Regen von whitePhobia (Tripelpunkt Teil 2) ================================================================================ Epilog: Regentänzer ------------------- Epilog: Regentänzer Der Morgen war blass und grau und die Reste von Nebelfetzen hingen in der kühlen Luft, als der Bus mit den Bladebreakers die Auffahrt zu ihrem Trainingsgelände hinauf rollte. Der noch regennasse Kies knirschte unter den Rädern und das ruckartige Stoppen des Wagens holte seine Passagiere aus dem Schlaf. Langsam setzte sich Kai auf und sah auf seine Armbanduhr. Es war noch nicht mal sechs Uhr morgens. Er sah zu Ray, der nicht mehr an seine Schulter gelehnt schlief, sondern ihn bereits mit müden Augen anlächelte. Mehrere Strähnen seines schwarzen Haares hatten sich in der Nacht verselbstständigt und hingen ihm nun wirr ins Gesicht. Einen Augenblick lang wollte sich Kai nach vorn beugen, um Ray liebevoll das schwarze Haar aus dem Gesicht zu streichen – vielleicht auch um ihn zu küssen – doch ein leichtes Kopfschütteln des Schwarzhaarigen hielt ihn davon ab. Kai unterdrückte ein Seufzen. Erst wenn sie allein waren gehörte Ray auch wirklich ihm. „Sind wir schon da?“, fragte Max in schläfrigem Tonfall und mit noch geschlossenen Augen, als würde er eine negative Antwort bevorzugen. „Ja, komm schon!“, Tysons Tonfall klang nicht minder müde, aber er stieß seinen Freund auffordernd an und stieg steifbeinig aus dem Wagen. Kai folgte seinem Teamkollegen hinaus. Der kühle Aprilmorgen schlug ihm mit einer Frostigkeit entgegen, die doch sehr an winterliche Kälte erinnerte. Gegen seinen Willen zitterte Kai im ersten Augenblick. Das Zwitschern der Vögeln, das ihm in seiner entrückten Schlaftrunkenheit ungewöhnlich laut erschien, hob seine Laune an diesem Morgen nicht unbedingt an. Mürrisch wartete er darauf, dass der Fahrer ihre Reisetaschen aus dem Kofferraum entlud, während Ray und Max dem Auto entstiegen. Kai betrachtete sein Team und seufzte innerlich. Obwohl sie während der Autofahrt hierher ein paar Stunden geschlafen hatten, sahen alle übernächtigt aus. Tyson gähnte herzhaft und streckte sich ausgiebig, während seine Gelenke dumpf knackten. Max hatte sich mit geschlossenen Augen an die Beifahrertür des Busses gelehnt und schien einfach im Stehen weiter zu Schlafen. Und Ray versuchte ein paar lose Strähnen seines schwarzen Haares halbherzig zurück in seinen Zopf zu zwängen, was ihn nur noch zerzauster aussehen ließ. Kai nahm seine eigene Reisetasche in Empfang. Er rüttelte Max kurz an der der Schulter, sodass der erschrocken aus seinem Halbschlaf hochschreckte, und lief dann zum Hauseingang hinüber. Träge folgten ihm seine Teammitglieder, als er die Haustür aufgeschlossen hatte. „Wir sehen uns beim Mittagessen.“, sagte Kai, nachdem er den Inhalt des braunen Briefumschlags, den Mr. Dickenson auf der Anrichte hinterlegt hatte, kurz überflogen und für unwichtig befunden hatte. Ein dankbares Seufzen seiner Teammitglieder antwortete Kai. Max und Tyson schlurften los um sich ein Bett zu suchen, in dem sie den verpassten Schlaf nachholen konnten. Sobald die Zimmertüren der beiden ins Schloss gefallen waren fiel jede augenscheinliche Müdigkeit von Kai ab. Ray hatte sich nicht einfach zurück gezogen. Er wartete mit der Reisetasche über der Schulter in der Tür eines der Zimmer und sah Kai aufmerksam an. Ihre Blicke trafen sich. Ray biss sich lächelnd auf die Unterlippe und ging dann in das Zimmer. Fast schon hastig schnappte Kai sich seine eigene Reisetasche und brachte sie in das letzte freie Zimmer, nur um einen Augenblick später den Raum wieder zu verlassen und mit beschleunigtem Herzschlag Rays Zimmer zu betreten. Leise schloss er die Tür hinter sich und war unsicher, was er nun tun sollte. Natürlich war er es gewohnt, dass Ray ständig seine Souveränität ins Wanken brachte; doch diesmal war da noch etwas anderes. Er hatte Angst es zu vermasseln. Einerseits wollte er Ray zu nichts drängen, zu dem er vielleicht noch nicht bereit war. Andererseits … Kai kam gar nicht dazu seinen Gedanken zu beenden, denn in dem Moment pressten sich Rays weiche Lippen auf seine eigenen. Der Chinese vergrub seine Hand in Kais grauem Haarschopf, während er ihn besitzergreifend küsste. Kai erwiderte den Kuss, mit der gleichen stürmischen Begierde, bevor es ihm überhaupt bewusst wurde. Zu lange hatte er sich genau diese Situation wieder und wieder vorgestellt. Als sie sich schließlich voneinander lösten, hatten sie bereits das Zimmer halb durchquert und waren nur noch wenige Schritte vom Bett entfernt. Hatte er Ray hierher gedrängt? Kai konnte es nicht mehr mit Bestimmtheit sagen. Rays Finger fuhren unter sein Shirt, schoben es nach oben und zogen es dem Russen über den Kopf. Sein Atem ging flach, als der Schwarzhaarige begann Kais Hals zu küssen, während seine glühenden Finger überall gleichzeitig zu sein schienen. Forschend fuhren sie die Konturen von Kais Körper nach; glitten immer tiefer. Er stöhnte. Es wäre so leicht Ray jetzt einfach zu packen, weiter nach hinten zu drängen, um ihn dann auf die Matratze des Bettes zu drücken. Kai hatte dem Schwarzhaarigen bereits das T-Shirt ausgezogen und seine Hände an dessen Hüfte gelegt, als ihm wieder einfiel, dass er Ray doch die Kontrolle überlassen wollte. Statt ihn auf das Bett zu stoßen, zog Kai Ray zu sich heran und verwickelte ihn in einen Zungenkuss. Nur zu willig erwiderte sein Freund dieses Spiel. Ray schob seine Hand in den Bund von Kais Hose, ohne sich aus dem Kuss zu lösen. Erneut stöhnte Kai auf. Der grauhaarige Russe konnte kaum glauben, dass der Ray, der sich im Auto unsicher danach umgesehen hatte, ob sie nicht jemand beobachtete während sie sich küssten, und der Ray, der ihn jetzt küsste und dabei bestimmt mit in Richtung des Bettes zog, ein und dieselbe Person waren. „Andererseits …“, dachte Kai und ließ sich gehorsam mitziehen. *** Ray angelte sich seine Armbanduhr von dem Nachttisch und seufzte leise, als er sah wie spät es bereits war. Zehn Minuten nach elf. Bald würden Max und Tyson wieder aktiv werden und dann war es besser, wenn sie Kai nicht nackt in seinem Bett fanden, weil sie ohne anzuklopfen einfach das Zimmer betreten hatten. „Kai?“, fragte Ray leise und hätte fast erneut aufgeseufzt, als der Angesprochene darin inne hielt mit federleichten Berührungen sein Rückgrat und seine Pobacken entlang zu streichen. Ray rollte sich im Bett herum und sah Kai direkt in die Augen. Zum ersten Mal seit Kai sein Zimmer betreten hatte verspürte er eine gewisse Unsicherheit im Umgang mit seinem Freund. Es war lächerlich, wenn er daran dachte, dass er nicht ein einziges Mal so etwas wie Verlegenheit empfunden hatte, als sie vorhin miteinander geschlafen hatten und nun zögerte er. „Wäre es in Ordnung, wenn wir unsere Beziehung noch für uns behalten? Nur für eine Weile.“, fragte Ray und hatte närrischer Weise auf einmal das Bedürfnis Kai festzuhalten im Falle der Russe würde sich gekränkt abwenden. Kai sah ihn einige Herzschläge lang mit einem unleserlichen Ausdruck in den Augen an, als müsse er erst über die Bedeutung der Worte nachdenken. „Wir führen also eine Beziehung?“, fragte er dann und lächelte. Ray errötete unwillkürlich und lächelte verlegen, so konkret hatte er nicht darüber nachgedacht, was er da gesagt hatte. Er öffnete bereits den Mund um seine Wortwahl zu korrigieren, als sich Kai nach vorn lehnte und ihn sanft küsste. „Okay.“, hauchte Kai, bevor Ray etwas anderes tun konnte, als erstaunt zu blinzeln. Kai zog Ray die Armbanduhr - die dieser noch immer fest hielt - aus der Hand und warf einen Blick auf das Ziffernblatt. „Du wirfst mich besser raus.“, sagte er traurig und küsste Ray erneut. Ray lächelte und schlang seinen Arm um Kais Hüfte und zog sich so nah wie möglich an seinen Freund heran um dessen warme nackte Haut noch einmal auf seiner eigenen zu spüren, bevor der andere ging. *** Ray stand in der offenen Küche und goss sich großzügig Reismilch über seine Haferflocken. Er gähnte verhalten und rührte langsam mit dem Löffel durch sein Frühstück. In den drei Wochen, in denen er sich nun schon mit seinem Team in dem Trainingslager befand, hatte er in einigen Nächten deutlich zu wenig Schlaf bekommen. Nicht dass sich Ray bei irgendjemanden darüber beschweren wollte -schließlich waren es ja die gemeinsamen Stunden mit Kai, die ihn den Schlaf kosteten– dennoch wünschte er sich so langsam mal wieder einen trainingsfreien Tag oder ein Nacht, die er durchschlafen konnte. Träge schob er die Stückchen klein geschnittener Banane in seine Haferflocken und rührte sie unter. Max und Tyson, die beide schon am Frühstückstisch saßen, tranken bereits ihre erste Tasse Tee, während sie darauf warteten, dass Ray sich zu ihnen gesellte. „Morgen.“, sagte Kai in betont beiläufigem Tonfall und betrat die Küche, als Ray die Reismilch zurück in den Kühlschrank stellte. Wie immer erschien er als Letzter zum Frühstück. Der Russe trug nur eine weite graue Jogginghose und unweigerlich blieb Rays Blick an dem unbedeckten Oberkörper haften. Intuitiv biss er sich auf die Unterlippe und musste sofort über sich selbst lächeln. Kai hatte sich diesen Kleidungsstil angewöhnt, nachdem er mitbekommen hatte, welche Wirkung er jedes Mal aufs Neue auf Ray hatte, wenn er seinen nackten muskulösen Oberkörper in das Blickfeld seines Freundes schob. Es war eine Art stiller Protest des Russen, der die Tatsache, dass Ray ihre Beziehung vor den anderen verbergen wollte nicht ganz verstand, aber schweigend akzeptiert hatte. „Fall über mich her, wenn du dich traust. Mir ist egal, wer dabei zusieht.“, schien er Ray damit sagen zu wollen und es fiel Ray manchmal wirklich schwer, dem nicht nachzugeben. Kai ging um Ray herum zu einem der Küchenschränke und nahm sich eine Tasse heraus, in die er sich etwas von dem frisch aufgebrühten Kaffee hinein goss. Er war zur Hälfte von den Küchenschränken verborgen, sodass Max und Tyson keinesfalls sehen konnten, was für ein anzügliches Lächeln er Ray in diesem Moment zuwarf. Ray zwang sich zu einer gleichmütigen Miene, nahm seine Schale mit dem Haferflocken und setzte sich zu seinen Teamkameraden an den Frühstückstisch. Kai folgte nur Augenblicke später. Seine Miene zeigte nun keineswegs mehr ein Lächeln, sondern den geschäftsmäßigen Ausdruck von innerer Ruhe, die er als Teamchef an den Tag legte. Zeitweilig kam es so Ray vor, als würde es sich bei Kai, dem Teamchef und seinem Freund um zwei völlig verschiedene Personen handeln. So sehr unterschied sich der Kai, den er für sich allein hatte, von dem, den Max und Tyson auch zu sehen bekamen. Ray schob sich grinsend einen Löffel Haferflocken in den Mund als er daran dachte wie zügellos und gleichzeitig nachgiebig Kai sich gegenüber seinen Wünschen verhielt, wenn es kein anderer mitbekam. Das war auf jeden Fall nichts, was man von dem kühlen und zielstrebig agierenden Charakter erwartete. Dennoch gefiel es Ray. In was sich Kai wohl verwandeln würde, wenn Ray beschloss, dass sie ihr Versteckspiel aufgeben sollten, und sie ihre Beziehung öffentlich machen würden und die beiden so verschiedenen Charakteransichten zu einer verschmolzen? Irgendwann würde er es sicher erfahren. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)