie tun konnte.

Vielleicht war es besser, wenn er, sofern es überhaupt noch möglich war, zurück nach Hause flog. Denn langsam aber sicher merkte auch er, dass ein Ausnahmezustand in dieser Stadt begonnen hatte. Viele Dinge – wie auch der Unterricht an der Universität – liefen nicht mehr wie gewohnt und auch der Verkehr war durch die ständigen Erdbeben beeinträchtigt worden.

Für ihn gab es nichts zu tun und seine Mutter, die ihn nun schon mehrmals täglich anrief, klang mit jedem Anruf panischer. Ja, sie sollte sich nicht so viele Sorgen um ihn machen.

Seufzend schlug er seinen Laptop auf, um nachzusehen, ob es noch vernünftige und bezahlbare Flugverbindungen gab.

Was er sah überraschte ihn nicht großartig: Es flogen weniger Verbindungen als üblich vom tokyoter Flughaben ab und die Verbindungen die gingen, waren im Preis gestiegen. Doch letzten Endes hätte er noch genug Ersparnisse, um sich eins der Tickets zu kaufen.

Es war ein deprimierendes Gefühl. Als er nach Japan gekommen war, hatte er sich gefreut. Nicht nur, weil es ein Jahr in einem vollkommen fremden Land war, sondern auch, weil es das Land der ersten Tamer war, das Land, wo er und Leormon vielleicht ein etwas anderes Abenteuer erleben konnten. Doch nun sah er, dass diese Träumereien keinen Bezug zur Realität hatten. Auch wenn er sich gefreut hatte und stolz gewesen war, als Takato und die anderen ihn ernst genommen hatten und ihm eine Möglichkeit gegeben hatten, zu helfen, so war er doch nie wirklich eine große Hilfe gewesen. Sie waren einfach zu schwach.

„Hey, Leormon“, meinte er zu seinem Partner.

Das Digimon öffnete verschlafen ein Auge. „What's up?“, murmelte es leise.

„Want to go outside for a bit?“, meinte er.

Daraufhin seufzte der kleine Löwe. „Why?“

„Why not?“

Das Digimon streckte sich, ganz wie eine Katze. „Whatever…“ Dann stand es. „Let's go.“

Tatsächlich verhielt sich Leormon einer normalen Katze erstaunlich ähnlich. Jedenfalls in den letzten Wochen hatte es es ein wenig zu sehr genossen, einfach nur herumzuliegen und nicht viel zu tun. Denn auch bevor die Anomalien selbst in Tokyo aufgetaucht waren, hatten sie nicht mehr viel tun können. Ja, es schien beinahe, als sei ihre Rolle in diesem kleinen Abenteuer mit dem Ende des Turniers beendet gewesen.

Und vielleicht – so dachte sich Steve – musste er sich damit abfinden.

Doch was wollte er überhaupt draußen? Das wusste er nicht genau. Aber ihm ging es ähnlich wie Shoji: Unter den aktuellen Umständen konnte er sich einfach nicht auf das Lernen konzentrieren und vielleicht würde er diese Klausuren ja nicht einmal mitschreiben. Also konnte er genau so gut rausgehen und seine vielleicht letzten Tage in Japan genießen.

Am Abend, so dachte er sich, würde er mit seiner Mutter telefonieren und mit ihr darüber reden, ob er zurückkommen sollte, auch wenn er ihre Antwort bereits kannte.
 

San Fransisco – 26. Juli 2011
 

Auch wenn Steve in den nächsten Stunden noch ganz andere Probleme haben würde, sollte er auch bald erfahren, dass es auch in den USA nicht viel sicherer sein würde, denn auch wenn weder er, noch Ruki oder Shoji oder gar Takato, der noch als Dukemon noch immer auf dem Weg zurück nach Tokyo war, davon sofort erfahren würden, erschien auch in den USA ein Stream. Nun, gut, der Stream erschien nicht auf dem amerikanischen Festland, sondern auf Hawaii, doch zeigte er, dass sich die Anomalie immer weiter ausbreiten konnte. Denn auch diesem Stream folgte eins der seltsamen Wesen und löste eine Panik auf der Insel aus.

Doch hier war es bereits oder viel eher noch Nacht, so dass keiner der japanischen Tamer, die sich zur Zeit in Paolo Alto oder San Fransisco befanden etwas mitbekam. Eine Person in San Fransisco gab es jedoch, die den Newsfeed sah, als er auf einem der vielen Bildschirme erschien.

Denn Shibumi schlief wenig und nur unregelmäßig. Er hatte weiter an seinem Programm gearbeitet, während ein Teil seiner Rechner weiterhin die wenigen Daten, die er von der Anomalie hatte, analysierte.

Mit müden Augen sah er auf den Bildschirm. Er seufzte nicht, sondern senkte den Blick nur wieder und lehnte sich etwas zurück. Denn er wusste nicht, was richtig war. Nein, das war so nicht korrekt: Er wusste, was die richtige Lösung war, doch war es die Lösung die er am wenigsten wünschte. Und nie waren seine Wünsche in Erfüllung gegangen. Doch am Ende machte es ja ohnehin keinen Unterschied: Seine Daten waren nicht komplett und es musste schon ein Wunder geschehen, damit er die Daten rechtzeitig bekam.

Er hatte Berechnungen angestellt und so häufig wie diese Wesen in den vergangenen 48 Stunden erschienen waren, gab er dieser Welt, die weit weniger stabil programmiert war und anders als die digitale Welt, nicht so leicht regenerierte, nur noch wenige Tage…

Episode 46: Der friedliche Weg

Episode 46: Der friedliche Weg
 

Ich möchte so sein wie Ruki-chan. Ich möchte kämpfen wie sie. Ich möchte zeigen, dass auch Lumamon und ich kämpfen können. Ich will ein echter Tamer sein, aber alle sagen, ich sei zu jung. Dabei waren Ruki-chan und die anderen auch nicht viel älter als ich es bin! Ich möchte auch einmal in die digitale Welt reisen und die ganzen Digimon dort sehen. Aber ich möchte nicht, dass Mama und Papa sich unnötig Sorgen um mich machen...

                                                          – Yamaki Namiko
 

Eigentlich war Shoji nicht einmal überrascht, als Duftmon bei dem Grundstück der Makinos landete und keine Spur von Namiko vorfand.

Stattdessen fand er Rukis Großmutter vor, die aus der Küche kam und das Digimon überrascht und auch etwas erschrocken ansah. „Was... Was machst du hier?“

Shoji war sich nicht einmal sicher, ob Rukis Großmutter überhaupt wusste, dass Duftmon eine Verschmelzung von ihm und Gazimon war, doch es war wohl auch nicht der rechte Zeitpunkt, das zu diskutieren. „Ich suche Namiko“, sagte Duftmon. „Yamaki-sans Tochter.“

„Was? Wieso hier?“ Hata Seiko stammelte diese Worte nur.

„Sie ist nicht nach Hause gekommen“, erwiderte Duftmon. „Deswegen suchen wir nach ihr.“

Die ältere Frau schüttelte nur den Kopf. „Nein, sie ist nicht hier.“

Daraufhin nickte Duftmon nur, breitete seine Flügel aus und erhob sich wieder in die Luft, auch wenn sich Shoji nicht sicher war, was sie als nächstes tun sollten.

„Vielleicht hat Ruki sie ja gefunden“, hörte er die Stimme Gazimons, die eindeutig versuchte, ihn zu beruhigen, doch wirklich beruhigt war er davon nicht.

„Ja, vielleicht“, erwiderte er halbherzig.

Er und Ruki hatten nicht einmal einen Treffpunkt ausgemacht. Also was sollte er nun tun?

Doch es brachte alles nichts. Und während die Augen des Royal Knights noch immer die Straßen unter ihnen nach dem jungen Mädchen oder ihrem Digimonpartner absuchten, flog er langsam wieder in Richtung des Metropolitan zurück.
 

Er spürte es. Wieder spürte er es. Dieses seltsame Gefühl, das zusammen mit jenen Wesen erschien. Seinen Gegnern. Ja, diese Wesen waren seine Gegner. Es war sein Recht sie zu besiegen und doch konnte er es nicht tun. Wieso? Wieso wurde ihm alles genommen?

Ryou merkte nicht einmal, dass seine Gedanken mit jedem Tag, ja, jeder Stunde wirrer wurden, sich immer mehr um dieselben Dinge und Fragen drehten, aber nie eine Antwort fanden. Er musste kämpfen. Er konnte nur kämpfen. Das war es, wozu er hier war.

Wären seine Gedanken noch klarer gewesen, wäre ihm vielleicht aufgefallen, dass sein eigenes Verhalten dem von Cyberdramon, als er es das erste Mal getroffen hatte, sehr ähnelte. Doch nun war es Monodramon, das dies bemerkte und es ihm doch nicht mitteilen konnte, da sein Bewusstsein irgendwo tief in dem Datenkonstrukt Justimons verborgen war.

Ja, er – Ryou – war Justimon, ein Digimon, das für Gerechtigkeit kämpfte. Ein Digimon, das die Menschen dieser Stadt beschützen würde. Ein Held, selbst wenn es niemand sonst so sah.

War es nicht mit vielen großen Helden so? In den Geschichten, die er als Kind gelesen hatte... Damals, vor so vielen Jahren. Ja, da waren auch Helden gewesen, die niemand als Held anerkannte. Helden, deren Ruhm von anderen gestohlen, von anderen beansprucht wurde. Doch das hatte sie nicht daran gehindert, weiter ihren Kampf zu kämpfen.

Ihn würde es auch nicht hindern.

Was sonst konnte er noch tun? Er hatte sonst nichts mehr in seinem Leben. Man hatte ihm alles genommen. Seine Aufgabe, seine Verantwortung, seine Stellung und Ruki. Wieso sollte er überhaupt noch als Akiyama Ryou leben, wenn er doch auch Justimon sein konnte?

Und so lief er – als Justimon – über die Dächer einiger Häuser, immer in die Richtung, in der er wusste, dass die nächste Anomalie erschienen war.

Dieses Mal, dieses eine Mal, musste er es schaffen. Er musste sich endlich beweisen. Dies war sein Kampf, seine Aufgabe, und Takato durfte sie ihm nicht wegnehmen! Das durfte er nicht zulassen! Also würde er sich beeilen, würde kämpfen, würde der Held sein, der er sein wollte. Er würde seinen Gegner besiegen!

Niemand konnte das verstehen. Niemand würde auch nur versuchen es zu verstehen. Deswegen brauchte er niemanden mehr. Keine Freunde. Keine Partner. Er hatte sich selbst, sein Vertrauen in sich und das Wissen, dass es immer wieder einen neuen Kampf geben würde.
 

Auch die Suche Sakuyamons war erfolglos ausgefallen. Es gab keine Spur von Namiko auf ihrem Schulweg oder in einem der Parks in der Nähe ihrer Schule. Es war, als wäre sie verschwunden.

Doch Ruki wusste, dass das Mädchen nicht einfach so verschwunden sein könnte. Natürlich gab es Leute, die Kinder entführten, doch Lumamon blieb immer in der Nähe Namikos und wie ein einfacher Mensch das Digimon austricksen wollte, das konnte sie sich nicht vorstellen. Dennoch begann Ruki sich langsam aber sicher Sorgen zu machen, denn sie hatte den Stream, der in der Ferne erschienen war, gesehen.

Was sollte sie tun? Sollte sie dorthin und kämpfen? Doch was war dann mit Namiko?

Auf der anderen Seite schien Takato noch nicht zurück zu sein und wenn er nicht da war, musste jemand anderes gegen die Anomlie kämpfen. Zumal sie bereits ahnte, dass auch in diesen Kampf sich Ryou wieder einmischen und alles noch viel schlimmer machen würde. So lange er keine Rücksicht auf die Gebäude, neben denen er kämpfte nahm, würde er nur noch größeren Schaden anrichten.

„Verflucht“, flüsterte sie im Inneren des Göttinnen-Digimons.

„Ruki“, erklang Renamons Stimme. „Wir müssen etwas tun.“

„Ich weiß“, erwiderte sie angespannt. „Ich weiß...“ Wenn sie doch nur wüsste, wo Takato abgeblieben war! Selbst wenn sie kämpften, ohne Takato hatten sie keine Garantie zu gewinnen, da diese Wesen – die Anomalie – zu stark waren.

„Wir keine Wahl, Ruki“, sagte Renamon nun. „Wir müssen kämpfen. Sonst ist Namiko auf Dauer auch nicht geholfen.“

Ruki seufzte. „Ich weiß.“ Dennoch fühlte sie sich nicht wohl dabei. Zum einen, weil sie sich wirklich Sorgen um das Mädchen machte, zum anderen aber auch, weil es ihr ähnlich ging, wie Takato: Sie wollte nicht gegen die Anomalie kämpfen, da sie noch immer davon überzeugt war, dass diese Wesen nicht wirklich bösartig waren.

Trotz aller Gedanken, die sie sich dabei machte, flog Sakuyamon höher und in die Richtung des Streams, um schlimmeres verhindern zu können.
 

Namiko wusste derweil nicht, was sie tun sollte. Sie wusste nicht einmal genau, ob sie Angst haben sollte oder nicht, als sie das riesige Wesen zwischen einigen einfachen Häusern erscheinen sah. Es stand da nur und schien alles zu beobachten und eigentlich schien von ihm nicht einmal eine große Gefahr auszugehen.

„Namiko“, flüsterte Lumamon und hielt sie fest. Es setzte zum Sprung an, um mit ihr zu fliehen.

„Warte, Lumamon!“, rief das Mädchen aus, die Augen noch immer auf die Anomalie gerichtet.

„Nein, wir müssen hier weg“, erwiderte Lumamon eisern und sprang auf eine Mauer um mit dem Mädchen auf dem Arm zu fliehen.

„Aber Lumamon“, protestierte Namiko und strampelte mit den Füßen, um sich aus dem Griff des Digimon zu befreien.

Lumamon ließ sie nicht los, war aber gezwungen stehen zu bleiben, da selbst ein leichtfüßiges Digimon wie es Gefahr lief das Gleichgewicht zu verlieren, wenn es so ein widerspenstiges Paket mit sich trug. „Wir können nicht kämpfen, das weißt du. Diese Wesen sind zu stark für uns.“

Namiko sah auf das seltsame Wesen, das nicht wirklich wie ein Digimon aussah und doch irgendwie an eins erinnerte. Sie hatte die ganze Zeit nicht verstehen können, wieso es so viel Streit um diese Wesen gegeben hatte, wieso Takato, Ruki und die anderen nicht einfach gegen sie kämpften, doch obwohl sie weit von dem Wesen entfernt war und nicht einmal genaueres erkennen konnte, begann sie zu verstehen. Denn nichts an diesem Wesen wirkte auf sie nicht aggressiv, bösartig oder monströs. Das einzige Wort, das ihr einfiel, um dieses Wesen zu beschreiben, war „anders„.

Es war kein Mensch, kein Digimon, und gehörte sicher nicht in diese Welt, doch es war auch nicht hierher gekommen, um jemanden anzugreifen oder etwas zu zerstören.

„Lass uns hingehen, Lumamon“, flüsterte sie.

Ihr Digimonpartner schüttelte den Kopf. „Nein. Das ist zu gefährlich.“

„Aber...“, begann Namiko.

Doch weiter kam sie nicht, da sie im nächsten Moment ein seltsames Geräusch, wie ein Weinen hörte, wie Walgesang. Sie wusste, dass es von dem Wesen kommen musste.

Sie sah zu ihm hinüber. „Es ist einsam.“

„Vielleicht. Aber wir können dort nicht hin!“, sagte Lumamon streng.

„Aber...“

Doch auch dieses Mal wurde sie unterbrochen. Nicht von dem Wesen, sondern von einer eher kleinen Gestalt, die über einige Häuserdächer gerannt kam.

„Justimon“, flüsterte Lumamon und kniff seine Augen zusammen.

Namiko, deren Augen bei weitem nicht so gut, wie die ihres Partners waren, konnte nur erkennen, wie Justimon – kurz bevor es das Wesen erreichte – in die Höhe sprang. Doch sie verstand, dass Justimon das Wesen angreifen wollte.

„Nein!“, schrie sie, auch wenn Justimon sie nicht hören konnte.

Sie verstand noch immer nicht ganz, was hier vorging, doch zumindest eine Sache verstand sie: Das was Justimon – was Ryou dort tat, war nicht der richtige Weg.

„Wir müssen etwas tun“, flüsterte sie, doch Lumamon schüttelte erneut den Kopf.

„Wir können nichts tun, weder gegen dieses Wesen, noch gegen Justimon.“

Eigentlich wusste Namiko das auch, doch nun kam es ihr so falsch vor. Wieso kämpfte Justimon so besessen? Sie war zu jung, um so etwas zu verstehen. Doch sie wollte, dass es aufhörte.

Da begann auch das Wesen sich zu regen und seinen großen Kopf Justimon zuzuwenden, das es erneut angriff, ganz offenbar ohne zu großen Schaden ausrichten zu können.

Das Wesen griff nach Justimon und auch auf die Entfernung konnte Namiko erahnen, dass Justimons Körper zu flackern begann.
 

Natürlich hatte auch Duftmon den Stream gesehen, als dieser erschienen war, da es aus der Luft einen guten Ausblick auf Shinjuku und die anliegenden Stadtteile hatte. So erkannte auch Shoji, dass sein weiteres dieser Wesen erschienen sein musste und er ahnte ebenfalls bereits, dass auch Ryou dorthin auf den Weg sein musste.

Und wenn Takato die anderen Wesen, die außerhalb Tokyos erschienen waren, bekämpft hatte, war Takato nun wahrscheinlich nicht da, um gegen diese Wesen zu kämpfen.

Er verfluchte es, da auch er nicht gegen das Wesen kämpfen wollte, nach allem, was sie soweit gesehen hatten, doch hatte er eine Wahl?

Anders als Ruki musste er keine Worte mit seinem Partner wechseln, um diesen Schluss zu erreichen und ohne das Digimon und Tamer ein Wort wechselten – denn immerhin: Ihre Gedanken waren auch eins – wandte sich Duftmon von seiner Flugbahn ab und flog, so schnell es ihm möglich war, in die Richtung, in der es kurz zuvor den Stream gesehen hatte.

Es brauchte nicht lang, um dorthin zu kommen, musste aber feststellen, dass ganz offenbar Justimon es geschafft hatte, vor ihm da zu sein.

Doch in dem Moment, als Duftmon nahe genug am Kampf war, der durch Justimons Auftauchen zwangsweise begonnen hatte, wurde ein weiterer versuchter Angriff des Cyborg-Digimons durch das Wesen unterbrochen, das es schaffte, Justimon zu fassen und festzuhalten.

Natürlich begann Justimons Körper erneut zu flackern und Shoji wusste, dass es größeren Schaden davontragen würde, wenn sie nicht eingriffen. Und dennoch zögerte er.

„Shoji!“, hörte er Gazimons mahnende Stimme.

Er schämte sich dafür und doch konnte er den Gedanken nicht vollkommen verdrängen: Vielleicht war es besser, wenn Justimon besiegt würde.

Natürlich wusste er, dass Hypnos, dass die Regierung wollte, dass diese Wesen besiegt wurden, dass diese Wesen auch an der Umgebung, in der sie erschienen, Schäden erzeugten, und doch... Wenn Justimon nicht jedes Mal den Kampf in einer Katastrophe enden ließ... Vielleicht fanden sie dann eine bessere Lösung? Eine Lösung, die nicht darauf hinaus lief, immer und immer weiter zu kämpfen, obwohl sie es eigentlich nicht wollten.

„Shoji!“, hörte er Gazimon erneut.

„Ja“, erwiderte er.

Er musste sich zusammenreißen. Egal was er alles getan hatte: Er konnte Ryou und Monodramon nicht einfach sterben lassen!

„Ernste Welle!“, rief Duftmon aus und schnitt mit seinem Rapier durch die Luft.

Die entstehende Druckwelle schnitt durch die Luft und traf das Wesen am Arm, der Justimon hielt.

Das Wesen ließ ein Heulen ertönen, doch anders als beim letzten Kampf, wo das Wesen Sakuyamon einfach losgelassen hatte, ließ diese Anomalie Justimon nicht einfach fallen, sondern schien seine missgestalteten Klauen noch enger um das Digimon zu schließen, ehe es den Arm hob, um Justimon von sich fort zu werfen.

Das Cyborg-Digimon schlug auf den Boden auf und rollte mehrere Meter, ehe es gegen die Wand eines Hauses stieß.

Doch Justimon war nicht so einfach besiegt. Wenngleich mit offensichtlicher Mühe richtete es sich auf und wollte ganz offenbar erneut zum Angriff übergehen, als ein goldener Ring auf es hinabgeschossen kam.

„Kongoukai Mandara!“, erklang ein Ruf.

„Sakuyamon!“ Duftmon sah zu dem Digimon hinauf, dass nun angekommen war und zu ihm hinuntersah.

Sakuyamon nickte ihm zu, sah dann aber zu ihrem vermeintlichen Gegner.

Dieser hatte seine Aufmerksamkeit nun Duftmon zugewandt und schien sich darauf vorzubereiten, es anzugreifen, während Shoji sich nicht sicher war, was er als nächstes tun sollte.

Immerhin waren sie in einer Wohngegend und während aus einigen Häusern schon Leute geflohen waren, ging er nicht davon aus, dass die gesamte Gegend evakuiert war. Was also konnte er tun? Wenn sie nichts taten, würden vielleicht Menschen verletzte werden, doch wenn sie nun einen Kampf begannen, geschah das fraglos auch. Und dieses Wesen, dass den Boden unter seinen Füßen, sowie auch die Mauern und Pflanzen am Rand der Straße flackern ließ, konnte sich auch nicht so einfach von hier fortlocken lassen.

Da er keinen anderen Weg saß, ließ er Duftmon seine Flügel ausbreiten und emporfliegen, so dass es zumindest außerhalb der Reichweite des Wesens war.

Es sah zu Sakuyamon, um zu sehen, was es tat. Doch zu Shojis Überraschung machte Sakuyamon keine Anstalten, eventuellen Angriffen zu entgehen. Im Gegenteil: Es schwebte langsam hinab und schwebte schließlich vor dem Kopf des Wesens.

„Sakuyamon!“, rief Duftmon aus.

Natürlich erinnerten sich Shoji und Gazimon noch daran, dass das erste Wesen, das erschienen war, sie nicht angegriffen hatte, doch dieses war schon in einen Kampf verwickelt gewesen, als sie erschienen waren.

Doch Sakuyamon reagierte nicht auf sie. Stattdessen schwebte es dort und streckte eine Hand aus um den Kopf des Wesens zu berühren. „Beruhige dich“, sprach es sanft. „Wir wollen nicht gegen dich kämpfen.“

In einer raschen Bewegung hob das Wesen eine seiner Pranken, als wolle es Sakuyamon packen, doch dann hielt es in dieser Bewegung inne und stattdessen traten wieder jene dünnen, tentakelartigen Ärmchen, beinahe wie die Fühler eines Insektes, aus der Spitze seiner Klauen hervor und begannen Sakuyamon zu berühren.

Duftmon zögerte. Konnten sie wirklich mit diesem Wesen reden? Es sah, dass Sakuyamons Körper, an den Stellen, wo das Wesen es berührte, zu flackern begann, doch Sakuyamon entzog sich der Berührung nicht.

„Wir wollen nicht gegen euch kämpfen“, sagte es nun. „Wir müssen einen anderen Weg finden. Kannst du das verstehen?“ Sie sah das Wesen an und auch wenn es keine Pupillen hatte, schien es, als würde das Wesen den Blick erwidern.

Auch wenn Shoji noch immer zögerlich war, kam nun auch Duftmon hinuntergeschwebt, so dass es schließlich neben dem Wesen schwebte. Shoji spürte ein elektrisches Kribbeln, als die Fühler auch Duftmons Körper berührten, doch auch sie flohen nicht. Konnte dieses Wesen sie vielleicht wirklich verstehen?

Doch was würde es bringen, so lange seine Anwesenheit dieser Welt schadete.

Sakuyamon sah Duftmon kurz an und nickte ihm lächelnd zu.

Tatsächlich schien dieses Wesen nicht kämpfen zu wollen. Aber was sollten sie tun? Selbst wenn sie einen Weg fanden, das Wesen aus der Stadt herauszubringen, würde es der Welt noch schaden und von allem was sie wussten, schadete die Anomalie auch der digitalen Welt. Wie konnten sie eine Lösung dafür finden? Dennoch war es falsch, gegen dieses Wesen zu kämpfen, wenn es sie von sich aus nicht angriff.

Doch noch während Shoji darüber nachdachte, geschahen gleich mehrere Sachen gleichzeitig.

Zuerst hörten sie eine leise Stimme. „Ruki-chan... Sakuyamon...“ Und die Stimme kam auch Shoji sehr bekannt vor.

Dann ein Schrei. „Hört endlich auf, euch hier einzumischen!“ Und dann hörten sie ein Krachen, einen überraschten Aufschrei und auf einmal erschien Justimon zwischen ihnen, seinen mechanischen Arm zu einem Schwert verwandelt, dass er nun hob und damit den Kopf des Wesens angriff.

Als nächstes spürte Duftmon, wie die Tentakelchen sich fester um seine Beine wickelten und es durch die Luft schleuderten, ehe es hart gegen eine dadurch bröckelnde Wand schlug.

„Ruki!“, schrie dieselbe Stimme, die sie vorher gehört haben, und als sich Duftmon halbwegs erholt hatte, konnte es erkennen, dass Namiko ein kleines Stück die Straße hinab stand und mit Tränen in den Augen auf das Geschehen sah.

Lumamon war bei ihr.

Sakuyamon war gegen eine Mauer geschleudert worden, die daraufhin eingebrochen war.

Das Wesen öffnete derweil sein Maul und ein violett leuchtender Energieball erschien in der schlundhaften Öffnung. Im nächsten Moment schoss es aus diesem Ball heraus einen Energiestrahl auf Justimon ab, das davon zu überrascht war und getroffen wurde. Es wurde auf den Boden geschleudert, doch das Wesen brach seine Attacke nicht ab, sondern schoss mit dieser offenbar neuen Attacke wild um sich. Es traf das Dach eines Hauses, das daraufhin zu Datenpartikeln zerfiel und verschwand. Dasselbe passierte mit einem Baum, einem Stück Mauer und einem Lieferwagen, der an einer Straßenecke geparkt war.

„Namiko!“, rief Lumamon aus, hob das Mädchen auf und sprang gerade rechtzeitig zur Seite, um seinen Tamer in Sicherheit zu bringen.

„Namiko!“, schrie Sakuyamon aus, dann: „Crystal Sphere!“

Eine kristallene Kugel erschien um Lumamon und Namiko herum, um sie zu schützen, ehe sich Sakuyamon dem Wesen zuwandte.

„Kazejuu Kitsune!“, rief es und schlug mit seinem Stab auf den Boden. Auf einmal waren sie von einem Sturm aus Kirschblüten umgeben, der sowohl um die drei Ultimate Digimon wirbelte, als auch um das Wesen, das nun Inne hielt.

„Hört auf euch einzumischen!“, schrie Justimon aus, doch es wurde von Sakuyamon ignoriert. Scheinbar jedoch, hatte es Schwierigkeiten sich in den Kirschblüten zu bewegen.

„Wir müssen aufhören zu kämpfen“, rief nun Sakuyamon. „Das führt zu nichts!“

Das Wesen heulte auf dieselbe Art, wie schon zuvor. Erneut klang es wie Walgesang.

Duftmon hatte weniger Probleme, sich im Kirschblütensturm zu bewegen und bewegte sich nun auf Sakuyamon zu. Es sah zu dem Wesen, dann zu Justimon und Sakuyamon.

„Aber was sollen wir tun?“, flüsterte Shoji mit seiner eigenen Stimme.

Sakuyamon schüttelte den Kopf und er verstand, dass Ruki dasselbe tat. „Ich weiß es nicht.“

Weiterhin wehten die Kirschblüten um sie herum, während Justimon noch immer gegen sie ankämpfte. Wenn sie die Attacke, die das Cyborgdigimon und das fremde Wesen nun am Kämpfen hinderte, aufhoben, würde es weitergehen, wie zuvor.

Duftmon sah erneut zu Sakuyamon, dann wieder zu Justimon. Und wenn sie Ryou am Kämpfen hinderten? Denn wenn er so weitermachte...

So wandte sich Duftmon von Sakuyamon ab und ging zu Justimon hinüber, dass es ansah. Es hob die Hand, die dabei anwuchs, doch tat es sich schwer, diese zu senken. Dann hob Duftmon Hakai no Tsurugi und durchstieß damit Justimons Brust. Der Körper des Digimon leuchtete auf, verlor Daten, die mit den Kirschblüten geweht wurden, und dann fielen Ryou und Monodramon zu boden.

Monodramon sah Duftmon einfach nur flehend an und sah ganz so aus, als wäre es kurz davor das Bewusstsein zu verlieren, während Ryous Blick manisch und voller Hass war. Er versuchte aufzustehen, strauchelte und so nahm Duftmon das Schwert und versetzte Ryou mit dem Haft einen gemäßigten Schlag gegen die Stirn, so dass der junge Mann ohnmächtig zu Boden fiel.

Dann sah es wieder zu Sakuyamon, das den Blick zwar erwiderte, aber nicht reagierte und schließlich wieder auf das Wesen blickte, das das ganze zu beobachten schien. Es streckte seine Hand nach dem ohnmächtigen Körper Ryous aus und seine Fühler berührten den Körper des jungen Mannes.

Doch da traf ein weiterer Energiestrahl das Wesen in der Brust und im nächsten Augenblick zerfiel es zu Datenpartikeln.

„Dukemon...“, flüsterte Sakuyamon und sah zum Himmel hinauf, wo das Ritterdigimon schwebte.
 

„Es tut mir wirklich leid“, sagte Namiko geknickt, während sie weiterhin von Lumamon getragen wurde.

Ruki, Shoji, ihre Digimon und auch das Mädchen mit ihrem Partner waren auf dem Weg zur Wohnung der Yamakis, nachdem es nach dem Kampf kaum mehr zu tun gab. Man hatte Ryou in Verwahrung genommen und noch immer kam Shoji nicht ganz umher ein schlechtes Gewissen zu haben, doch niemand hatte etwas dazu gesagt, was er getan hatte. Takato war zu Hypnos zurückgekehrt und so hatten sie sich letzten Endes entschlossen, Namiko direkt nach Hause zu bringen.

Es war mittlerweile dunkel geworden und Insekten schwirrten um die Straßenlaternen, am Rand der schmalen Straße, die durch das Wohngebiet führte.

„Ich weiß“, erwiderte Ruki seufzend und sah zu dem Kind. „Aber du musst mir versprechen, dass du so etwas nicht noch einmal machst. Zumindest nicht, bis diese Situation unter Kontrolle gebracht wird.“

„Und was ist, wenn ihr es nicht schafft, die Situation unter Kontrolle zu bringen?“, fragte Namiko.

„Namiko“, flüsterte Lumamon warnend, doch Ruki schüttelte den Kopf.

„Dann...“ Als würde sie um Hilfe bitten, sah sie zu Shoji, der allerdings auch kaum mehr machen konnte, als mit den Schultern zu zucken.

Sie wussten doch selbst nicht, was sie tun sollten, wenn sie es nicht schaften, irgendeine Lösung für dieses Problem zu finden. Und es war sicher nicht das richtige, einem kleinen Kind zu sagen, dass dann vielleicht die ganze Welt untergehen würde...

„Wir werden es schaffen“, sagte Shoji bestimmt.

Das Mädchen hielt sich am dunklen Fell Lumamons fest. „Wieso kämpft ihr gegen diese Wesen?“, fragte sie nach einem kurzen Schweigen auf einmal.

Die beiden anderen Tamer sahen das Kind an. Dann tauschten sie Blicke und sahen schließlich zu Boden.

„Wir wollen nicht gegen sie kämpfen“, sagte Ruki schließlich, wobei ihr Tonfall sehr vorsichtig klang.

„Ich weiß“, erwiderte Namiko. „Takato-kun will auch nicht gegen sie kämpfen, oder? Aber warum tut ihr es dann trotzdem?“

„Ich...“, begann Ruki.

„Weil wir im Moment keinen anderen Weg haben, die Menschen zu schützen“, sagte Shoji zurückhaltend.

„Habt ihr deswegen auch Ryou-kun angegriffen?“, fragte das Kind weiter.

„Sei ruhig, Namiko“, bat Lumamon nun, doch Shoji seufzte.

„Ja, deswegen haben wir Ryou angegriffen.“ Er warf Ruki einen vorsichtigen Blick zu, da er noch immer darauf wartete, dass sie ihn verurteilte. Doch Ruki sagte nichts. Also schwieg auch Shoji und sagte nichts weiter dazu. Letzten Endes war es vor allem ihre Sache, oder?

„Wir sind fast da“, meinte Ruki nun und nickte zu einem Apartmentgebäude, ein Stück die Straße hinab.

Shoji nickte nur und tauschte Blicke mit Gazimon, das genau so ratlos aussah wie er sich fühlte. Letzten Endes hatte er mit Yamaki und seiner Familie bisher so wenig zu tun gehabt, dass er sich ein wenig fehl am Platze fühlte. Doch er wusste, dass es ihm zu hause nicht besser gehen würde und irgendwie hatte er das Gefühl gehabt, dass er Ruki nicht alleine gehen lassen sollte. Vielleicht wegen dem, was passiert war? Wegen dem, was er getan hatte?

Ja, vielleicht mussten sie wirklich darüber reden.

Doch Ruki schwieg noch immer und so sagte niemand mehr etwas, bis sie an der Haustür angekommen waren, wo Ruki klingelte.

Bald schon fuhren sie mit dem Aufzug zur Wohnung im fünften Stock hinauf, wo Reika bereits auf sie wartete.

„Wo bist du gewesen?“, fragte sie ihre Tochter. „Warum bist du nicht nach Hause gekommen?“ Ihre Stimme war streng und doch schwang eindeutig Erleichterung mit, ihre Tochter wohlbehalten wieder zu sehen.

Namiko, die nun selbst stand, während ihr Partner hinter ihr blieb, sah zu Boden. „Es tut mir leid, Mama“, sagte sie betreten. „Ich... Ich wollte einfach wieder draußen sein und dann war da dieses Wesen, aber es war eigentlich nicht böse, aber Ryou-kun hat angefangen dagegen zu kämpfen und dann...“ Sie drehte sich auf einmal zu Shoji und Ruki um, ehe sie zu ihrer Mutter rannte und sich von ihr umarmen ließ.

Reika hob ihre Tochter, die sich nun an sie klammerte, hoch und wandte sich den beiden anderen Tamern zu. „Danke, dass ihr sie nach Hause gebracht habt.“

„Immer gern“, sagte Ruki. „Ich habe mir auch Sorgen gemacht.“ Sie lächelte Reika zu und es lag etwas weiches in ihrem Lächeln, dass Shoji selten bei ihr gesehen hatte.

„Wollt ihr noch reinkommen und einen Tee oder Kaffee trinken? Ich könnte auch Kuchen auftauen oder so“, bot Reika an, wobei sie vor Erleichterung noch immer etwas wirr zu sein schien.

Ruki schüttelte den Kopf. „Ich sollte wahrscheinlich nach Hause gehen. Meine Mutter macht sich sicher auch Sorgen.“

Für einen Moment zögerte Shoji. „Ja, meine Eltern sorgen sich wahrscheinlich auch“, meinte er dann verlegen.

Reika musterte die beiden für einen Moment, so als sei ihr die Unsicherheit in Shojis Stimme aufgefallen. Doch sie nickte. „In Ordnung. Passt auf euch auf. Und danke noch einmal.“

Ruki nickte nur. „Ja.“

Reika wandte sich ab, doch in diesem Moment hob Namiko den Kopf. „Könnt ihr Takato sagen, dass er nicht gegen diese Wesen kämpfen muss?“, fragte sie leise.

Daraufhin nickte Ruki erneut und drückte auf den Knopf des Aufzugs, der noch immer im Stockwerk stand, so dass sich die Tür schon im nächsten Augenblick öffnete. „Das werde ich, Namiko, wenn ich ihn das nächste Mal sehe. Aber du musst mir versprechen, dass du so etwas wie heute nicht noch einmal tust.“

„Versprochen“, murmelte das Mädchen.

„Gut.“ Ruki schenkte ihr ein Lächeln, ehe sie in den Aufzug stieg und da Shoji nicht wirklich wusste, was er sonst tun sollte, folgte er ihr und Gazimon tat es ihm gleich.

Sie schwiegen, während der Aufzug sich langsam in Bewegung Richtung Erdgeschoss setzte und Shoji hätte am liebsten leise geseufzt.

Als sie im Erdgeschoss ankamen, verließ Ruki vor ihm die Kabine und Shoji folgte ihr unsicher. Ruki ging zur Tür, wo Renamon auf einmal verschwand, und wartete auf ihn. Sie sah ihn für einen Augenblick an, schaute dann aber wieder nach draußen.

Unsicher ging Shoji an ihr vorbei und sah wieder zu Gazimon, das nur mit dem Kopf schüttelte.

„Ruki“, begann Shoji unsicher. „Das mit Ryou tut mir leid.“

Sie sah ihn an. „Wieso?“

Shoji zögerte. „Ich meine du und er ihr wart mal und... Na ja, ich habe ihn angegriffen und jetzt...“

„Er wird es überleben. Es war wahrscheinlich besser so.“ Ruki sah zum Himmel, wo eine dünne Mondsichel hinter dem Muster der digitalen Welt zu sehen war. „Er hat uns zu viele Probleme gemacht und er...“ Sie schüttelte den Kopf. „Er hätte es einfach einsehen müssen“, sagte sie dann. „Und diese Wesen...“

Shoji stand hinter ihr und schwieg. Er wusste nicht, was er sagen sollte. Noch immer dachte er darüber nach, was dort passiert war. Letzten Endes war es nie sein Ziel gewesen, Ryou anzugreifen, doch als Justimon ihm ausgeliefert war, hatte er einfach gehandelt. Weil er wusste, dass Ryou sonst einfach weiter und immer weiter gemacht hätte. Und doch bereitete ihm der Gedanke daran ein schlechtes Gewissen.

„Es war das richtige“, sagte Ruki nun. „Ich hätte es nicht tun können, aber es war das richtige.“ Sie drehte sich zu ihm um. „Danke.“

Unsicher nickte Shoji nur und machte vorsichtig ein paar Schritte, mit dem vagen Gedanken, dass sie sich langsam auf den Weg zur U-Bahn-Station machen sollten. Denn noch immer fiel es ihm schwer, etwas zu sagen.

Er hörte ihre Schritte, also folgte sie ihm, doch er drehte sich nicht zu ihr um. „Glaubst du, dass wir wirklich nichts tun können, um all das aufzuhalten?“, fragte er dann. „Wenn wir nicht kämpfen wollen...“

Ruki schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht. Ich weiß es wirklich nicht.“ Ihre Stimme wurde leiser. „Ich wünschte, wir könnten etwas tun. Ich wünschte... Ich wünschte wir hätten eine Wahl.“

„Ich weiß“, flüsterte Shoji.

Wieder schwiegen sie und liefen nebeneinander her, wobei auch er nicht umher kam zum Mond hinauf zu sehen.

„Shoji-kun?“, fragte Ruki auf einmal leise.

Etwas überrascht über die Art ihn anzusprechen, hielt er inne. „Ja?“, fragte er und drehte sich zu ihr um.

Sie griff nach seiner Hand. „Danke“, hauchte sie dann und küsste ihn kurz auf die Lippen.

Sprachlos starrte er sie an. „Ruki-san...“
 

Als Ryou erwachte, wusste er im ersten Moment nicht, wo er war und wie er hierher gekommen war. Er konnte sich nicht einmal erinnern, was zuletzt passiert war. Doch die Geräusche, die er hörte, verrieten ihm, dass er sich in einem Krankenhaus befinden musste.

Das ferne Piepsen von irgendwelchen Geräten, eilige Schritte auf dem Gang. Und dazu jener Geruch, der so typisch für Krankenhäuser war.

„Was...?“, begann er langsam. „Wie... Monodramon?“, fragte er in das dunkle des Raumes hinein. Doch niemand antwortete.

„Monodramon?“, fragte er erneut und merkte, dass seine Stimme heiser klang.

Erneut keine Antwort.

Wo war sein Digimonpartner? Ryou verstand nicht.

Er wollte sich aufrichten, nach Monodramon suchen, doch als er in der Bewegung war, merkte er, dass noch etwas nicht stimmte. Er bewegte seinen rechten Arm und hörte das Klimpern von Metall auf Metall.

„Was...“, murmelte er und sah auf sein Handgelenk hinab. Im schwachen Licht, das durch das Fenster drang, konnte er eine Handschelle sehen. Man hatte ihn an das Bett gefesselt. „Aber...“, murmelte er. „Verflucht!“

Episode 47: Simulation

Episode 47: Simulation
 

Gehen wir davon aus, dass die Menschheit eine Stufe erreicht, in der es ihr möglich ist, das Leben ihrer Vorfahren akkurat auf einem Computer zu simulieren, müssen wir davon ausgehen, dass wir selbst in der Simulation einer weiter fortgeschrittenen oder posthumanen Zivilisation leben.

                                                                                     – Nick Bostrom (2003)
 

„Sei vorsichtig“, meinte Denrei, als er Shuichon aus dem Wagen half.

„Ja ja“, erwiderte sie, leicht genervt. Ihr Arm war in einer Schlinge und geschient. Nicht etwas, weil ihr Arm gebrochen war, sondern damit sie ihren Arm und die noch immer verwundete Schulter damit weniger belastete. Dies war kein Standard bei derartigen Verletzungen, doch nachdem sie aufgewacht war und dem Arzt etwas zu aktiv wurde, hatte dieser es beschlossen, damit sie ihre Wunde nicht wieder aufriss oder gar noch schlimmer machte.

„Shuichon“, sagte Lopmon nun sanft, das aktuell auf Denreis Schulter saß, und beugte sich zu seinem Tamer. „Du musst vorsichtiger sein.“

„Ja ja“, stöhnte das Mädchen, nun noch genervter.

Es war offensichtlich, dass ihr diese Entwicklung nicht sonderlich gefiel. Schon als sie aufgewacht war, hatte sie nichts vom „im Bett liegen bleiben“ hören wollen und hatte es kaum erwarten können, wieder entlassen zu werden.

Doch Denrei wusste, dass sie vorsichtig sein musste, und er hatte sich vorgenommen, dies auch durchzusetzen, selbst wenn er wusste, dass dies schwer werden würde.

Er sah Jenrya, der vor dem Hotel wartete und seufzte leise. Jenrya hatte sich nicht wirklich beruhigt, selbst wenn er sich, seit Shuichon wieder wach war, etwas zurückhielt.

„Ich fahre den Wagen auf den Parkplatz“, sagte nun Lee Mayuri durch das heruntergekurbelte Fenster.

„Ja, mach das“, meinte Shuichon und wandte sich dann an Denrei, der einen Arm so um sie gelegt hatte, dass er sie stützen konnte. „Ich kann alleine laufen, weißst du?“

Denrei seufzte noch einmal. „Ich weiß, ich weiß.“

„Geht es dir wieder besser?“, fragte Jenrya nun, als sie den Schatten des Hoteleingangs erreicht hatten.

„Ja, natürlich“, seufzte Shuichon und warf ihm einen misstrauischen Blick zu. „Ich lebe noch, oder?“ Dann sah sie sich um. „Wo ist Otoo-san?“

„Er ist bei McCoy-san und seinen anderen Kollegen“, meinte Terriermon, das wie immer auf Jenryas Schulter saß. „Sie wollten...“ Es zögerte. „Ich glaube, sie wollten Shibumi-san besuchen.“

Shuichon nickte nur matt und sagte dazu nichts. „Können wir reingehen?“, meinte sie stattdessen. „Mit dem Gips ist es hier draußen einfach nur verflucht heiß.“

„Natürlich“, erwiderte ihr Bruder, warf Denrei noch einen scharfen Blick zu und ging dann vor in die Lobby des Hotels.

Als sie sich in dem Speisesaal gesetzt und etwas zu trinken bestellt hatten, wurde die Stille zwischen ihnen langsam unangenehm. Denrei wollte nichts sagen, da er ahnte, dass Jenrya ihn beim ersten Wort schneiden würde und er einen Streit vor Shuichon vermeiden wollte. Entsprechend war er dankbar, als Shuichons Mutter sich zu ihnen gesellte.

Doch während sein Blick durch den Speisesaal wanderte, blieb er auf dem Fernseher hingen, der an der Wand befestigt war und gerade Nachrichten zeigte.

„Das...“, flüsterte Shuichon, die seinem Blick gefolgt war.

Auf dem Bildschirm sahen sie ein Wesen, wie jenes, das vor einigen Tagen in Japan erschienen war. Doch dieses war nicht in Japan und auch nicht in Korea. Es war auf Hawaii, in den USA.
 

Es klingelte an der Tür. Shibumi hatte die Klingel nie gemocht. Sie schrillte laut durch die Wohnung und hatte noch einen dieser alten, gleichartigen Töne, anstatt einer einfachen Melodie oder etwas, das wie eine tatsächliche Glocke klang.

Er sah auf seinen Computerbildschirm und seufzte. Er musste nicht nachsehen, um zu wissen wer es war. Denn er bekam nie Besuch, seit er hier war, sofern er sich nicht etwas zu Essen bringen ließ oder Ersatzteile für seinen PC bestellte. Und eine solche Bestellung hatte er definitiv nicht aufgegeben.

Nein, die Wahrheit war, dass er insgeheim darauf gewartet hatte, dass sie kamen. Seit Megumi hier gewesen war, hatte er darauf gewartet. Dolphin und Tao, wahrscheinlich auch Keith würden da sein, würden seine Hilfe wollen, die er ihnen doch nicht geben konnte. Letzten Endes war er sich nicht einmal sicher, ob sie ihm glauben würden und wenn sie ihm nicht glaubten, konnten die den Kern des Problems nicht verstehen.

Erneut klingelte es.

Noch immer erhob er sich nicht. Selbst wenn sie ihm glaubten, konnte er doch nichts tun. Denn während er den Kern des Problems verstand, wusste, warum diese Anomalie solch starke Auswirkungen auf die digitale und die reale Welt hatte, so fehlten ihm auch konkrete Daten, um einen Lösungsansatz zu finden.

Und da war noch etwas anderes: Der Gedanke an die Lösung, die nötig wäre, gefiel ihm nicht. Ja, Shibumi wusste, dass es nur einen Weg gab, mit dem sie so schnell, wie es aktuell notwendig war, das Problem beseitigen und alle drei Welten retten konnten, doch dieser Weg war genau das, was er auf keinen Fall erreichen wollte, wo er doch so lange dafür gekämpft hatte, einen anderen Ausgang der Geschichte zu erreichen.

Ein drittes Mal klingelte es an der Tür.

Oh, er wusste, dass er sich hier nicht ewig verstecken konnte. Selbst „lang genug“ war keine Option. Denn während Dolphin vielleicht schneller aufgeben würde, wusste er doch, dass Tao dies nicht tun würde – nicht so lange das Leben seiner Kinder ebenfalls auf dem Spiel stand.

Er seufzte und stand langsam auf.

Ein viertes Klingeln, doch er war schon auf dem Weg.

Er ging durch die kahle Diele des heruntergekommenen Hauses und stand schließlich vor der mehrfach verschlossenen Tür. Er öffnete ein Schloss nach dem anderen, ehe er die eigentliche Tür öffnen konnte.

Er musste zugeben, dass er etwas überrascht war. Nicht über Dolphin, Keith, Tao und Megumi, sondern über Daisy, die ebenfalls bei ihnen war. Sie lebte nicht mehr in dieser Gegend und entsprechend hatte er nicht damit gerechnet, dass sie da wäre.

„Shibumi...“, begann Tao stotternd auf Englisch. „Wir...“

„Kommt herein“, erwiderte Shibumi, ebenfalls auf Englisch.

Die kleine Gruppe, die vor seiner Haustür stand, sah einander überrascht und vielleicht auch etwas überrascht an. Doch als er ihnen den Rücken zuwandte und zu seinem Arbeitszimmer, oder viel eher dem einzigen wirklich möblierten Zimmer des Hauses zurückging, folgten sie ihm.

So ließ er sich wieder vor seinen Rechnern nieder und sah noch einmal auf die Bildschirme.

Es war ohnehin vergeblich. Sie hatten nicht mehr genug Zeit.
 

Noch immer herrschte eine angespannte Stimmung und Rin war sich nicht sicher, ob es irgendetwas gab, was sie tun konnte oder sollte. Immer wieder sah sie zu Takumi, doch dieser schien genau so ratlos zu sein, wie sie.

Makoto hatte am Vortag jedes Gespräch abgeblockt und nun saßen Ai und Impmon stumm neben ihm, auch wenn es Ai nicht lassen konnte immer wieder zu ihm hinüber zu schielen.

Bei den beiden anderen Geschwistern sah es nicht anders aus. Denn mittlerweile hatten sie herausgefunden, dass der Junge, der Makoto begleitet hatte, als dieser angekommen war, offenbar der kleine Bruder von Nakamura war. Ja, wäre Rin nicht so angespannt und zurückhaltend gewesen, hätte sie diese Verkettung der Umstände vielleicht lustig finden können.

Immerhin hatte der jüngere Nakamura – so viel konnten sie sich zumindest zusammenreimen – in die digitale Welt reisen wollen, um seinen Bruder zu finden und Makoto hatte ihn begleitet. Und so waren sie, Takumi und Ai aufgebrochen, da Ai ihren Bruder hatte retten wollen und nun saßen sie alle zusammen und niemand schien so wirklich zu wissen, was er sagen sollte.

Nun, niemand, bis auf den jüngeren Nakamura, der immer und immer wieder Anstallten machte auf seinen Bruder einzureden.

„Du hättest zurückkommen sollen“, sagte er, nicht zum ersten Mal. „Weißt du eigentlich, was sich Vater und Mutter für Sorgen gemacht haben? Weißt du überhaupt, wie lange nach dir gesucht wurde.“

Sein Bruder saß nur da und sah ihn nicht an. „Ich konnte nicht zurück, das habe ich dir schon gesagt.“

„Es waren drei Jahre!“

Das Gespräch drehte sich schon den ganzen Tag im Kreis. Ja, eigentlich war es sogar dasselbe Gespräch, dass sie schon am Tag zuvor geführt hatten.

„Ich weiß“, erwiderte der ältere Nakamura nur.

„Wieso hast du das getan?“

„Weil es in dieser Welt Dinge zu erforschen gab“, antwortete der Ältere nur.

„Und was ist mit deiner Familie? Deinem Leben? Und mit mir?“, fragte Kaito aufgebracht.

Noch immer sah sein Bruder ihn nicht an. „Dir geht es gut und ich nehme an Vater und Mutter auch, richtig? Vater ist einflussreich und hat Geld, entsprechend werdet ihr keine Probleme gehabt haben. Ich habe hier ein Leben. Ein besseres Leben als daheim.“

„Was soll das heißen?“ Nun sprang der jüngere Bruder auf. „Was kannst du...“

„In dieser Welt gibt es echte Freiheit“, erwiderte der andere in einem ruhigen Tonfall, der einen scharfen Kontrast zum aufgebrachten Ton seines Bruders bildete. „Und in dieser Welt kann ich einen Unterschied machen. Einen Unterschied der einem einzelnen in der realen Welt unmöglich ist. Ich verstehe, dass du mir sauer bist, weil ich dich zurückgelassen habe, aber ich habe in dieser Welt ein besseres Leben gehabt. Natürlich hatte ich am Anfang Angst und wollte zurück, doch dann habe ich Sanzomon getroffen und bin sein Partner geworden. Wir haben viel über diese Welt herausgefunden und vielen Digimon helfen können. Das ist mehr, als ich in der realen Welt geschafft hätte. Deswegen werde ich auch hier bleiben. Ich weiß zu schätzen, dass du dir Sorgen gemacht und mich gesucht hast, aber ich gehöre in diese Welt.“

„Aber das...“, begann sein Bruder.

„Nakamura-san“, warf Ai nun vorsichtig ein, die wie Takumi und Rin das ganze angespannt verfolgt hatte. „Wir sollten alle in die reale Welt zurückkehren. Diese Wesen, sie sind überall, sie zerstören diese Welt, und wenn du hier bleibst, bist du in Gefahr.“

„Nicht in größerer Gefahr, als in der realen Welt“, erwiderte Nakamura. „Diese Welt und die reale Welt sind mittlerweile voneinander abhängig. Wenn es mit dieser Welt zuende geht, wird es auch mit der realen Welt zu Ende gehen.“

Kaito stand auf. „Das kann doch nicht dein Ernst sein! Ich lasse nich zu, dass du hier bleibst!“

Darauf antwortete sein Bruder nichts.

„Kaito“, begann Kuraimon zurückhaltend. „Beruhige dich doch etwas. Wir sollten darüber vernünftig reden.“

Doch sein Partner wandte sich nur ab. „Bei ihm gibt es so etwas wie Vernunft wohl nicht mehr!“ Damit ging er raschen Schrittes aus dem Raum hinaus und hätte wohl auch die Tür zugeknallt, hätte diese sich einfacher schieben lassen.

„Jetzt warte doch, Kaito!“, rief Kuraimon und flatterte hinterher.

Daraufhin stand auch Makoto auf und ging hinterher, gefolgt von seiner Schwester.

Rin sah zu Takumi. Sollten auch sie folgen? Doch Takumi blieb sitzen und sah auf den Boden vor sich. Als er ihren Blick bemerkte, schüttelte er den Kopf, sah dann aber wieder zu Boden.

Unsicher sah Rin zur Tür, die nun auch Ai wieder hinter sich schloss. Und was sollten sie tun, wenn die drei auf einmal verschwunden waren? In dieser Welt würde es sie zumindest nicht überraschen.
 

„Wir brauchen deine Hilfe, Shibumi, Gorou“, sagte Daisy nun, als sie zusammen mit den anderen unschlüssig im Zimmer hinter ihm stand.

Shibumi sagte nichts dazu.

„Du weißt, was hier vorgeht, oder?“, fragte nun auch Dolphin. „Was es mit diesen Anomalien auf sich hat...“

Noch immer schwieg er. Was sollte er auch sagen.

Er sah zu Megumi. Wie viel hatte sie ihnen erzählt? Es wunderte ihn nicht, dass sie die anderen hergebracht hatte, aber er kam nicht darum neugierig zu sein, was sie ihnen sonst berichtet hatte. Denn immerhin hatte sie ihm selbst kaum geglaubt. Nun, es wunderte ihn nicht. Wer wollte schon glauben, dass das, was er bisher für unumstößlich gehalten hatte, nur eine Illusion war?

„Wieso sprichst du nicht mit uns?“, verlangte nun Tao mit Nachdruck zu wissen.

Auch diese Frage beantwortete er nicht sofort, doch nach ein paar Sekunden holte er schließlich tief Luft und drehte sich zu ihnen herum. Sie standen da, starrten ihn an.

„Ich weiß zumindest einen Teil“, erwiderte er. „Und ich kann zumindest erahnen, was es mit diesen Wesen auf sich hat und warum sie unsere Welt vermeintlich attackieren.“

Ein gespanntes Schweigen. Alle Blicke waren auf ihn gerichtet. Nun, fast alle. Megumi sah zu Boden.

„Ich sage es euch nicht, weil ich nicht denke, dass ihr mir glauben werdet oder dass ihr mir glauben wollt“, fuhr er dann fort. „Und weil zumindest Daisy auch nach den Ereignissen vor drei Jahren noch bereit war, für die Regierung dieses Landes zu arbeiten. Und Babel auch, nicht? Aber gut, er ist nicht hier.“

Er bemerkte, dass sich Daisys Augen verengten. „Ich kann gehen, wenn du willst“, bot sie an, doch ihr Tonfall war steif.

„Es ist letzten Endes ohnehin egal“, erwiderte er und wandte sich wieder seinen Rechnern zu.

„Dann sag uns was du weißt!“, verlangte Tao nun noch einmal.

„Und dann sehe ich, ob ihr mir glauben werdet, nicht?“, meinte er. „Ja...“ Er rief eine Datei auf dem oberen rechten Bildschirm auf. Ein Screenshot, den er vor wenigen Tagen gemacht hatte.

„Nun“, begann er dann, „es ist eigentlich nicht schwer zu verstehen, was hier vor sich geht, wenn man die Tatsachen betrachtet.“ Für einen Moment machte er eine Pause, ehe er fortfuhr: „Die Wahrheit ist, dass wir damals vielleicht den Grundcode geschrieben haben, der zur Grundlage der Digimon wurde, doch keiner von uns hat ihnen wirkliche Intelligenz gegeben. Natürlich war es damals mein Ziel, doch unsere damalige Technik hat dafür einfach nicht ausgereicht. Und dennoch haben sich schon damals die ersten Digimon verselbstständigt und offenbar angefangen zu leben. Du weißt es am besten Daisy, du warst da, als sich das erste von ihnen materialisiert hat.“

„Was?“, fragte Dolphin überrascht.

„Du erinnerst dich doch noch an die vermeintlichen Randale vor unserem Labor, oder, Dolphin? Das war ein Digimon. Das erste, dass in diese Welt kam. Doch sein Code war damals nicht stabil genug, um in dieser Welt zu überleben.“

Für einen weiteren Moment pausierte er. „Nun, die eigentlich Frage ist: Wie konnte es sein, dass die Digimon eine eigene Intelligenz und ein eigenes Leben entwickelten? Wie konnte es sein, dass sogar schon damals, vor 25 Jahren ein Digimon in unsere Welt kommen konnte – selbst wenn nur für wenige Minuten? Und wie konnte es sein, dass aus einem so einfachen Anti-Virus wie dem Reaper so ein komplexes, selbstwachsendes Wesen wie D-Reaper wurde?“

„Du hast doch damals die Entelechie weiterentwickelt“, warf Tao nun ein. Seine Stimme klang, als seien seine Nerven zum Zerreißen gespannt, als müsse er sich zurückhalten, um ihn – Shibumi – nicht anzuschreien.

„Ich habe den Digimon die Möglichkeit gegeben, sich weiter zu entwickeln, doch das war es nicht, was damals passiert ist...“, antwortete Shibumi. „Nein, selbst wenn meine Version der Entelechie ihnen Intelligenz gegeben hätte, hätte es Jahre gebraucht.“ Er schüttelte den Kopf. „Nein, das was sie verändert hat, war schon vorher da. Es war ein Teil des Netzwerkes, weil es ein Teil unserer Welt war.“

Für einen Moment sagte niemand etwas.

„Wovon redest du?“, fragte Daisy schließlich.

Nun zögerte auch er mit der Antwort.

„Er sagt, dass die digitale Welt sich nur so schnell entwickeln konnte, weil sie mit den Daten dieser Welt in Kontakt gekommen ist“, meinte Megumi zurückhaltend. „Weil unsere Welten nicht wirklich verschieden sind.“

„Was...“, begann Dolphin.

„Es ist, wie sie es sagt“, meinte Shibumi und drehte sich wieder zu ihnen um. „Diese Welt ist genau so digital, wie die Welt der Digimon. Die digitale Welt ist eine Simulation in einer Simulation, aber eigentlich nur ein weiteres Programm, dass im selben System läuft. Deswegen konnten die Digimon sich überhaupt erst in dieser Welt materialisieren und deswegen reichte ein einfaches Programm, damit die Kinder auch in dieser Welt mit ihren Digimon verschmelzen konnten. Diese Welt mag zwar andere Gesetze haben, als die digitale Welt, doch digital sind beide Welten.“

„Das ist doch vollkommen haltlos!“, rief Tao nun aus. „Das ergibt keinen Sinn.“

„Janyuu“, flüsterte Daisy und legte eine Hand auf seine Schulter. Dann sah sie zu Shibumi. „Das ist nicht wahr, oder?“

„Es gibt keine andere Erklärung“, erwiderte Shibumi. „Und wenn ihr darüber nachdenkt, wisst ihr es auch.“ Er schüttelte den Kopf und deutete dann auf den Screenshot. „Dass ist ein Abbild einer der kleineren Ebenen der digitalen Welt“, erklärte er. „Das links daneben ein Abbild von dieser Stadt.“

„Was soll das heißen?“, fragte Dolphin nun heiser. „Heißt das, du kannst den Code dieser Welt einsehen?“
 

„Nakamura-kun“, begann Makoto unsicher und streckte eine Hand aus, um sie dem älteren Jungen auf die Schulter zu legen, doch dieser drehte sich um und schlug die Hand weg.

„Er ist so ein Idiot!“, begann er zu fluchen. „So ein verdammter Idiot! Er hat mir versprochen immer für mich da zu sein und jetzt will er einfach in dieser Welt bleiben?!“

„Beruhige dich doch, Kaito“, meinte Kuraimon und sah seinen Partner mitleidig an.

Ai stand hinter einer Ecke des Tempels und beobachtete die kleine Gruppe. Sie hatte eigentlich endlich mit Makoto reden wollen, doch wusste sie, dass jetzt nicht der richtige Zeitpunkt dafür war. Sie sah zu Impmon, das ihr gefolgt war und nun auch die Ohren wortwörtlich gespitzt hatte.

„Ich kann verstehen, dass du sauer bist“, meinte Makoto nun, „und du hast Recht, dass er in die reale Welt solle... Aber ich glaube, dass du bei ihm nichts erreichen kannst, wenn du ihn anschreist.“

„Woher willst du das wissen? Du kennst ihn nicht!“, erwiderte der andere scharf.

„Kaito!“ Kuraimons Stimme wurde eindringlicher, doch Makoto seufzte und schüttelte den Kopf.

„Natürlich kenne ich ihn nicht... Aber vielleicht kennst du ihn auch nicht. Ihr habt euch so lange nicht gesehen und... Und man kann anderen Leuten nur vor den Kopf schauen, weißt du? Manchmal stellst du fest... Stellst du fest, dass du selbst Leute, mit denen du jeden Tag zusammen bist, nicht richtig verstehst.“

„Woher willst du das wissen?“, erwiderte Kaito, jedoch weniger spitz als vorher.

„Wegen meiner Schwester und Impmon“, antwortete Makoto leise.

Ai spannte sich an und rutschte noch ein bisschen weiter von der Gebäudeecke weg, um sicher zu gehen, dass man sie nicht sah.

Einige Sekunden lang schwieg Makoto, ehe er schließlich weiter sprach. „Ich habe mich daran gewöhnt, eine friedliche Lösung zu suchen und mich die ganze Zeit zurückgezogen, wenn wir gestritten haben. Aber so habe ich nicht gesehen, dass die Dinge, die geschahen die beiden verändert haben... Ich wollte etwas anderes als sie und ich habe nie in Ruhe mit ihr geredet. Ich habe nie gesagt, warum ich sauer auf sie war und auch wenn sie es vielleicht verstanden haben, haben sie sich doch immer weiter von mir entfernt... Und deswegen... Deswegen... Deswegen habe ich keinen Partner mehr.“ Seine Stimme zitterte, als er diesen Satz zuende brachte.

„Hanegawa-kun...“, begann Kaito vorsichtig.

„Du solltest ruhig mit deinem Bruder reden, vielleicht wird er es dann verstehen“, meinte Makoto nun, woraufhin Kaito nur schwieg.

Es war Kuraimon, das die nun folgende Stille brach. „Ich glaube, er hat Recht, Kaito.“

Der ältere Junge atmete einige Mal hörbar ein und aus. „Ja, vielleicht hat er das“, sagte er dann wesentlich ruhiger als zuvor. „Danke, Hanegawa-kun.“

Ai sah zu Impmon, das ebenfalls den Blick gehoben hatte. Am liebsten wäre sie aus ihrem Versteck gekommen und hätte mit Makoto geredet, doch sie wusste, dass kein ruhiges Gespräch möglich wäre, wenn er bemerkte, dass sie ihn belauscht hatten. Sie nickte Impmon zu und so leise sie konnten schlichen sie zum Eingang des Tempels zurück, darauf hoffend, dass Kuraimon sie nicht hörte oder zumindest nicht verriet.
 

Shibumi schwieg eine Weile, dann nickte er aber. „Ja, das heißt es. Ich kann den Code dieser Welt sehen, doch ihn zu verändern ist nicht so leicht...“ Wieder zögerte er. „Wir haben es aber dennoch gemacht. Als wir Terriermon die Daten überspielt haben, um Doodlebug auszuführen, haben wir seine Daten verändert, obwohl es ein Teil unserer physischen Welt waren. Ja, das Programm hat unsere physische Welt verändert. Und genau so hat das Programm, dass Hypnos für Dukemon geschrieben hat die vermeintlich physische Welt verändert.“

„Was willst du damit sagen?“, fragte Tao, noch immer angespannt. Er schien zu ahnen, wovon Shibumi sprach. Er konnte es in seinen Augen sehen.

„Das Programm, was ihr auf diese Karte geladen habt, hat Dukemon zu sehr verändert“, sagte er. „Es hat die Realität, die Gesetze dieser Welt verändert, indem es Dukemon zu sehr verändert hat.“

„Aber es war nur ein weiteres Programm“, meinte Dolphin nur. „Nichts anderes als Doodlebug.“

Shibumi nickte bedächtig. „Das ist wahr. Doch ich habe die Vermutung, dass der Effekt der D-Reaper Zone sich auf den Effekt von Doodlebug ausgewirkt hat, das außerdem nicht ganz in unserer Welt gezündet wurde. Dazu kommt, dass derjenige, der für den Vorfall letzten Monat verantwortlich war, auch ein Digimon in dieser Welt erschaffen hat, wenn ich richtig informiert bin. Das könnte den Effekt verstärkt haben.“

„Welchen Effekt?“, verlangte Daisy nun zu wissen.

„Die Anomalie ist schon vor langer Zeit aufgetaucht. Sie stammt aus einer anderen Datenebene der digitalen Welt, einer Ebene, die – wenn man so will – noch weiter von unserer Welt entfernt war. Ich nehme an, dass sie auf ähnliche Art und Weise von der digitalen Welt getrennt war, wie die digitale Welt von der unseren. Doch spätestens nach dem Vorfall vor drei Jahren ist nicht nur die Grenze zwischen unserer und der digitalen Welt beinahe komplett zerstört worden, sondern auch die Grenze zwischen der digitalen Welt und der Welt dieser Anomalie. Ich habe die Anomalie daraufhin das erste Mal in der digitalen Welt beobachten können – sie hat die Daten einzelner Ebenen dort stark verändert. Und ich nehme an, dass es der Vorfall im letzten Monat die Grenzen noch einmal beschädigt hat, weshalb die Anomalie nun auch in unsere Welt vordringen konnte.“

„Aber das ist doch...“, begann Dolphin, verstummte aber, als fielen ihm keine Worte ein.

Shibumi hatte damit gerechnet, dass sie ihm nicht glauben würden, weshalb er nur schwieg und abwartete. Natürlich wollten sie ihm nicht glauben, niemand würde glauben wollen, dass sein ganzes Leben nicht mehr war, als eine Illusion – nein, eine Simulation.

Tatsächlich war Shibumi überrascht, dass es offenbar Tao war, der sich als erstes faste. Natürlich, Megumi schwieg und sah zu Boden, da sie seine Theorie schon einmal gehört hatte und aus Keiths verschlossenem Blick leitete er ab, dass offenbar auch er dies nicht zum ersten Mal hörte. Beide standen hinter den anderen und es war klar, dass Megumi lieber woanders wär.

Dolphin starrte ihn noch immer mit einer Mischung aus Fassungslosigkeit und Wut an, während Daisy nur betroffen wirkte.

„Warum erzählst du uns das?“, fragte Tao schließlich.

„Weil ihr wollt, dass ich euch helfe, etwas gegen diese Anomalie zu tun, doch damit ihr etwas gegen diese Wesen tun könnt, müsst ihr verstehen, wie sie überhaupt hierher kommen“, antwortete Shibumi.

„Aber wie soll uns das helfen, etwas zu tun?“, erwiderte Tao.

Shibumi schüttelte den Kopf. „Ich bin mir nicht sicher, ob es noch etwas gibt, was wir tun können.“

Schweigen. Noch immer sah ihn Daisy betroffen an und noch immer zitterte Taos Hand.

Wenn er sie ansah, kam Shibumi nicht umher sich zu fragen, ob sie wirklich erwartet hatten, dass er eine Lösung für dieses Problem aus dem Ärmel schüttelte.

„Was meinst du?“, fragte Daisy schließlich.

„Er meint“, begann Megumi mit brüchiger Stimme, „dass das einzige, was wir tun könnte, wäre, den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen. Als die Welten noch getrennt waren. So könnte die Anomalie nicht mehr in die digitale oder in die reale Welt eindringen.“ Unsicher sah sie zu ihm hinüber, senkte aber rasch wieder den Blick. „Das Problem ist, dass die Daten der Welten vielleicht schon zu stark miteinander vermischt sind und wir sie vielleicht nicht mehr trennen können, zumal wir nicht wissen, was es mit der Welt der Anomalie auf sich hat.“

Niemand sagte etwas und es schien, als würden sie auf eine Bestätigung von ihm warten, weshalb er schließlich nickte. „Uns fehlen Daten über die Anomalie und da sie bereits mit unserer und der digitalen Welt verbunden ist, ist es nicht so einfach möglich, die Welten voneinander zu trennen.“

„Was soll das heißen?“, fragte Dolphin, obwohl Shibumi wusste, dass er sehr wohl verstand.

„Uns fehlen Daten“, erwiderte Shibumi. „Und wenn wir etwas ohne diese Daten programmieren, kann es sein, dass wir dem System nur noch größeren Schaden zufügen.“

Daisy schüttelte vehement den Kopf. „Dann besorgen wir diese Daten. Wir müssen doch irgendwie darauf zugreifen können! Wenn die Welten miteinander verbunden sind...“ Doch dann verstummte auch sie.

„Wir konnten die Daten, die Denrei und Shuichon gesammelt haben, nicht auswerten“, murmelte Tao.

Dies bestätigte Shibumi mit einem Nicken. „Und wir haben einfach keine Zeit mehr.“
 

So waren Rin und Takumi nun mit dem älteren Nakamura und den Digimon allein. Keiner von beiden wusste wirklich, was er sagen sollte, oder viel eher ob es nicht besser war zu schweigen. Immerhin kannten sie weder diesen jungen Mann, noch seinen Bruder wirklich und vielleicht ging es sie auch nichts an, was sich zwischen ihnen abspielte.

Doch während Nakamura das Tablet, das er schon vorher benutzt hatte, wieder herausholte, war es eines der Digimon, das die Stimme erhob. Es war Bearmon, das nun aufstand und zu dem jungen Mann hinübergeht.

„Willst du deinen Bruder wirklich alleine zurückschicken?“, fragte es und sah den Menschen mit fragendem Blick an.

Überrascht sah Nakamura auf, ehe sein Blick zu dem Digimon hinüber wanderte. Doch er antwortete nicht.

Bearmon starrte ihn weiter an. „Ich weiß nicht wirklich viel über Menschen“, gab es dann zu. „Aber sollten Brüder nicht füreinander da sein?“

Nakamura seufzte. „Vielleicht“, antwortete er. „Aber manchmal gibt es Dinge, die wichtiger sind. In der digitalen Welt passieren Dinge, die sie vielleicht zerstören und ich möchte das aufhalten, verstehst du?“

Nun war es Takumi, der auf einmal aufsprang. „Und wie willst du das alleine tun? Wir haben gesehen, was hier vorgeht, wir haben gegen die infizierten Digimon gekämpft und auch gegen so ein... Ein komisches Wesen, das kein Digimon war. Und selbst Ai, die mit Impmon verschmelzen konnte, hatte keine Chance dagegen.“ Er sah zu Nakamura, dann zu Sanzomon. „Du kannst nicht mit deinem Partner verschmelzen und wenn ihr nicht das Ultimate Level erreichen könnt, wie wollt ihr dann etwas ausrichten?“

„Was willst du damit sagen?“, fragte Nakamura.

Takumi zögerte einen Augenblick, überwand sich dann aber, die Antwort gerade heraus zu geben: „Es gibt nichts, was du noch tun kannst. Du bringst dich und deinen Partner nur unnötig in Gefahr. Ich will auch etwas tun, um diese Welt zu retten, aber...“ Er schüttelte den Kopf. „Ich glaube nicht, dass wir noch etwas tun können...“, flüsterte er dann leise.

Episode 48: Unter der Oberfläche

Episode 48: Unter der Oberfläche
 

Egal was ich tue, ich entferne mich immer mehr von meinen Freunden. Ich bin außen vor, das fünfte Rad am Wagen. Ich kann nichts mehr richtig machen. Alles, was ich je wollte, war ein guter Freund und ein guter Bruder für Shuichon zu sein. Doch auch bei Shuichon habe ich versagt. Ich konnte sie nicht beschützen Und am Ende war ich der Bösewicht, der Antagonist. Gibt es für mich keinen Platz mehr?

                                                               – Lee Jenrya
 

Jenrya hasste es. Er hasste einfach alles. Die ganze Situation... Es war, als würde ihm niemand beachten, als wäre es vollkommen unwichtig geworden. Er wusste, dass sein Vater am Tag vorher mit Shibumi geredet hatte, doch niemand hatte ihm sagen wollen, was aus diesem Gespräch heraus gekommen war. Niemand hatte ihm irgendetwas sagen wollen.

Ja, es war, als sei er vollkommen überflüssig. Dabei hatte seine Familie doch eigentlich ihn besuchen wollen. Und nun?

Sein Vater war, nachdem er von Shibumi zurückgekommen war, mit Daisy und Megumi zum Institut gefahren und hatte jedwede Hilfe abgelehnt, als Jenrya diese angeboten hatte. Wohin Dolphin war hatte ihm auch niemand sagen wollen und genau so wenig, was Shibumi ihnen erzählt hatte. Nur eins hatte er sagen können: Was auch immer es war, es hatte sie alle irgendwie verstörrt.

„Warte, Jian!“, hörte er eine piepsige Stimme hinter sich, die er natürlich als die Terriermons erkannte.

Er wunderte sich, dass sein Digimonpartner ihm gefolgt war, denn es war noch früh am Morgen und die Sonne ging gerade erst auf. Da Terriermon ein Landschläfer war, hatte er es schlafen lassen, als er selbst aufgestanden war. Er hatte in der vergangenen Nacht kaum geschlafen. So vieles spukte ihm im Kopf herum und hatte ihm den Schlaf geraubt. Deswegen hatte er rausgehen wollen, um in der frühen Morgenluft ein wenig seine Gedanken zu klären.

„Was machst du hier?“, fragte er seinen Partner, als dieser auf seinen Kopf sprang.

„Ich suche dich, natürlich!“, erwiderte das Digimon, das nun schlaff seine Ohren hinabhängen ließ und gähnte. „Ich sollte dich fragen, was du hier machst!“

„Ich wollte nur ein wenig frische Luft schnappen“, erwiderte er.

Letzten Endes war es nicht nur sein Vater gewesen, der ihn abgewiesen hatte. Da war auch noch Shuichon. Shuichon, die verletzt worden war, die wegen Denrei verletzt worden war und dennoch nicht auf ihn, ihren Bruder, hören wollte.

„Moumantai, Jian“, kam es auf einmal von Terriermon.

Überrascht sah er zu dem Digion auf. „Was?“

„Moumantai“, wiederholte das Digimon, wobei es dieses Mal jede Silbe in die Länge zog.

„Wieso?“, fragte Jenrya nun.

„Weil du missmutig aussiehst. Die ganze Zeit schon. Immer so missmutig.“ Es zog eine Grimasse. „Sei mal fröhlicher. Don't worry, be happy!“

Jenrya blieb stehen und sah auf die leere Straße, die durch das Licht der langsam aufgehenden Sonne, in ein seichtes Orangerot getaucht war. Dann sah er zum Himmel. „Wieso sollte ich fröhlich sein?“, fragte er schließlich, leise und mehr an sich selbst, als an Terriermon gewandt. „Die Welt geht unter und ich...“

Auch er hatte die Nachrichten am Tag zuvor gesehen. Die Nachrichten von diesen Wesen, die nun auch auf Hawaii aufgetaucht waren und dort, trotz Gegenwehr einiger lokaler Tamer, offenbar eine absolute Katastrophe ausgelöst hatten. Denn auf irgendeine Art und Weise störten diese Wesen diese Welt, die reale Welt, zerstörten sie.

Doch auch dazu wollte ihm niemand etwas erzählen. Niemand gab ihm Informationen. Weder sein Vater, noch Shuichon, obwohl er wusste, dass sie etwas mit der Anomalie zu tun gehabt hatte, als sie zusammen mit Denrei in der digitalen Welt gewesen war. Auch davon hatte ihm niemand etwas gesagt!

Gab es überhaupt noch eine Rolle für ihn in dieser Geschichte, in diesem Kampf? War es überhaupt noch sein Kampf?

„Jian!“, holte Terriermons Stimme ihn nun aus seinen Gedanken.

Sein Blick wurde wieder klarer. „Was?“

„Du bist immer noch mein Tamer und egal was passiert, wir werden zusammen kämpfen, oder?“, meinte Terriermon.

„Was?“, fragte er noch einmal, ehe die Worte des Digimons langsam in sein Gehirn vordrangen. „Ja, natürlich“, erwiderte er dann, wenngleich mit matter Stimme.

Das Digimon sah ihn besorgt an. „Jian... Seit... Seit... Ich weiß nicht einmal seit wann... Du bist so abweisend. Warum musst du so abweisend sein? Zu mir. Zu Alex. Ich bin doch dein Freund und Alex auch! Wieso siehst du das nicht?“ Damit sprang das Digimon von seinem Kopf, machte in der Luft einen Überschlag und sah ihn dann mit seinen großen Perlaugen an.

„Ich...“, begann Jenrya. „Ich bin dein Freund. Wir sind Freunde. Es ist nur... Es ist nur...“ Er verstand nicht. Was sollte er sagen? Was wollte Terriermon, das er sagte? Hatte es Recht? Ja, er war abweisend gewesen, aber das alles war doch nur, weil seine eigentlichen Freunde ihn im Stich gelassen hatten. Er hatte keinen Platz mehr in dieser Welt und deswegen...

„Jian, bitte“, flüsterte sein Partner.

Er zögerte, doch im nächsten Moment erklang ein durchdringender Piepston, der von seinem Digivice ausging.
 

Tatsächlich war Jenrya nicht der einzige, der früh an diesem Morgen wach lag und seinen Gedanken nachhing. Auch wenn diese Gemeinsamkeit Jenrya vielleicht nicht unbedingt gefreut hatte. Denn es war Denrei, der ebenso wach lag.

Er hatte sich auf die Seite gedreht und sah Shuichon an, die neben ihm schlief. Sie lag auf dem Rücken, obwohl sie normaler Weise lieber auf der Seite schlief, da ihre verletzte Schulter ihr keine andere Lage erlaubte. Dennoch schien sie gut zu schlafen, selbst wenn dies vielleicht auch mit am Schlafmittel lag, das die Ärzte ihr aus dem Krankenhaus mitgegeben hatten.

Denrei seufzte. Er wusste nicht, was er machen sollte. Er hatte sie beschützen wollen und nun... Nun war es vielleicht egal, dass er versagt hatte. Auch er hatte am Tag zuvor immer und immer wieder die Berichterstattung von Hawaii verfolgt, die irgendwann abgebrochen war. Wenn noch mehr dieser Wesen der Anomalie hier auftauchten, so wusste auch er, würde diese Welt es wohl nicht verkraften. Doch gleichzeitig war er sich sicher, dass diese Wesen ihnen nicht feindlich gesinnt waren. Immerhin hatten sie es doch selbst erlebt, als sie in der digitalen Welt gewesen waren. Diese Wesen hatten ihnen keinen Schaden zugefügt, sie hatten gesagt, dass sie nur leben wollten. Gab es denn keinen Weg, dass sie lebten, ohne die digitale Welt und die reale Welt zu beschädigen?

Doch so sehr er sich auch wünschte, eine solche Lösung zu finden, so wusste er doch auch, dass er kämpfen würde, wenn es darum ging, diese Welt zu beschützen. Immerhin war diese Welt, die Welt, in der er aufgewachsen war und in denen die Menschen – und Digimon – lebten, die er beschützen wollte und so?

Er seufzte. Warum hatten sie nicht mehr Zeit? Warum hatten sie keine Möglichkeit etwas zu tun? Warum mussten sie wieder und wieder kämpfen?

Sein Blick glitt zu Dracomon und Lopmon hinüber, die auf dem Sofa neben dem Bett schliefen.

Womit hatte dies alles angefangen? Hatte es schon damals angefangen, als Takato, Ryou und die anderen ihre Digimonpartner bekamen? Oder hatte es angefangen, als die Demon Lords ihren Plan festigten, die reale Welt zu überfallen? Denn damals war die Grenze zwischen den Welten so stark zerstört worden und deswegen – da war er sich sicher – kamen diese Wesen überhaupt hierher.

Wenn es doch nur einen Weg gäbe...

Er drehte sich auf den Rücken und sah zu dem Ventilator, der im Halbdunkeln unter der Decke seine Kreise drehte. Da wurde die Stille des Zimmers durch den schrillen Piepston der beiden Digivices auf dem Nachttisch unterbrochen, deren Bildschirme rot aufleuchteten. Er wusste, dass dies nichts gutes bedeutete.
 

Saint Galgomon flog über San Fransisco hinweg, während die Sonne immer höher am Himmel aufstieg.

Aus irgendeinem Grund wusste Jenrya bereits, was es war. War es Intuition, hatte es damit zu tun, dass er den Körper mit einem Digimon teilte oder einfach nur damit, dass er es die ganze Zeit befürchtet hatte. Doch irgendwie wusste er es: Diese Anomalie war nun auch hier. Sie war in San Fransisco. Und sie mussten sie aufhalten! Er wusste es. Dann... Ja, dann was?

Aber vielleicht, so dachte er sich, hatte es so zumindest einen Sinn, dass er hier war, selbst wenn er zu sonst nichts zu gebrauchen war.

Und während Saint Galgomon nun an Höhe gewann, erkannte er das Wesen. Er hatte Recht gehabt, es war die Anomalie. Doch war sie dieses Mal nicht auf Land erschienen, sondern im Wasser, direkt hinter Alcatraz.

Doch auch, wenn sie eigentlich hätte im Wasser versinken sollen, so schien sie beinahe auf der Wasseroberfläche zu stehen. Nur ihre Füße drangen in das Wasser ein.

Vorsicht jetzt, Jian“, hörte er Terriermons Stimme.

Ja, er wusste, dass sie vorsichtig sein mussten. Immerhin hatte er die Bilder aus Tokyo gesehen und wusste, was diese Wesen taten, wenn sie mit Digimon in Kontakt kamen.

So umkreiste das riesige Maschinendigimon mit vielen Metern Abstand zum Boden die verlassene Gefängnisinsel und das Wesen, dass im Wasser stand und von dort aus nun zu ihm aufsah.

Tatsächlich griff das Wesen Saint Galgomon nicht an, sondern beobachtete es nur, wobei es ein seltsames Geräusch, wie den Gesang eines Wales erklingen ließ.

Doch dann sah Saint Galgomon, und damit auch Jenrya, etwas anderes: Eine kleine Fregatte bewegte sich auf die Insel zu, ein Kriegsschiff des Militärs und Jenrya wusste genau, was ihr Ziel war.

Sollte er sich einmischen?

Er wusste nicht genau, ob das Militär etwas gegen dieses Wesen tun konnte, auch wenn vielleicht die Munition, die sie gegen Digimon verwendeten, gegen diese Wesen Schaden anrichten konnten – immerhin kamen sie auch aus dem Netz, oder? Doch wenn nicht... Er glaubte nicht, dass Menschen den Kontakt mit diesen Wesen so lang überstehen konnten, wie Digimon.

Und so flog Saint Galgomon tiefer hinab, um besser eingreifen zu können.

Da war das Schiff nahe genug heran gekommen, um zwei Raketen auf das Wesen abfeuern zu können. Die beiden Geschosse lösten sich aus ihrer Vorrichtung und zischten auf die Anomalie zu, trafen sie nur wenige Augenblicke später.

Und für einen Moment geschah etwas seltsames: Die Tetraeder, aus denen das Wesen zu bestehen schien, flackerten und stoben kurz auseinander, ehe sie wieder ihre feste Gestalt annahmen. Das Wesen wandte seinen Blick der Fregatte zu.

Diese machte die nächsten Raketen bereit, feuerte dieses Mal gleich vier ab, doch dieses Mal öffnete das Wesen sein Maul und während erneuter Walgesang ertönte, schoss ein Energiestrahl aus dem nun unförmig verformten Maul hervor, traf die Raketen in der Luft und ließ sie explodieren, ehe sie ihr Ziel erreichten. Dann traf der Stahl das Schiff, welches im nächsten Moment explodierte. Dabei hinterließ es keinen Trümmerhaufen, wie es zu erwarten gewesen wäre, sondern nur in der Luft schwebende Datenpartikel.

Wir müssen etwas tun!“, rief Jenrya und im nächsten Moment machte sich Saint Galgomon zum Angriff bereit.
 

„Du bleibst hier“, meinte Denrei scharf, als Shuichon ihm weiterhin folgte, während er dabei war, auf schnellstem Weg das Hotel zu verlassen.

Er trug noch immer das T-Shirt, in dem er geschlafen hatte und hatte nur eine Hose übergezogen, während auch Shuichon, die sich ohnehin nicht alleine umziehen konnte, im Nachthemd über ihn herlief.

„Einen Teufel werd' ich tun!“, erwiderte sie. „Ich kann weiterhin kämpfen!“

Mittlerweile hatten sie bereits mitbekommen, dass eins der Wesen der Anomalie in der Buch von San Fransisco aufgetaucht war. Und Denrei hatte keines Falls vor dies zu ignorieren. Immerhin hatte er gesehen, wie das Militär hier auf die Digimon schoss und er ahnte, dass man mit diesem Wesen nicht rücksichtsvoller umgehen würde.

Dennoch drehte er sich noch einmal um. „Du bist verletzt, wie willst du so etwas tun?“

„Als ob es einen Unterschied machen würde, sobald ich mit Lopmon verschmolzen bin“, erwiderte sie und hätte wohl die Arme in die Seiten gestemmt, wäre es ihr möglich gewesen. „Stimmt es, Lopmon?“

„Shuichon, ich...“, begann das Digimon unsicher. „Vielleicht sollten wir wirklich...“

„Wir müssen etwas tun!“, erwiderte sie lautstark und dickköpfig. „Wir kennen diese Wesen! Wir waren in der digitalen Welt! Vielleicht können wir etwas tun!“

„Aber Shuichon...“ Denrei sah sie an, doch wusste er bereits, dass es vergebens war.

„Wenn du mich nicht mitnimmst, läuft Minervamon im Notfall!“, meinte sie mit eisernem Blick.

Und so seufzte Denrei. „In Ordnung.“ Damit wandte er sich um und sah zu Dracomon. „Bist du bereit?“

Das Drachendigimon nickte. „Natürlich, Den!“

Und so liefen sie weiter, liefen durch die Eingangshalle des Hotels, wo einige sie seltsam ansahen, liefen durch die sich automatisch öffnende Tür und hoben, als sie endlich auf dem Vorplatz waren ihre Digivices. „Matrix Evolution!“

„Dracomon – Shinka! Slayerdramon! Shinka – Examon!“

„Lopmon – Shinka! Minervamon!“

Im nächsten Moment sprang Minervamon auf Examons Schulter, während das riesige Drachendigimon seine gewaltigen Flügel ausbreitete und vom Boden abhob.
 

„Burst Shot!“ Die kleinen Raketen lösten sich aus Saint Galgomons Körper und schossen alle auf das Wesen zu, das seinen Kopf gerade noch rechtzeitig nach oben wenden, konnte, um sie zu sehen. Im nächsten Moment war es von einer Explosion umgeben.

Haben wir es geschafft?“, fragte Jenrya, während Saint Galgomon hinabsah.

Doch als sich der Rauch lichtete und der durch die Explosionen aufgeworfene Staub von der Insel langsam legte, saß das Wesen immer noch da und sah zu ihnen hinauf, so als hätte es überhaupt keinen Schaden erlitten.

Was...?“, begann Jenrya ungläubig und starrte es an.

Das ist nicht gut, Jian!“, warnte Saint Galgomons Stimme ihn, als das Wesen das Maul öffnete.

Im nächsten Augenblick wichen sie einem weiterem Energiestrahl aus, der in die Richtung des Ultimates gerichtet war und der sie nun nur knapp verfehlte.

Aber wie kann das sein?“, flüsterte Jenrya. Sie hatten mit der Attacke getroffen. Teile des Felsens, der Alcatraz bildete, waren ins Meer gefallen, obwohl sie nicht einmal direkt von der Explosion betroffen waren und dieses Wesen hatte keinen Schaden genommen? Er schüttelte den Kopf. Er durfte sich nicht ablenken lassen. „Noch einmal!“, rief er.

„Giant Missle!“, rief Saint Galgomon nun aus und die beiden großen Raketen lösten sich von seinen Schultern und trafen das Wesen.

Riesige Wellen wurden auf dem Meer aufgewirbelt, als die Explosion erneut das Wesen umhüllte, und rasten auf den Hafen zu, waren aber doch nicht groß genug, um wirklichen Schaden anzurichten – zumindest hoffte Jenrya dies.

Doch erneut hatte die Attacke kein Glück und dieses Mal schoss der Energiestrahl auf sie zu, noch bevor sich der Qualm gelegt hatte.

„Vorsicht!“, rief Saint Galgomon, während es weiter auswich.

Da erklang ein weiterer Schrei. „Hört auf!“

Der Ruf verwirrte Jenrya, doch als Saint Galgomon seinen Kopf wandte, verstand er, was los war. Denn ein Digimon, das so groß war, wie Saint Galgomon – ja, sogar etwas größer – bewegte sich auf sie zu.

Doch diese kurze Ablenkung reichte. Saint Galgomon wurde getroffen und im nächsten Moment zerfiel seine Schulterpanzerung zu Datenpartikeln.

Die Panzerung war ein Teil vom Körper des Digimon gewesen und so spürte auch Jenrya ein Stechen in der Schulter. „Verflucht.

Wütend sah er zu Examon hinüber, das nun mit großer Geschwindigkeit über den Hafen hinwegflog, während sich eine weitaus kleinere Gestalt von seiner Schulter löste und auf den Felsen der Insel hinabsprang.

Das ist Minervamon!“, hörte Jenrya die Stimme seines Partners.

Shuichon!“, rief er.

Schon wollte er Saint Galgomon dazu anhalten, wieder anzugreifen, bevor das seltsame Wesen ihr etwas tun konnte, doch im nächsten Moment kam Examon auf Saint Galgomon zugeflogen und packte es. Ehe Jenrya sich versah, hatte Examon seine Klauen unter Saint Galgomons Armen und hielt diese Umklammert.

„Wir sollten nicht gegen diese Wesen kämpfen“, knurrte es.

Dieses Wesen hat Menschen getötet“, erwiderte Jenrya und wusste, dass Denrei seine Stimme hören würde.

„Diese Wesen sind nicht hier um zu kämpfen“, antwortete Examon nur.

Derweil stand Minervamon auf einem Felsen und sah das Wesen an.

Der Blick des Wesens war noch immer auf Saint Galgomon gerichtet, doch schien es nicht erneut angreifen zu wollen. Vielleicht weil es dann auch Examon treffen würde und es Examon noch nicht als Feind ansah? Nein, das konnte nicht sein, immerhin war das Wesen hierher gekommen, um diese Welt zu vernichten, oder?

„Hey, du!“, rief Minervamon nun. „Du da!“

Das Göttinnendigimon rief dies auf japanisch, doch bei diesen Wesen sollte die Sprache keinen Unterschied machen.

Für einige Sekunden schien es nicht, als hätte das Wesen Minervamon nicht gehört, denn es rührte sich nicht und wandte auch seinen Blick nicht ab. Doch dann lies es erneut den Walgesang ertönen und seine violetten Augen bewegten sich etwas. Dann, ganz langsam, wandte es sich zu Minervamon um, das am Rand von Alcatraz stand.

„Shuichon!“, rief Jenrya, aber Minervamon reagierte nicht.

Das Wesen schien das Digimon zu betrachten, während dieses seinen Blick fest auf den Kopf des Wesens gerichtet hatte.

„Ihr seid hier, um mehr über die Menschen zu erfahren, oder?“, fragte Minervamon nun. „Deswegen seid ihr hergekommen, oder?“

Natürlich erhielt es keine Antwort. Wahrscheinlich konnte dieses Wesen ihm nicht einmal antworten.

„Weißt du von mir?“, fragte Minervamon. „Wir waren bei euch in eurer Welt! Shuichon und Lopmon! Ihr habt damals gesagt, dass ihr mehr über Menschen wissen wollt. Das ist der Grund, warum ihr nun hier seid, oder? Weil ihr mehr über diese Welt und über die Menschen wissen wollt!“

Es war schwer zu sagen, ob das Wesen überhaupt zuhörte, geschweige denn verstand, was Minervamon da sagte. Doch es sah das Digimon an, ohne es anzugreifen. Also verstand es vielleicht doch etwas?

Doch Jenrya wollte es nicht riskieren. Immerhin war es Shuichon! Shuichon, seine kleine Schwester, die er beschützen musste. „Shuichon!“, rief er noch einmal. „Wir müssen etwas tun!

Jian!“, erwiderte Terriermons Stimme daraufhin. „Vielleicht sollten wir etwas abwarten. Ich weiß es nicht, aber vielleicht hat Shuichon ja Recht. Wir gefährten sie auf jedenfall mehr, wenn wir jetzt etwas machen!

„Sei ruhig!“, knurrte auch Examon. „Shuichon weiß, was sie tut!“

Jenrya sah auf das Schauspiel vor der ehemaligen Gefängnisinsel hinab. Wie konnte er einfach hier warten und nichts tun?

Nun lösten sich kleine weiße Tentakelchen aus dem Körper des Wesens und streckten sich in Richtung Minervamons, das nun eine Hand ihnen entgegenstreckte. Als die Tentakelchen die ausgestreckte Hand berührten, fing diese an zu flackern, doch ansonsten passierte nichts.

„So ist gut“, sagte Minervamon leise. „Du verstehst mich, oder? Wir wollen euch nichts tun, aber unsere Welt hält es nicht aus, wenn noch mehr von euch hierher kommen. Ihr zerstört unsere Welt. Ich weiß, dass ihr das nicht wollt, aber... Unsere Welt ist anders als die Digiwelt und so viel anders als eure Welt. Daher...“

Das Wesen starrte sie an, mit diesen einfarbigen Augen, die keinerlei Schluss auf eine Emotionsregung oder ähnliches zuließen. Was dachte es? Dachte es überhaupt?

Doch auf eine seltsame Art und Weise, die er selbst nicht erklären konnte, hatte er das Gefühl, dass das Wesen die Worte tatsächlich verstand.

Da hörte Saint Galgomon etwas anderes. Einen Flugzeugmotor. An sich nichts ungewöhnliches, immerhin war der Flughafen nicht allzu weit entfernt, doch was es hörte, klang nicht nach dem Motor einer Passagiermaschine, sondern nach etwas kleinerem, schnelleren.

Auch Examon schien es zu hören, denn es wandte seinen Kopf um.

Im nächsten Moment, schien die ganze Welt aus weißem Licht zu bestehen.
 

Shibumi hatte gesehen, was am Hafen vorgefallen war. Ja, vielleicht hatte er nicht gehört, was gesprochen wurde, doch er hatte genug gesehen, um zu verstehen, was es zu bedeuten hatte. Denn auch er verstand langsam, was Denrei und Shuichon bereits wussten: Diese Wesen waren nicht hier, um zu kämpfen. Sie waren aus einem anderen Grund hier. Doch das änderte nichts daran, was ihre Anwesenheit für diese Welt bedeutete. Und genau das war das Grund, warum das Militär gehandelt hatte.

Denn anders als Japan, hatte man hier kein Hypnos, keine Einrichtung, die mit Tamern zusammenarbeitete, sonder hatte sich ganz darauf verlassen, dass Militär entsprechend auszurüsten.

Deswegen hatte man gehandelt, so wie man es für richtig hielt.

Doch würde dieser Schritt ihnen wenig bringen, wenn sie auf lange Sicht dachten. Es würde wenig daran ändern, was in den nächsten Tagen passieren würde und dann wäre alles vorbei.

„Verflucht“, murmelte er.

Er wusste genau, dass es nicht viel gab, was er tun konnte, ohne die Daten zu haben. Doch konnte er es wirklich verantworten, sich hier noch länger zu verstecken? Denn mit oder ohne ihm, würden sie diese Welt vernichten. Wenn diese Wesen es nicht taten, dann würden die Menschen es selbst tun. Und das alles nur, weil sie nicht verstanden, was es mit diesen Wesen, der Anomalie, den Digimon, dieser Welt selbst auf sich hatte.
 

„Was ist das...“, flüsterte Shuichon, als Denrei sie über Wasser zog und sie das erste Mal sah, was passiert war.

Nun, eigentlich konnte keiner von ihnen so wirklich wissen, was passiert war, doch zumindest ahnte Denrei es, auch wenn sein Gehirn das, was er da vor sich sah nicht verstehen wollte. Was hatte es zu bedeuten?

Er konnte es nicht sagen. Beim besten Willen konnte er es sich nicht erklären.

Das seltsame Wesen der Anomalie war verschwunden und er ahnte, dass sie es getötet haben mussten. Es hatte einen Blitz gegeben, als man eine Bombe auf sie abgeworfen hatte, doch er wusste, dass es keine normale Bombe gewesen sein konnte. Denn sie hatte nicht nur das Wesen vernichtet, sondern auch die Verschmelzung zwischen ihnen und ihren Digimon aufgelöst.

„Moumantai...“, hauchte Lopmon schlaff, während es sich an Shuichon klammerte und seine Ohren soweit ausgebreitet hatte, dass sie seinem Körper genug Auftrieb gab.

Noch immer flackerte sein Körper und Dracomon, das sich kaum über Wasser halten konnte, ging es nicht anders.

Doch das war nicht das seltsamste. Immerhin hatte Denrei bereits die Waffen gesehen, die Digimon Schaden zufügen konnten und entsprechend überraschte es ihn nicht zu sehr, dass eine der Waffen auch ihre Verschmelzung beenden konnte. Nein, war er nicht begreifen konnte, war der Zustand des Meeres und der Insel.

Denn dort, wo zuvor noch das seltsame Wesen gestanden hatte, und Alcatraz Island flackerten, wie das Bild eines schlecht eingestellten Röhrenfernsehers. Ja, sie flackerten, wie Teile der digitalen Welt, die mit schädlichen Daten in Kontakt gekommen waren oder auf andere Art und Weise beschädigt waren.

Aber wie konnte das sein? Fraglos war es genau die Reaktion, die er von einem Stück Land in der digitalen Welt erwarten würde, dass von einer solchen Waffe getroffen worden war. Doch dies war nicht die digitale Welt. Dies war die reale Welt und...

Shuichon stöhnte auf und hielt sich die Schulter.

„Shuichon“, flüsterte er besorgt.

„Denrei“, keuchte derweil Dracomon, dass mit den Armen und Beinen paddelte, um über Wasser zu bleiben.

Da hörte er einen anderen Ruf. „Shuichon!“, brüllte Jenrya, ehe er zu ihnen hinüberkraulte.

Zumindest dieses eine Mal war Denrei ihm dankbar, denn als Jenrya Shuichon an sich zog und sie so über Wasser hielt, konnte er Dracomon unter die Arme greifen, um ihm beim Schwimmen zu helfen.

Doch als er sich umsah, wurde ihm noch etwas anderes klar. Wenn sie niemand aus dem Wasser zog, würden sie ertrinken. Denn das Ufer war weit entfernt. So weit, dass er er die Hafenmauer kaum sehen konnte, nur einige Häuser konnte er in der Ferne erkennen. Und das Wasser war kalt.

Jenrya schien dasselbe zu bemerken. „Zur Insel“, keuchte er, während er eindeutig Probleme hatte, sich selbst und Shuichon über Wasser zu halten.

Für einen Augenblick zögerte Denrei. Er wollte schon seinen Zweifeln Ausdruck verleihen, doch er wusste, dass dies wahrscheinlich zu einem Streit führen würde und er konnte sich keine Situation vorstellen, in der ein Streit unangebrachter wäre als jetzt. Deswegen nickte er nur und schwamm los, Dracomon mühsam mit sich ziehend.

Die Insel kaum mehr als 200 Meter entfernt und auch wenn er vollkommen außer Atem war, hoffte er, dass sie es schaffen würden. Sie mussten es schaffen.
 

Robert McCoy war angespannt. Dies war das letzte, was hätte passieren sollen. Als hätten sie nicht schon genug Probleme, wie es war.

Und doch zeigte es ihm eins: Shibumi hatte Recht. Denn anders konnte er sich die Bilder, die er sah nicht erklären. Zu gerne hätte er diese Reaktion der realen Umgebung irgendwie erklärt. Immerhin kam es teilweise vor, dass auch reale Gebäude, wenn sie von Digimonattacken getroffen wurden, zu Daten wurden, aber je mehr er darüber nachdachte, desto mehr wurde ihm klar, dass dies kein Gegenargument war, sondern nur bestätigte, was Shibumi sagte.

„Was können Sie dazu sagen?“, fragte der Offizier, der vor seinem Pult stand und ihn fordernd ansah. „Was ist da passiert?“

Halb wunderte es Robert, dass man zu ihm gekommen war, hatte das Militär doch eigene Berater, selbst wenn diese nicht an der Erschaffung der Digimon beteiligt gewesen waren.

Jedoch war ihm eine Sache klar: Würde er sagen, war auch er erst gerade begrriff, würde man ihm nicht glauben. Dennoch, er war es satt, sich wegzuducken, wenn man ankam, und so wie es im Moment aussah: Was hatte er zu verlieren?

„Alles, was ich sehe, ist das Ergebnis einer ungetesteten Waffe.“ Kühl blickte er den uniformierten Mann an.

„Sie haben nicht das Recht darüber zu urteilen“, erwiderte der Offizier, dessen Namensschild mit „Avoy“ beschriftet war.

„Sehen Sie, Mister Avoy“, erwiderte Robert, „ich dachte sie wären hier, um mich zu fragen, was dort geschehen sei. Und was geschehen ist, ist, dass sie oder irgendeiner ihrer Oberen den Einsatz einer nicht getesteten Waffe authorisiert hat. Denn Ich gehe davon aus, dass die Waffe ungetestet ist, wenn sie so von ihren Folgen überrascht sind.“

„Sie unverschämter...“, begann Offizier Avoy, ehe er jedoch inne hielt und zur Tür des Labors sah.

Wütende Stimmen waren zu hören, ehe einen Moment später die Tür aufgestoßen wurde und Janyuu wutentbrannt hineingeschritten kam.

Ohne jedwede Zurückhaltung packte er den Offizier und schubste ihn hart gegen das nächste Regal. „Das waren meine Kinder dort draußen! Was haben Sie getan?“ Eine Hand am Uniformkragen, drückte er den Mann weiter gegen das Regal.

„Janyuu, beruhige dich...“, versuchte Robert – wenngleich halbherzig – auf seinen Freund einzureden, doch ohne auch nur eine Reaktion hervor zu rufen.

„Haben Sie überhaupt nachgedacht, was Ihre Waffe anrichten kann? Was war das? Was haben Sie getan?“, schrie Janyuu den Mann an, der für einen Moment zu überrascht war, um irgendetwas zu antworten.

Dann jedoch fasste er sich langsam, griff nach Janyuus Hand und versuchte ihn zurück zu drängen. „Sie haben keine Autorität militärische Entscheidungen zu hinterfragen. Wer sind Sie überhaupt?“, erwiderte er, eine Hand am Waffenholster seines Gürtels.

Doch was folgte, war nur eine schnelle Bewegung und im nächsten Augenblick lag Avoy bäuchlings auf dem Boden, während Janyuu ihm einen Arm auf den Rücken verdreht hatte.

„Yamenasai, Tao“, erklang auf einmal eine andere Stimme, die japanisch sprach. „Es reicht, Tao.“

Alle Augen im Raum richteten sich auf die Gestalt, die leicht gebeugt in der Tür stand. Es war Mizuno Gorou. Shibumi.

Episode 49: Zu spät

Zu dem Vorfall, der sich gestern in der Bucht von San Francisco ereignete gibt es soweit keine weiteren Informationen. Aus Sicherheitsgründen bleibt die Golden Gate Bridge bis morgen, den 30. Juli, weitläufig gesperrt.

                                                     - San Francisco Gate, Twitter Newsfeed, 28. Juli 2011
 

28. Juli 2011 – San Francisco, California, USA
 

Für Denreis Geschmack hatte er in den letzten Tagen zu viel Zeit in abgeschlossenen Räumen verbracht, während er um Shuichon bangen musste. Erneut war nicht einmal Dracomon hier und nach dem was passiert war, konnte er sich nicht einmal sicher sein, dass es Dracomon gut ging.

Er hatte noch immer keine Ahnung, was es mit der Bombe, die das Militär abgeworfen hatte, auf sich gehabt hatte. Alles, was er wusste, war, dass sie Examon großen Schaden zugefügt hatte und er wahrscheinlich froh sein konnte, noch zu leben. Irgendetwas an der Bombe schien den Digicore der Digimon angegriffen zu haben – und wahrscheinlich war sie auch genau dafür gedacht gewesen.

Im Vergleich zum letzten Mal – gerade einmal vor drei Tagen – dass er in einem abgeschlossenen Raum gehockt hatte, war nun die Gesellschaft jedoch noch weniger nach seinem Geschmack.

Auf dem Plastikstuhl neben ihm saß Jenrya und schien genau so bemüht darum, ihn nicht anzusehen, wie es umgekehrt der Fall war. Anders als das letzte Mal, wo die Polizei sie nur in irgendein leeres Büro gebracht hatte, saßen sie dieses Mal in einem Verhörraum, wie er sie schon mehr als einmal in amerikanischen Filmen gesehen hatte. So wusste er auch, dass hinter dem Spiegel zu ihrer Seite wahrscheinlich irgendwer saß, um sie zu beobachten. Dies war einer der Gründe, warum er nicht besonders daran interessiert war, einen weiteren Streit mit Jenrya anzufangen.

Shuichons Bruder hatte in den letzten Tagen ohnehin oft genug gezeigt, dass man mit ihm nicht reden konnte...

Die Zeit verging. An der gekachelten Wand ihnen gegenüber hing eine Uhr, an der er ablesen konnte, dass sie nun bereits gute zwei Stunden hier saßen. Es ging auf Mittag zu. In Japan musste es bereits Nacht sein.

Bisher war niemand gekommen. Niemand hatte sie verhört. Sie saßen nur hier.

Verflucht! Dabei wollte er etwas tun. Was dort draußen passiert war, war falsch gewesen. Es war falsch diese Anomalien anzugreifen und es würde sie nirgendwohin bringen. Es würde den ganzen Prozess allerhöchstens beschleunigen – das wusste er.

Und von allem, was er sagen konnte, hatten sie ohnehin nicht mehr viel Zeit. Etwas stimmte einfach nicht mehr mit der Welt und wenn sie es nicht aufhalten konnten, dann würde etwas schlimmes passieren.

Nur wusste er auch, dass dieses etwas nicht mit Waffen oder irgendeiner anderen Form von Gewalt aufgehalten werden konnte.

Er hasste es so tatenlos rumzusitzen. Wenn doch nur irgendwer sich blicken lassen würde. Um sie zu verhören oder was auch immer zu tun. Dann würde er sich zumindest nicht so nutzlos fühlen.

Nach einer Weile stand er auf und ging um den Tisch herum, bedacht darauf, Jenrya dabei nicht direkt anzusehen. Er ging zu dem Wandspiegel hinüber und sah hinein, klopfte dann dagegen, in der geringen Hoffnung, dass irgendwer auf der anderen Seite reagieren würde. Dann wartete er. Nichts geschah.

Er seufzte. Natürlich.

Ein lautes Knallen ließ ihn zusammenzucken und erst, als er instinktiv herumfuhr wurde ihm klar, dass es Jenrya war, der auf den Tisch gehauen hatte. Er zitterte.

Denrei zögerte. Noch immer hatte er nicht das geringste Interesse daran, mit dem jungen Chinesen zu reden. Immerhin hatte er ihn vor ein paar Tagen angegriffen.

Doch am Ende wurde ihm diese Entscheidung abgenommen, als Jenrya sich zu ihm herumdrehte. „Wieso?“

Denrei sah ihn nur stumm an, antwortete aber nicht. Er war sich nicht mehr sicher, was die Frage war.

Doch Jenrya beantwortete seine unausgesprochene Frage: „Wieso hast du sie mitgenommen?“

Eigentlich hätte er es sich denken können. Denrei seufzte. „Weil sie mitkommen wollte. Ich kann es ihr nicht verbieten.“

„Du hast sie mitgenommen!“, schnauzte Jenrya ihn an und stand auf. „Sie wäre nicht da gewesen, hättest du sie nicht mitgenommen!“ Er ging um den Stuhl herum und machte ein paar Schritte auf Denrei zu.

Dieser wich ein paar Schritte zurück. Er wollte sich nicht streiten. Vor allem wollte er sich nicht mit ihm schlagen – schon gar nicht hier, beobachtet von irgendwelchen Militärleuten, die wahrscheinlich nur nach einem Grund suchten, sie mindestens für mehrere Tage wegzusperren. Bis es zu spät war. „Jenrya“, versuchte er mit ruhiger Stimme zu sprechen, „sie wollte gehen. Ich habe ihr davon abgeraten, es ihr aber nicht verboten. Sie und ich waren gemeinsam in der digitalen Welt.“ Er senkte die Stimme, in der Hoffnung, dass man ihn so nicht hören konnte. „Wir waren in der Welt, aus der diese Wesen kommen. Wir haben dort mit ihnen geredet.“

Jenrya ließ nur ein wütendes Schnauben hören und machte einen weiteren Schritt auf ihn zu. „Was hat das mit irgendetwas zu tun?“
 

28. Juli 2011 – Digitale Welt
 

Ai saß auf der Veranda des Schreins in der digitalen Welt und sah auf die Ebene hinaus. Die entfernten Berge, die Brücken, die Wolken... Alles beschienen vom bläulichen Licht der realen Welt, die wie ein seltsamer Mund im Himmel hing.

Sie konnte nicht schlafen. Sie wusste nicht einmal sicher, was sie denken sollte.

Eigentlich hatte sie gehofft, dass alles vorbei war, wenn sie Makoto finden würden. Auch wenn sie sich nicht sicher war, was sie erwartet hatte. Wahrscheinlich, dass er einfach nur froh war, sie zu sehen; dass sie sich aussprechen würde; dass er ihr vergeben hatte.

Warum fühlte sie sich überhaupt so schlecht?

Hatte sie es ihm wirklich weggenommen? Sie hatte ihn belogen oder es zumindest verheimlicht. Aber es nie ihre Absicht gewesen, allein Impmons Partner zu sein. Sie hatte ihn nicht ausschließen wollen. Nur war ihr klar gewesen, dass Makoto sich nicht einfach so ihr anschließen würde. Er war zurückhaltender als sie.

Und jetzt? Was sollte sie jetzt tun? Sie hatte das Gefühl, dass sie mit ihm reden sollte, doch wusste sie nicht, wie sie es anfangen könnte.

Außerdem hatten sie keine Zeit. Sie mussten in die reale Welt zurück. Das wusste sie. Zumal jetzt, wo sie aus irgendeinem Grund nicht mehr mit Impmon verschmelzen konnte... Sie wollte einfach nur noch nach Hause.

Dabei konnte sie kaum glauben, dass sie so dachte. Vor einiger Zeit hätte sie noch alles für ein Abenteuer in der digitalen Welt gegeben. Echte Abenteuer hatten jedoch an sich, dass man verletzt wurde und mit allem, was sie hier in den vergangenen Tagen erlebt hatten... Nein, sie wollte nach Tokyo zurück.

Sie seufzte und stand auf, um zu den anderen zurück zu gehen, die in den äußeren Bereichen des Tempels schliefen – Mädchen und Jungen natürlich getrennt, da Sanzomon darauf bestand... Doch zumindest würde Rin da sein und Impmon...

Auch wenn sie noch immer keine Ahnung hatten, wie sie in die reale Welt zurückkehren sollten, würden sie morgen aufbrechen. Sie mussten es einfach probieren!

Doch gerade als sie sich umdrehte, um in das Innere des Tempels zurückzukehren, sah sie eine kleine weiße Gestalt etwas entfernt von ihr am Rand der hölzernen Veranda stehen, während eine andere Gestalt auf diese zulief.

„Tailmon?“, flüsterte Ai und zog verwirrt die Augenbrauen zusammen.

Das andere Digimon war Bearmon, das nun Tailmon erreicht hatte. „Was machst du wieder, Tailmon?“, fragte es mit gesenkter Stimme – wahrscheinlich um niemanden zu wecken. „Tailmon! Tailmon!“ Es nahm die Pfote des Katzendigimons und zog daran. „Lass uns wieder rein gehen!“

Doch Tailmon sah nur auf die Ebene hinaus und Ai erkannte ein seltsames, violettes Schimmern in den Augen des Digimon. Sie hatte es erst für eine Reflektion der Streams aus der realen Welt gehalten, doch nun erkannte es, dass es von Innen heraus kam.

„Es kommt“, flüsterte Tailmon nur mit monotoner Stimme. „Wir sind hier. Wir sind ein Teil der Welt. Wir wollten es nicht. Es kommt...“

Ai starrte das Digimon an. „Tailmon...“, flüsterte sie und folgte Tailmons Blick. Sie hatte ein ungutes Gefühl.

Erst schien alles wie zuvor, doch dann bemerkte sie, dass tatsächlich etwas nicht stimmte. War es schon vorher da gewesen? Sie konnte es nicht sagen. Doch ein seltsames Flackern lief durch die Berge in der Entfernung. Beinahe wie ein Rauschen, doch anders, als es in der digitalen Welt normal war. Verpixelter. Heller. Einfach... Nicht richtig.

Ai drehte sich um. So wenig sie auch Sanzomon leiden konnte, so hatte sie doch das Gefühl, dass sie besser mit dem Digimon reden sollte.
 

28. Juli 2011 – Sao Paolo, California, USA
 

Es war besser, als man es hätte hoffen können, so schnell hinzubekommen. Das alte Labor war mit einem kleinen Server ausgestattet worden, inklusive einer Verbindung zur Serverfarm der Paolo Alto Universität. Studenten halfen ihnen dabei, die Bildschirme und Rechner an den Tischen aufzubauen, doch Janyuu wusste sehr genau, dass es wahrscheinlich nicht reichen würde.

Er hatte die Ausstattung gesehen, die Shibumi bei sich daheim genutzt hatte und die Keith nun zusammen mit Rob holte. Er kannte die Hypnos Ausstattung mittlerweile nur zu gut. Doch selbst wenn sie all das zusammennahmen... Ihnen lief die Zeit davon!

Was im Hafen passiert war, hatte Folgen gehabt. Noch immer flackerte Alcatraz, noch immer schien das Wasser in der Bucht einen seltsamen Zustand zu haben – beinahe wie in einem glitchenden Videospiel.

Er konnte Shibumis Theorie nicht länger anzweifeln. Jedoch bedeutete dies ebenso, dass Shibumis andere Vorhersage auch zutreffen würde: Es war zu spät. Wenn sie das Programm nicht fertig stellten... Sie hatten dafür keine Zeit mehr!

Mit einem Seufzen sah er auf den Bildschirm.

Wie sollte er den Code in der kurzen Zeit verstehen? Ein Teil von ihm tat sich noch immer schwer zu akzeptieren, dass er sein ganzes Leben selbst in einer digitalen Welt, in einer Simulation, verbracht hatte, und jetzt starrte er auf den Code, der laut Shibumi einen Zustand eben dieser Welt darstellen sollte. Und es war anderer Code. Der Code war nicht zu vergleichen mit dem eher simplistischen Code, in dem sie damals die digitale Welt der Digimon programmiert hatten, war sogar vollkommen anders, als irgendeine Programmiersprache, mit der er selbst gearbeitet hatte, wenngleich zumindest grundlegende Prinzipien, wie Bedingungen und Schleifen zu existieren schienen.

Doch das war nur die Oberfläche! Nur ein kleiner Zeit. Shibumi sagte selbst, er hatte nicht alle Daten und die Daten, die er hatte beinhalteten Petabyte von Daten – und das war einzig und allein der Code.

„Tao...“, hörte er eine nur allzu bekannte Stimme neben sich.

Er sah auf, als sich Linda, Daisy, gerade neben ihn setzte.

Sie sah genau so müde aus, wie er sich fühlte, und hatte wahrscheinlich in den letzten Tagen nicht viel mehr geschlafen als er.

Nun, vielleicht doch. Immerhin musste sie sich bei alledem nicht auch noch um eine Tochter Gedanken machen, die erneut medizinisch versorgt werden musste, und einen Sohn, der vom Militär festgehalten wurde. Von einem Militär, das noch immer nicht einsehen wollte, dass ihr Einsatz ein Fehler war. Er wollte seinen Kindern helfen, doch wusste er nur zu gut, dass – wenn Shibumi wirklich Recht behalten sollte – alle Hilfe ihnen nichts brachte, wenn sie dieses Rätsel nicht lösten.

„Was ist?“, fragte er und wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Code zu.

Sie legte ihm eine Hand auf die Schulter und sah für einen Moment so aus, als wollte sie ihm Mut zusprechen. Dann jedoch seufzte sie und schüttelte den Kopf, als würde sie sich gerade selbst sagen, dass es nichts brachte. „Ich habe einen Anruf von Megumi bekommen. Sie sagt, sie sind auf den Rückweg.“

Janyuu nickte nur.

Für einen Moment herrschte Stille zwischen ihnen, dann setzte Linda erneut an: „Ich habe außerdem Kali und Babel erreichen können. Sie sind auf dem Weg. Kali sagte... Vielleicht könnte sie uns helfen.“

Es war aus ihrer Stimme klar, dass sie nicht davon sprach, dass Kali ihnen mit der Programmierung helfen könnte. „Was meinst du?“

„Sie kennt ein paar Leute und wird anfragen... Nun...“ Linda nahm die Tasse Kaffee, die sie mitgebracht hatte, und trank einen Schluck, ehe sie weiter sprach. „Sie arbeitet bei der NASA. Vielleicht hat sie ein paar Möglichkeiten...“

Janyuu nickte. „Vielleicht...“

Irgendwie konnte er nicht daran glauben, dass die NASA ihnen helfen wollte. Nicht solange die amerikanische Regierung die Augen verschloss vor dem, was hier vor sich ging. Selbst wenn... Wäre es genug?

„Wir können hoffen“, sagte er schließlich trank selbst einen Schluck des schon stark abgekühlten Kaffees neben seiner Tastatur, nur um erneut die Aufmerksamkeit dem Code zuzuwenden. „Wir brauchen Shibumi, um das alles zu verstehen“, gab er dann schließlich zu, woraufhin Linda nur nickte.
 

28. Juli 2011 – San Francisco, California, USA
 

Egal wie wütend er eigentlich auf Jenrya war: Denrei hatte keine Lust mehr zu streiten. Er hatte von all dem genug. Sie hatten nun wirklich besseres zu tun.

Deswegen wich er nur weiter vor Jenrya zurück. „Es war falsch diese Wesen anzugreifen“, versuchte er mit ruhiger Stimme zu sagen. „Wenn wir nur vernünftig mit ihnen reden würden, würden sie vielleicht in ihre Welt zurückkehren.“

„Woher willst du das Wissen?“, fauchte Jenrya.

„Weil wir da waren!“, erwiderte Denrei mit Nachdruck. „Sie sind keine Feinde!“

Natürlich hinterließ dies wenig Eindruck bei dem jungen Chinesen. „Sie haben Menschen angegriffen! Sie hätten beinahe Shuichon umgebracht!“

„Hätten sie nicht und das wusste Shuichon!“ Denrei konnte nicht verhindern, dass seine Stimme nun doch etwas lauter wurde. Nun stand er doch mit dem Rücken zur Wand und hob abwehrend die Hände, um Jenrya davon abzuhalten, erneut zu versuchen ihn zu schlafen, wie es schon so oft vorgekommen war.

„Du hast sie in all das hereingezogen!“, rief Jenrya nun aus. Seine Augen waren kalt.

„Nein, habe ich nicht“, antwortete Denrei. „Hör dir doch einmal selbst zu, Jenrya!“ Er biss die Zähne zusammen, um etwaige Unfreundlichkeiten zurückzuhalten. „Jenrya. Hör mir einmal zu. Ich weiß, dass du mich nicht leiden kannst und mit Verlaub, kann ich dasselbe auch umgekehrt sagen.“ Das hatte er sich nicht verkneifen können. „Ich weiß auch, dass ich in der Vergangenheit...“ Kurz zögerte er, da er sich unsicher war, wie er es ausdrücken sollte. „Dass ich in der Vergangenheit Dinge gemacht habe, mit denen ich Shuichon und auch andere in Gefahr gebracht habe“, beendete er dann den Satz. Nur zu gut konnte er sich an Darkdramon erinnern und daran, wie er beinahe Shuichon umgebracht hätte. „Ich weiß, dass ich Fehler gemacht habe und ich verlange nicht, dass du mir vertraust. Aber um Himmels Willen: Vertrau deiner Schwester! Vertrau Shuichon! Sie weiß, was sie tut, und egal wie sehr du es dir vielleicht auch wünscht: Sie ist kein Kind mehr. Sie ist alt genug, um selbst Entscheidungen zu treffen! Du musst sie nicht beschützten!“

Weiter kam er nicht. Eigentlich überraschte es ihn schon, dass Jenrya ihn hatte soweit kommen lassen, ehe er ihm einen Kinnhaken versetzte.

Zu gerne nur hätte Denrei sich gewehrt, doch er wusste, dass es alles nur noch schlimmer machen würde. „Jenrya. Sei vernünftig“, sagte er nur und ließ sich zu Boden sinken.

„Das musst du sagen“, knurrte Jenrya und packte ihn am Kragen.

Jedoch kam er nicht dazu, noch einmal zuzuschlagen, ehe die Tür aufging und ein Offizier in Uniform herein kam.

„Please get back to your chairs“, sagte er in einem geübten Kommandoton. „You have been arrested and any further resistance will be punishable. So please, Mr. Lee, get away from him.“

Jenrya zögerte. Seine Faust war noch immer geballt, doch ließ er sie schließlich sinken und machte einen Schritt zurück.

„Sit down now“, sagte der Offizier. „Both of you.“

Am liebsten hätte sich Denrei sein schmerzendes Kinn gerieben, doch wagte er nicht, Schwäche zu zeigen. Stattdessen stand er vom Boden auf und ging zu dem Plastikstuhl hinüber, während er den Offizier musterte.

Der Mann hatte dunkelbraunes Haar und war recht muskulös gebaut. Denrei schätzte ihn auf Ende dreißig, vermochte es aber nicht genau zu sagen, da es ihm schwer fiel, Amerikaner an ihrem Äußeren einzuschätzen. Dann entdeckte er das Namensschild an der Uniform, dass den Offizier als Kommandant ausgab: Commander C.L. Johnson.

Schweigend setzte sich Denrei hin und beobachtete den Mann weiterhin. „You cannot hold us here forever“, sagte er, wenngleich seine Probleme mit der englischen Sprache dafür sorgten, dass seine Stimme bei weitem nicht so sicher klang, wie er es sich wünschte.

„Right now we can“, sagte der Commander Johnson eisern und sah ihn mit kalten, grauen Augen an. „Both of you have entered and hindered a military effort without authorization.“

Nur zu gerne hätte Denrei etwas dazu gesagt, dass sie sicher niemanden behindert hatten und das viel eher das Militär sie daran gehindert hatte, das ganze friedlich zu lösen. Doch er wusste zu genau, dass es ihnen nur noch mehr Probleme einbringen würde. Stattdessen versuchte er dem Mann in die Augen zu sehen. „Where are our Digimon?“, fragte er stattdessen langsam. „And what happened to Shuichon?“

„Your Digimon have been contained for now“, antwortete der Mann. „And if you mean the young lady, who has been aiding you: She has been taken care of and is resting, before we will question her, too.“

„She is my sister!“, warf Jenrya aufgebracht ein.

„We are aware of that fact.“ Die Stimme des Mannes war beinahe Tonlos. „But that does not change anything about the ongoing investigation.“ Er sah Jenrya kurz an, ehe er sich auf den Stuhl ihnen gegenüber setzte. „As you might have already figured: I am here to question you.“

Beide jungen Männer schwiegen und sahen ihn nur an.

„First of all, I would like you to confirm your personal data.“

Weiteres Schweigen.

„Your name is Jianglian Lee. Birthdate 6th of December 1991. You have Japanese nationality and currently study here in San Francisco. Is that correct?“ Er las die Daten von einem Tablet ab.

„Yes“, erwiderte Jenrya nur tonlos, doch an seinem angespannten Kiefer konnte Denrei sehen, dass er seine Wut nur schwer unterdrückte.

Der Soldat sah nun ihn an. „Your name is Denrei Yuki. Birthdate 21st of October 1991. You, too, have Japanese nationality and are currently visiting the US. Is this correct?“

„Yes“, antwortete Denrei. Er hatte seinen Reisepass bei sich gehabt. Wozu also das ganze Prozedere?

„Now, would you please tell me, what the two of you have been doing at Alcatraz during a military operation?“, fuhr Cmd. Johnson ruhig fort und wurde im ersten Moment erneut von Schweigen getroffen.

Was sollte Denrei auch sagen? Mit jedem Moment wuchs seine Abneigung gegen das amerikanische Militär.

„I am a licensed tamer“, antwortete Jenrya mit zusammengepresstem Kiefer. „I wanted to help the military, when I saw that creature attacking.“

„But you did not intervene, when that creature attacked“, erwiderte der Kommandant.

Jenrya schwieg. „I was too slow.“

Denrei verkrampfte sich. Er wusste, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis man ihn frage. Und dann? Was sollte er dann antworten.

Er konnte nur Hoffen, dass Janyuu oder irgendwer gerade versuchte, sie hier herauszuholen.

Natürlich hatte er Recht mit seiner ersten Vermutung. Nur einen Moment später wandte sich Cmd. Johnson ihm zu. „What about you, Mr. Yuki?“

Denrei zögerte. Dann entschloss er sich zu lügen.
 

28. Juli 2011 – Tokyo, Japan
 

Eine seltsame Stimmung hatte sich in Tokyo ausgebreitet. Angst. Verwirrung. All das schien auf den Straßen zu herrschen, die für die Verhältnisse der Metropole in den vergangenen Tagen mehr und mehr verlassen geworden waren. Die Erdbeben, die Anomalie, all das hatte dazu geführt, dass vermehrt Menschen die Stadt verließen – flohen. Nicht das es einen Ort gab, zu dem sie wirklich fliehen konnten.

Mittlerweile war die Anomalie in den USA aufgetaucht und in Moskau. Es war eins der Wesen in Indien erschien und trieb dort noch immer sein Unwesen, da es dort einfach niemanden gab, der es aufhalten konnte.

Mitsuo hasste es. Sie waren dafür verantwortlich! Sie hatten es soweit kommen lassen!

Doch was hätten sie tun können, um es aufzuhalten.

Mit zusammengebissenen Zähnen stand er in seinem Büro und sah auf die Straßen vor dem Metropolitan Government Building hinab. Es war auffällig, dass einige der Neonlichter der Läden Shinjukus nicht mehr brannten – es wirkte dunkler.

Natürlich hatte er die Übertragung aus San Francisco gesehen, hatte auch schon mit Janyuu gesprochen. Er hatte gesehen, was passiert war, hatte auch die Bilder gesehen von der Verwüstung, die jene Bombe hinterlassen hatte. Eine effektive Waffe gegen diese Wesen. Doch war soweit nicht klar, was für Folgen es haben würde.

Er hörte, wie die Tür aufging und drehte sich um.

„Wo ist Namiko?“, fragte er, als er seine Frau in der Tür stehen sah.

Reika seufzte und ging zu ihm hinüber. „Ruki passt auf sie auf.“

Daraufhin schwieg Mitsuo. Er war sich nicht ganz sicher, was er sagen konnte, sagen sollte. Schließlich nickte er nur. Reika würde schon verstehen – sie verstand ihn immer.

„Janyuu und die anderen arbeiten dran“, stellte sie dann fest. „Ich habe eine Nachricht von Megumi bekommen.“

Er nickte. „Ja. Ich habe mit ihm gesprochen.“

„Was werden wir tun?“, fragte sie.

Manchmal hasste er, wenn sie das tat. Sie hatte selbst schon genau in Erwägung gezogen, was sie tun konnte, was das beste zu tun wäre, wusste genau, das er dies auch getan hatte, und ebenso genau, welche Antwort sie von ihm hören wollte. „Was können wir denn noch tun?“, erwiderte er nüchtern.

„Wir können versuchen etwas zu ändern“, antwortete sie. „Der Code, den du...“ Sie unterbrach sich selbst, um sich zu verbessern. „Der Code, den wir Takato-kun gegeben haben. Wir können den Code ihnen schicken. Vielleicht hilft es ihnen.“

Mitsuo nickte nur und wandte sich wieder dem Fenster zu.

Für eine Weile herrschte Schweigen. Er konnte in der Reflektion des erleuchteten Raums, in dem sie standen, sehen, wie Reika hinter ihn trat. Dann spürte sie ihre Hand auf seiner Schulter. „Wie geht es Akiyama?“

Er zuckte nur mit den Schultern. „Er bleibt erst einmal im Krankenhaus. Die Ärzte sagen, er ist übermüdet und dehydriert...“ Nicht das es einen Unterschied für sie gemacht hatte. Immerhin hatte Ryou mit dafür gesorgt, dass sie erst in diese Situation gekommen waren.

„Vielleicht solltest du mit ihm reden“, schlug sie vor.

Er drehte den Kopf halb, um sie aus den Augenwinkeln anzusehen. „Wieso? Was sollte ich mit ihm besprechen.“

„Du könntest mit ihm darüber reden, was passiert ist“, antwortete sie. „Akiyama... Ryou-kun braucht irgendjemanden, mit dem er sprechen kann.“

Erneut schwieg Mitsuo.

„Was ist mit Takato?“, fragte Reika dann.

Nun drehte er sich doch wieder zu ihr um. „Was?“

„Hast du mit ihm noch einmal über die Anomalie gesprochen? Über den Code? Die rote Karte?“ Forschend sah sie ihn an, obwohl sie doch ganz genau die Antwort auf ihre Fragen kannte.

Deswegen schwieg er. Sie wusste es ja doch!

„Takato-kun und Ruki... Sie wollen nicht weiter kämpfen“, meinte Reika. „Nicht gegen... Gegen diese Wesen.“ Sie hatte sich offenbar bewusst dagegen entschieden, die Wesen als „Anomalie“ zu bezeichnen. „Mitsuo, nach den letzten Tagen... Vielleicht sollten wir ihnen eine Chance geben, einen anderen Weg zu finden.“

Doch er schüttelte nur den Kopf. „Wie?“, fragte er. Natürlich hatte er selbst schon darüber nachgedacht, doch es war zu spät – einmal ganz davon abgesehen, dass es nicht seine Entscheidung zu treffen war. Er selbst war auch nur ein Beamter der Regierung und hatte schon genug Schaden angerichtet, als er damals – vor zehn Jahren – auf eigene Faust gehandelt hatte. „Es ist zu spät...“

„Vielleicht“, gab Reika mit einem Seufzen zu. „Aber vielleicht...“

Sie verstummte, als das Licht im Zimmer plötzlich ausging.

„Was...“ Mitsuo drehte sich zum Fenster um, gerade als der Boden erneut zu wackeln begann. Auch draußen waren die Lichter der Stadt erloschen. Ein Stromausfall... Ein weiteres Erdbeben...

War es wirklich schon zu spät?

Flackernd ging das Licht wieder an, als der Notstromgenerator des Gebäudes ansprang.

Für einen weiterem Moment zögerte er, dann drehte er sich um und ging zu seinem Rechner, um eine Email an Janyuu zu schicken.
 

28. Juli 2011 – Sao Paolo, California, USA
 

„Uns fehlen noch immer Daten“, murmelte Shibumi. Er kaute auf einem Sandwich, während seine Augen über die sechs Bildschirme, die vor ihm aufgebaut waren, flogen. „Es fehlen Daten...“

Das hatte er in den letzten Stunden hatte er es schon so oft gemurmelt, doch noch immer war sich Megumi nicht sicher, was er genau damit meinte.

Sie sah zu Keith, der nur mit den Schultern zuckte.

Erst vor einer dreiviertel Stunde waren sie mit Shibumis eigenem Server und seinem Rechner hergekommen und hatten nun die letzten Minuten damit verbracht, die Geräte alle miteinander zu verkabeln und miteinander zu registrieren – auch wenn es nun zu laufen schien.

„Shibumi“, begann Rob McCoy vorsichtig. „Kannst du uns erklären, was du meinst?“

Noch immer war sich niemand ganz sicher, was er überhaupt vorhatte.

Seit er vor einigen Stunden hergekommen war und endlich seine Hilfe angeboten hatte, hatte er noch immer kein Wort darüber verloren, sondern nur etwas von einem Code, von fehlenden Daten und der Simulation gemurmelt.

Shibumi reagierte nicht sofort, doch dann ließ er das halb gegessen Sandwich sinken und legte es schließlich auf den Teller neben seinen Rechner.

„Diese Wesen...“ Er zögerte. „Sie kommen aus einer anderen Welt. Nicht unserer Welt, nicht der digitalen Welt.“

„Ja, das sagtest du schon“, murmelte Linda und trat hinter Rob.

„Als die Demon Lords unsere Welt vor drei Jahren angegriffen haben, ist die Grenze zwischen den Welten instabil geworden – instabiler als sie vorher schon war“, erklarte Shibumi mit leiser, beinahe monotoner Stimme. „Vielleicht hat es sogar schon vorher angefangen.“ Er drehte sich wieder zu den Bildschirmen um und beobachtete den Code. „Die Sache ist, dass wir die ganze Zeit nur davon ausgegangen waren, dass es die grenze zwischen 'unserer Welt' und der 'digitalen Welt' betreffen würde.“ Er betonte die Namen der Welt stärker als etwas anderes und die gedachten Anführungszeichen waren deutlich heraus zu hören. Natürlich: Beide Welten waren digital. „Aber das war nicht der Fall. Auch die Grenze zwischen der digitalen Welt und jener anderen Welt ist seither langsam korudiert. Seither sind Teile jener Welt in die digitale Welt vorgedrungen, haben sie verändert. Mehr noch, als unsere Welt und die Welt der Digimon einander beeinflusst haben.“

Schweigen, während alle den halb kahlen Hinterkopf des mittlerweile in die Jahre gekommenen Japaners anstarrten, ohne dass jemand sich ganz traute zu Fragen, was er meinte.

Dankbarer Weise fuhr er nach einer kurzen Pause fort: „Ich habe die ganze Zeit gehofft, dass es einen anderen Weg gibt... Aber es gibt keinen – jedenfalls keinen, der möglich ist in der Zeit, die uns noch bleibt.“ Eine weitere kurze Pause. Es war deutlich, dass nun in seiner Stimme mehr mitschwang als zuvor und Megumi war sich sicher heraus zu hören, was es war: Reue. Aber wieso?

Shibumi holte tief Luft. „Der Code von jener anderen Welt, von jener anderen Simulation ist mit unserem Code und dem Code der digitalen Welt nicht kompatibel. Die einzige Methode, die es gibt, ist, die Codes voneinander zu trennen.“

„Aber was willst du damit sagen?“, fragte Janyuu.

Erneut herrschte für eine ganze Weile Stille, ehe sich Shibumi herumdrehte. „Ein Reboot, wenn man so will. Wir müssen einen Zustand herstellen, in dem die Welten stabil waren.“

„Du meinst, wir müssen die Welten trennen“, erwiderte Megumi, die nun verstand.

Shibumi nickte. „Wir müssen die Grenze zwischen den Welten sichern. Den letzten stabilen Zustand wiederherstellen.“

Alle sahen ihn an – selbst die Studenten, die ihnen geholfen hatten, die ganze Technik aufzubauen, auch wenn sie wahrscheinlich kaum verstanden, was hier besprochen wurde.

Schließlich stellte Janyuu die Frage, die wohl durch alle Köpfe wanderte: „Wie?“

Shibumi sah ihn an. „Wie du jeden anderen Code korrigieren würdest, Tao“, meinte er. „Eine alte Version widerherstellen.“ Er sah auf die Daten. „Aber ich sehe nicht wie. Uns fehlen Daten. Von unserer Welt. Aber vor allem von der digitalen Welt. Und ich sehe nicht, wie wir... Wie wir rechtzeitig...“ Er schüttelte den Kopf.
 

28. Juli 2011 – Digitale Welt
 

„Wir können nicht länger warten“, sagte Sanzomon und sah die Digimon an, die um das seltsame Licht in seinem Tempel saßen und es verängstigt und verunsichert ansahen. „Wir müssen von hier fort.“

„Aber wie?“, fragte ein Tanemon mit piepsender Stimme. „Wie können wir hier fort?“

Andere der Digimon stimmten ein:

„Wir wissen nicht, wie wir in die reale Welt kommen!“

„Wir können nicht mehr fliehen!“

„Was ist, wenn wir ein weiteres dieser Monster treffen?“

Es war Impmon, das an dieser Stelle eingriff. „Beruhigt euch mal, Knirpse!“, rief es und sprang auf den niedrigen Tisch mitten im Raum. „Wir kommen aus der realen Welt! Wir waren dort, wir sind her gekommen. Wir sind auch in der Vergangenheit hergekommen und immer wieder zurückgekommen! Also macht euch mal nicht ins Hemd!“

Erneut brach eine vielzahl an zweifelnden Stimmen los.

„Ruhig!“, sagte nun auch Nakamura, beziehungsweise der ältere der beiden Nakamura Brüder. „Impmon hat Recht. Es gibt Pfade in die Welt der Menschen zurück. Sanzomon und auch Gokuwmon“ – er nickte zu dem Perfect-Digimon, das im Lotussitz in einer Ecke saß und sie nur aus einem Auge ansah – „kennen Wege durch diese Welt.“

Takumi zögerte. Natürlich wusste er, dass Matsuda Takato und die anderen mehrfach aus der digitalen Welt zurückgekommen waren, doch wusste er eigentlich wenig über die Situation, in der sie damals gewesen waren. Immerhin war die digitale Welt nun anders, gefährlicher... Selbst wenn er noch nie hier gewesen war, hatte er genug darüber gelesen, um so viel sagen zu können. Diese Kreaturen, von denen niemand zu wissen schien, waren keine Digimon. Sie gehörten hier nicht her. Und diese seltsamen Stürme und dieses Flackern, das Ai gesehen hatte... Es war nicht normal. Also vielleicht war es nicht so einfach, wie es einmal gewesen war.

„Takumi“, sagte Kotemon leise neben ihm und er konnte sehen, wie seine glühenden Augen ihm unter der Maske hervor ansahen.

Er seufzte. Erst vor wenigen Stunden waren sie gemeinsam zu Kasikewemon geworden. Er hatte die anderen beschützt. Vielleicht...

Für einen Moment schloss er die Augen. Seine Hand griff nach seinem Digivie, um sich zu versichern, dass es noch da war. Dann trat er vor.

Noch immer diskutierten der ältere Nakamura, Sanzomon und Impmon mit den Digimon.

„Wir werden einen Weg finden“, sagte er und versuchte so viel Zuversicht wie nur irgendwie möglich in seine Stimme zu legen. „Aber nur, wenn wir aufbrechen! Wenn wir hier sitzen bleiben und nur diskutieren, kommen wir sicher nirgendwo hin.“

Alle starrten ihn in einigen Sekunden der Stille an. Offenbar hatte niemand damit gerechnet, dass er etwas sagte.

Er konnte es ihnen nicht verdenken, war er doch genau so überrascht davon, wie sie.

„Takumi hat Recht“, hörte er plötzlich eine andere Stimme sagen. Ai! Sie trat zu ihm. „Wir sollten schauen, dass wir auf die physische Ebene kommen. Bisher sind wir immer von dort zurückgekommen!“

Halb überrascht sah sich Takumi zu ihr um, doch sie nickte nur.

„Wir sollten jetzt aufbrechen“, stimmte auch Rin, wenngleich nicht mit ganz so entschlossener Stimme wie die anderen beiden zu.

Noch immer waren alle still, doch dann war es Tailmon, das nickte. „Sie haben Recht“, sagte es und drehte sich zu den anderen Digimon. „Wenn wir hier bleiben, kommen wir nirgendwohin.“

„Ich werde euch auf die physische Ebene führen“, sagte die tiefe Stimme Gokuwmons, ehe das Digimon aufsprang. „Vertraut mir. Ich kenne viele Pfade durch diese Welt.“ Ein Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus.

Der jüngere Nakamura – Kaito – sah seinen Bruder fragend an. Dann nickte er. „Lasst uns gehen.“

Als einige der Digimon noch immer still waren und einander verunsichert ansahen, trat Bearmon vor. „Wir können ihnen vertrauen“, sagte es. „Lasst uns gehen. In die reale Welt!“

Langsam stimmten einzelne Digimon ihnen zu.

Nur einer hielt sich zurück und beobachtete alles nur an eine Wand gelehnt: Makoto, der kaum mit ihnen gesprochen hatte, seit sie ihn gefunden hatten.

„Takumi“, hörte er erneut Kotemons Stimme neben sich und sah es an. Das Digimon berührte kurz seine Hand. „Lass uns gehen!“

Episode 50: Zerfall

Ich habe mein Leben lang geglaubt, meine Freunde beschützen zu können. Jetzt aber bin ich nicht so sicher. Wäre es anders, wenn ich einen Tamer hätte? Die digitale Welt verändert sich. Wenn die Menschen Recht haben verändern sich beide Welten. Gibt es dann noch einen Platz für uns? Gibt es einen Ort, wo wir sicher sein können?

                                                                           – Tailmon
 

28. Juli 2011 – Digitale Welt
 

Digitale Sandkörner, die sich bei Berührung mit ihrer Haut nur auflösten, und schimmernde Datenpakete wurden ihnen entgegen geweht, als sie auf der physischen Ebene ankamen.

Rin sah sich um. Sie konnte die anderen kaum sehen und war dankbar, dass sich Kunemon einmal wieder um ihren Hals gewickelt hatte. Auch wenn sie wusste, dass der Schatten rechts von ihr Takumi war, war sie froh, dass er ihre Hand hielt.

Ai stand näher bei ihr, hatte sich an sie gedrängt und gab ihr ein wenig halt, um vom Wind nicht fortgeweht zu werden, während sie mit der anderen Hand Impmon an sich gepresst hielt.

Wo die anderen waren konnte sie allerhöchstens erahnen.

Gokuwmon hatte sie hierher geführt. Es hatte gesagt, dass dies die physische Ebene war – sie selbst war sich dahingehend nicht einmal ganz sicher. Immerhin konnte sie praktisch nichts von ihrer Umgebung sehen.

Zwischen dem Rauschen des Sturms hörte sie nur immer wieder die angestrengten Laute der Babydigimon, die es noch schwerer hatten gegen den Wind anzukommen.

Sie waren erstaunlich schnell hergekommen. Gokuwmon hatte sie eine der Treppen an den Bergen von Sanzomons Ebene hinabgeführt, durch eine sehr schmale Höhle und dann durch eine Grotte. Dann waren sie hier gewesen.

Doch nun konnten sie nichts tun, als gegen den Sturm anzukämpfen, und Rin hoffte nur, dass Takumi, Ai oder irgendwer Sanzomon oder Gokuwmon noch im Blick hatte und sie einander nicht komplett verloren. Dafür hatten sie doch keine Zeit...

Dankbarer Weise schien Takumi einen ähnlichen Gedanken zu haben. Sie hörte seine Stimme rufen: „Gokuwmon! Wir können so nicht weiter!“ Er hustete, wahrscheinlich weil ihm Sandkörner in den Hals gekommen waren – etwas, das auch unangenehm war, wenn sich die Körner im nächsten Moment auflösten. „Wir verlieren uns so nur!“

Rin konnte nicht genau sagen, ob Gokuwmon oder Sanzomon oder sonst wer sie gehört hatte, aber nach wenigen Sekunden blieben sie stehen.

Dann hörte sie eine andere Stimme. Die, des älteren Nakamura. „Gokuwmon sucht uns eine Höhle. Etwas, wo wir warten können, bis der Sturm vorbei ist.“

Einige der Baby-Digimon schienen sich – von allem was Rin hören könnte – zu freuen. Doch vor allem blieb es still. Dieser Sturm... Was war, wenn er nicht rechtzeitig aufhörte?

Sie wussten ja nicht einmal, wie sie so in die reale Welt zurück kommen sollten... Doch mit diesem Sturm hatten sie keine Chance...
 

29. Juli 2011 – Tokyo, Japan
 

„Takato! Takato!“

Die vertraute Stimme seines Partners riss ihn aus dem Schlaf.

Nach den Anstrengungen der letzten Tage – er war als Dukemon mehrfach in andere Städte, von Sapporo nach Kitakyushu geflogen – war er erschöpft und tat sich nur schwer damit, den Schlaf gänzlich abzuschütteln.

„Guilmon?“, fragte er leise. „Was ist denn los?“

Er blinzelte und rieb sich die Augen, im Versuch den Schlaf zu vertreiben. Noch immer war seine Sicht etwas verschwommen, doch es wurde besser.

Gähnend griff er auf den Nachttisch neben seinem Bett und schaltete das Licht an oder versuchte dies zumindest. Doch obwohl er den Schalter umlegte geschah nichts. Ein Stromausfall? Sein müdes Gehirn brauchte ein wenig, um zu diesem Schluss zu gelangen.

Derweil zog Guilmon ihm die Decke weg. „Takato!“, wiederholte es. „Etwas stimmt nicht! Guilmon kann es spüren!“

Verständnislos sah Takato es an. „Was?“

„Etwas stimmt nicht!“, sagte das Digimon erneut – dieses Mal mit noch mehr Nachdruck.

Langsam holte Takato Luft, ärgerlich mit sich selbst, dass sein Gehirn so lange zu brauchen schien, um den Schlaf gänzlich abzuschütteln. Etwas stimmte nicht, sagte er sich selbst. Und wenn etwas nicht stimmte, mussten sie etwas tun.

Er setzte sich auf und schlug die Decke zurück. Dann griff er nach seinem Handy, das neben der Nachttischlampe lag.

Beinahe automatisch wählte er die Nummer der Hypnoszentrale, nur um das Rauschen der toten Leitung zu hören. War vorhersehbar gewesen, dachte er sich, und versuchte es mit Skype.

Hier hörte er im ersten Moment ein Tuten, wie das Signal, dass gewählt wurde. Doch im nächsten Moment verschwand das Freizeichen und stattdessen hörte er auch ein Raschen, doch versetzt mit anderen Geräuschen: Ein hohes Piepsen, das in unterschiedlichen Abständen erklang, und etwas, das beinahe wie leise flüsternde Stimmen klang.

„Was...?“ Er sah auf den Bildschirm des Smartphones. Das ganze Bild schien zu flackern.

Langsam wurde er wach. Ja, Guilmon hatte Recht, etwas stimmte so gar nicht.

Er kniff die Augen zusammen, in der Hoffnung dadurch einen klaren Kopf zu bekommen und stand auf. „Warte einen Moment, Guilmon“, murmelte er und strich dem Digimon über den Kopf, ehe er in sein Badezimmer ging, um sich kurz das Gesicht zu waschen.

Zurück in seinem Zimmer, zog er sich – so schnell wie es ihm in der Dunkelheit des Zimmers, die nur vom Licht seines Smartphonebildschirms erhellt wurde, möglich war – an und griff dann nach seinem Digivice.

„Seltsam...“, murmelte er leise zu sich selbst, als ihm klar wurde, dass das Digivice ihn normal warnte, wenn etwas vor sich ging, das in irgendeiner Form mit der digitalen Welt zu tun hatte. Hatte es vielleicht doch nichts damit zu tun?

Wieder sah er auf sein Handy, dessen Bildschirm noch immer flackerte.

Nein, es musste etwas mit der digitalen Welt, mit der Anomalie zu tun haben. Da war er sich sicher. Er steckte sein Smartphone in die Hosentasche und hängte sein Digivice an seinen Gürtel. „Lass uns gehen, Guilmon.“
 

Während sich Takato und Guilmon auf den Weg machten, lag Shoji wach im Bett. Er hatte schlecht geschlafen in den letzten Nächten und auch diese Nacht war es nicht besser.

Die grün leuchtenden Ziffer der Digitaluhr auf seinem Nachtschrank zeigte an, dass es kurz vor Vier war, doch er konnte einfach nicht mehr einschlafen. Immerhin hatte er diese Nacht geschlafen, wenngleich nur drei Stunden – vielleicht etwas mehr.

Zumindest Gazimon schien nicht dasselbe Problem zu haben. Es lag zusammengerollt am Fuß seines Bettes und schien in aller Ruhe zu schlafen.

Shoji seufzte und setzte sich auf, um aus dem Fenster neben seinem Bett zu schauen.

Die Nacht war sternenklar, so dass die digitale Welt gut zu erkennen war. Doch auch wenn sein Blick zum Himmel gerichtet war, sah er weder die blassen Sterne, noch das Abbild jener anderen Welt.

Er dachte nach und kam sich doch so albern vor deswegen. Denn zwischen all den Dingen, die in den letzten Tagen passiert waren – und auch er hatte die Bilder aus San Francisco gesehen – war es doch nicht das, was ihm Gedanken bereitete.

Sicher. Er sorgte sich um seine Eltern, um Denrei und Shuichon, um Gazimon. Er hatte Angst, dass sie dieses Mal vielleicht nichts würden tun können, um schlimmeres zu vermeiden. Ja, er war sich dessen bewusst, dass von allem, was sie wussten, die Welt untergehen könnte – auch wenn er sich nicht einmal sicher war, was dies bedeuten würde.

Doch trotz all dieser Gefahren, trotz allem, was gerade passierte, war das, was ihm den meisten Schlaf raubte, der Gedanke an Ruki.

Immer wieder erinnerte er sich daran, wie ihre Lippen die seinen berührt hatten, und er fragte sich, warum er es einfach nicht vergessen konnte. Er hatte wichtigere Dinge, über die er nachdenken sollte!

Und dennoch...

Er wusste einfach nicht, was er darüber denken sollte. Wie er zu Ruki stand. Sicher, er mochte sie, sah sie als eine Freundin, doch wusste er nicht, ob da mehr war. Wie sollte er auch? Er hatte sich noch nie wirklich verliebt.

Auch wusste er nicht, was dieser Kuss zu bedeuten hatte. War es vielleicht nicht etwas gewesen, das sie im Affekt getan hatte? Vielleicht hatte sie sich selbst beweisen wollen, dass es mit Ryou vorbei war...

Und ja, dann war da auch noch Ryou. Zugegebener Maßen hatte er nie gewusst, was er von ihm halten sollte und Ryous Verhalten in den letzten Wochen hatte ihn davon überzeugt, dass er ihn nicht mochte. Dennoch fühlte er sich schlecht wegen der ganzen Sache. Nicht nur, dass er Ryou ausgeknockt und dann der Regierung ausgeliefert hatte, er hatte auch seine Freundin geküsst – oder sie ihn. Doch die Tatsache änderte nicht, dass er sich ihm gegenüber schuldig fühlte.

Je mehr seine Gedanken sich darum im Kreis drehten, desto mehr dachte er jedoch auch daran, dass es eben doch andere Dinge gab, wichtigere Dinge, über die er sich eigentlich den Kopf zerbrechen wollte. Immerhin... Wenn die Welt untergehen würde, wenn sie sterben würden, dann wäre es egal, dass Ruki ihn geküsst hatte. Dann wäre es auch egal, was er selbst empfand. Dann...

Eigentlich wollte er darüber nicht nachdenken.

Er schloss die Augen und öffnete sie im nächsten Moment wieder und dieses Mal sah er – wenngleich nur für einen Moment – zur digitalen Welt hinauf. Dieses Mal bemerkte er etwas: Ein Flackern, wie er es schon so oft vor den Erdbeben gesehen hatte. Doch anders... Dieses Mal verschwand es nicht nach ein paar Augenblicken.

Erst jetzt bemerkte er, dass auch etwas anderes seltsam war.

Die Sterne hinter der digitalen Welt waren besser zu erkennen, als es normal der Fall war. Normaler Weise waren sie wegen den vielen tausenden Lichtern der Metropole beinahe unsichtbar.

„Gazimon“, flüsterte er und stupste das Digimon an, das sofort die Augen öffnete.

„Was ist, Shoji?“, fragte es.

Shoji sah noch einmal aus dem Fenster. „Etwas stimmt nicht.“

Auch Gazimon folgte seinem Blick und für einen Moment zogen sich seine Pupillen zusammen. „Wir sollten nachsehen gehen“, stimmte es schließlich zu und sprang aus dem Bett. „Komm.“
 

29. Juli 2011 – Digitale Welt
 

Der Sturm heulte und heulte. Er schien nicht aufhören zu wollen und obwohl Makoto nun nicht besonders viel Erfahrung mit der digitalen Welt hatte, wusste er, dass etwas wirklich nicht stimmte. Doch was?

Nun, vielleicht war es auch egal, nun, da sie zurückkehren würden.

Makoto lehnte gegen die Wand der Höhle, die sich in eine der großen Felssäulen bohrte. Die anderen hatten sich hingelegt um zu schlafen oder sich zumindest etwas auszuruhen. Er wusste es nicht und eigentlich war es ihm eigentlich auch egal.

Die Höhle wand sich in den Felsen hinein und Makoto saß vor der letzten Biegung vor dem Ausgang. Er hörte das Pfeifen des Windes, auch wenn er weit genug in der Höhle war, als dass er nicht mehr nach draußen sehen konnte.

Sanzomon hatte sie verlassen. Es hatte etwas davon gesagt, zu versuchen, jemanden zu finden, der den Weg in die physische Ebene kannte. Das Digimon erschien Makoto ein wenig zu mysteriös, aber was wusste er schon. Er verstand noch immer nicht genau, was es mit Kaitos Bruder und Sanzomon genau auf sich hatte. War er wirklich die letzten Jahre in dieser Welt gewesen?

Er beugte sich etwas vor, um zu den anderen zu sehen. Die Baby-Digimon, Takumi, Rin und auch seine Schwester lagen auf dem sandigen Boden und schienen tatsächlich zu schlafen. Doch während Kunemon sich in Rins Armen zusammengerollt hatte und auch Impmon – er seufzte – war an der Wand zusammengesunken und schien zu schlafen. Doch Kotemons Augen leuchteten aus dem Dunklen seines Helms hervor.

Er setzte sich zurück, doch er konnte ein Rascheln hören und einen Moment später kam Kotemon um die Ecke.

„Makoto“, sagte es leise. „Kannst du nicht schlafen?“

Doch Makoto erwiderte nichts. Stattdessen wandte er den Blick an und zog seine Beine noch etwas näher an sich heran.

Für einen Moment zögerte Kotemon, doch dann setzte es sich neben ihn. „Weißt du, deine Schwester hat sich große Sorgen um dich gemacht“, sagte es.

„Ich weiß“, erwiderte er nur einsilbig und ohne das Digimon anzusehen. Was wollte es? Ihm ein schlechtes Gewissen machen?

„Du solltest mit ihr sprechen“, meinte Kotemon.

Makoto zog die Schultern hoch. „Sie schläft.“

„Ich meine nicht sofort“, erwiderte das Digimon. „Aber ihr solltet euch aussprechen.“

Erneut schwieg Makoto nur.

„Takumi und Rin haben sich auch Sorgen gemacht“, fuhr Kotemon vor. Es zögerte. „Ich weiß, wir haben alle nie so viel mit dir zu tun gehabt, Makoto-kun, aber... Takumi, Rin, ich, wir wollen deine Freunde sein. Wenn du uns nur lässt.“

Auch darauf sagte er nichts. Es erschien ihm kindisch – ein so offenes Freundschaftsangebot. Er selbst hatte nie viele Freunde gehabt. Aber immerhin hatte er immer Ai und Impmon gehabt, seit er vier Jahre alt gewesen war.

„Makoto...“, setzte Kotemon an, doch er seufzte.

„Danke, Kotemon“, sagte er schließlich leise. „Und... Es tut mir leid, dass ihr wegen mir in dieses Schlamassel geraten war.“

„Sagt es deiner Schw...“ Kotemon brach ab und stand plötzlich auf. Es sah sich um und seine leuchtenden Augen schienen schmaler zu werden.

In seinem Leben hatte Makoto genug mit Digimon zu tun gehabt, um zu wissen, das so ein Verhalten normaler Weise nur eins bedeuten konnte: Gefahr! Irgendetwas was nicht in Ordnung. Auch er setzte sich auf. „Was ist? Was ist, Kotemon?“ Doch im nächsten Moment wurde ihm klar, was es war: Der Boden bebte unter ihren Füßen.

Es war wie in der realen Welt. Und wenn er sich an ihre Ankunft in dieser Welt erinnerte, konnte es nichts gutes bedeuten.

„Weck' die anderen“, sagte Kotemon nur.

Makoto nickte und sprang auf. Er machte drei Schritte um die Biegung. „Hanegawa-kun! Okamura-san!“ Er zögerte. „Nee-san! Nakamura-san!“ Er lief zu seiner Schwester und schüttelte sie.

Doch bevor jemand reagieren konnte, erschien Sanzomon in der Höhle. „Wir müssen hier weg!“, rief es aus.

Langsam erwachten die anderen.

„Was...?“, fragte Rin, aber bevor jemand antworten konnte, hörten sie ein lautes Donnern, das von draußen zu kommen schien. Das Beben wurde stärker und im nächsten Moment fielen Felsblöcke zu Boden.
 

28. Juli 2011 – San Francisco, USA
 

Wieder war eine Stunde vergangen, seit Commander Johnson gegangen war. Er hatte so viele unnütze Fragen gestellt und seinerseits natürlich keine Antworten gegeben.

Noch immer presste Jenrya seinen Kiefer zusammen, doch schien er zumindest keinen neuen Streit anfangen zu wollen. Denrei warf ihm einen Seitenblick zu. Zumindest etwas.

Was hätte er im Moment nur dafür gegeben sein Digivice bei sich zu haben? Was hätte er dafür gegeben, zu wissen wie es Shuichon ging?

Doch beides war ihm nicht möglich.

Stattdessen starrte er nur mit mittlerweile leerem Blick auf die Uhr ihnen gegenüber.

Er war so müde...

Er war sich nicht einmal sicher, ob er nicht zwischendurch weggedöst war. Die ganze Zeit fragte er sich, wie lange sie ihn und Jenrya hierbehalten wollten. Was würde noch mit ihnen passieren? Was für mit Dracomon passieren?

Tatsächlich hatte er etwas Angst. In den letzten Tagen hatte er alles andere als einen guten Eindruck vom amerikanischen Militär bekommen. Die Digimon, die sie getötet hatten. Das voreilige Eingreifen.

Zur Hölle damit. Wenn er drüber nachdachte waren sie definitiv Schuld, dass es überhaupt soweit gekommen war. Damals, vor drei Jahren, als er zum Tamer geworden war, hatte der Angriff der Demon Lords auf die reale Welt, die Grenze zwischen den Welten geschwächt, aber es war der D-Reaper Angriff auf die digitale Welt gewesen, der Ultimate Chaosmon hervorgebracht und die Grenze gänzlich zerbrochen hatte.

Es war also ihre Schuld und dennoch machten sie alles nur noch schlimmer.

Er sollte aufhören, darüber nachzudenken, sagte er sich. Je mehr er darüber nachdachte, desto wütender wurde er und er wusste nur zu genau, dass er nicht wütend werden durfte. Er musste sich kooperativ, vorbildlich zeigen, wenn er hier irgendwie herauskommen wollte. Gut, er wusste nicht mal, ob das ihm helfen würde, doch es war sicher erfolgreicher, als den nächsten, der in diese Zelle kam anzuschreien.

Der Verhör zuvor hatte beinahe zwei Stunden gedauert und irgendwie hatte er es geschafft, zumindest genug zu verschweigen. Er hatte ihnen nicht von jener anderen Welt erzählen wollen. Das letzte, was sie jetzt brauchen konnten, war, dass sie ein Reaper-Programm dahin aussandten. Davon war er überzeugt. Davon abgesehen hatte er jedoch in die Wahrheit gesagt, in der Hoffnung, dass es die Unwahrheit verschleiern würde.

Noch einmal sah er zu Jenrya hinüber.

Jenrya hatte mehr gesagt als er. Er schien auch wesentlich eher bereit, den Vorschriften des Militärs und der amerikanischen Regierung Folge zu leisten.

Denrei verstand ihn nicht.

Die analoge Uhr tickte.

Was ging draußen vor? Was mittlerweile vielleicht noch eine Anomalie hier in den USA aufgetaucht? Hatten sie vielleicht noch so eine Bombe abgeworfen?

Er hätte alles dafür gegeben, zu wissen, was außerhalb vor sich ging.

Doch er konnte es nicht wissen.

Der Minutenzeiger wanderte weiter und weiter. Fünf Minuten. Zehn Minuten. Niemand weiteres kam. Sie waren allein. Sie schwiegen. Fünfzehn Minuten. Zwangzig. Eine weitere halbe Stunde war vergangen.

Nur schwer unterdrückte er den Drang aufzustehen und erneut herumzulaufen. Stattdessen saß er hier und starrte abwesend auf das verspiegelte Fenster, die Uhr und den Tisch.

Eine dreiviertel Stunde.

Dracomon. Shuichon. Er machte sich solche Sorgen. Hätte dieser dämliche Commander ihnen nicht zumindest sagen können, was man mit ihnen vorhatte?

Es war schon später Nachmittag.

Fünfzig Minuten. Fünfundfünfzig. Sechsundfünftig. Dann ging auf einmal die Tür auf.

Ganz automatisch sah er hin und erwartete erneut den Commander zu sehen. Vielleicht um sie in eine andere Zelle zu bringen. Vielleicht um sie noch einmal zu verhören.

Doch während die Frau, die nun in der Tür stand, zwar ebenfalls eine Militäruniform trug, war sie nicht allein und die beiden Gestalten, die hinter ihr standen, gehörten definitiv nicht zum Militär.

So überrascht war er, dass er aufsprang. „Alex-san!“, rief er aus.

Der Mann der neben ihr stand war ihr Vater, der sie auch schon bei der Polizei rausgeholt hatte.

Auch Jenrya sah auf. „Alex?“, fragte er, mehr verwirrt als überrascht.

Alex hob die Hand zum Gruß, sagte aber nichts.

„Sie können gehen“, meinte die Soldatin in einem herrischen Tonfall. Natürlich sprach sie Englisch. „Sie sind vorerst entlassen.“ Sie hielt einen Stapel Papier in den Händen und ging mit diesem zu ihnen hinüber. „Es ist ihnen jedoch vorerst verboten das Gebiet um San Francisco zu verlassen. Wir behalten es uns vor, sie bei weiteren Ordnungswidrigkeiten zu verhaften und unter Arrest zu stellen. Sollten Sie sich mit ihren Digimon in weitere Kämpfe verwickeln, werden wir strafrechtliche Maßnahmen gegen sie verfolgen.“ Ihr Kiefer war mindestens so angespannt zusammengedrückt, wie der Jenryas. Sie teilte den Papierstapel in zwei und legte die Hälfte jeweils einen vor sie. „Das sind Ihre Auflagen. Lesen Sie sich die Texte bitte ordentlich durch und unterschreiben.“ Sie zeigte ihnen mehrere Zeilen zum Unterschreiben – gesamt sechs Stück.

„Lassen Sie sich mit meinen Mandanten reden“, meinte Alex' Vater und ging zu Ihnen hinüber. „Ich werde Ihnen mitteilen, wenn wir soweit sind.“

Die Soldatin nickte nur. Sie drehte sich um und verließ den Raum, während Alex zu ihnen hinüber ging und erst Jenrya, dann Denrei umarmte. „Ich bin so froh, dass es euch gut geht.“

„Was hast du gemacht?“, fragte Jenrya zurückhaltend.

„Ich habe nichts gemacht“, erwiderte sie und nickte ihrem Vater zu. „Das war alles mein Dad.“

Denrei zögerte und sah den großen dunkelhäutigen Mann an. „Arigato“, flüsterte er. „Danke.“

Der Mann nickte nur und setzte sich auf den Stuhl, auf dem zuvor Commander Johnson Platz genommen hatte. „Nichts zu danken“, erwiderte er mit der Andeutung eines Lächelns. „Aber jetzt hört mir zu. Wir müssen vorsichtig sein. Es gibt hier einige, die euch unter Arrest halten wollten und selbst jetzt... Es wird schwer, eure Digimon rauszubekommen.“

„Wie geht es Shuichon?“, fragte Denrei.

„Shuichon und Lopmon sind schon draußen“, erwiderte Alex. „Es war einfacher mit ihr...“ Sie seufzte. „Aber jetzt kümmert euch um die Unterlagen. Wir haben nicht viel Zeit.“
 

29. Juli 2011 – Tokyo, Japan
 

Es war gruselig, wie verlassen die Stadt wirkte. Viele Menschen hatten wahrscheinlich nicht einmal mitbekommen, dass der Strom ausgefallen war. Zwar waren die Menschen hier sozusagen bekannt dafür die Nächte durchzuarbeiten, doch war es gerade der Zeitrahmen nachdem die letzten ins Bett gingen und die ersten Aufstanden. Von jenen Leuten, die die Nächte durchmachten, einmal abgesehen.

Die Straßen waren dunkel, da auch die Straßenbeleuchtung ausgefallen war, und beinahe komplett verlassen. Die Menschen, die Shoji sah, während er auf Sangloupmons Rücken durch die Straßen ritt, waren verwirrt, teilweise panisch. Es kam normal nicht vor, dass der Strom solange ausfiel, geschweige denn, dass die ganze Stadt betroffen zu sein schien. Dazu kam, dass einige Menschen offenbar hängen geblieben waren auf dem Weg nach Hause. Die Kreuzungen waren teilweise ob der ausgefallenen Verkehrslichter blockiert und wahrscheinlich fuhren auch keine Züge.

Was ging hier nur vor?

„Achtung!“, hörte er die tiefe Stimme seines Partners, während sie eine beinahe leere Umgehungsstraße entlangliefen.

Im ersten Moment wusste er nicht, was es meinte, doch dann schoss Liamon aus einer Seitenstraße hervor.

„Shoji!“, rief Steve, der auf dem Rücken des Löwendigimons saß, überrascht.

Shoji nickte ihm zu. „Larson-san“, sagte er. Eigentlich hätte er aus Höflichkeit gefragt, was der andere hier machte, doch im Moment schien es nur allzu offensichtlich. Sie beide waren unterwegs in Richtung der Skyline von Shinjuku, die sich dank der Dunkelheit kaum sichtbar vor dem Nachthimmel abhob.

„Du weißt nicht, was passiert?“, fragte Steve – noch immer mit etwas unsicherem Japanisch.

„Nein“, erwiderte Shoji. „Aber ich hoffe, Yamaki-san und die Leute von Hypnos wissen mehr davon.“

Der Amerikaner nickte nur. „Ja.“ Er sah zur digitalen Welt auf. „Glaubst du, ein weiteres Monster ist hier?“

Für einen Moment schwieg Shoji. „Nein...“ Auch sein Blick wanderte zur digitalen Welt hinauf, während seine Hände das Fell seines Partners noch fester umfassten. Noch immer flackerte das Abbild jener fremden, anderen Welt. Nicht gleichmäßig, doch das zwischen den verschiedenen digitalen Konstrukten hin und her springende Flackern verschwand nie. „Ich glaube es ist etwas Schlimmeres...“ Und er mochte diesesn Gedanken so gar nicht. „Komm!“

Damit beschleunigte Sangloupmon seinen Lauf und auch Liamon tat es ihm gleich.
 

29. Juli 2011 – Digitale Welt
 

Shoji hatte Recht. Es passierte etwas und es war kein Wesen, das in der realen Welt auftauchte. Stattdessen war es etwas, das den Tamern, die noch immer in der digitalen Welt waren, schwer zu erklären war.

Bevor Takumi wirklich wusste, was geschah, ja, bevor er überhaupt richtig wach war, fiel er.

Er wusste nicht einmal, was ihn aus dem Schlaf gerissen hatte. Das laute Donnern, das Beben oder die Rufe von Makoto und Sanzomon... Er konnte es nicht sagen, auch wenn er alles irgendwo am Rand seines Bewusstseins wahrgenommen hatte.

Doch nun fiel er und alles in seiner Umgebung schien undurchdringliche Schwärze zu sein. Was passierte hier nur?

„Takumi!“, schrie Kotemon, das etwas Abseits von ihm war, und seine unter dem Ärmel vergrabene Hand nach ihm ausstreckte.

„Kotemon!“ Auch er versuchte seinen Partner zu erreichen, doch ohne Erfolg.

Die anderen fielen. Rin war ihm am nächsten und schien wie er aktuell nicht einmal panisch, sondern einfach nur Verständnislos zu sein.

Da waren die anderen Digimon. Die Baby Digimon.

Makoto. Ai. Die Nakamuras.

Sie würden nicht sterben, rief er sich in Erinnerung. Sie waren in der digitalen Welt und der Sturz – egal wie tief sie fielen – würde sie nicht umbringen. Aber er wusste auch, dass es bedeuten musste, dass etwas wirklich, wirklich nicht stimmte, wenn der Boden unter ihren Füßen und die Höhle, die sie zuvor umgeben hatten, einfach zerbrachen.

Auch die Schwärze, die sie nun umgab. Etwas sagte, dass dies nicht richtig war. Dies sollte auch in der digitalen Welt nicht sein, oder?

„To Shishun-kyou“, rief Sanzomon aus und leuchtende Kugeln erschienen um sie und schienen sie für einen Moment zu halten.

Es war wie beim Kampf in Sanzomons Ebene. Sie schienen in der Luft stehen geblieben zu sein, auch wenn er es nicht sicher sagen konnte. Zumindest hatte er nicht mehr das Gefühl zu fallen, aber ihm fehlte in der Schwärze, die ihn umgab, jedwede Referenz ob er wirklich nicht mehr fiel.

„Was passiert hier?“, rief Ai.

„Die digitale Welt zerbricht“, erwiderte der ältere Nakamura, jedoch ohne zu schreien. Takumi war sich nicht einmal sicher, ob er ihre Frage beantwortete oder nur mit sich selbst sprach. „Wir sind zu spät.“

„Wie kommen wir jetzt in die reale Welt?“, fragte ein Koromon, dass zusammen mit ein paar anderen Baby-Digimon in einer der Kristallblasen festhing.

„Es ist zu spät“, murmelte Tailmon nur. „Viel zu spät.“

„Aber, Tailmon...“, begann Bearmon, das mit ein paar anderen der jungen Digimon in einer Blase saß.

„Hört mir zu!“, sagte Sanzomon, das in der Luft schwebte. Anstrengung klang in seiner Stimme mit. „Wenn wir in die reale Welt wollen...“ Es stöhnte auf, als würde es ihm schwer fallen, den Schutz für sie aufrecht zu erhalten. „Wir müssen jetzt gehen!“

„Aber wie?“, rief der jüngere Nakamura aufgebracht.

Sanzomon zögerte und sah zu seinem Partner. „Ich weiß es nicht...“, gab es mit immer schwächer werdender Stimme zu und Takumi wusste nur zu gut, dass dies nichts gutes Bedeuten konnte.

Es versuchte gerade zwölf von diesen Blasen aufrecht zu erhalten und offenbar war es zu viel für das immer noch vom vergangenen Kampf geschwächte Digimon. Er konnte sehen, wie einige der Blasen Daten verloren.

„Sanzomon“, murmelte der ältere Nakamura und zog eine Karte aus seiner Tasche. „Card Slash!“ Doch es war schon zu spät. Die kristallenen Blasen zerbarsten und sie fielen wieder in die nie enden wollende Tiefe.

Takumi versuchte es dem älteren Tamer gleichzutun und eine Karte zu zücken. Wenn die Digimon digitierten und Flügel bekamen, vielleicht könnten sie sie dann zurücktragen?

Doch es war nicht so leicht, wie gedacht, im Fallen an eine Karte zu kommen.

„Impmon!“, hörte er Ai rufen und sah, wie sie nach der Klaue ihres Partners griff.

Natürlich geschah nichts. Keine Digitation. Nichts. Was auch immer im Kampf gegen dieses seltsame Wesen passiert war, schien Impmon vorerst stark geschwächt zu haben.

Und selbst wenn... Beelkomon würde sie nicht retten können.

Was sollten sie denn nun tun?

Dann – ganz plötzlich – sah er ein Licht. Nein. Zwei Lichter. Eines leuchtete in einem flammenden Orange, das andere in einem hellen, leicht bläulichen Violett. Sie kamen auf sie zu.

„Was...“, murmelte er und wusste nicht, ob dies ein gutes Zeigen war.

Im nächsten Moment waren sie von dem Licht umgeben.
 

29. Juli 2011 – Tokyo, Japan
 

Im Osten der Stadt ging langsam die Sonne auf. Tauchte die Bucht von Tokyo in ein leuchtendes Orangerot, während sie immer höher über den Horizont wanderte.

Nicht, dass Ryou sie sehen konnte, aber er wusste, dass es so war, während die Häuser, die er durch das Krankenhauszimmer sehen konnte, in die glühenden Farben des Sonnenaufgangs getaucht waren.

Er hatte kaum geschlafen und noch immer war er an das verfluchte Bett gefesselt. Wie lange wollten sie ihn denn noch hier behalten? Seit er hier war, hatte niemand mit ihm gesprochen, abgesehen von den Schwestern und einem Arzt. Doch niemand war zu ihm gekommen. Niemand von den elendigen Sesselfurzern der Stadtverwaltung, nicht Yamaki und natürlich auch keiner der anderen Tamer.

Auf seine Frage, wo Monodramon war, hatte auch niemand geantwortet.

Er hasste es! Er hasste es so sehr!

Auch Ruki war nicht noch einmal hergekommen. Ruki... Wieso tat sie ihm das an?

Er musste raus. Er musste wieder kämpfen. Er brauchte sein Digivice und Monodramon.

Doch niemand brachte es ihm.

Mehr als einmal hatte er etwas überlegt. Er hatte einmal gehört, dass man Handschellen entfliehen konnte, wenn man nur bereit war, sein Daumengelenk zu brechen. Immerhin würde er seine menschliche Hand nicht brauchen, sobald er wieder Justimon war. Dennoch hatte er es nicht über sich gebracht.

Alles was die Ärzte hier ihm gesagt hatten, war, dass er eine leichte Gehirnerschütterung hatte, dass er übermüdet war und Ruhe brauchte. Auf seine Frage, warum man ihn an das verfluchte Bett gefesselt hatte, hatte niemand geantwortet.

Er ließ sich in die Kissen zurückfallen und starrte wütend auf die Decke.

Natürlich hatte auch er das Flackern am Himmel bemerkt. Auch hatte er mitbekommen, dass es irgendwann in der Nacht eine ziemliche Aufruhr auf den Fluren gegeben hatte und die Lichter außerhalb seines Zimmers ausgegangen waren. Irgendwann waren sie wieder angegangen, doch er hatte sich herleiten können, dass die Stadt offenbar einen Stromausfall erlitten hatte und der Notstromgenerator angesprungen war. Er war sich sicher, dass es etwas mit der Anomalie zu tun hatte.

Die Tür ging auf.

Er setzte sich schnell auf, damit rechnend, dass es eine der Schwestern war, die ihm das Essen brachte.

Doch er lag falsch.

Vier Gestalten kamen ins Zimmer. Zwei waren Menschen, die anderen beiden Digimon. Hirokazu, Kenta, Hagurumon und Penmon.

Er sah sie missmutig an. „Was macht ihr hier?“, fragte er grummelig.

Beide blieben in der Tür stehen und zögerten. Sie warfen sich einen Blick zu.

„Wir wollten mit dir reden“, meinte Kenta schließlich vorsichtig.

„Und hier...“ Hirokazu sah auf seine gefesselte Hand. „Hier kannst du nicht davon laufen.“

Ryou schnaubte nur. „Oh, wunderbar. Endlich jemand, der mir eine Moralpredigt halten will. Super! Darauf habe ich die ganze Zeit gewartet“, meinte er nur voller Sarkasmus.

Wieder wurden Blicke gewechselt.

„Ich finde, er ist sehr unverschämt“, stellte Hagurumon fest.

„Pipapapipo!“, stimmte Penmon zu.

Darauf schnaubte Ryou nur erneut.

Schließlich seufzte Hirokazu. „Glaubst du nicht, dass du unfair bist?“

„Wieso?“, erwiderte er nur kühl.

„Ryou“, meinte der andere. „Wir haben die ganze Zeit versucht dir zu helfen!“

Kurz schwieg Ryou, dann sah er zum Fenster hinüber. „Ich brauche eure Hilfe nicht.“

„Ich glaube, du brauchst im Moment jede Hilfe, die du bekommen kannst“, meinte Kenta. „Hast du dich einmal umgesehen, wo du bist?“

„Dann wollt ihr mich befreien?“, fragte Ryou, die Stimme noch immer voller Sarkasmus. Natürlich wollten sie das nicht. Klar wusste er, dass die beiden ihn immer bewundert hatten, aber er glaubte nicht, dass sie sich gegen Yamaki oder Takato stellen würden, um ihn zu befreien.

„Nein“, erwiderte Hirokazu wie erwartet. „Aber Ryou...“ Er verstummte.

„Was er sagen will ist, dass wir mit Yamaki sprechen wollen“, meinte Kenta. „Aber erst nachdem...

„Oh, viel Glück dabei“, murmelte Ryou nur und unterbrach ihn damit.

Kenta zögerte, ließ sich aber nicht beirren. „Erst nachdem wir mit dir gesprochen haben. Ich weiß... Ich weiß, dass es beschissen ist, was passiert ist. Ich meine, mit Ruki und allem. Aber du... Du hast Leute in Gefahr gebracht.“

„Nein, ich habe Leute beschützt“, erwiderte er. „Und als das erste dieser Monster an der Shinjuku Station erschienen ist, wart ihr noch anderer Meinung.“

„Wir verstehen, warum du gegen sie gekämpft hast“, meinte Hirokazu mit fester Stimme und trat vor. „Aber während du gegen sie gekämpft hast sind wegen dir... Wegen Justimon über dreißig Menschen verletzt worden! Ist dir das überhaupt klar?“

Ryou schwieg.

„Schau“, führte Kenta fort. Ryou fragte sich, ob sie es vorher geprobt hatten. „Ich... Wir wissen, wie du dich fühlst. Die Sache mit Ruki... Takato, der alles macht... Wir verstehen das, aber...“

Doch seine Worte berührten einen wunden Punkt und erneut spürte Ryou den Hass und die Wut der letzten Tage, Wochen, in sich aufschwallen. „Woher wollt ihr das wissen? Wie wollt ihr irgendetwas verstehen?“

„Wir wissen wie es ist, das fünfte Rad am Wagen zu sein“, meinte Kenta und sah ihn an. „Ryou. Was waren wir denn die ganze Zeit? Von Anfang an... Du, Takato, Ruki und Jenrya, ihr habt gekämpft und bestenfalls konnten wir euch unterstützen. Selbst als wir... Als wir zu Slash Angemon und Hi Andromon geworden sind. Wir haben doch nichts machen können...“

Erneut schwieg Ryou. Ein Teil von ihm wusste, dass er damit Recht hatte. Die meisten Kämpfe der vergangenen Jahre waren definitiv nicht von ihnen ausgetragen worden und bis vor einigen Monaten hatte er selbst zumindest noch so etwas wie Einfluss gehabt... Bevor ihm alles genommen worden war.

„Und das mit Ruki...“, sagte nun Hirokazu. „Ich weiß, dass du dich elend fühlst. Aber du kannst ihr deine Gefühle nicht aufzwingen.“

Ruki. Noch immer tat der Gedanke an sie so weh. Er erinnerte sich daran, wie sie zusammen gewesen waren. All die Momente, in denen sie bei ihm gewesen war, in denen sie ihn geliebt hatte. Und nun war all das weg. Alles... Sie würde nie wieder so bei ihm sein. Sie würden keine Zukunft miteinander haben.

„Glaub mir, Ryou. Ich weiß, wie du dich fühlst“, meinte Hirokazu noch einmal. „Aber du kannst nicht andere dafür bestrafen.“

Er schwieg störrisch.

Was sollte all das? Er war doch kein kleiner Junge mehr, dem man ins Gewissen reden sollte. Was glaubten sie eigentlich, wer sie waren? Hier einfach reinkommen und mit einer Moralpredigt beginnen...

„Ryou“, begann Hirokazu erneut und da war etwas in seiner Stimme, das Ryou aufsehen ließ.

Etwas flehendes war in seinen Augen zu sehen und etwas, womit er nicht gerechnet hatte.

Ryou wandte den Blick wieder ab und aus dem Fenster. Die digitale Welt flackerte noch immer. Doch sie war nicht das einzige, das flackerte, wie ein schlecht eingestellter Bildschirm. Denn ein ähnliches Flackern ging auch durch die Gebäude in der Entfernung. Konnte das sein?

Ein unfreiwilliges Lachen entrann seiner Stimme, ehe er die anderen beiden ansah. „Jetzt ist es sowieso zu spät.“

Episode 51: Connection

Episode 51: Connection
 

Die Stadtregierung hat eine Anweisung herausgegeben, die alle Bewohner der inneren Bezirke Tokyos dazu aufruft, aufgrund der anhaltenden Erdbeben die Innenstadt zu evakuieren. Dies betrifft die Stadtbezirke Shinjuku, Minato, Chou, Chiyoda, Shibuya, sowie die Bezirke Bunkyo, Taito, Sumida, Koto, Toshima, Nakano, Meguro und Shinagawa. Bitte wenden sie sich für weitere Informationen an die nächsten staatlichen Einrichtungen, von denen aus die Evakuierung geleitet wird.

                                 – Anweisung über Lautsprecher am Morgen des 29. Juli 2011
 

29. Juli 2011 – Shinjuku, Tokyo
 

Anders als Takato oder Shoji hatte Juri durch die Nacht geschlafen. Immerhin hatte sie kein Digimon mehr, dass sie aufwecken würde, und wenngleich all die Ereignisse der vergangenen Wochen auf ihrem Geist lasteten, war sie doch nicht so in Gedanken versunken, wie Shoji.

Sie bemerkte zum ersten Mal, dass etwas nicht stimmte, als sie am Morgen aufstand und sich auf den Weg ins Badezimmer machte. Das Licht des Telefons auf dem Flur leuchtete nicht, was ihr komisch vorkam. Keine Minute später bemerkte sie, dass auch das Licht im Bad sich nicht anschalten ließ.

Sie zögerte. Ein ungutes Gefühl breitete sich in ihrer Magengegend aus. Natürlich machte auch sie die Verbindung zu den seltsamen Ereignissen und jenen merkwürdigen Wesen. Hatte es nicht an der Shinjuku Station auch einen Stromausfall gegeben?

„O-too-san?“, fragte sie in die Wohnung in der Hoffnung, dass ihr Vater noch da war. Doch niemand antwortete ihr. „O-kaa-san?“

Wahrscheinlich waren sie schon in der Bar oder kauften ein. Es war Donnerstag. Normaler Weise machte ihr Vater Mittwochs oder Donnerstags Besorgungen für die Bar.

Dafür öffnete sich eine andere Zimmertür. „Was ist, Nee-san?“, murmelte ihr Bruder, Masahiko, und rieb sich gähnend die Augen.

Juri zögerte. Ihr Bruder war gerade einmal dreizehn Jahre alt und sie wollte ihn nicht beunruhigen. „Der Strom scheint ausgefallen zu sein“, meinte sie. Hoffentlich war keins dieser Wesen hier in der Nähe aufgetaucht. Aber wenn würde sich Takato darum kümmern, oder?

„Hmm…“, machte Masahiko verschlafen.

„Weißt du, wo O-too-san und O-kaa-san sind?“, fragte Juri.

„Wahrscheinlich unten“, meinte ihr Bruder und sah in sein Zimmer.

Juri musterte ihn, unsicher was sie tun sollte. Aber etwas sagte ihr, dass ihr nicht viel Zeit zu entscheiden bliebe. „Zieh dich an, Masahiko“, sagte sie. „Ich mache kurz einen Anruf.“

Er sah sie ungläubig an. „Aber es sind Ferien!“

„Ich weiß“, erwiderte sie nur. „Zieh dich an.“ Damit drehte sie sich um und ging auf ihr Zimmer, um nach ihrem Handy zu greifen. Sie musste Takato anrufen. Er würde wissen, was los war. Doch wie auch Takato sah sie nur einen flackernden Bildschirm. „Was…“ Verwirrt sah sie auf das Gerät, startete es neu. Während sie darauf wartete, dass das Gerät wieder startete, lief sie unruhig in ihrem kleinen Zimmer auf und ab, bis ihr Blick auf dem Fenster fiel.

Draußen… Etwas stimmt nicht. Ein Flackern. Die digitale Welt flackerte, aber nicht nur die digitale Welt, auch ein Teil der Häuser. Wie konnte das sein?

Und in der Ferne… Das war ein Stream. Aber wieso?

Nein, etwas schien nicht in Ordnung zu sein. Sie wusste, was zu tun war. Das einzige, was sie tun konnte.

Schnell zog sie sich um und warf sich ihr Kleid über, ehe sie in das Zimmer ihres Bruders ging. „Wir müssen gehen, Masahiko“, sagte sie, während er sich nur langsam in sein T-Shirt zwängte. Seufzend ging sie zu ihm rüber und zog es ihm über den Kopf.

„Hey!“, protestierte er.

„Wir müssen gehen“, sagte sie nur noch einmal.

„Aber wohin?“, fragte er und sah sie verwirrt an.

„Zum Metropolitan“, erwiderte sie. „Komm.“ Sie hoffte nur, dass ihre Eltern unten in der Bar waren.

29. Juli 2011 – Digitale Welt
 

Takumi starrte das Digimon, das vor ihnen erschienen war, an. Erst nach einigen Momenten realisierte er, dass es nicht nur ein Digimon war, sondern zwei. Doch das zweite war klein im Verhältnis zu seinem Gefährten und schwebte über dessen Schulter.

Das größere der beiden Erinnerte an eine große, humanoide Katze, mit leuchtend orangem Fell und einer roten Rüstung. Das kleinere Digimon dagegen hatte eine vollkommen humanoide Gestalt, saß im Damensitz auf einer schwebenden Sichel und war vollkommen in eine enge, weiße und hell violette Rüstung gehüllt.

Er kannte die beiden Digimon, doch noch bevor er etwas sagen konnte, rief Ai aus: „Apollomon! Dianamon!“

Ihre Stimme war erleichtert, sogar erfreut, was Takumi glauben ließ, dass sie diese Digimon bereits kannte.

„Wir haben keine Zeit“, erklang eine Frauenstimme, die offenbar von Dianamon kommen musste. „Die digitale Welt zerfällt.“

„Das haben wir auch schon gemerkt, Knirpse“, brüstete sich Impmon.

Bevor eines der beiden olympischen Digimon etwas sagen konnte, wurden sie schon von den Babydigimon unterbrochen. „Apollomon! Dianamon!“, riefen auch diese durcheinander.

Sie alle schienen in der Luft zu schweben, beziehungsweise in dem dunklen Nichts, das sie noch immer umgab. Allerdings schienen sie nicht mehr zu fallen. Stattdessen hatte sich ein violett und orange leuchtender Nebel um sie gehüllt und schien sie zu tragen. Offenbar durch die Macht von Apollomon und Dianamon.

„Hört uns zu“, sagte Apollomon mit tiefer Stimme. „Wir bringen euch in die reale Welt. Ihr könnt nicht hier bleiben.“

„Könnt ihr uns sagen, was hier passiert?“, fragte Makoto und sah zwischen den Gesichtern der beiden Digimon hin und her. „Wieso ist die digitale Welt so… Anders als vorher?“

„Eine andere Welt“, begann Dianamon, wurde dann aber von dem älteren der beiden Nakamurabrüder unterbrochen.

„Diese Welt ist in Kontakt mit einer anderen Welt gekommen“, erklärte dieser. „Die beiden Welten kolidieren und wie es aussieht, wird das beide Welten zerstören.“

„Was?“, fragte nun sein jüngerer Bruder. „Woher weißt du…“

„Wir haben versucht es zu verstehen“, sagte Sanzomon. „Es aufzuhalten.“

„Davon haben wir gehört“, sagte nun Dianamon. Aus seiner Stimme klang Reue. „Aber es ist zu spät.“

Takumi verstand nicht wirklich wovon sie redeten. Eine andere Welt? Meinten sie die reale Welt? Wovon sprachen sie? Unbewusst fand sein Blick den von Rin. Sie sah verängstigt aus und genau so verwirrt wie er, während sie nur eine gute Armlänge von ihm entfernt in der Luft schwebte.

„Wir müssen gehen“, wiederholte Apollomon nun. „Es ist zu spät.“

Und dann setzten sie sich in Bewegung – zumindest fühlte es sich so an. Doch statt weiter in die dunkle Tiefe ging es nun nach oben. Jedenfalls glaubte Takumi das, auch wenn es in der Dunkelheit ohne Himmel und Boden kaum einen Weg gab, dies zu sagen.

29. Juli 2011 – Shinjuku, Tokyo
 

„Was passiert hier?“, fragte Ruki, als sie durch die Tür des Hypnos Hauptquartiers kam. Renamon erschien hinter ihr und folgte ihr in den Hauptüberwachungsraum, in dem Takato, Shoji, Steve und auch Yamaki bereits standen.

Die Sphäre, zur Überwachung der physischen Ebene, zeigte nur noch ein Flackern. Keine Informationen über die Datenbewegungen auf der Ebene waren mehr zu sehen. Stattdessen nur ein Wort das in dicken, leuchtenden Buchstaben über die beieinander liegenden Bildschirme flackerte: ERROR.

Takato war seit nun mehr vier Stunden hier, doch noch immer wussten sie nicht, was hier passierte. Nur, dass die Lage von Stunde zu Stunde schlimmer wurde. Seltsamer.

Erst war der Strom ausgefallen, zusammen – natürlich – mit sämtlichen Telefonnetzwerken. Erst schien es wie ein einfacher Fehler, vielleicht eine der Anomalien, die in der Nähe von einer der Verteilstationen aufgetaucht war. Doch das seltsame war, dass in den letzten zwölf Stunden keine weitere Anomalie in Tokyo oder der näheren Umgebung aufgetaucht war.

Dann hatte es weitere Erdbeben gegeben und dann war dasselbe Flackern, dass schon seit der Nacht das Abbild der digitalen Welt befallen hatte, in der realen Welt aufgetaucht. Von allem was sie wussten bisher nur im Zentrum von Tokyo: Shinjuku, Shibuya, Ginza, Minato, Chiba. Die zentral liegenden Distrikte. Doch er war sich sicher, dass es sich weiter ausbreiten würden. So geschah es in letzter Zeit doch immer…

Und dann, vor nun mehr einer halben Stunde waren die ersten Streams aufgetaucht. Data Streams, wie in der digitalen Welt, doch wie damals an den Stellen, in denen die Demon Lords in die reale Welt eingedrungen waren, waren sie scheinbar an eine Stelle gebunden.

Soweit wussten sie von acht.

Drei in Shinjuku. Zwei in Minato. Jeweils einer in Shibuya, Ginza und Chiba.

Doch da auch viele der Polizei- und Regierungsstellen Probleme mit der Stromversorgung zu haben schienen und besonders kleinere Stationen nicht unbedingt eine Notversorgung hatten, konnten sie es nicht genau sagen.

„Ruki“, murmelte Shoji, als er die junge Frau reinkommen sah.

Sie gesellte sich zu ihnen, während sie in der Nähe der Treppe, die in die Überwachungskuppel führte, standen.

„Ruki“, begrüßte sie auch Takato, wenngleich nur mit matter Stimme. Er sah sie nur kurz an, ehe er wider auf die Bildschirmfront neben der Kuppel sah, die aktuelle Bilder der Streams zeigte, von denen sie soweit wussten.

„Was passiert hier?“, wiederholte sie ihre Frage.

Takato schüttelte nur den Kopf. „Ich weiß es nicht.“

Auf den Bildschirmen – durchweg Helikopteraufnahmen – sah man auch, wie Polizisten die Menschen in der Nähe der Streams die Straßen entlang eskortierten. Sie mussten evakuiert werden. Niemand konnte sagen, was als nächstes geschah.

„Matsuda-kun!“, hörte er eine Stimme nach ihm rufen. Yamaki.

Er drehte sich um. Yamaki hatte bis eben telefoniert, doch kam nun zu ihnen hinüber.

„Ich habe mit Ikeda-san gesprochen“, erklärte er mit müder Stimme.

„Und?“, fragte Takato. Er wusste, dass es darum ging, wie sie weiter verfahren sollten. Immerhin standen sie nachwievor unter der Verantwortung der Regierung.

„Sie werden bis heute Mittag besprechen, wie wir weiter vorgehen“, fuhr Yamaki fort. „Es kann sein, dass wir Zentral-Tokyo evakuieren müssen.“

„Evakuieren?“, fragte Ruki. „Aber wie?“

Takato sah sie an. Er wusste genau was sie meinte. Allein in Shinjuku lebten über 300 000 Menschen. Es war kaum möglich, sie alle zu evakuieren – vor allem ohne alle überhaupt auf irgendeinem Kanal vernünftig erreichen zu können. Und wenn es so weiter ging… Sie wussten nicht was passieren würde.

„Was ist mit meinen…“ Shoji hielt inne und verbesserte seinen angefangenen Satz dann: „Was ist mit unseren Eltern?“

„Geht zu ihnen“, meinte Yamaki. „So wie es aussieht…“

Ein Knurren unterbrach ihn und alle Augen wandten sich auf Guilmon, dessen Pupillen sich erneut verengt hatten, während es in Richtung der Bildschirme sah.

Takato folgte dem Blick seines Partners. „Was…“, murmelte er und sah es dann. Auch wenn die Bilder flackerten, wie ein schlecht eingestellter alter Fernseher, konnten sie es sehen. Da waren Anomalien – mehr als eine – auf verschiedenen der Bildern zu sehen. Doch auch sie schienen anders als zuvor. Denn auch sie flackerten, während sie sich zwischen den Häusern hindurch bewegten. Wie digitale Geister flackerten sie, verschwanden und tauchten dann woanders wieder auf.

„Was hat das zu bedeuten?“, fragte Renamon, das ebenfalls mit verengten Pupillen auf die Bildschirme sah.

„Wir haben keine Zeit mehr“, murmelte Shoji und ballte die Fäuste. „Wir…“

28. Juli 2011 – Paolo Alto
 

Megumi saß im Gang vor dem neu aufgebauten Labor. Sie war müde, obwohl es erst Nachmittag war. Doch bei allem, was geschah...

Auch sie hatten die Bilder aus Tokyo gesehen. Die Anomalie… Hier war davon noch nichts angekommen, doch sie wusste, dass es nur eine Frage der Zeit war.

Wie würde es geschehen? Würde die Welt sich irgendwann auf einmal auflösen, wie ein Computer der abstürzte? Würde es Stück für Stück gehen – erst Tokyo, dann Japan und dann der Rest der Welt?

Sie hatte Angst.

„Megumi“, hörte sie die mittlerweile schon fast vertraute Stimme Keiths, als dieser durch die Labortür kam. „You are not looking good.“

Sie schüttelte den Kopf. Für einen Moment zögerte sie. „I am wondering, what's going to happen… I… I do not want to die.“

Keith seufzte und setzte sich neben sie. Ein Schatten lag auf seinem Gesicht, als er ihre Hand nahm. „Nobody of us wants to.“

Daraufhin schwieg sie für einen Moment. „My parents are not in Tokyo. They live in Fukuoka, but still…“

„Let's see what is going to happen“, unterbrach er sie und drückte ihre Hand, ehe er sie losließ. „Maybe… Maybe there is a little time left.“ Dabei war ein Zweifel aus seiner Stimme zu hören.

Megumi sah ihn für einen Moment an. Sie wusste seine Worte zu schätzen, auch wenn er wohl selbst nicht an sie glaubte. Mühsam brachte sie ein Lächeln zustande. „I am going back in.“ Damit stand sie auf und wandte sich der Doppeltür zum Labor zu.

Sie wusste, dass es nichts bringen würde. Selbst wenn sie den Code besser verstehen würden, so waren sie zuwenige, um die fehlenden Teile in Stunden oder bestenfalls zwei, drei Tagen zu restaurieren.

„Onodera-san!“, hörte sie eine Stimme hinter sich, gerade als sie die Tür erreicht hatte.

Sie sah sich um und erkannte Jenrya, Janyuus Sohn, der Terriermon auf dem Arm trug, Dracomon und Denrei, gefolgt von dem dunkelhäutigen Mädchen, dass sie auch vom Flughafen abgeholt hatte, und einen ebenfalls afroamerikanischen Mann. Sie waren gerade durch die Feuerschutztür am Ende des Flurs gekommen und gingen nun auf sie zu.

„Wenn es etwas gibt, was wir tun können“, sagte Jenrya, der noch müder aussah, als irgendeiner von ihnen, „dann werden wir helfen.“ Er warf Denrei einen bitteren Blick zu, sagte aber nichts.

„Was passiert hier?“, fragte Dracomon nur. „Wir haben gehört, dass es komisch ist zuhause.“

„Wir wissen es nicht“, erwiderte Megumi. Sie sah die beiden jungen Männer an, nicht wissend ob es irgendetwas gab. „Kommt mit rein“, sagte sie dann leise. „Vielleicht gibt es noch etwas was ihr tun könnt.“

Zumindest – und das wusste sie sicher – würden die Jugendlichen nicht kampflos aufgeben. Das hatten sie mehr als einmal bewiesen. Doch dies war kein Kampf, den man durch Digitation, die richtigen Karten und Glauben an sich selbst gewinnen konnte. Aber vielleicht hatten sie noch nicht verloren.

29. Juli 2011 – Shinjuku, Tokyo
 

Das warme Wasser lief über Ryous Körper. Es brannte an einigen Stellen und machte ihn erst richtig dessen bewusst, dass er einige Kratzer und blaue Flecken von den Kämpfen der letzten Tage davon getragen hatte.

Er wusste, dass vor dem Badezimmer ein Pfleger stand und Wache hielt. Wieso scherrten sie sich überhaupt noch darum? Es war ohnehin zu spät! Die Welt ging unter. Er konnte von seinem Fenster aus bestens sehen, wie es draußen aussah. Vielleicht war er nicht intelligent genug zu verstehen, was genau passierte, aber er verstand, dass beide Welten langsam ineinander kollabierten. Und wenn das geschah… Nun, es konnte nicht gut sein!

Man würde nicht dazu kommen ihn zu bestrafen oder etwas in der Art zu tun. Es würde einfach alles aufhören zu existieren. Alles wegen dieser seltsamen Anomalie.

Ein ungutes Gefühl erfüllte ihn. Auch wenn er die Stimme in seinem Hinterkopf versuchte zum Schweigen zu bringen, war sie doch da. Es war eine leise, dünne Stimme, die immer wieder fragte: „Ist es nicht auch deine Schuld.“

Aber, daran erinnerte er sich, das war es nicht. Er hatte nur diese Welt verteidigen wollen vor den seltsamen Wesen, die hier aufgetaucht waren. Jetzt war es ohnehin zu spät. Zu spät…

Doch so sehr er auch versuchte es zu unterdrücken, zu verdrängen, ein Teil von ihm wusste doch, dass er zumindest dazu beigetragen hatte, dass die Situation so eskalierte. Und jetzt würden sie alle… Ja, was eigentlich? Sterben? Verschwinden? Einfach aufhören zu existieren? Was wusste er schon?! Auch Ruki. Auch Monodramon. Yamaki. Reika. Ihre Tochter. Sein eigener Vater in Kitakyushu. Sein Vater, den er so enttäuscht hatte.

Bevor es endete, wollte er sie noch einmal sehen. Vielleicht schaffte er es nicht mehr nach Kitakyushu, aber nur ein letztes Mal wollte er noch mit Monodramon sprechen. Mit Ruki. Ein letztes Mal nur…

Er wollte nicht allein in einem Krankenhauszimmer sein, wenn die Welt unterging. Das wäre nicht er. Das wäre…

Doch was machte es für einen Sinn darüber nachzudenken. Er kam hier nicht heraus, oder? Es sei denn… Es würde ihm noch mehr Ärger machen, doch was machte es jetzt schon für einen Unterschied?
 

29. Juli 2011 – Digitale Welt
 

Ihre Umgebung war seltsam. Es schien, als würden Zahlen, Buchstaben und was Rin annahm Zeilen von Computercode in der Luft schweben. War das die Grenze der digitalen Welt?

Sie wusste zu wenig darüber, doch das war es, was sie annahm.

Doch etwas stimmte nicht. Sie wusste nicht, wie es hier aussehen sollte, denn als sie hergekommen waren, in die digitale Welt, war es anders gewesen. Vielleicht, weil sie das Tor von Hypnos aus geöffnet hatten. Zumindest konnte sie das vermuten.

Um sie herum schien alles zu flackern. Die Zeichen, der Code, eigentlich erschien er blau leuchtend, doch immer wieder lief weißes und rotes Flackern hindurch. Etwas sagte ihr, dass es so nicht sein sollte.

Sie fühlte sich unwohl und sie wusste sehr genau, was dieses Gefühl war: Angst. Keine panische Angst, wie sie es gehabt hatte, als sie mit einigen Digimon zu tun gehabt hatte, oder als sie in die Tiefe gefallen war, sondern jene einfache, beklemmende Angst, wenn man wusste, dass etwas schlechtes Bevorstand, dem man einfach nicht entgehen konnte.

Sie seufzte. Zumindest war Kunemon noch bei ihr. Wie immer lag es um ihren Hals und hatte seinen Kopf gegen ihre Wange gelegt.

Auch die anderen waren hier. Ihre Freunde. Takumi schwebte zu ihrer Linken, Ai rechts von ihr. Sie alle waren umgeben von dem Licht der beiden olympischen Digimon.

„Wo sind wir?“, rief Takumi aus.

„Der Übergang zwischen den Welten“, erwiderte Apollomon.

„Wir sind zwischen den Welten“, erklärte Dianamon weiter.

Etwas geschah: Das seltsame Flackern ging auf sie über. Rin sah es nicht nur, wie Ai und Impmon flackerten, sie spürte es auch selbst. Wie ein elektrischer Schlag lief es durch ihren Körper.

Sie zuckte zusammen und konnte ein überraschtes Stöhnen nicht unterdrücken. Es tat weh.

Da spürte sie etwas anderes. Ais Hand legte sich um ihre.

Überrascht sah sie zu Ai hinüber, die sie aufmunternd anlächelte. Sie sagte nichts, doch Rin konnte sehen, dass sie auch Impmon bei der Hand gegriffen hatte.

Rin konnte nicht anders, auch etwas zu lächeln und sah zu Takumi, der seinerseits seine Hand ausstreckte, um die ihre zu ergreifen, während er mit der anderen Hand nach Kotemons Klaue griff.

Was auch immer hier los war: Sie mussten in die reale Welt zurück. Sie würden jetzt nicht scheitern – zwischen den Welten. Sie würden nach Hause zurückkehren!

Sie sah zu den anderen und war überrascht, dass Makoto, wenngleich zögerlich, ebenfalls Impmons andere Klaue ergriffen hatte.

Vielleicht waren sie am Ende doch alle ein Team. Freunde. Irgendwie würden sie es schon schaffen, gemeinsam, und dann würde irgendwann alles wieder gut werden, oder?

„Da ist es!“, erklang Dianamons Stimme.

Und tatsächlich sahen sie ein helles Leuchten vor sich. So hell, dass sie nicht wirklich etwas erkennen konnten. Es erinnerte Rin an die Sonne, wenn man aus dem Meer auftauchte.

Doch das Flackern wurde immer stärker und Rin kam nicht umher das Gefühl zu haben, dass etwas sie zurückhielt.

„Noch ein bisschen!“, rief Ai und Rin war klar, dass es die beiden Digimon anfeuerte, die sie trugen.

Sie drückte Ais Hand. „Nur noch ein bisschen…“

28. Juli 2011 – Paolo Alto
 

Jenrya hatte das Gefühl, dass es Minute um Minute chaotischer wurde. Nicht nur die Bilder, die sie aus der ganzen Welt sahen, von dem seltsamen Verhalten, das die vermeintlich physische Welt überall zeigte, und die Streams, die überall aufgetaucht waren, sondern auch die Leute in dem Büro. Immer und immer mehr Leute waren in der vergangenen Stunde hierher gekommen. Studenten, andere Professoren, Forscher von einigen der großen Silicon Valley Firmen. Offenbar hatten Dolphin und die anderen Mitglieder des Wild Bunch jeden Kontakt genutzt, den sie hatten.

Er selbst saß vor einem Rechner, der gerade mit großer Geschwindigkeit Code analysierte, ihm dabei jedoch wenig zu tun gab.

Sie hatten dank Kali Ressourcen der NASA zur Verfügung gestellt bekommen, was ihre Rechenleistung stark vergrößert hatte. Doch sie kämpften gegen die Zeit.

Zumindest glaubte er halbwegs verstanden zu haben, was Shibumi plante. Ein Reboot. Die Welten auf einen Status zurücksetzen, als die Anomalie noch nicht überhand genommen hatte.

Er wusste nicht, ob es möglich war, doch wenn Shibumi mit seinen anderen Aussagen Recht hatte, dann hatten sie keine andere Wahl als es zu versuchen. Und es sah danach aus, als hätte Shibumi Recht.

Seufzend stand er auf und nahm seine Tasse, um sich neuen Kaffee zu holen.

Terriermon lag auf dem Rechner, den er benutzte und schlief selig. Wahrscheinlich hatte es bei ihrem unfreiwilligen Aufenthalt in der Militärbasis genau so wenig Schlaf bekommen wie er und es konnte nun auch sehr wenig helfen. Immerhin war dies nicht Doodlebug… Selbst wenn es nicht unähnlich war. Hatten sie nicht damals auch die digitale Welt in einen vergangenen Zustand versetzt?

Er sah sich um.

Sein Vater saß zusammen mit Daisy und Babel an einem der Rechner und schien mit ihnen über den Code zu reden. An einer anderen Stelle half Keith weitere Rechner an das Netz anzuschließen. Da war auch Denrei, der mit einem amerikanischen Studenten vor einem anderen Rechner saß, während Shuichon – ihren Arm weiter in einer Schlaufe – neben ihm saß. Sie war gerade einmal vor zwanzig Minuten hergekommen und hatte ihn kaum eines Blickes gewürdigt.

Etwas verkrampfte sich in seinem Inneren. Er hasste es, sie so zu sehen. Vielleicht hätte er etwas gesagt, doch er wusste, dass sie gerade besseres zu tun hatten. Also ignorierte er es. Was würde es auch für einen Unterschied machen?

Er ging zur Kaffeemaschine hinüber. Mittlerweile hatte jemand in einer Ecke mehrere Maschinen aufgestellt, sowie auch Wasserkocher für Tee und eine Campingherdplatte, wie auch eine Mikrowelle. Sie wussten, dass sie in den nächsten zwei Tagen – wenn sie noch so lange hatten – dieses Büro wahrscheinlich nicht mehr verlassen würden.

Eine Kanne Kaffee war in einer älteren Maschine gerade durchgelaufen. Er goss sich etwas ein und packte dann noch zwei Löffel Zucker hinzu. Er hatte das Gefühl langsam zu unterzuckern. Aber es würde sicher nicht lange dauern, bis jemand das nächste Mal etwas bestellte.

Mit der Kaffeetasse in der Hand wollte er sich gerade umdrehen und zu seiner Arbeitsstation zurückkehren, als er beinahe in Alex hineinlief, die hinter ihm stand.

„Hey“, sagte sie mit einem sehr vorsichtigen Tonfall.

„Hey“, erwiderte er matt. „Du bist noch hier?“ Tatsächlich hatte er damit gerechnet, dass sie mittlerweile gegangen war.

Sie zuckte mit dem Schultern. „Ja. Wo soll ich sonst sein?“

„Was ist mit deiner Familie?“, fragte Jenrya.

Ein weiteres Schulterzucken. „Hier kann ich mehr helfen.“ Sie musterte ihn. „Blitzmerker.“

Jenrya trank einen Schluck Kaffee und lehnte sich gegen einen der Tische. „Ich bin müde“, murmelte er nur. Er sprach Englisch, wie immer mit ihr.

„Vielleicht solltest du dich etwas ausruhen“, meinte sie ruhig. „Ein, zwei Stunden.“

„Wir haben keine Zeit“, erwiderte er.

Alex seufzte. „Dann komm zumindest für ein paar Minuten mit mir nach draußen. Etwas frische Luft schnappen. Mir schwirrt der Kopf.“

Daraufhin nickte Jenrya nur. Mit der Tasse in der Hand folgte er ihr auf die Wiese vor dem etwas abseits liegenden Laborgebäude, in dem sie nun alle Technik untergebracht hatten. Er hatte von Daisy gehört, dass sich hier vor einigen Jahren das erste Digimon materialisiert hatte. Ein Greymon, von allem was er wusste.

Eine Bank stand an einem Weg, der zur Straße hinunterführte. Die Bank war von Wind und Wetter arg mitgenommen worden und hätte gut eine neue Lackierung gebrauchen können, doch offenbar hatte ihr niemand genug Beachtung geschenkt.

Die Sonne schien. Es war unwirklich. Vielleicht waren seine Erwartungen nur von Film und Fernsehen zu sehr beeinflusst worden, doch eigentlich hätte man glauben sollen, es würden Sturmwolken aufziehen oder so etwas in der Art. Aber nein: Strahlender Sonnenschein auf einem blauen Himmel.

Nur das Abbild der digitalen Welt flackerte über ihnen und in der Ferne konnte er einen Stream erkennen.

„Wie geht es eigentlich dem Jungen?“, fragte er, da Alex darauf zu warten schien, dass er etwas sagte.

„Du meinst Nico?“, erwiderte sie und hob eine Augenbraue.

Er nickte rasch. „Ja, genau den.“ Immerhin hatter er mit dem Jungen nichts zu tun gehabt. Alles was er wusste war, dass Shuichon angeschossen war wegen diesem Jungen und Denrei.

„Er isst viel“, antwortete Alex. „Und schläft viel. Er ist mtigenommen von allem… Na ja, kein Wunder, oder?“ Sie sah ihn an als würde sie auf eine Antwort warten, doch als er nichts erwiderte fuhr sie fort. „Eigentlich sollten seine Eltern übermorgen vorbei kommen…“

Ihr schweigen am Ende des Satzes sagte deutlich: „Wenn es bis dahin überhaupt noch geht…“

„Erst?“, fragte Jenrya ohne wirkliche Anteilnahme.

„Sie arbeiten“, erwiderte Alex. „Und aktuell ist es schwerer mit den Fliegern und so…“

Darauf antwortete Jenrya nicht. Stattdessen trank er einen Schluck Kaffee und lehnte sich dann zurück, wobei die Bank etwas karzte, und schloss die Augen.

Für eine Weile herrschte Stille zwischen ihnen beiden, doch dann war es Alex, die diese Stille brach. „Warum hasst du Denrei so?“

„Was?“ Verwirrt und überrascht sah er sie an. Woher kam diese Frage jetzt.

„Denrei“, meinte sie, „warum hasst du ihn so?“

Jenrya erwiderte nichts. Stattdessen biss er sich auf die Unterlippe. Er wollte darüber nicht reden. Was hatte das überhaupt mit irgendetwas zu tun.

Als er schwieg, legte sie eine Hand auf seine Schulter. „Jian…“

Er drehte sich zu ihr. „Lass mich!“

„Nein!“ Ihre Stimme war nun scharf. Streng. „Ich lasse dich nicht.“

Er funkelte sie an. Was musste sie sich in diese Dinge einmischen. „Warum?“

Alex sah zur digitalen Welt hinauf. „Ich denke nur…“ Sie seufzte und zögerte für einen Moment. „Ich denke nur, wenn die Welt wirklich untergehen sollte, dann… Willst du dich nicht mit deiner Schwester vertragen?“

Darauf schwieg Jenrya erneut und sah nur auf die Oberfläche des Kaffees hinab, in der sich immer wieder Wellen bildeten, da er nicht vollkommen ruhig saß.

„Er hat dir nichts getan, oder?“, erwiderte sie. „Und deine Schwester liebt ihn – selbst wenn es dir nicht gefällt.“

„Sie ist unvernünftig“, murmelte Jenrya. „Sie… Er hat sie so oft in Gefahr gebracht!“

Alex seufzte und zuckte mit den Schultern. „Von dem was ich mitbekommen habe, ist sie selbst ganz gut damit, sich in Gefahr zu bringen. Denrei versucht sie zu beschützen. Aber ich glaube… Anders als du hat er eingesehen, dass sie kein Kind ist und dass sie ihre eigenen Entscheidungen treffen kann.“

„Was soll das heißen?“, fragte er nüchtern.

„Dass du sie wie ein Kind behandelst“, antwortete sie in einem beinahe beiläufigen Tonfall. „Aber sie ist kein Kind mehr. Selbst wenn sie jünger ist als du.“ Sie zögerte. „Du weißt, dass ich gleich zwei jüngere Geschwister habe. Und ich weiß, wie du dich fühlst, glaub mir. Ich meine, als Mike noch jünger war habe ich oft auf ihn aufgepasst, weißt du? Aber mittlerweile ist er auch schon 14 und ich kann nicht die ganze Zeit für ihn da sein. Natürlich hat er ein paar Freunde, die ich nicht leiden kann und einer seiner Freunde, Jonas, macht die ganze Zeit Witze, die… Na ja, du kannst es dir denken. Aber ich kann ihm nicht vorschreiben, mit wem er befreundet ist, weißt du?“ Für einen Moment pausierte sie, während sie weiter zur flackernden digitalen Welt hinaufsah. „Und ich wette, irgendwann wird er eine Freundin haben, die ich ganz furchtbar finde. Vielleicht irgendso ein oberflächliches Girly Girl oder so.“ Sie lachte leise, trocken. „Aber das kann ich ihm nicht vorschreiben. Egal wie es mich stört: Es ist sein Leben. Und ich mein, dasselbe gilt für Lisa. Und glaub mir, es gibt eine Sachen an Lisa, die mich aufregen… Aber… Na ja, sie sind eigene Menschen. Und ich denke, dasselbe gilt für Shuichon.“

Jenrya antwortete noch immer nichts. Er wollte das alles nicht hören. Was brachte es jetzt auch?

„Jian“, meinte sie. Seit wann nannte sie ihn überhaupt so? „Ich meine nur… Vielleicht hast du ein paar Vorurteile, die du überdenken solltest. Nur so ein Gedanke… Und, na ja… Also von allem was ich gesehen habe, ist Denrei sehr darauf bedacht, deine Schwester zu beschützen. Er ist echt kein schlechter Kerl.“

„Du kennst ihn nicht“, murmelte Jenrya nur.

Daraufhin zuckte Alex nur mit den Schultern. „Vielleicht… Aber kennst du ihn?“ Damit stand sie auf. „Vertrag dich mit ihm, Jian. Vertrag dich mit deiner Schwester, bevor… Noch einmal wanderte ihr Blick zur digitalen Welt hinauf. „Bevor es zu spät ist.“ Sie seufzte und schüttelte den Kopf. Einige Sekunden vergingen, ehe sie ihn noch einmal ansah und sich dann umdrehte. „Ich gehe wieder rein.“ Und damit drehte sie sich um und ging, ohne auf ihn zu warten.

Jenrya sah nur auf die Tasse in seinen Händen. Hatte sie Recht? Konnte sie Recht haben? Was wusste sie schon?

Mehr kleine Wellen erschienen auf der Oberfläche des Kaffees. Dieses Mal war es nicht sein eigenes Zittern gewesen.

Noch ein Beben. Ob wohl noch eines dieser Wesen hier auftauchen würde? Doch das war nicht mehr wichtig. Es hatte ohnehin keinen Sinn gegen diese Wesen zu kämpfen… Es gab wichtigeres zu tun.

„Kuso…“, murmelte er auf Japanisch. Alex' Worte würden ihm sicher nicht helfen, sich zu konzentrieren.

29. Juli 2011 – Shinjuku, Tokyo
 

Als sich die reale Welt unter ihnen zeigte, wusste Makoto, dass etwas nicht in Ordnung war. Noch immer hielt er Impmons klauenartige Hand, was sich gleichzeitig gut und falsch anfühlte. Sie waren keine Partner mehr, oder?

Es war Nacht in Japan. Doch normaler Weise lag Tokyo um diese Uhrzeit hell erleuchtet an der Bucht. Jetzt war es mehr wie eine Ansammlung von Schatten.

Sicher, einige Gebäude leuchteten noch immer.

„Was…“, flüsterte seine Schwester, während sie umgeben von Apollomon und Dianamons Licht langsam in die physische Welt hinab sanken.

„Etwas stimmt nicht“, murmelte auch Kaito zu seiner Rechten.

Die Dunkelheit, die sich über der Stadt ausgebreitet hatte war nicht der einzige Hinweis, dass etwas nicht stimmte. An mehreren Stellen konnten sie Streams sehen, die beide Welten miteinander verbanden. So war es nicht gewesen, als er die reale Welt verlassen hatte.

Ein Flackern lief durch einige der Hochhäuser unter ihnen.

„Was geht hier vor?“, stellte Takumi die Frage, die in ihrer aller Köpfe herumspukte.

Doch für den Moment schien ihm niemand antworten zu können.

„Das sind welche von diesen Wesen!“, rief Impmon auf einmal aus und zeigte an eine Stelle in den finsteren Straßenschluchten, die vom Licht eines weiß-bläulich leuchtenden Wesens erhellt wurde. Makoto hatte so etwas noch nie gesehen, auch wenn ihn etwas an der flackernden weißen Struktur des Wesens an die infizierten Digimon erinnerte.

„Was für Wesen?“, fragte er.

„Wir haben so etwas in der digitalen Welt gesehen“, erwiderte Ai zurückhaltend.

„Es ist wie das Monster, das uns angegriffen hat!“, rief Bearmon aus. „Sie sind auch hier!“

Einige der kleinen Digimon, die ebenfalls vom Licht getragen wurden, fingen an ängstliche Laute von sich zu geben.

Das Wesen, auf das Impmon gezeigt hatte, war nicht das einzige. Als sie die Straßen unter sich betrachteten, sahen sie noch drei weitere.

„Was tun diese Wesen hier?“, fragte Kaito.

„Das ist die Anomalie“, antwortete sein Bruder tonlos. Er schien blass zu sein, selbst wenn es in dem farbigen Licht, dass sie umgab, schwer zu erkennen war. „Ich habe nicht gedacht, dass es soweit gekommen ist.“

„Anomalie?“ Makoto sah zu ihm hinüber. „Was für eine Anomalie?“

„Es ist eine andere digitale Lebensform“, erklärte nun Dianamon. „Es kommt aus einer anderen digitalen Welt. Welche von ihnen sind im Verlauf der letzten Monate in die digitale Welt gekommen. Unsere digitale Welt. Erst waren es nur seltsame Formen, aber dann haben sie angefangen diese…“ Es zögerte, offenbar nach dem richtigem Wort suchend. „Dann haben sie diese Körper ausgebildet.“

„Was passiert dann?“, fragte Rin und ihre Stimme zitterte.

„Wir wissen es nicht“, erwiderte Apollomon.

Langsam kamen sie auf die Höhe der Dächer der Hochhäuser hinab.

„Wohin sollen wir euch bringen?“, fragte Dianamon schließlich.

Sie zögerten, doch es war schließlich Ai, die erwiderte: „Der Shinjuku Central Park. Bringt uns dahin.“

Die beiden olympischen Digimon sahen einander an und Makoto meinte beinahe etwas wie ein Lächeln in ihrer schwer zu deutenden Mimik zu erkennen.

„In Ordnung.“
 

Takato saß vor einem der Bildschirme in der Hypnos Zentrale. Er wünschte sich wieder, dass er mehr Ahnung hätte, mehr tun konnte. Zumindest zwang ihn niemand mehr nach draußen zu gehen und zu kämpfen. Er wollte diesen Wesen nicht noch mehr Schaden zufügen.

„Können wir wirklich nichts machen, Takato?“, fragte Guilmon mit angelegten Fledermausohren.

„Nicht wirklich“, erwiderte er.

Irgendwie waren die falschen von ihnen hier. Weder er, noch Shoji, Ruki oder Steve wussten zu viel von Informatik und konnten hierbei nicht viel helfen. Die Zeit zu kämpfen war vorbei. Selbst wenn er sich nie als Kämpfer gesehen hatte, war es doch die Position, die er in der Gruppe im Moment füllen musste.

Er hatte überlegt zu seinen Eltern zu gehen, bevor diese die Stadt verließen, doch er konnte auch nicht einfach gehen.

Shoji kam zu ihm hinüber. Er war gerade erst wieder in den Überwachungsraum gekommen. „Irgendetwas neues?“

Takato schüttelte nur den Kopf. „Wo ist Ruki?“

„Sie ist bei Namiko“, erwiderte Shoji.

Vor etwa zwei Stunden war Reika mit ihrer Tochter zu ihnen gekommen. Auch sie half.

Daraufhin nickte Takato nur und stand schließlich auf. Vielleicht konnte er sich etwas zu trinken holen. Es war besser als hier herum zu sitzen.

Es war auf halben Weg, dass Guilmons Stimme erklang. „Takato, schau!“

Er drehte sich herum und sah, dass Guilmon schon wieder auf einen der Bildschirme schaute.

„Das sind Apollomon und Dianamon“, murmelte Shoji und sah auf die Bildschirme.

„Glaubst du, es sind… Na ja, Coronamon und Lunamon?“, fragte Gazimon und stellte seine Ohren nun auf.

„Wer weiß“, murmelte Takato.

Er drehte um und ging zur Treppe, die in die nächste Etage des Hauptquartiers führte, wo er aus der großen Fensterfront sah. Tatsächlich konnte er den großen Umriss von Apollomon noch immer im Shinjuku Central Park sehen.

Vielleicht brachten die beiden Digimon neue Informationen? Takato ging zu einem der Labore, deren Tür offen stand. Ein Teil des Computerequipments, das nicht direkt mit der Überwachung verbunden war, stand hier, und er wusste, dass er Yamaki hier wahrscheinlich finden würde.

Natürlich lag er damit richtig. Yamaki, seine Frau, Hatsuyama und einige andere ihrer Forscher saßen hier vor Rechnern.

„Irgendwelche Fortschritte?“, fragte Takato, als er hineinkam.

Yamaki ließ sich mit einem frustrierten Stöhnen in seinem Bürostuhl zurück sinken. „Nein“, sagte er nur kurz angebunden.

Bevor Takato weitersprechen konnte, warf Guilmon ein: „Apollomon und Dianamon sind da!“

„Was?“, fragte Yamaki verständnislos.

„Apollomon und Dianamon“, erwiderte Takato. „Die beiden sind im Central Park gelandet.“

Daraufhin nickte Yamaki nur und konzentrierte sich auf den Bildschirm.

Zugegebener Maßen hatte Takato nicht wirklich eine andere Reaktion erwartet. Es gab gerade wichtigere Dinge, als zwei Digimon, die ihnen sehr wahrscheinlich nicht feindselig gesonnen waren, Aufmerksamkeit zu schenken.

„Gibt es nichts, was wir tun können?“, fragte er vorsichtig. „Irgendetwas?“ Die Untätigkeit frustrierte ihn selbst.

„Wenn du nicht gerade weißt, woher wir Code bekommen können, von dem wir bis vor kurzem nicht einmal wussten, dass er existiert, dann nicht“, erwiderte Yamaki nur, ohne vom Bildschirm aufzusehen.

„Nein“, erwiderte Takato nur und wandte sich ab.

Seine Hand griff ganz unbewusst nach seinem Digivice und legte sich um es. Auf gewisse Art und Weise tröstete es ihn immer wieder, doch es war im Moment praktisch nutzlos.

Er sah zum Fenster hinüber, hinter dem eine rabenschwarze Nacht zu liegen schien, nur unterbrochen von dem fernen Schimmern eines Datastreams. Irgendetwas…

Gerade als er sich umdrehte, um den Raum zu verlassen, stand Shoji in der Tür. „Yamaki-san“, sagte er ebenso vorsichtig, wie Takato zuvor. Er wartete bis Yamaki aufsah, ehe er fortfuhr: „Hanegawa Ai und Makoto, Shirou Takumi, Okamura Rin sind da“, erklärte er. „Sie waren in der digitalen Welt und…“ Er zögerte.

Yamaki nickte nur.

„Sie sind wieder da?“, fragte Reika nun und sah auf. Sie schien erleichtert zu sein.

„Nicht nur sie“, erwiderte Shoji, als ein anderer junger Mann hinter ihm auftauchte.

Der Mann hatte mittellanges dunkles Haar und war eindeutig ebenfalls ein Japaner. Takato meinte, sein Gesicht schon einmal irgendwo gesehen zu haben.

Der junge Mann zog ein Tablet aus einer Umhängetasche hervor. „Ich habe etwas, dass Ihnen vielleicht weiterhilft“, sagte er nur.

Yamaki sah ihn misstrauisch an. „Wer sind Sie?“

„Nakamura Shinji“, erwiderte der Mann und hielt ihm das Tablet entgegen. „Nehmen Sie.“

„Was ist das?“, fragte Reika und stand anstelle ihres Mannes auf, um ihm das Tablet abzunehmen.

Nakamura gab es ihr und sah sie an, ehe er antwortete: „Daten aus der digitalen Welt. Daten aus jener anderen digitalen Welt.“

Episode 52: Der letzte Tag

Episode 52: Der letzte Tag
 

Es war die Nacht zum 31. Juli, zumindest in der japanischen Zeitzone. Was in Tokyo angefangen hatte verbreitete sich schnell – schneller als die Phänomene der vergangenen Wochen – auf der ganzen Welt. Und überall war es dasselbe.

Es war nur wenige Stunden, nachdem die ersten Streams in Tokyo erschienen waren, dass auch an anderen Orten Streams erschienen. Erst in Ostasien. Korea, China, Thailand, die Philipinnen, doch das war nur der Anfang. Einige Stunden mehr und das Phänomen hatte Europa und die Westküste von Nordamerika verbreitet.

Dabei begann es mit einem Stromausfall. Dieser traf einige Orte schlimmer als andere, auch wenn es keine Erklärung dafür zu geben schien. Während in einigen Städten die Notfallversorgung noch zu funktionieren schien, war es an anderen Orten schwierig nur Generatoren zum Laufen zu bringen.

Als nächstes begannen Objekte, meistens Gebäude oder Bäume, in einigen Fällen, wie im Kaukasus-Gebirge aber auch ganze Berge, zu flackern, ehe Streams erschienen.

Viele stellten fest, dass die Streams in den Städten dichter gestreut waren. Vielleicht weil dort die digitale Infrastruktur enger gewebt war? Niemand hatte die Zeit, um dem ganzen auf dem Grund zu gehen, denn nach den Streams erschienen die Wesen. Dieselben Wesen, die schon in den vergangenen zwei Wochen erschienen waren, doch nicht mehr so vereinzelt.

Es waren mehr. Viel mehr von ihnen. Doch sie waren anders als zuvor.

Vor allem die Tamer in den verschiedenen Städten bemerkten, dass etwas anders war. Denn während diese seltsamen Geschöpfe bereits vorher nicht besonders solide gewirkt hatten in ihrem Körper aus sich ständig bewegenden Tetraedern waren sie nun teilweise beinahe durchsichtig. Einige verschwanden auch wieder und selbst die, die blieben, taten oft nichts. Manche standen einfach nur dort und ließen jenen beinahe schon traurigen Laut hören, der an Walgesang erinnerte. Andere liefen Ziellos durch Straßen oder über Felder.

Sie schienen die Menschen gar nicht zu sehen und für einige wirkte es, als wären sie gar nicht dort.

Und doch... Diesen Wesen folgten Erdbeben. Stärker als zuvor.

Anders als die Tamer in Tokyo oder der Wild Bunch in San Francisco wussten die meisten Menschen nicht, was dies zu bedeuten hatte, doch viele ahnten es. Panik brach aus und es gab wenig, was Regierungen, Militär und Polizei dagegen tun konnten.
 

30. Juli 2011, 10:39 – Shinjuku, Tokyo
 

Die Zeit kroch dahin.

Alles fühlte sich so unwirklich an, dachte Rin. Sie waren wieder zurück. Zurück in der realen Welt, in Tokyo. Sie hatten geschlafen und gegessen, waren in der Hypnoszentrale geblieben, da es keinen anderen Ort gab an den sie gehen konnten.

Jemand hatte ihnen gesagt, das Tokyo evakuiert wurde. Die Gefahr durch die seltsamen Wesen, die überall aufgetaucht waren, war einfach zu groß. Dazu noch Erdbeben und Stromausfall. Was konnten sie tun?

Offenbar schien nichts mehr zu gehen.

Auch die Telefone nicht mehr. Das war der Grund warum sie noch immer hier waren. Denn niemand wusste so wirklich, wie man ihre Eltern kontaktieren konnte. Man wusste ja nicht mal, ob sie in der Stadt waren, beziehungsweise diese schon verlassen hatten. Nun, so wie sie ihre Eltern kannte, hatten sie die Stadt bereits verlassen oder waren gar nicht hier gewesen, als das alles angefangen hatte.

Sie seufzte und sah aus dem Fenster.

Man hatte ihnen eins der Konferenzzimmer als Notfallunterkunft überlassen und von irgendwo Futons organisiert. So saßen sie hier und konnten nichts mehr tun.

Sie verstand ohnehin nicht was vor ging. Die Welt würde untergehen, hatte man gesagt und dabei sehr melodramatisch geklungen. Wenn sie die Lage draußen bedachte, mochte es vielleicht sogar stimmen. Und sie? Sie würde ihre Eltern wohl vorher nicht mehr wieder sehen.

Kunemon saß auf ihrem Schoß und hatte sich in eine beinahe perfekte Kugel zusammengerollt. Es schien noch immer erschöpft.

„Hey“, meinte die mittlerweile vertraute Stimme Ais, als sich eine Hand auf ihre Schulter legte.

Rin sah auf.

Ai war – offenbar von Takumi gefolgt – hineingekommen. „Du sitzt hier ganz allein. Ich dachte wir leisten dir Gesellschaft.“

Rin nickte, dankbar. „Ja...“ Sie bemerkte, dass Ai noch etwas anderes dabei hatte: Zwei Packungen Pocky. Nun, nicht direkt Pocky: Meiji Sticks. Erdbeer und Schokolade. „Wo hast du die her?“

„Vom Automaten im Erdgeschoss“, erwiderte Ai und räusperte sich. „Wir haben diesen... Etwas geplündert.“

„Soll heißen, wir haben ihn aufgebrochen“, meinte Impmon und sprang auf den Tisch, selbst einen Schokoriegel in der Hand. „Der blöde Strom ist ja ausgefallen...“

Rin lächelte und nahm die Packung Erdbeer-Sticks dankbar an. Sie öffnete sie. Eigentlich hatte sie keinen besonderen Hunger, doch war sie froh einfach irgendetwas machen zu können. Sie seufzte. „Glaubt ihr“, begann sie dann, bevor sie sich selbst aufhalten konnte, „dass wir unsere Eltern noch einmal wiedersehen?“

Ai zuckte mit den Schultern. „Vielleicht...“

„Ihr könntet nach Hause gehen“, schlug Kotemon vor. „Ich glaube kaum, dass es jemanden auffallen wird.“

Die drei Tamer sahen einander an, doch Rin wusste, dass ihnen dasselbe durch den Kopf gingen. Was würde es bringen? Vor allem wusste Rin nicht wirklich, wie sie nach daheim kommen sollte. Auf Flymon reiten? Das ginge, doch mit der Lage draußen... Wenn ihre Eltern überhaupt bemerkt hatten, dass sie fort war...

Es war Takumi, der in die Tasche seiner Baseballjacke griff und seine Karten herausholte. Er legte sie auf den Tisch. „Wie wäre es mit einem Spiel?“, fragte er.

Für einen Moment sah Rin ihn ungläubig an, doch Ai lächelte. „Warum nicht?“, meinte sie und holte auch ihre Karten aus der kleinen Tasche, die sie immer bei sich trug, hevor. Sie schenkte Rin einen aufmunternden Blick und griff nach ihrer Hand. „Komm. Wir haben ohnehin nichts besseres zu tun.“

Rin seufzte leise, doch dann holte sie auch ihr Deck hervor. Tatsächlich war es ewig her, dass sie ein normales Spiel gespielt hatte. „Ich habe nicht viel Erfahrung“, sagte sie leise, als sie das Deck auf den Tisch legte.

„Wieso?“, fragte Takumi und zog sich einen der Stühle heran.

Rin merkte ein leichtes Brennen auf ihren Wangen. „Ich hatte nie jemanden zum Spielen“, gab sie dann leise zu. „Na ja, selten...“ Sie sah zu dem Digimon, das in ihrem Schoß lag. „Und seit Kunemon da ist habe ich die Karten eigentlich nur zum Kämpfen genutzt.“

„Dann wird es Zeit, das zu ändern“, meinte Takumi sanft.

Rin nickte und begann ihre Karten zu mischen, ehe ihr noch ein Gedanke kam. Sie sah zu Ai. „Sag mal... Hast du mittlerweile mit Makoto gesprochen?“

Daraufhin ließ Ai ein leises Seufzen hören und schüttelte den Kopf. „Nein“, antwortete sie und sah mit glasigen Augen zur geschlossenen Zimmertür. Noch einmal seufzte sie. „Aber ich will ihn nicht bedrängen.“
 

31. Juli 2011, 0:43 – Shinjuku, Tokyo
 

Obwohl es Nacht war, schlief Shoji wieder nicht.

Den ganzen Tag waren sie hier gewesen und er hatte nichts tun können. Er war bei seinen Eltern gewesen, hatte sich verabschiedet, ehe sie die Stadt verlassen hatten. Etwas, das vollkommen albern erschien, wenn man bedachte, wie weit sich das Phänomen mittlerweile ausgeweitet hatte. Wohin sollte man auch fliehen, wenn die Welt unterging? Selbst zu einem anderen Planeten zu fliehen – wäre es physisch möglich – würde ihnen ja nichts bringen, da wenn wohl das ganze Universum, die gesamte Existenz in sich betroffen wäre.

Auch wenn er es nicht zeigen wollte: Er hatte Angst.

Er wusste nicht einmal wovor. Am Ende war es wohl egal, ob es schmerzte oder nicht. Danach war es vorbei. Alles. Doch vielleicht war es genau das, was er fürchtete: Das alles, was er kannte und liebte verschwunden war.

Noch schlimmer jedoch war die Tatsache, dass er so furchtbar wenig tun konnte, um etwas zu ändern. Er hatte keine Ahnung von Informatik und während das gesamte Hypnosteam – unterstützt von einigen Forschern der örtlichen Universitäten und in Verbindung mit Laboren auf der ganzen Welt – Daten analysierte, Code schrieb und versuchte doch noch jene Lösung zu finden, von der Shibumi gesprochen hatte, gab es nichts, was er tun konnte, außer für Yamaki-san auf Namiko aufzupassen.

Das kleine Mädchen schlief auf einem Futon in einem der Konferenzräume am Boden, sowie auch Shirou-kun, die Hanegawa-Zwillinge und die anderen zwei Jugendlichen, die in der vergangenen Nacht aus der digitalen Welt zurückgekommen waren. Auch Juris jüngerer Bruder, der sich vorher mehrfach über die Situation beschwert hatte, war hier.

Einzig Nakamura Shinji war nicht bei ihnen, da er einiges vom Code der digitalen Welt zu verstehen schien. Er hatte diesen Code immerhin offenbar für die gesamten zwei Jahre, die er verschwunden war, studiert. Also half er. Natürlich.

Shoji saß auf einem Stuhl am Rand des Raums und sah zum Nachthimmel hinaus.

Es war so seltsam. Nun, da kaum ein Licht in Tokyo brannte, waren die Sterne so klar und deutlich zu sehen. Man konnte sogar die Milchstraße hinter dem Schimmern der digitalen Welt erkennen – in Tokyo! Es war schon ein merkwürdiger Anblick.

Da fiel sein Blick auf den Park hinunter, der beinahe schwarz erschien und nur von den Sternen und dem Schimmer der digitalen Welt erhellt war, da auch kein Mond am Himmel stand.

Da unten waren zwei alte Freunde von ihnen. Er hatte mit den beiden Digimon kurz gesprochen, doch nicht lang.

Unsicher sah er sich im Raum um. Lumamon schien wach zu sein und ebenso zu verstehen, worüber er nachdachte. Es nickte ihm zu und Shoji lächelte kurz.

Er stupste Gazimon an, das neben ihm auf dem Boden schlief.

Sofort öffnete das Digimon seine gelben Augen und sah ihn fragend an, schien dann aber zu verstehen und nickte.

So verließen sie das Zimmer und machten sich auf den Weg zum Treppenhaus, da die Aufzüge dank Notstromversorgung und Erbeben nur sehr unzuverlässig funktionierten. Auf dem Weg aus der Zentrale nickte er Takato zu, der zusammen mit Juri an einer der Arbeitsplätze saß, an dem aktuell nur Luftaufnahmen der Stadt und im speziellen der Streams zu sehen waren. Takato hatte seinen müden Kopf gegen die Schulter seiner Freundin gelegt und schien halb eingeschlafen zu sein, sah jedoch kurz zu Shoji hinüber.

Niemand hielt ihn auf. Wieso auch?

Fünfzehn Stockwerke tiefer verließ er das Gebäude, das abseits von der Hypnos-Zentrale und einzelnen Politikern beinahe gänzlich verlassen war.

Die Hände in die Hosentaschen gesteckt ging er zum anbei liegenden Park hinüber. Er ahnte, wo er die beiden Digimon finden würde, auch wenn er gar nicht wusste, was er eigentlich mit ihnen reden wollte. Doch eigentlich war er froh, einfach nur mit irgendjemanden reden zu können.

„Apollomon!“, rief er aus, als er in die Nähe der alten Hütte kam. „Dianamon?“

Eine humanoide Gestalt landete vor ihm und sah ihn an. „Shoji“, sagte Dianamon mit so etwas wie Freude in der Stimme. „Was machst du hier?“

Er zuckte mit den Schultern. „Ich konnte nicht schlafen.“

Offenbar hatten die beiden Digimon vor den künstlichen Wasserfällen Lager bezogen. Sie waren zu groß, um in irgendein Gebäude zu kommen.

„Shoji“, grüßte auch Apollomon ihn. „Gazimon.“ Es griff nach dem Digimon und hob es hoch. Ein Grinsen auf dem katzenhaften Gesicht. „Du bist jetzt so klein“, meinte es dann mit einer gewissen Nostalgie in der Stimme.

„Lass mich runter“, grummelte Gazimon, schien jedoch nicht wirklich wütend.

Dianamon ließ ein Seufzen hören. „Immer noch der Alte, wenn man ihn lässt“, meinte es amüsiert. „O-nii-baka.“

Daraufhin ließ Apollomon ein tiefes Lachen hören, setzte Gazimon dann aber ab.

„Warum seid ihr nicht in die digitale Welt zurückgekehrt?“, fragte Shoji und setzte sich auf die Steinmauer am Rand des freien Platzes.

„Weil es zu spät ist“, erwiderte Dianamon und sah zum Himmel hinauf. Seine Augen schimmerten im Licht der Sterne und schienen in eine weite Ferne sehen zu können.

Shoji nickte und fragte sich, warum er hergekommen war. Dann jedoch sah er sich um – selbst wenn er dank der Dunkelheit wenig sehen konnte. Es war beinahe schon nostalgisch dieser Ort. Er wusste, dass damals – vor zehn Jahren – Takato und die anderen viel von hieraus unternommen hatten und Guilmon in demselben kleinen Betonhaus versteckt hatten, indem sie später Dracomon, Coronamon und Lunamon versteckt hatten.

So viel war geschehen... Sie hatten einmal schon einen bevorstehenden Weltuntergang aufgehalten, doch war es dieses Mal anders. Damals war es eine mehr oder minder physische Kraft gewesen, die sie bedroht hatte. Etwas, wogegen sie hatten kämpfen können. Und jetzt? Die Anomalie war nicht ihr Gegner. Sie wollte genau so wenig zerstört werden, wie sie. Doch würde sie das Schicksal der anderen beiden Welten teilen, wenn es soweit war.

„Glaubt ihr“, begann er an die beiden Digimon gewandt, als eine andere Stimme erklang.

„Shoji?“

Er sah sich um. Sakuyamon landete vor ihm, ehe es von Licht umgeben war und Ruki und Renamon dort standen.

Für einen Moment musterte er sie. „Was macht ihr hier?“

„Ich war bei meiner Mutter“, antwortete Ruki nur leise.

„Sie ist noch hier?“

Die junge Frau nickte. „Wohin sollte sie auch gehen? O-baa-san und sie haben sich entschieden zu bleiben.“

Shoji seufzte und antwortete nicht. Er sah zur digitalen Welt hinauf. „Lass uns ein wenig spazieren“, meinte er dann, auch wenn es ihm albern vorkam. Er sah zu ihr und sie nickte nur, mit einem matten Lächeln.
 

31. Juli 2011, 01:02 – Shinjuku, Tokyo
 

Während Shoji und Ruki im Park nebeneinander her gingen, den Blick auf den Sternenhimmel gerichtet, sah keine zwei Kilomenter entfernt Ryou zu demselben Sternenhimmel hinauf.

Niemand hatte ihm gesagt, was vor sich ging, doch es war ihm genau zu klar, wie den anderen. Die Zeichen waren zu eindeutig, um irgendetwas anderes aus ihnen zu interpretieren.

Und doch saß er hier fest.

Noch immer gingen ihm die Worte von Hirokazu und Kenta durch den Kopf. Er wusste, was er zu tun hatte. Er musste die Dinge wieder richten und viel Zeit blieb ihm nicht. Vielleicht war es auch jetzt schon zu spät. Doch er musste es versuchen.

„Ruki“, murmelte er. Er holte tief Luft.

Zumindest war es seine linke Hand, die man ans Bett gefesselt hatte. Dies war in der Absicht gewesen, dass er mit der rechten noch essen und trinken konnte, doch gerade kam es ihm zumindest gelegen.

„Verflucht“, flüsterte er, als er begann, die Hand aus der Handschelle zu winden. Er wusste nicht, wo sein Digivice oder Monodramon waren, doch würde er das Digivice ohnehin nicht für das brauchen, was er vorhatte. Er wollte nur noch einmal mit ihnen reden. Gegen diese Ungeheuer, die keine Digimon waren, konnte er ohnehin nicht mehr kämpfen. Zu sehr hatten die vergangenen Tage seinen Körper und auch seinen Geist mitgenommen. Nach allem, was er Monodramon angetan hatte, wäre er nicht einmal mehr überrascht, wenn die Verbindung zwischen ihnen nicht hr stark genug war, um Justimon zu formen.

Mit der rechten presste er gegen das Gelenk seines Daumens, das wie erwartet ein zu großes Hindernis war, um die Hand aus dem Stahlring zu winden. Vielleicht, wenn er Öl gehabt hätte... Doch er musste mit dem arbeiten, was er hatte. Und damit hatte er keine Wahl.

Er drückte stärker gegen das Gelenk und merkte im nächsten Moment, wie ein stechender Schmerz seinen Arm hinauffuhr. „Verdammt“, presste er hervor, bemüht nicht zu schreien.

Doch es hatte funktioniert. Seine Finger glitten durch die Handschelle, die vom Bettrahmen nun locker nach unten baumelte.

Einige Male holte er tief Luft, die Hand instinktiv an den Körper gedrückt und biss die Zähne zusammen. Weiter im Plan. Wenn er hier heraus wollte, musste er wen auch immer, der vor seiner Tür Wache hielt überwältigen. Und er brauchte Kleidung. Denn im Krankenhaushemd konnte er kaum raus gehen – selbst wenn es warm genug war und wahrscheinlich ohnehin nicht mehr genug Leute in der Stadt waren, um sich daran zu stören.

Noch einmal holte er tief Luft, dann stand er auf.

Shoji seufzte. Er hatte noch immer nichts gesagt. Vielleicht wäre es ihm einfacher gefallen, wenn ihnen nicht Renamon und Gazimon gefolgt wären. Zwar war Gazimon fast wie ein Teil von ihm, doch wusste er ja auch so schon nicht, was er sagen wollte und die Digimon machten es nur schwieriger.

Er warf Ruki einen Blick zu und merkte, dass sie es ihm gleich tat. Sie sahen wieder zu Boden.

Wie albern.

Ach, verdammt, was für einen Unterschied machte es denn überhaupt? Er wusste nicht was er wollte und er zweifelte, dass es ihm in den wenigen Stunden – oder, wenn sie glück hatten, Tagen – die ihnen noch blieben klar werden würde. Doch es fühlte sich so falsch an, nicht darüber zu sprechen.

„Ruki“, meinte er schließlich mit heiserer Stimme.

Er konnte ihren Blick auf sich spüren. „Ja?“

„Ich...“ Er unterbrach sich. „Wenn es wirklich zuende geht... Willst du nicht noch einmal mit Ryou sprechen?“

Sie seufzte leise und antwortete nicht.

„Ryou hat seine Entscheidung getroffen“, meinte Renamon, als wolle es seiner Partnerin die Last der Antwort abnehmen. „Er hat sich entschieden zu kämpfen. Sogar gegen uns.“

„Ich weiß“, erwiderte Shoji. „Ich meine nur... Er war dir wichtig, oder nicht?“

„Ja“, antwortete Ruki nach einer weiteren kurzen Pause. „Ja, war er.“ Sie blieb stehen und schloss die Augen. „Ist er auch immer noch. Nur anders als früher und das versteht er nicht.“ Sie schüttelte den Kopf. „Er versteht es nicht und ich weiß nicht, wie ich es ihm noch sagen soll.“ Kurz wanderte ihr Blick zum Boden, dann jedoch sah sie Shoji an. „Vielleicht hast du Recht“, meinte sie dann. „Aber ja... Ich weiß nicht, was ich sagen soll.“

Shoji nickte nur. Was sollte er groß dazu sagen? Immerhin wusste er nur wenig über die beiden und die Beziehung die sie gehabt hatten. Natürlich war es nicht wirklich, was ihn bedrückte, doch wie er das Thema ansprechen sollte, wusste er noch weniger.

Gazimon schien dies zu merken oder merkte viel eher, dass er zögerte. Es stubste mit seiner Schnauze gegen Shojis Bein und schenkte ihm einen aufmunternden, wenngleich auch etwas seltsamen Blick zu. Was war die andere Emotion? Trauer? Angst? Wegen ihrer Situation?

„Ruki“, begann er daher nach einer kurzen Pause erneut. Er holte Luft. „Der Kuss“, sagte er dann.

Sie wich seinem Blick aus und machte ein paar Schritte nach vorn, so dass sie ihm wieder den Rücken zuwandte. „Ich“, begann sie langsam. „Es tut mir leid...“

Er wartete. „Dann...“, meinte er langsam und in einem fragenden Tonfall.

„Ich weiß es nicht“, erwiderte Ruki und ihr Tonfall klingt schon beinahe amüsiert. Sie seufzte. „Und wir haben nicht mehr wirklich Zeit, oder?“

„Nein“, antwortete er. Es war so surreal.

Schließlich drehte sie sich wieder zu ihm herum. Sie war ziemlich genau so groß wie er – für eine Frau ziemlich groß, aber kaum verwunderlich, bei ihrer Mutter.

Shoji nickte nur, als Ruki etwas tat, womit er nicht gerechnet hatte.

Dieses Mal küsste sie ihn nicht, doch trat sie an ihn heran und legte die Arme um ihn.

Da verstand er. Sie hatte Angst, genau so wie er. Angst vor dem, was kommen würde, oder viel mehr Angst vor dem Moment, wenn alles vorbei war.

Er erwiderte ihre Umarmung und war – zumindest – froh, dass er nicht allein war.
 

30. Juli 2011, 13:16 – Paolo Alto
 

Ein weiteres Erdbeben erschütterte den Gebäudekomplex. Es würden wahrscheinlich noch mehr werden. Beinahe schon erschien es Keith als ironisch, waren es doch auch in Filmen so oft Erdbeben, die den Untergang der Welt ankündigten – selbst wenn es keinen Sinn ergab, wie in jenen Filmen, wo die Welt durch einen einschlagenden Meteoriten zerstört wurde.

Machte es bei ihnen Sinn? Er wusste es nicht. Auf der anderen Seite: Was machte schon Sinn? Die ganze Welt war nur eine Simulation und wenn diese Simulation einen Fehler aufwies, dann konnte dies wahrscheinlich die seltsamsten Fehler mit sich bringen.

Ob wohl irgendwo in der realen-realen Welt, jener Welt, in der die Simulation lief, Fehlermeldungen über Fehlermeldungen auf Bildschirmen explodierten?

Wer hatte die Simulation überhaupt gestartet?

Letzten Endes war es egal, sofern jene Wesen keine „göttliche Intervention“ betrieben und das taten, was sie gerade versuchten: Einen Reboot der Welt. Doch da sie sich darauf kaum verlassen konnten – vielleicht waren jene Wesen ja nicht einmal mehr da – versuchten sie es selbst.

So viele Emotionen hatte er in den vergangenen Tagen durchlebt. Angst. Verzweiflung. Apathie. Aber auch Hoffnung. Sie hatten genug Daten, dass sie es vielleicht schaffen konnten. Sie mussten hoffen, sagte er sich, denn sonst würde der Antrieb, der sie am arbeiten hielt, verloren gehen.

Zwei Tage schon saßen sie hier und Schlaf wäre wohl eine gute Abwechselung gewesen. Doch zum Schlafen hatten sie keine Zeit. Sie hatten für nichts mehr Zeit, außer vereinzelte Pausen zum Essen, Trinken und vielleicht auch um die Augen zu entspannen. Nun, und natürlich für jene Dränge, die sich nicht vermeiden ließen.

So sah er nun einem Spiegelbild mit deutlichen Ringen unter den Augen entgegen, als er aus einer Toilettenkabine kam und sich Hände und auch das Gesicht wusch.

Wie lange noch?

Mit ein paar Papierhandtüchern trocknete er sich das Gesicht ab und verließ das WC, um sich wieder an die Arbeit zu begeben.

„Und du glaubst, dass es so funktioniert?“, fragte eine Stimme.

Keith sah sich um und erkannte seinen Vater, der zusammen mit Megumi hinter Shibumi – oder Mizuno Gorou – stand und auf dessen Bildschirme sah.

„Nun“, erwiderte der alte Japaner mit einem trockenen und beinahe auch etwas monotonen Tonfall, „es ist nicht, als könnten wir noch viel kaputt machen, oder?“

Megumi begutachtete den Code. „Was ist mit jener anderen Welt?“

„Wenn alles stimmt, dann sollte sie ebenfalls in den Status von vergangenem Sommer versetzt werden“, antwortete Shibumi.

Auch Keith ging hinüber und sah auf den Code.

„Was ist los?“, fragte er.

„Mizuno-san, ich meine, Mizuno hat den Code der Anomalie von dem der digitalen Welt trennen können“, erwiderte Megumi, die mindestens genau so müde aussah, wie Keith sich fühlte.

„Dann...“, begann er und ließ das Wort fragend ausklingen.

„Wir haben vielleicht noch eine Chance“, erwiderte sein Vater mit einem müden Lächeln. „Alles was wir brauchen, ist einen Deployment Code.“

Keith nickte und tauschte einen kurzen Blick mit Megumi, auf deren Gesicht ein mattes, hoffnungsvolles Lächeln lag.

Sein Vater holte tief Luft. Er klatschte in die Hände. „Aufgepasst“, sagte er dann laut und die Augen der Anwesenden wendeten sich ihm zu. „Wir haben eine Grundlage, aber nicht mehr viel Zeit...“ Und so begann er neue Anweisungen zu vergeben.
 

31. Juli 2011, 10:39 – Shinjuku, Tokyo
 

Die Sonne schien in den Konferenzraum, in dem sich Takato, Juri und Guilmon schließlich irgendwann in der vergangenen Nacht zur Ruhe gelegt hatten.

Das Futon war für Takato, der immer in einem Bett geschlafen hatte, alles in allem unangenehm hart, doch zumindest fühlte er den Körper seiner Freundin, die sich an ihn gekuschelt hatte. Sie hatten beide in ihrer normalen Kleidung geschlafen, da sie hier auch nichts anderes bei sich hatten.

Er war dankbar, dass sie bei ihm geblieben war, als ihre Eltern und ihr Bruder geflohen waren. Er wollte, dass sie beieinander waren, wenn alles zuende ging – und es gab ohnehin keinen Ort an dem sie sicher wäre.

Vorsichtig drehte er sich um, um sie ansehen zu können, und stellte überrascht fest, dass ihre Augen offen waren. Sie hatte nicht geschlafen oder war zumindest schon vor ihm wach gewesen.

„Guten Morgen“, flüsterte er leise.

Sie schenkte ihm ein mattes Lächeln. „Guten Morgen.“

Kurzes Schweigen herrschte, ehe Juri wieder die Stimme erhob: „Hast du etwas schlafen können?“

Daraufhin nickte Takato. „Ja. Etwas.“ Viel war es nicht gewesen. „Und du?“

„Ja. Ein wenig.“

Wieder schwiegen sie. Vorsichtig hob Takato eine Hand, um eine Strähne ihres rotbraunen Haares aus ihrem Gesicht zu streichen. Sie hielt seine Hand und für einen Moment waren sie still.

„Was machen wir jetzt?“, fragte sie schließlich.

Takato schüttelte den Kopf. „Ich weiß nicht.“ Er drehte sich auf den Rücken und sah zur Decke hinauf. „Ich weiß es nicht.“

Dem Schein der Sonne nach zu urteilen war es schon später Vormittag. Das Licht war hell und der Rand der Fenster spaltete es auf, so dass an einigen Stellen kleine Regenbogen auf die Decke und die Wand reflektiert wurden.

Schließlich stand er auf und ging zum Fenster hinüber.

Allein von hier aus konnte er Streams sehen. Drei Stück. Und eins jener seltsamen Wesen aus der anderen digitalen Welt.

Er seufzte.

„Was ist, Takato?“, fragte eine vertraute, quäkende Stimme. Offenbar war auch Guilmon aufgewacht, denn im nächsten Moment presste sich der Kopf der großen, roten Echse gegen seine Hüfte.

Gedankenverloren strich er seinem Partner über den Kopf. „Schaut sie euch an“, murmelte er. „Sie greifen uns nicht einmal mehr an...“ Er seufzte. „Ich wünschte, ich könnte noch einmal mit ihnen reden. Es zumindest versuchen...“ Eigentlich sprach er dabei mehr mit sich selbst, als mit Juri oder Guilmon. Noch immer versuchte er zu verstehen, was diese Wesen waren. Zumindest ein Teil von ihm wollte nicht, dass alles zuende ging, ehe sie das herausfinden konnten. Egal ob das Ende nun hieß, dass die drei Welten zerstört wurden oder dass sie die Welten voneinander trennten, wie Shibumi es plante.

„Warum tust du es dann nicht?“, fragte Juri. Auch sie trat hinter ihn und legte einen Arm um ihn. „Was hast du zu verlieren?“

Er seufzte und legte seine Stirn gegen die Fensterscheibe. Er dachte daran, wie jene digitale Lebensform vor zehn Jahren im Wassertunnel aufgetaucht war. Damals hatte sie beinahe Guilmon absorbiert. Warum? Doch gab es etwas, das ihn zurückhielt, das ihn davon abhielt raus zu gehen und tatsächlich Kontakt aufzunehmen. Denn eine Sache konnte er verlieren... „Zeit.“

Juri schien zu verstehen. Zumindest glaubte er dies, als sie seufzte. „Dann lass uns zusammen gehen“, erwiderte sie.

Takato sah nach draußen, sah auf die Kreatur, die vielleicht vierhundert Meter entfernt durch eine Häuserfront wanderte.

„Vielleicht ist es gefährlich“, erwiderte er und drehte sich schließlich zu Juri um, die nur mit den Schultern zuckte.

„Macht es jetzt einen Unterschied?“

Er schwieg.

„Guilmon ist dafür, dass wir zusammen gehen“, meinte sein Partner auf einmal. „Guilmon möchte auch mit diesen Wesen sprechen.“

Für einen Augenblick sah Takato zu seinem Partner, dann seufzte er und nickte.
 

31. Juli 2011, 11:04 – Shinjuku, Tokyo
 

Steve sah auf sein Handy und seufzte schwer. Natürlich. Keine Verbindung.

„Cheer up, Steve“, meinte Leormon und schaute zu ihm auf, wobei es jedoch selbst nicht besonders freudig wirkte.

Langsam steckte Steve sein Handy weg und beugte sich zu seinem Partner hinab, um ihn durch den Irokesen zu streichen. Er zwang sich zu einem Lächeln, auch wenn er nicht glaubte, dass es besonders überzeugend wirkte. „I just wanted to talk with her again.“

Ein leichtes Vibrieren lief durch das Gebäude. Ein weiteres Erdbeben.

Er blickte auf und sah die große Fensterfront des Labors ebenfalls vibrieren, doch sie zerbrach nicht.

Mehrfach schon hatte er versucht, seine Mutter zu erreichen, aber natürlich war es sinnlos. Die meisten Netze waren entweder überlastet oder durch die Probleme der digitalen Welt offline. Es gab keine Möglichkeit mehr.

„There is nothing much, we can do, eh?“, sagte er dann zu seinem Partner und stand auf.

„Maybe not“, erwiderte der Partner.

Auch wenn er versuchte nicht daran zu denken, so kam Steve nicht umher sich einsam zu fühlen. Im Moment fühlte er sich wenig beachtet und er konnte es den anderen nicht nachsehen. Immerhin fühlten sie sicher auch, wie er, jene Angst im Bauch, die wohl nur zu menschlich war.

Sie wollten Zeit mit jenen verbringen, die ihnen wichtig waren. Wollten Dinge noch klären.

Die ganze Zeit war er hier gewesen und hatte sie beobachten können. Er hatte gesehen, wie Takato bei seiner Freundin Juri gesessen war. Er hatte beobachtet, wie die Kinder, die aus der digitalen Welt zurückgekehrt waren, einander trost gespendet hatten. Er hatte die Blicke gesehen, die Ruki und Shoji einander zuwarfen.

Nur wünschte er sich, dass er seine Familie, seine Freunde noch einmal sehen konnte. All die Menschen, die ihm wichtig waren und die er in den USA zurückgelassen hatte für etwas, das er für ein Abenteuer gehalten hatte. Einmal nach Japan, in das Land, wo die Geschichte der Digimon – jedenfalls für die Öffentlichkeit – angefangen hatte. Er war so froh gewesen, diese Möglichkeit gehabt zu haben und nun wünschte er sich doch, er hätte seine Heimat nie verlassen.

Er sah Takato und Juri, die durch die große Halle liefen und offenbar auf dem Weg nach draußen waren.

Auch Leormons Blick folgte den beiden, ehe sich das Digimon in bester Katzenmanier streckte. „I would like to go into the sun“, meinte es. „Outside.“

Er tat es seinem Partner gleich und streckte sich. „Yeah“, murmelte er dann. „Why not.“

Also machten sie sich auf den Weg. Es war ein verfluchtes Ärgernis, dass die Aufzüge nicht mehr funktionierten, doch was sollte man tun? Der Weg runter war immerhin angenehmer als der Weg zurück.

Tatsächlich schien die Sonne draußen warm, während die Luft schwül war, ganz so als würde später noch ein Gewitter aufziehen, wenngleich der Himmel aktuell klar war.

Gerade so sah er noch, wie ein helles Licht erstrahlte, ehe Dukemon Takatos Freundin hochhob und mit ihr davon flog. Was auch immer sie planten.

„Ah, this is nice“, murmelte Leormon und rollte sich auf dem Vorplatz des Gebäudes hin und her. Es ließ ein Schnurren hören.

Steve erwiderte nichts, sondern sah nur Dukemon hinterher. Er fragte sich, wie es wohl wäre so mit Leormon zu verschmelzen. Würden sie dann zu Bancho Leomon werden? Doch jetzt war es wohl auch egal.

Dann sah er etwas anderes. Eine Bewegung in den Bäumen des Parks zu seiner Linken.

Da war noch etwas. Die Digimon, die die Kinder aus der digitalen Welt begleitet hatten. Er hatte gehört, dass Apollomon und Dianamon mit ihnen zurückgekommen waren. Die Digimon, die die Aufgabe der heiligen Biester übernommen hatten, nachdem diese vom neuen Reaperprogramm vor drei Jahren zerstört worden waren.

„Let's go over there“, meinte er und ging bereits los, wohl wissend, dass sein Partner ihm folgen würde.

Es wirkte surreal, als er durch den Central Park ging. Während es hier normaler Weise immer einige spielende Kinder gab oder alte Leute, die sich in einer Ecke an ein Go- oder Schachspiel gesetzt hatten, war der Park nun komplett verlassen. Wie der Rest des Viertels auch.

Er seufzte und sah sich um. Takato hatte ihm erzählt, dass dieser Park für die japanischen Tamer eine große Signifikanz gehabt hatte, nach all der Zeit, die sie hier als Kinder verbracht hatten.

„There!“, rief Leormon auf einmal aus und sah einen Weg hinunter.

Wie Shoji in der Nacht zuvor fand sich auch Steve vor den künstlichen Wasserfällen. Einige Digimon, die meisten auf dem Baby-Level, badeten nun in diesen, während Apollomon – mit einigem Abstand zum Wasser – ihnen zusah.

Allerdings waren die Digimon nicht vollkommen allein. Da waren auch drei Menschen. Steve erkannte sie, auch wenn er von einem den Namen nicht wusste:

Es waren Hirokazu, Kenta und einer der Jungen, die aus der digitalen Welt zurückgekommen waren. Der Sohn eines Politikers, hatte er gehört.

Ganz verstand er nicht, warum Hirokazu und Kenta hier geblieben waren. Doch wahrscheinlich war es aus einem ähnlichen Grund, wie er selbst: Es gab auch keinen besseren Ort, an den sie gehen konnten.

Kenta sah auf und erkannte ihn. „Larson-san!“, rief er hinüber.

Steve hob die Hand zum Groß und ging zu ihnen hinüber. Er lächelte matt, als er sah, dass die beiden mit einigen der Digimon zu spielen schienen und ihnen offenbar etwas zu Essen herausgebracht hatten.

Der andere Junge saß etwas entfernt auf einer Mauer und beobachtete sie nur.

„Ähm“, begann Hirokazu und schien nach den richtigen Worten zu suchen. Vielleicht überlegte er auch, ob er Englisch sprechen sollte, doch wenn entschied er sich schließlich dagegen. „Was machst du hier?“

Steve zuckte mit den Schultern. „Die Sonne“, antwortete er nur.

Hirokazu nickte. „Wir dachten, wir könnten uns um die kleinen hier kümmern“, meinte er. „Es gibt ja ohnehin nicht viel, was wir tun können.“

„Ja“, erwiderte Steve einsilbig.

Leormon schüffelte ein bisschen, ehe es aufstand und zu einem der wenigen Childdigimon hinüberging. Einem Tailmon, wie Steve erkannte. Leormon setzte sich neben es und schien dann, wie auch das Tailmon dazu überzugehen, die Babydigimon beim Spiel im Wasser zu beobachten.

„Es ist nostalgisch“, meinte Kenta. „Wir haben hier früher mit Guilmon und Terriermon gespielt.“

„Pipopapi“, warf Penmon ein.

„Ja, und später auch mit euch“, lachte Kenta, ehe er dann seufzte.

Die Zahnräder an Hagurumons Körper rotierten. „Ich bin froh, bei Hirokazu zu sein“, sagte es dann, ohne dass Steve ganz klar wurde, ob es einfach nur ein Gedanke war, der ihm gerade gekommen war, oder ob es ein Beitrag zum Gespräch war.

Hirokazu sah zu seinem Partner. Ein Lächeln machte sich auf seinem Gesicht breit, ehe er sich aus der Hocke erhob und einen sanften, freundlichen Schlag gegen Hagurumons blechernden Körper abgab. „Ich bin auch froh, dass wir zusammen hier sind, Partner.“

Schließlich setzte sich auch Steve auf den Boden. Immerhin war dies ein Platz genau so gut wie jeder andere, um die verbleibende Zeit zu verbringen. Irgendwie hatte er das Gefühl, dass er – genau wie die anderen drei Jungen – hier war, weil es keinen besseren Ort für sie gab.

Ein kleines Digimon – ein Wanyamon – sprang überraschend in seinen Schoß, kuschelte sich gegen seine Beine und schloss die Augen, beinahe als hätte es nur auf so eine Möglichkeit gewartet.

Steve seufzte und strich durch das blaue Fell des kleinen Digimons.

Er wusste nicht, wie viel Zeit verging, in der er hier mit dem Digimon auf dem Schoß saß, während er sich ab und zu kurz mit Hirokazu und Kenta unterhielt.

Doch nach einiger Zeit, vielleicht zehn oder zwanzig Minuten, ließ ein Rascheln zwischen den nahestehenden Blättern ihn aufsehen.

„Was?“, fragte Hirokazu auf japanisch und stand auf, beinahe als würde er mit einem Angriff rechnen.

Ein Flackern ging durch die Blätter, doch die Gestalt, die aus diesen hervor kam, war nicht aus weißen Tetraedern bestehend, sondern durch und durch Menschlich. Sie hatte eine Uniform an, die nach Sicherheit aussah, und ihre linke Hand war deutlich geschwollen.

„Ryou?“, riefen Hirokazu und Kenta beinahe gleichzeitig aus.

Der junge Mann, der auf sie zukam grinste breit, wenngleich das Grinsen erzwungen wirkte. „Hey“, meinte er. „Ich brauche eure Hilfe.“
 

30. Juli 2011, 18:13 – Shinjuku, Tokyo
 

Ein weiteres Beben, doch dankbarer Weise hielt das Flache Gebäude stand. Wichtiger noch: Der Strom lief weiter.

Denrei sah auf. Er hatte sich eine Pause gegönnt, konnte er die Augen doch kaum noch aufhalten. Er saß am Rand des Raums auf einer Bank und hatte einen Arm um die ebenfalls halb schlafende Shuichon gelegt und für einen Moment schloss er ebenfalls die Augen.

Sie würden es schaffen. Sie würden es noch schaffen. Doch wusste er bereits jetzt, dass es nicht ganz so einfach war. Er hatte selbst sein bestes gegeben, bei der Erstellung des Codes zu helfen und er hatte Shibumis Deployment-Plan gesehen und verstanden.

Sie würden es schaffen, doch dafür musste es ein Opfer geben.

Müde vergrub er das Gesicht in den Haaren seiner Freundin. Er wollte diese letzten Momente noch genießen.

Vielleicht döste er so ein. Er konnte es nicht sicher sagen, doch zumindest zuckte er zusammen, als er mehr und mehr Stimmen aufgeregt reden hörte. Aufgeregter als zuvor.

Er sah auf und versuchte sich einen Überblick zu verschaffen. Irgendetwas war los.

Eine Bewegung neben ihm.

Shuichon schien ebenfalls aufgewacht. „Was ist los?“, fragte sie leise.

Da bemerkte Denrei noch etwas anderes. Dracomon war nicht hier. Er stand auf. „Dracomon?“

„Denrei“, quäkte die Stimme seines Partners zu seiner rechten und als er den Blick in die Richtung wandte, sah er wie Dracomon gefolgt von Alex und – zu seinem Missmut – Jenrya durch eine Tür kam.

Sie schwiegen, als die beiden vor ihnen stehen blieben.

„Was ist los?“, fragte Shuichon schließlich, mit etwas empörter Stimme.

Jenrya seufzte und sah sie an, so etwas wie Trauer in seinem Blick. „Der Code ist fertig.“

Episode 53: Wenn Welten kollidieren

31. Juli 2011, 7:01 – Paolo Alto
 

„Wir können den Reboot in der realen Welt über die Shaggai-Plattform in Shinjuku initiieren“, erklärte Mizuno Gorou den Anwesenden.

„Und was ist mit der digitalen Welt?“, warf ein Student, der offenbar ebenfalls ein Digimon hatte, da ein Psychemon an seiner Seite stand.

„Dazu komme ich“, erwiderte der mittlerweile alt wirkende Japaner. Er sprach Englisch und was er sagte wurde über die Satelitennetzwerke, die sie zur Verfügung hatten – jedenfalls soviel Denrei verstanden hatte – nach Tokyo und wahrscheinlich auch an die anderen Labore, die sich an der Arbeit beteiligt hatten übertragen. „Um das Reboot in der digitalen Welt zu starten, muss jemand den Code in die digitale Welt bringen.“

„So, wie Dobermon damals den Code aus der digitalen Welt in die reale Welt gebracht hat“, schloss Jenrya und trat vor.

Shibumi nickte. „Dasselbe gilt für die andere digitale Welt.“

Ein kurzes Schweigen herrschte, während sich die Anwesenden offenbar versuchten, die dazugehörige Logistik vorzustellen.

„Was ist mit einem weiterem Arc-Programm?“, fragte Keith vorsichtig, da er wahrscheinlich denselben Gedanken hatte, wie alle anderen auch:

Wenn sie die Welten rebooteten und der Effekt – worauf sie nur hoffen konnten, da jenes Flackern, dass wohl eine Störung der Darstellung ihrer Welt war, mittlerweile ganze Landstriche betroffen hatte – sofort eintrat, wäre es schwierig für denjenigen, der den Code in die digitale Welt brachte, zurückzukehren. Immerhin war eins der Ziele, die Welten in einen stabilen Stand zurück zu versetzen und da die enge Verbindung zwischen den Welten die Welten destablisiert hatte, war das einzige, was sie auf die Schnelle versuchen konnten, eine weitere Eiswand.

Denrei hasste den Gedanken, doch er konnte ihn verstehen. Vor einigen Jahren hätte er vielleicht anders geantwortet, hätte man ihn vor diese Wahl gestellt, aber nun sah er ein, dass der Schutz der Menschen und Digimon wichtiger war, als die Enge zwischen den Welten zu erlauben.

„Wir haben dafür keine Zeit mehr“, erwiderte Shibumi nur.

„Und wie kommen wir in diese andere Welt?“, fragte wieder jemand anderes – ein anderer Professor mittleren Alters, dessen Name Denrei nicht kannte.

Mizuno Gorou setzte auf eine Erklärung an, doch es war Denrei, der nun vortrat.

Er hatte sich darüber bereits die letzten zwei Tage Gedanken gemacht, seit ihm klar geworden war, dass es auf diese Lösung hinaus laufen würde. „Ich werde gehen!“, sagte er laut.

Sein Magen zog sich zusammen, als sich alle im Raum zu ihm umdrehten, da er die ganze Zeit an der Rückwand des Zimmers, der ob der vielen Menschen, die hier arbeiteten, und Maschinen, die dabei liefen, warm und schwül war.

„Ich war bereits in jener anderen Welt“, erwiderte er. „Und ich glaube Dracomon und ich werden den Weg dahin zurückfinden.“

Er merkte wie Shuichon nach seiner Hand griff, doch sie sagte nichts. Beinahe als hätte sie bereits damit gerechnet. Er drückte ihre Hand und fühlte sich schlecht, dass er vorher nicht mit ihr gesprochen hatte.

„Was…“, setzte Jenrya an, doch Denrei sah ihn nur an.

„Ich werde gehen.“
 

31. Juli 2011, 22:11 – Shinjuku, Tokyo
 

Bilder strömten in Takatos Bewusstsein. Das war also, wie diese Wesen kommunizierten. Bilder, Eindrücke, Geräusche. Da waren Bilder, die ihm vertraut vorkamen. Bilder, die, wie ihm klar wurden, den Erinnerungen des jungen Guilmon entnommen waren: Sein zehnjähriges Selbst, wie es vor dem gerade materialisierten Guilmon zurückwich. Renamon, das Angriff. Terriermon, das mit ihm spielte. Das mussten Eindrücke sein, die diese Anomalie von Guilmon geladen hatte, als sie es damals „entführt“ hatte.

Da waren aber auch andere Bilder und Geräusche. Offenbar – so vermutete er – Dinge, die aus dem Netz in jene andere Welt gekommen waren. Als Videos, Texte, Audiodateien. Einige Dinge verstand er nicht, doch sie flossen dennoch auf sein Bewusstsein ein.

Dann sah er eine große, weiße Kugel, umgeben von noch mehr weiß. Anstatt weiterhin in der Gestalt Dukemons zu sein, schwebten er, Juri und Guilmon im weißen Raum.

„Wo sind wir?“, fragte Juri vorsichtig.

„Zuhause!“, rief Guilmon aus. „Das hier ist ihr Zuhause!“

„Dies ist der Kern“, erwiderte eine Stimme, die von überall gleichzeitig zu kommen schien. „Dies ist ein Ort. Sie haben es Kern genannt.“

Juri sah sich um. Sie schien Angst zu haben, griff nach Takatos Hand, sagte jedoch nichts.

„Ihr seid die Anomalie“, stellte Takato derweil fest und hielt die Hand seiner Freundin.

„So haben die Menschen uns genannt“, erwiderte die Stimme. „Du bist ein Mensch.“ Dabei wurde das Wort Mensch auf eine Art ausgesprochen, als wäre es eine Frage oder ein wenig vertrautes Fremdwort. „Der Mensch Matsuda Takato.“

„Ja.“ Ihm war klar, dass diese Wesen auch diese Informationen aus Guilmons Gedächtnis absorbiert haben mussten. „Ich wollte mit euch reden.“ Er zögerte für einen Moment und sah sich um, in der Hoffnung irgendetwas zu entdecken, dass ihm mehr über diesen Ort verriet. „Ich habe euch sagen wollen, dass wir nicht gegen euch kämpfen wollten. Wir wollten nicht eure Feinde sein!“

Stille herrschte. Stille, die beinahe schon auf den Ohren zu drücken schien.

„Wir verstehen“, antwortete die Stimme schließlich.

„Warum seid ihr in die reale Welt gekommen?“, fragte Juri auf einmal.

„Die reale Welt?“ Die Stimme klang beinahe fragend. Auch wenn sie monoton, wie die Stimme eines Computers klang, wirkte sie doch irgendwie verwirrt oder als würde die dahinterstehende Intelligenz Datenbanken durchsuchen. „Die Welt der Menschen?“

„Ja“, erwiderte Juri.

„Wir wollten verstehen“, antwortete die Stimme. „Wir wollten wissen. Wir wollten mehr über die Menschen und das, was sie als organisches Leben bezeichnen, lernen.“

„Warum habt ihr dann nicht mit uns geredet?“, fragte Juri nun mit leiser Stimme.

Doch Takato wusste es. „Das haben sie“, flüsterte er leise. „Wir haben sie nur nicht verstanden.“

„Korrekt, Matsuda Takato“, echote die Stimme durch das weiße Nichts.

„Aber jetzt werden alle Welten zerstört“, seufzte Juri. „Eure. Unsere. Die digitale Welt.“

„Das war nicht unsere Absicht“, erwiderte die Stimme und fügte dann hinzu: „Katou Juri.“ Hatten diese Wesen diese Information aus ihrem Gedächtnis absorbiert? „Es tut uns leid.“

Schweigen.

Dann fügte die Stimme hinzu. „Die Zeit ist beinahe vergangen…“

Rauschen war zu hören und das ohnehin nur schwer definierte Bild vor ihren Augen – oder vielleicht viel eher ihrem Geiste – verschwamm. Erst langsam, dann immer schneller, ehe ein elektrischer Schock durch Takatos Körper fuhr und er sich im nächsten Moment wieder im Körper Dukemons auf der Hauptstraße Shinjukus widerfand.

Noch immer streckte das seltsame Wesen sein Gegenstück zu einer Hand nach ihnen aus, doch die kleinen Tentakel hatten sich mittlerweile zurückgezogen. Die Augen des Wesens waren blau geworden und schienen zu flackern. Dann verschwanden sie und das Wesen fiel in die einzelnen Tetraeder zusammen.

Juri zögerte und sah zu Dukemons Kopf hinauf. „Was ist gerade passiert?“, fragte sie leise.

Takato zögerte, doch dann wurde ihm und Guilmon die Antwort gleichzeitig klar. „Ich glaube, es hat die Information gesammelt, nach der es gesucht hat.“

Etwas ließ ihn seinen Kopf drehen und erst jetzt wurde ihm klar, dass der Himmel sich bereits dunkel geworden war. Aber als sie Kontakt mit diesem Wesen aufgenommen hatten, war es doch gerade erst Mittag gewesen. Hatten sie so viel Zeit im Strom seiner Daten verbracht?

„Wir sollten zurück…“, flüsterte er.
 

31. Juli 2011, 23:01 – Shinjuku, Tokyo
 

Ein unangenehmes Gefühl breitete sich in Shojis Magen aus. Er hatte Denreis Stimme, auch wenn sie fremd in der englischen Sprache klang, erkannt. Er wusste, dass Denrei es ernst meinte. Immerhin waren sie lang genug befreundet und Shoji wusste, dass es in der Art seines Freundes war, so etwas zu tun. Trotz allem was vor drei Jahren passiert war, hatte Denrei doch sein bestes gegeben, die beiden Welten zu beschützen und wenn er vorher bereits Kontakt mit dieser Anomalie aufgenommen hatte, wunderte es ihn nicht, wenn er und Shuichon auch diese Anomalie schützen würden.

„Wer geht dann in die digitale Welt?“, fragte eine Stimme.

„Wir könnten gehen“, schlug eine recht junge Stimme vor. Hanegawa Ai, wie ihm klar wurde, als er sich umsah.

„Nein!“, widersprach Yamaki mit fester Stimme. „Ihr seid zu jung!“

„Macht es denn jetzt einen Unterschied?“, fragte das Mädchen störisch.

„Muss es ein Tamer sein?“, kam die nächste Frage von einem der Forscher.

Yamaki reichte diese Frage über die Verbindung an Shibumi weiter.

„It would be the easiest to deploy the code with the help of a D-Arc“, erwiderte der Forscher.

Erneutes Schweigen.

Immerhin waren neben ihm nur Ruki und die vier jungen Tamer, wie auch der ältere Nakamura-Junge da.

Es war dieser, der nun vortrat. „Then me and Sanzomon will go“, sagte er laut und auf Englisch. „We have been living in the digital world for almost three years. We can go back.“

„Das kann nicht dein Ernst sein!“, protestierte sein jüngerer Bruder und griff nun nach seiner Hand. „Ich bin in die digitale Welt gegangen, um dich zurückzuholen! Du kannst nicht wieder gehen!“

„Wäre es dir lieber, wenn die Welten allesamt zerstört werden?“, fragte der ältere.

Wütend funkelte der jüngere ihn an. „Das bedeutet noch immer nicht, dass du gehen musst!“

„Irgendwer muss es tun“, antwortete sein Bruder nur.

Shoji sah auf sein Digivice, ehe sein Blick den seines Partners traf. Er wusste, dass sie beide dasselbe dachten: Sie könnten gehen. Wenn Denrei ging wäre es vielleicht nur das Richtige. Immerhin hatten sie – mehr oder weniger zumindest, da sie am Anfang hatten einander nicht leiden können – ihr Abenteuer gemeinsam begonnen.

Doch dann waren da auch der Gedanke an das Grab seines Bruders, an seine Eltern. Sie hatten schon einen Sohn verloren. Wie konnte er es ihnen da antun einen weiteren Sohn zu verlieren? Was würden sie dann tun?

Seine Hand um das Digivice zitterte.

Er schloss seine Augen und holte tief Luft, ehe er die Klaue seines Partners auf seinem Bein spürte. Dann nickte er Gazimon zu und schwieg. Nein, er musste hier bleiben.

„Ruhe, beide!“, unterbrach Yamaki derweil den Streit der Brüder.

Diese funkelten ihn gleichermaßen an.

„Keiner von euch beiden wird gehen“, sagte Yamaki und rieb sich die Stirn.

„Mit Verlaub“, erwiderte der ältere. „Ich bin volljährig! Sollte ich das nicht selbst entscheiden können?“

Es war Reika, die sich nun einschaltete: „Deine Eltern hatten bisher nicht einmal eine Möglichkeit dich wiederzusehen. Glaubst du, es wäre ihnen gegenüber fair?“ Ihre Stimme war anders als die ihres Mannes nicht aufgebracht, sondern ruhig, aber streng.

„Was für einen Unterschied macht es denn, wenn sonst die Welten zerstört werden?“, erwiderte der junge Mann, als Sanzomon eine Hand auf seine Schulter legte.

Die automatische Schiebetür zum Labor öffnete sich und Takato kam, dicht gefolgt von Juri und Guilmon hinein. Kurz sahen die drei beinahe alle Augen im Raum an, ehe sie zu Shoji und Ruki hinüber gingen.

„Then I'll go“, klang eine ihnen nicht unbekannte Stimme durch die Übertragung aus den USA.

„Jian“, flüsterte Takato.

Sofort gab es auch in San Fransisco darüber eine Diskussion:

„You cannot do that, Jian“, protestierte wohl Lee Janyuu, ehe er etwas auf Chinesisch hinzufügte, das Shoji nicht verstand.

„Tu es nicht, Jenrya“, meinte eine andere Stimme auf japanisch. „Denk an Shuichon.“ Das war Denrei.

„Vielleicht sollte ich gehen“, erwiderte Shuichons Stimme zynisch. Natürlich gefiel es ihr nicht, dass niemand sie fragte.

„Nein!“, protestierten beide Jungen beinahe gleichzeitig.

„Was ist genau los?“, fragte Takato an Shoji und Ruki gewandt und musterte sie.

Bevor einer von ihnen antworten konnte, war es Renamon, das leise die Stimme erhob. „Jemand muss den Code in die digitale Welt bringen. Jemand mit einem Digivice.“

Takato nickte seinen Dank für die Antwort und sah dann zu Guilmon. Das Digimon ließ ein echsenhaftes Grinsen sehen, ehe sich Takato an Juri wandte. Die beiden sprachen nicht, doch Shoji konnte sehen, wie eine ganzer Austausch zwischen ihnen stattfand und Juri schien es nicht zu gefallen.

Sie schürzte die Lippen und schloss schließlich die Augen. Doch dann nickte sie und Takato trat vor.

„Ich werde es tun!“, sagte er laut. „I'll do it. I'll go back to the digital world!“
 

31. Juli 2011, 7:06 – Paolo Alto
 

Vielleicht war es nicht richtig, doch was hatten sie denn für eine Wahl? Sie mussten es probieren und irgendjemand musste gehen. Also würde er gehen, wenn es bedeutete die Menschen und Digimon beschützen zu können.

Denrei seufzte und sah zur flackernden digitalen Welt hinauf. Sie hatten nicht mehr viel Zeit.

Dracomon stand neben ihm und sah ebenfalls zum Himmel.

„Es tut mir leid, dass ich für dich mitentschieden habe, Dracomon“, meinte er schließlich und hockte sich vor seinem Partner.

Das Digimon legte den Kopf schief. „Ich verstehe“, sagte es schließlich und brachte sich zu einem Grinsen, das dank seiner Reptilienschnauze beinahe schon gruselig aussah. „Wir retten alle, nicht?“

„Ja“, erwiderte mit einem Lächeln und legte eine Hand zwischen die Hörner seines Partners. „Wir retten sie und dann… Bleiben wir in jener anderen Welt.“ Wenn diese Welt sie nach dem Reboot noch unterstützen könnte. Er war sich absolut dessen bewusst, dass die Software oder was auch immer jene Welt am laufen hielt, in einer älteren Version vielleicht nicht fähig war die Intelligenz eines Digimon und eines Menschen oder generell fremde Organismen zu unterstützen.

Als sie da gewesen waren hatte es gewirkt, als wäre alles in dieser Welt eine einzige, mit einander verbundene Intelligenz. Vielleicht eine Art Schwarmintelligenz. Vielleicht würde sie in ihrer vergangenen Version, wie sie sie wieder herstellen wollten, sie einfach abstoßen oder löschen, um sich selbst vor Fehlern zu bewahren.

„Dann können wir mit der Stimme reden?“, fragte Dracomon.

„Wahrscheinlich“, erwiderte Denrei mit einem Lächeln. „Können wir.“ Wenngleich wahrscheinlich mit sonst niemanden.

„Hmm…“ Sein Partner legte den Kopf schief. „Ich würde mir nur mehr Farbe wünschen… Es war doch alles sehr weiß, oder?“

Daraufhin lachte Denrei leise. „Ja. War es. Vielleicht können wir ein wenig Farbe dahin bringen.“

„Ja“, meinte das Digimon, ehe es aufzuhorchen schien.

Auch Denrei hatte es gehört: Die Tür zum Innenhof hatte sich geöffnet. Er holte tief Luft. Auch ohne sich umzudrehen wusste er, dass es Shuichon war.

Sie ging auf ihn zu, die Augen fest auf ihn gerichtet.

Er wusste, dass er auch hätte mit ihr sprechen sollen. Doch er hatte Angst, dass sie ihn davon abbringen würde.

„Es tut mir leid“, flüsterte er, doch sie schüttelte nur den Kopf. Noch immer war ihr Arm in dem Gips, doch sie ging auf ihn zu und legte ihre Stirn einfach nur gegen seine Brust.

Mit einem weiteren Seufzen hob er eine Hand und strich ihr durchs Haar.

„Ich komme mit euch“, sagte sie schließlich. „Lopmon und ich kommen mit euch!“

Das kleine, langohrige Digimon, das hinter ihr über den Boden tapste nickte nur. „Ihr müsst nicht alleine gehen.“

Denrei sah es an, drückte Shuichon dann aber von sich fort. „Nein“, erwiderte er. „Nein.“

„Du kannst dahin nicht alleine gehen!“, protestierte sie und sah ihn ernster an, als er sie meistens sah. „Du kannst nicht einfach alleine gehen! Du wirst da doch verrückt!“

„Hör zu, Shuichon…“ Er sah sie an. Sie hatten so viel zusammen erlebt, waren auch im Frühjahr gemeinsam dort gewesen. „Ich mache das nicht zuletzt auch, um dich zu schützen.“ Vorsichtig legte er eine Hand auf ihre Wange. „Was für einen Sinn hätte es dann, wenn du mitkommst?“

„Das wir die Welten dann gemeinsam retten“, erwiderte sie und legte ihre Hand auf die seine. „Wir können gemeinsam dort sein. Denrei…“ Zu seiner Überraschung schimmerten Tränen in ihren Augen. „Wir gehen gemeinsam.“

Wie gerne hätte er zugestimmt. Denn ja, natürlich fürchtete er sich vor der Einsamkeit jener anderen Welt. Immerhin konnten sie nicht wissen, ob sie jemals wieder einen sicheren Weg zwischen den Welten finden würden. Wenn nicht, dann wäre er vielleicht auf ewig nur mit Dracomon dort. Sicher, Dracomon war sein bester Freund, doch war es etwas anderes, als ein anderer Mensch. Etwas anderes als sie…

Jedoch war da noch immer der Gedanke, dass er selbst sterben könnte. Seine Existenz könnte dadurch ausgelöscht werden und somit auch ihre, sollte sie ihn begleiten.

„Nein“, sagte er schließlich fest. „Bitte. Shuichon. Tu mir diesen Gefallen. Bleib…“ Er seufzte und sah zu der Tür, in der er – nicht gänzlich unerwartet – Jenrya sehen konnte, der sie mit düsterer Miene beobachtete. „Und sei es nur, damit dein Bruder nicht Recht behält.“ Er zwang sich zu einem Lächeln.

Auch sie kicherte leise, wenngleich nicht vollkommen aufrichtig, ehe er sich leicht vorbeugte um sie zu küssen.

„Bitte“, flüsterte er dann und nahm sie in den Arm. „Bitte, Shuichon.“

Sie antwortete nicht, doch er merkte, wie sie leicht nickte.
 

31. Juli 2011, 23:18 – Shinjuku, Tokyo
 

Vorsichtig löste sich Takato von Juri. Er wusste, dass es ihr gegenüber unfair war, hatte sie vor zehn Jahren doch schon Leomon verloren, doch was sollte er machen? Er wollte sie auch beschützen.

Eigentlich wünschte er sich, er könnte noch einmal mit seinen Eltern sprechen, doch dazu blieb keine Zeit. Er hatte ihnen einen kurzen Brieg geschrieben und hoffte nur, dass sie ihm würden verzeihen können. Doch er wusste, dass es es tun musste. Er wollte diese Welt und die Welt der Digimon retten. Für seine Familie, für seine Freunde und auch für die Digimon.

Ein weiteres Beben und dieses Mal schien das ganze Gebäude zu schwanken. Ein Flackern ging den Boden entlang und ließ sie beide knapp zur Seite springen. Das hatte nun vor einer halben Stunde so angefangen und sie hatten bereits festgestellt, dass man in den Boden einsinken konnte, wenn man diesem Flackern zu Nahe kam.

Die Tür ging auf. „Takato“, begann Ruki leise. „Sie sind fertig.“

Er nickte und sah zu Juri, die nicht einmal weinte. Dann seufzte er und ging zur Tür hinüber.

Ruki sah ihn von der Seite an. „Bist du dir sicher?“

Die ehrliche Antwort wäre wohl „Nein“ gewesen, doch stattdessen zwang er sich zu einem Lächeln. „Ach, machst du Witze? Ich kann in der digitalen Welt bleiben. Was will ich mehr?“

Natürlich durchschaute sie ihn, seufzte aber nur und verdrehte die Augen, offenbar um mitzuspielen. „Da gab es einen anderen Typ, der genau so einen Unsinn gesagt hat!“ Sie klopfte ihm auf die Schulter.

Vor der Tür hatte Guilmon gewartet und tapste nun auf ihn zu, was ihn dazu brachte, das Digimon zwischen den Fledermausohren zu streicheln.

„Bist du bereit?“

Das Digimon lächelte. „Guilmon ist immer bereit.“

So machten sie sich gemeinsam auf den Weg zum Treppenhaus. Das künstliche Tor zur digitalen Welt, das Yamaki, Lee Janyuu und die anderen Forscher einst gebaut hatten, um ihnen zu erlauben, ihre Partner zurückzuholen, war in einem der oberen Stockwerke. Sie konnten nur hoffen, dass es auch jetzt noch funktionieren würde.

„Ich wünschte, die Aufzüge würden gehen“, schnaufte Ruki nach drei Stockwerken und stolperte zurück, als Takato sie im nächsten Moment bei der Schulter fasste.

„Pass auf!“, rief er aus.

Ein ganzer Treppenabschnitt hatte zu flackern begonnen.

Niemand sagte etwas, bis das Phänomen erneut nachließ. Zumindest schien das Flackern vorerst nicht zu lange anzuhalten. Also hatten sie wohl noch mindestens ein paar Stunden.

Als sie schließlich am Tor ankamen – das viel mehr, wie eine Bühne aus weißen Würfeln aussah – war der Raum von Forschern und auch einigen der anderen Tamer gefüllt, auch wenn Takato nicht umher kam die Abwesenheit von Hirokazu, Kenta und auch Steve zu bemerken. Wo waren sie?

„Hier“, sagte Yamaki und gab ihm sein Digivice. Für einen Moment sah er ihn an und lächelte dann, etwas, das in den letzten Monaten bei Yamaki wieder selten geworden war. „Danke.“

Takato nickte nur und holte tief Luft.

Noch einmal ging er zu Juri hinüber, um ihr zum Abschied einen Kuss auf die Stirn zu geben. „Es tut mir leid. Wirklich.“ Dann jedoch wandte er sich ab und ging auf die vermeintliche Bühne, gefolgt von Guilmon.

„Glaubst du, wir werden die Digignome wiedertreffen?“, fragte Guilmon an ihn gewandt.

„Sicher“, erwiderte er und seufzte. Er wusste, dass Guilmon ihn aufmuntern wollte.

„Wir hätten Guilmon-Brot mitnehmen sollen“, meinte das Digimon nun und ließ seine Ohren hängen. „Dafür haben wir keine Zeit mehr, oder?“

„Ich fürchte nicht.“ Erneut strich er seinem Partner über den Kopf, froh, dass er bei ihm war.

Für einen Augenblick schien eine seltsame Stille im Raum zu herrschen, während Takato zu den anderen Tamern – für einen Moment hatte er den Eindruck, der jüngere Nakamura schien auf etwas zu warten – und dann noch einmal zu Juri sah. Er lächelte ihr zu, doch sie schien nur schwer zu atmen, offenbar bemüht nicht zu weinen.

„Bist du soweit?“, fragte Yamaki.

Takato sah zu ihm und nickte, während er spürte, wie sich sein Magen zusammenzog.

Als sie damals in die digitale Welt aufgebrochen waren – im Oktober vor zehn Jahren – hatte er auch Angst gehabt, jedoch viel mehr eine freudige Erwartung gespürt für die Abenteuer, die ihnen fraglos bevorstanden. Doch jetzt…? Er würde in der digitalen Welt sicher Abenteuer erleben, doch wenn er dieses Mal vielleicht wirklich nie mehr zurückkehren konnte?

Ein weiteres Beben und aufgeregte rufe, dann wurde die Plattform hochgefahren.

Ein Surren lief durch den Raum und langsam begannen sich weiße und schwarze Formen über der Bühne zu bilden. Ein letzter Blick zu Juri und dann hatte er das Gefühl, dass ihm der Boden unter den Füßen weggezogen würde. Er fiel durch die oberen Schichten der digitalen Welt, das Digivice in der Hand.

Seine eine Hand schloss sich um Guilmons Krallen, ehe er rief: „Matrix Evolution!“

Wie immer leuchtete das Digivice auf, ehe es ihn und seinen Partner in Licht hüllte.

„Guilmon – Shinka! Dukemon!“

Einen Augenblick später flogen sie gemeinsam in der Gestalt Dukemons im Crimson Mode in die digitale Welt. Er hatte die Koordinaten, an denen er Denrei treffen sollte. Dort, wo die Anomalie in die digitale Welt eingedrungen war. Von dort aus würden sie das Programm starten – den Reboot.

Ein aufgeregtes Schreien, wie das von kleinen Kindern, drang an ihre Ohren, als Digignome hinter ihnen erschienen und sie umgaben. Sie schienen aufgeregt und sie wohin führen zu wollen – wahrscheinlich an denselben Ort, der ohnehin ihr Ziel war.

„Wir sind bereits auf dem Weg“, erwiderte Dukemon und flog über die physische Ebene hinweg.

Kein Wunder, dass die kleinen digitalen Lebensformen so aufgeregt waren. Die digitale Welt unter ihnen schien zu zerfallen. Hier sah es schlimmer aus, als in der realen Welt. Ganze Abschnitte der physischen Ebene schienen zu fehlen und andere waren dauerhaft von jenem Flackern verschlungen. Ihnen blieb wirklich keine Zeit.

In einiger Ferne sah er etwas: Eine bläulich leuchtende Säule, die aus einem dieser Löcher zu kommen schien und bis zur realen Welt im Himmel hinauf reichte. Eine bläuliche Säule, in der weiße Tetraeder zu schwimmen schienen.

„Da ist es“, flüsterte Takato.

In einiger Ferne sah er die Gestalt eines anderen Digimon auf die Säule zufliegen. Die Gestalt eines riesigen Drachen: Examon.
 

31. Juli 2011, 23:18 – Shinjuku, Tokyo
 

„Aber was hast du vor, Ryou?“, fiepste Monodramon, während sie sich an Guardromons Körper festklammerten.

„Ich weiß es nicht“, erwiderte Ryou. Eigentlich hatte er keine Höhenangst, doch wenn er nun nach unten schaute… Die Tatsache, dass seine linke Hand so gut wie nutzlos war, machte es sicherlich nicht besser.

Eigentlich hatte er sehr wohl einen Plan. Doch er war sich nicht sicher, ob er ihn würde umsetzen können, zumal er auf die Mitarbeit der anderen ankam – und nach allem was er in den letzten Wochen getan hatte, hasste er es, sich auf sie zu verlassen.

Noch immer war er sich nicht sicher, was sie hier taten. Nur eine Sache wusste er: Es gab in dieser Welt ohnehin nichts mehr für ihn. Es gab nichts, das er verlieren konnte, also war es so besser. Es war egal, ob die Eskalation seine Schuld war oder nicht, es war egal, ob es ohne hin soweit gekommen wäre oder nicht. Er weigerte sich dies so zu akzeptieren. Doch zumindest eine Sache war ihm klar: Egal was er tat, er konnte Ruki nicht zurückgewinnen.

Also… Vielleicht war es wieder der Teil von ihm, der bisher immer davon gelaufen war. Der Teil von ihm, der einst mit Cyberdramon in die digitale Welt gegangen war, der Teil, der froh gewesen war, in der digitalen Welt zurückzubleiben, nachdem er in der realen Welt doch wieder nur Probleme gehabt hatte, doch aktuell erschien ihm die Aussicht, in einer anderen Welt gestrandet zu sein beinahe verlockend.

„Nakamura-kun sagt, sie haben das Tor gestartet!“, rief Hirokazu gegen den Wind an, als Guardromon das Dach des Metropolitan Government Buildings ansteuerte.

„Verdammt…“, murmelte Ryou. Ihm blieb nicht viel Zeit. Und er musste sich darauf verlassen, dass dieser Larson-Junge es schaffte, mit den beiden olympischen Digimon zu reden.

Es wäre alles einfacher gewesen, hätten sie nicht noch Monodramon holen müssen, das man offenbar bei Kenta gelassen hatte. Doch zumindest war es so einfacher gewesen, als wäre es im Gebäude selbst gewesen. So war sein Digivice das einzige, was ihnen noch fehlte.

Der Nakamura-Junge, dieser offenbar in der digitalen Welt verschwundene Junge des Politikers, hatte etwas davon geschrieben, dass sie ein Digivice bräuchten – und seins war bei Yamaki.

„Oh verdammt…“, murmelte Hirokazu, als der ganze östliche Turm des großes Gebäudes zu flackern begann.

„Egal!“, erwiderte Ryou. Das Portal war ohnehin im westlichen Turm. „Los jetzt!“

Mit einem harten Klacken landeten die Beine des Roboters auf dem Dach – direkt auf der Shaggai-Einrichtung. Das tiefe Surren, das zu hören war, verriet Ryou, dass sie die Einrichtung hochfuhren.

„Bleib hier!“, rief Hirokazu seinem Partner zu, der zu groß war, um irgendwie ins Treppenhaus zu passen, während sie absprangen und zum Eingang des Treppenhauses liefen, der in einem kleinen hervorstehenden „Häuschen“ auf dem Dach gelegen war.

Hirokazu bildete die Spitze, was vielleicht Sinn machte, wenn man bedachte, dass Sicherheitsleute eventuell angewiesen waren, Ryou aufzuhalten, sollte er hier auftauchen.

„Ryou!“, rief Monodramon auf einmal hinter ihm.

Er sah sich um. „Ja?“

„Warte kurz.“ Das Digimon war stehen geblieben und sah ihn an.

Unschlüssig sah er zu der nun offenen Tür und dann wieder zu seinem Partner. „Was ist?“

„Du willst gehen, oder? In diese andere Welt“, fragte sein Partner.

Ryou seufzte. „Ja. Ich muss.“

„Und ich?“, fragte sein Partner. „Warum hast du es mir nicht gesagt?“

„Weil…“ Er zögerte. Ein Teil von ihm war noch immer überrascht, dass Monodramon einfach mit ihnen mitgekommen war, nach allem, was er ihm in den letzten Wochen zugemutet hatte.

„Ich bin dein Partner, Ryou“, meinte das Digimon langsam. „Ich werde mitkommen. Aber wieso vertraust du mir nicht mehr?“

Für einen Moment sah er das Digimon einfach nur an. Es war kaum zu glauben, dass es dasselbe unkontrollierbare Cyberdramon war, das einst an einem kühlen Wintertag in Tokyo aufgetaucht war.

Er seufzte. „Es tut mir leid, Monodramon“, meinte er. „Ich… Sie haben gesagt, ich brauche ein Digivice.“

„Was machst du, Ryou?“, rief Hirokazu, der nun in der Tür stand. „Wir haben keine Zeit mehr!“

Das stimmte. Die Platten Shaggais hatten angefangen zu leuchten, was bedeutete, dass sie die Installation bereits hochfuhren. Und sie mussten einige Stockwerke hinunter.

„Ich werde mitkommen“, sagte Monodramon nur noch einmal und blickte Ryou an. „Und ich hoffe, dass du mir irgendwann wieder vertrauen kannst.“
 

31. Juli 2011, 23:21 – Shinjuku, Tokyo
 

Wieder sah Ryou zwischen Monodramon und Hirokazu hin und her. Die beiden schafften es besser, als Takato oder Ruki, dass er sich schlecht fühlte.

Er seufzte. „Schau, Monodramon“, meinte er dann und kam sich ein wenig vor, als würden seine Worte in einem seltsamen Kontext stehen. „Es liegt an mir. Es ist meine Schuld. Nicht deine. Ich vertraue dir, als Partner. Ich… Bin nur…“

„Ryou!“, rief Hirokazu, wobei er angespannt wirkte. Er mochte den Plan nicht, das wusste Ryou und verstand mittlerweile auch warum. Dennoch hatte er sich entschlossen ihm zu helfen. Sonst wäre Ryou auch kaum hier.

„Es tut mir leid, okay?“, sagte Ryou schließlich und wandte sich wieder zum Laufen.

Die beiden jungen Männer und das kurzbeinige Drachendigimon rannten die Treppen hinunter, froh, dass sie zumindest für den Moment nicht über eine der korrumpierten Stellen stolperten. Auch wenn er sich das ganze nicht wirklich groß überlegt hatte. Ryou hatte das Gefühl, es war das einzige richtige, was er tun konnte.

Sie erreichten die 28. Etage, überrascht, keine Wachen zu finden. Nun, wahrscheinlich machte es im Moment wenig Sinn, noch eine große Wachmannschaft aufzustellen.

„Los!“, keuchte Hirokazu, als Ryou mit seiner gesunden rechten Hand die Tür aufstieß.

Die Leute, die näher an der Tür standen – unter anderem die jüngeren Tamer, die offenbar aus der digitalen Welt zurück waren – sahen sich zu ihm um, als Ryou rief: „Wartet! Ich werde gehen!“

Doch er war zu spät. Denn gerade, als er in den Raum kam, verschwanden Takato und Guilmon.
 

31. Juli 2011, 23:25 – Shinjuku, Tokyo
 

Ganz überzeugt war Steve nicht von ihrem Plan, wenn man es überhaupt so nennen konnte. Er verstand Ryous Gedankengang und konnte ihn nachvollziehen, doch wie zur Hölle sollte er das schaffen und wieso war er selbst hier? Warum fragten sie nicht Yamaki?

Sicher, er konnte sehr gut nachvollziehen, dass Yamaki eventuell gegen die Idee war, nur weil sie von Ryou kam, doch so war es verrückt.

Sein Blick huschte über die Computerbildschirme, während auch Kenta einen der Rechner durchsuchte.

Derweil schwebte das immense Apollomon vor der weiten Fensterfront des Raums und sah hinein.

Es machte mehr Sinn so, sagte er sich. Apollomon und Dianamon hatten sich bereit erklärt, die Beschützer der digitalen Welt zu sein, also machte es Sinn, dass sie gingen anstelle von Takato und diesem Denrei-Jungen, von dem er wenig gehört hatte, außer das er längere Zeit in der digitalen Welt gewesen war. Aber wieso sprachen sie nicht darüber?

Ja, sie hatten wenig Zeit, aber…

„Ich glaube, ich habe etwas!“, meinte Hirokazu und holte bereits ein Kabel heraus, um sein Digivice am Laptop anzuschließen.

Steve nickte und sah ihn an. „Bist du sicher?“, fragte er in seinem gebrochenen Japanisch und musste zugeben, dass er doch beeindruckt war, von dem Vertrauen, dass Hirokazu und Kenta noch immer in Ryou zu haben schienen.
 

31. Juli 2011, 23:27 – Shinjuku, Tokyo
 

Ai war wahrscheinlich genau so geschockt, wie alle anderen, als Ryou in den Raum kam.

„Akiyama!“, rief Yamaki aus, deutliche Wut in der Stimme.

Niemand hatte ihnen wirklich erklärt, was vorgefallen war, während sie in der digitalen Welt gewesen waren. Generell hätte von den Erwachsenen kaum jemand mit ihnen gesprochen, was ob der Situation wahrscheinlich nicht zu verwunderlich war. Sie wusste nur dass man Ryou aus irgendeinem Grund in einem Krankenhaus weggesperrt hatte. Offenbar hatte er irgendetwas gemacht.

„Was machst du hier, Ryou?“, fragte Ruki kühl, ging aber auch ihn zu.

„Ich werde gehen“, wiederholte Ryou nur.

Ai fiel auf, dass seine linke Hand geschwollen war. Hatte er sie verletzt?

„Wovon redest du?“, fragte nun Shoji.

„Ich werde gehen“, antwortete Ryou noch einmal. „Anstelle von Takato, anstelle von Denrei. Ich gehe.“

Für einen Moment schien es, als würde Yamaki ihn anschreien, doch Reika legte ihm die Hand auf die Schulter und ging an ihm vorbei. „Wir brauchen jemanden, den den Code in beiden digitalen Welten startet.“ Offenbar schien sie beschlossen zu haben, dass jetzt nicht der Zeitpunkt war, fragen darüber zu stellen, wie Ryou hierher gekommen war.

„Apollomon und Dianamon werden in die digitale Welt zurückkehren“, erwiderte Ryou. „Ich habe mit ihnen gesprochen.“

„Woher weißt du überhaupt davon?“, fragte Ruki.

„Nakamura.“ Ryou sah zu Kaito, der mit seinem Handy in der Hand an der Wand lehnte.

Ai sah ihn fragend an, sagte aber nichts. Sie wusste ja ohnehin wenig über den Jungen, mit dem Makoto in die digitale Welt gegangen war, außer dass dieser offenbar selbst seinen Bruder gesucht hatte.

„Akiyama“, grummelte Yamaki. Er war deutlich wütend, schien sich aber zu beherrschen. „Wir können den Code nicht mehr so schnell auf ein Digimon übertragen, wir…“

„Brauchen ein Digivice“, beendete Ryou den Satz für ihn. „Das weiß ich. Kenta ist bereit ihnen seins zu geben.“

„Kenta?“, fragte Ruki.

Auch Ai überraschte diese Information. Denn während sie einige der anderen Tamer kaum kannte, wusste sie über Hirokazu und Kenta doch genug, um die Geschichte gehört zu haben, wie er kurz vor dem Verlassen der digitalen Welt doch noch ein Tamer geworden war und wie viel es ihm bedeutete.

Sie sah auf ihr eigenes Digivice und auf einmal kam ihr eine Idee.

Ihr Blick wandte sich erst Impmon und dann ihrem Bruder zu. Das Digivice, seine neue Form, war einer der Gründe, warum Makoto davon gelaufen war. Die Tatsache, dass es auf ihn nicht mehr reagierte. Was wenn sie…

Sie wandte sich von der Unterhaltung ab und machte ein paar unschlüssige Schritte zur Doppeltür des Labors, ehe sie ihre Schritte beschleunigte.

„Ai?“, hörte sie noch Rins Stimme hinter sich, doch sie reagierte nicht. Wenn sie nicht schnell handelte – das wusste sie – würde sie es sich noch anders überlegen.

Sie merkte, wie Ryou sie überrascht ansah, als sie an ihm vorbei durch die Tür auf den Flur stürmte, sah noch Hirokazu, der offenbar mit Ryou hergekommen war, doch auch an ihm rannte sie nur vorbei und hinüber zum Treppenhaus. Vielleicht konnte sie zumindest etwas richtig machen.
 

31. Juli 2011, 7:28 – Paolo Alto
 

Shuichon hasste es, hier zu stehen und nur auf die Projektion an der Wand zu sehen. Eine Projektion, die nur in Punkten, Strichen und Kreisen die physische Ebene der digitalen Welt repräsentierte.

Natürlich verstand sie, warum Denrei die Entscheidung getroffen hatte, und dennoch hasste sie ihn dafür. Wie konnte er sie nach allem, was sie zusammen durchlebt hatten, sie einfach so allein machen. Wieso hatte er nach all den Sachen nicht zumindest mit ihr geredet?

Sie sah zu ihrem Bruder und funkelte ihn an.

„Du hättest dich zumindest entschuldigen können“, flüsterte sie.

Er sah sie nur an. Schuldbewusst, wie ihr klar wurde.

Und dann hörten sie Ryous Stimme aus der Übertragung. „Ich werde gehen“, rief er auf japanisch. Und ein wenig Hoffnung keimte in ihr auf.
 

31. Juli 2011, 23:32 – Shinjuku, Tokyo
 

„Ai!“, hörte sie zwei vertraute Stimmen wie aus einem Mund rufen, als sie die erste Etage hinab gerannt war.

Sie hielt inne, eine Hand auf dem Geländer der Treppe.

„Was machst du, Ai?“, fragte ihr Bruder, doch sie drehte sich nicht um. Sie wusste, dass er auf dem Absatz hinter ihr stand, zusammen mit Impmon.

„Ich gebe das Digivice Apollomon und Dianamon mit“, erwiderte sie schließlich mit zitternder Stimme. Tränen liefen über ihre Wangen.

„Aber, Ai…“ Das war Impmons Stimme und sie klang traurig, beinahe schon gekränkt.

Mit dem Handrücken wischte sie sich über die Augen, ehe sie sich zu beiden umdrehte und sie mit festem Blick ansah. „Was bedeutet das Digivice schon?“, fragte sie, auch wenn ihre Stimme zitterte. „Wir brauchen es doch nicht, um Freunde zu sein, oder, Impmon?“ Obwohl sie stark sein wollte, liefen wieder Tränen über ihre Wange. Unwillkürlich dachte sie an die digitale Welt und wie Beelkomon besiegt worden war. „Wir brauchen es doch nicht, oder?“

Das kleine Digimon sah sie an. „Ai…“

Ihr Bruder seufzte. Sie kannte ihn gut genug um zu sehen, dass er mit sich kämpfte, doch dann ging er auf sie zu und griff nach der Hand, in der sie ihr Digivice hielt. „Du musst das nicht für mich machen“, sagte er leise und seine Augen trafen ihre. Tatsächlich war es das erste Mal – so wurde ihr klar – dass er ihr in die Augen sah, seit sie aus der digitalen Welt zurück waren.

„Ich mache es nicht für dich“, antwortete sie leise. „Nicht nur“, fügte sie dann leise hinzu. „Ich will diese Welt auch retten und wenn ich nicht selbst gehen kann…“ Ihre Hand zitterte, als sie das Digivice hob. „Es reagiert auch nicht mehr auf mich, Makoto. Ich weiß nicht ob… Und so…“ Noch einmal holte sie tief Luft. „So können wir vielleicht auch noch etwas ändern.“
 

31. Juli 2011, 23:35 – Shinjuku, Tokyo
 

Es war offensichtlich, dass Yamaki nicht ganz zu wissen schien, wie er mit der Situation umgehen sollte.

Natürlich war er noch sauer auf Ryou, doch war das, was der junge Mann vorschlug, tatsächlich selbstlos. Gleichzeitig schien Yamaki nicht ganz glauben zu können, dass Ryou keine Hintergedanken hatte.

„Es ist ohnehin zu spät“, meinte er schließlich. „Akiyama, wir können es nicht mehr ändern.“

„Wir können es zumindest versuchen“, widersprach Ryou und funkelte seinen ehemaligen Vorgesetzten an. „Und was macht es für einen Unterschied, wenn es nicht klappt? In dem Fall kehrt halt eine weitere Person nicht mehr aus der digitalen Welt zurück. Wo ist das Problem?“

Ruki sah ihn an und zögerte für einen Moment. Kurz und unwillkürlich sah sie zu Shoji, trat dann aber zu Ryou. „Und du bist dir sicher, dass du nicht nur wieder vor deinen Problemen davonläufst?“, fragte sie leise.

Er erwiderte ihren Blick und kurz zeigte sich jene Verletzlichkeit, die sie nur zu gut kannte, in seinen Augen. Nein, mehr noch, etwas gebrochenes. Dann antwortete er leise: „Selbst wenn… Ist es wichtig?“ Für einen Moment schloss er die Augen und sah zu Juri hinüber. „Alles was ich weiß ist, dass die beiden noch etwas haben, zu dem sie zurückkehren können, während ich…“ Er wich ihrem Blick aus und schaute stattdessen Monodramon an, das zu seinen Füßen stand.

Für einen Moment zögerte Ruki. Auf der einen Seite machten seine Worte sie wütend, doch auf der anderen Seite… Vielleicht hatte er Recht. Es machte keinen Unterschied. Und Juri… Juri hatte bereits so viel verloren, also war dies vielleicht die bessere Lösung. Nicht vielleicht… Es war die bessere Lösung.

Sie seufzte und nickte. Dann küsste sie ihn auf die Wange. „Es tut mir wirklich leid“, sagte sie dann leise – so leise, dass es von den anderen niemand hörte.

Für einen Moment trafen sich ihre Blicke und er nickte.

Dann wandte Ruki sich Yamaki zu. „Sag es Takato. Wir müssen es probieren.“
 

31. Juli 2011, 23:37 – Digitale Welt
 

Denrei sah die weiße Sphäre unter sich, die sich ausgebreitet hatte und nun durch etwas, das nur ein Data Stream sein konnte mit dem Himmel und damit der realen Welt verbunden war. Er hatte trotz allem Angst, doch was für eine Wahl hatten sie denn noch?

Der Code, den sie geschrieben hatten, war Teil von Examons Körper. Er konnte ihn spüren.

„Wir werden alle retten“, hörte er Dracomons Stimme durch die Datenstruktur des Drachenkörpers hallen.

„Ja“, erwiderte er. „Werden wir.“

Der Drachenkopf wandte sich Dukemon zu, ehe er nickte.

„Dann los“, flüsterte Denrei und seine Stimme drang auch zu Takato durch. „Mach's gut“, meinte Examon dann zu Dukemon, ehe es seine Flügel anwinkelte und auf die Sphäre losflog.

Ja, er wünschte sich wirklich, dass er sich hätte richtig verabschieden können. Doch was sollte man tun, wenn die Welt unterging?

Examons Körper tauchte in die Sphäre ein. Wieder spürte Denrei jenes elektrische Kribbeln, das er auch bei ihrem letzten Besuch in dieser Welt gespürt hatte. Beinahe wurde ihm schwarz vor Augen, doch dieses Mal schaffte er es dagegen anzukämpfen, als ein Schwall Bilder ihn übermannte. Das war anders als bei ihrem letzten Besuch.

Dann klärte sich sein Blick und er fand sich wieder in jenem weißen Nichts, das sie auch das letzte Mal umgeben hatte. Doch etwas war anders. Tatsächlich konnte er einige Strukturen erkennen, selbst wenn diese ungenau wirkten, beinahe als wie schlecht programmierte Effekte. Und doch… Dass sie hier waren hieß, dass sich die Anomalie noch immer weiter entwickelte. Ganz wie die Digimon.

Er musste zum Kern kommen. Jenen Ort den sie das letzte Mal gefunden hatten.

An sich hatte davon niemand etwas gesagt und doch kam es ihm richtig vor. Immerhin wollte er den Reboot nicht starten, bevor er nicht mit der Anomalie gesprochen hatte.
 

31. Juli 2011, 23:39 – Shinjuku, Tokyo
 

Ein weiteres Beben ließ das Treppenhaus wackeln. Irgendwo hörten sie etwas, das nach einem Knall klang. Vielleicht war etwas kaputt gegangen?

Ein Flackern begann die Treppe zu erfassen, als sie weiter hinabliefen.

„Verdammt“, fluchte Ryou leise und streckte eine Hand aus, um die anderen zurückzuhalten.

„Wir haben keine Zeit mehr“, murmelte Yamaki. „Sieh es ein.“

„Ich werde es immer noch versuchen“, erwiderte Ryou nur.

Sie waren zu siebt: Neben ihm und Monodramon waren auch Hirokazu, Yamaki, Ruki, Renamon, Shoji und Gazimon bei ihnen, doch nun kamen sie nicht weiter.

Natürlich war alles nicht so einfach. Sein Digivice war nicht hier. Es war unten im eigentlichen Labor, was diese Situation nur umso schwerer machte. Hätte er Cyberdramon gehabt… Doch ohne Digivice und Karten keine Digitation. Ohne Digitation kein Cyberdramon. Und so mussten sie sich etwas anderes ausdenken.

Da kam ihm eine Idee. „Renamon. Bitte.“

Das Fuchsdigimon tauschte nur einen Blick mit Ruki, die nickte. Dann griff es ihn unsanft am Kragen und hob ihn hoch. Mit zwei großen Sprüngen hatte es den flackernden Treppenabsatz übersprungen und brachte nun auch Monodramon hinterher.

„Und jetzt?“, rief Ruki ihm hinterher.

„Wo ist das Digivice?“, fragte er.

„In meinem Büro“, erwiderte Yamaki nur.

„Und der Code?“

„Auf dem Hauptrechner“, kam die Antwort.

„Danke.“ Damit rannte Ryou weiter. Er würde die anderen ohnehin nicht brauchen. Unten waren Larson und Kenta – er konnte nur hoffen, dass sie den Code bereits gefunden hatten.
 

31. Juli 2011, 23:42 – Shinjuku, Tokyo
 

Ai musste sich festhalten, als das Gebäude erneut bebte. Eine der Maschinen, die – soweit sie wusste – zur Überwachung der digitalen Welt diente, kam ins Rutschen und landete nur wenige Meter von ihr entfernt mit einem lauten Krachen auf dem Boden.

„Ai…“, begann Impmon noch einmal, während sie weiter in das Labor reinlief.

Wo waren diese beiden? „Kenta? Larson-san?“

Ein Kopf sah an einer der Rechneranlagen vorbei zu ihr. Überraschung zeichnete sich in dem bebrillten Gesicht ab. „Hanegawa-san?“

Sie nickte und rannte auf ihn zu. „Nehmt mein Digivice“, sagte sie nur und hielt es ihnen entgegen.

Larson und Kenta sahen einander an. „Aber…“, begann der Amerikaner.

Doch Ai blieb eisern: „Nehmt es!“

Noch ein Blick wurde unsicher getauscht und Ai spürte Wut in sich aufkochen. Sie wollte etwas sagen, als Impmon hinter sie trat. „Jetzt macht schon, ihr beiden Knirpse!“, rief es aus. „Wir haben keine Zeit mehr!“

Für einen Moment sahen die beiden es erschrocken an, doch dann seufzte Kenta und gab Ai eine violett schimmernde Karte. „Der Code ist darauf“, erwiderte er.

Ai nickte dankbar, dann sah sie noch einmal zu Makoto, der ihr nun langsam folgte. Dann zog sie die Karte durch den Schlitz des Digivices, dessen Bildschirm daraufhin aufleuchtete.

Während Ai noch kurz auf ihr Digivice schaute, sich dessen bewusst, dass sie hiermit auch ihren Status als Tamer aufgab, hörte sie das Geräusch der sich öffnenden Sicherheitstür des Labors.

„Habt ihr den Code?“, erklang im nächsten Moment Ryous Stimme.

„Ja, aber…“, begann Kenta, doch Ryou ließ ihm keine Zeit. Er rannte die Treppe im Inneren des Labors zu Yamakis Labor hinauf.
 

31. Juli 2011, 23:45 – Digitale Welt
 

Kurz schloss Takato die Augen, ehe er noch einmal auf die Sphäre sah, in die Examon verschwunden war.

„Dann lass uns anfangen“, meinte er und konnte wohl nur hoffen, dass Denrei und das Hypnos Team es ihm gleich taten.

Dukemon hob einen Arm und die Lanze Gungnir erschien glühend über ihm. Sie hatten das Programm in die Waffe geladen und er hatte eine gute Ahnung, wie sie es am besten starteten.

Kurz sah sich das Ritterdigimon um, ehe es einen näher kommenden Stream, der durch den vom hier herrschenden Sturm aufgewirbelten Sand schnitt. Ja, das war die beste Idee.

Dukemon flog darauf zu, während Gungnir in seinen Händen immer heller leuchtete, doch es war in diesem Moment, dass Takato im Inneren des Digimon eine Stimme hörte. Rauschen schnitt die Stimme immer wieder ab, wie bei einem schlecht eingestellten Radio. Er konnte dennoch sagen, dass es die Stimme Yamakis war.

„Nicht… Deploy… Warten… Ryou… Kommt“, waren die Worte, die er ausmachen konnte.

„Was…?“ Verwirrt hielt Takato und mit ihm auch Dukemon inne.

„Ryou kommt“, wiederholte Guilmons Stimme, nur für seine Ohren hörbar.

Das hatte Takato auch verstanden und dennoch verwirrte es ihn. „Aber wieso?“ Wie konnte es überhaupt sein? War Ryou nicht im Krankenhaus?
 

31. Juli 2011, 23:48 – Shinjuku, Tokyo
 

„Vorsicht!“, rief Ryou aus und schob die Hanegawa-Zwillinge zurück, als kleine Funken über den Boden flitzten und dann der gesamte vordere Bereich des Labors – inklusive der Außenwand zu flackern begann.

„Und was machen wir jetzt?“, fragte Kenta und konnte die Panik nicht ganz aus seiner Stimme verbannen.

„Papa Pipo“, meinte Penmon beruhigend.

Ryou verstand, was er meinte. Sie kamen, so wie sich diese Fehler ausbreiteten, nicht zum Tor zurück. Aber eigentlich, dachte er sich dann und sah zum ebenfalls flackernden Fenster, hinter dem gleich mehrere Streams zu sehen waren, brauchten sie das Tor nicht. Damals waren sie doch auch so in die digitale Welt gekommen.

Er grinste, als sich ein Plan in seinem Kopf formte. „Überlasst das mir!“ Dann zog er – wenngleich nicht ohne Probleme, da seine linke Hand nicht ganz auf seine Befehle hören wollte – die Karte durch das Digivice. „Card Slash!“

Auch sein Bildschirm leuchtete auf.

Dann sah er zu Monodramon. „Bist du bereit?“

Das Digimon nickte. „Ja!“

Genau in diesem Moment war ein Grummeln weiter unten im Gebäude zu hören, während ein Zittern das ganze Gebäude erfasste. Verdammt. Er konnte nur hoffen, dass es nicht bedeutete, was er glaubte.

„Raus! Allesamt!“, rief er den anderen viern zu, während er selbst das Digivice erhob. „Matrix Evolution!“

Dasselbe nur zu vertraute Gefühl erfasste ihn, als das Licht ihn umgab. Dann trat er mit Justimons Füßen auf den Boden auf und sprang einfach durch die flackernde Fensterfront, die keine Barriere mehr dazustellen schien.

Apollomon fing das Mutantendigimon auf, als hätte es damit gerechnet.

Noch einmal sah Justimon sich um. Etwas qualmte unten aus dem Gebäude heraus. Als hätte irgendetwas durch eins der Erdbeben oder vielleicht auch der Fehler, der nun offenbar kleine Blitze zwischen einigen Gebäuden hin und her flitzen ließ, Feuer gefangen. Ein Teil von ihm wollte bleiben. Lang genug, um sicher zu gehen, dass die anderen – und ja, vor allem auch Ruki – herauskamen. Doch Monodramons Stimme sagte ihm, was er eigentlich auch selbst nur zu genau wusste: „Wir haben keine Zeit.“

Er wandte sich Apollomon zu. „Seid ihr bereit?“

Es war Dianamon, das nun Ais Digivice in den Händen hielt und nickte.

Justimon zeigte mit dem Daumen nach oben, ehe es auf Apollomons linke Schulter sprang, während Dianamons auf der Rechten landete. „Dann los!“
 

31. Juli 2011, 23:55 – Welt der Anomalie
 

„Ihr seid zurückgekehrt“, sagte dieselbe Stimme, die sie auch vor ein paar Wochen schon gehört hatte, als Examon einen Ort erreichte, von dem Denrei wusste, dass es der richtige sein musste. „Während es alles endet…“

„Wir sind hier, um diese Welt zu rebooten“, erwiderte er. „Alle drei Welten!“

„Alle drei Welten?“, fragte die Stimme offenbar ohne Verständnis.

„Die Welt der Menschen“, antwortete Examon mit tiefer Stimme, „die Welt der Digimon und eure Welt.“

Ein rauschendes Schweigen trat ein, ehe die Stimme antwortete: „Und dann?“

„Wir wollen die Welten voneinander trennen“, sagte Examon. „Und sie dadurch retten.“

Erneutes Schweigen.

Es war beinahe seltsam. Während die Folgen der Störungen durch den Zusammenprall der Welten sowohl in der digitalen, als auch in der realen Welt so deutlich zu spüren waren, schien diese Welt noch relativ unberührt, selbst wenn ihre Bewohner zu wissen schienen, dass es endete. Oder waren es überhaupt Bewohner? War es nicht vielleicht eine einzige Intelligenz? Vielleicht eine Schwarmintelligenz?

„Ihr Menschen glaubt, dass ihr die Welten so retten könnt?“, fragte die Anomalie und dieses Mal antwortete Denrei mit seiner eigenen Stimme.

„Wir wissen es nicht“, erwiderte er ehrlich, „aber es ist unsere einzige Hoffnung.“

Wieder schwieg die Stimme, ehe sie erwiderte. „Dann soll es so sein.“

Examon nickte und hob seine Lanze, als eine andere Stimme, nicht die seine, nicht Dracomons und nicht die der Anomalie erklang: „Wartet!“
 

31. Juli 2011, 23:57 – Digitale Welt
 

Ein seltsames Kribbeln lief durch Justimons Körper, doch es spürte dabei den Körper Apollomons unter sich, während es vom Licht des Streams geblendet war. Dann sah es die oberen Schichten der digitalen Welt unter sich und sie gingen in einen Sinkflug über.

„Wir wissen, wo es ist“, sagte Apollomon nur, während sie durch die an Computerchips erinnernden Schutzschichten über der physischen Ebene brachen.

Die physische Ebene selbst, offenbar halb zerstört und von einem dauerhaften Sturm ergriffen, zeigte sich unter ihnen, doch das Götterdigimon schenkte ihr wenig Beachtung. Mit konzentrierter Miene flog es über die digitale Welt hinwegflog.

Dann sahen sie den blauen Stream und ein rotes Funkeln in der Luft davor.

„Dukemon!“, rief Justimon aus, als Ryou das andere Digimon erkannte. „Warte! Takato! Guilmon! Wartet!“

Dann hatten sie auch schon das Kriegerdigimon erreicht und flogen an ihm vorbei.

„Was…“, hörten sie Takatos Stimme nur aus dem Digimon.

Justimon winkte ihm nur zu. „Kehrt in die reale Welt zurück! Bevor es zu spät ist!“, rief es dann, ehe es sich der Sphäre aus jenen seltsamen sich drehenden Tetraedern zuwandte und Apollomon auf den massigen Hals klopfte. „Danke für die Reise.“ Damit stieß es sich von der Schulter des Digimon ab und fiel im nächsten Moment auf die Sphäre hinab.

Wie auch Denrei und Examon spürten sie ein elektrisches Kribbeln, ehe eine Flut von Bildern über ihr Bewusstsein ebbte, dann waren sie in jenem weißen Nichts, das für sie noch vollkommen neu war. Doch mittlerweile hatte Ryou keine Zweifel mehr an dem, was er tun musste. Er musste Examon erreichen, bevor es zu spät war.

Und seltsamer Weise schien dieser Gedank den fluglosen Körper Justimons voran zu tragen, bis er die riesige Gestalt des Drachens sah, die sich stark vor dem beinahe komplett weißen Hintergrund abhob. „Wartet!“

Während Examon nicht ganz zu realisieren schien, was vor sich ging, wandte es ihm doch seinen Kopf zu, was reichte, um es lang genug zu unterbrechen. „Du…“, begann es.

„Ich habe das Programm geladen“, erklärte Justimon kurz angebunden. „Kehre in die reale Welt zurück. Ich werde es tun!“

„Aber…“, begann Examon und wäre die Situation nicht so ernst gewesen hätte Ryou vielleicht über den verwirrten Blick auf dem Drachengesicht gelacht.

„Mach schon!“, rief Justimon nur und sah sich um. „Hey. Ihr… Wie auch immer ihr heißt!“

„Wir sind“, erwiderte eine seltsame Stimme, die offenbar zur Anomalie gehörte nur.

Kryptisch. Aber wie auch immer. „Ich starte diese Welt neu! Kannst du den großen Drachen fortschicken?“ Immerhin erinnerte er sich noch daran, dass Denrei und Shuichon damals von der Anomalie zurück in die reale Welt geschickt worden waren.

„Du bist…“, begann die Stimme.

„Ja, ich bin derjenige, der euch angegriffen hat“, erwiderte Ryou im Inneren von Justimon. „Aber das ist jetzt doch egal! Schickt sie zurück!“ Entschuldigen würde er sich bei dem Ding garantiert nicht.

Kurze Stille.

„Aber…“, setzte Examon an. „Du kannst nicht einfach…“

„Doch, kann ich“, erwiderte Justimon. „Ihr habt etwas, zu dem ihr zurückkehren könnt, also tut es auch!“ Es machte sich Bereit das Programm in seinen metallenen Arm zu laden, um es in dem Moment zu starten, in dem Examon verschwunden war.

Wieder. Stille.

„In Ordnung“, sagte Examon dann langsam, ehe Denreis Stimme hinzufügte: „Danke, Ryou.“

„In Ordnung“, echote auch die Stimme der Anomalie und im nächsten Moment hörte Justimon etwas, das an das Rauschen von Wasser erinnerte.

Und dann – ohne Vorwarnung – begann Examon zu flackern und war einfach verschwunden. Zurück in der realen Welt, hoffte Ryou.

„Dann…“ Justimon hob seinen Arm. „Legen wir los! Accell Arm!“
 

1. August 2011, 0:01 – Shinjuku, Tokyo
 

Noch immer im Körper Dukemons fiel Takato durch den Übergang zwischen den Welt in die reale Welt zurück. Er sah Tokyo, Shinjuku, unter sich, sah den Qualm aus dem dritten Stock des Metropolitan Government Buildings steigen, das dankbarer Weise noch stand. Die Shaggai-Installation auf dem Dach der Zwillingstürme leuchtete auf und schickte, im selben Moment, wie eine Drachengestalt ebenfalls durch das Abbild der digitalen Welt stürzte, einen gewaltigen Lichtstrahl gen Himmel.

Ein seltsames Gefühl erfüllte Dukemons Körper, als eine Energiewelle, die vom Lichtstrahl auszugehen schien, seinen Körper traf, und dann breitete sich ein seltsames Muster – beinahe wie ein abstrakter Code über den Himmel aus. Einer nach dem anderen erloschen die Data Streams, die Himmel und Erde verbandten, und ein Geräusch, wie der Gesang tausender Wale erfüllte die Luft.

Die Wesen der Anomalie hatten ihre Köpfe zum Himmel gehoben, als würden sie auf etwas warten. Dann verschwanden sie.

Noch einmal sahen Takato und Guilmon durch Dukemons Augen zum Abbild der digitalen Welt hinauf, das offenbar vom Licht getroffen wurde, während im Abbild jener Welt selbst einzelne Lichter aufleuchteten. Und dann, mit einem mal, war auch dieses Bild verschwunden und zeigte stattdessen den mondlosen Sternenhimmel über der Stadt.

Epilog: Neuer Morgen

Epilog: Neuer Morgen
 

Die Luft war schwül, als Shoji durch den Stadtteil im nördlichen Shinjuku lief, auf die Suche nach dem richtigen Haus – etwas, das leichter gesagt, als getan war, bedachte man die hohen Mauern, die hier die meisten Grundstücke umgaben.

Schließlich aber fand er die Hausnummer, nach der er suchte, in einer kleinen Seitengasse – nicht einmal breit genug, um ein Auto durchzufahren.

Er zögerte und sah zu Gazimon, das ihm nur aufmunternd zunickte, dann drückte er auf die Klingel.

Stille, abgesehen vom Zirpen der Zikaden und dem Zwitschern einiger Vögel. Die ganze Gegend wirkte irgendwie nicht so, als würde sie ins moderne Tokyo gehören – und wenn er ehrlich war schüchterte es ihn etwas ein.

Dann wurde die hölzerne Tür geöffnet und eine ältere Frau, deren Haare von grauen Strähnen durchzogen waren, musterte ihn kurz von Kopf bis Fuß. Dann lächelte sie sanft. „Du musst wegen Ruki hier sein“, sagte sie, anstatt einer Begrüßung, und erwischte Shoji so auf dem falschen Fuß.

Er zögerte. „Äh“, begann er, und wurde von Gazimon gegen das Bein gestupst, woraufhin er schließlich ein „Ja“ heraus bekam. Er schluckte.

Seit etwas mehr als einer Woche, seit sie die Welten getrennt hatten, hatte er sie nicht mehr gesehen. Nun, keiner von ihnen hatte sie mehr gesehen. Sie war zu ihren Mutter und ihrer Großmutter gegangen – von allem was sie wussten, da sie zumindest nicht in ihrer eigenen Wohnung war. Und nun... Er hatte sich Takato und Denrei gegenüber angeboten, sie abzuholen, wobei seine Motivation nicht gänzlich uneigennützig war.

Er wollte mit ihr reden.

Nur wie er es anfangen sollte, wusste er noch nicht.

Rukis Großmutter nickte. „Komm rein.“ Sie gestikulierte auf den Weg, der zu dem im traditionellen Pagodenstil gebauten Haus führte. „Sie ist in ihrem alten Zimmer.“ Dabei klang die Stimme der alten Frau gutmütig.

„Okay“, brachte Shoji heraus und folgte der Frau schließlich, als sie ihn zum Haus führte.

Die Frau trug nur einfache Sandalen, die sie sich an der Terrasse der Pagode auszog, weshalb er es ihr gleich tat und ihr so zu einer Schiebetür folgte. Die Tür war aus Papier, hatte jedoch einen hölzernen Rahmen, gegen den die ältere Frau nun klopfte.

„Ruki-chan“, rief sie halblaut, „hier ist jemand für dich.“

Für einige Sekunden herrschte Schweigen, doch dann wurde die Tür geöffnet und Ruki – deutlich missgelaunt – sah sie an, doch ihr Blick wurde weicher und etwas verwirrt, als sie Shoji sah.

„Oh“, brachte sie schließlich hervor. „Du...“

Rukis Großmutter lächelte sanft. „Ich lasse euch mal“, meinte sie. „Wollt ihr vielleicht einen Tee?“

„Nein, danke, O-baa-san“, erwiderte Ruki mit vielleicht etwas zu viel Nachdruck, woraufhin ihre Großmutter jedoch nur ein noch breiteres Lächeln sehen ließ und die Veranda hinab ging.

Ruki sah ihr nach, ehe sie sich Shoji zuwandte. Sie zögerte, nickte dann aber in Richtung des Gartens. „Komm mit.“

Shoji sagte nicht, tat einfach wie ihm geheißen und folgte ihr, zusammen mit Gazimon, das sich nun betont zurückhielt, in eine Ecke des Gartens, in der ein kleiner Teich, umgeben von kunstvoll arrangierten Felsbrocken, Schilf und überspannt mit einer hölzernen Brücke, war.

Sie sprachen kein Wort, bis Ruki sich auf einen der Felsen setzte und die Arme verschränkte.

Renamon war nirgends zu sehen. Wahrscheinlich hielt es sich absichtlich zurück.

„Warum bist du hier?“, fragte Ruki.

Shoji zögerte oder brauchte viel mehr, bis er eine Antwort zustande brachte. „Nun, ich... Ähm. Nun, Shuichon und ihre Eltern kommen heute aus den USA zurück und Steve Larson wiederum fliegt zurück in die USA. Ähm... Ich glaube Juri hatte dir geschrieben.“

Ruki nickte. „Ja, hat sie.“ Sie sah in den See, der den blauen Himmel spiegelte.

„Ich wollte dich abholen“, meinte Shoji. „Ich...“ Verdammt, was wollte er eigentlich sagen?

Als sie zuletzt geredet haben, in der letzten Nacht bevor die Welten getrennt worden waren, unten im Shinjuku Central Park, hatte er nicht gewusst, was er aus dieser ganzen Situation zwischen ihnen machen sollte. Doch wenn man bedachte, dass sie zu dem Zeitpunkt geglaubt hatten, dass die Welt bald enden würde, war es nicht so wichtig gewesen. Nun aber war seither mehr als eine Woche vergangen und die Welt war nicht geendet. Also musste er sich nun wohl doch dessen bewusst werden, was er aus der ganzen Situation machen wollte – was alles andere als leicht war, bedachte man, dass er keinerlei wirkliche Erfahrung mit diesen Dingen hatte und bis vor kurzem auch nie so über Ruki nachgedacht hatte.

Entsprechend tat er sich schwer Worte zu finden.

Nun sah sie ihn an. „Du?“

„Na ja“, begann er und druckste herum, wobei er sich zu Gazimon umsah, das jedoch am Haus zurückgeblieben war. „Na ja“, wiederholte er sich dann. „Du... Du hast dich zurückgezogen und ich dachte, es wäre vielleicht gut, wenn du mitkommst. Wo die anderen sind.“

Ruki musterte ihn und schien worauf zu warten, doch Shoji wich ihrem Blick aus und lehnte sich schließlich gegen den Rand der Brücke, nicht zuletzt, da er so hinter ihr war und sie nicht direkt ansehen musste.

Er biss sich auf die Lippen. „Ist es wegen Ryou?“

Daraufhin seufzte Ruki. Gedankenverloren strich sie sich eine Haarsträhne hinter das Ohr. „Er ist ein Idiot“, murmelte sie dann.

Shoji sah auf ihren Nacken und zögerte. Wie es wohl für sie sein musste? Es war nicht wie mit Kenji, der absolut sicher gestorben war. Damals war es schlimm für ihn und seine Eltern gewesen, aber es war vorbei gewesen. Sie hatten damit abschließen können. Doch nun... Sie wussten nicht, was auch Ryou und Monodramon geworden war, als sich die Welten getrennt hatten. Sie wussten nicht, ob sie noch in jener anderen Welt lebten, oder er doch vielleicht tot war. Außerdem war Ryou – ja, was für Ruki gewesen? Ihr Exfreund, mit dem sie aber Jahre lang zusammen gewesen war? Jemand, der sie regelmäßig auf die Palme gebracht hatte? Ja. Was?

„Es tut mir leid, Ruki“, meinte er schließlich. Es fühlte sich mittlerweile richtiger an, sie so anzusprechen, und da sie sich nicht beschwerte, schien sie nichts dagegen zu haben.

Sie seufzte und schüttelte den Kopf, ehe sie sich umdrehte. „Vielleicht ist es besser so.“ Noch einmal schüttelte sie den Kopf und sah zum Himmel, wo man die digitale Welt nun nicht mehr sehen konnte. „Ich glaube, er war ohnehin immer mehr in der digitalen Welt zuhause gewesen.“ Sie stand auf. „Wir waren ohnehin getrennt, oder?“ Dabei klang sie so, als würde sie dringend Bestätigung hören wollen.

Also was sollte er sagen? Er rang nach Worten. „Aber erst vor kurzem. Und ihr wart so lange... Ich meine...“

Ruki zuckte mit dem Schultern und seufzte noch einmal. „Ja, vielleicht.“ Dann musterte sie ihn. „Es tut mir leid, Shoji.“

Er nickte nur. Er verstand.

Dann auf einmal streckte sich Ruki und schenkte ihm ein mattes Lächeln. „Du sagst, die anderen treffen sich am Flughafen?“
 

Es war ungewohnt in einem Auto zu fahren. Sicher, er hatte einen Führerschein, aber er war die meiste Zeit als Dukemon herum gekommen – es war schneller, effizienter und doch fühlte es sich im Moment falsch an.

Als sie an an einer Ampel, nicht sehr weit vom Haneda-Flughafen entfernt, hielten, sah er seufzend zu Juri.

Es war acht Tage her, dass das Abbild der digitalen Welt über ihnen erloschen war und noch immer fragte er sich, was er hätte tun können, um diese Eskalation zu verhindern. Wieso war es soweit gekommen?

„Takato“, hörte er die drängelnde Stimme von Guilmon auf dem Rücksitz, bemerkte aber erst, als ein Hupen hinter ihnen erklang, dass die Ampel auf Grün gesprungen war.

Er fuhr weiter, wobei der Wagen ihm etwas nach vorne sprang, als er zu stark auf das Gaspedal trat.

„Takato“, meinte Juri sanft.

Noch einmal sah er kurz zu ihr, dann aber nervös wieder auf die Straße. „Ja?“

„Du hattest keine Wahl. Es ist nicht deine Schuld.“ Das sagte sie nicht zum ersten Mal.

Takato seufzte. Er wusste, dass es so war – immerhin war es nicht er gewesen, der diese Situation provoziert hatte. Es war auch nicht er gewesen, der die Entscheidungen getroffen hatte. Er hatte versucht es aufzuhalten. Aber er war gescheitert.

„Ich wünschte nur, ich hätte irgendetwas tun können“, murmelte er. „Vielleicht, wenn ich Ryou aufgehalten hätte... Wenn wir es früher bemerkt hätten...“

Juris Hand wanderte zu seinem Knie, als sie sich leicht vorbeugte. „Du hast nichts anderes tun können.“

Er seufzte. „Vielleicht...“

„Nicht vielleicht, Takato“, erwiderte sie. „Du weißt, dass es so ist. Bitte mach' dich darüber nicht selbst kaputt.“

Noch einmal seufzte er. „Ich weiß, aber...“ Wieder sah er kurz zum Himmel. „Ich hatte gehofft, dass Digimon und Menschen zusammen...“ Er vollendete den Satz nicht.

Juri drückte sein Knie. „Ich weiß.“

„Takato“, meinte Guilmon auf einmal. „Guilmon ist sich sicher, wir finden einen Weg. Wir finden einen Weg, zurück zur digitalen Welt. Guilmon weiß das.“

Im Rückspiegel sah Takato seinen Partner grinsen. Das seltsame, beinahe gruselige Guilmon Grinsen. Er wollte daran glauben, was sein Partner sagte. Er wollte es wirklich.

Er seufzte. „Danke.“
 

Unter den wachsamen Augen Lumamons saß Namiko auf dem Spielplatz und baute – zusammen mit zwei Baby-Digimon eine Sandburg.

Mitsuo wusste, dass seine Tochter bei weitem mehr von den vergangenen Ereignissen mitbekommen hatte, als sie es sich anmerken ließ. Sie tat unbeschwert und hatte nur einmal gefragt, was mit der digitalen Welt geschehen war und er wusste nicht, wie er damit umgehen sollte.

Er tippte seine Zigarette an, um etwas Asche abfallen zu lassen, während er am Rand des Spielplatzes auf einer Bank saß.

Shinjuku war noch immer recht verlassen. Viele Menschen fürchteten sich noch immer, zurückzukehren, zumal gerade hier viele Gebäude durch Erdbeben, aber auch durch die Kämpfe, Schaden genommen hatten. Doch er kannte die Menschen mittlerweile zu gut. Man musste ihnen nur ein paar Monate geben und alles würde wieder halb vergessen sein, wie es auch damals nach dem D-Reaper Vorfall gewesen war. Zumindest blieb das zu hoffen.

Schuldbewusst sah er auf die Zigarette in seiner Hand. Er war einfach nicht streng genug mit sich selbst, doch nach den vergangenen drei Monaten...

Schritte nährten sich, und noch bevor er die Zigarette zu Boden fallen lassen konnte, stand Reika neben ihm. „Ich dachte, du würdest nicht mehr rauchen“, meinte sie.

Ja, als ob sie nicht wüsste, dass er im Rahmen dieser ganzen verfluchten Sache mit dem Turnier wieder angefangen hatte. Natürlich hatte er es versteckt, doch wenn er ehrlich mit sich war, wusste er, dass er es vor ihr nicht verheimlichen konnte.

Er ließ den Kopf sinken.

Reika, die Getränke von einem Automaten geholt hatte, seufzte und setzte sich hin und reichte ihm einen Eiskaffee in einer Flasche.

Daraufhin seufzte Mitsuo nur, nahm die Flasche aber und ließ die Zigarette fallen. Während er den Zigarettenstummel austrat, öffnete er die Flasche und nahm einen Schluck. „Danke.“ Er schwieg für einen Moment und murmelte dann: „Es tut mir leid.“

Reika lächelte müde und lehnte sich dann an ihn an. „Ich sollte wahrscheinlich wütender sein, als ich es bin.“ Sie legte einen Arm um ihn. „Lass es zumindest vor Namiko.“

Mitsuo nickte nur und nahm seine Sonnenbrille ab. Müde rieb er sich die Nasenbrücke, da er – wie so oft in den letzten Wochen – einen leichten Kopfschmerz verspürte.

Dann seufzte Reika. „Es ist vorbei.“ Sie legte ihren Kopf gegen seine Schulter.

Er sah weiter auf den Spielplatz. „Vorerst“, murmelte er dann. Sie hatten es sich schon zu oft gesagt.

Er wusste nicht, was er dazu denken sollte. War er froh, dass es nun so gekommen war? Fühlte er sich schlecht? Die Kinder – ach, es waren doch so lange schon keine Kinder mehr – hatten noch ihre Partner, oder? Also war alles gut, oder? Es waren noch so viele Digimon in der realen Welt... In der realen Welt, die nicht wirklich real war...

Was bedeutete es nur für sie?

Er sah zu seiner Tochter.

Vielleicht war es auch eigentlich egal. Real, digital, was machte es für einen Unterschied? Sie hatten Gefühle, die Digimon hatten Gefühle und diese waren real genug, oder?
 

Auch wenn nur Lumamon es bemerkt hatte, gab es noch jemanden, der Namiko und die beiden Baby-Digimon – ein Koromon und ein Wanyamon – beobachtete: Tailmon stand im Gebüsch am Rand des Spielplatzes.

Die Digimon waren welche, die es in der digitalen Welt beschützt hatte. Es hatte versprochen sie in Sicherheit zu bringen und nun waren sie hier, in der realen Welt, der Welt der Menschen und würden wahrscheinlich nie wieder in die digitale Welt zurückkehren können. Nun, da die Welten voneinander getrennt waren.

Waren sie hier sicher?

Nun, zumindest hatte sie niemand angegriffen, seit sie hier waren.

Die Tamer, die sie in der digitalen Welt begleitet hatten, die Tamer, die es davor gerettet hatten, seine Schützlinge anzugreifen, hatten ihm erzählt, was passiert war, doch es musste zugeben, dass es nicht alles verstand. Menschen sahen die Welten anders, als sie Digimon es taten.

„Tailmon“, hörte es eine vertraute Stimme hinter sich und drehte sich zu Bearmon um, das es vorsichtig anlächelte.

Tailmon nickte. Es konnte nicht mehr für seine Schützlinge tun, als herauszufinden, was es mit dieser für sie neuen Welt auf sich hatte. „Lass uns gehen“, sagte es dann und wandte sich damit vom Spielplatz ab.
 

Es war einer der ersten Flüge, die in die USA zurückgingen. Das ganze Chaos, dass die digitale Welt und die Anomalie verursacht hatten, hatten dafür gesorgt, dass Flugzeuge nicht mehr ordentlich fliegen konnten.

Eigentlich hatte Steve bis zum Oktober bleiben wollen, doch nach allem was passiert war, wünschte er sich nicht mehr, als seine Familie wieder zu sehen. Und so stand er nun in der Warteschlange am Flughafen sein Gepäck aufzugeben.

Die Schlange vor der Gepäckabgabe zog sich durch die halbe Halle – wohl nicht zuletzt, da viele Leute, die aus geschäftlichen Gründen in Tokyo gewesen waren, auch hier hängen geblieben waren und nun die ersten Interkontinentalflüge nutzten.

Auf den Füßen leicht vor und zurück wippend, stand Hirokazu neben ihm. Er und Kenta hatten angeboten, ihm in der Warteschlange Gesellschaft zu leisten.

„Also wollt ihr wirklich schon gehen?“, meinte Hagurumon schließlich in seiner mechanischen Stimme, nachdem eine ganze Weile Schweigen geherrscht hatte.

„Ja“, erwiderte Steve. „Ich will nicht riskieren, dass noch so etwas passiert.“ Er wollte es wie einen Scherz klingen lassen, doch klang seine Stimme auch etwas bitter.

„Ach, so etwas passiert hier nur alle paar Jahre“, erwiderte Hirokazu halb scherzhaft.

„Ja, das letzte Mal ist schon wieder drei Jahre her“, fügte Kenta hinzu, doch auch seine Stimme klang leicht bitter. Er zuckte mit den Schultern.

Steve tat es ihm nur gleich, während Leormon, dass in seinen Armen hing, wie eine jener sehr faulen Katzen, zu seinem Gesicht aufsah. „We are going to see Mum and () again.“

„Exactly“, murmelte er.

Leormon gähnte. „Just about 16 hours of flight, eh?“

Wieder herrschte Schweigen, während sich die Warteschlange sich um ein paar Schritte nach vorne bewegte.

„So...“, begann er schließlich wieder. „Glaubt ihr... Err... Glaubt ihr, dass das Tor sich irgendwann wieder öffnen wird.“

Kenta zuckte mit den Schultern. „Irgendwann. Wir haben vor zehn Jahren auch gedacht, dass sich das Tor nicht wieder öffnen wird und dann...“

„Vielleicht“, meinte Hirokazu seufzend und sah mit verschränkten Armen in die Ferne.

„Ach, ich bin mir sicher, dass wir Ryou wiedersehen“, sagte Hagurumon und Steve war sich fast sicher, dass es seinem Partner eine Hand auf die Schulter gelegt hätte, hätte es denn eine Hand gehabt.

Hirokazu zuckte nur mit den Schultern. „Ryou wird es schon irgendwo gut gehen“, murmelte er, auch wenn er dabei betrübt wirkte.

Von allem was er wusste, hatten Hirokazu und Kenta immer zu Ryou aufgesehen. Sie waren auch die einzigen gewesen, die seine Seite ergriffen hatten. Doch was wusste er schon? Er kannte sie ja gerade einmal seit ein paar Monaten.

„Wahrscheinlich“, sagte er daher nur. „Irgendwo.“

Hirokazu nickte nur und ließ ein leises Seufzen hören, während er zur Fensterfront auf der einen Seite der Halle sah.

Für einen Moment setzte Steve an, als ihm eine Frage in den Kopf kam. Doch er beherrschte sich. Es wäre nicht richtig. Sie kannten sich nicht gut genug.

Ein neues Schweigen, das dieses Mal von Leormon unterbrochen wurde.

„Man! Why does this take so long?“, rief es aus und lenkte einige Blicke damit auf sich.

Steve lachte leise. „We'll be there soon.“ Damit kraulte er den Irokesen seines Partners.
 

Die Passagiere aus dem Flug von Hong Kong, strömten – teilweise mit ihrem Gepäck, teilweise ohne – durch die Tore, in die Ankunftshalle.

Auch Passagiere aus Amerika und Kanada waren dabei, da die frühsten Flüge von dort aus über Hong Kong nach Tokyo kamen.

„Wo sind sie? Wo sind sie?“, fragte Dracomon und reckte seinen Hals, was jedoch bei weitem nicht reichte, um über die anderen Menschen, die hier warteten, hinweg zu sehen.

„Sie kommen gleich schon“, erwiderte Denrei leicht angespannt.

Als er die digitale Welt verlassen hatte, war er in Tokyo angekommen, anstelle davon wieder in den USA zu sein. Entsprechend hatte er warten müssen, bis die Flüge wieder regulär gingen, um Shuichon wieder zu sehen.

Er war etwas nervös. Immerhin: Als er sie das letzte Mal gesehen hatte, hatte er geglaubt, dass es ein Abschied für immer sein würde. Entsprechend konnte er sich vorstellen, wie das Wiedersehen ausfallen würde.

Da spürte er eine Hand auf seiner Schulter: Shoji, der ihm aufmunternd zulächelte.

Er war überrascht, dass auch Takato und Juri hier waren. Auf der anderen Seite, war er wohl nicht der einzige, der sich freute, Shuichon und ihre Familie wieder zu sehen, nach allem, was passiert war. Außerdem würde Steve Larsons Flug ja auch noch in zwei Stunden gehen.

„Hey!“, hörte er auf einmal eine Stimme, die tatsächlich nicht Shuichon gehörte.

Stattdessen war es Lopmon, das über die Köpfe der anderen Passagiere hinweg glitt und einen Moment später gegen seinen Kopf krallte. „Da bist du ja!“, flötete es und ließ sich dann auf seinen beinahe angestammten Platz auf Dracomons Kopf sinken.

„Lopmon!“, jubelte das kleine Drachendigimon.

„Hey, großer! Hab schon gedacht, ich krieg dich gar nicht mehr zu Gesicht“, es beugte sich vor und grinste Dracomon direkt an.

„Nein!“, erwiderte Dracomon. „Wir sind wieder da! Wir wären so oder so sicher wieder gekommen!“

Dann erklang eine andere, vertraute Stimme. „Denrei!“

Zuerst war – aufgrund ihrer geringen Körpergröße – nichts von Shuichon zu sehen, doch dann verschaffte sie sich Platz zwischen zwei westlich aussehenden Geschäftsmännern und stürmte auf ihn zu.

Kurz fiel sie ihm um den Hals, nur um ihn dann anzusehen. „Du bist so ein Idiot!“, rief sie aus.

Er lachte verlegen. „Ja, ja, ich weiß.“

Wieder umarmte sie ihn. „Ich bin froh, dass du noch hier bist!“

Er erwiderte ihre Umarmung, sich dessen bewusst, dass einige Leute sie beobachteten. Doch für den Moment konnte er daran wohl kaum etwas ändern.
 

Kaito war nicht überrascht, als er seinen Bruder auf der Parkbank über seinem Tablet brüten sah. Shinji hatte sich in den vergangenen Tagen selten daheim sehen lassen – die Tatsache, dass ihr Vater ihm die ganze Sache noch immer, durchaus verständlicher Weise, recht übel nahm, half dabei sicher nicht.

Noch immer war Kaito sich nicht sicher, was er denken sollte. Er hatte so lange nach seinem Bruder gesucht und dann hatte dieser sie eigentlich nicht einmal begleiten wollten.

Er seufzte und wandte sich, um in die andere Richtung zu gehen, so wie er es auch an den letzten beiden Tagen gemacht hatte, als Kuraimon vor ihn flatterte. „Jetzt geh schon“, drängte es ihn.

Er wich dem Blick seines Partners aus. „Er will nicht mit mir reden.“

„Dann bring ihn dazu, es zu wollen“, erwiderte Kuraimon und landete schließlich auf dem Boden, nur um seine Flügel zu verschränken.

„Aber...“ Unsicher sah Kaito zu seinem Bruder hinüber.

Wenn er ihn bemerkt hatte, ließ er es sich nicht anmerken. Er seufzte und wollte wieder gehen, doch noch immer war Kuraimon vor ihm.

„Kaito“, sagte es mit Nachdruck.

Also seufzte er noch einmal und drehte sich wieder zu seinem Bruder. Unsicher ging er zur Bank hinüber und setzte sich neben ihn.

Er schwieg, sah dann aber Kuraimon, das etwas zurückgeblieben war und ihm aufmunternd zunickte.

Also räusperte er sich. „Hey.“

Shinji sah auf. „Was machst du hier?“ Er schien ebenfalls nicht wirklich überrascht.

Kaito zögerte. „Nun. Eigentlich...“ Er zögerte. „Ich wollte mit dir reden.“
 

„Ich greife dich mit Ophanimon an“, verkündete Rin und drehte die Karte. „Irgendwelche Konter?“

„Nein“, murmelte Takumi und verschob die Karte an der Punkteanzeige um einen weiteren Schritt. Er hatte nur noch zehn Punkte übrig und irgendwie bekam er gar keine Chance, sein Digimon zu digitieren. Er hatte einfach furchtbares Pech mit den Karten.

Rin lächelte. „Dann bist du dran.“

„Okay.“ Takumi zog eine Karte.

Sie saßen beide am Rand eines Spielplatzes im Shinjuku Central Park, da sie hier halbwegs Windschatten gefunden hatten, damit ihnen die Karten nicht wegwehten.

Es war seltsam, festzustellen, wie lang er eigentlich nicht mehr normal mit den Karten gespielt hatte. Nun, bis Ai am Ende des letzten Monats damit angefangen hatte.

„Sie besiegt dich“, stellte Kotemon mit einem Blick in seine Karten fest.

„Sei ruhig“, murmelte er und runzelte die Stirn.

Es war erstaunlich, wie wenig sich seit Beginn des Monats geändert hatte. Die digitale Welt war verschwunden – nun, zumindest war die Spiegelung am Himmel verschwunden – doch die Digimon waren noch immer hier. Selbst die wilden Digimon waren hier geblieben.

Sie hatten noch bis zum dritten in der Hypnos Zentrale geschlafen. Dann waren ihre Eltern wieder gekommen. Natürlich hatte es Ärger gegeben, doch zu Takumis Überraschung war selbst sein Vater eher erleichtert gewesen, ihn wieder zu sehen. Und nun... Nun warteten sie darauf, dass die anderen Bewohner der Stadt zurückkehrten.

Noch immer wirkte der Park recht verlassen.

Aber es waren ohnehin Schulferien, also machte es für sie wenig Unterschied.

„Jetzt spiel schon“, meinte Rin.

Sie wirkte glücklicher, stellte Takumi fest, doch er hatte nicht gefragt. Er traute sich nicht. Aber er stellte fest, dass es gut war, sie lächeln zu sehen.

„Ich mach ja schon“, murmelte er und spielte schließlich eine der Optionskarten von seiner Hand.

Er konnte sie mit seinem Betamon gerade schlecht angreifen.

Da ließ ein Ruf ihn aufschrecken. „Shirou? Hey, Shirou-kun!“

Takumi drehte sich um und war überrascht zwei seiner Klassen- und Teamkameraden vom Baseball zu sehen, wie sie gerade auf den Spielplatz kamen. Ryuzaki und Hiro.

Es war ganz offensichtlich Ryuzaki, der gerufen hatte. Nun kamen beide winkend auf sie zu.

Das ganze erschreckte Takumi mehr, als es vielleicht sollte. Es waren nur Klassenkameraden, doch die nun vielleicht drei Wochen, die vergangen waren, seit er sie das letzte Mal gesehen hatte, kamen ihm wie eine halbe Ewigkeit vor.

Ryuzaki kam vor ihnen zum Halt und sah auf die Karten. „Ihr spielt?“

Takumi sah auf die Spielmatte. „Ja. Wieso?“

„Ich weiß nicht, ich dachte...“ Ryuzaki schien etwas unsicher und sah ihn nicht direkt an. Dann aber wanderte sein Blick zu Kotemon. „Ich meine nur, ihr habt richtige Digimon und...“

„Wir werden diese kaum gegeneinander kämpfen lassen“, meinte Rin mit Nachdruck.

„Ja, natürlich“, meinte Ryuzaki, während Hiro Rin musterte.

„Du bist auch ein Tamer?“

„Ja“, erwiderte Rin. „Wieso?“

Hiro errötete leicht. „Nur so.“ Er musterte Kunemon, das sich aktuell auf ihrem Schoß zusammengerollt hatte, während sie im Schneidersitz vor der Spielmatte lag.

Kurz herrschte Schweigen, doch schließlich war es Kotemon, das fragte: „Und was macht ihr hier?“

Die beiden tauschten Blicke. „Na ja“, meinte Hiro schließlich. „Wir sind gerade zurück und es gibt noch wenig zu tun.“

Das stimmte wohl, wenn man bedachte, dass auch ein guter Teil der technischen Infrastruktur zumindest für die Privathaushalte noch eingeschränkt war.

Ein weiteres Schweigen, ehe Rin vorschlug: „Wollt ihr auch spielen?“

„Ich hab mein Deck schon lang nicht mehr“, erwiderte Ryuzaki.

Rin zuckte mit den Schultern. „Du könntest dir meins leihen.“

Noch immer zögerten die beiden, doch dann zuckte Ryuzaki mit den Schultern. „Na, dann.“ Er kniete sich neben die Matte. „Okay.“
 

Auch Ai, Makoto und Impmon waren im Park – um genau zu sein, waren sie auf dem Weg zum Spielplatz, um sich mit Takumi und Rin zu treffen. Nun, zumindest Ai und Impmon waren das, doch sie war sich nicht sicher, was Makoto anging.

Es war seltsam. Er wirkte weniger ablehnender in den letzten Tagen, doch wirklich sprach er noch immer nicht mit ihr. Dafür folgte er ihr nun und war alles in allem einem Schatten nicht unähnlich: Oft irgendwie da, doch immer schweigsam.

Sie sah zu Impmon, das sich nicht zum ersten Mal zu ihm umdrehte.

Doch sie schwiegen weiter.

Der Spielplatz, auf dem einst – wie sie wusste – Takato sein Digivice erhalten hatte, kam in Sicht und sie beschleunigte ihren Schritt. Wenn die anderen dabei waren, würde es zumindest nicht so unbehaglich sein.

Da räusperte sich Makoto. „Und das ist wirklich so in Ordnung für dich?“

Sie musste nicht fragen was. Er hatte die Frage ja auch nicht zum ersten Mal gestellt. Leicht genervt drehte sie sich zu ihm um und verschränkte die Arme. „Wie oft denn noch? Ja, ist es.“

„Ai-chan“, meinte Impmon vorsichtig, damit sie nicht aus der Haut fuhr.

Sie stöhnte genervt und verdrehte die Augen, sah dann aber zu Impmon. „Was denn?“

„Streitet euch nicht wieder“, murmelte das Digimon und streckte sich dann, ehe es verschmitzt grinste. „Ich mein, mal ehrlich, es wird langsam echt nervig!“

Ein mattes Lächeln zeigte sich auf Makotos Gesicht.

„Mal ehrlich“, sagte Ai schließlich und musterte ihren Bruder. „Digivice oder nicht: Wir sind doch immer noch Partner, oder?“ Außerdem hatte sie das Digivice zuletzt ja doch nicht nutzen können.

„Ja, schon, aber...“, begann Makoto, doch sie unterbrach ihn:

„Jetzt sind wir wieder gleich“, meinte sie nur. „Jetzt komm.“ Damit wandte sie sich wieder ab und machte einige Schritte auf das Tor am Rand des Spielplatzes zu. Sie hörte aber noch Impmon hinter sich:

„Wir sind Partner, Mako. Ehrlich.“
 

Alcatraz war beinahe komplett regeneriert. Nur ein leichtes Flimmern verriet, was hier vorgefallen war.

Offenbar hatte der Code wirklich funktioniert und die vermeintlich reale Welt wieder in ihren Ursprungszustand zurück versetzt. Ein Glück.

„Hier“, meinte Keith und stellte einen Kaffeebecher vor ihr auf den Tisch.

Es war nur ein Pappbecher, doch am Ende war das hier auch nur ein Starbucks. Doch was sollte es schon? Zumindest hatte man von hier, am Marina Boulevard, eine gute Aussicht auf Hafen und Bucht.

„Danke.“ Megumi nahm den Becher. Es war ein Eiskaffee, der dank diverser Sirups wahrscheinlich zu viele Kalorien beinhaltete. Ein leicht selbstironischer Teil von ihr fragte sich, ob es wohl einen Hack für die nun doch recht digitale reale Welt gab, damit man nicht mehr zunahm.

Keith setzte sich ihr gegenüber an den kleinen Tisch vor dem Starbucks.

„Und?“, fragte er nach einer Weile.

Sie zuckte nur mit den Schultern. „Was?“

„Noch irgendwelche Pläne?“, fragte er.

Ein weiteres Schulterzucken. „Vielleicht. Ich weiß nicht. Mal sehen. Vielleicht finden wir ein Kino, das etwas spielt? Ich hätte gerne mal einen normalen Tag.“

Er lachte. „Verstehe ich.“ Dann rückte er seine Brille zurecht. „Wenn du magst, kann ich dich einladen.“

Megumi lächelte verlegen. Sie verstand die Andeutung. Aber war sie nicht zuletzt auch deswegen noch für zwei Wochen hier geblieben? „Vielleicht“, meinte sie dann.
 

Okay, vielleicht war etwas mit ihm falsch – doch obwohl eigentlich gerade nichts an der Universität stattfand, saß Jenrya in einem der Computerlabore und programmierte gelangweilt vor sich hin. Er hatte einen der Codes, den sie für das Reboot geschrieben hatten, genommen und versuchte ihn besser nachzuvollziehen.

Terriermon war davon allerdings weniger begeistert. „Jian!“

Er sah zu ihm, eigentlich genau wissend, was es wollte. „Was?“, fragte er gelangweilt auf japanisch.

„Mir ist langweilig“, beschwerte sich das Digimon.

Darauf erwiderte er nichts, sondern wandte sich nur seinem Bildschirm zu.

Zwei Minuten lang war es ruhig. Dann erklang die jammernde Stimme des Digimons erneut – dieses Mal sogar noch lauter. „Jian!“

„Was?“, erwiderte er, dieses Mal ohne aufzusehen.

„Mir ist langweilig!“

Er seufzte. „Ich bin beschäftigt.“

„Du bist langweilig“, grummelte Terriermon und verschränkte schmollend die kurzen Ärmchen.

„Tut mir ja leid“, murmelte er und konzentrierte sich wieder auf den Code.

Natürlich waren sie beide allein im Computerlabor. Zum einen gab es mehrere davon an der Uni, zum anderen waren die meisten Studierenden wohl zuhause. Weil aktuell keine Vorlesungen stattfanden und weil die Welt vor kaum mehr als einer Woche beinahe untergegangen war.

Doch erneut gab es wenig Zeit für ihn, sich auf den Code zu konzentrieren, denn keine drei Minuten später wurde die Tür des Labors mit einem solchen Schwung aufgerissen, dass sie gegen die Wand knallte.

„Jenrya!“, flötete Alex.

Er sah auf. „What are you doing here?“

„Pack your things!“, rief sie aus und kam zu ihm hinüber, um ihn halb spielerisch auf die Beine zu ziehen.

„What?“, fragte er, während Terriermon ein erleichtertes Seufzen hören ließ.

„Live-Saver!“, rief es dann aus – da es einen kompletten englischen Satz noch immer nicht bilden konnte.

Alex zog einen Autoschlüssel aus ihrer Tasche. „We are going on a road trip!“

„What?“, wiederholte Jenrya nur.

„I got a new car“, erwiderte sie und zerrte an seinem Arm. „Now come!“

„You can't just decide that!“

„Was sagt sie?“, fragte Terriermon.

Jenrya ignorierte es und riss sich los. „I am busy.“

„Oh, stop being so boring!“, erwiderte Alex. „Come. Just... I don't know. Be more spontanous for once!“

„Was sagt sie?“, drängte Terriermon.

Jenrya seufzte. „Sie will mit uns wegfahren.“

„Wann?“, fragte das Digimon, während seine Lebensgeister langsam zu erwachen schienen. Es setzte sich auf.

„Wie ich sie verstehe... Jetzt“, antwortete er empört.

Terriermon stieß ein Jubeln aus und sprang auf seinen Kopf. „Ja! Lass uns fahren! Abenteuer!“

„Aber“, begann er.

„Let's just go!“, meinte Alex und lachte.

„But“, versuchte er es noch mal, doch auch Terriermon lachte.

„Moumantai, Jian! Moumantai!“
 

„Ich frage mich noch immer, wer für all das hier verantwortlich ist“, murmelte Linda und sah auf denselben Code, den auch Jenrya kurz vorher noch vor sich gehabt hatte.

Sie saß zusammen mit Ethan, aka Babel, und Rob, aka Dolphin, im Büro des letzteren über ein Wasser, da es aktuell tatsächlich zu warm für einen Kaffee war. Sie würde in zwei Tagen nach Texas zurückkehren, doch bis dahin konnte sie wieder Zeit mit alten Freunden verbringen. Und sei es nur, um die ganzen Ereignisse der vergangenen Tage aufzuarbeiten.

„Aliens vielleicht“, erwiderte Ethan halb scherzhaft und grinste, wobei seine ungewöhnlich weißen Zähne blitzten.

„Nun, wir können denke ich recht sicher sagen, dass es nach jeder uns bekannten Definition Aliens waren“, meinte Rob ernsthafter und sah in sein Wasserglas.

„Es könnten auch Proto-Menschen gewesen sein“, meinte Ethan. „Man bedenke Bostroms Theorie.“

Linda seufzte. Mehr als zwei Wochen waren vergangen, seit sie Shibumis Theorie gehört hatten. Sie hatte den Beweis selbst gesehen, doch es fiel ihr schwer zu glauben, dass alles nicht real war. Es fühlte sich real an. Doch wie würde es sich auch anfühlen, wenn es weniger real war? Was bedeutete real überhaupt?

„Ich hoffe nur, dass so etwas nicht noch einmal passiert“, murmelte sie.

„Was? Eine Beinahe-Apokalypse?“, fragte Ethan.

Konnte er heute eigentlich irgendetwas ernst nehmen?

„Genau so etwas“, erwiderte sie spitz.

Es klopfte an der Tür und ließ sie zusammenzucken.

Schließlich stand Rob auf. „Ja?“

Die Tür ging auf und zu ihrer Überraschung sahen sie Shibumi, der mit einem – für seine Verhältnisse – ordentlich getrimmten Bart hereinkam.

Ungläubig sah Linda ihn an. Sie hatte damit gerechnet, dass er schon wieder die Stadt verlassen hatte, oder festgenommen worden war. Immerhin hatte er Daten der amerikanischen Regierung gestohlen.

„Shibumi“, brachte Rob schließlich überrascht hervor. „Was machst du hier?“

Ohne direkt zu antworten, kam der Japaner zu ihnen hinüber und stellte seinen Laptop auf dem Schreibtisch ab. „Ich hatte gehofft, dass wir wieder zusammenarbeiten können. Wie in alten Zeiten.“

„Was?“, fragte Linda. „Wovon redest du?“

„Davon eine stabile Verbindung aufzubauen“, erwiderte er mit seiner üblichen, ruhigen Stimme.

Rob musterte ihn für einen Moment. „Zwischen unserer Welt und der digitalen Welt?“

Shibumi schüttelte den Kopf. „Zwischen unserer Welt und den anderen Welten, die vielleicht noch existieren.“
 

„Ryou?“ Eine vertraute Stimme schien von weit, weit her zu kommen.

Er fühlte sich schwer.

„Ryou?“ Die Stimme klang besorgt.

Er war müde.

„Ryou!“

Jemand sorgte sich wirklich um ihn. Vielleicht sollte er sich rühren. Vielleicht sollte er etwas tun. Vielleicht...

Was war überhaupt geschehen?

„Ryou!“, drängte die Stimme weiter und er merkte einen Druck auf seiner Brust.

Er zwang sich zu blinzeln und sah in einen blauen Himmel, dessen Färbung irgendwie nicht ganz richtig erschien, hinauf.

„Ryou!“ Nun schien die Stimme erleichtert.

Mühsam richtete er sich etwas auf und sah das Digimon, zu dem die Stimme gehörte: Hopmon. Und es schien wirklich erleichtert zu sein, als es von seiner Brust sprang und ihn ansah.

„Ich dachte, du wachst gar nicht mehr auf!“

Noch einmal blinzelte der, setzte sich dann aber ganz auf und sah sich um.

Er saß auf einem grasigen Feld, das auf einem kleinen Hügel gelegen war. Am Fuß des Hügels schien ein kleiner Waldhain zu wachsen und in einiger Entfernung, beinahe am Horizont, sah er ein Glitzern. Wasser?

Er schüttelte den Kopf. Das alles schien etwas irreal.

Und dann erinnerte er sich an den Code und wie er in die andere Welt, die Welt der Anomalie gegangen war. Doch das konnte nicht ihre Welt sein, oder? Die Welt war anders gewesen. Weiß und Farblos.

Also... Wo war er? Denn die digitale Welt schien es auch nicht zu sein.

„Ryou?“, fragte Hopmon, als er nichts sagte.

Er sah es an. „Hast du eine Ahnung, wo wir hier sind?“

Das Baby-Digimon schüttelte seinen Kopf – und damit effektiv seinen ganzen Körper. „Nein. Keine Ahnung.“

„Hmm“, machte Ryou und sah sich noch einmal um, in der Hoffnung einen Hinweis zu finden. Dann tastete er nach seinem Hosenbund. Sein Digivice war noch immer da.

Er holte tief Luft und stand dann auf, auch wenn ihm jeder einzelne Muskel schmerzte. Man. Er hatte sich geopfert, aber er hatte nicht gedacht, dass es schmerzhaft werden würde. Er sah an sich hinab und streckte sich. Dann bückte er sich, um Hopmon aufzunehmen. „Nun“, sagte er schließlich, „dann lass es uns herausfinden.“

Hopmon lächelte. „Okay!“
 

Ende.
 


Nachwort zu diesem Kapitel:
Anmerkungen und Erklärungen:
Azabu High School: Die Azabu High School ist die Schule, die Shoji besucht. Es ist eine reine Jungenschule, die allerdings - anders als viele andere Highschools (und vor allem anders als die meisten Privaten High Schools) keine Uniformenpflicht im Schulalltag hat. Die Schule liegt im Nordwesten von Minato.
Nyaromon: Nyaromon ist ein einfaches Digimon auf der Baby II Stufe. Es sollte den meisten als Babylevel zu Plotmon und Tailmon bekannt sein.
Yukimi Botamon: Yukimi Botamon ist ein Digimon auf dem Baby I Level und ist eine der möglichen Vorstufen Nyaromons.
Botamon: Botamon ist wahrscheinlich das Baby-Digimon, da es bereits im ersten V-Pet das Baby-Level zu Agumon darstellte und daher auch die meisten Gastauftritte im Anime bekommt.
Frimon: Frimon ist ein Digimon auf dem Baby II Level und gilt unter anderem als die Standard-Vorstufe von Leormon.
Pitchmon: Trotz des Namens, der sich nicht auf "Pitch Black", sondern auf die Wasserspritzer-Lautmalerei bezieht, verbirgt sich auch hinter Pitchmon nur ein Baby I Digimon.
Flamon: Flamon ist ein P-Hybrid- oder Child-Digimon, das zur Gruppe der Nature Spirits gehört. Am bekanntesten ist es wohl als Vorstufe für Agnimon.

So, nach dieser langen Liste an Nachworten kann ich nur sagen, dass ich hoffe, dass euch das Kapitel gefallen hat :)
Ich kann noch nicht sicher Versprechen, ob das nächste Kapitel in zwei oder drei Wochen kommt, da ich bald wieder einmal Prüfungszeit habe und Lernen da natürlich vorgeht ;) Ich hoffe ihr habt dafür Verständnis!

Wie immer freue ich mich natürlich auf euer Feedback!
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Nachwort zu diesem Kapitel:
Auftauchende Digimon
Agnimon: Agnimon ist der humanoide Krieger des Feuers von den legendären Kriegerdigimon. Hier taucht es als Adultlevel von Flamon auf :)

Nachwort:
Damit ist ein weiteres Kapitel zuende ;)
Langsam aber sicher näheren wir uns dann sogar dem Halbfinale. Nun, gut, eher langsam. Aber immerhin, es geht voran und zumindest Takumis Konflikt ist hiermit erst einmal - zumindest halbwegs - beendet ;)

Also: Wie hat es euch gefallen? :P Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Auftauchende Digimon
Megadramon: Megadramon hatte bereits in Digimon Adventure einen kleinen Auftritt als Untertan von Mugendramon. Es ist auf dem Perfect-Level und vom Typus Virus. Außerdem gehört es - natürlich - dem Metal Empire an!
Sagittarimon: Sagittarimon ist ein Armor oder Adultdigimon. Es ist vom Typus Serum und gehört zu den Fabelwesendigimon. In Digimon Frontier hatte es einen kurzen Auftritt.
Fladramon: Fladramon sollte den meisten durch seine große Rolle in Digimon Adventure 02 gut bekannt sein. Auch Fladramon ist ein Armor oder Adult Digimon, gehört zur Gruppe der Humanoiden Drachen und ist vom Typus Serum.

Japan
Sendagaya: Sendagaya ist ein Stadtteil des Shibuya-Distrikts und liegt im relativen Osten Sendagaya, an der Grenze zum Nordöstlich von Shibuya gelegenem Shinjuku. Eine der größten Unterkünftige für Ausländische Studenten befindet sich hier.
Duplex Tower: Der Duplex Tower ist eines der größten, konfortablen Apartmenthochhäuser und steht im Süden von Ikebukuro.

Nachwort:
So viele Anmerkungen. @.@
Nun, das war es zu dem Kapitel und langsam aber sicher geht es hier nun auch auf das Halbfinale zu. Zum Glück geht es dann im übernächten Kapitel mal nicht um Leben und Tod - im nächsten allerdings schon ;)

Ich hoffe es hat euch auch dieses Mal gefallen! :3 Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Auftauchende Digimon
Loader Liomon: Loader Liomon ist das Perfect von Steves Leormon und ein Maschinendigimon vom Typus Serum. Es gehört dem Metal Empire an und hat ist gänzlich in goldenes Chrome Digizoid gepanzert!

Nachwort:
Kurzes Vorwort. Kurzes Nachwort. :P
Ich hoffe, es hat euch gefallen. Im nächsten Kapitel geht es noch einmal ein bisschen lockerer zu, ehe es ins Zwischenfinale geht.
Ihr könnt gespannt sein!

Zur Evo in diesem Kapitel vielleicht... Denn diese war natürlich sehr anders, als die von Takumi. Doch ich habe mir gedacht: Bevor mal wieder eine blaue Karte Deus Ex Machina erscheint... Wäre es nicht logischer, wenn ihm jemand eine gibt?

Ansonsten: Ich hoffe, wie immer, diese "Folge" hat euch gefallen!
Das nächste Kapitel wird wohl erst wieder in drei Wochen kommen. Bis dahin freue ich mich auf euer Feedback! :D Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Die Anmerkungen werde ich hier später noch ergänzen.

Allerdings möchte ich drauf Aufmerksam machen, dass ich nun, vor dem Halbfinale, wohl sechs Wochen Pause machen muss, da es gerade an der Uni unglaublich viel zu tun gibt und ich nicht damit rechne, dass es vor den Prüfungen damit besser wird. Dafür werde ich dann wohl genug Zeit haben, um die Halbfinal-Episoden im Wochentakt zu bringen ;) Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Auftauchende Digimon
Chiyoda: Chiyoda ist einer der ältesten Stadtteile Tokyos, in dem sich auch der eigentlich Bahnhof Tokyo befindet, sowie auch der kaiserlische Palast. Neben diesem, dem Edomuseum und einem der größten Buddhistischen Tempel Tokyos, ist außerdem die Große Sumo-Arena eine Touristenattracktion.

Nachwort:
So viel zu diesem Kapitel. Ja, ich weiß, es wurde nicht gekämpft, doch wie gesagt: Dafür kommen nun drei Kapitel Kampf, in denen es ziemlich zur Sache geht ;)
Ich hoffe, dass euch das Kapitel gefallen hat und freue mich auf euer Feedback!
Nächste Woche geht es weiter! Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Auftauchende Digimon
Flare Lizarmon: Flare Lizarmon ist Flammendrachendigimon auf dem Adult-Level. Sein Typus ist Datei.
Turuiemon: Turuiemon ist ein Adult-Digimon und eine der Entwicklungen Lopmons. Es ist ein humanoides Tierdigimon und vom Typus Datei.
Prairiemon: Ein Armor/Adult Tier-Digimon vom Typus Serum.
Sepikmon: Wie Prairiemon ist es ein Armor/Adult Digimon. Es gehört als Dämonendigimon zu den Nightmare Soldies und hat den Typus Datei.
Starmon: Dieses Sternförmige Mutantendigimon ist ebenfalls auf dem Adultlevel und vom Typus Datei.
Rinkmon: Ein weiteres Adult/Armor Digimon, das als Cyborg-Digimon zum Metal Empire gehört. Auch sein Typus ist Datei.
Kwappamon: Auch bei Kwappamon handelt es sich um ein Cyborg-Digimon vom Typus Datei, das sich natürlich ebenfalls auf dem Adult-Level befindet.
Metamormon: Das hier auftauchende Metamormon hat nichts mit dem Metamormon aus dem V-Tamer 01 Special zu tun, sondern ist tatsächlich eine levellose Eigenkreation. Ein Bild mit Profil werde ich nächste Woche hochladen!


Nachwort:
Hier beginnt nun das große Finale, das jetzt auch für gesamt drei Folgen andauern wird (sprich: Weitere zwei!) Ich kann euch versprechen, dass einige Fragen beantwortet werden (und auch, dass es einige Leichen geben wird. *Body Counter anbringt*)

Ich trete mich derweil irgendwie etwas in den Arsch, weil ich die All-Delete Karte vorher schon einmal reinbringen wollte, aber es sich einfach nicht ergeben hat.
Ansonsten übrigens ein wenig Nerding zur Letzten Szene: Das ganze Spiel mit dem "Aber diese Welt ist auch Real!" funktioniert nur bei Digimon Tamers, da Digimon Tamers die einzige Staffel war, die auch im japanischen von einer "realen Welt" sprach, während alle anderen Staffeln immer nur von der "Welt der Menschen" redete.

Nun, ich hoffe, das Kapitel hat euch gefallen! :3 Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Auftauchende Digimon
Dieses Kapitel nichts neues ;)


Nachwort:
Soweit mit diesem Kapitel. Theorien darüber, was es nun mit dem Spielemeister oder auch dem Ende des Kapitels auf sich hat, sind gerne gesehen ;) Und ja, ich weiß: Noch ein böser Cliffhanger – total mies!

Wie euch übrigens vielleicht aufgefallen ist: Ich hatte letztes Kapitel einen kleinen Geometrie-Fail drin... Ich habe Hexaeder mit Hexagonen verwechselt. Tut mir leid! Und ja, wir haben es in dieser Geschichte mit geometrischen Formen.

Nun, ich hoffe – wie immer – dass euch das Kapitel gefallen hat und freue mich auf euer Feedback! Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Auftauchende Digimon
Beelkomon: Ein Dämonenlord und die "weibliche" Version von Beelzebumon.


Nachwort:
Okay, allen Dingen voran: Ja, es war von Anfang an geplant, dass an dieser Stelle Ai und Impmon die Matrix Evolution zusammen machen (ich denke auch, dass dies einige schon länger geahnt haben :P). Ich war ja ewig am überlegen, wie ich das machen soll, weil ich bei aller Geschlechtslosigkeit der Digimon doch dazu geneigt war, eine etwas femininere Ultimate-Version in dem Fall zu nehmen. Und dann veröffentlichte Kenji Watanabe sein Beelko-Design und ich dachte mir: "Der Mann hat meine Gedanken gelesen!" :P

Und ja, der "Meister der Spiele" ist nun besiegt, Denrei und Shuichon sind erst einmal zurück und wer der Meister der Spiele nun ist, erfahrt ihr im nächsten Kapitel ;)
Dieses kommt allerdings erst in zwei Wochen! ;)

Ich hoffe dieses Kapitel hat euch gefallen. Ich freue mich auf euer Feedback! Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Über Japan
Taspo-Card: Ich denke diese Sache bedarf kurzer Aufklärung. Es hat mit dem japanischen Jugendschutzgesetz/Rauchergesetz zu tun :) Kurz gesagt: Japanische Zigarettenautomaten geben Zigaretten nur zwischen 6 und 23 Uhr aus und um eine Zigarette zu ziehen braucht man seit 2008 eine Taspo-Card, eine spezielle Karte, die man beantragen muss, so dass auch per se gewährleistet ist, dass nur volljährige über 21 Zigaretten ziehen können. Da Yamaki seit vor 2008 rauchfrei ist/war, hatte er so eine Karte natürlich nie beantragt.


Nachwort:
Dieses Mal habe ich eigentlich im Nachwort nicht viel zu sagen. Das meiste ist, denke ich, selbstredend. Es war aber auf jeden Fall mal wieder schön, ein ruhigeres Kapitel zu schreiben, in dem es mehr um die Charaktere geht.

Ich hoffe natürlich, dieses Kapitel hat euch gefallen und freue mich auf euer Feedback!

Das nächste Kapitel kommt natürlich wieder erst in zwei Wochen ;) Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Wie am Anfang schon gesagt: Es wird jetzt wahrscheinlich erst mal ein bisschen langsamer weiter gehen, weil ich noch zwei andere Geschichten schreiben muss und das ein wenig eilig ist - jedenfalls in einem Fall. Daher: Rechnet eher in drei Wochen mit dem nächsten Kapitel (Sorry ;___;)

Und ja, nachdem ja schon viele gesagt haben, dass es sich mit Ruki und Ryou teilweise ziemlich hinzieht... Hat das nun erst einmal aufgehört. Übrigens an einem für Digimon sehr klassischen Ort...

Ich hoffe, das Kapitel hat euch (trotz Verspätung) halbwegs gefallen. ;) Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Und damit ist das Kapitel auch wieder zuende. Ich glaube, es sollte nichts darin sein, das Erklärung bedarf und ja, im nächsten Kapitel wird es auch wieder einen Kampf geben. :)

Ich hoffe, dass Kapitel hat euch gefallen und... Nun, ja, bis zum nächsten Kapitel! :D

Ich freue mich (wie immer) über Feedback! Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
So viel zu diesem Kapitel.

An dieser Stelle möchte ich auf meine neue Digimon Tamers One-Shot Sammlung 15 Jahre Aufmerksam machen :) Schaut doch einmal rein, wenn ihr über die Ferien noch etwas lesen möchtet.

Damit verabschiede ich mich hier.

Ich wünsche euch schon einmal frohe Weihnachten und einen guten Rutsch! :) Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Erläuterungen zu Japan:
Natsu Matsuri: Um es ganz klar zu machen: Die Leute sind hier auf einem Sommerfest, keinem O-Bon-Fest. Die zweite Hälfte des Kapitels spielt auf dem Ueno Natsu Matsuri am 17.7.2011 :D Das Ueno Natsu Matsuri geht allerdings über einen ganzen Monat und endet mit einem klassischen O-Bon-Fest.
Tourou Nagashi: Die ganze Geschichte mit den Laternen auf dem Fluss beschreibt das Ritual des Tourou Nagashi. Wie im Kapitel auch selbst erklärt wurd, sollen die Lichter der Kerzen die Seelen der Verstorbenen aufs Meer hinausführen - da laut Shintoistischem Glauben alles Leben vom Meer kommt und im Meer endet. Außerdem wird mit diesen Kerzen für Frieden gebetet. :)


Nachwort:
Okay, dieses Kapitel war anstrengend. Denn es umfasst einfach so viele Charaktere, die irgendwie noch vorkommen mussten. @.@ Und ja, wenn alle Charaktere an einer Stelle sind, bin auch ich überfordert, weil ich eigentlich allen ein wenig "Screentime" geben möchte, aber nicht kann. Daher gehen hier auch ein paar Charaktere ein wenig unter, was mir sehr leid tut.

Aber gut, das nächste Kapitel wird bereits in Amerika spielen. Und in der digitalen Welt :P Yay!

Der Charakter, der am Ende auftaucht, ist übrigens Kaito und ein Gastcharakter, der von Arcia gespendet wurde. ^^ Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Auftauchende Digimon
Tylomon: Tylomon ist ein Meeresdigimon, das eigentlich als Armor-Digimon zählt. Ich habe es mir hier jedoch erlaubt, es als Perfect-Digimon zu nutzen - da viele Armor-Digimon in Spielen auf verschiedenen Leveln auftreten und es sich Aufgrund der Lage des Hotels anbot.


Orte
Palo Alto: Palo Alto liegt im Herz von Silocon Valley und ist für seine Universität im Bereich der Informatik und Computerwissenschaften. Hier entstanden im Universum dieser Geschichte und Digimon Tamers auch die ersten Digimon bei einem Forschungsprojekt 1984.


Nachwort:
So, das war es dann auch für dieses Kapitel. *seufz*
Ja, ich war ein wenig gemein zu Denrei *hust*Cockblocking*hust* Ja... Aber nun, ich muss nun langsam ernsthaft überlegen, wie ich die Geschichte zuende bringe - denn selbst bei 55 Kapiteln habe ich nicht mehr so viel Raum, um alles geplante unter zu bringen.
Aber ich schaffe das noch. Chakka!

Ich hoffe, ihr hattet euren Spaß mit dem Kapitel. ;)
Nächste Woche gibt es erst einmal das nächste Kapitel von "The Return". :3 Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Und das war dann auch wieder dieses Kapitel. Da es nichts neues gab, heute auch keine großartigen Anmerkungen dazu.
Außer eine Kleinigkeit natürlich: Der Aufbau vom Tor zur digitalen Welt kommt zwar ursprünglich aus Mondschatten, mit der aktuellen Funktion aber nun jetzt aus The Return - und ja, es ist sehr praktisch daran parallel zu schreiben ;)

Das war's dann auch wieder.
Ich wünsche euch noch einen schönen Tag, schöne Ostertage und freue mich natürlich auf euer Feedback. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Auftauchende Digimon
Sagomon: Sagomon ist ein Dämonen-Digimon und eine Variation von Shawujinmon. Es ist auf dem Perfect-Level und kämpft mit einer Waffe, die halb Halbmondklinge und halb Hammer ist.

Nachwort:
Irgendwie ist das Kapitel schon wieder länger geworden, als es eigentlich geplant war. Oder eher: Als ich zuerst gedacht habe. Aber gerade die letzte Szene war doch noch etwas länger, da ich am Ende Hirokazu, der hier ohnehin die meiste Zeit auf der Austauschbank sitzt, doch ein wenig Zeit geben wollte. :)
Nächstes Kapitel geht es noch einmal in Japan weiter, ehe es einmal wieder nach Amerika geht ;)

Ich hoffe, das Kapitel hat euch wieder gefallen ;)
Ich freue mich auf euer Feedback! Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Auftauchende Digimon
Goddramon: Goddramon ist ein heiliges Drachendigimon auf dem Ultimate-Level. Es ist ein Digimon vom Typus Serum.

Nachwort:
Damit ist auch dieses Kapitel zuende. Und ja, ich weiß, ganz böser Cliffhanger.
Böser wird der Cliffhanger allerdings noch, wenn ich euch sage, dass ich noch nicht genau weiß, wann das nächste Kapitel kommen wird, da ich nächste Woche mit meiner Bachelorarbeit anfangen werde und demnach dann natürlich nur eingeschränkt verfügbar sein werde. :/ Tut mir leid!
Ich werde mich jedoch bemühen, zumindest in drei bis vier Wochen das nächste Kapitel online zu setzen! :)

Vermutungen darüber, was nun in Tokyo auftaucht, dürfen fortan geäußert werden ;)

Ich hoffe euch hat das Kapitel gefallen und wie immer freue ich mich auf euer Feedback! Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
So, das war's an dieser Stelle schon wieder. :P

Ich denke, es wird in den nächsten Wochen schneller weitergehen. Da ich die Story komplett ausgearbeitet habe, kann es eventuell sein, dass es eine Weile wöchentliche Kapitel gibt.
Ihr könnt euch also auf Lesestoff freuen ;) Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Informationen:

Pandamon: Pandamon ist ein Puppendigimon auf dem Perfect-Level und vom Typus Datei. Es tritt hier als eine Art Bürgermeister der Digimonflüchtlingsstadt auf :)
Gokuwmon: Dieses Digimon ist ein menschliches Tierdigimon auf dem Perfect-Level. Es ist an Son Goku aus "Reise in den Westen" (nein, nicht Dragonball xD) angelehnt.
Bearmon: Bearmon ist ein Tierdigimon auf dem Child-Level. Es hat den Typus Serum und gehört hier zu den
Anmerkung zu Shibumi: Nun, an dieser Stelle möchte ich kurz über Shibumi reden. Zum einen mache ich natürlich noch mal auf Anders aufmerksam, die Geschichte, die praktisch ein wenig Hintergrund/Einführung in DBG ist. Zum anderen eine kurze Erklärung: Shibumi hat - zumindest im Canon von DAG/DBG - Asperger Syndrom, eine Form des Autismus, mit Inselbegabung im logischen und informatischen Bereich. Deswegen wirkt er auf andere etwas "seltsam".


Nachwort:

So, das war es nun mit diesem Kapitel. Wieder eins ohne Kampf. Dafür gibt es im nächsten noch mal einen großen Kampf und dann einen kleinen Zeitsprung, da ich sonst am Ende auf 60 Kapitel kommen würde xD" Daher: Stellt euch schon einmal drauf ein ;)

Ich hoffe ansonsten natürlich, dass dieses Kapitel euch gefallen hat und freue mich auf euer Feedback ^-^ Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Nun, da dieses Kapitel eine direkte Fortsetzung des letzten ist gibt es hier keine großartigen Erklärungen mehr.

Das Zitat am Anfang ist übrigens von mir selbst geschrieben worden, da ich keine schöne Erklärung für Computerviren gefunden habe, die gut passten xD" Aber Computervirus war hier nun notwendig xD"
Ich hatte vorher schon überlegt ein entsprechendes Zitat einzubringen, aber spätestens hier war es irgendwie angemessen. :3


Also ja, ich hoffe, das Kapitel hat euch gefallen und freue mich natürlich wie immer über Kommentare ^^ Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Nico & Cellomon/Redmon
Auch Nico entstammt dem "Tamer gesucht" Wettbewerb. Er wurde von Emerald/Madame Red erfunden, die allerdings nicht mehr auf Animexx angemeldet ist, weshalb ich sie nicht so verlinken kann. Die Geschichte zu Nico allerdings findet ihr hier!


Nachwort:
Viel fällt mir nicht mehr zu sagen ein, denn es ist Montag-Abend und ich bin verdammt noch mal müde.
Außer eben genau das: Es ist Montag-Abend. Ich hoffe damit, dass das Kapitel dann bis Mittwoch einmal freigeschaltet wird. xD"

Ich hoffe euch hat das Kapitel gefallen und freue mich sehr auf euer Feedback! Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ja, ja, ja... Ich weiß, Cliffhanger sind böse und dergleichen. Aber hey, der andere Cliffhanger, den ich in der Folge EIGENTLICH machen wollte wäre noch viel böser gewesen! ;)

Also ja, Alex ist nervlich gerade etwas am Ende.
Und macht die Lage mit Nico damit nicht besser.

Was ich mich aktuell frage, ist, inwieweit ich Sachen mit den japanischen Tamern noch machen soll - also denen, die in Tokyo sitzen - denn immerhin wird das am ehesten repetiv, fürchte ich.

Wie dem auch sei: Ich hoffe das Kapitel hat euch gefallen und ich freue mich auf euer Feedback! :D
Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Gott, daher, dass Digimon Battle Generation recht wenig Kämpfe hat, haben wir recht wenig Anmerkungen. Tailmon kam ja schon mal vor - nur als ein anderes Tailmon ^^"

Tja, vielleicht seht ihr nun, warum ich gemeint habe, dass der Cliffhanger böser gewesen wäre, hätte ich die Szene noch weiter fortgeführt: Dann wäre es nämlich auf dem Schuss geendet :P

Beim nächsten Mal folgt ein Kampf... So viel verrate ich schon einmal.

Also, bis in zwei Wochen!
Ich freue mich wie immer auf euer Feedback :3 Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Zum Abschluss dieses Mal nicht viel, außer eins:
Es kann sein, dass das nächste Kapitel dieses Mal wieder drei oder sogar vier Wochen braucht. Ich muss noch fürs Wichteln schreiben, habe viel mit der Uni zu tun und natürlich ist da auch der alljährliche Weihnachtsstress.
Demnach: Wundert euch bitte nicht. ;)

Ansonsten dasselbe wie immer: Ich hoffe, das Kapitel hat euch gefallen und freue mich auf euer Feedback! Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
<i><u>Anmerkung:</u>

Linda ist Daisy. Dank dessen, dass Konaka vergessen hat, wie sie eigentlich hieß, musste ich mir selbst einen Namen ausdenken. Und ja, sie heißt nun Linda :D Dachte mir, der Name passt gut zu ihr! :D

____________________________

So, das war auch schon wieder das Kapitel.
Ich HOFFE, dass das nächste Kapitel schneller kommen kann ;)

Bis dahin! :D</i> Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Anmerkungen:
Ravemon: Ravemon ist ein Ultimate-Digimon der Cyborg-Familie. Es ist ein Nahkämpfer, der vor allem mit seinen Flügeln und seinem Schwert Chouou-maru angreift. In diesem Fall ist es ein weiteres korrupiertes Digimon, das mit der Anomalie in Kontakt geraten ist.

Nachwort:
Nun, viel habe ich nicht zu sagen. Was mit Ai und Impmon los ist, können sich die meisten denke ich schon denken, wenn man bedenkt, dass Beelzebumon schon vorher einen Zusammenstoß mit einem der korrupierten Digimon hatte, der nicht besonders gut ausgegangen ist. :P
Und Hilfe, das war jetzt wieder eins der längeren Kapitel. Aber ich denke, hier wird sich niemand beschweren.

Ich hoffe das Kapitel hat euch gefallen. :3
Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Anmerkungen:
Kasikewemon: Kasikewemon ist die Ultimate-Form Kotemons und - wie bereits Hanehamon - eine eigene Erfindung von mir. Es ist ein Götterdigimon vom Typus Datei. Dabei ist es an die Ainu-Gottheit Ae-oina angelehnt, den Heldengott der Ainu. Die Ainu sind die Ureinwohner Japans und da Kotemon stark an japanischen Kampfstil, die beiden folgenden Stufe jedoch an amerikanische Ureinwohner angelehnt sind, dachte ich, eine Gottheit der japanischen Ureinwohner wäre als finale Stufe sehr passend. :) Ein Bild wird noch folgen!
Aamu und Shikamon: Aamu und Shikamon sind Charaktere aus dem "Tamer gesucht!"-Wettbewerb und wurden von SoryuAleksi entworfen :) Aamu ist eine finnische Tamer, die allerdings seit zwei Jahren in Japan lebt.

Nachwort:
Nun, viel mehr gibt es zu diesem Kapitel auch nicht mehr zu sagen. Die Handlung schreitet voran und innerhalb der Geschichte werden nur noch sechs Tage bis zum Finale vergehen. Was in diesen sechs Tagen noch passieren wird... Nun, ihr dürft gespannt sein ;)

Ich hoffe, dass ich das nächste Kapitel in zwei Wochen hochladen kann, kann aber noch nichts versprechen. Bis dahin! :)
Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Dieses Mal gibt es auch wieder nicht viel vorzustellen, da die Charaktere und Digimon in diesem Kapitel alle schon bekannt sind. Nun, Caliburn dürfte sich freuen, dass es mal wieder News von Steve gibt xD" Ja, der Junge kam länger nicht mehr vor - tut mir leid. Aktuell haben wir hier eindeutig sehr, sehr viele Handlungsstränge @.@
Ich überlege übrigens, da ich nicht allen Charakteren gerecht werden kann, später noch eine Art One-Shot-Sammlung zu schreiben, bzw. Kapitel als Specials/Ergänzung hochzuladen, die ein paar Szenen mit den Randcharakteren beinhalten, die sonst vielleicht ein wenig zu kurz kommen :P Was würdet ihr davon halten?

Nun, davon einmal abgesehen hoffe ich, das Kapitel hat euch gefallen, und freue mich auf euer Feedback! :D Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Auch hier gibt es wieder keine Informationen, die noch angemerkt werden müssen lol
Und ja, ich weiß, schon wieder ein Cliffhanger am Ende des Kapitels ;) Ich bin sehr auf eure Reaktionen gespannt, was einige Entwicklungen angeht!

Viel mehr habe ich an dieser Stelle auch nicht mehr zu sagen. Ich freue mich auf euer Feedback! Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Auch dieses Kapitel bedarf ansonsten keiner großen Erklärung, da es eigentlich selbst schon alles erklärt.
Mal schauen, was ihr dazu sagt ;) Ich meine, angedeutet wurde das meiste ja schon!

Ich freue mich auf euer Feedback :D
Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
So... Eigentlich gibt es recht wenig zu erklären.

Bald wird DBG zuende gehen und ich bin schon gespannt, was ihr zu den letzten Kapiteln sagen werdet. ^^ Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
So, das war's für diese Woche. Viel gibt es zu dem Kapitel nicht zu sagen, da keine neuen Digimon oder Orte vorkommen.

Insofern hoffe ich einfach einmal, dass euch das Kapitel gefallen hat und sage nur: Bis nächste Woche! Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Zur kurzen Erklärung an alle neuen Leser, die Digimon Alpha Generation damals nicht gelesen haben:
Apollomon und Dianamon sind zwei Ultimate Digimon, sind im Bandai Canon Teil der Olympus Twelve und gehörten zu den "Hauptcharakteren" in DAG. Die beiden sind damals als Coronamon und Lunamon in die relae Welt gekommen und haben - permanent im Streit miteinander - Denrei und Co. damals bei ihrem Abenteuer begletiet. Nachdem die Holy Beasts getötet wurden, haben die beiden ihre Aufgabe übernommen! :3 Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
> 1. August 2011, 0:01

See what I did there?!

Ähm, ja, ich konnte es mir beim Planen der Story nicht verkneifen dieses Downer-Ende auf den 1. August zu legen, einfach als eine Dekonstruktion der ganzen Adventure-Story. Hatte ursprünglich auch mal überlegt, die letzten Kapitel so hochzuladen, dass dieses Kapitel dann auch zum 1. August hochgeladen wird - aber das kam mir dann auch ein bisschen zu fies euch gegenüber vor :P

Aber ja, alles in allem war's das. DBG ist ENDLICH fertig. Bis auf den Epilog, der nächste Woche dann noch kommt. Hach ja.

Freue mich, wie immer, auf euer Feedback! Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ähm, ja, hallo noch einmal alle zusammen.

Damit geht das Projekt nun tatsächlich gänzlich zuende. Also zumindest die Geschichte von Digimon Battle Generation. Eine weitere Serien-Fortsetzung wird es nicht geben. Allerdings verspreche ich, dass ein paar Plotstränge noch in One-Shots und kürzeren Geschichten fortgeführt werden.

Unter anderem, die ganze Geschichte mit den Eltern unseres Heldenquartets der Battle Generation, aka Takumi, Rin, Ai und Makoto. Eigentlich war die Aufklärung dafür in Kapitel 51/52 geplant, doch als ich dann dabei war, kam es mir ziemlich erzwungen vor, weshalb ich es eben doch anders gehalten habe und die Aufklärung in eine eigene Geschichte setzen werde. :) Entschuldigt das bitte vielmals! ^^"

Ansonsten: Vielleicht kann sich ja jemand denken, worauf ich mit Shibumi in der vorletzten Szene anspiele. Ich dachte, wenn sowohl Anime, als auch Spiele in letzter Zeit so ein Aufhebens um diesen einen Plotpunkt machen, kann ich es auch zumindest mal andeuten.

Ähm. Ja.

Ich hoffe der Epilog und natürlich die ganze Serie hat euch gefallen!

Ich danke jedem, der die Geschichte soweit verfolgt hat und natürlich auch denen, die mich mit Feedback motiviert gehalten haben (und am Ende auch dazu gebracht haben, dass Projekt zuende zu schreiben). :3 Vielen Dank!

Und ich würde mich natürlich freuen, eure finalen Gedanken zur Serie zu hören!

Bis dann!

Man liest sich! Komplett anzeigen

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Kwasir
2017-09-19T12:02:53+00:00 19.09.2017 14:02
Hallo,

Ich hab gerade erst bemerkt, dass du diese Geschichte zu Ende gebracht hast und ich bin erfreut und aufgeregt. Ich werde sie in den nächsten Tagen lesen und dir dann ein ausführliches Feedback geben.

Daher, auch von mir, Willkommen zurück.
Von:  fahnm
2017-08-20T19:55:42+00:00 20.08.2017 21:55
Ein Toller Epilog.
Von:  Caliburn
2017-07-14T22:44:04+00:00 15.07.2017 00:44
*lach* Ich mag den Epilog. Er ist einfach mal länger als manches Kapitel. xD"""

Oh, ich musste so sehr über Alex' Auftritt lachen. Sie ist ein solch herrlich positiver Mensch. Ich liebe sie einfach nur.

Ehrlich gesagt, fühle ich eine kleiner Ernüchterung. Liegt vielleicht an der etwas längeren Pause, die eingelegt wurde, aber egal. Denn es ändert rein gar nichts daran, dass diese Geschichte einfach nur umwerfend war.
Die ganzen Auf und Abs die wir erleben durften. Charaktere die wir lieben und hassen gelernt haben. Die Twists die uns völlig aus den Schuhen geworfen haben. Es war eine wundervolle Reise.
Und ja, ich bin mit dem Epilog sehr, sehr zufrieden. Es ist ein wunderbares, ruhiges Ausklingen. Vor allem dass es paar Tage später spielt und nicht direkt am 1. August war doch sehr nett. Denn ja, eine Infrastruktur wird nicht allzu leicht wieder hergestellt.

Danke für diese Geschichte und dein Durchhaltevermögen.

Und ich freue mich schon auf die Geschichten, die wir noch bekommen werden. Du weißt ja, über eine kleine Story von Alex würde ich mich riesig freuen. ;D

Von:  Selma
2017-07-12T20:21:55+00:00 12.07.2017 22:21
Es war toll zu lesen. Schade irgendwie das es jetzt vorbei ist.

Ein kleines Fehlerchen? habe ich vielleicht noch weiter oben gefunden: Steve tat es ihm nur gleich, während Leormon, dass in seinen Armen hing, wie eine jener sehr faulen Katzen, zu seinem Gesicht aufsah. „We are going to see Mum and () again.“ <-- ich denke der Platzhalter sollte da nicht sein.
Es war auf jeden Fall schön und ich freue mich auch schon auf die kleinen One shots. :)

Das es zum Schluss etwas ruhiger zuging war durchaus in Ordnung. Action hatten wir ja die letzten Kapitel mehr als genug und irgendwie is ein langsames ausklingen immer besser.
Von:  Taroru
2017-07-12T16:02:18+00:00 12.07.2017 18:02
also fakt nummer eins..... ich werde wohl noch mal alles lesen XD
und mir ist jetzt erst bewusst geworden.... wie lange du hier schon dran gearbeitet hast.... junge junge die zeit vergeht o.o
ich hatte die letzten paar jahre jedenfalls viel spaß beim lesen, habe mit gefiebert... und die warte zeiten waren manchmal einfach nur mega furchbar und schwer auszuhalten... aber es hat sich gelohnt :-)
auch wenn ich nun auch ein wenig traurig bin, das es hier nun enden soll (wobei ich zu geben muss.... ich würde mich in der tat auf mehr lesefutter in der richtung freuen ;-) )

ich finde du hast einen guten abschluss gefunden, es erscheint mir rund und durch aus schlüssig...
und ziehe meinen hut vor dir, das du das nach so langer zeit wirklich zu ende gebrach hast! und danke dir für die vielen lesefreuden ;-)
Antwort von:  Alaiya
12.07.2017 18:04
Bitte und Danke und alles :3

Ich höre ja nicht auf zu schreiben - nur wird es halt vorerst kein weiteres großes Digimon Projekt geben, sondern eben Hasen und Wölfe und halt Digimon One-Shots :P
Antwort von:  Taroru
12.07.2017 18:28
es ist ja nicht so, das ich nicht auch die anderen geschichten von dir gelesen hätte ;-)
ich muss zu geben.... bei manchen one shots war ich schon sehr kommentier faul.....
aber ich glaube.... gelesen hab ich so ziemlich alles von dir (was du hier online hast)
Von:  Caliburn
2017-07-06T14:09:54+00:00 06.07.2017 16:09
Was ist nur mit dir und deinen Cliffhangern? Selbst im letzten Kapitel kannst dir sowas nicht verkneifen. xD"""

Der ständige Wechsel zwischen den Charakteren hat mir wirklich gut gefallen. Die Spannung nahm mit jedem Mal immer mehr zu, bis es nicht mehr auszuhalten war.

Und, jeez, der Moment mit Ai und Makoto... Ich hatte mir einige Szenarien schon zurechtgelegt, wie die beiden ihre Probleme beseitigen... Aber damit hätte ich nun wirklich nicht gerechnet.

Ich kann nur noch sagen, dass ich mich riesig auf den Epilog freue.
Von:  Taroru
2017-07-05T10:39:39+00:00 05.07.2017 12:39
okay o.o
das nahm tatsächlich ausmaßen an... mit einigen dingen hab ich so nicht gerechnet, und ich denke ich muss das alles noch mal lesen, um wirklich alles zu begreifen und noch mal zu verinnerlichen usw.....
junge junge junge o.o
(kann mir mal jemand sagen, warum es solche handlungen nicht direkt in der serie gibt? XD da wäre der spannungsbogen alle mal spannender, besser durchdachter..... )
ich freu mich noch auf den epilog
und bin auch froh das du das nicht alles zum ersten august hochladen geladen hast.... das wäre in der tat einfach nur folter gewesen ;-)

Antwort von:  Alaiya
05.07.2017 13:21
Ja, das ist so eine Sache, die ich befürchtet habe... Dass man das ganze noch mal lesen muss. Haha... ^^„
Danke, wie immer
Antwort von:  Taroru
05.07.2017 13:41
das stört mich aber nicht, ich gehöre ja durch aus zu den leuten, die eine geschichte mehr mals lesen ;-)
Von:  Caliburn
2017-06-29T22:27:34+00:00 30.06.2017 00:27
Der Titel des Kapitels ist ja mal echt unheilverkündent. xD

Irgendwie hoffe ich ja noch, dass sich Rin mit ihren Eltern ausspricht. Zumindest im Epilog, wenn es die Welt dann überhaupt noch geben sollte. *hüstel*

Shojis Angst ist berechtigt. Ich meine, was sollte man auch sonst fühlen, wenn einfach ALLES kurz davor steht aufzuhören zu existieren. *seufz* Und das Gefühl der Machtlosigkeit muss ihn ja scheinbar auf förmlich erdrücken.
Aber, hey, Ruki ist ja da~

Weißt du, wie sehr ich dich dafür liebe, dass Steve noch einmal einen guten Auftritt bekommen hat? Ich mag ihn eben.
Bin gespannt ob er, Kenta und Hirokazu Ryou helfen werden.

Es muss natürlich ein Opfer geben. Ein Opfer... Mir schwant übles.

Irgendwie habe ich ein völlig ernüchterndes Gefühl im Magen bei dem Gedanken, dass die Geschi9chte in zwei Wochen beendet sein soll.
Werden wir trotz allem hin und wieder One Shots zu einigen Chrakteren bekommen?

Von:  Taroru
2017-06-28T15:13:57+00:00 28.06.2017 17:13
ich mag weiter lesen o.o
mag nicht länger warten o.o
(aber das kennst du ja schon von mir :-D )

man merkt, wie sich die lage immer weiter zuspitzt. und dennoch gibt es diese kleinen momente, wo man ein wenig aufatmet, noch mal zurück schaut, und versucht in die zukunft zu sehen.... ich hoffe du weißt was ich meine, ich finde das jedenfalls echt gut umgesetzt, und bin gespannt was nun kommt.
Antwort von:  Alaiya
28.06.2017 20:11
Haha, ich weiß. Aber hey, noch zwei Kapitel. Zwei Wochen und dann musst du nicht mehr warten :3

Und ja, mir waren hierbei diese kleinen Momente sehr wichtig :3 Gerade bei dem Ende...
Antwort von:  Taroru
28.06.2017 20:14
und dann ist schon alles vorbei D:
das finde ich auch nicht unbedingt gut XD
planst du vielleicht noch ne staffel? :-p

ich mag solche kleinen momente immer sehr :-)
Antwort von:  Alaiya
28.06.2017 20:30
Nun, sagen wir es mal so: Ich spiele aktuell mit einem komplett eigenen Staffel-Projekt rum (Digimon Nexus), aber eigentlich will ich mich aktuell erst einmal dann auf das Hare Among Wolves Universum konzentrieren :3
Antwort von:  Taroru
28.06.2017 20:44
ui, das klingt aber auch interessant :-D
gib mir bescheid, wenn es dazu kommen sollte ^^

und hey, über dein Wolves Universum freue ich mich auch ;-)
Von:  Caliburn
2017-06-23T12:11:37+00:00 23.06.2017 14:11
Waren also doch die beiden Zwillinge. Dachte mir schon, dass sie noch einmal auftauchen würden. Und Impmon nennt sie noch immer Knirpse... Jepp, seems legit. ^^

"Doch dies war kein Kampf, den man durch Digitation, die richtigen Karten und Glauben an sich selbst gewinnen konnte." - So, basically we are fucked. xD"

Okay, ich bin mal echt gespannt, wie Ryou aus dem Krankenhaus entkommen will. :o
Wobei ich an seiner Stelle wohl lieber noch einmal mit meinem Vater reden würde.

Netter Hint auf Digimon Tamers 1984. ;) Wobei die Geschichte ja mehr Horror als alles andere war. *hust*

Alex ist hands down ein wundervoller Support. Ich liebe sie für ihren offenen und direkten Charakter. Sie redet Klartext mit Jenrya, was er seit längerem gebraucht hat.
Aber mal ehrlich, ihre Ansprache hat ja auch einige Punkte, die einfach niemand abstreiten kann.



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