Demon Girls & Boys von RukaHimenoshi ================================================================================ Kapitel 34: Neuanfang ---------------------    Neuanfang       „Hä?“ Verwirrt schaute Laura von Benni zu Jacob und Samira Yoru und zurück. Erst jetzt fielen ihr die Ähnlichkeiten auf, die auch Lissi so zum Stutzen gebracht hatten. Ein trauriges Lächeln zeichnete sich auf Samira Yorus Lippen ab, als sie die Vermutung aller mit einem Nicken bestätigte. Laura wandte sich begeistert an Benni und wollte schon: ‚Das ist ja wunderbar, du hast endlich deine Eltern gefunden!‘ rufen, als sie bemerkte, dass er gar nicht so erfreut war wie sie. Eher das Gegenteil… „Warum?“, stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Langsam wichen seine Überraschung und Ratlosigkeit und der Zorn gewann die Oberhand. „Warum habt ihr mich im Stich gelassen?!“ Herr Yoru, nein, Bennis Vater schüttelte beruhigend den Kopf. „Wir haben dich nicht im Stich gelassen.“ „Nein, natürlich nicht.“ Bennis Sarkasmus hatte etwas unaussprechlich Bedrohliches. „Ihr habt einen Säugling, kaum ein paar Stunden alt, im Wald ausgesetzt, als würdet ihr es dem Zufall überlassen, ob er überlebt oder nicht.“ „Das haben wir aber nicht!“, widersprach Samira, in ihrer Stimme klang deutlich die Verzweiflung einer Mutter. „Benni, Schatz-“ „Komm mir jetzt nicht mit Schatz!“ Benni war aufgesprungen und ballte die Hände zu Fäusten, die vor Zorn zitterten. Dunkelrote Flecken breiteten sich auf den weißen Verbänden aus. Laura war vor Schreck und Angst zurückgewichen und klammerte sich an Arianes T-Shirt. Sie konnte sich nicht daran erinnern, Benni jemals wütend erlebt zu haben… „Benni, nichts wurde dem Zufall überlassen.“, versuchte Florian ihn zu beruhigen. „Es war alles mit deinen Eltern abgesprochen. Eufelia hatte Wolf extra losgeschickt, um dich zu holen.“ Wie als würde er es bestätigen, bellte Wolf, den Laura erst jetzt gemeinsam mit Chip und Raven bemerkte. Bennis Augen verschmälerten sich nur ein bisschen, doch allein dieser Blick ließ das Blut in ihren Adern gefrieren. Ein Blick so eisig kalt, wie die stürmische Januarnacht, in der er ausgesetzt wurde. „Ihr wusstet davon?“ Wolf ließ die Ohren hängen und winselte, während Florian verlegen den Blick abwandte und erklärte: „Ich war nicht von Anfang an eingeweiht, war aber der einzige, der bei deinem Auftauchen überrascht war. Als ich schließlich fragte meinte Konrad, sie hätten bereits mit dir gerechnet.“ „Ihr habt mich mein Leben lang belogen?“ Bennis Stimme war genauso kalt wie sein Blick, doch Laura konnte heraushören, wie diese Erkenntnis ihm einen Pfeil durchs Herz jagte. Florian öffnete den Mund um ihm zu widersprechen, schloss ihn aber wieder. In Benni schienen sich all seine negativen Gefühle zu bekriegen. Verzweiflung, Enttäuschung, Verständnislosigkeit, Kummer und nicht zuletzt der Zorn, der sich immer noch am ehesten durchsetzen konnte. Laura biss sich auf die Unterlippe. Trotz der Angst, die sie gerade vor Benni hatte konnte sie seine Gefühle verstehen. Eufelia hatte ihm beigebracht, dass Aufrichtigkeit eine der wichtigsten Tugenden war. So hatte Benni nie, wirklich nie gelogen, hatte sein Leben lang nur die Wahrheit gesagt, nur um zu erfahren, dass er selbst sein ganzes Leben lang belogen wurde. „Wir wollten dich nur beschützen, Benni. Du musst uns glauben!“, flehte Samira ihren Sohn an. „Schön, dass ich euch gerade dann glauben soll, wenn ich feststellen muss, dass alles, was ich bisher geglaubt habe eine Lüge war.“, erwiderte Benni sardonisch.  „D-das stimmt nicht!“, hörte Laura sich verzweifelt schreien, doch Benni schenkte ihr keine Beachtung. „Gibt es noch mehr?“, fragte er mit grausam schneidender Stimme. „Gibt es noch mehr Lügen, von denen ich wissen sollte?“ Alles an ihm, seine gesamte Ausstrahlung, war auf einmal so furchteinflößend und gefahrvoll, dass sich Laura zum ersten Mal in ihrem Leben wünschte, Benni wäre der ruhige, gefühlskalte Junge, bei dem sie sich nie sicher war, was er nun für sie empfand und warum sie sich ausgerechnet in ihn verlieben musste. Mit einem schummrigen Gefühl erkannte sie, dass eine Wolke wabernder schwarzer Energie um Bennis Körper pulsierte, die nur darauf wartete, dass er seine Selbstbeherrschung verlor. Laura schluckte schwer. Sie hatte Angst… „Wir haben dich nicht belogen, Benni!“ Samira blieb stur. „Wir wollten dich nie verletzen, wir lieben dich!“ „So ein Unsinn!“ Mit einem Schlag breitete sich die ganze pechschwarze Finsternis aus, die Benni umgab. Sie verschlang alles im Raum, fraß sich die Wände entlang und wand sich um alles, auf das sie traf. Laura hörte einige aufschreien, als die Finsternis-Energie sie überfiel und dieses Mal war es Ariane, die sich panisch an Lauras T-Shirt krallte. Sie selbst spürte gar nichts, nur erdrückende Sorge und die lähmende Angst um und vor Benni. Sie schaute an sich hinunter. Rauchartige Energie wandte sich um sie, als würde sie sie verschlingen wollen oder zumindest zerquetschen, so wie Florians Ranken Eagle die Luft abgeschnürt hatten. Doch aus irgendeinem Grund schadete sie ihr nicht. Sie umgab sie mit ebenso pulsierenden Flammen, wie Benni, als wären sie auch ein Teil von ihr. Laura schauderte. Sie waren ja auch ein Teil von ihr. Sie war die derzeitige Besitzerin des Schwarzen Löwen, dem Herrscher der Finsternis. Die Finsternis würde ihr also gar nichts anhaben können! Fieberhaft schaute sich Laura um, konnte aber nichts erkennen. Sie hörte nur, wie Carsten verzweifelt schrie: „Benni, hör auf!!!“ Doch Benni hörte nicht auf. Laura biss sich auf die Unterlippe. Sie war anscheinend die einzige, die in der Lage war, Benni davon abzubringen, alle anderen zu verletzen… Aber wie sollte sie ihn aufhalten? „Uns blieb damals keine andere Wahl, Benni. Hör uns doch bitte erst einmal zu.“, drang die Stimme von Jacob Yoru durch die Finsternis zu ihnen, der unter diesen Umständen erstaunlich ruhig klang. Benni antwortete nicht, doch Laura erhaschte einen kurzen Blick auf das blutrote Flackern seines rechten Auges. Ohne überhaupt zu verstehen was sie tat, sprang sie auf. „Benni, bitte hör ihnen zu! Du weißt doch ganz genau wie es ist, wenn man noch nicht einmal die Möglichkeit hat, etwas erklären zu können! Wie es war, als ich dir damals bei Max nicht zugehört hatte, oder wie du uns letztens noch nicht einmal über dieses Missverständnis aufklären konntest. Bitte, mach nicht denselben Fehler wie wir!“ Laura konnte ihren Augen kaum trauen, als sich der Nebel aus Finsternis etwas lichtete und sich nur noch wenige Rauchschwaden zwischen ihr und Benni befanden. Die düstere Aura ließ seine hellen Haare wie im Wind wehen und er musterte sie aus seinem ausdruckslosen, leer wirkenden schwarzen Auge und dem unheimlichen, bedrohlich leuchtenden roten Auge. Laura schluckte einen metallischen Geschmack herunter und griff nach Bennis Händen, die er immer noch zu Fäusten geballt hatte, nahm sie aber nur ganz vorsichtig, um seine Wunden nicht noch mehr aufzureißen. „Gib ihnen doch wenigstens eine Chance…“ Benni senkte den Blick und nach und nach kehrte der schwarze Nebel wieder zu ihm zurück, bis er schließlich ganz verschwunden war. Erleichtert atmete Laura auf. Ihr war gar nicht aufgefallen, dass sie die ganze Zeit die Luft angehalten hatte. Die anderen wirkten zwar alle sehr erschöpft, schienen aber ansonsten unverletzt zu sein. Vorsichtig ließ Laura Bennis Hände wieder los, aber nur, um ihn kurz darauf in eine sanfte Umarmung zu ziehen. Ihr Gesicht fühlte sich furchtbar erhitzt an, als sie erkannte, was sie da gerade tat. Dennoch lehnte sie ihren Kopf vorsichtig gegen seine Brust und schloss die Augen, als könnte sie damit die Anwesenheit der ganzen restlichen Gruppe wenigstens ausblenden. Ihre nicht stattgefundene Dämonenprüfung, das Feuer, Eufelias Tod, Bennis Verletzungen… Es war schon mehr als genug in den letzten Tagen passiert. Laura hatte sich nichts sehnlicher gewünscht, als sich einfach nur noch an Benni zu kuscheln, unbeachtet dessen, was um sie herum geschah. Es sollte nur noch sie und ihn geben, den ganzen Rest wollte sie vergessen. Doch natürlich ließ sich dieser Rest nicht einfach so ausradieren. Deutlich verlegen räusperte sich Öznur. „Alles in Ordnung?“ Benni schob Laura von sich, die ihr hochrotes Gesicht nun nicht mehr in seinem Hemd verstecken konnte. Aber immerhin war seine Berührung überraschend sanft, was zwar nicht wirklich dazu beitrug, dass sich ihr Herz wieder beruhigte, sie allerdings optimistisch als gutes Zeichen deutete. Es gab in letzter Zeit einfach viel zu wenige gute Zeichen. „Diese Frage sollte ich an euch richten.“, erwiderte Benni nach kurzem Zögern. Ariane schnaubte empört. „Ja, solltest du. Aber da das zum ersten Mal in deinem Leben eine menschliche Reaktion war, schauen wir drüber hinweg.“ Jannik warf Bennis Eltern einen kritischen Blick zu. „Aber ich hoffe wirklich für euch, dass ihr einen triftigen Grund hattet…“ „Das wird Benni selbst entscheiden müssen.“, meinte Herr Yoru seufzend und wies Benni und Laura an, sich wieder zu setzen. Laura nahm sofort auf ihrem Stuhl Platz, da sie befürchtete, ihre zitternden Knie würden irgendwann ihren Dienst versagen. Auch Benni setzte sich immer noch zögernd hin. Sein misstrauischer Blick war fest auf seine Eltern gerichtet. Herr Yoru verschränkte die Finger, als er erklärte: „Zum Verständnis werde ich etwas ausholen müssen, genauer gesagt bis zum Magischen Krieg, bei dem alles seinen Anfang hatte. Ihr wisst ja, der Purpurne Phönix, der Herrscher der Zerstörung, der Unzerstörbare oder auch einfach nur Mars genannt, war derjenige, der diesen Krieg angezettelt hatte. Dieses Wissen wird euch im Geschichtsunterricht allerdings nichts bringen, denn Mars hat so geschickt im Verborgenen agiert, dass keine Quelle ihn erwähnen konnte und stattdessen meine Ahnen als Sündenbock dastehen mussten.“ Ariane schmollte. „Das heißt, da bekommen wir schon Nachhilfe in Geschichte und können mit unserem Wissen noch nicht einmal punkten?“ Herr Yoru nickte. „Wie gesagt, mit seiner Macht hat Mars es geschafft, einen solchen Hass zwischen den Kampfkünstlern und den Magiern zu sähen, dass dieser in einem Krieg endete, der gesamt Rutoké zerstörte, zu dem Damon damals auch noch gehörte. Die Ironie dabei war, dass der Erbe des Yoru-Clans, Leonhard Yoru, seinerzeit mit einem Mädchen verlobt war, das sowohl Magierin als auch Kampfkünstlerin war. Solche Leute wurden von dem Volk geächtet. Sie beherrschten immerhin beide Seiten der antiken Begabung, ebenso wie das Volk der Dryaden. Coeur, also Leonhards Verlobte, und ihre jüngere Schwester Eufelia wuchsen bei den Dryaden auf, die sie in beiden Seiten ihrer Begabungen unterrichteten. Doch genauso wie alle anderen, wurde auch dieser Stamm der Dryaden eines Tages angegriffen. Es heißt, Coeur und Eufelia hätten als einzige diesen Angriff überlebt, da Leonhard ihnen noch rechtzeitig zu Hilfe gekommen war.“ Florian nickte betrübt. „Stimmt, der Magische Krieg sei angeblich die Ursache für das Aussterben der Dryaden gewesen.“ „Jedenfalls hat Leonhard in Erfahrung bringen können, wer die Fäden von all dem in der Hand hatte und so kam es, dass er gemeinsam mit Coeur und Eufelia den Intrigenspinner ausfindig gemacht und bekämpft hat.“ „Sie haben gegen einen Gottesdämon gekämpft?“, fragte Janine ungläubig. „Ich dachte, man könne ihn nicht besiegen…“ Jacob Yorus Lächeln hatte eine gewisse Genugtuung. „Man kann einen Dämon zwar nicht töten aber sie hatten ihn in die Tiefen der Unterwelt bannen können. Eufelia war bereits damals die Besitzerin des Durchsichtigen Drachen gewesen und Coeur war die Besitzerin des Silbernen Pegasus, dem Herrscher der Erhaltung und der zweite der drei Gottesdämonen. Deswegen und weil sie so stur war, hatte Leonhard sie schließlich überhaupt zu dem Kampf mitnehmen müssen, denn obwohl die beiden ‚nur‘ verlobt gewesen waren, war Coeur bereits schwanger.“ „Moment mal, aber sie haben Mars doch bannen können, oder?“, hakte Eagle nach. Herr Yoru nickte als Antwort. „Das bedeutet doch, dass mit ihrem Sieg über Mars der Magische Krieg zu Ende war. Aber es heißt, dass Leonhard Yoru noch während des Krieges gestorben sei.“, fuhr Eagle verwirrt fort. „Das stimmt so mehr oder weniger…“, erklärte Herr Yoru. „Kurz bevor sie den Bann vollenden konnten, packte sich der Purpurne Phönix Leonhard und zog ihn mit sich in die Tiefe. Ob und wann genau er gestorben ist kann also niemand sagen. Das war auch der Grund, warum der Bann nicht von Dauer sein konnte, da sie ihn nicht vollenden konnten. Mit Coeurs Tod vor etwa achtzehn Jahren wurde er noch schwächer und jetzt, nachdem Eufelia gestorben ist, existieren unter Garantie einige Schlupflöcher, durch die Mars in der Lage ist, sein Gefängnis zu verlassen.“ Ein eisiger Schauer überkam Laura. Also hielt nur noch eine löchrige magische Wand den Unzerstörbaren davon ab, die gesamte Welt zu zerstören? „Und was hat das mit mir zu tun?“, fragte Benni kühl. Du bist ein Teil dieser Welt!, fuhr Laura ihn in Gedanken an, als sie bemerkte, dass das sicher nicht der Grund war, warum seine Eltern ihn ausgesetzt hatten. Samira Yoru seufzte. „Ich wünschte, gar nichts. Nach dem Krieg hat man Coeur davon ‚abgeraten‘, die Regierung zu übernehmen aber Leonhards Vater hat sie trotzdem als Leonhards Frau und Erbin des Yoru-Clans akzeptiert. Auch wenn der Yoru-Clan seitdem nicht mehr die Herrscherfamilie war, hat sich Coeur mit aller Kraft engagiert. Zum Beispiel hat sie die Coeur-Academy gegründet, in der sie bis zu ihrem Tod auch gelebt hat. Zu dem Zeitpunkt war ich bereits im dritten Monat mit dir schwanger… Coeur war es, die uns geraten hat, eine Auszeit zu nehmen und in das Schloss in Rutoké zu ziehen, das der Familie schon seit dem ersten Herrscher gehört hat.“ „Kein Wunder, dass du keine Geburtsurkunde hast, wenn du in Rutoké auf die Welt kamst.“, sinnierte Carsten und warf Benni einen kurzen Blick zu. „Aber warum habt ihr ihn ausgesetzt?!“, fragte Janine besorgt. „Wir wussten, dass Coeur einen Grund haben musste, warum sie uns geraten hat, Damon vorerst zu verlassen. Diesen Grund haben wir schließlich von dem Schwarzen Löwen erfahren. Der damalige Besitzer Jonathan kam etwa drei Monate vor deiner Geburt zu uns.“, erklärte Herr Yoru. Überrascht hob Jannik den Kopf. „…Mein Vater?“ Herr Yoru nickte. „Er hat uns die Nachricht des Schwarzen Löwen überbracht. Dieser meinte, durch die Geburt unseres Sohnes würde ein neues Zeitalter anbrechen. Leonhard war der letzte der Familie Yoru mit einer antiken Begabung gewesen, also musste es irgendeine Bedeutung haben, dass Benni seit Generationen der erste Yoru war, der wieder in der Lage wäre, zu kämpfen.“ „Na und?“, fragte Laura empört. Das konnte doch nicht ernsthaft der Grund sein, warum Benni ohne seine Eltern aufwachsen musste. Dass er mit dem Gedanken leben musste, dass seine Eltern ihn hassten und für ein Monster hielten! Herr Yoru winkte ab. „Ich weiß, es klingt sehr banal. Aber betrachte es mal aus der Sicht von Mars. Der erste Yoru seit Leonhard, der wieder kämpfen konnte, der ihn wieder würde bekämpfen können. Er hätte es als eindeutige Bedrohung interpretiert. Deshalb durfte er nichts von dir erfahren, Benni.“ Anne runzelte kritisch die Stirn. „Er hätte sich vor einem Kind gefürchtet?“ Herr Yoru zuckte mit den Schultern. „Ja, im Prinzip schon. Genauer gesagt vor dem, was aus dem Kind wird. Ihr habt gesehen, wozu Mars fähig ist. Hätte er schon früher von Benni gewusst, hätte er ihn einfach… beseitigen können, bevor er wirklich zu einer Gefahr für ihn wird.“ Besorgt schaute Laura zu Benni, der den Blick abgewandt hatte und nur: „Das ist doch lächerlich.“, murmelte. Samira lachte auf, aber sie klang traurig und verbittert. „Dasselbe habe ich damals auch gesagt…“ Sie griff nach Jacobs Hand und Laura bemerkte, dass sie zitterte. „Glaub uns, das war die schwerste Entscheidung unseres Lebens. Wir wussten nicht, was wir machen sollten. Einerseits wollten wir dich beschützen, aber andererseits… Du bist doch immerhin unser Kind! Wir konnten dich nicht einfach so weggeben.“ Herr Yoru nickte und drückte die Hand seiner Frau. „Wir konnten von Glück reden, dass Eufelia uns ihre Hilfe angeboten hat. Sie hat gesagt, wir sollten dich nach deiner Geburt an der Grenze zwischen Rutoké und Obakemori absetzen, um den Rest würde sie sich dann kümmern.“ „Halt mal!“, rief Ariane bestürzt. „Eufelia war doch Coeurs Schwester und Coeur ist Bennis… Ur-ur-ur-ur-Oma… oder so. Das heißt, er war mit ihr verwandt?!“ Laura warf Benni einen besorgten Seitenblick zu, doch dieser schaute schweigend auf den dunklen Holztisch. Lächelnd nickte Herr Yoru. „Ja, deswegen hatten wir auch Sorge, ob es wirklich eine so gute Idee war, Benni Eufelia anzuvertrauen oder ob Mars nicht bei ihr als erstes suchen würde. Aber eine Alternative hatten wir nicht.“ „Na ja… ein Waisenhaus?“, schlug Öznur vorsichtig vor. „Nein, wir brauchten jemanden, der Benni in seiner antiken Begabung lehrt. Zwar wissen Dämonen, ob ein un- oder neugeborenes Kind eine antike Begabung besitzt, aber sie können nicht sagen, welche. Deshalb war Eufelia die einzige und beste Lösung.“, widersprach Herr Yoru. „Ich sollte also von Anfang an eine Killermaschine werden.“, stellte Benni nüchtern fest, dennoch zuckte Laura bei dem Inhalt seiner Worte zusammen. „Du bist keine Killermaschine!“ Eagle zuckte mit den Schultern. „Na ja, er wird aufgrund seiner potentiellen Bedrohung, die er für Mars darstellt, ausgesetzt und von einer mächtigen, uralten Kampfkünstlerin und Magierin großgezogen, die rein zufälliger Weise gegen diesen Mars gekämpft hat. Nimm’s mir nicht übel, aber da liegt dieser Gedanke schon nahe.“ „Das war nur zu seinem Schutz!“, widersprach Samira Yoru aufgebracht. Herr Yoru legte die Hand auf die Schulter seiner Frau, als wolle er sie beruhigen. „Und was ist mit der Segnung? War die auch zu meinem ‚Schutz‘?“, erkundigte sich Benni und erneut schwang dieser unheimliche Sarkasmus in seiner Stimme mit. Herr Yoru seufzte bedrückt. „Das musst du den Schwarzen Löwen persönlich fragen… Wir wussten nur, dass du dadurch mehrere nützliche Fähigkeiten bekamst, mit denen du dich auch gut selbst schützen konntest.“ Eine Zeit lang herrschte Schweigen, bis Benni plötzlich aufstand und sich zum Gehen wandte. „Das ist absurd, ich glaube euch kein Wort.“ „So ein Unsinn, Benni!“, protestierte Janine. „Sie wollten dich wirklich beschützen, immerhin sind sie deine Eltern. Sie lieben dich!“ „Sie kennen mich gar nicht.“, entgegnete Benni distanziert. „Nun ja, nicht direkt.“, meinte Herr Yoru zögernd. Nahezu alle Anwesenden warfen ihm einen irritierten Blick zu, bis Frau Yoru aufstand. „Kommt bitte mit, wir möchten euch etwas zeigen.“ Immer noch verwirrt folgte die Gruppe Bennis Eltern aus dem Speisezimmer raus, die breite hölzerne Treppe hoch, deren Stufen von einem rot glänzenden Teppich bedeckt waren und den weiß vertäfelten Gang entlang, während sie immer wieder an Kerzenleuchtern, Vitrinen und dunklen Holztüren vorbeikamen. Vor einer dieser dunklen Holztüren blieb Frau Yoru schließlich stehen und öffnete sie. Staunend schaute sich Laura um. Der Raum, in den sie traten hatte eine andere Atmosphäre, als der Rest der Villa, den sie bisher gesehen hatte. Zwei große Bogenfenster an der gegenüberliegenden Wand ließen das Licht der Abendsonne in das Zimmer strömen und boten einen wunderschönen Ausblick auf den Garten, den Laura so gerne länger bewundert hätte. Die breiten Fensterbänke waren mit dunkelrotem Samt bedeckt und luden regelrecht dazu ein, sich drauf zu setzen und in Ruhe zu lesen. Die Möbel waren alle aus dunklem Holz gefertigt und es standen mehrere Pflanzen im Zimmer herum. Ein kleines Bäumchen, ein Bonsai und mehrere kleine Rosenstöcke in Blumentöpfen auf dem Sekretär und den Nachttischen links und rechts vom ordentlich gemachten Bett, auf dem ein Teddybär auf der schwarzen Tagesdecke saß. Statt sich zu fragen, was ein Teddy hier zu suchen hatte, fielen Laura die unzählig vielen Holzfiguren auf, die allesamt ordentlich auf einer Kommode gegenüber vom Bett standen. Sie waren alle individuell, bestanden mal aus hellerem und mal aus dunklerem Holz, doch es waren nur Tiere. Keine menschlich aussehenden Kreaturen, sondern Katzen, Löwen, Wölfe, Rehe, Hasen und viele mehr. In der Mitte ragte ein im Verhältnis zu den anderen Tieren gigantischer Drache empor, der anmutig auf einem Felsen stand und die Flügel ausbreitete, als würde er jeden Moment losfliegen. Was Laura ihm auch zutraute, so lebensecht, wie diese Figur wirkte, obwohl sie angeblich nur aus Holz bestand. Auch wenn Laura dieses Zimmer eben zum ersten Mal sah, kam es ihr merkwürdig vertraut vor, als wäre sie schon ganz oft hier gewesen. „Ist das…“, setzte Carsten an, der sich wie der Rest ebenso neugierig umgeschaut hatte und dem anscheinend wie Laura das Zimmer ebenso vertraut vorkam. Frau Yoru lächelte melancholisch. „Ja, das ist Bennis Zimmer. So mehr oder weniger.“ Auch Janine schien überwältigt. „Sie… Ihr hattet schon immer ein Zimmer für Benni?“ Herr Yoru seufzte. „Samira… Nein, wir beide konnten es nicht wirklich verkraften, unser Kind einfach so… vollständig aus unserem Leben zu verbannen, als ob wir nie eins gehabt hätten…“ „Da kamen wir auf die Idee, ein Zimmer für Benni einzurichten, als wäre er nur… auf einem Ausflug oder so. Das half uns, das alles zu bewältigen.“, fuhr Frau Yoru bedrückt fort und schaute Benni aus ihren traurig glänzenden eisblauen Augen an. „Du solltest immer einen Ort haben, zu dem du zurückkehren konntest, selbst wenn du davon bis jetzt noch nichts wusstest.“ Irgendwie war Laura von all dem gerührt. Dieses Zimmer war so etwas wie der Beweis, dass Bennis Eltern ihn wirklich nie hatten aussetzen wollen, dass sie ihn schon die ganze Zeit geliebt hatten. Benni schien irgendetwas erwidern zu wollen, schwieg aber weiterhin. Stattdessen ging er zum Bett und nahm den Teddy in die Hand, um ihn zu betrachten. Laura hätte erwartet, dass dieser Anblick seltsam wäre, wie Benni den Teddy mit einer Mischung aus Distanz und Zuneigung musterte, als würde er Erinnerungen wecken. Doch stattdessen wurde ihr schwer ums Herz. Dieser Teddy repräsentierte immerhin so was wie Bennis verlorene Kindheit und sogar Benni selbst schien dieses Wissen ein bisschen wehmütig werden zu lassen.  „Ist das der Bär, den du damals von Nicolaus geschenkt bekommen hattest?“, fragte Öznur neugierig. Benni nickte. „Ich dachte Eufelia-Sensei hätte ihn entsorgt.“ „Nein, hat sie nicht.“, meinte Herr Yoru kopfschüttelnd. „Sie hat ihn uns geschickt, meinte aber, du solltest lernen, mit dem Verlust klarzukommen.“ Frau Yoru schnaubte empört. „Ihre Erziehungsmaßnahmen haben mich schon immer geärgert. Und dabei hattest du dich doch so gefreut, als mein Vater ihn dir geschenkt hatte. Hattest den Teddy überall dabei und wir hatten das Gefühl, dass du mit ihm ein Stück von uns hattest.“ Benni stutzte und Carsten sprach offensichtlich seine Gedanken aus, als er meinte: „Nicolaus ist dein Vater? Er ist Bennis Opa?“ Laura klappte die Kinnlade herunter. Benni ist mit dem Weihnachtsmann verwandt? Frau Yoru nickte lächelnd. „Mein Vater hatte eine Art Verbindung zwischen uns und Eufelia hergestellt. Als wir meinten, er solle dich nicht zu oft besuchen es sei zu gefährlich, erwiderte er nur, keine Gefahr der Welt könne ihn davon abhalten, seinen Enkel zu sehen.“ Sie seufzte. „Wie sehr ich ihn darum beneidet habe.“ Bennis Mutter ging zu einem Bücherregal, welches komplett mit Ordnern gefüllt war und zog einen dieser Ordner hervor. Es war ein Fotoalbum, wie Laura erkannte, als sie es aufschlug und mehrere Bilder von Benni zu sehen waren, als er noch jünger war. „Es ist nicht dasselbe, sein eigenes Kind nur aufwachsen zu sehen oder es mitzuerleben.“, erklärte Frau Yoru bedrückt. „Aber immerhin war dieser Weg besser als gar nichts.“ Inzwischen hatten sich einige der Mädchen weitere Fotoalben aus dem Regal geangelt und schauten sie durch. Im Laufe der Zeit hatte Laura fast vergessen, wie süß Benni damals war. Na gut, als sie in diesem Alter war hatte sie sich keinen Kopf darum gemacht, dass kleine Kinder für gewöhnlich süß waren, aber wenn sie jetzt den kleinen Benni betrachtete, mit den großen Augen und dem im Vergleich zu seinem kleinen Körper relativ großen Kopf konnte sie verstehen, warum es Bennis Eltern so schwer gefallen war, als sie ihn hatten aussetzen müssen. Er war einfach zum knuddeln. Dem großen Benni schien es allerdings zu missfallen, dass seine Kinderfotos so begeistert begutachtet wurden. „Wer außer Eufelia und Nicolaus war sonst noch eingeweiht?“, fragte er nüchtern. Herr Yoru überlegte. „Die Familie Ritus wusste auch, dass wir deine Eltern sind, ebenso Saya und Sisika.“ Eagle schaute überrascht von einem der Fotoalben auf. „Meine Mutter?“ Frau Yoru nickte. „Wir drei, also Saya, deine Mutter und ich, waren sehr gute Freunde.“ „Das ist noch untertrieben, die drei waren unzertrennlich.“ Herr Yoru wirkte amüsiert und bedrückt zugleich. „Ich weiß nicht, was aus Samira geworden wäre, nachdem wir Benni… abgegeben hatten, wären Saya und Sisika nicht gewesen.“ Eagle wandte den Blick ab und betrachtete den Sonnenuntergang. „Eigentlich weiß ich gar nichts über meine Mutter… Nur, dass sie scheinbar ein sehr großer Vogelfan war.“ Freudlos lachte er auf. „Sonst hätte sie mich wohl kaum so genannt.“ „Du hast ihr sehr viel bedeutet.“, meinte Frau Yoru bestimmt. Eagle erwiderte zwar nichts, doch man konnte ihm ansehen, dass ihn der Verlust seiner Mutter immer noch belastete. Mitleidig senkte Laura den Kopf. Auch wenn sie ihn nie wirklich leiden konnte, weil er nun mal so ein Arschloch war, hatte sie ihn doch immer insgeheim um seinen starken Charakter bewundert. Doch dieser Eagle, dem immer noch etwas an seiner Mutter lag, schien nicht wirklich stark. Er schien verzweifelt, verletzlich und verloren. Als würde sie dadurch die Situation retten können, quietschte Öznur plötzlich auf. „Oh mein Gott, bist du das Laura?!?“ Verwirrt betrachtete Laura das Foto, das Öznur begeistert in die Höhe hielt, als würde sie es jedem im Raum präsentieren wollen. Auf dem Bild war, wie eigentlich auf allen Bildern, Benni zu sehen, als er etwa vier Jahre alt war. Äußerlich war er noch kein Dämonengesegneter, denn sowohl sein linkes als auch sein rechtes Auge war pechschwarz. Es gehörte wohl zu den wenigen Bildern, auf denen Benni wirklich aus vollem Herzen lachte, was wohl daran lag, dass ein etwas jüngeres Mädchen mit kurzen, honigblonden Haaren auf seinen Schultern saß, das sich leicht panisch und lachend zugleich an seinen verstrubbelten weißblonden Haaren festkrallte. Und dieses Mädchen war… Laura selbst. Sie spürte, wie ihr Gesicht knall rot anlief. „Ja, das bin ich… Wieso?“ „Das ist ja total süß!“, rief Ariane prustend. „Du und Benni, ihr beide habt schon immer ein prima Duo abgegeben.“, kommentierte Carsten amüsiert, was dafür sorgte, dass Lauras Gesichtsfarbe einen noch dunkleren Rotton annahm. Lissi seufzte theatralisch. „So schwer es mir auch fällt, ich muss Cärstchen Recht geben. Lauch, du und Bennlèy ihr passt wirklich gut zusammen.“ „Also ist es beschlossene Sache!“ Öznur schnippte mit den Fingern. „Ab heute seid ihr zwei offiziell zusammen.“ „W-was?!?“ Völlig überfordert mit dieser Situation konnte Laura ihre Freunde einfach nur noch anstarren und machte vermutlich ein ziemlich dämliches Gesicht dabei. Sie wusste nicht, an wen sie sich jetzt noch hilfesuchend wenden konnte, immerhin waren nun alle gegen sie. Na ja, gegen sie auf eine gewisse positive Weise, aber immer noch gegen sie. Alle, bis auf Benni. Doch an ihn konnte sich Laura auch nicht wenden, außer, sie wollte vor Scham endgültig im Boden versinken… Da fiel ihr auf, was war eigentlich mit Benni?!? Irgendwie müsste er doch nun reagieren, oder? Immerhin betraf ihn das Ganze auch… Nun wagte Laura doch einen Blick in seine Richtung und bemerkte zu spät, dass er auch zu ihr schaute. „Warum?“, war das einzige Wort, das er sagte. Lauras Herz setzte aus. Verstand sie seine Aussage richtig, dass er fragte, warum sie nun zusammen wären? War das die Antwort, die sie nun bekam? Er wollte nicht mit ihr zusammen sein, weil er nicht das für sie empfand, was man für jemanden fühlte, mit dem man zusammen war?!? Dass er nicht in sie verliebt war?!?!? Taumelnd wich sie einen Schritt zurück, ihre Knie zitterten und sie hatte das Gefühl, jeden Moment den Boden unter ihren Füßen zu verlieren, während sich mal wieder Tränen in ihren Augen sammelten, die Laura nur mit Mühe unterdrücken konnte. Von hinten legte jemand seine Hand auf ihre Schulter und Carstens Stimme klang nahezu beängstigend ernst, als er sagte: „Weil ihr schon immer zusammen gehört habt. Du weißt ganz genau, dass Laura dich liebt und wärst du nur endlich in der Lage, deine Gefühle zu verstehen, wüsstest du, dass du dasselbe für sie empfindest.“ Und ganz untypisch für Carsten, stieß er Laura von sich, sodass sie unbeholfen nach vorne stolperte und ganz sicher auf die Nase gefallen wäre, hätte Carsten sie nicht direkt in Bennis Arme geschubst. Mit wild pochendem Herzen und immer noch den Tränen in den Augen linste Laura nach oben, um Bennis Gesichtsausdruck zu sehen. Für einen kurzen Moment trafen sich ihre Blicke und Laura meinte, in Bennis schwarzem Auge tatsächlich einen Funken Zuneigung zu erkennen, ehe er seinen Blick überraschend schnell abwandte, während sich Wolf seinen bellenden Kommentar offensichtlich nicht verkneifen konnte. Frau Yoru kicherte: „Nicht dein Ernst, Benni. Du bist wirklich schüchtern?“ Laura merkte, wie Benni etwas erwidern wollte, letztendlich aber doch nichts dazu sagte. „Das hätte ich nun wirklich nicht gedacht.“, stellte Eagle sichtlich amüsiert fest. Anne stöhnte auf. „Das wird mir jetzt echt zu kitschig. Küsst euch endlich, sagt irgendetwas Gefühlvolles und Dramatisches oder macht sonst was, was man in dieser Situation halt macht und sagt mir, wann diese widerliche Schnulzerei vorbei ist und ich wieder hinschauen kann.“ „Ach Banani, das ist nicht widerlich, sondern süß!“, berichtigte Lissi sie empört. „Aber sie hat Recht, tatenlos rumstehen bringt euch nicht weiter. Macht irgendwas.“, forderte Florian Laura und Benni belustigt auf. Dieser grummelte irgendetwas unverständliches, ehe er Laura zur Überraschung aller Anwesenden in die Arme nahm. Ihr klopfendes Herz nahm Laura kaum mehr war, genauso wenig die Kommentare der anderen. Das einzige, was jetzt noch zählte, waren ihre Gefühle für Benni und dass er diese tatsächlich erwiderte! Überglücklich und auch erleichtert vergrub Laura ihr Gesicht in Bennis Hemd und sog seinen vertrauten Duft ein, welcher sich allerdings gerade mit einem leichten Blutgeruch vermischte. Vermutlich waren nur wenige Sekunden vergangen, bis Benni sie wieder losließ, doch Laura kam es wie mehrere Minuten vor. Dennoch war dieser plötzliche Abstand zwischen ihnen seltsam schmerzhaft und Laura hätte sich am liebsten wieder in seine Arme gekuschelt. Ariane ließ sich in das Bett, genauer gesagt in Bennis Bett, plumpsen. „Ach ja, das war heute doch wirklich ein produktiver Tag. Wir haben endlich mal genaue Infos über den Unzerstörbaren, öhm, Mars und unser eiskalter Engel hat seine beste Freundes-, Familien- und Beziehungskrise in den Griff bekommen.“ Öznur lachte auf. „Stimmt, du solltest dich freuen, Benni!“ Doch Benni verschränkte nur die Arme vor der Brust und senkte den Blick, was noch nicht einmal für seine Verhältnisse ein ‚sich freuen‘ war. Ariane seufzte. „Nein Benni, so reagiert man nicht, wenn man fröhlich ist.“ „Ich habe immer noch mein Zuhause und meine Pflegemutter verloren.“ Benni hob den Kopf und schaute Ariane mit seinem für ihn typischen ausdruckslosen Blick an. „Ich kann mich nicht freuen.“ Laura schaute zu Carsten rüber, der ihren Blick ebenso besorgt erwiderte. Niemand konnte zurzeit von Benni erwarten, dass er fröhlich sein sollte und trotzdem… Sein Kummer machte auch Laura traurig. Konnten sie ihn denn nicht irgendwie aufheitern? Konnte sie ihn denn nicht irgendwie aufheitern?!? Immerhin war sie jetzt sogar offiziell Bennis Freundin und als seine Freundin müsste sie ihn doch aufheitern können! Doch Laura hatte keine Ahnung, wie. Das war doch zum Verrücktwerden! Da war es zum ersten Mal so, dass Benni ihre Hilfe benötigte und genau dann fehlten ihr die richtigen Worte, die ihm Trost spenden konnten! Stattdessen war es Janine, die die richtigen Worte fand. „Niemand kann von dir verlangen, dass du dich freuen sollst. Eufelia-Sensei hat dir viel bedeutet und du trauerst um sie, das ist nun mal so. Und das ist auch richtig so. Deine Trauer macht umso mehr deutlich, wie sehr du sie geliebt hast. Aber das heißt nicht, dass du damit alleine bist. Viele von uns haben bereits jemanden verloren, der ihm wichtig war. Auch wenn du von diesen Gefühlen nun überfordert bist, wir können sie nachvollziehen.“ Ariane nickte zögernd. „Du reagierst endlich mal so, dass wir dich verstehen können…“ „…Und auch wenn wir dich nicht aufheitern können…“, fuhr Carsten mit seinem traurigen Lächeln fort, „…wir sind immer für dich da. Du bist nie allein.“ „…Danke…“ Obwohl Benni den Blick immer noch gesenkt hatte und das Wort nur leise über seine Lippen kam, konnte Laura seine Dankbarkeit regelrecht spüren. Anne schnaubte. „Fang mir aber jetzt bitte nicht an loszuheulen.“ Doch inzwischen waren sie alle Annes Kommentare gewöhnt und überhörten ihn gekonnt. Verunsichert nahm Laura Bennis linke Hand, die von den Verbrennungen verschont geblieben ist und drückte sie, um Carstens Worten einen Nachdruck zu verleihen. Ganz kurz erwiderte Benni den Händedruck, bevor Lissi die Atmosphäre wieder ruinieren musste. „Und jetzt heißt es Gruppenkuscheln, ihr Lieben!!!“ „Igitt, es ist doch schon kitschig genug.“, bemerkte Anne angewidert. Etwa zeitgleich verpassten Öznur und Ariane den beiden einen Schlag auf den Hinterkopf. „Und was dein Zuhause betrifft… Jetzt kannst du doch bei deinen Eltern wohnen.“, fiel Jannik erfreut auf. Florian nickte. „Stimmt, so wie ich dich kenne, wäre es dir sowieso unangenehm, wenn Konrad die Vormundschaft übernehmen würde.“ Laura schaute hoffnungsvoll zu Bennis Eltern und tatsächlich wies Samira auf das Zimmer. „Du bist hier immer willkommen.“ „Nein, das kann ich nicht.“, meinte Benni. Entgeistert starrte Laura ihn an. „Wieso nicht?“ „Weil es zu gefährlich ist.“, erklärte er. „Wenn ihr mich aufnehmen würdet, würde Mars spätestens über Lukas erfahren, wer meine wahren Eltern sind. Damals habt ihr mich ausgesetzt, um mich zu schützen… Nun kann ich aus dem umgekehrten Grund nicht zu euch zurückkehren.“ Nach einem betroffenen Schweigen meinte Herr Yoru schließlich: „Du brauchst uns nicht zu beschützen, Benni.“ Doch Benni schüttelte den Kopf. „Ich habe bereits sowohl Victor und Verona als auch Eufelia-Sensei verloren, die mich wie ihren eigenen Sohn großgezogen haben…“ Laura konnte die Gefühle nicht deuten, mit denen er seine Eltern nun ansah. „Euch kenne ich kaum, dennoch möchte ich nicht auch noch meine leiblichen Eltern verlieren.“ Erneut breitete sich ein Schweigen aus und jetzt schienen wirklich jedem die Worte zu fehlen. Benni wollte nicht zu seinen Eltern zurück, um sie zu beschützen. Weil er Angst hatte, sie auch noch zu verlieren… Lauras Herz zog sich zusammen. Auch wenn Benni seine Gefühle nicht verstand, wenn er vermutlich noch nicht einmal wusste, warum er das gesagt hatte: aus Angst um seine Eltern… Sie verstand ihn. Sie konnte diese Gefühle verstehen, so wie jeder andere in diesem Raum. Alle waren von Bennis Entscheidung bewegt. Denn trotz allem hatte er diese Entscheidung getroffen. Die schmerzhafteste… aber die richtige. Herr Yoru verschränkte die Arme vor der Brust und senkte den Kopf, eine Geste, die Laura sofort an Benni erinnerte, wie sie überrascht feststellte. „Ich müsste lügen, wenn ich sagen würde das könnten wir nicht nachvollziehen… So schmerzlich es auch ist, dich erneut gehen lassen zu müssen, wir respektieren deinen Entschluss.“ „Aber denke bitte daran, dass du bei uns immer willkommen sein wirst.“, fügte Frau Yoru mit einem traurigen Lächeln hinzu. „Und wenn das alles vorbei ist… Vielleicht können wir dann endlich eine Familie sein.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)