Finera - Dawn of the Dark von Kalliope ================================================================================ Kapitel 12: Obdachlos?! ----------------------- 5. Oktober - Summer - „Wie soll man sich in dieser Stadt bitte jemals zurechtfinden können?“ Verzweifelt seufzend drehte Summer sich einmal um die eigene Achse und schirmte ihre Augen gegen die tief stehende Nachmittagssonne ab, die noch gerade so über den Dächern der Hochhäuser zu sehen war. „Ich habe dir gleich gesagt, dass wir zuerst ins Pokémoncenter hätten gehen sollen und danach die Stadt erkunden.“ „Ach sei doch still“, murrte Summer ungehalten. Als sie vor gute zwei Stunden von der Route 4 in die Metropole gelangt waren, hatten sie den Weg zum Pokémoncenter ohne Probleme gefunden, aber sie hatte sich unbedingt zuerst den berühmten Prismaturm ansehen wollen. Nun standen sie mitten in einer der unendlichen Straßen Illuminas und wussten nicht, wo es zurück ging. „Lass uns einfach zurück zum Prismaturm und dann fragen wir uns durch, in Ordnung?“ Henry nickte schweigend und ging voraus. Überall um sie herum herrschte geschäftiges Treiben. Menschen und Pokémon liefen wild durcheinander und immer wieder sah man Chevrumm, die Kunden der Taxigesellschaft von einem Ort zum anderen transportierten. Kurzerhand fragte Henry bei einem Passanten nach dem Weg zum Pokémoncenter. Sowohl Summer als auch er waren überrascht, dass es in Illumina City sogar drei Center gab, das nächste befand sich am Place Rose, dann huschte der Mann genervt weiter. „Das hilft uns auch nicht weiter. Mir tun die Füße schon weh.“ Genervt drehte Henry sich zu der Jüngeren um. „Summer, reiß dich zusammen. Bei Arceus, wir sind doch bald da.“ Da sie ihn selten sauer erlebt hatte, schaute Summer beschämt zu Boden und schwieg. Sie überließ Henry das Fragen nach dem Weg, bis sie in einer ruhigeren Seitenstraße den Place Rose fanden und – endlich! – ein Pokémoncenter, vor dem sich eine Traube an jungen Menschen gebildet hatte. Vor dem Eingang zum Center stand Schwester Joy und versuchte die Menge zu beruhigen. „Bitte bleiben Sie ruhig, meine Damen und Herren. Die Techniker arbeiten bereits fieberhaft an einer Lösung des Problems.“ Vorsichtig schoben Summer und Henry sich in der Menge weiter nach vorne, um mehr als nur den rosa Haarschopf von Schwester Joy sehen zu können. Sie standen seitlich von ihr, konnten nun jedoch erkennen, dass sie nicht ihre Uniform trug, sondern in normalen Klamotten umherlief. Ihr Gesichtsausdruck war gar nicht so gelassen, wie man es von den Joys kannte. Statt freundlich zu lächeln schaute sie verkrampft umher, kaute auf ihrer Unterlippe und nestelte an ihrem T-Shirt, auf dem ein grinsendes Lektrobal abgebildet war. „Das ist unerhört, mein Pokémon braucht jetzt eine Versorgung nach dem Kampf!“, rief ein erboster Junge, doch seine Worte gingen im allgemeinen Gemurmel und Gezeter der Menschenmenge unter. Schwester Joy fuhr sich durch die offenen, rosafarbenen Haare und warf einen beinahe panischen Blick durch die Glastür hinter sich. „Es tut mir wirklich leid, aber der Computerserver hat einen Totalcrash. Heutzutage läuft alles über die Elektronik, die Maschinen im Center funktionieren bis auf Weiteres nicht mehr.“ „Als ob es nur die Maschinen wären, mein ganzer Rucksack ist nass!“ Ein Mädchen neben Summer rollte wütend mit den Augen und wandte sich an sie, als diese sie fragend anschaute. „Heute früh ist der Server ausgefallen und hat nicht nur das ganze Computersystem lahm gelegt, sondern auch die Rauchmelder anschlagen lassen. In jedem verdammten Raum hat’s von der Decke gepisst wie aus Eimern. Voll die Scheiße!“ Sie hielt ihr einen Reiseführer unter die Nase, der zwar mittlerweile getrocknet war, aber so gewellt war, dass man ihn kaum noch gebrauchen konnte. „Scheißdreck!“ Henry tippte Summer auf die Schulter und beugte sich zu ihr runter, damit sie ihn überhaupt richtig verstehen konnte. „Es sieht nicht danach aus, dass wir hier heute noch ein Zimmer bekommen. Lass uns zurück zum Pokémoncenter am Südring gehen.“ „Meine armen Füße“, war alles, was Summer erwiderte. Sie schulterte ihren Rucksack und folgte Henry vom Place Rose zurück zum Prismaturm. „Warum nehmen wir uns nicht einfach ein Taxi?“ „Die sind zu teuer.“ „Du hast noch gar nicht nach dem Preis geguckt.“ Sie wusste, dass Henry nicht so viel Geld zur Verfügung hatte wie sie, aber Summer wollte am liebsten keinen einzigen Meter mehr laufen. „Ich lade dich auf die Fahrt ein. Komm schon, Henry.“ Als er nicht antwortete, stellte sie sich vor ihn und zog eine Schnute. „Bitte.“ Er seufzte ergeben und schüttelte den Kopf. „Du kannst ganz schön anstrengend sein. Na schön, dann eben mit dem Taxi.“ Freudig rannte Summer – ungeachtet ihrer schmerzenden Füße – zum nächsten freien Taxi und winkte Henry zu sich. „Zum Pokémoncenter am Südring.“ Henry nahm neben ihr auf der Rückbank Platz, dann ging es auch schon los. So eine entspannte Methode von einem Ort an den anderen zu kommen, war Summer eindeutig lieber als das ständige Laufen. Gemütlich ließen sie sich von dem Taxifahrer durch die Straßen der Stadt chauffieren, bis sie nach einer guten Viertelstunde das Pokémoncenter am Südring erreichten. Summer zahlte den gewünschten Betrag, stellte dabei allerdings fest, dass dies ihr letztes Bargeld gewesen war und sie morgen unbedingt mit ihren Eltern telefonieren musste, damit diese ihr Geld zukommen ließen. „Wir hätten wirklich laufen können“, sagte Henry noch einmal und schaute sie mit einem durchdringenden Blick an. Sein Vater Caleb hatte nach seinem Ausstieg bei Team Dark lange Zeit keine richtige Arbeit gefunden und sich schließlich als Pizzabäcker selbstständig gemacht. Henry hatte es als Kind zwar an nichts gefehlt, aber er hatte auch nie so viel gehabt, wie das bei anderen Kindern der Fall war. Sein Zimmer war klein, aber seine Eltern hatten sich stets liebevoll um ihn gekümmert, auch wenn das Geld stets knapp war. Summer hingegen war eine Light und Geldsorgen waren ihr fern. Genau dieses leichtfertige Verhalten störte ihn von Zeit zu Zeit, was Summer auch wusste. Summer zuckte mit den Schultern und ging durch die automatischen Glastüren ins klimatisierte Innere des Pokémoncenters. Schwester Joy stand am Schalter und lächelte ihnen zur Begrüßung freundlich zu. Sie machte einen viel kompetenteren Eindruck als die Joy am Place Rose. „Guten Abend, wie kann ich euch helfen?“ „Wir hätten gerne zwei Plätze für die nächsten Tage. Am liebsten Einzelzimmer, aber wenn die schon belegt sind, nehmen wir auch den Schlafsaal.“ Schwester Joy wiegte ihren Kopf leicht hin und her. „Oh, das tut mir wirklich leicht, aber wir sind ausgebucht.“ „Wie bitte?“ Summer wurde blass. Sie musste sich verhört haben! „Wie kann ein Pokémoncenter ausgebucht sein?“ „Nun, Illumina City ist eine Großstadt, hat die Arena, viele Sehenswürdigkeiten und ist die kulturelle Metropole von Kalos. Wir sind immer gut belegt.“ Schwester Joy lächelte matt und tippte etwas auf die Computertastatur, auch wenn sie bereits sicher war, dass kein Bett mehr frei war. „Wie gesagt, wir sind leider bereits vollkommen ausgebucht. Das Pokémoncenter am Place Rose ist momentan geschlossen, deshalb sind heute alle freien Betten blitzschnell vergriffen gewesen.“ „Das kann doch nicht wahr sein!“ Summer stöhnte genervt und stützte sich mit den Ellbogen auf den Tresen. „Wir können auch im Schlafsack im Schlafsaal schlafen oder so.“ „Ah, das wird leider nicht möglich sein.“ Betrübt schaute die Joy auf ihre gepflegten Hände. „Wir haben Vorschriften wegen Brandschutz und so weiter, deshalb dürfen wir nicht mehr Trainer aufnehmen, als Betten zur Verfügung stehen. Im Pokémoncenter am Nordring sieht es auch nicht besser aus. Es gibt einige günstige Hotels in den Nachbarstraßen, wenn ihr euch umschauen geht. Vielleicht werdet ihr ja dort fündig.“ „Aber wir müssen irgendwo schlafen“, schaltete sich nun auch Henry ein und trommelte mit den Fingern auf dem Tresen herum. „Gibt es hier denn wirklich keine Möglichkeit?“ Schwester Joy schüttelte den Kopf. „Nein, es tut mir wirklich sehr leid. In ein paar Tagen wird das Pokémoncenter am Place Rose wieder offen sein, bis dahin müsst ihr euch eine andere Unterkunft suchen.“ Summer und Henry sahen sich einige Sekunden lang schweigend an, dann bedankten sie sich für die Auskunft und gingen zurück nach draußen. „Na toll.“ Summer schnaubte verächtlich. „Ich habe gerade mein letztes Geld für die Taxifahrt ausgegeben. Hast du genug mit, um uns ein Hotelzimmer zu bezahlen?“ Ihre Laune sank weiter in den Keller, als Henry zu Boden schaute. Natürlich hatte er kein Geld dafür übrig. „Die Sonne geht schon unter und wir haben keinen Ort, an den wir gehen können. Henry, wir sind obdachlos!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)