Regen von whitePhobia (Tripelpunkt Teil 2) ================================================================================ Kapitel 1: Das Rauschen des Regenmachers ---------------------------------------- Kapitel 1: Das Rauschen des Regenmachers April. Feiner Nieselregen fiel aus anthrazitfarbenen Wolken auf die Stadt, rieselte auf den grauen Beton der Bordsteine und färbte ihn mit seiner Feuchtigkeit dunkel ein. Er rann in dicken Tropfen von den Straßenlaternen, die ihre Umgebung bereits erhellten, obwohl es erst früher Nachmittag war und sammelte sich am Straßenrand in Pfützen und kleinen Rinnsalen. Feine Regentropfen wurden von einer heftigen Windböe gegen die Fenster, die sich über der obersten Sitzreihe der Arena befanden, geweht. Die Wassertropfen an der Scheibe glitzerten wie kleine Diamanten vor dem Hintergrund des sturmgrauen Himmels. Immer mehr Tropfen peitschte der Wind gegen die Fenster, sodass sich die zuerst kleinen zu immer größeren Tropfen zusammen schlossen und dann verschwommen die Scheibe hinab rannen. Der Wind umtoste heftig die Arena, doch sein Toben wurde von den lauten Jubelrufen des Publikums übertönt, sodass man im Inneren nichts von den Naturgewalten mitbekam, die draußen ihre Kraft entluden. Die Begeisterung der Zuschauermenge schwoll wellenartig an und ab, wogte durch die Arena, machte angespanntem Schweigen Platz, nur um erneut aufzubranden. Die Stimme des Kommentators durchschnitt die lauten Jubelrufe des Publikums. „Ray Kon entscheidet dieses fulminante Match für sich und damit geht der Sieg an die Bladebreakers, die sich somit als erste für das Finale qualifiziert haben.“ Der Beifallssturm der Zuschauermenge schwoll noch etwas an, als Ray in Siegermanier die Faust in die Höhe streckte und im Applaus des Publikums badete. Er schüttelte seinem geschlagenen Gegenüber die Hand, bevor er zu seinen Teamkameraden ging, die bereits am Rande der Arena auf ihn warteten. „Das war großartig, Ray.“, bestürmte Tyson ihn sogleich und klopfte ihm mit einem Grinsen auf die Schulter. Ray grinste zurück und ließ sich auch von Max beglückwünschen. Kai, der ein paar Schritte von ihnen entfernt stand, sagte nichts, und beobachtete Ray nur mit ausdrucksloser Miene. Nachdem sie sich umgezogen hatten verließen die Vier zusammen die Arena. Der Wind peitschte ihnen den eiskalten Regen entgegen, als sie die Halle verließen. Ray schlug sich die Kapuze seines Anoraks hoch und hielt den Kopf gesenkt, während sie zum Auto eilten. Er wollte dem Sturm so wenig Angriffsfläche wie möglich bieten. Das schlechte Wetter hatte sogar die Fans vertrieben, die sonst immer nach dem Match auf sie warteten, um ein paar Worte mit ihren Stars zu wechseln. Kai lief direkt neben Ray, während Max und Tyson ihnen schon voraus waren. Der Russe hatte nur den Kragen seines Mantels hochgeschlagen, eine Kapuze besaß er nicht. Dennoch schienen Wind und Regen ihn nicht sonderlich zu beeindrucken; er ignorierte sie einfach, als wären sie nicht da. „Wenn du mehr auf deine Deckung geachtet hättest, hättest du den Sieg viel eher in der Tasche gehabt.“, sagte Kai plötzlich an Ray gewandt. Die unbewusste Dominanz in Kais Stimme ließ keinen Widerspruch zu. Ray rollte mit den Augen. Kai fand auch immer ein Haar in der Suppe. Er hätte dem Russen am liebsten eine schlagfertige Erwiderung entgegen gebracht, doch er hielt sich zurück. Es brachte nichts mit Kai zu diskutieren, dabei zog man fast immer früher oder später den Kürzeren. Ray hegte dennoch den stillen Verdacht, dass Kai es in letzter Zeit sehr stark darauf anlegte Fehler in seinem Verhalten zu finden; ein Umstand, der Ray langsam an den Rande des Wahnsinns trieb. Vor allen Dingen da Kai ihn nie offen vor Tyson oder Max kritisierte, sodass sich Ray bei ihnen auch keine Unterstützung erhoffen konnte. Ray stieg in den Kleinbus ein, der sie zum Hotel zurückfahren sollte. Das Trommeln des Regens auf dem Autodach war ohrenbetäubend und verhinderte jedes weitere Gespräch, wenn man sein Gegenüber nicht anschreien wollte. Kai stieg als letzter in den Bus. Er hatte Ray den Vortritt gelassen. Obwohl Ray dies nicht wie eine höfliche Geste vorkam, sondern eher wie ein Wärter, der seine Gefangenen zählte. Ray grinste. So schlimm war es auch wieder nicht. Dennoch hatte er ständig das Gefühl, dass Kai ihn im Auge behielt. Als ob er nicht selbst auf sich aufpassen konnte. Ray schaute aus dem Autofenster und betrachtete den Himmel. Dicke Regentropfen klatschten gegen die Scheibe und ließen den grau-schwarzen Himmel verschwimmen. „Ich glaub, ich laufe.“, sagte Ray plötzlich und stand von seinem Platz auf. „Wie bitte?“ Max, der sich gerade erst das Wasser aus seinem Haar geschüttelt hatte, sah Ray an, als hätte dieser seinen Austritt aus dem Team verkündet. „Ray, es regnet!“ Der Schwarzhaarige grinste. Als hätte er diese Tatsache nicht auch schon selbst bemerkt. „Ich brauch einfach noch ein wenig Bewegung. Wir sehen uns heut Abend im Hotel.“ Er winkte ihnen noch kurz und war dann auch schon aus dem Auto gesprungen. Ray beglückwünschte sich zu seinem plötzlichen Einfall. Es würde ihm sicherlich gut tun, mal einen Nachmittag nicht mit seinen Teamkameraden zu verbringen. Der böige Wind und der Regen schienen ihm weniger ungemütlich sein, im Moment vermittelten sie ihm eher ein Gefühl von Freiheit. Ray zog die Kapuze tiefer ins Gesicht, schob die Hände in die Taschen seines Anoraks und lief los. Er umrundete die Arena und reihte sich in den Besucherstrom ein, der von der Arena weg in die Innenstadt strömte. Hier unter all den vermummten Gestalten, die sich unter Regenschirmen versteckt hatten oder sich unter ihren tief ins Gesicht gezogenen Kapuzen verbargen, fiel er nicht weiter auf. Es war angenehm nicht erkannt zu werden. Ray schnappte immer wieder Fetzen von Gesprächen auf, die sich um das Beymatch drehten, dass sich die Besucher vor kurzen angesehen hatten. Er schwamm in dem Besucherstrom mit, der sich langsam ausdünnte je näher sie der Innenstadt kamen. Der Wind fing sich hier in den Häuserfassaden der Geschäfte und flaute dadurch etwas ab. Man sah hier mehr Menschen sich mit einem Schirm vor dem Regen schützten. Da hier die Gefahr geringer war, dass der Wind einem den Schirm mit Gewalt entriss. Der Regen wurde stärker. Große Tropfen fielen auf den Asphalt. Ray kaufte sich in einem kleinen Imbiss einen Kaffee zum Mitnehmen und suchte dann in einer nahen U-Bahnstation Zuflucht. Er hatte sich schon lange nicht mehr so frei und ungebunden gefühlt. Die Menschen die sich mit ihm in der U-Bahnstation drängten und besorgt in den Himmel oder auf den Fahrplan der Bahn schauten, würdigten ihn kaum eines zweiten Blickes. Ray trank seinen Kaffee und wartete bis den Regen wieder etwas nachgelassen hatte, bevor er wieder hinaus auf die Straße trat. Er streifte ziellos durch die Straßen und genoss die Freiheit dieses Nachmittags. *** Ray erschrak, als er einen Blick auf die Uhr warf. Es war bereits kurz nach halb neun. Er hatte gar nicht mitbekommen, dass es schon so spät geworden war. Der Abend dämmerte in dem gleichen dunklen Grau herein, das den Himmel schon den ganzen Tag beherrschte. Der Weg zum Hotel zurück war nicht allzu weit, sodass Ray sich nur kurz orientierte und dann zielgerichtet auf den Weg machte. Die Aussicht auf sein warmes Bett machte ihm plötzlich bewusst, wie kalt es doch war. Dass er stundenlang, in mehr oder minder starkem Regen durch die Straßen gewandert war, hatte der Feuchtigkeit die Möglichkeit gegeben, an Kragen und Ärmelaufschlägen einzudringen und ihm die Körperwärme zu entziehen. Ray eilte die Straße hinab und bemerkte plötzlich dass es kalt genug war, dass er seinen eigenen Atem sehen konnte. Die Straße wurde in regelmäßigen Abständen von Laternen beleuchtet. Weiße Kugel die auf schwarzen Pfählen wie kleine Monde schimmerten. Er schaute zu einer der Laternen auf, an den er vorüber lief. Ein Wirbel aus Regentropfen tanzte in ihrem weißen Lichtkegel. *** „Wo warst du? Du hast das Abendessen verpasst. Max und Tyson haben sich schon Sorgen gemacht.“, begrüßte ihn Kai, nachdem Ray ihr gemeinsames Hotelzimmer betreten hatte. Kai lag mit hinter dem Kopf verschränkten Armen in seinem Bett. Er trug bereits das ausgewaschene T-Shirt, das er immer als Schlafanzugoberteil benutzte. Ray war sich nicht sicher, ob er Kai geweckt hatte, oder ob der Russe auf ihn gewartet hatte. Ihm fiel allerdings auf, dass Kai zwar erwähnte dass sich Tyson und Max um ihn gesorgt hatten, sich selbst dabei aber aussparte. „Tut mir leid. Ich hab total die Zeit aus den Augen verloren. Ich hab unterwegs etwas gegessen.“, entschuldigte sich Ray und hängte seinen feuchten Anorak zum Trocknen über einen Stuhl. Das er unterwegs etwas gegessen haben wollte war zwar eine glatte Lüge gewesen, aber Ray wollte Kai im Moment so wenig Angriffsfläche für Kritik wie möglich geben. Er rieb seine Hände aneinander um sie ein wenig aufzuwärmen. Im warmen Hotel fiel ihn zum ersten auf, wie ausgekühlt sein Körper war. Ray wollte so schnell wie möglich in sein warmes Bett. Er nahm sich sein T-Shirt und seine Shorts vom Bett, die er normalerweise als Schlafanzug trug, und zögerte. Seit Kai ihm seine Liebe gestanden hatte, war es für Ray unangenehm sich von seinem Freund umzuziehen. Ray wusste, dass das eigentlich Unsinn war. Wenn er wollte, dass sich Kai ihm gegenüber normal verhielt, musst er sich ihm gegenüber auch vernünftig verhalten, und sich nicht wie ein Zwölfjähriger im Bad verstecken. Ray drehte sich von Kai weg und begann sich umzuziehen. Er zitterte leicht, als er sich seinen Pullover über den Kopf zog. Die feuchte Kälte war ihm in die Knochen gekrochen. Gänsehaut breitete sich auf Ray Armen aus und er spürte ein Kribbeln zwischen den Schulterblättern, das nicht von der Kälte stammte. Das Kribbeln war normalerweise ein Warnsignal dafür, dass er beobachtet wurde. Ray biss die Zähne zusammen, er hätte es wissen müssen. Er fühlte förmlich, wie Kais Blick über seinen Körper glitt und seinen Bewegungen folgte. Ray wurde unwillkürlich rot und beeilte sich seinen Schlafanzug überzuziehen. Es ärgerte ihn, dass er nicht genug Selbstbeherrschung aufbrachte, Kais Blicke zu ignorieren. Während er in seine Schlafanzughose schlüpfte vermied er es die ganze Zeit in Kais Richtung zu blicken und starrte stattdessen die Wand neben seinem eigenen Bett an. Jeden Moment erwartete er Kais heiße Hand auf seiner Schulter zu fühlen, zu spüren wie sie ihn streichelte und dann seinen Rücken hinab glitt … Ray erschauerte erneut. Er war erleichtert, als er sich endlich vollständig umgezogen hatte. Aus dem Augenwinkel warf er nun doch einen verstohlen Blick in Kais Richtung. Der Russe lag noch genauso da wie vorhin. Die Arme hinter den Kopf verschränkt, die Bettdecke bereits halb über sich gelegt. Doch er hatte die Augen geschlossen. Ray schüttelte den Kopf. Ob er sich den Blick vielleicht doch nur eingebildet hatte? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)