Finera - Dawn of the Dark von Kalliope ================================================================================ Kapitel 4: Die Tombola zum Glück -------------------------------- 27. September - Rain - Manchmal war Summer einfach total unmöglich. Rain schnaubte verächtlich und sah zu, wie ihre Schwester über und über mit Mehlstaub bedeckt quer durch das Esszimmer lief und kleine Weidenkörbe durch die Gegend trug, die randvoll mit unterschiedlichen Kekssorten gefüllt waren. „Du staubst alles mit Mehl voll!“, sagte sie verärgert und schlug die Broschüre der Universität in Stratos City zu. „Summer!“ „Mach dir nichts aus dem Mehl, gegen den Dickschädel der Familie Loraire kann man nichts machen.“ Lachend trat ihr Vater Joel hinter sie und drückte ihr kurz die Schulter, ehe er seine Krawatte lockerte und mit einem Aktenstapel und einigen Keksen verschwand. Rain schaute ihm hinterher und hatte wie so oft das Gefühl, dass ihr Vater Summer einfach alles durchgehen ließ, weil sie wie ihre Mutter ein kleiner Wirbelwind war. Rain hingegen kam eindeutig nach ihrer Tante Trixi und ihrem Vater Joel. Sie war ruhig, dachte viel über Gott und die Welt nach und tat nie etwas Unüberlegtes. War vielleicht genau das der Grund, weshalb sie sich schon als Kind fehl am Platz in dieser Familie gefühlt hatte? Summer stand immer im Mittelpunkt, war der kleine Sonnenschein und sie übersah man einfach. Rains augenblicklich entstehende schlechte Laune wurde auch nicht dadurch gemindert, dass ihre Mutter ihr einen Teller mit Vanillekipferln brachte. „Mom? Wir haben nicht Weihnachten.“ „Oh, aber das ist doch egal, Kekse kann man das ganze Jahr über essen.“ „Genau!“, pflichtete Summer ihr sofort bei und kramte Geschenkband aus einer Schublade hervor. „Wir haben für insgesamt dreißig Körbchen Kekse gebacken, damit dürfte für die Tombola heute Abend ausgesorgt sein.“ „Wie ihr meint.“ Rain grummelte noch ein wenig vor sich hin, räumte ihren Kram zusammen, schnappte sich den Keksteller und marschierte nach oben in ihr Zimmer. Wenigstens hier hatte sie ihre Ruhe, denn wie jedes Jahr fand ein Charityevent in der Stadt zu Gunsten des Pokémoncenters und des Krankenhauses statt. Ihre Mutter saß im Vorstand und liebte es bei den ganzen Tombolapreisen mit anzupacken, auch wenn sie jedes Jahr betonte, wie viel Arbeit dies doch sei und wie wenig Zeit sie habe. Rain knabberte auf einem der Vanillekipferl herum, seufzte schließlich und ging rüber zu ihrem Kleiderschrank, um sich ein Outfit für den Abend auszusuchen. Eine gute Sache hatte es ja, dass sie charakterlich mehr nach der Familie Light kam: Ihre Tante Trixi liebte es sie mit hübschen Kleidern und verspielten Blusen auszustaffieren und für so einen Anlass waren die Sachen allemal geeignet, auch wenn sie sie sonst ignorierte. „Das wird großartig, ich bin schon ganz aufgeregt!“ Summer wippte auf ihrem Stuhl auf und ab, während vorne auf der Bühne eine Rede gehalten wurde und Schwester Joy sich für die große Spendenbereitschaft bedankte. „Gleich ist der formelle Teil fertig und dann können wir uns Lose kaufen. Hast du gesehen, dass dieses Jahr auch ein Züchter aus einer anderen Region dabei ist? Vielleicht gewinne ich ja ein Pokémon, das wäre der totale Wahnsinn.“ „Pst, sei leise, ich kann nichts hören.“ Rain verdrehte die Augen und nippte an ihrem Wasserglas. Kurz darauf war dann auch die Rede fertig und die Anwesenden applaudierten höflich, ehe sie sich in alle Winde verstreuten und die unterschiedlichen Stände inspizierten. Der ganze Platz um das Pokémoncenter wirkte beinahe wie ein kleiner Jahrmarkt, in dessen Zentrum die Bühne stand. Genau wie ihre Schwester streunte Rain zuerst ein wenig ziellos umher, kaufte sich etwas Zuckerwatte und fühlte sich dann doch von dem großen Tombolastand angezogen, in dem einige der Preise präsentiert wurden. „Kommt herbei, liebe Leute! Werfen Sie einen exklusiven Blick auf die Hauptpreise der heutigen Tombola!“, rief ein Mann mit weißem Rauschebart und Rain entdeckte Summers hellgrünen Haarschopf ganz vorne in der Menschentraube, die sich um den Stand bildete. Sie selbst schaute lieber ein wenig aus der Distanz zu, wo sie nicht mitten im Gedränge stehen musste. Der Mann und Schwester Joy, die ihm assistierte, enthüllten ein großes Plakat, auf dem für eine Flugreise nach Kalos und die dortigen Sehenswürdigkeiten geworben wurde. „Doch das ist noch nicht alles, neben dieser umwerfenden Reise für zwei Personen können sie auch die drei Starter der Kalos-Region gewinnen!“ Die Menschen gaben begeisterte „Ohs“ und „Ahs“ von sich und auch Rain wurde hellhörig und ging einige Schritte näher heran. „Hier haben wir Fynx, ein wirklich aufgewecktes und neugieriges kleines Kerlchen. Dann darf natürlich Froxy nicht fehlen, der ruhige und intelligente Wasserfrosch. Zuletzt noch Igamaro, unser Exemplar ist mit einem gesunden Kampfeswillen und großem Magen ausgestattet.“ Nacheinander flimmerten die Bilder der drei Pokémon über einen Bildschirm und wieder waren die Zuschauer ganz entzückt und begeistert. „Diese drei Pokémon sind die Hauptpreise unter den Pokémon, doch es gibt noch insgesamt sieben andere Pokémon in dieser Tombola zu gewinnen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit, werte Damen und Herren! Die Preise werden gesponsert vom Fremden- und Verkehrsamt der Kalos-Region.“ Damit endete die kleine Demonstration. Summer kam mit leuchtenden Augen zu Rain gestürmt und rannte sie dabei beinahe um, sodass Rains Zuckerwatte zu Boden fiel und dort eine klebrige, pinke Masse bildete. „Hast du das gesehen? Das ist so spannend, ich muss unbedingt mitmachen und ein Pokémon gewinnen! Igamaro würde super in mein Team passen, aber die sieben Überraschungspokémon sind auch toll. Ob Mum wohl weiß, welche Pokémon verlost werden? Ganz sicher weiß sie es, aber sie verrät es mir bestimmt nicht, wenn ich sie Frage.“ „Die Tombola ist dieses Jahr wirklich spannender als sonst“, stimmte Rain zu und achtete darauf, dass sie nicht in die Überreste ihrer Zuckerwatte trat. „Ich werde mir auf jeden Fall ein Los kaufen.“ „Aber wehe, du schnappst mir Igamaro weg.“ Summer kicherte und knuffte ihre Schwester in die Seite. „Die Kalos-Region macht jedenfalls ganz schön viel Werbung.“ „Mhm.“ Rain hörte ihrer Schwester nur halb zu, denn in Gedanken ging sie bereits durch, was sie mit einem neuen Pokémon alles anfangen könnte. Natürlich würde sie ihr Karpador ersetzen und es in dem See auf ihrem Grundstück zurücklassen, wenn sie mit Henry und Summer in eine andere Region reiste. Fynx gefiel ihr ganz gut, so ein Feuerpokémon hatte Temperament und war bestimmt ein guter Kämpfer. Aber vielleicht gab es unter den anderen Pokémon welche, die noch besser dafür geeignet waren, dass sie die Demütigung mit Karpador endlich hinter sich lassen konnte. Die restlichen Stunden bis zur Ziehung der Tombolagewinner vergingen schnell, was vor allem daran lag, dass es hier gutes Essen gab und sie mehrere Runden mit dem Riesenrad gefahren war. Als es dann endlich so weit war, stand sie zusammen mit vielen anderen Leuten auf dem Platz vor dem Pokémoncenter. Schwester Joy stand neben einer großen Glasvase, in der sich alle Losnummern befanden. Zuerst wurden ein paar kleinere Preise gelost wie ein Set Pokébälle oder ein Shampooset für Pokémon. Als dann endlich die Hauptpreise drankamen, spürte Rain die Aufregung. Bisher war ihre Losnummer noch nicht gezogen worden, sodass sie entweder Glück hatte oder einen Trostpreis bekam. In den letzten Jahren waren das Beste, das sie gewonnen hatte, ein Notizset mit Dratini-Figuren und ein Schlüsselanhänger gewesen. Vor zwei Jahren hatte Summer einen Federhut gewonnen, ansonsten war sie jedoch auch leer ausgegangen und hatte Trostpreise erhalten. „Kommen wir nun zu den zehn Pokémon aus der Kalos-Region.“ Der alte Mann bat Schwester Joy zehn Zettel zu ziehen. Sie ließ sich sehr viel Zeit, aber am Ende lagen zehn Zettel auf einem Projektor und die Ziffern wurden direkt auf den Bildschirm übertragen. „Na, wo haben wir die glücklichen Gewinner?“ Nach und nach ertönten Jubelrufe aus der Menge. Rain ging Los für Los durch und auf einmal sah sie ihre eigene Nummer. Schnell kontrollierte sie den Zettel, dann klopfte ihr Herz schneller und sie strahlte über das ganze Gesicht. „Ich habe gewonnen!“ Sie eilte an Summer vorbei nach vorne und gab ihr Los ab, wobei sie Summers enttäuschten Gesichtsausdruck in den Augenwinkeln wahrnahm und beinahe so etwas wie Genugtuung verspürte. Schwester Joy und der Mann gratulierten ihr zum Gewinn, ermahnten sie jedoch das Pokémon nicht direkt in der Menge aus dem Pokéball zu lassen. Rain nickte, nahm den Pokéball entgegen und drückte ihn wie einen kostbaren Schatz an ihren Bauch. Dann ging sie zurück zu ihrem Platz. „Glückwunsch, Schwesterherz“, sagte Summer, aber sie sah wirklich traurig aus. In diesem Moment tat ihr Summer leid. „Hey, ich… also… danke für die Glückwünsche.“ Sie hoffte inständig, dass sie nicht Igamaro erwischt hatte, sonst würde das nur zu Streit führen. Summer mochte unbedarft wirken, aber Rain kannte sie gut genug, um zu erkennen, wie viel ihr der Gewinn des Pflanzenstarters bedeutet hätte. „Und nun die zwei Tickets nach Kalos!“, tönte es von dem Stand aus und die Gewinnernummer wurde durchgegeben. Rain starrte nach wie vor ihren Pokéball an, wurde jedoch aus ihren Gedanken gerissen, als Summer neben ihr anfing zu kreischen und zu dem Stand zu rennen. „Was?“ Das gab es doch nicht, Summer hatte die Tickets gewonnen! Mit großen Augen sah sie zu, wie Summer von allen Seiten beglückwünscht wurde und mit den beiden Flugtickets in der Hand zurück kam. „Ich habe die Tickets, das ist total unglaublich!“ Der Verlust über den Gewinn eines Pokémon war wie weggeblasen. „Das heißt, es geht in die Kalos-Region! Das ist so aufregend, wir werden ganz neue Orte sehen! Wir… oh.“ „Was ist?“ „Es sind zwei Tickets.“ Summer machte ein sehr betrübtes Gesicht und Rain erkannte schlagartig, wo das Problem lag. Es gab genau zwei Tickets, doch Henry, Summer und sie waren zu dritt. Henry oder sie, einer von ihnen würde zurückbleiben müssen und Rains Herz durchzuckte ein kalter Stich, weil sie genau wusste, wen ihre Zwillingsschwester lieber mitnehmen würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)