Finera - Dawn of the Dark von Kalliope ================================================================================ Prolog: Prolog -------------- Ende September - Rain - Die See war unruhig, das spürte Rain mit einer Gewissheit tief in ihrem Körper, die es unnötig machte, dass sie aufstand und aus dem Fenster schaute. Es war wie ein unruhiges Kribbeln tief in ihrem Inneren, das sich immer dann verstärkte, wenn es draußen stürmte. Jetzt, bei einem Gewittersturm wie diesem, war es besonders schlimm. Schlaflos wälzte sie sich von einer Seite zur anderen, starrte in die Dunkelheit ihres Zimmers und hörte dem Wind zu, der die Dachbalken ächzen ließ. Die Villa der Familie Light war schon alt und die Wände dick, trotzdem vermochte der Wind so einen Krach zu machen, wenn er durch die kleinsten Ritzen ins Innere fegte. Nichtsdestotrotz liebte sie diesen Teil des umgebauten Dachbodens mit dem großen Buntglasfenster an der Seite. Dieses Zimmer war ihr Reich, ihr persönlicher Rückzugsraum, der Ort, an dem sie allem und jedem für einige Stunden entkommen konnte. Rains Blick wanderte von der hohen Dachschräge zu ihrem Nachttisch aus dunklem Holz, auf dem sich eine kleine Lampe und ein Pokéball befanden. Ein einziger Pokéball, obwohl sie fast zwei Monate lang mit ihrer Zwillingsschwester Summer durch die entlegene Region Turfu gereist war. Zwei Monate, in denen sie sich viel Zeit gelassen hatten, um insgesamt drei Städte zu erkunden. Zwei Monate, in denen Summer nicht nur ihr Startpokémon Onix, das sie von der Professorin der Region Turfu erhalten hatte, trainiert hatte, sondern auch mit Hilfe von Onix und einem selbst gefangenen Jurob zwei Orden erkämpft hatte. Zwei Monate, in denen Rain diesen Pokéball nur geöffnet hatte, um ihr Pokémon einmal am Tag mit der notwendigen Nahrung zu versorgen. Ihr Gesicht verfinsterte sich. Bis heute verstand sie nicht, wieso Professor Palm ihr ausgerechnet ein Karpador zugeteilt hatte. Angeblich hatte der ausführliche Fragebogen, den sie damals im Vorfeld hatten ausfüllen müssen, gezeigt, dass ihre Persönlichkeit ausgezeichnet zu der des Karpadors passte, aber Rain hatte nie den Wunsch verspürt, es auszuprobieren. Ein Karpador war nun wirklich nicht das, was sie sich vorgestellt hatte. Ihre Mutter Faith betonte zwar immer, dass sie selbst mit ihrem Starter Bibor – damals noch ein Hornliu – zu Anfang sehr unglücklich gewesen war, dass sie aber später ein starkes Team wurden, das es bis zur Liga geschafft hatte. Was ein Glück, dass die ohnehin stark naturbelassene Region Turfu nach diesen zwei Monaten für Jungtrainer geschlossen wurde, weil es starke Wetterprobleme gab und eine Weiterreise zu gefährlich war. Eine Brücke war eingestürzt und ein Magnetzug ausgefallen, damit war das zweimonatige Debüt der Region auch schon beendet. Rain und Summer hatten ihre Sachen gepackt und waren bei der nächsten Gelegenheit zurück nach Finera gereist. Das war nun vier Wochen her. Vier unendlich langweilige Wochen. Summer maulte den ganzen Tag rum, dass sie sich um ihre Chance betrogen sah, dass sie eines Tages Champion der Pokémonliga werden würde. Rain trauerte lediglich dem verpassten Semesterbeginn an der Stratos-Universität nach. Jetzt würde sie fast ein halbes Jahr warten müssen, bis sie von Finera nach Einall ziehen konnte, um diesem verrückten Haufen zu entkommen. Nicht, dass sie ihre Mutter und Summer nicht mochte, aber die beiden waren viel zu oft viel zu aufgedreht. Seufzend setzte Rain sich auf. Es war drei Uhr nachts und sie hatte noch keine Minute Schlaf bekommen. Der Wind heulte durch die Fensterläden und ließ sie klappern. Sie fröstelte leicht und fuhr sich über die nackten Arme, wobei sie den Gedichtband bemerkte, den sie vor einigen Jahren begonnen hatte. Nicht, dass sie sonderlich talentiert war, aber es hatte ihr immer Spaß gemacht, die Geschichten, die ihre Mutter von ihrer eigenen Zeit als Jungtrainerin erzählte, in Reime zu fassen. Rain stand auf, ging zum Schreibtisch und blätterte ein wenig darin herum. Direkt am Fenster reichte das Licht gerade so aus, dass sie die Wörter entziffern konnte. Sie stoppte bei einem Gedicht, das von Team Dark handelte, der Organisation, die einst skrupellose Experimente an wehrlosen Pokémon durchgeführt und mit der DNA von Legendären experimentiert hatte. Team Dark existierte nicht mehr und von Milena Mai, der einstigen Gründerin, hörte man nichts mehr, auch wenn sie ihre Haftstrafe mittlerweile verbüßt haben musste. Das Gedicht beschrieb Milenas Vision einer besseren Welt, ihre unbändige Kraft, mit der sie ihre Ziele erreichen wollte, auch wenn sie dafür die völlig falschen Mittel gewählt hatte. Rain spürte beinahe so etwas wie Mitleid, wenn sie an Milena Mai dachte. Hatte sie nicht einfach nur das tun wollen, was ihr richtig erschien? Hatte sie mit ihren wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht vielen anderen helfen wollen? Irgendwann war sie von ihrem Weg, allen Pokémon helfen zu können, abgekommen und der Morallosigkeit verfallen. Sie klappte den Gedichtband zu, stand jedoch noch einige Minuten länger still am Schreibtisch und starrte auf das kleine Büchlein. Milena Mai hatte Großes vorgehabt und Rain wusste ganz genau, dass sie nicht so enden würde, wenn sie Milenas Potenzial hätte. Die Vorstellung einer Welt, in der alle Krankheiten von Pokémon geheilt werden konnten, in der alle Pokémon stark und besonders waren, war eine wirklich starke, verlockende Vorstellung. Als Rain sich zurück in ihr Bett legte, hatte sie einen Entschluss gefasst. Sie konnte nicht mehr ändern, dass sie ein so schwächliches, unbedeutendes Pokémon wie Karpador bekommen hatte, aber ihr stand die Welt offen und sie konnte viel erreichen. Es gab Wichtigeres als Orden und die Pokémonliga. Sie wollte Teil von etwas wirklich Bedeutendem werden – und es gab nur eine Person, die ihr einfiel, die ihr zeigen konnte, wie das möglich war: Milena Mai. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)