Schneeflocken sind Tränen von Sen-San ================================================================================ Kapitel 1: ----------- In dieser Nacht weht der Wind wieder besonders stark und der Schneesturm lässt einfach nicht nach. “Shirahime weint wieder.“ meint Shiko während sie aus dem Fenster schaut. “Das sind nicht Shirahimes Tränen.“ erwidert Masaru kalt. “Woher willst du das wissen?“ fragte die junge Frau überrascht. “Ich weiß es einfach.“ “Und wessen Tränen sind es dann?“ “Die der Menschenkinder.“ “Das glaube ich nicht. Meine Mutter hat mir erklärt, dass es Shirahimes Tränen sind.“ Shiko ging eingeschnappt aus dem Zimmer und ließ Masaru alleine dort. Der junge Mann stand auf und ging zum Fenster. Er ließ seinen Blick durch das Fenster fallen. Die Landschaft draußen war so unreal und doch wunderschön. Der weiße Berg in der Ferne war kaum noch zu erkennen. Selbst die nahe gelegenen Häuser der Nachbarn waren nur schwer auszumachen. Der Sturm wütet in dieser Nacht besonders heftig. Wie gern würde er glauben, dass Shirahime weint. Er wollte nicht, dass die Kinder so traurig sind, dass sie einen solchen Schneesturm verursachen. Doch leider wusste er es besser. Er wusste es genau. Sie hatte es ihm einst gesagt. Shirahime sagte ihn, es seien die Tränen der Menschenkinder, unserer Kinder. Es war noch nicht lange her. Vielleicht zwei Jahre. Vielleicht aber auch weniger. In dieser Gegend ist es das ganze Jahr über kalt und der Schnee taut nicht. Die Menschen hier kennen nur den Schnee und die Kälte. Woher die Legende um Shirahime und ihren Tränen kommt, vermag er nicht zu sagen. Er wusste es einfach nicht. Aber seine Begegnung mit der Schneeprinzessin zeigte ihm, dass es sie wirklich gab. Darum zweifelte er auch nicht an ihren Worten. Er glaubte der wunderschönen Frau. Shirahime trug ein langes weißes Gewand. Kein bisschen Dreck oder Schmutz lag auf ihren Sachen. Es war als hätte sie das Gewand erst vor kurzem angezogen, bevor er sie traf. Ihre Haare waren so schwarz wie die Nacht und waren länger als die Frau selbst. Das Gesicht und die ganze Haut waren blass. Sie waren fast weiß. Er traf sie auf einem Hügel in den Bergen. Sie stand dort und schaute in den Himmel. Es wurde bald dunkel und der junge Mann sprach sie an. Das Schneetreiben wurde immer heftiger. Er hatte dann gemeint, die Frau Heim gehen sollte, bevor Shirahime komme. Sie aber fragte nur “Shirahime?“ Masaru beantworte es mit einem “Shirahime - die Schneeprinzessin.“ Shirahime ist die Schneeprinzessin und er erzählte, dass die Schneeflocken Shirahimes Tränen seien. Sie aber verneinte diese Aussage seinerseits. Die Frau meinte, die Schneeflocken sind nicht Shirahimes Tränen. Plötzlich tauchten aus der Ferne Wölfe auf. Sie waren Schneeweiß und flogen durch die Luft. Diese Tiere hatten keine Hinterläufe. Ohne etwas zu sagen schwang sich die Frau auf einen nahe heran fliegenden Wolf und meinte, es seien nicht Shirahimes Tränen, nicht ihre Tränen. “Die Schneeflocken sind nicht meine Tränen. Die Trauer der Menschkinder lässt es schneien.. Die Schneeflocken sind die Tränen eurer Kinder.“ Mit diesen Worten verschwand sie und der Schnee hörte sich auf vom Himmel zu fallen. Masaru stand wie der letzte Vollidiot dort. Aber das war ihm in diesem Moment ziemlich egal. Er hatte sie wirklich gesehen. Die Legende. Es gab sie wirklich und er habe sie mit seinen eigenen Augen gesehen. Nun wandte er sich vom Fenster ab und folgte seiner Verlobten. Sie war in der Küche verschwunden. Er ging ihr nach und sah wie sie dort aus dem Fenster sah. Noch einmal holte er tief Luft und ging dann auf sie zu. Bei ihr angekommen, legte er seine Hand auf ihre rechte Schulter und schaute ebenfalls hinaus. “Warum glaubst du, es besser zu wissen?“ fragte die junge Frau traurig. “Weil sie es mir gesagt hat.“ “Wer ist ´Sie`?“ “Shirahime.“ Überrascht drehte sich zu um. Sie sah ihn mit großen, verblüfften Augen an. “Du hast sie gesehen?“ “Ja. Vor einigen Jahren. Ich bin durch die Berge gegangen und habe Holz gesucht.“ “Da bist du ihr begegnet?“ “Ja. Sie stand auf einem Hügel und schaute in den Himmel. Da habe ich sie angesprochen. Der Schnee wurde immer heftiger und ich erzählte, dass der Schnee Shirahimes Tränen seien. Sie verneinte es. Plötzlich kamen schneeweiße Wölfe durch die Luft geflogen und nahmen sie mit. Als sie wegflogen, rief sie mir zu, dass es nicht ihre Tränen seien, sondern die der Menschenkinder.“ Shiko machte ein überraschtes und etwas skeptisches Gesicht. Sie glaubte ihm nicht so recht. Aber andererseits wusste sie auch nicht, warum sie ihm nicht glauben sollte. Immerhin würde er ihr das nicht nur aus Spaß erzählen. Die Nacht brach herein und der Schneesturm wütete noch immer. Masaru und Shiko gingen schlafen. Am nächsten tag wachte der junge Mann auf, aber Shiko war verschwunden. Ihr Futon war weggeräumt, sie war nicht im Bad und auch nicht in der Küche. Sie war nirgends im haus zu finden. Doch im Wohnzimmer lag ein Zettel. Auf diesem stand, dass sie sich persönlich davon überzeugen wollte. Sie wollte Shirahime selbst sehen und mit ihr sprechen. Dabei wusste sie doch ganz genau, dass man Shirahime normalerweise nicht sieht. Die Schneeprinzessin versteckt sich und zeigt sich den Menschen nicht. Masaru wollte hinterher. Doch eine leise Stimme flüsterte ihm, dass Shiko sicher war und er sich keine Sorgen machen bräuchte. Es war der Wind. Der kalte Wind flüsterte ihm das ins Ohr. Die letzten Worte beruhigten den Mann. “Shirahime passt auf sie auf und bringt sie wohlbehalten zurück.“ Masaru kehrte wieder in das haus zurück und wartete auf Shiko. Weit in den Bergen stapfte Shiko durch den hohen Schnee. Gestern war so viel gefallen, dass man kaum gehen konnte. Doch sie hatte ihre Schneeschuhe dabei und somit konnte sie sich recht gut fortbewegen. Eine ganze Weile war sie nun schon unterwegs. Ihre Umgebung war weiß. Ab und an blitzten grüne Tannennadeln unter der Schneedecke hervor, aber sonst war alles weiß. Selbst der Himmel war nicht blau, sondern weiß. Die hellen Schneewolken verdeckten den Blick auf den blauen Himmel. Eine karge Landschaft umgab die junge Frau. Wie aus dem Nichts stand auf einmal eine wunderschöne Frau nicht weit von ihr. Diese Frau hatte einen langen weißen Kimono an. Ihre Haut war so blass, dass sie sich kaum vom Schnee abhob. Ihr Gesicht war so wunderschön. Shiko schritt vorsichtig zu ihr hinüber. Leichte Angst brodelte in ihr. Es geschehen schreckliche Dinge, wenn Shirahime wein, sagt man. Also ist äußerste Vorsicht geboten. “Bist du Shirahime?“ fragte Shiko leise. Die Frau vor ihr nickte nur, sagte aber kein Wort. Shiko kam noch ein Stück näher und betrachtete die Schneeprinzessin genauer. “Du hast nach mir gesucht.“ sprach so plötzlich. Ihre Stimme war so zart und lieblich. So wunderschön wie auch ihr Aussehen. Diese Stimme passte zu ihr. Sie klang erwachsen und doch leicht kindlich. Shirahime hatte eine recht hohe Stimme. “Ja. Ich will wissen, wessen Tränen die Schneeflocken sind!“ “Warum magst du das erfahren?“ “Weil du meinem Verlobten gesagt hast, sie gehören den Kindern! Jeder aber sagt, es seien deine.“ “Dein Verlobter hat recht. Die Schneeflocken sind nicht meine Tränen, sondern die eurer Kinder.“ “Und woher kommt dann die Legende?!“ forderte Shiko zu erfahren. “Einst sah mich einer von euch. Es schneite heftig und ich saß an einem See und weinte. Daher dachte er wohl, dass die Schneeflocken meine Tränen seien.“ Stumm und nicht wissend, was zu sagen, stand Shiko dort. Sie wusste nicht, was sie glauben sollte. Ihre Mutter und ihre Großmutter erzählten ihr die Legende um Shirahime. Soll das alles falsch gewesen sein? Aber das muss es ja. Die Schneeprinzessin selbst hat es bestätigt. Irgendwie war die junge Frau beruhigt. Sie wusste nun, dass Masaru ihr die Wahrheit erzählte. Dennoch wollte sie die Prinzessin etwas fragen, wusste aber nicht genau was. Sie sah auf und ihren Blick auf Shirahime gerichtet. Dann öffnete sie ihren Mund und wollte das erste Wort zu einem Laut formen. Doch das war nicht möglich. Schnee, der die ganze Zeit über unbemerkt leicht vom Himmel fiel, wurde nun stärker. Shiko schützte ihr Gesicht mit den Armen. Als sie ihre Arme ein wenig öffnete, schaute sie dadurch und sah noch Shirahime. Sie war schwer zu erkennen. Der Schneesturm wurde stärker und Shiko konnte die Frau einige Meter weiter kaum sehen. Dann aber sah sie etwas unglaubliches. Shirahime wurde immer blasser und verschwand dann im Schneegestöber. Shiko war nun allein in den Bergen. Sie kehrte um und ging wieder nach Hause. Was sollte sie auch noch in den Bergen? Und dann noch, bei diesem Wetter. Im Dorf angekommen, ging sie nach Hause und dort wartete Masaru auf sie. Das Haus war schon warm. Er hatte bereits geheizt. Shiko wusste nicht, wie lange sie unterwegs war, aber es waren sicherlich mehrere Stunden. “Bist du ihr begegnet?“ “Ja. Sie war wunderschön.“ “Und weißt du es nun.“ Shiko nickte nur bejahend. Sie wusste nun, dass er die Wahrheit sagte und fühlte sich gleich wohler. Zusammen sahen sie aus dem Fenster und genossen die Wärme des Hauses. Das Schneegestöber draußen war fast so schlimm wie am gestrigen Abend. “Wie traurig die Kinder sein müssen, um so einen Sturm zu erschaffen.“ überlegte die junge Frau laut. “Das habe ich mich auch immer gefragt, seitdem ich es weiß. Aber bis jetzt habe ich noch keine Antwort.“ Er nahm seiner Verlobte in den Arm und zusammen sahen sie noch lange aus dem Fenster. In der Ferne des Schneegestöbers erkannte sie dann eine Gestalt. Es war Shirahime, die auf einem weißen Wolf durch die Luft ritt. Die Zeit verging und Shiko und Masaru heirateten. Ihren Kindern erzählten sie die Legende der Schneeprinzessin, das schreckliche Dinge passieren wenn man ihr begegnet und die wahre Bedeutung der Schneeflocken. Ende Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)