Du hast die Wahl, Alice von Phoenix83 ================================================================================ Kapitel 2: Was soll ich bloß tun? --------------------------------- Was soll ich bloß tun?   Alice stellte den Kaffee auf den Tisch und sah Julius erwartungsvoll an. Er schüttelte nur den Kopf und meinte, er trinke ihn später. Dann eben nicht, sagte sie daraufhin und ging zur Tür. „Ich bin dann weg“, und legte bereits die Hand auf die Klinke. „Warte!“, rief er, schon fast zu aufgebracht und als Alice über die Schulter schaute, sagen wollte, dass er sich doch Sorgen mache, bemerkte sie, dass er sie ein wenig zu besorgt ansah. Er begegnete ihrem Blick und räusperte sich, schaute ein wenig peinlich berührt beiseite. „Ich mein‘, wohin gehst du denn? Hast mir nichts erzählt.“ Alice lächelte, so kühl war er also doch nicht. „Ich gehe mit Nightmare zum Arzt.“ Jetzt schaute er sie nur umso entsetzter an. „Meine Güte, ist das so ungewöhnlich? Irgendwann muss er ja zum Arzt!“ „Wie hast du ihn dazu überredet?“ Julius schien nicht überzeugt. „Naja… Ich habe ihm gesagt, dass er her kommen soll und ein ‚Nein‘ habe ich ihn erst recht nicht aussprechen lassen…“ „Ach“ Er ging wieder seiner Arbeit nach, als wäre nichts gewesen und hantierte an irgendeiner stehengebliebenen Uhr herum. „Was soll dieses ‚Ach‘? Willst du mir damit irgendetwas sagen?“ Manchmal nervte er sie wirklich mit seinen einsilbigen Antworten, sollte er doch direkt sagen, was er denkt, anstatt alles für sich zu behalten! „Wo trefft ihr euch denn?“, fragte Julius stattdessen, um ihrer Frage aus dem Weg zu gehen, während er nicht von seiner Arbeit aufsah. „Ähm… direkt hier vorm Uhrturm, wieso?“ „Dann sieh mal, ob er auch da ist.“ Mürrisch sah Alice ihn noch einige Sekunden an, natürlich würde Nightmare erscheinen, und schloss verließ dann das Arbeitszimmer, die Versuchung unterdrückend, die Tür hinter sich zuzuknallen, und ging die Treppen hinunter. Es war ein paar Minuten nach 14 Uhr, dennoch war weit und breit kein Nightmare zu sehen. Als fünfzehn Minuten vergangen waren, wartete Alice trotzdem noch, zu stur, um wieder in den Uhrturm zu gehen und sich geschlagen zu geben. Es vergingen weitere fünfzehn Minuten, doch Alice dachte nicht einmal daran, einfach aufzugeben. Es war bereits eine volle Stunde vergangen, da stampfte Alice wütend mit dem Fuß auf den Boden und murmelte, darauf bedacht, nicht alles zu laut auszusprechen: „Ich werde kein Wort mehr mit dir reden, Nightmare, wenn du nicht sofort auftauchst…!“ Natürlich war es, wie es immer in solchen Situationen war: Er tauchte nicht auf. Aber Alice wollte sich immer noch nicht geschlagen geben und sagte sich: „Ein paar Minuten noch. Ein paar Minuten kann ich noch warten…!“ „Alice?!“, rief jemand verwundert, als Alice nun schon drei weitere Minuten gewartet hatte und sofort sprang sie von ihrem Stammplatz auf dem harten Steinweg  auf und rief weniger verwundert, mehr überrascht und erleichtert: „Nightmare!“ Sie hatte ihn schon an seiner Stimme erkannt. „Du bist da! Du bist endlich da!“ Sie lächelte freudig und sprang ihm vor Euphorie um den Hals und ließ so gleich wieder von ihm ab. „Also wirklich, ich dachte schon, du würdest gar nicht mehr kommen!“ Nightmare, in weitem Mantel, sein Gesicht unter der dunklen Kapuze nur halb zu erkennen, sah sich rasch um, ob auch niemand da war, der es vielleicht gehört hatte – er musste auf der Hut sein, niemand von den Rollenträgern durfte ihn sehen. „Ja, ich auch nicht…“, murmelte der Grauhaarige leise und versuchte, ein weiteres Husten zu unterdrücken, wobei er sich heimlich darüber freute, dass Alice ihn nun schon umarmt hatte. Sonst hatte sie jeden Körperkontakt vermieden, vermutlich wegen seines momentanen Zustandes… Sie grinste. „Julius hatte doch unrecht, meine Rede hat gewirkt!“ „Naja, so ähnlich…“, doch Alice hörte ihm schon nicht zu und ging voraus Richtung Stadt. „Na was ist? Kommst du?“   Die beiden kamen in der Vorstadt an und Nightmare musste sich eingestehen, dass er nun doch in der Falle saß. Er hatte Alice‘ Gedanken gelesen und mit leichtem Entsetzen festgestellt, dass sie genau wusste, wie sie zum Arzt gelangten - natürlich würde er es nicht so weit kommen. Er hatte gehofft, sie irgendwie ablenken zu können, aber so selbstbewusst und zielstrebig, wie sie immer näher Richtung Nightmares Todesurteil ging, wusste er nicht, wie er sie ablenken sollte. Gedanken lesen ist nun mal nicht alles…, dachte er sich und seufzte leise. „Ach ja, was ich noch fragen wollte…“, begann Alice und wurde etwas langsamer, „wie bist du jetzt eigentlich ins Herzland gekommen?“ „Naja… Eigentlich ist es tatsächlich unmöglich, einfach von einem Land ins andere zu reisen, aber… Sagen wir, es gibt da so Leute, die mich unbedingt zum Arzt bringen wollen…“ „Und du hast sie erpresst?“ „Jaaa, kann man so sagen.“ Nightmare sah, wie Alice darüber nach dachte, ihm wurde die Chance, sein ursprüngliches Vorhaben durchzusetzen, bewusst und er beeilte sich, auf ein weiteres, Möglicherweise interessantes Thema einzugehen. „Weißt du, im Kleeland finde ich es persönlich viel schöner, als im Herzland, natürlich sind die Gebäude auch nicht dieselben. Statt dem Uhrturm gibt es bei uns den Kleeturm.“ „Echt? Klingt ja interessant…“ „Wenn ihr mal umzieht, landet ihr vielleicht auch mal im Kleeland, dann musst du uns mal besuchen kommen.“ „Wenn…?“, fing Alice an, zu fragen, doch Nightmare hatte die Frage in ihren Gedanken schon gelesen und unterbrach sie: „Es sollte demnächst mal wieder passieren, aber du wirst wissen, was es bedeutet, wenn es passiert.“ Alice‘ Fragen schienen trotzdem nicht beantwortet, denn sie sah nun noch verwirrter aus, als zuvor, doch sie beließ es dabei. Auf einmal blieb Nightmare vor einem Laden stehen. Alice sah in das Schaufenster und entdeckte jede Menge Krimskrams, wie überaus kleine Teetässchen, Stofftiere, Buntstifte, Schlüsselanhänger, sogar Wäscheklammern konnte man hier finden. „Du… magst dieses Krimskrams?“ Nightmare antwortete nicht, reagierte nicht einmal mit einem kurzen Seitenblick, starrte ins Schaufenster. Bevor Alice aussprach, was sie befürchtete und vermeiden wollte (nämlich, dass er sie vom Arztbesuch abbringen wollte), seufzte Nightmare und sah seine Begleitung unverwandt an, fing ihren Blick in seinem auf, mit demselben Lächeln, das auch sonst auf seinen Lippen lag. „Du wirst dich entscheiden müssen, Alice. Es gibt viele, die Interesse an dir haben und ich muss zugeben, dass auch ich eine gewisse Zuneigung zu dir empfinde.“ Alice wurde etwas rot und wollte gerade etwas sagen, doch da unterbrach er sie wieder: „Ich frage mich nur, wann du dich endlich entscheidest. Wer wird es sein, den du lieben wirst? Wird es Blood sein, der deinem Ex doch am ähnlichsten sieht oder die Grinsekatze, die zumindest versteht, dass du dir Sorgen um sein Wohlergehen machst?“ Nightmare trat einen kleinen Schritt auf sie zu, beugte sich ein wenig zu ihr hinunter und redete weiter, ohne dass Alice etwas hätte sagen können: „Oder ist es doch der Uhrmacher, das ruhige Gemüt, von außen kühl, von innen doch ein guter Mensch, wie du es nennst. Aber vielleicht wird Elliot dir viel mehr gefallen, ganz egal, dass er so seine Schattenseite mit den Karotten hat und zur Mafia gehört, seine Ohren haben es dir doch angetan?“ „Wovon redest du…“ „Oder könnte gar Peter dein Herz erobern? Bei ihm ist es doch aufrichtige Liebe…“ Nightmare, weiterhin sein Lächeln auf dem Gesicht, nahm eine Strähne von Alice braun-glänzenden Haaren und betrachtete das Glitzern der warmen, im Sonnenlicht golden aussehenden Haarsträhnen. Dann sah er ihr tief in die Augen und Alice konnte nicht anders,  als in sie hineinzuschauen, in diese warmen, lächelnden Augen, die sie einfingen, von denen sie plötzlich nicht mehr loskam… Lange standen sie so da, sahen sich tief in die Augen, keiner bewegte sich, beide hatten den Atem angehalten und Alice kam es so vor, als würde sie sich in diesen wunderschönen Augen allmählich verlieren... Nightmare sagte etwas, dann ließ er ihre Haarsträhne los und ging davon und Alice sah ihm noch eine Weile nach, erst dann wurde ihr die Bedeutung seiner Worte klar: „Ich werde nicht zum Arzt gehen.“ Sie krallte ihre Hände wütend in den Stoff ihres Kleides und kniff ihre Augen zu Schlitzen zusammen - der schöne Moment war verflogen, Alice hatte die Situation erkannt, Nightmare hatte sie reingelegt und es schien für ihn sogar ein Kinderspiel zu sein. „Du hast mich reingelegt… Nightmare“, murmelte sie unheilvoll, während ihr Gesicht unter einem dunklen Schatten lag. „Na warte! Wenn ich dich in die Finger kriege! Im Traum entkommst du mir nicht!“   Wütend stapfte Alice durch die Stadt, ging Richtung Vergnügungspark. Sie war nicht müde und der Vergnügungspark war im Moment der einzige Ort, der ihr einfiel, wo sie sich ohne große Bedenken aufhalten konnte. Hutmachervilla war im Moment zu gefährlich, weil sie nicht wusste, was es mit Blood und Vivaldi auf sich hatte (sie hatte sie im Rosengarten gesehen und Blood hätte Alice fast erwürgt, als sie ihm erzählte, dass sie die beiden dort gesehen hatte). Zum Herzschloss ging Alice eher ungern, allein wegen Peter – kaum zu glauben, dass er der Minister im Schloss ist! Und es konnte ja auch nicht schaden, mal wieder Boris und Go Round zu besuchen, die beiden waren wenigstens noch nett zu ihr, und Julius hatte gerade sowieso zu arbeiten (wie immer eigentlich).   Wie es so kommen musste, lief ihr Ace, der sich schon wieder verlaufen hatte, über den Weg. „Gibt es wieder Arbeit für Julius?“, fragte Alice und Ace nickte, wie immer mit einem optimistischen Lächeln. „Ja, aber erst mal muss ich mit Julius was besprechen… und ich habe mich wieder verlaufen.“ „Julius tut mir schon leid, so oft, wie du dich verläufst… Also gut, ich bringe dich zu ihm, aber du musst mir folgen.“ Alice blieb stehen, wollte den Weg zurückgehen, weil man von dort aus am leichtesten zum Uhrturm gelangte, doch der Herzritter deutete in eine vollkommen andere Richtung. „Müssen wir nicht hier lang?“ „Nein, Ace! Hier lang!“ Sie griff nach seiner Hand und schleppte ihn stur hinter sich her. Dieses Mal würden sie sich ganz sicher nicht verlaufen! Nach einer Weile ging sie etwas langsamer, sodass die beiden nebeneinander hergingen, doch Alice ließ Ace‘ Hand nicht los – wer konnte schon wissen, was in seinem Kopf vorging? Da musste man ihn schon an der Hand halten, damit er sich nicht verlief… „Man könnte meinen, wir wären ein Paar“, sagte Ace plötzlich und grinste seine Begleitung an. Diese sah erst ihn, dann seine und ihre beiden Hände ineinander an und zog ihre sofort wieder zurück. „Wir sind kein Paar.“ „Aber warum denn nicht, Alice? Ich der Ritter, du die Prinzessin in Not, passt doch perfekt.“ „Und wo bleibt da die Liebe, Ace?“, fragte sie, ohne ihn anzusehen und konzentrierte sich darauf, nicht vom Weg abzukommen. „Vivaldi und der König sind auch nicht verheiratet und lieben sich auch nicht so, wie ein richtiges Paar, aber trotzdem spielen sie ihre Rollen als Herrscher. Das heißt doch noch lange nicht, dass sie sich lieben müssen.“ „Die Herzkönigin und der alte Mann sind doch gar kein Vergleich, Alice. Außerdem musst du mich erst kennen lernen, um mich lieben zu können.“ Verwundert sah die  Fremde den jungen Ritter an. Er blieb stehen, sie ebenfalls. Der Wald legte sich wie ein großes Spanntuch als Schutz über sie, niemand war in der Nähe, um sie zu stören, so konnte Alice niemandem zu Hilfe rufen, doch das war ihr in diesem Moment gar nicht klar. „Was meinst du damit?“ Ace antwortete nicht. Er berührte ihre Wange sanft mit seinen Händen, über die das dicke Leder der Handschuhe ihre Haute voneinander trennte und näherte sich ihrem Gesicht, doch Zentimeter davor entfernt, in denen Alice ihn geschockt ansah, wie er die Augen geschlossen hatte, ihre Münder sich fast berührend, entfernte er sich wieder von ihr, drehte sich um und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. „Das ist aber schade…“, meinte er, Alice konnte diesen Moment immer noch nicht begreifen, sah Ace teils ratlos, teils geschockt an, doch er hatte ihr den Rücken zugewandt, sich einige Schritte von ihre entfernt. „Hättest du mich wirklich küssen wollen, hättest du reagiert, aber so… Liebst du etwa schon jemand anderen?“ Er drehte sich zu ihr um, doch sie war nicht im Stande, zu antworten, weshalb der Ritter sich wieder grinsend umdrehte und sagte: „Ich glaub, ich finde schon selbst zum Uhrturm, ich kann ihn schon von hier aus sehen. Bis später, Alice.“ Doch Alice antwortete nicht. Sie stand nur da, zu geschockt, um zu reagieren und sah Ace noch lange nach, bis sie endlich wieder einen Gedanken fassen konnte. Ace wollte mich küssen? Ich dachte, er bewundert mich nur… Sie schüttelte den Kopf, wie um die Verwirrung zu vertreiben und die Gedanken verschwinden zu lassen, da fiel ihr ein, dass sie gar nicht mehr wusste, wo sie gerade war… „Stimmt, ich wollte Ace zum Uhrturm bringen, aber er ist selbst weitergegangen…“, überlegte sie murmelnd, „Wo wollte ich eigentlich nochmal hin? Ach ja, zum Vergnügungspark.“ Doch sie ging stattdessen wieder in die Stadt und wanderte dort ziellos durch die Straßen, während sie darüber nachdachte, was Nightmare ihr gesagt hatte und die Tatsache, dass jeder hier um sie warb, gefiel ihr überhaupt nicht. Wie sollte sie sich auch entscheiden? Ihr Herz schmerzte noch von ihrer letzten Beziehung, sie konnte und wollte sich nicht noch ein Mal verlieben. Was soll ich bloß tun? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)