Paper Heart von Naoki_Ichigo (Das aus Worten kreierte Herz) ================================================================================ Prolog: Prolog: Mörder ---------------------- Kirâ Lautlos fielen die weißen Schneeflocken zu Boden. Es war Winter. Kurz vor Heiligabend, um genau zu sein. Die gesamte Umgebung war durch den Schnee weißgefärbt. Nur die Stämme der Bäume waren braun geblieben. Vollkommen normal. Ruhig lag ein in schwarze Kleidung gehüllter Junge im Schnee. Seine Augen sahen in die weite Ferne, fixierten aber keinen bestimmten Punkt. Der Boden neben ihm war mit roten Flecken bedeckt und auch sein sonst so reines weißes Haar wurde durch die hervorstehende Farbe entstellt. Er spürte seine rechte Gesichtshälfte kaum noch, während er die zahlreichen Schneeflocken, die auf seine linke Wange fielen, durchaus noch wahrnahm. Er sollte jetzt aufstehen und nach Hause gehen, wenn er hier nicht erfrieren wollte. Seine Eltern waren sicherlich noch nicht da. Ob sich jemand um den Kleinen kümmerte? Wohl kaum. Er musste los! Schwerfällig erhob er sich. Seine Sicht war verschwommen und seine Beine wollten ihn kaum aufrecht halten. So ein Dreck aber auch! Was war überhaupt passiert? Wieso war ihm gleichzeitig heiß und kalt? Wieso schmerzte sein Hals so sehr? Verwirrt sah er auf seine linke Hand, an deren Fingerspitzen sein Blut zu sehen war. Egal! Jeder Schritt war eine Qual, doch er durfte nicht nachgeben. Zuhause wartete sein kleiner Bruder auf ihn. Sonst niemand. Kapitel 1: Kapitel 1: Die ersten unsichtbaren Spuren ---------------------------------------------------- Ohne einen Ton von sich zu geben sprang die gelblich leuchtende Ziffernanzeige des schwarzen Digitalweckers von sieben Uhr auf sieben Uhr eins. Das Zimmer, in dem der Wecker regungslos auf einem kleinen Kästchen stand, war vollkommen verdunkelt. Doch die wundervolle Stille, die herrschte, wurde durch ein plötzliches, kräftiges Klopfen an der Zimmertür zerstört. Immer und immer wieder schlug irgendein Volldepp gegen das braune Holz. Welcher Idiot machte in aller Herrgottsfrüh einen solchen Radau? Murrend verkroch sich die Person, die in dem großen Bett lag, weiter unter die dicke, warme Decke. Dem Störenfried schien wohl nicht bewusst zu sein, dass es Menschen gab, die um diese Zeit noch schliefen beziehungsweise weiter schlafen wollten. Konnte ja nicht jeder so ein Gestörter sein, der derartig früh schon durch die Gegend hüpfte. Doch leider half das Ignorieren nichts. Wer auch immer da vor der Tür stand, war verdammt hartnäckig und nervend! Schlagartig wurde die weiße Decke zurück geworfen und der Junge, welcher der Inhaber des Raumes war, saß verschlafen im Bett und grummelte Schimpfwörter vor sich hin. Jugendliche, die man aus dem heiligen Schlaf riss, konnten verflucht verstimmt sein! Schlafende Hunde, in diesem Fall Teenager, sollte man bekanntlich ja nicht wecken. Gähnend stampfte der blonde Junge zur Schlafzimmertür, sperrte und riss sie auf, um seinen Gegenüber mit einem bitter bösen Blick zu strafen. Vor ihm stand nicht seine Schwester, was ihn aber nicht verwunderte, da jene es bereits aufgegeben hatte ihn zu wecken, sondern der ach so tolle Schülersprecher seiner Schule. Der Typ war nerviger als die Pest! Wieso durfte der überhaupt noch frei rumlaufen? Sowas wie der gehörte gesetzlich verboten! Reichlich genervt und wütend sah der blonde Junge zu dem älteren Schüler auf, da dieser ein gutes Stück größer war, als er selbst. „Was willst du, Akefia?“, fauchte der Junge so gut es ihm in seinem verschlafenen Zustand möglich war. „Dich wecken, was ja anscheinend geklappt hat“, antwortete der Gefragte grinsend. „Ja, hat es. Und jetzt hau ab!“ Wie oft wollte dieser Trottel diesen Scheiß eigentlich noch abziehen? Fast täglich kam der Weißhaarige morgens vorbei und warf ihn auf diese Art und Weise aus dem Bett, wodurch er sich natürlich keineswegs bei dem jüngeren Schüler beliebt machte. Vielleicht sollte er einfach mal zuschlagen. Wer weiß, möglicherweise sah der Schülersprecher dann ein, dass er nicht her kommen sollte. Klar, er könnte rein theoretisch auch einfach liegen bleiben und warten bis es Akefia zu blöd wurde, aber jener würde eher die Tür eintreten, als einfach aufzugeben und zu verschwinden. Leider. „Ach, Malik. Wieso stellst du dich nur so stur?“ Seufzend fuhr sich der Oberschüler durch sein Haar. Seit gut zwei Monaten kam er jeden Tag zu Malik nach Hause. Manchmal morgens und nachmittags, manchmal nur nachmittags. Doch jedes Mal, wenn er kam, traf er auf Maliks verschlossene Zimmertür. Er konnte nicht sagen, wieso, aber es schmerzte ihn in der Seele, dass er den anderen nicht erreichen konnte. Wieso sperrte sich ein so kluges und interessantes Wesen, wie Malik, nur in so eine dunkle Kammer, die er als Zimmer bezeichnete, ein? „Wie wäre es, wenn du mal wieder mit in die Schule kommen würdest? Wir bereiten heute alles für das morgige Schulfest vor. Mit dem Fest soll die Klassengemeinschaft gestärkt werden. Ist doch eine schöne Idee, nicht wahr?" Zuversichtlich lächelte Akefia Malik an. Gegen ein Fest konnte man doch nichts sagen und auf diese Art und Weise konnte der jüngere Ägypter auch Kontakt mit seinen eigentlichen Mitschülern knüpfen. Und vielleicht würde er auch Lust bekommen wieder regelmäßig in die Schule zu gehen. Klar, Schule war immer so beliebt wie Fußpilz, aber wenn man Freunde dort hatte, war es um einiges erträglicher. "Außerdem ist es viel schöner, als ständig in diesem langweiligen Zimmer zu hocken und Tag täglich den selben Mist zu machen und zu sehen", fügte der Schülersprecher der Domino City Oberschule noch hinzu. Von Isis, Maliks Schwester, hatte er erfahren, dass Malik auch oft bei schönem Wetter lieber in seinem Zimmer hockte und Videospiele zockte oder ein Buch las. Gegen das Buch war ja nichts zu sagen, aber man könnte es bei gutem Wetter auch draußen lesen. Hatte bis jetzt noch niemanden umgebracht, soweit Akefia informiert war. „Halt dein Maul, Akefia! Ich kann tun und lassen, was ich will! Also tu mir den Gefallen und sieh zu, dass du Land gewinnst!" Damit war das Gespräch für Malik beendet. Kräftig schlug er die Zimmertür zu, schloss ab und legte sich wieder in sein Bett. Es war noch viel zu früh zum Aufstehen. * Regelmäßig atmete Malik ein und aus. Nach Akefias Besuch hatte er zwar geschafft wieder einzuschlafen, doch keine zwei Stunden später war er wieder erwacht. Dieses Mal hatte ihn aber kein Klopfen geweckt und auch nicht der Wecker. Jener schwieg immer. Ausgeschlafen war Malik auch nicht. Wieso er dann überhaupt aufgewacht war, wusste er nicht. Stumm lauschte der Blondschopf in die Stille. Er konnte nicht mal die Vögel hören, die draußen fröhlich vor sich hin zwitscherten. Langsam streckte er seine Hand nach einem schwarzeingebundenen Buch, das auf dem Nachtkästchen lag, aus. Sacht fuhr er mit der anderen Hand über den Einband. Vor gut drei Tagen hatte er mit dem Lesen angefangen und bereits ein Drittel der Geschichte geschafft. Normalerweise war er schneller, doch irgendwas veranlasste ihn dazu, die bereits gelesenen Kapitel ein weiteres Mal durch zu gehen. Er wollte nichts übersehen! Alles war wichtig! Seufzend setze sich Malik auf. Er hatte keine Lust im Bett zu lesen, vielleicht sollte er raus gehen. Wie das Wetter wohl war? Vielleicht konnte er sich im Garten auf die Hollywoodschaukel legen. Es war ein tolles Gefühl bei schönem, warmen Wetter draußen zu liegen und zu lesen - auch wenn er es nur selten tat. Den Grund dafür konnte er nicht nennen, er wusste ihn selbst nicht. Dabei mochte er es doch eigentlich, wenn ab und zu kam ein leichter Windhauch, der den Körper etwas abkühlte und Erfrischung, auf kam. Er mochte die Sonne und die Wärme, die sie mit sich brachte. Malik sah zu seinem Wecker: Acht Uhr fünfzig. Die Schule hatte vor kurzem Angefangen. Das war gut, so würden ihn diese lärmenden Schulkinder nicht nerven, wenn er sich in die wundervolle Welt von "Kirâ" begab. Eigentlich war es eine eher traurige Geschichte, doch meistens las er sie mit einem Lächeln im Gesicht. Vielleicht lag das daran, dass er selbst nicht mit diesem traurigen Schicksal, welches die Hauptcharaktere ereilt hatte, gestraft war und er daher nicht allzu oft daran dachte, sondern die gerade geschilderten Momente einfach genoss und dementsprechend auch oft als eher erheiternd empfand. Sein eigenes Leben war bis jetzt auch nicht wirklich rosig gewesen, weswegen er nicht unbedingt zu den Frohnaturen der Welt gehörte. Ohne jegliche Hektik stieg Malik aus dem warmen Bett. Wenn er raus wollte, sollte er sich erst ein wenig herrichten. Sein Aussehen war ihm sehr wichtig. Er liebte es in den Spiegel zu sehen und sagen zu können, dass er schön war. Wie andere Menschen ihn sahen und ob sie ihn als schön empfanden oder nicht, war ihm egal. Natürlich gefiel es ihm, wenn man ihn deswegen ein Kompliment machte, doch oftmals war er schlussendlich nur auf sein Äußeres reduziert worden. Ja, er war blond. Ja, er legte viel Wert auf sein Äußeres. Aber nein, er war nicht dumm! Er hatte die Mittelschule als bester abgeschlossen, dabei war es sein erstes Schuljahr in Japan gewesen. Das sollte man ihm mal nachmachen. Immerhin wohnte er insgesamt erst seit gut eineinhalb Jahren hier, was man ihm aber gar nicht anmerkte, denn sein japanisch war verdammt gut. Nicht perfekt, aber das war das der richtigen Japaner auch nicht. Das Badezimmer lag direkt neben dem Schlafzimmer des Jungen und war mit diesem durch eine Tür verbunden. Der Raum war mit grau-schwarzen Fließen ausgelegt und besaß eine Fußbodenheizung, die von Malik das ganze Jahr über genutzt wurde, denn selbst im Sommer war es ihm morgens zu kalt. Der Blondschopf gehörte zu den Menschen, die es gerne warm hatten. Dies lag seiner Meinung nach aber nicht daran, dass er ursprünglich aus Ägypten kam, sondern einfach daran, dass er die Kälte schon zu lange ertragen musste. Ein Blick in den Spiegel genügte, um Malik zu der Erkenntnis kommen zu lassen, dass er wieder duschen musste. Wie er es doch hasste. Klar, danach fühlte er sich immer um einiges wohler und gewaschen war man um einiges schöner, als verdreckt, aber dennoch konnte er es nicht leiden. Immerhin fror er nach dem Duschen immer so sehr und das Nacktsein gehörte auch nicht zu den Dingen, die ihm gefielen. Doch wie hieß es so schön: Wer schön sein wollte, musste leiden. Nieder mit dieser verfluchten Schönheit! Langsam zog sich Malik seinen Schlafanzug aus, um zu duschen. Er kniff die Augen zusammen und stellte das Wasser an. Wenn er erst einmal nass war, dann würde alles leichter gehen - dann musste er es auch bis zum Ende durchziehen. Obwohl die Temperatur des Wassers auf "warm" gestellt war, war die erste Ladung aus dem Duschkopf eisigkalt. Abhärtung am frühen Morgen. Nein, er war nicht masochistisch veranlagt. Wirklich nicht. Schnell war der schlanke Körper des jungen Ägypters mit Wasser benetzt. Das blonde Haar hing schlaff herab und klebte an der gebräunten Haut. Malik wartete ein paar Minuten, bis er das Wasser wieder abstellte und nach seinem Lieblingsshampoo griff. Beim Haare waschen ließ er sich gerne Zeit, da er es als äußerst wohltuend empfand, wenn er das Shampoo auf seinem Kopf verteilte. Sozusagen eine kleine Kopfmassage. Genüsslich schloss er dabei die Augen. Auf diese Art und Weise nahm er die Berührungen viel intensiver wahr. Oder bildete er sich dies nur ein? Egal, die Hauptsache war doch, dass es ihm gefiel. Schnell den Schaum wieder runter waschen und von vorne beginnen, damit die Haare auch ja wieder so glänzend schön waren, wie sonst auch. Nach dem Haarewaschen war dann logischerweise der restliche Körper an der Reihe. Malik konnte genau diesen Teil nicht leiden. Er stand nackt und nass in einem viel zu großen, gefliesten Raum, der eine Kälte ausstrahlte, die ihm unangenehm war, und sollte sich dann selbst berühren. Für einen Außenstehenden klang das jetzt wahrscheinlich vollkommen bescheuert, da es doch eigentlich das normalste der Welt war, aber wenn man wusste, was in Malik vorging, dann konnte man es durchaus verstehen. Nur wie sollte man denn wissen, was in dem Blondschopf vorging, wenn man nicht er war? Malik konnte es sich ja selbst kaum erklären, aber er empfand jede Art von Berührung als unangenehm, manchmal sogar als widerlich oder gar schmerzhaft, selbst wenn es nur unscheinbare waren, wie eine sanfte Umarmung. Seufzend griff der junge Ägypter nach dem Duschgel und verteilte es dann auf seinem Körper. Augen zu und durch war hier die Devise. Je schneller er das alles hinter sich brachte, umso schneller konnte er weiter lesen! Brav, wie er nun mal war oder auch nicht, wusch er sich auch hintern den Ohren und sogar zwischen den Zehn und nach einer halben Ewigkeit war auch der Rücken eingeseift. War sich zu Waschen nicht eigentlich eine totale Geldverschwendung? Kaum hatte er das Shampoo in den Haaren oder die Seife am Körper wurde sich auch gleich wieder vom Wasser weggespült. Klar, nach dem Duschen oder Baden roch man gut und meistens fühlte man sich danach auch viel besser, aber rein theoretisch würde man eine Menge Geld, Wasser und weiß der Geier was noch sparen, wenn man aufhören würde mit dem Waschen oder es zumindest reduzieren würde. Wieso dachte er eigentlich so oft, über so seltsame Dinge nach? Vielleicht weil diese seltsamen Dinge meist zu einem Bereich gehörten, den er nicht mochte und den man seiner Meinung nach streichen oder kürzen könnte. Ganz normal, oder? Nachdem er sich die Seife wieder herunter gespült hatte, stieg Malik aus der Dusche und griff nach einem der Handtücher, die auf einem der niedrigeren Badschränke lagen. Schnell trocknete er sich ab, band sich eines von ihnen um die Hüfte und begab sich wieder in sein Schlafzimmer. Er hatte vergessen sich frische Kleidung mit ins Bad zu nehmen. Als erstes zog er sich natürlich eine Boxershort an. Und schon fühlte er sich nicht mehr nackt. Nun kam der schwierigere Teil. Was sollte er sich jetzt anziehen? Wie wurde das Wetter heute? Gestern hatte der Wettbericht gemeint, dass es heute bis in den Spätnachmittag warm und trocken sein solle, gegen Abend sollen dann aber Gewitterwolken aufziehen. Da er eh vor hatte nicht allzu lang draußen zu bleiben und es in seinem Zimmer immer angenehm warm war, zog er sich eine kurze Hose und ein T-Shirt an. Als nächstes war Haare föhnen angesagt und somit verschwand Malik auch schon wieder im Badezimmer. Es dauerte ein wenig, bis er den Föhn gefunden hatte, da er seine Haare meist von der Luft trocknen ließ. Ohne jegliche Hektik schloss er das Gerät an und schaltete es an. Zum Föhnen selbst setzte er sich auf den weißen Badhocker, den seine große Schwester sich eigentlich für ihr Bad gekauft hatte - es stellte sich aber heraus, dass das Weiß des Bades nicht das gleiche Weiß war, wie der Hocker. Eine tragische Geschichte. Nun stand das Teil bei dem blonden Jungen herum und diente meist als Ablage. Richtig genutzt wurde es eben nur beim Föhnen. Malik ließ sich dabei sehr viel Zeit. Er mochte den warmen Wind, der ihn dann durch sein Haar wehte und auch sein Gesicht streifte. Da keine Eile für ihn bestand, föhnte der Oberschüler heute nicht nur seine Haare, sondern auch sein Gesicht, seine noch nackten Füße und seine Unterarme. Natürlich nicht zu lange, da es mit der Zeit zu warm wurde, aber immer mal wieder, bis ihm einfiel, dass er ja noch raus wollte. Das Gerät wurde also wieder ausgeschaltet und aufgeräumt, dann nahm Malik seine Zahnbürste, die Zahnpasta und putzte sich seine Zähne. Weiße Zähne waren ihm sehr wichtig. Sie gehörten immerhin zu einem guten, einem schönen Aussehen. Irgendwann hatte Malik es dann doch irgendwie geschafft im Bad fertig zu werden. Es hatte ja nur eine halbe Ewigkeit gedauert. Aber sein Aussehen war dem Jungen eben äußerst wichtig. Es war Etwas, dass man sich eigentlich nicht kaufen konnte, wenn man von der natürlichen Schönheit und nicht der künstlichen ausging. Hinzukam noch seine Intelligent. Auch Etwas, dass man sich nicht wirklich kaufen konnte. Niemand würde es ihm nehmen können - dass redete er sich zumindest immer wieder ein. Mit schnellen Schritten begab sich Malik wieder in sein Zimmer, um sich seine Lektüre und eine Decke sowie ein paar Kissen zu schnappen. Er wollte sich auf der Hollywoodschaukel gemütlich machen. Ob Isis die Rücklehne wieder aufgestellt hatte? Er selbst saß eher weniger auf der Hollywoodschaukel, meistens klappte er die Rückenlehne um und legte sich dann hin. War doch viel gemütlicher, als zu sitzen. Vorsichtig stieg er die Treppenstufen herab. Es wäre wohl besser gewesen, wenn er nicht alles auf einmal genommen, sondern lieber öfters gegangen wäre, aber jetzt hatte er schon die Hälfte geschafft, da würde er sicherlich nicht noch mal umdrehen. Leider übersah Malik die letzte Stufe und wäre auch fast auf dem harten Boden gelandet, wenn ihn nicht jemand aufgefangen hätte. Ein normaler Mensch würde sich nun für die Hilfe bedankt, aber da man den blonden Oberschüler nicht unbedingt als "normal" bezeichnet konnte, was er selbst auch gar nicht tun würde, stieß den anderen lieber weg - natürlich erst, als er sicher war, dass er sicher auf seinen eigenen Beinen stand - und fauchte ihn an: "Nimm deine Pfoten von mir! Grabsch meine Schwester so viel an, wie du willst, aber lass mich in Ruhe! Perversling!" Rasch sammelte er seine Sachen zusammen und ließ den anderen alleine im Flur stehen. Jener strich sich durch sein langes, dunkelbraunes Haare und seufzte. Mahad, so der Name des jungen Mannes, der Malik zuvor angefaucht hatte, wohnte jetzt seit einem dreiviertelten Jahr bei dem Schüler und dessen Schwester Isis. Der Blondschopf und er waren von Anfang an nicht sonderlich gut miteinander ausgekommen, was aber vor allem an dem abweisenden Verhalten des Jungen lag. Mahad war ebenfalls Ägypter und arbeitete in einer Anwaltskanzlei und bald war er auch ein richtiges Familienmitglied. In gut drei Monaten wollten Isis und er heiraten. Natürlich war Malik vollkommen dagegen, doch die Proteste des Jungen würden einfach überhört. Heute hatte der junge Anwalt sich frei genommen, da es noch ein paar Dinge für die Hochzeit zu regeln gab, vor allem familiäre Sachen. Isis meinte außerdem, ihr fast Ehemann und ihr kleiner Bruder könnten sich so näher kommen. Meistens waren die beiden nämlich nur dann in einem Raum, wenn die schwarzhaarig Ägypterin ebenfalls dabei war. Alles in allem war die momentane häusliche Situation nicht besonders prickelnd. Murmelnd begab sich Mahad wieder ins Wohnzimmer, in dem er zuvor noch gearbeitet hatte, bis Maliks Gepolter ihn in den Flur gelockt hatte. Was sollte er jetzt machen? Wenn er nach draußen ging, so wie Malik, würde sich jener sicherlich von ihm bedrängt fühlen. Wenn er aber drinnen blieb, dann würden sie beide wahrscheinlich niemals einen Nenner finden. Egal was er tat, es war eh falsch, also warum nicht einfach mal einen Annäherungsversuch starten? Konnte ja nur schief gehen. Gemächlich packte der Braunhaarige seine sieben Sachen zusammen und breitete sie dann auf dem mittelgroßen Tisch auf der Terrasse wieder aus. Von dort konnte er Malik sehen, jener sah ihn, aber es lag genug Distanz zwischen ihnen, sodass sich eigentlich keiner bedrängt fühlen konnte. Aber gut, bei Malik wusste man nie. Aus der Küche holte sich Mahad noch eine Tasse Tee und machte sich dann an seine Arbeit. Die Hochzeitsreise musste noch gebucht werden und ein paar Familienmitglieder des jungen Anwaltes mussten noch über die baldige Hochzeit informiert werden. Manchmal war es nicht einfach, wenn die Familie auf der ganzen Welt verstreut lebte. Malik machte es sich, während Mahad seinen Arbeitsplatz nach draußen verlegte, auf der Hollywoodschaukel bequem. Da es noch relativ frisch war, beschloss der Blondschopf, neben seiner noch eine weitere Decke zu holen und sich damit zu zudecken. Es dauerte noch ein bisschen bis er endlich die geeignete Position zum Lesen gefunden hatte. Voller Vorfreude schlug er das Buch mit dem schwarzen Einband, auf dem lediglich ein Vollmond und ein Schmetterling abgebildet waren, auf. Der Buchtitel war in rot geschrieben und kam besonders dadurch zur Geltung, weil hinter dem Titel der helle Mond abgebildet war. Als der Oberschüler die Seite aufgeschlagen hatte, zwischen denen immer noch das Lesezeichen von gestern klemmte, suchte er noch schnell den richtigen Absatz und verlor sich dann schon nach wenigen Sätzen in der geschriebenen Welt. * Während er las bekam er gar nicht mit, wie seine Schwester nach Hause kam. Nicht einmal das Wetter, welches zuerst angenehm warm sowie freundlich war und dann immer schlechter wurde, nahm er richtig wahr. Erst ein kalter Regentropfen, der ihm auf die nackte Fußsohle fiel, brachte ihn in die Realität zurück. Nicht sonderlich begeistert von den dunklen Wolken, die im Anmarsch waren, klappte er das Buch wieder zu und fing an aufzuräumen. Zwar war er nicht aus Zucker und Regen hatte bis jetzt auch noch niemanden umgebracht, aber nass wollte er dennoch nicht werden. Außerdem war Regen kalt! Dieses Mal entschied er sich, nicht alles auf einmal zu tragen, sondern lieber zwei Mal zu gehen. Jeder Schritt hielt fit. Und es war sicherer. Er wollte nicht wieder eine Stufe übersehen und dieses Mal würde er wohl oder übel den Boden begrüßen, immerhin würde dieses Mal kein langhaariger Anwalt zu seiner Rettung eilen. Der war ihm eh zu wider. Wie konnte sich seine Schwester nur in so einen ekeligen Mann verlieben? Und ihn auch noch zum Ehemann nehmen. Gut, noch waren die beiden nicht verheiratet, aber bald. Sehr bald. Unachtsam warf Malik die Sachen auf sein Bett, lediglich das Buch legte er sachte auf den Schreibtisch ab. Bücher wurden nicht durch die Gegend geworfen, zumindest keine der guten Sorte. Eine der beiden Decken, die er in sein Zimmer, welches im ersten Stockwerk lag, gebracht hatte, breitete auf dem Boden aus. Dann schnappte er sich wieder das Buch und las weiter. Das Fenster über dem Schreibtisch war immer noch offen. Er hatte es geöffnet kurz bevor er sich vollbepackt auf den Weg in den großen Garten gemacht hatte. Um besser in das Geschehen rein zu kommen, las er den letzten Absatz noch einmal. Immerhin kam jetzt gleiche ein spannende Stelle und bei sowas wollte man doch voll im Bilde sein, ansonsten würde sie doch keinen Spaß machen. So sah Malik dies zumindest. * Sein Atem ging schnell. Der Schweiß lief ihn über den erhitzen Körper. Links. Rechts. Geradeaus. Immer wieder bog er in eine Seitengasse ab, kehrte aber bald wieder auf die breite und belebte Hauptstraße zurück. Wenn er unter Menschen war, konnte ihn sein Verfolger nicht so schnell aus machen. Zwar bestand die Gefahr, dass ein Zivilist verletzt wurde, aber dem Weißhaarigen war das relativ egal. Er durfte sich jetzt nicht erwischen lassen. Ihm war bewusst, dass er nicht ewig weglaufen konnte, doch noch war nicht der richtige Zeitpunkt, um sich seinen Verfolger zu stellen. Dafür musste er sich einen weniger belebten Ort suchen, denn er wollte unerkannt bleiben. Niemand würde sich lange an einen Jungen mit weißen, langen Haaren erinnern, aber einer der jemanden erschoss, würde vielen im Gedächtnis bleiben. Vom Krankenhaus aus, an dem er gerade vorbei lief, lag ungefähr drei Kilometer in westlicher Richtung eine alte, verlassene Lagerhalle, die er sehr gut kannte, da er diese oft als Versteck benutzte. Wieso außer ihm scheinbar noch keiner auf die Idee gekommen war, sich dort von Zeit zu Zeit nieder zu lassen, war ihm fraglich. Aber gut, je weniger sich dort aufhielte, umso besser für ihn. Jetzt musste er nur noch bis dorthin durchhalten und es würde alles gut werden. Sein Verfolger würde keine Chance gegen ihn haben! Außer Atem schaffte es der Weißhaarige an sein Ziel. Nur noch wenige Schritte trennten ihn von der großen stählernen Tür. Wachsam sah er sich um. Noch war niemand zu sehen oder zu hören, aber dies konnte sich jeder Zeit ändern. Es würde nur noch ein paar Sekunden dauern, bis sein Verfolger zu hören wäre, da war er sich sicher. Er spürte förmlich wie der andere näher und näher kam. Doch anstatt nun zu hetzten, um ja einen Überraschungsangriff starten zu können, schlenderte er fast schon auf das Tor zu und öffnete es in aller Seelenruhe. Hier würde ihn niemand dabei zu sehen, wie er dem anderen sein Lichtlein auspustete. Keiner würde sich an ihn erinnern. So, und nur so, war es richtig! * "Malik, Abendessen ist fertig! Kommst du bitte runter?", rief eine weibliche Stimme. Malik erschrak fürchterlich, als er sie höre. Er war viel zu sehr mit dem Lesen seines Buches beschäftigt gewesen. Seit wann war seine Schwester eigentlich wieder da? Hatte Akefia seinen täglichen, abendlichen Besuch bereits hinter sich gebracht? Wenn ja, wieso hatte sich der Depp dann nicht bei ihm gemeldet? Normalerweise kam der Kerl doch liebend gern zu ihm hoch und klopfte wie ein Gestörter solange an seine Zimmertür, bis Malik nachgab und aufmachte. Hatte er dies alles vor lauter lesen gar nicht mitbekommen? Hastig sprang der Blondschopf auf und verließ sein Zimmer. Zwar hatte er keine große Lust mit Isis und seinem zukünftigen Schwager gemeinsam zu Abend zu essen, aber je schneller er das ganze hinter sich brachte, um so eher konnte er wieder zu seinem heißgeliebten Buch zurück. Beim Treppen runter laufen achtete er aber dieses Mal auf seine Füße, da er nun wirklich keine Lust darauf hatte, auf die Nase zu fallen. Mahad würde ihn nicht wieder auffangen und dies wollte Malik auch gar nicht. Der Typ sollte ihm bloß vom Leib bleiben! In der Küche warteten bereits Isis und Mahad. Der Tisch war gedeckt, dass Essen befand sich noch unangetastet in den Töpfen - man durfte sich erst etwas nehmen, wenn alle anwesend waren - und alles wartete nur noch auf Malik, der sich viel Zeit dabei ließ zu seinem Platz zu schlürfen und sich zu setzen. Neben dem Oberschüler saß dessen Schwester und ihm gegenüber saß der braunhaarige Anwalt, welcher mit feindseeligen Blicken gestraft wurde. Da jener heute den ganzen Tag über Zuhause gewesen war, war es für diesen selbstverständlich, dass er auch das Abendessen kochte - das Mittagessen hatte er zwar auch gemacht, doch Malik hatte ihn ja erfolgreich ignorieren können. Isis hatte lediglich bei der Nachspeise mitgeholfen, da sich ihr fast Ehemann nicht wirklich sicher war, was genau Malik denn bei Süßspeisen so schmeckte - der Junge war eine Klasse für sich. Nun gut, jetzt musste man den Jungen erst einmal dazu bringen, überhaupt etwas von dem Gekochten zu probieren. Auch wenn der junge Ägypter blond war, hieß das noch lange nicht, dass er auch blöd war. Ihm war vollkommen bewusst, dass Mahad das Essen zubereitet hatte und Mahad war das Böse in Person! Es gab Hackbällchen umhüllt von irgendwelchem Grünzeug. Sah nicht wirklich lecker aus und es roch auch nicht sonderlich appetitlich. Ohne dass er darum gebeten hatte, gab ihm Isis eine ganz große Portion von dem seltsamen Etwas, das man ihm hier als Essen verkaufen wollte. Mit angewidertem Gesichtsausdruck stocherte er daraufhin mit der Gabel in dem Etwas herum. "Sieht ekelhaft aus", meinte Malik und sah dabei zu Mahad. "Malik, probier das ganze doch erst einmal, wenn es dir nicht schmeckt, kannst du es ja immer noch stehen lassen", schlug Isis vor, die keine Lust auf einen Streit hatte. Sie war dieses ewige Gemecker allmählich leid. Anfangs hatte sie für das Verhalten ihres Bruders Verständnis aufgebracht, aber mit der Zeit konnte sie dies einfach nicht mehr ertragen. Was war nur Maliks Problem? Anstatt endlich mal Klartext zu reden, schwieg der blonde Junge und zickte rum. Auf die Dauer machte dies einen einfach nur fertig. Isis liebte Mahad und er liebte sie. Sie wollten heiraten und irgendwann einmal eigene Kinder haben. Nur Malik war dagegen und hielt dies nicht hinterm Busch. "Hab keinen Hunger." Wie ein bockiges Kind. "Dann iss halt nichts, aber du weißt, dass es dann heute nichts mehr gibt. Auch keine Süßigkeiten." Als ob das irgendwas bringen würde. Malik tat was er wollte - immer. "Hör auf mich wie ein kleines Kind zu behandeln. Ich kann selbst entscheiden, ob ich etwas esse oder nicht." Genervt schob Malik seinen Stuhl zurück und wollte wieder in sein Zimmer gehen. Da seine Schwester aber wollte, dass sie zusammen aßen, hielt ihn davon ab: "Hier geblieben! Auch wenn du nichts isst, wirst du am Tisch bleiben, bis Mahad und ich fertig sind. Du kannst nicht immer alles so machen, wie du willst." "Und du musst hier nicht auf Familie machen. Wir sind keine und werden es auch nie sein. Ende. Außerdem kannst du doch froh sein, wenn ich weg bin, immerhin kannst du dann mit deinem dämlichen Mahad schmusen." Wieso strafte man ihn denn nur so? Seit Isis mit dem Anwalt zusammen war, meinte die Gute, sie müssten einen auf "Friede-Freude-Eierkuchen"-Familie machen. Aber das waren sie nicht. Weder vor Mahads Erscheinen, noch danach. Bevor die beiden Geschwister in ein lautstarkes Streitgespräch verfallen konnten, mischte sich der braun Haare junge Mann ein. "Isis, vielleicht hat Malik im Moment wirklich keinen Hunger. Er isst bestimmt später ein bisschen was und das reicht doch auch." Alle drei wussten, dass dies nicht der Fall sein würde. Der Blondschopf aß im Allgemeinen einfach viel zu wenig. Meistens musste man ihn wahrlich dazu zwingen auch nur ein Bissen zu probieren. Lediglich Süßigkeiten gingen immer. Wie bei einem kleinen Kind. Doch Süßigkeiten waren nicht gesund und Gesundheit war für die junge Frau sehr wichtig, besonders wenn es um ihren kleinen Bruder ging, denn sie wirklich sehr liebte, auch wenn jener dies wohl nicht immer ganz so zur Kenntnis nahm. "Wenn es Malik recht ist, kann ich ihm auch einen Salat zubereiten. Gegen den kann man doch nichts sagen, oder?" Im Grunde nicht, aber da das Essen von Mahad kam, war es schon rein aus Prinzip ekelhaft. "Ihr beide könnte weiter turteln, ich geh jetzt." Und schon war der Oberschüler aus der Küche verschwunden. Liebespaare waren schon ein widerliches Völkchen. Ständig dieses Rumgesülze und Geschmuse. Wieso konnten die sich nicht auch weiterhin, wie normale Menschen benehmen? Unglaublich sowas! * Die einst weißen Wolken hatten sich inzwischen schwarz gefärbt. Ein Gewitter stand kurz bevor. Die Temperaturen waren mittlerweile gesunken und auch der Wind war nun nicht mehr angenehme kühl, sondern unangenehm kalt. Es roch schon nach Regen. Die weißen Vorhänge wurden von dem Wind hin und her geweht, die Blätter des offenen Buches wurden wie von Geisterhand umgeblättert. Die ersten Regentropfen machten es sich auf den Fensterscheiben gemütlich. Man konnte den Donner hören, jetzt fehlten nur doch die Blitze. * Seufzend öffnete Malik seine Zimmertür. Er hasste es, wenn seine Schwester und Mahad einen auf Familie machten - er fühlte sich dann immer so ausgegrenzt. Jedes Mal auf ein Neues kam er sich wie ein Außenseiter vor. Das war einfach nicht seine Welt. Wieso musste Rishid heiraten und weg ziehen? Wieso musste Isis ihm jetzt nach machen? Wieso musste es denn Mahad sein, in den sie sich verliebte? Wieso musste das alles nur so kompliziert sein? Ohne sich großartig umzusehen, schloss er die Tür gleich wieder. Eine Angewohnheit von ihm. Erst als er das alt bekannte klicken hörte, wandte er seinen Blick wieder nach vorne und wusste dann erst einmal nicht, was er tun sollte. Er blinzelte einmal. Keine Veränderung. Er blinzelte noch einmal. Immer noch der selbe Anblick, wie zuvor. Noch einmal blinzeln. Wieder änderte sich nicht an dem, was er sah. Langsam machte der Blondschopf einen Schritt nach vorne, öffnete den Mund um etwas zu sagen - schloss ihn wieder. Versuchte es dann aber noch einmal, doch so recht wollte es nicht klappen. "Hä?" Eine kurze Erklärung, was denn jetzt auf einmal bei Malik schief war. Mitten in dessen Zimmer stand ein junger Mann. Seltsam genug, oder? Dieser junge Mann hatte langes, weißes Haar und braune Augen. Nicht unbedingt so besonders. Heutzutage konnte man jede Haarfarbe haben, wenn man wollte. Das Sonderbare war eher die Tatsache, dass der werte Herr genauso aussah, wie der Hauptcharakter aus Maliks neuster Lektüre. Vielleicht ein sogenannter Cosplayer, der sich in das Schlafzimmer des Oberschülers verirrt hatte? Wohl eher weniger. Der Typ sah einfach zu echt aus. Und was sollte auch ein Cosplayer bei dem jungen Ägypter im Zimmer? Eine Sekunde lang verschwendete Malik sogar einen Gedanken daran, dass vor ihm der echt Eizô Bakura - so der Name der Hauptperson aus dem Buche "Kirâ" - vor ihm stand, aber das war vollkommen unmöglich. Aber wer stand da jetzt in seinem Zimmer? Und wie kam der Kerl überhaupt unbemerkt hier rein? Und was wollte der Typ hier überhaupt? Und wieso hatte der Fremde eigentlich eine Waffe in der Hand? Und wieso um alles in der Welt machte er eigentlich nichts, außer den Fremden blöd anzugaffen? Sollte er nicht eigentlich Angst haben? __________________________________________________________________ Kira Gelangweilt saß er in der Küche und schob sich ein kleines Gurkenstück in den Munde, auf dem er dann lustlos herum kaute. Seine Eltern waren nicht da. Sie waren auf einer ach so wichtigen Veranstaltung. Sein kleiner Bruder lag brav in seinem Bettchen und schlief. Während er aß sah er sich in der weißen Küche um. Alles wirkte mit einem Mal so fremd. Zwar fühlte er sich inzwischen wieder gut, aber trotzdem war irgendwas komisch. Er sollte vielleicht mal nach dem Kleinen sehen. Gedacht - getan. Langsam erhob er sich und verließ die Küche. Seit wann war der Flur eigentlich so unerträglich weiß? Wieso war in diesem Haushalt eigentlich fast jeder Raum in weiß gestrichen? Stand diese Farbe nicht eigentlich für Unschuld, Reinheit und so einen Mist? Ziemlich unpassend. Gedankenverloren trottete durch den Gang. Das Zimmer seines kleinen Bruders lag hinter der vierten Tür von links. Es war ein recht kleiner Raum, aber so ein kleiner Zwerg brauchte jetzt nicht unbedingt das größte Zimmer. Außerdem hatte sein Brüderchen sogar noch ein extra Spielzimmer. Alles war er selbst als Kind nicht gehabt hatte. Er hatte gefälligst in seinem kleinen Zimmer zu spielen und ja nicht zu nerven. Ein Glück, dass es dem Kleinen nicht so erging, dafür war jener viel zu niedlich. So leise wie nur möglich öffnete der Weißhaarige die Tür und trat in den dunklen Raum. In der Mitter stand das kleine Kinderbett, in welchem sein Bruderherz friedlich vor sich hin schlummerte. Die zierlichen Ärmchen waren um das viel zu große Stoffhäschen geschlungen. Sachte strich er dem Kind über den Kopf, welches sofort die Augen aufschlug und den größeren ansah. Er hatte ihn geweckt. "Na, Kyô, hab ich dich geweckt?" Ein Nicken. "Tut mir leid. Das wollte ich nicht." Hatte der Kleine schon immer so einen leichten Schlaf gehabt? War ihm gar nicht aufgefallen. * Mit einem zufriedenen Lächeln sah der Weißhaarige auf das brennende Haus. In ein paar Stunden würden seine Eltern wieder kommen. Ihre dämlichen Gesichter würde er nur zu gerne sehen, aber er konnte nicht. Er musste weg von hier. Wieso hatte er sich nicht schon früher dafür entschieden zu gehen? Vielleicht weil er nie wusste, wohin er dann sollte. Gut, im Moment hatte er auch keine Ahnung, wo er hin sollte, aber es war ihm egal. Anders als seine Eltern besaß er ein Gehirn, dass er sogar zu gebrauchen wusste. Gut, die beiden verdienten verdammt viel und hatten eigentlich auch sehr gute Berufe, aber sobald es um Etwas ging, dass nicht mit der Arbeit zu tun hatten, waren die Herrschaften vollkommen aufgeschmießen. Er seufzte ein Mal, schnappte sich dann die Tasche, in die er die nötigsten Sachen gepackt hatte, und sah dann noch ein letztes Mal auf das Haus. Eigentlich war es schade um das Gebäude. An sich war es doch recht schön gewesen, leider hatte es die falschen Besitzer abbekommen. Da konnte man wohl nichts machen, was? "Na dann, mein Kleiner, lass und gehen." Mit der rechten Hand nahm er seinen kleinen Bruder hoch, der sich sofort an ihn kuschelte, die Augen schloss und weiter schlief. Es war immerhin Nacht. ____________________________________________________________________ Kapitel 2: Kapitel 2: "Und wenn du dich zu Tode liest, ist mir doch egal!" -------------------------------------------------------------------------- Regungslos stand Malik da und starrte seinen Gegenüber an. Was sollte er jetzt tun? Der andere machte ebenfalls nichts. Wahrscheinlich wusste jener genauso wenig, was nun zu tun war. Immer wieder wanderte der Blick des jungen Ägypters über den Körper des Fremden und landete schlussendlich jedes Mal bei der Waffe, die sich in der rechten Hand des anderen befand. Er musste schlucken. Als er vor einigen Wochen mal aus reiner Langeweile so durch das Internet gesurft war, war er auf ein paar Seiten gestoßen, auf denen man sogenannte "Fanfiktion"s veröffentlichen konnte. Kurz gefasst waren "Fanfiktion"s Geschichten von Fans für Fans. Es gab ganz viele Bereiche: Videospiele, Serien, Kinofilme, Bücher und so weiter, über die man eine dieser Geschichten schreiben konnte. Neugierig wie er nun mal war, hatte er natürlich gleich mal nachgeschaut, ob es auch zu "Kirâ" etwas gab, was auch der Fall gewesen war. In einer Geschichte ging es darum, dass Bakura plötzlich bei einem Mädchen - sie wurde Lea, dann kamen ganz viele unmögliche Namen, die sich kein normal Sterblicher merken konnte, Star genannt. Ein vollkommen bescheuerter Namen! Wieso konnten die Kinder heutzutage keinen normalen Namen haben? Früher ging das doch auch. Nun gut, schlimmer als diese Lea, war die Rechtschreibung und die Grammatik - Logik war vom ersten Satz an nicht vorhanden. Wieso er sich das Ganze dann doch durchgelesen hatte? Weil es ihn irgendwie interessiert hat, wie Bakura denn in die reale Welt kommen konnte und wie das Mädchen und der Attentäter reagieren würden, wenn sie sich begegnen. Aber genau genommen, war das ein totaler Schwachsinn, was die Autorin da geschrieben hatte. Die hatte einfach keine Ahnung! "Wer bist du?", traute sich der Blondschopf dann doch endlich zu fragen. Schweigen. Hm, vielleicht sollte er sich selbst erst einmal vorstellen, bevor er den anderen fragte, wer er denn sei. "Ich bin Malik. Und du?" Ein erneuert Versuch. Irgendwie kam er sich reichlich bekloppt vor. Sein Herz pochte schneller als üblicherweise, aber ihn verwunderte das herzlich wenig. "Bakura." Malik wurde plötzlich ganz heiß. Bakura. Nervös kaute der Oberschüler auf seiner Unterlippe herum. Eine schlechte Angewohnheit. Und was jetzt? Er hatte "Kirâ" aufmerksam durch gelesen, er wusste, dass Bakura unzählige Menschen auf dem Gewissen hatte - auch wenn jene nur in dem Buch existiert hatten. Der Weißhaarige war ein Mörder! "Eizô Bakura?", fragte Malik leise nach. Seine Stimme wollte mit einem Mal nicht mehr, so wie er. "Ja." Die Antwort war mit einer Härte und Bedrohlichkeit ausgesprochen, die dem Ägypter einen Schauer über den Rücken jagte. Er konnte verstehen, dass Bakura so reagierte. Immerhin kannten sie sich nicht und Malik wusste einfach so den Namen des Braunäugigen. Er sollte vorsichtig sein! Langsam trat der Blondschopf ein paar Schritte zurück. Je mehr Abstand, umso besser. Es wäre gelogen gewesen, wenn Malik abstreiten würde, dass er sich tierisch über die Tatsache freute, dass Eizô Bakura in seinem Zimmer stand. Ein Teil von ihm freute sich, wie ein gestörter Gnom über diesen Sachverhalt, nur leider gab es da auch noch einen anderen Teil, der zur Vorsicht riet und Angst verspürte. Bakura war nun mal ein Mörder, da gab es kein "wenn" und kein "aber"! Außerdem war jener auch noch bewaffnet und Malik stand ziemlich schutzlos da. Nicht unbedingt beruhigend. Der Weißhaarige, welcher bis jetzt sehr ruhig gewesen war, schritt mit einem mal auf Malik zu. Jener stand mit dem Rücken zur Tür. Die Tür öffnete sich innen. Bakura versperrte dem anderen den Fluchtweg, in dem er seine Arme links und rechts von diesem platzierte. Seine Waffe hatte er eingepackt, da er wusste, dass Malik keine besaß. Ja, er wusste, dass der andere unbewaffnet war. Malik war etwas größer, als Bakura, wodurch der zuletzt Genannte zum Oberschüler aufsehen musste. Eine komische Situation. "Nun gut, Malik. Ich würde jetzt vorschlagen, du erklärst mir erst einmal was dieser Mist hier soll und ich werde mir dann überlegen, was ich mit dir mache", meinte Bakura. Er sprach in einem unfassbar ruhigen Ton, doch genau das machte die Sache so bedrohlich. Vor allem die roten Augen jagten dem Blondschopf einen erneuten Schauer über den Rücken. Er hatte es immer als cool empfunden, wenn Bakuras Augen ihre Farbe änderten. Manchmal hatte er sich während des Lesens gefragt, ob dies auch in der Realität möglich war - schwachsinnig. Jetzt, da er am eigenen Leib erfuhr, wie es sich anfühlte, in diese Augen zu sehen, hatte er Angst. Ganz langsam entfernte sich der Weißhaarige. Er wandte Malik dabei aber nicht seinen Rücken zu. Auch wenn hier alles aussah, als wäre es nur ein harmloses Jungenzimmer, würde er nicht unvorsichtig werden. Seine Feinde waren gerissen. Keiner von ihnen würde davor zurück schrecken einen Jungen, der wahrscheinlich noch nicht einmal eine Ahnung hatte, was auf ihn zu kommen sollte, dafür zu benutzten ihn zu vernichten. Als Bakura an seinem Ausgangspunkt angekommen war, sah er seinen Gegenüber abwartend an. Dieser brachte aber keinen Ton heraus, schien sogar das Atmen vergessen zu haben. Hatte Malik etwas so viel Angst vor ihm? Dafür gab es doch kaum einen Anlass. Er war doch noch recht nett zu dem Jungen gewesen. Seltsam. "Hey, Malik, atmen nicht vergessen." Erschrocken sah der Angesprochene auf. Ein durchaus amüsanter Anblick. "Also, was ist? Redest du jetzt, oder muss ich nachhelfen?" Bakura verabscheute es zu warten und er ließ auch nicht gerne auf sich warten. Zögerlich setzte sich Malik in Bewegung. Sein Ziel war das Buch, welches neben Bakura auf dem Boden lag. Er wusste nicht genau, wie er das alles hier erklären sollte, immerhin verstand er ja selbst nicht, was los war. Wie kam der Weißhaarige, Malik ging jetzt einfach mal davon aus, dass wirklich Eizô Bakura aus dem Buch "Kirâ" war, hier her? Wie kam eine fiktive Person in die Realität? Argwöhnisch wurde Malik beobachtet. Dachte Bakura, er wollte ihn in eine Falle locken? Hielt er ihn für einen Feind, eine Bedrohung? An seinem Ziel angekommen, ging er langsam in die Knie - eine zu schnelle Bewegung könnte sein Todesurteil sein - und hob das Buch auf. Hastig suchte er die Seite, auf welcher er das Lesen beendet hatte und zum Abendessen gegangen war. Als sie gefunden hatte sah er zu Bakura. Ob jener ihm seine Geschichte abkaufen würde? Wohl eher nicht. "Also weißt du, Bakura, so genau kann ich mir das hier auch nicht erklären", starte Malik seinen Versuch eine Erklärung abzuliefern, "Ich habe in diesem Buche eine Textstelle laut gelesen und dann bin ich zum Abendessen nach unten ins Esszimmer gegangen. Als ich wieder kam standest du bereits hier." Während er gesprochen hatte, hatte er dem anderen das Buch hingehalten und auf besagte Textstelle gezeigt. "In diesem Buch gibt es einen Charakter, der aussieht wie du und Eizô Bakura heißt." Misstrauisch nahm der Angesprochene das Buch entgegen und las sich die Passage aufmerksam durch. Malik kaute unterdessen wieder nervös auf seiner Unterlippe herum. "Ich weiß wirklich nicht, wie du hier her gekommen bist." Vielleicht sollte er nicht zu sehr darauf beharren, dass er unwissend war. Machte ihn das nicht unglaubwürdig, verdächtig? Es herrschte einige Sekunden Stille zwischen den beiden Jungen, die dem Schüler wie eine halbe Ewigkeit erschienen. "Du willst mir also allen Ernstes weißmachen, dass ich aus diesem Buch komme?" Ein Nicken. "Hältst du mich für bescheuert?" Kopfschütteln. Schweigen. "Nun gut, deine Erklärung ist derartig unrealistisch und verrückt, dass sie mir doch irgendwie einleuchtend erscheint." Das war jetzt eine unerwartete Aussage. Verblüfft sah Malik den anderen an. Meinte jener das jetzt ernsthaft oder war das nur ein schlechter Scherz? "Du glaubst mir?", fragte er daher sicherheitshalber nach. "Mehr oder weniger." Wie jetzt "mehr oder weniger"? "Hä?" "Nun, wirklich überzeugt bin ich nicht, aber seltsamerweise habe ich nicht das Gefühl, dass du mich anlügst." Das war verständlich. Der blonde Oberschüler erschrak, als Bakura mit einmal das Buch laut zu schlug und dieses auf das weiche Bett warf. "Genug geredet, ich werde mich jetzt hier ein bisschen umsehen und dann ein Bad nehmen. Du wirst derweilen einen Weg suchen, mich wieder in das Buch zu lesen. Ich rate dir von unüberlegten Handlungen sowie anderweitigen dämlichen Gedanken ab. Schlussendlich wirst nämlich du es sein, der dumm aus der Wäsche guckt, sofern es dir dann noch möglich ist." Eine klare Drohung, aber Malik hatte nicht vorgehabt irgendetwas anzustellen. Bakura war ein Mörder. "Hab verstanden." Zögerlich begab sich Malik zu seinem Bett und schlug "Kirâ" auf der ersten Seite auf. Zwar hatte er sowas von überhaupt keine Ahnung, wie er den Weißhaarigen zurück lesen sollte - er wusste ja nicht einmal, wie er ihn nun genau herausgelesen hatte -, aber im Moment war es wohl das Beste, wenn er einfach das tat, was man von ihm verlangte. "Wenn du willst, kannst du dir frische Kleidung aus meinem Schrank nehmen. Ich hab bestimmt ein paar Sachen, die dir passen." Sollte er Bakura vielleicht auch sagen, dass Isis und ihr fast Ehemann im Erdgeschoss waren? Und wenn er schon mal an die beiden dachte, was wenn sie den fremden, jungen Mann hier sehen würden? Wie sollte er das bitteschön erklären? Isis würde sich sicherlich nicht mit einem "Ich habe ihn aus dem Buch herausgelesen" zufrieden geben. Wortlos nickte Bakura und sah sich dann genauer in dem Schlafzimmer um. Gegenüber von der Tür stand unter dem großen Fenster ein Schreibtisch. Zu dessen Rechten ein kleiner Mülleimer und zur Linken, mit einem kleinen Abstand, das Nachtkästchen. Das Bett stand logischerweise links von dem kleinen Schränkchen und zugleich an der Wand, die aber nicht ganz durchgezogen war. Sie ging noch ein kleines Stücken nach dem Bettende weiter. Auf der anderen Seite der Wand befand sich eine Sitzgruppe und ein Fernseher, sozusagen ein kleines Wohnzimmer. Ging man an diesem geradewegs vorbei kam man zum Bad. Wenn man vom Müllereimer weiter nach rechts sah, entdeckte man einen Sitzsacke, der ganz einsam und verlassen in der Ecke ruhte und scheinbar darauf wartete, dass man ihn benutzte oder weggab. Ansonsten gab es auf der rechten Zimmerseite nicht viel zu sehen. Ein paar Schränke und eine Kommode, mehr nicht. In den Schränken standen massig Bücher und CDs. Auf der Kommode befand sich ein CD-Player, Kopfhörer, ein paar geöffnete CD-Hüllen sowie ein paar Kabel, die Bakura auf die Schnelle nicht benennen konnte. Er würde sich später damit beschäftigen. Eine Tür, die der Braunäugige seltsamerweise fast übersehen hätte, machte jenen neugierig. Was wohl dahinter war? Ohne lange zu überlegen, öffnete er sie einfach und war mehr als nur überrascht. In einem der Schränke, die im Zimmer standen, hatte er ein paar Kleidungsstücke entdeckt - natürlich hatte er sich darüber gewundert, dass der Junge so wenig besaß, aber nichts gesagt -, das hier schien aber der eigentliche Kleiderschrank zu sein. Für was brauchte ein Junge denn bitteschön so viele Hosen und Oberteile? Bei einem Mädchen hätte Bakura einen zusätzlichen begehbaren Schrank noch verstanden, aber bei einem Jungen fehlten ihm die Worte und die Erklärungen. Aber gut, es konnte ihm egal sein. "Ich werde mir noch die anderen Räume anschauen", verkündete er. "Geht klar. Tut mir aber bitte den Gefallen und lass dich von meiner Schwester und ihrem Verlobten nicht entdecken. Den beiden dein Erscheinen zu erklären ist weitaus komplizierter." Ein Nicken. Beide wollten so wenig Stress wie nur irgendwie möglich. Zwar war es der weißhaarige Mörder gewohnt oft an für ihn vollkommen unbekannten Orten zu sein, aber dennoch war er jedes Mal auf diese Tatsache vorbereitet gewesen. Jetzt im Moment war das aber ganz anderes. Er war einfach "mir nichts" "dir nichts" in einem fremden Haus gelandet. Damit musste man erst einmal klar kommen. Des Weiteren bestand immer noch die Möglichkeit, dass es sich um einen Hinterhalt handeln könnte, auch wenn alles hier recht normal und friedlich erschien - was das alles doch erst recht verdächtig machte, nicht wahr? In den restlichen Räumen des Stockwerkes befand sich nichts Interessantes und auch im Erdgeschosses, welches es mit einer besonderen Vorsicht - wegen Isis und Mahad, die im Wohnzimmer saßen - erkundete, gab es nichts Nennenswertes zu finden. Für heute würde es jetzt einfach mal gut sein lassen. Weg von hier kam er wahrscheinlich eh erst am morgigen Tag. Somit begab er sich ins Badezimmer des Jungen. Sollte er duschen oder wie gesagt baden? Erst einmal Handtücher suchen und finden. Ein Shampoo wäre auch nicht schlecht. Also machte sich Bakura zuerst daran, alle Badeutensilien zusammen zu tragen. Danach holte er sich etwas zum Anziehen aus dem spärlich mit Kleidung ausgestatteten Schrank in Maliks Zimmer - er hatte nun wirklich nicht vor halbnackt an dem Jungen vorbei zu laufen. Wo sollte er die Nacht eigentlich verbringen? Hier, das war schon klar, aber wo genau. Bakura würde sich sicherlich nicht mit dem Sofa zufrieden geben, auch wenn er schon an viel ungemütlicheren Orten nächtigen musste. Wenn die Möglichkeit auf ein schönes, warmes, weiches Bett bestand, dann würde er sie nicht an sich vorbei ziehen lassen! Nun gut, eins nach dem anderen. "So, Kleiner, ich gehe jetzt baden und ich gebe dir hiermit nochmals den Rat von vorhin: Komm ja nicht auf dumme Gedanken." Wer war hier klein? Im Normalfall würde Malik jetzt eine bissige Antwort geben, aber gerade war hier alles nicht normal, somit schwieg er und nickte einfach brav. Es war keines Wegs klug sich jemanden, wie Bakura, zum Feind zu machen, also immer lieb lächeln und winken - wobei man das Winken auch weglassen konnte. Als Bakura im Bad verschwunden war, holte Malik ein Mal tief Luft. Das war doch verrückt. Er war doch verrückt. Wieso um alles in der Welt glaubte er dem anderen, dass er Eizô Bakura war? Wieso um alles in der Welt ließ er zu, dass irgendein Fremder hier im Haus herum spazierte? Dieser Bakura könnte genauso gut ein Verrückter sein, der sich nur verkleidet hatte - sehr gut verkleidet wohl gemerkt. Wie er das wohl mit den verschiedenen Augenfarben hin bekommen hatte? Soweit Malik wusste, gab es zwar farbige Kontaktlinsen, aber die konnten nicht von rot auf braun und zurück wechseln. Seltsam. Was sollte er jetzt machen? Sollte er zu Isis runter gehen und ihr sagen, dass ein Fremder in seinem Bad war? Würde sie ihm glauben? Und selbst wenn, der Kerl war bewaffnet! Der würde sie alle doch ohne mit der Wimper zu zucken umlegen! Blöde Situation! Seufzend stand Malik auf. Bakura würde sicherlich hier übernachten wollen - wo sollte jener auch schon hin -, da brauchte dieser auch noch eine Decke und ein Kissen. Zwar hatte dieses Haus durchaus ein Gästezimmer zu bieten, aber dem Blondschopf behagte der Gedanke nicht, den Weißhaarigen in jenes zu schicken. Wahrscheinlich würde Bakura das eh nicht zu lassen. Malik klopfte gegen die Badezimmertür und wartete dann auf Reaktion des anderen. Diese bestand aus einem gereizt klingend: "Ja?" "Bakura, ich wollte dir nur Bescheid geben, dass ich dir schnell eine Decke und ein Kissen sowie die jeweiligen Bezüge für heute Nacht hole. Ich bin gleich wieder da." "Ja, ja, mach nur." Lautlos verließ der Oberschüler sein Zimmer und holte die benötigten Sachen aus dem Gästeschlafraum. Er ging zwei Mal. Ein Mal um die Decke und das Kissen zu holen und ein Mal um für die Bezüge zu sorgen. Ob Bakura seine Sachen selbst beziehen konnte? Bestimmt, sowas war doch total einfach. Würde jener überhaupt auf dem Sofa schlafen? Wohl eher nicht. Malik dachte ein paar Sekunden darüber nach und entschloss sich dann letzen Endes, noch ein Spannbetttuch zu holen, nur falls der Weißhaarige wirklich mit dem Bett verlieb nahm. Während Malik mit sich und seinen ganzen Gedanken beschäftigt war, versuchte Bakura sich beim Baden zu entspannen, was nicht unbedingt leicht war. Für ihn war diese Situation vollkommen neu und suspekt. Wie war es möglich - angenommen er stammte wirklich aus einem Buch -, dass er mit einem Mal in einer völlig anderen Welt landete und dies scheinbar nur, weil ein Teenager ein paar Zeilen laut vorgelesen hatte. Das kam einem doch wie aus einem schlechten Kinofilm vor. Nur leider war es in seinem Fall keiner. Und ein Traum war es leider auch nicht, die "zwick mich"-Methode hatte er bereits angewandt. Nun gut, er musste auf jeden Fall einen Rückweg finden. Es erschien ihm logisch, dass der Junge ihn zurück lesen konnte. Hergebracht hatte ihn jener ja auch dadurch, wenn auch unbewusst. Was im Moment wohl in seiner Welt los war? Was war mit seinem Verfolger? Was wenn er nicht so schnell, wie er hoffte, zurück konnte? Was wäre mit Marik, seinem besten Freund, mit dem er sich für den nächsten Morgen verabredet hatte? Marik konnte schlecht mit seiner Wut umgehen. Sehr schlecht sogar. Wenn er ihm doch nur eine Nachricht zu kommen lassen könnte. Egal! Der blonde Kerl im Nebenzimmer musste halt einfach seine aufgetragene Arbeit richtig machen, dann würde alles gut werden, davon war Bakura überzeugt. Ach, wie er es doch verabscheute sich auf andere verlassen zu müssen. Genervt von den momentanen Umständen stieg der blasse, junge Mann aus der Wanne und griff nach einem Handtuch, um sich abzutrocknen. Wo sollte er seine Waffen eigentlich unterbringen? Mit ins Bett wollte er sich nicht unbedingt nehmen - keine gemütliche Angelegenheit, wie er schon so oft feststellen durfte. Würde er sich aber beispielsweise nur auf das Nachtkästchen legen, könnte der Zwerg, der eigentlich keiner war, versuchen sich ihrer zu bemächtigen. Wieso musste sein Leben nur so nervig sein? Klar, er hatte sich mehr oder weniger selbst für seinen jetzigen Lebensstil entschieden, aber hätte man ihn nicht vorher sagen können, dass er dann immerzu alle nur erdenklichen Möglichkeiten, seien sie auch noch so lächerlich, in Betracht ziehen musste, wenn er irgendwohin kam? In wie weit dieses Wissen seine Entscheidung dann schlussendlich beeinflusst hätte, stand in den Sternen, dennoch wäre diese Information nett gewesen. Als Bakura fertig im Bad war begab er sich in Maliks Zimmer. Der Blondschopf saß auf dem Bett und war mit dem Buch beschäftigt. Auf dem Boden lagen die Sachen, die Malik holen wollte. Der Weißhaarige beachtete diese aber erst einmal nicht. Viel mehr lag seine Aufmerksamkeit auf dem Jungen, der seinem Freund Marik nicht nur vom Namen, sondern auch vom Aussehen her, doch recht ähnlich war. Es gab nicht viele Menschen, die dunkelhäutig waren und dennoch von Natur aus helles Haar besaßen - war Maliks Haar überhaupt naturblond oder nur gefärbt? Die Augenfarbe des Schülers war auch nicht unbedingt gewöhnlich. Irgendwie seltsam. "Sag mal, Malik, bist du von Natur aus blond oder sind deine Haare gefärbt?", fragte er den jüngeren von ihnen. Der Angesprochene erschrak sich erst und sah entsetzt zu dem Braunäugigen. Es dauerte ein Weilchen bis eine Antwort erfolgte: "Die sind von Natur aus so." Wieso klang der Junge denn so gereizt? Er hatte ihm doch nur eine durchaus berechtigte Frage gestellt. Komischer Kerl. Schulterzuckend nahm das Ganze aber dann hin. Konnte ihm doch egal sein. Wortlos begann Bakura nach kurzem Schweigen die Decke und das Kissen zu beziehen. Selbst war sich der Mann. Wahrscheinlich hatte Malik geglaubt, er würde sowas nicht können und ihn um Hilfe bitten, aber da hatte der Junge falsch gedacht. Da Marik von Ordnung und Haushalt nicht viel hielt blieb schlussendlich alles an dem Weißhaarigen hängen, dazu gehörte unteranderem eben auch das wechseln der Bettwäsche. Als er fertig war, sah er zu dem Blondschopf, welcher wieder in seinem Buch vertieft war. Malik hatte sich im Schneidersitz auf sein Bett gesetzt, seinen Kopf stützte er auf seiner linken Hand, während er in der rechten das Buch hielt. Früher hatte er auch viel gelesen und wenn er könnte, würde er auch heute noch ein Buch nach dem anderen verschlingen. Leider war es ihm nicht mehr möglich. Er hatte keine Zeit und das Geld musste für andere Dinge herhalten. Bakura musste gähnen. Zeit ins Bett zu gehen. "Hey, Malik, mach mal Platz! Ich will jetzt schlafen!", befahl Bakura dem anderen. Wie er gesehen hatte, gab es hier ein Sofa auf dem der jüngere von ihnen schlafen konnte. Träge sah der Angesprochene auf, klappte dann ganz langsam das Buch zu und stand auf. "Ich hab dir ein frisches Spannbetttuch auf den Stuhl hinter dir gelegt", meinte Malik nur und nahm dann sein Bettzeug und verschwand in das Raumeigene Wohnzimmer. "Ich werde morgen im Übrigen in der Früh zum Arzt gehen. So gegen Mittag werde ich aber wahrscheinlich wieder da sein. Meine Schwester und ihr Freund kommen erst abends Heim." "Solang du mir keinen Ärger machst und mich wieder zurück bringst, ist mir egal, was du so treibst." Wehe der Zwerg, der ja eigentlich größer als der Braunäugige war, log ihn an! Nun gut, notfalls würde er einfach zu härteren Maßnahmen greifen, so wie immer. Er sollte aufhören so paranoid zu denken. Das da nebenan war nur ein ganz normaler Junge, mehr oder weniger zumindest. Seufzend legte sich Bakura ins Bett. Das Bettlacken hatte er nicht gewechselt, dazu war er jetzt zu faul. Während er so dalag und auf den Schlaf wartete, welcher netterweise immer etwas brauchte egal wie müde der Weißhaarige war, viel ihm auf, dass die Schwester seines unfreiwilligen Gastgebers nicht ein einziges Mal, seitdem er hier war, nach ihrem Bruder gesehen hatte. Es war doch schon spät, wollte sie nicht mal nach dem Jungen sehen? Er hatte immer, kurz bevor er ins Bett gegangen war, nach seinem kleinen Bruder gesehen. Hatte ihm einen Kuss auf die Stirn gegeben und war noch ein Weilchen geblieben um ihn zu beobachten. Es war jedes Mal ein wunderschöner Anblick gewesen. Als kleines Kind war die Welt noch so schön. Die Probleme kamen dann mit der Zeit, ob man wollte oder nicht. Wie es seinem Brüderchen jetzt wohl ging? Ob er im Moment glücklich war? Hatte er eine Beziehung? Hatte er endlich richtige Freunde? Oder war er immer noch so einsam? Wenn er wieder in seiner Welt war, würde er ihn mal besuchen gehen und ihn ausfragen. Ihre letzte Begegnung war schon lange her. Malik kämpfte derweilen mit anderen Problemen. Er war ebenfalls müde und wollte schlafe, aber traute sich nicht einfach mit dem Lesen aufzuhören. Bakura würde ihn umbringen, wenn er ihn nicht nach Hause las. Wieso musste ihm das passieren? Was hatte er denn verbrochen? Klar, er hatte sich durchaus ab und zu mal gewünscht Eizô Bakura zu treffen. Aber das war ein Wunsch, der ein Wunsch hätte bleiben sollen. Sich eine Begegnung im Kopf zusammen zu spinnen war eine Sache, wenn das Ganze erst Realität wurde, sah das Alles schon reichlich anderes aus. Sein Buchliebling war ein Mörder. Wer wollte schon einem Mörder vollkommen schutzlos gegenüber stehen? Eben: Niemand. Hätte man ihn nicht irgendwie vorwarnen können? Nun gut, er musste jetzt das Beste aus seiner Situation zu machen. War nur die Frage nach dem "wie", die es zu klären galt. Darüber würde er aber morgen nachdenken. Jetzt würde er erst einmal noch ein bisschen lesen und dann auch schlafen, immerhin musste er früh aufstehen. Wieso hatte er den Arzttermin noch mal in die Morgenstunden gelegt? War er zu diesem Zeitpunkt nicht ganz bei Sinnen gewesen? Höchstwahrscheinlich. Gedacht - getan. Bakura schlief sicherlich eh schon längst. * Durch ein nerviges Piepsen wurde Malik an nächsten Morgen geweckt. Sein Wecker. Murrend steckte er seine Hand nach dem dämlichen Teil aus. Der Griff ging aber ins Leere. Verwundert über diese Tatsache sah Malik auf. Bis vor kurzem hatte er sich nämlich noch unter seiner Decke versteckt. Wo war sein Wecker? Wieso stand da sein Fernseher? Und weshalb war sein Bett mit einem Mal so ungemütlich? Das Piepsen war noch immer zu hören. Es dauerte ein wenig bis der blonde Oberschüler wieder wusste, was Sache war. Gestern hatte er ja unerwartet Besuch bekommen und dieser hatte ihm sein schönes, weiches, warmes Bett geraubt. "Hey, Malik, wenn du dieses scheiß Teil nicht sofort abstellst werde ich das übernehmen!" Bakura! Hektisch warf der Schüler seine Decke zur Seite, sprang auf und hastete zu seinem Nachtkästchen, auf welchem das scheiß Teil - auch Wecker genannt - stand. Mit einem Knopfdruck war der Lärm beendet und es war Ruhe im Zimmer. "'Tschuldigung." Malik drehte sich um, er musste sich jetzt fertig machen. Sein Arzt lag ein ganzes Stück von seinem Zuhause entfernt. Zuspätkommen wollte er nicht, es war ihm unangenehm. Schnell holte er sich frische Unterwäsche aus seinem begehbaren Kleiderschrank und verschwand ins Bad. Musste aber gleich darauf noch mal raus, da er auch eine neue Hose und ein neues Oberteil brauchte, denn er hatte am vorherigen Abend vergessen seinen Schlafanzug an zu ziehen. An den Wecker hatte er auch nur gedacht, weil jener den Boden geküsst hatte, als Malik ausversehen an das Nachtkästchen gekommen war, als er sich wieder auf sein Bett geschmießen hatte, nachdem er Bakuras Kissen und Decke geholt hatte. Nachdem er dann aber alles hatte, machte er sich fertig. Während er sich die Zähne putze fragte er sich, ob Bakura auch, so wie er, die Möglichkeit hatte sich jeden Tag in einem Bad frisch zu machen. Eine eigentlich vollkommen nötige Frage. Der Weißhaarige war laut des Buches oft Tage lang in fremden Ländern unterwegs, da blieb ein derartiger Luxus nun mal auf der Strecke. Wieso dachte er jetzt an so was? Immer wenn er gelesen hatte, wie Bakura in ein anderes Land reiste und sich dort Schießereien und Verfolgungsjagten lieferte hatte er es als cool empfunden, wollte das auch erleben. Jetzt aber fühlte es sich falsch an, so zu denken, so zu fühlen. Wie der andere wohl über sein Leben dachte? Malik wusste nicht genau, wieso er dem anderen eine frische Zahnbüste neben das Waschbecken legte und genauso wenig konnte er sie erklären, weshalb ihm der Gedanke gekommen war, seinem Lieblingscharakter etwas aus der Stadt mit zu bringen. War er des Nachts auf den Kopf gefallen? Oder lag es vielleicht an der Luft? Nein, wohl eher nicht, so schlecht war die jetzt dann doch nicht. Wobei es sicherlich nicht falsch wäre die Fenster zu öffnen. Heute sollte es wieder warm werden. Nach dem Malik sich im Bad fertig gemacht hatte, ging er wieder ins sein Zimmer, um seine Tasche zu packen. Er nahm seine derzeitige Lektüre "Kirâ" mit, natürlich seinen Geldbeutel und den Haustürschlüssel sowie sein Handy. "Ich bin wahrscheinlich so gegen Mittag wieder da", meinte Malik noch zu Bakura bevor er sich auf den Weg ins Erdgeschoss machte, um sich seine Jacke und die Straßenschuhe anzuziehen. Was der andere wohl jetzt die ganze Zeit über unternehmen würde? Würde er ebenfalls raus gehen? Was wenn ihn jemand als Eizô Bakura erkannte? Würde man ihn darauf ansprechen? Hoffentlich nicht. Man würde denken, er wäre ein Cosplayer, also jemand der sich beispielsweise als Charakter eines Mangas oder Animes verkleidete und diesen auch versuchter charakteristisch nach zu ahmen. Nun gut, vielleicht würde Bakura auch einfach im Haus bleiben und sich langweilen oder fernsehen. Vormittags kamen war keine besonders anspruchsvollen oder unterhaltsamen Sendungen, aber man konnte sich die Zeit mit ihnen ein wenig vertreiben. Darauf kam es hier ja mehr oder weniger an. Ein gelangweilter Bakura war mit Sicherheit nicht sonderlich angenehm. Sollte er ihm sagen, dass er die Videospiele ruhig durchspielen darf? Nein, Bakura würde sowieso machen, was er wollte. Als ob jemand wie er eine Erlaubnis brauchen würde. Seine Gedanken an Bakura versucht Malik dann aber schnell ab zu stellen, da sie seiner Meinung nach ins Nichts führten. Er kannte den Weißhaarigen kaum und konnte somit seine aufkommenden Fragen nicht selbst beantworten, den anderen wollte er nicht fragen. Noch immer hatte er Angst vor diesem. Angst und Respekt. Leider konnte er seine Gedankengänge nicht kontrollieren, weshalb er stillschweigend vor sich hin grübelte. Dabei viel ihm gar nicht auf, wie schnell er voran kam. Ehe er sich versah war er bereits an der Schule angekommen, welche auf dem Weg zum Arzt lag. Das Ganze fiel ihm aber erst auf, als ihn einer der Schüler, welche im Moment auf dem Weg zum Lehrgebäude waren, anrempelte. Malik stolperte nach vorn, fiel aber nicht, da er sein Gleichgewicht halten konnte. Am liebsten hätte er den anderen Jungen jetzt deswegen angeschnauzt, doch jener war schon wieder außer Sichtweite. Murrend lief der Blondschopf weiter. Sein Blick war stur geradeaus gerichtet. Einfach ignorieren. Einfach alles und jeden ignorieren! Zügig schritt er voran. Nicht das noch jemand auf die Idee kam, ihn an zu sprechen. Ein paar der Schüler hier erinnerten sich bestimmt noch an ihn. Er selbst erkannte auch das ein oder andere Gesicht, auch wenn er die Namen der Personen nicht mehr wusste Hatte er sie überhaupt jemals gekannt? Wahrscheinlich nicht. In seinem ersten und eigentlich auch letzten Schuljahr in Japan hatte er nicht auf seine Mitschüler geachtet. Lediglich den Namen der beiden Klassensprecher und des Schülersprechers hatte er sich gemerkt. Des Weiteren erinnerte er sich noch an einen Jungen, der in der zweiten Reihe auf der Fensterseite gesessen war. Wie war doch gleich der Name dieses Jungen gewesen? Seltsam, jetzt da er ihn wissen wollte, fiel er ihm nicht ein. Aber war das nicht immer so? Immer wenn man etwas wollte, klappte er mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht. So ähnlich wie der berühmte Vorführeffekt. Aber gut, das alles war eh vollkommen unbedeutend. Er würde so und so nicht mehr zur Schule gehen, deshalb musste er sich an niemanden erinnern. Das wäre dann nur reine Verschwendung von Energie und "Speicherplatz". Eine kräftige Hand legte sich mit einem Mal auf Maliks Schulter. "Guten Morgen, Malik. Wer hätte gedacht, dass ich dich mal in der Nähe der Schule sehen würde. Möchtest du dir das Schulfest ansehen?" Akefia, der Schülersprecher der Domino City Oberschule, stand hinter Malik. Dieser hatte sie, während der ältere Ägypter gesprochen hatte. Nicht zu jenen umgedreht, sondern weiterhin nach Vorne gesehen. "Hau ab, Akefia! Ich bin nur auf den Weg zum Arzt", antworte Malik gereizt. Er drehte sich zu dem anderen um, wobei er die fremde Hand von seiner Schuler nahm. Wie kam dieser weißhaarige Vollpfosten nur drauf, dass er an einem lächerlichen Schulfest interessiert war? "Ach so. Aber du wirst doch trotzdem ein paar Minuten für uns übrig haben? Du kannst ja nach deinem Termin vorbei schauen. Das Fest geht bis siebzehn Uhr. Komm, ich zeig dir kurz die ganzen tollen Stände, die die Schüler alleine aufgebaut haben. Jede Klasse hat sich etwas anderes ausgedacht, dass kannst du dir echt nicht einfach entgehen lassen." Genervt verdrehte der Blondschopf die Augen. Wieso konnte dieser aufdringliche Trottel ihn nicht in Ruhe lassen? Was um alles in der Welt hatte er denn verbrochen? "Nein!", zischte Malik gereizt und wollte seinen Weg fortsetzen. Leider wurde dies verhindert. Die Götter mussten ihn wahrlich hassen. "Du bist echt ein Sturkopf, Malik." Und Akefia war eine Nervensäge! Ohne noch groß Worte zu verlieren, packte Akefia Malik am Handgelenk und zog ihn auf den großen Schulvorhof, auf welchem das Fest stattfand. Während sie über den Hof schritten, erklärte der Schülersprecher, dass die Schüler sich erst noch in der Aua trafen, um zu erfahren, wie das Ganze nun genau ablaufen sollte. Zwar hatte man schon die Tage zuvor darüber gesprochen, doch die Organisation der Domino City Oberschule war einfach grausam. Zum Glück gab es in jedem Jahrgang sehr engagierte Schüler, die sich darum kümmerten. Eigentlich ein Armutszeugnis. "Weißt du, Malik, wenn du ab und zu mal in die Schule kommen würdest, würden dir diese Feste auch viel mehr Spaß machen. Es ist lustig mit den Klassenkameraden etwas aufzubauen beziehungsweise alleine schon Überlegungen zu Papier zu bringen, was man auf dem Schulfest machen könnte, ist klasse." Malik hörte gar nicht hin. Was war denn bitteschön toll daran, wenn sich knapp dreißig Schüler stritten, was nun schlussendlich umgesetzt wurde und wer welche Aufgaben übernahm? Am Ende blieb eh alles an den fleißigen Schülern und Schülerinnen hängen, während der Rest sich eine schöne Zeit machte. "Akefia, lass mich endlich in Ruhe. Du gehst mir tierisch auf die Nerven!" Jetzt hörte der andere nicht zu. Wie sollten sie so jemals auf einen grünen Zweig kommen? Wollten die beiden das überhaupt? Malik wohl eher weniger. Und Akefia würde dem Blondschopf sicherlich nicht so einfach seinen Willen geben. "Der übernächste Stand gehört deiner Klasse. Die haben sich echt viel Mühe gegeben. Soweit ich weiß, läuft da in den ersten Jahrgängen irgendein Wettbewerb." Diese Information interessierte Malik ja auch so sehr. Um weiten Erklärungen und unnötigen Informationen zu entgehen blieb der Oberschüler einfach stehen. Bis jetzt war er noch relativ widerstandslos hinter dem anderen her, aber irgendwann war einfach Schluss mit lustig. Verwundet wurde er dann von dem Weißhaarigen angesehen, der sich scheinbar nicht denken konnten, was denn nun auf einmal los war. Kein Wunder. Bei Malik konnte man nie so genau wissen, was plötzlich Sache war. "Akefia, ich sage dir das jetzt wirklich zum aller letzten Mal: Lass mich in Ruhe! Ich interessiere mich nicht mal ansatzweise für die Schule und all den Deppen, die meinten in ihr herum irren zu müssen. Es ist mir egal, ob ich hier Freunde habe oder nicht. Ich bin nicht daran interessiert Erinnerungen mit anderen zu teilen. Du kannst mich wahrscheinlich nicht verstehen, aber das ist mir egal. Lass mich von jetzt an einfach in Frieden!" Die Rede des jüngeren von ihnen verwunderte den Weißhaarigen noch mehr, als die Tatsache, dass jener mitten drin stehen geblieben war. Lag wohl daran, dass Malik mit einem Mal so viel auf einmal von sich gab. Oder daran, dass Akefia wirklich nicht nachvollziehen konnte, wie man eine derartige Ansicht haben konnte. Zwar sah er ein, dass es Menschen gab, die nicht unbedingt vierundzwanzig Stunden am Tag von anderen belagert werden wollten, aber Maliks Verhalten war doch nun wahrhaftig nicht mehr ganz normal - wobei sich hier die Frage breit machte, was denn schon normal war. Nun gut, wieso, weshalb, warum auch immer. Der Weißhaarige sagte jedenfalls erst einmal nichts. Während er so sprachlos da stand, löste sich den andere aus dem Griff des größeren Jungen. Händchen halten wollte er schließlich auf keinen Fall mit diesem aufdringlichen Gorilla! "Weißt du, Malik, es ist sehr traurig etwas Derartiges aus deinem Mund zu hören." Sehr traurig sogar. Schon oft hatte er sich gefragt, wieso der Angesprochene sich gegenüber anderen immer zu so abweisend verhielt, wieso er keine sozialen Kontakte pflegte, doch eine Antwort hatte er nie erhalten. "Dann heul doch, wenn es so traurig ist!", fauchte Malik gereizt. Er sollte sich jetzt am besten einfach umdrehen und zum Arzt gehen - zu spät kommen wollte er nämlich nicht. Verständnislos schüttelte Akefia seinen Kopf. Dieser Junge war einfach unbegreiflich. Immer wenn er bei Malik daheim vorbei schaute, kam er mit Isis ins Gespräch. Das Thema war stets ihr kleiner Bruder. Sie erzählte ihm jedes Mal von einem Malik, der fröhlich war, aber mit einem Mal sein Lächeln verloren hatte. Was der Grund dafür gewesen war, verriet sie dabei aber nicht. Dass sie ihn aber kannte, hatte er im Gefühl. Immerhin war sie Maliks große Schwester, wenn sie keine Ahnung hatte, was ihrem kleinen Bruder die Fröhlichkeit geraubt hatte, wer dann? Wahrscheinlich dieser Rishid, der große Bruder der beiden. Jenen hatte er aber bis heute noch nie zu Gesicht bekommen, was aber sicherlich daran lag, dass jener nicht mit den beiden Geschwistern in einem Haus lebte und ein Restaurant führte, da hatte man wohl nicht allzu viel Freizeit, um mal bei der Verwandtschaft vorbei zu schauen. "Ich werde nicht weinen, Malik. Dazu gibt es keinen Grund. Im Gegenteil, er werde so lange fröhlich sein, bis du dich ergibst und endlich mal anfängst zu lächeln." Zu viele Kitschfilme! Das kam davon, wenn man sowas wie eine beste Freundin hatte, die mit einem Mal ihre weibliche Ader entdeckte. Schlimm war das! Richtig schlimm! Kommentarlos wandte sich der blonde Oberschuler ab und trat den Weg zum Schultor an. Dieser schleimige, nervige Volltrottel von einem Schülersprecher konnte ihn mal kreuzweise, wobei er ihn nicht mal dies erlauben würde! Der Kerl sollte in der Hölle schmoren! Akefia wollte Malik natürlich aufhalten, dies wurde aber durch den Ruf eines Jungen gestört, der auf den Weißhaarigen zu gelaufen kam. "Aki, da bist du ja." Die Stimme klang unsagbar fröhlich. Ganz anderes als Maliks. Mit einem breiten Lächeln im Gesicht drehte sich der Angesprochene um. Er ließ den Blondschopf nur ungern gehen, jetzt da dieser endlich mal hier her gefunden hatte, auch wenn der Grund dafür ein Arzttermin war, aber manchmal musste man seine Niederlage einfach einsehen und sich anderen Dingen zuwenden. Verloren war nämlich nicht gleich verloren. Nach dem Termin würde Malik wieder an der Schule vorbei kommen und dann würde Akefia ihn auf dem Schulfest herumführen. Fürs erste musste er sich nun aber von jenem trennen und sich auf wichtigere Dinge konzentrieren. "Aki, ich hab dich schon überall gesucht. Deine Klassenkameraden suche dich ebenfalls." "Jetzt hast du mich ja gefunden. Wie kann ich für dich tun, Ryô?" Der Angesprochene war ein gutes Stück kleiner, als Akefia, dafür aber genauso weiße Haare, wie jener. "Ich wollte dich nur Fragen, wann du heute aus hast." Fast schon leuchtend braune Augen sahen zu dem jungen Ägypter hoch. Ryô war ein süßer Junge, auch wenn man so etwas über Jungs wohl nur sagte, wenn man ein Mädchen war. Aki interessierte das reichlich wenig. Er bezeichnete den jüngeren so wie er wollte. Bis jetzt hatte es auch noch nie Beschwerden gegeben. "Hm, wenn alles gut läuft kann ich so um siebzehn Uhr gehen." "Dann warte ich bis dahin auf dich, in Ordnung." "Tu' was du nicht lassen kannst. Aber beschwer dich nicht, wenn du dann Langeweile hast." "Werde ich ganz sicher nicht. Ich hab was zu lesen dabei." So ein kluges Bürschchen. "Mit wem hast du dich da eigentlich gerade unterhalten? Ich konnte nichts sehen, weil du im Weg standest." Neugierig legte Ryô seinen Kopf schief, wobei ihm eine seiner langen, weißen Haarsträhnen ins Gesicht fiel. "Mit Ishtar Malik." "Malik? Wie konnte der sich denn hier her verirren?" Erstaunen. "Er muss zu einem Arzttermin und ist deshalb an der Schule vorbei gekommen. Ich habe ihn gesehen, gepackt und her geschleift. Tja, leider ist er mir entkommen. Aber wenn er wieder vorbei kommt, zeig ich ihm, wie toll unser Schulfest ist und dann wird er gar nicht anders können, als begeistert zu sein und seine Meinung zu ändern." Kurzes Schweigen. "Aki, du klingst gerade naiv. Außerdem erinnerst du mich an einen dieser klischeehaften Mangahelden. Tu' uns bitte beiden den Gefallen und lass das." So eine trockene Aussage war recht ungewöhnlich für den ruhigen Oberschüler, doch Akefia brauchte derartiges von Zeit zu Zeit auch mal. Jener musste manchmal in die Realität zurück geholten werden, was meistens dann der Fall war, wenn er irgendwelche Pläne schmiedete, die Ryôs Meinung nach nicht zu dem älteren von ihnen passten. "Mach ich, wenn du aufhörst von jetzt auf gleich so erwachsen zu sein." Kopfschüttelnd seufzte der blasse Junge mit den braunen Augen. Manchmal war Akefia aus seiner Sicht einfach unmöglich. Was war denn falsch daran, ab und zu erwachsen zu wirken? So war er eben. "Das macht mit dir gerade keinen Sinn, was? Ich werde jetzt zurück zu meiner Klasse gehen, Anzu wollte uns allen noch etwas sagen oder zeigen oder beides. Wir sehen uns ja dann später. Bye." Und schon war Ryô auf den Weg in die Richtung aus der er gekommen war. Da heute aber scheinbar der "Festhaltetag" war, kam er nicht weit. Aki hatte den jüngeren Schüler am Handgelenk erwischt und hielt ihn auf. "Du bist gemein zu mir, weißt du das?" Die wehleidige Stimme des Schülersprechers wollte nicht so recht zu dessen Erscheinungsbild passen. "Und?" "Und? Dafür gibt es jetzt als Strafe einen Abschiedskuss in aller Öffentlichkeit!" Eine fürchterliche Drohung! Ohne das Ryô sich großartig dagegen wehren konnte bekam er ein Küsschen auf die Stirn und als wäre dies nicht schon genug wurde ihm auch noch mit einem frechen Grinsen im Gesicht durch die weiße Mähne gewuschelt. Eine unverschämte Unverschämtheit war das! "Aki, du bist ein Depp." Und damit war ein Machtwort gesprochen. * Kirâ Nur langsam wurde der weißhaarige Junge wach. Sein Körper fühlte sich schwer an und seine Augenlider wollten sich eigentlich auch gar nicht öffnen, aber sie mussten. Er blieb einige Minuten ruhig in dem Bett liegen. Die Decke über ihm kam ihm in keinster Weise bekannt vor. Wo war er? Angestrengt versuchte er sich an die Geschehnisse des gestrigen Tages zu erinnern. Doch so genau konnte er nicht alle reproduzieren. Da war dieser Junge mit der komischen Frisur gewesen und ein paar Fremder, die definitiv nicht auf ein nettes Pläuschchen aus gewesen waren. Was hatten die nochmals von ihm gewollt? Kyô! Sein kleiner Bruder. Mit einem Mal saß der Weißhaarige aufrecht im Bett und sah sich hektisch um. Wo war der Kleine? Eine sanfte Berührung an seinem Oberschenkel ließ ihn auf die rechte Seite des Bettes schauen. Friedlich vor sich hin schlummernd lag da der Gesuchte. Erleichter atmete er aus. Dem Kleinen durfte nichts zustoßen. Liebevoll strich er seinem Brüderchen über den kleinen Kopf. Durch den kurzen Schreck war er nun vollkommen wach und beschloss, sich in der Wohnung - danach sah es hier aus - ein wenig umzusehen. Vielleicht entdeckte er auch den Eigentümer. Und vielleicht konnte jener ihm auch die ein oder andere Frage beantworten. Sachte stieg er aus dem Bett. Inzwischen war er recht gut darin sich leise in einem Raum zu bewegen. Kyô schlief zwar meistens sehr fest und wachte oft auch nur auf, wenn seine Windel nass wurde, aber man musste es ja nicht darauf anlegen, oder? Wachsam erkundete der blasse Junge die fremde Umgebung. Viel gab es nicht zu entdecken. Diese Wohnung, er ging einfach mal davon aus, dass es eine war, bestand aus dem Raum, in dem er sich momentan befand, einem kleinen Bad und einer Abstellkammer. Wie konnte man in so einer kleinen Behausung wohnen? Er fühlte sich ihr förmlich eingeengt. Gerade als er sich wieder auf den Weg zum Bett machte, um das Stoffhäschen vom Boden auf zu heben, da es heraus gefallen war, kam jemand durch die Wohnungstür. Der Neuankömmling war ein gutes Stück größer als der Weißhaarige, weshalb zuletzt Genannter zum anderen aufsehen musste, was ihm natürlich gar nicht passte. "Auch schon wach", war das erste, was der Fremde von sich gab. Die Stimme klang seltsam. Auf der einen Seite wirkte sie bedrohlich, auf der anderen aber beruhigend. Eigentlich doch ein Ding der Unmöglichkeit. Vielleicht kam diese bedrohlich Wirkung aber auch von den Augen oder dem recht markanten Gesicht? Oder lag es einfach an der jetzigen Situation? "Wer sind Sie?" Schweigen. In aller Seelenruhe packte der junge Mann mit der gebräunten Haut seine Einkäufe, die in einer kleinen weißen Plastiktüte verstaut waren, aus und räumte sie in eines der wenigen Regale, die wohl Bestandteil der Küche sein sollten. "Ich? Ich bin dein Retter." Eine sehr aufschlussreiche Antwort, die ja so viel erklärte. "Und hat mein Retter auch einen Namen?" "Sicher doch." "Und der lautet wie?" "Marik." Es herrschte einen Moment Stille, die schlussendlich von Kyô, der langsam wach wurde, durchbrochen wurde. Als Marik sich in Bewegung setzte, wusste der Weißhaarige nicht, was er tun sollte. Was hatte der andere vor? Irgendwie zweifelte er daran, dass der blonde junge Mann etwas schlechte im Sinn hatte. Immerhin hatte er sie gerettet. Mit langen Schritten war er trotzdem sofort bei seinem kleinen Bruder, der auch gleich in den Arm genommen werden wollte und nach seinem Stofftierchen und einem "Guten Morgen"-Kuss verlangte. Ein niedliches, verwöhntes Kind. "Na, hast du gut geschlafen, mein Kleiner?" Große Kinderaugen sahen zu ihm auf. Eine Antwort im Sinne eines Nickens oder Kopfschüttelns erhielt er aber nicht, was seiner Meinung nach einfach daran lag, dass Kyô sich erst einmal die unbekannte Umgebung näher ansehen wollte. "Wie heißt der Kleine?", fragte Marik, der sich inzwischen vor den Beiden hingekniet hatte. Der Weißhaarige, welcher auf dem Bett platzgenommen und seinen kleinen Bruder auf seinem Schoß genommen hatte, schien erst zu überlegen, ob es gut war zu Antworten. "Kyô." "Und wie ist dein Name?" "Bakura." Er hatte leichtsinnig gesprochen, doch gesagt war nun mal gesagt und daran konnte nichts mehr geändert werden. ________________________________________________________________________________________ Kapitel wurde noch nicht richtig Korretkturgelesen, werd eich irgendwann später mal machen. Kapitel 3: Kapitel 3: "'Cosplay dich selbst!" --------------------------------------------- Nachdem Malik das Haus verlassen hatte, um sich auf den Weg zum Arzt zu machen, stieg auch Bakura aus dem Bett. Er war schon lange vor dem Wecker wach gewesen und seinen Gedanken nach gegangen. Lediglich der Lärm, den die beiden Erwachsenen und später auch der Wecker verursacht hatten, hatte ihn kurzzeitig gestört. Jetzt, da er alleine im Haus war, würde er sich erst einmal in Ruhe fertig machen und dann einen gründlichen Rundgang durch sämtliche Räume unternehmen, am Vortag hatte er immer nur einen kurzen, prüfenden Blick in die Zimmer geworfen. Anschließend wollte er sich die Stadt ansehen. Zwar würde er heute wieder in seine Welt zurückkehren, aber ein Stadtbummel konnte nicht schaden, vor allem wenn man sonst nichts zu tun hatte. Wann Malik wohl wieder vom Arzt zurück kam? Hoffentlich nicht zu spät. Im Gegensatz zu dem Schüler hatte er nämlich wichtige Geschäfte zu erledigen, die man nun wirklich nicht verschieben konnte. Gähnend verschwand Bakura ins Bad, um sich für den Tag herzurichten. Zuerst stelle er sich vor den großen runden Spiegel und betrachtete sich, nur um festzustellen, dass er sich kein bisschen über Nacht verändert hatte. Seine Haut war immer noch leichenblass, seine Augen waren auch weiterhin braun und sein weißes Haar war genauso lang und weich wie am Vortag. Etwas anderes hatte er eigentlich auch nicht erwartet. Wieso sah er dann überhaupt noch in den Spiegel? Müde streckte Bakura sich einmal ausgiebig, in der Hoffnung dadurch nicht mehr ganz so verschlafen zu sein. Einen Erfolg erzielte er zwar nicht wirklich, aber er fühlte sich nicht mehr so verspannt. Immerhin etwas. Aufmerksam ließ der weißhaarige Mörder seinen Blick durch das Badezimmer gleiten. Es war keineswegs so, dass er irgendetwas besonders erwartet hätte, doch seine Neugierde trieb ihn einfach dazu sich umzusehen. Lediglich die Zahnbürste, welche noch in ihrer Verpackung auf dem Waschbeckenrand lag, erregte seine Aufmerksamkeit. Sorgte sich dieser Malik etwa um seine Zahngesundheit? Amüsant. Daheim war er es immer, der sich um alles sorgte. Sein Kumpel Marik achtete eher weniger auf solche Kleinigkeiten. Solang es ihn nicht wesentlich beeinträchtigte interessierte es ihn auch nicht. Wie der Kerl nur die ganzen Jahre ohne ihn überleben konnte? Mit einem Lächeln auf den Lippen griff Bakura nach der Zahnbürste und packte sie aus. Vielleicht war der Blondschopf wirklich nicht sein Feind? Sicher konnte man sich diesbezüglich zwar nie sein, aber hoffen durfte man doch noch, oder? Während er sich die Zähne putze, überlegte er, ob er seine eigenen Sachen wieder anziehen sollte oder ob er sich nochmals an Maliks Kleidung bedienen sollte. Der "Kleine" hatte ja genug. Ob es auch Unterwäsche gab, die noch nicht benutzt worden war? Er war es zwar gewohnt mehrere Tage hintereinander in den selben Sachen herum zu rennen, da es in seinem "Beruf" unvermeidlich war, aber die Unterwäsche von Fremden zu tragen war etwas vollkommen anderes. Mit einem Mal fiel Bakura wieder ein, dass er sich gestern zwar Kleidung geholt, sie aber nicht angezogen hatte. Folglich mussten die Sachen noch dort liegen, wo er sie am vorherigen Tag abgelegt hatte. Wie konnte er das nur vergessen? Man könnte meinen, dass es einem Menschen mit halbwegs gesundem Menschenverstand gelang, zu bemerken, dass er lediglich mit einem Handtuch, welches mehr schlecht als recht um die Hüfte baumelte, bekleidet war. Scheinbar war Bakuras gesunder Menschenverstand vollkommen abhanden gekommen. Auch gut. Mit einem reichlich genervten Gesichtsausdruck beendete er das Zähneputzen und suchte nach den Sachen, die er am Vortag hergerichtet hatte. Er musste ein paar andere Kleidungsstücke zur Seite legen - Malik hatte wohl nicht gesehen, dass er seinen Schlafanzug auf Bakuras Kleidung geworfen hatte -, um an seine zu kommen, aber als es vollbracht war, schlüpfte er schnell in die Wäsche und betrachtete sich im Spiegel. Kritisch musterte er sich selbst. Er sah gut aus, verdammt gut sogar - Einbildung war doch die schönste Bildung, trotzdem mochte er das, was er sah, nicht wirklich. Es war schon eine Weile her, als er das letzte Mal in schlabber Hose und Co. unterwegs gewesen ist. Aber naja, es blieb ihm jetzt nichts anderes übrig. Klar, er könnte abermals den Schrank des anderen durchwühlen, auch wenn er bezweifelte dort etwas Besseres zu finden. Malik war größer als er, folglich würde alles schlaff an ihm herunter hängen - außer er fand was, dass dem Blondschopf zu klein war. War diese Hose dem anderen eigentlich schon zu klein oder gehörte die so? Oder lag es wirklich an diesen paar Zentimetern, die der andere größer war? Kopfschüttelnd griff der Weißhaarige nach einer blauen Bürste, um seine wild abstehenden Haare zu bändigen. Da Bakura ja am heutigen Tag noch etwas vor hatte, hielt er sich nicht weiter mit belanglosem auf und schritt, nachdem er im Bad fertig war, zum ersten Tagespunkt über: Dem Erkunden des Hauses. Auch wenn er der Überzeugung war, nichts Interessantes beziehungsweise Ungewöhnliches vorzufinden. Zuerst war der Schreibtisch des Jungen dran, der bis auf einen Haufen Blöcke, Motorradzeitschriften sowie einen Laptop nichts Nennenswertes vorzuweisen hatte. Als nächstes ging er zum Raum eigenen "Wohnzimmer" über, dass genauso uninteressant war: Viele Spiele und Zeitschriften, aber mehr auch nicht. Die Schränke waren genauso langweilig. Lediglich eine kleine Bock, die er im Nachtkästchen versteckt gewesen war, regte seine Neugierde. Er öffnete es nicht. Wieso, wusste er selbst nicht so genau. Da war einfach so ein Gefühl, dass ihn davon abhielt. Über sich selbst den Kopfschüttelnd begab er sich zum nächsten Raum - hier würde er nichts finden, außer den gewöhnlichen Kram, den man als Jugendlicher halt so hatte. Im Schlafzimmer der beiden Erwachsenen konnte er auch nichts Ungewöhnliches feststellen. Dafür waren die Arbeitszimmer der zwei umso interessanter. Die vertraulichen Unterlagen eines Anwaltes zu durchwühlen, war wundervoll. Wissen war Macht! Auch wenn dieses Wissen ihm wohl nicht allzu viel bringen würde. Nebenbei fand er auch den Namen des Mannes heraus. Seine Neugierde war erst nach einer guten Stunde befriedigt und so zog er ins andere Arbeitszimmer, welches aber leider nur halb so interessant war. Auch hier konnte er einen Namen heraus finden. Die Frau hieß Isis und arbeitete für das Museum der Stadt. Ihre Unterlagen waren nicht wirklich ansprechend. Meistens nur irgendwelche organisatorischen Sachen. Als nächstes würde er sich die Küche, dann das Wohnzimmer und schlussendlich noch den Keller zu Gemüte führen. Die anderen Räume, wie Abstellkammer oder Gästezimmer, beinhalteten aus Erfahrung meist nichts Erwähnenswertes. Die Küche war, wie jede Küche, mit Messern, Gabeln, Löffeln, Töpfen und den ganzen anderen Kram ausgestattet. Wieso er sich dennoch dort um sah? Reine Neugierde. Im Kühlschrank waren überwiegend irgendwelche gesunden Sachen. Wie konnte man nur ohne Fleisch beziehungsweise mit so wenig Fleisch - er hatte welches zwischen der Butter und dem fast abgelaufenen Tofu entdeckt, auskommen? Klar, dass Zeug war teuer, aber arm sahen die drei Bewohner nun echt nicht aus. Vor allem da Mahad als Anwalt wohl nicht gerade wenig verdiente und dieses Isis bekam sicherlich auch keinen Hungerlohn. Im Wohnzimmer fand er einen Stadtplan, den er auch gleich einsteckte - sicher war sicher. Ansonsten gab es nichts, was für ihn von nutzen hätte sein können. Also auf in den Keller! Dort war es, wie hätte es auch anderes sein können, kalt und zugemüllt mit allem Möglichen. Wieso konnte man Dinge, die man nicht mehr brauchte, nicht einfach weg werfen? Sein Kumpel Marik und er konnten sich so viel Gerümpel gar nicht leisten, was nicht bedeutete, dass es übersichtlich oder gar ordentlich bei ihnen Zuhause aussah. Aber zu ihrer Verteidigung sei gesagt, dass sie kaum Zeit hatten aufzuräumen. Sie waren immer nur kurz daheim, ein Auftrag jagte den nächsten. Gedankenverloren begab sich Bakura wieder ins Erdgeschoss und holte ein Mal tief Luft. Hier gab es nicht bedeutsames für ihn, daher würde sich nun als nächstes die Stadt ansehen. Zwar wollte er noch heute wieder in seine Welt, aber er musste auch drauf gefasst sein, dass dies nicht möglich war. Da er seine Straßenschuhe in Maliks Zimmer stehen gelassen hatte, musste er noch mal ins obere Stockwerk und sie holen. Angezogen wurden sie erst an der Tür - er war hier immerhin nur Gast! * Als der Weißhaarige ins Freie trat, stellte er fest, dass es unerwartet angenehm warm war. Eigentlich hatte er erwartet, dass er leicht frieren würde, da die Sonne sich geschickt hinter ein paar Wolken vor der Menschheit versteckte. Ein kurzer Blick nach links und einer nach rechts. Für welche Richtung sollte er sich entscheiden? Immer diese Wahlmöglichkeiten. Er entschied sich für links. Mehr als falsch konnte es nicht sein. Die Häuser waren alle irgendwie gleich. Die Wände waren so weiß, als hätte man sie gerade frisch gestrichen, und die Gärten gepflegt. Bakura vermutete, dass hier die Mittelschicht der Bevölkerung lebte. Reiche Leute würden in viel prachtvolleren Häusern wohnen und arme Leute konnten sich das hier sicherlich nicht leisten. Mit den Jahren hatte er ein Auge für sowas bekommen, wobei das keine große Kunst war. Jeder Laie konnte ungefähr bestimmen, wie wohlhabend jemand war, wenn er dessen Besitz sah. Waren zurzeit eigentlich Ferien? Malik ging bestimmt noch zur Schule. Zwar hatte der Weißhaarige beim Durchsuchen des Schreibtisches auch eine Notiz entdeckt, auf der was von einem Zahnarzttermin stand, aber soweit er sich seine eigene Schulzeit erinnern konnte, sollten diese doch erst nach der Schule stattfinden. Bildung war nämlich das A und O in der heutigen Welt. Nun gut, vielleicht liefen die Dinge hier auch einfach anderes. Er sollte sich keine Gedanken über derartig unnötige Sachverhalte machen. Es war Maliks Welt, Maliks Leben. Alles hier ging ihn nichts an. Er gehörte nicht an diesen Ort. An einer roten Ampel blieb er stehen, sah sich um. Autos, Menschen, Geschäfte und Werbereklamen alles was man in einer Stadt halt so vor fand. Es wurde grün. Er setzte seinen Weg fort. An der nächsten Straßenkreuzung konnte er eine U-Bahnstation ausfindig machen. Ohne große nachzudenken steuerte er auf sie zu. Dort würde er sicherlich Informationen über das Verkehrsnetzt der Stadt finden. So was konnte unheimlich nützlich sein. Nebenbei fiel ihm auf, dass er sich Japan befand. Die Schriftzeichen kamen ihn alle so bekannt vor. Bevor er seine Familie verlassen hatte, hatte er ebenfalls in Japan gelebt. Seine Heimatstadt war dieser ähnlich. Aber das war seiner Meinung nach nicht ungewöhnlich, immerhin sahen Städte doch fast immer gleich aus. Wie es wohl in einer alten Heimat jetzt aussah? Ob sein Elternhaus wieder aufgebaut worden war? Bestimmt. Wie es seinem kleinen Bruder wohl ging? Ab und zu schrieb er dem Kleinen eine Karte, doch er gab nie eine Adresse an. Das wäre fatal! Bei Gelegenheit würde er seinen Engel mal besuchen kommen. Aufmerksam besah er sich die Fahrpläne und versuchte sie sogar auswendig zu lernen, auch wenn es eigentlich unnötig war. Er wäre bald wieder daheim. Da es ihm irgendwann zu blöd war dumm rumzustehen und Fahrpläne auswendig zu lernen, nahm er sich einen mit und begab sich auf die Suche nach einem geeigneteren Ort. Es gab hier doch sicherlich irgendwo einen kleinen Park. Natürlich könnte er jetzt auch mal den Stadtplan zu Rate ziehen, doch irgendwas hielt ihn davon ab. Bis jetzt hatte er auch immer ohne überlebt. Wieso hatte er ihn dann überhaupt eingepackt? Was um alles in der Welt war nur los mit ihm? Er kam sich bescheuert vor. Sein Verhalten war ihm selbst vollkommen fremd. Wenn er aber das Ganze mal genauer betrachtete, war es doch auch irgendwie normal. Normalerweise informierte er sich vor einem Ortwechsel über die neue Umgebung und brauchte daher keine Hilfsmittel. In diesem Fall war aber alles anderes. Die Stadt, dessen Namen er noch nicht erfahren hatte, besaß einen relativ großen Park. Es gab einen großen Brunnen, viele Bänke und natürlich Grünflächen auf denen Bäume, Blumen und Büsche wuchsen. Der Weißhaarige suchte sich ein Plätzchen, das wenigstens ein paar der kaum vorhandenen Sonnenstrahlen erwischte. Welcher Tag war heute eigentlich? Zu erst nach er sich den Stadtplan zur Hand, auf dem er dann anfing wichtige Orte zu markieren. Einen Stift hatte er sich unterwegs geklaut, er wusste nicht einmal mehr genau von wem und wo. Unglaublich, er war so gut im Stehlen, dass er es selbst schon gar nicht mehr bemerkte. Oder war das eher bedenklich? Nachdem er sich Polizeistationen, davon gab es hier seltsamerweise gleich drei, das Krankenhaus, die Schulen, wieso sie wichtig waren konnte er selbst nicht sagen, Bahnstationen sowie das Museum in dem Maliks Schwester Isis arbeitete gekennzeichnet hatte, kramte er die Fahrpläne hervor. Auf der einen Seite waren die Strecken zu sehen, während auf der anderen die Abfahrtszeiten vom Hauptplatz, der sich gleich neben der Polizeistation im westlichen Teil der Stadt befand - führer gehörte wohl noch etwas mehr zu dem kleinen Örtchen hier -, aus zu erkennen waren. Beides wurde gründlichste studiert. Es war nicht gerade selten, dass einen die Flucht mit der Bahn half. Oft hatte er seine Verfolger so erfolgreich abhängen können. Man musste sich einfach nur auskennen und schon war alles viel einfacher. Eine Kirchtrumglocke läutete. Es war Mittag. Gemächlich erhob sich Bakura und machte sich auf den Rückweg. Ob Malik bereits wieder Zuhause war? Ob er auf ihn wartete? Warum sollte der Blonde? Wieder ging er an dem alten Buchladen vorbei, in dessen Schaufenster lediglich alte Fassungen von Bestsellern ausgestellt waren, deren Namen keiner mehr kannte. Das kleine Elektrogeschäft hatte, wie so viele andere, Fernseher aufgestellt, in allen lief der gleiche Schwachsinn. Dieses Mal war es eine Zeichentrickserie. Eigentlich schenkte er sowas schon lange keine Beachtung mehr, schließlich war sowas ja nur für Kinder - redete er sich zumindest gerne ein. Dieses Mal aber war alles anderes. Er hatte seinen Blick nur für eine Millisekunde auf die Bildschirme gelenkt - wirklich nur eine Millisekunde - und konnte ihn nicht mehr abwenden. Hatte er sich gerade selbst gesehen? Also er meinte jetzt im Fernseher, nicht im Schaufensterglass. Zögerlich trat er näher an das Geschäft heran. Zwei Kinder, die begeistert zu sahen, wie ein weißhaariger junger Mann durch dunkle Gassen rannte, sahen zu ihm auf. Erstarrten. Schwiegen. Malik hatte ihm erzählt, dass er aus einem Buch namens "Kirâ" herausgelesen worden war. Folglich war er nicht echt - zumindest nicht in dieser Welt. Der Bakura, der in der Serie, die ganz zufälligerweise ebenfalls "Kirâ" hieß, herum hüpfte, war also irgendwie er und irgendwie auch nicht. Sie hatten das selbe Aussehen, wahrscheinlich auch die selbe Stimme und den selben Charakter. Fast schon unheimlich, nicht wahr? Jemand sprach ihn von der Seite an. Genervt wandte er sich zu dieser Person. Der Weißhaarige konnte es nicht leiden, wenn man ihn einfach von der Seite ansprach. Anmerken ließ er sich dies nicht. Schnell hatte er gelernt, dass man besser dran war, wenn man seine wahren Gefühle für sich behielt und sie nur denen zeigte, die wussten, wie man mit ihnen umging. So jemanden fand man nicht oft. Nach einer Weile hatte er Marik gefunden, auch wenn jener nicht gerade vertrauenswürdig erschien. Das Äußere konnte einen ganz schön auf Glatteis führen. Das war jetzt aber unwichtig, immerhin hatte es sich gerade ein brünettes Mädchen erdreistet, ihn einfach mal so mit einem "hey" anzuquatschen. Diese Jugend von heute! "Was?", schnauzte er sie unfreundlich ja. "Warum so unfreundlich? Ich wollte dich nur fragen, wie du es fertig gebracht hast so ein authentisches Cosplay zu fertigen." Wie bitte? Ohne seine hervorragende Selbstbeherrschung wären Bakura wohl sämtliche Gesichtszüge entglitten, aber dies war ja zum Glück nicht der Fall. Nun aber zurück zu dieser "Cosplay" Sache. Was um alles in der Welt war das denn bitte? Und was hatte er damit zu tun? Krampfhaft versuchte er sich dran zu erinnern, ob er dieses Wort während seiner Zeit in Japan schon einmal zu hören bekommen hatte. Sicherlich könnte er jetzt einfach nachfragen, doch so etwas tat ein Eizô Bakura nicht! So weit würde er es nicht kommen lassen! "Ich cosplaye nicht." Mehr als falsch konnte diese Antwort nicht sein. "Natürlich, und ich bin die Kaiserin von China. Du willst mir jetzt nicht ernsthaft weiß machen, dass du von Natur aus, wie Bakura aussiehst. Lächerlich. Und seinen Charakter sowie seine Stimme hattest du sicherlich auch schon von Anfang an, oder was?" Wie war das vorhin noch gleich mit dem "warum so unfreundlich"? "Hör mal zu Fräulein, ich habe wirklich besseres zu tun, als mich mit einem Kind, wie dir, abzugeben, als sei so gut und lass mich einfach in Ruhe." Er würde Malik später fragen, was "Cosplay" bedeutete. Der musste das doch wissen, immerhin lebte er in der Zeit, in dieser Welt. Ohne auf die Rufe des Mädchens, dessen Name er nicht einmal erfragt hatte, zu achten, setzte er seinen Weg fort. Nur weg von hier! Ganz schnell weg! Wer wusste schon, wie viele Verrückte es in dieser Stadt noch gab, die meinten, ihn dumm von der Seite an zu quasseln. Ein kalter Regentropfen fiel ihm auf die Stirn. Na toll, jetzt auch noch das. Und wie üblich hatte er keinen Regenschirm dabei. Leise vor sich hin fluchend stapfte er weiter. Wehe Malik las ihn heute nicht zurück! Er wollte wieder Normalität in seinem Leben - sofern seines denn je derartiges besessen hatte - und Ruhe. Ruhe konnte er nur finden, wenn er alles planen konnte und hier konnte nichts planen. Gar nichts. Es gab keinen Auftrag, der Ort war ihm immer noch fremd, sein Aufenthalt hier war falsch! * Kirâ Fröhlich hüpfte der kleine Junge von einer Pfütze in die andere. Das Wasser spritze zur Seite. Eine ältere Dame beschwerte sich über dieses Verhalten, aber sie wurde ignoriert. Der Weißhaarige empfand das Verhalten seines kleinen Bruders nicht als falsch. So waren Kinder nun einmal und außerdem wurde ja auch niemand von den Wassertropfen getroffen. Erst als die Straßen belebter wurden, nahm er Kyô an die Hand und bat ihn, von jetzt brav an seiner Seite zu gehen. Der Kleine gehorchte. Mariku hatte sie gebeten oder besser hatte Bakura befohlen ein paar Einkäufe zu erledigen. Wieso der Blondschopf dies nicht selbst tun konnte, wusste er nicht und er wollte es eigentlich auch gar nicht so genau wissen. Der Kerl war ihm definitiv nicht geheuer. Welcher normale Mensch hatte hunderte von Schusswaffen - eine kleine Übertreibung an dieser Stelle - bei sie Zuhause rumliegen? Mittlerweile war Mariku schon so weit, dass seine kleine Sammlung in einer der Truhe lagerte, damit Kyô sich nicht ausversehen verletzen konnte, dennoch war dem Weißhaarigen die gesamte Situation nicht geheuer. Er musste schnell eine andere Wohnung finden, dafür brauchte er aber erst einmal einen Job und den fand man als Fremder nicht gerade schnell, vor allem wenn man die neue Sprache nicht allzu gut beherrschte. Das aus seiner Sicht Wichtigste konnte er sprechen und auch schreiben, trotzdem musste er noch sehr viel lernen, um auf lange Zeit gesehen zu überleben. "Du, Baku", sprach ihn Kyô an und zupfte dabei am Ärmel der schwarzen Jacke. "Was denn?" "Wo gehen wir eigentlich hin?" "Einkaufen. Mariku braucht ein paar Dinge und hat uns gebeten, sie für ihn zu holen. Schon wieder vergessen?" Der schwarzhaarige Junge war ganz begeistert gewesen, als sein großer Bruder ihm gesagt hatte, dass sie einen kleinen Einkaufbummel machen würden. Freudig hatte er sich hergerichtet - das konnte er schon ganz alleine - und hatte dann seinen Bruder so lange genervt, bis dieser auch endlich fertig war. Alte Leute waren einfach viel zu langsam für diese Welt. "Wir sind gleich da, Kyô, versprochen." "Wirklich?" "Wirklich." Der Braunäugige konnte sich nicht erklären, wieso seinem Kleinen das Einkaufen so viel Spaß machte. Immerhin konnte jener Menschenmengen nicht ausstehen und hatte immerzu Angst sich in den Kaufhäusern zu verlaufen und dann auf ewig verloren zu gehen. Wahrscheinlich lag es an den vielen bunten Farben, die im Supermarkt zu sehen waren, genauer gesagt die Süßwarenabteilung mit den vielen farbigen Bonbon und den regenbogenartig bedruckten Verpackungen. Kinder waren schnell für die einfachsten Dinge zu begeistern. Bakura fand es niedlich, vor allem da die Augen seines Kleinen dann immer so wunderschön leuchteten. Auch wenn er sich dies vermutlich nur einbildete. "Komm, Kyô, lass uns ein bisschen schneller gehen. Nicht das es anfängt zu regnen und wir stehen mitten drin." Eifrig nickte der Angesprochene und ging ein wenig schneller. ________________________________________________________________________________________ Schon wieder nicht richtig verbessert. Zurzeit fehlen mir einfach die Nerven dazu. (Ich hoffe aber, dass jeder ohne größere Schäden davon gekommen ist.) Dieses Mal ist das Kapitel sehr kurz, aber hätte ich es ausführlicher gemacht, wäre es unfassbar langweilig geworden. Außerdem sieht man so, hoffentlich, auch wie Bakura seinen Grundgang erlebt bzw. auf was er so achtet. Ich hoffe, dass das Kapitel euch dennoch gefallen hat. Bakura wird wegen der Cosplay-Geschichte noch in den spätern Kapiteln das ein oder andere Abenteuer erleben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)