Fiancailles von Asmodina ================================================================================ Kapitel 6: Vergeltung --------------------- Er lächelte sie überglücklich an und verschloss ihre Lippen mit einem ersten zaghaften Kuss, welchen Fee wie in Trance erwiderte. Sie war so verwirrt und gleichzeitig froh; Kamijo empfand das Gleiche wie sie. Eine Träne löste sich aus ihrem Augenwinkel, welche der Edelmann behutsam wegwischte. „Ein Lächeln steht dir viel besser“, flüsterte er. Der erste Schritt war getan, doch das Schwerste würde dennoch sein, ihr von seiner inneren Macht zu berichten. Obwohl das junge Mädchen ihm glaubhaft versicherte, dass es ihr gleichgültig sei, verspürte er ein großes Unwohlsein und hüllte sich lieber in Schweigen. Irgendwann, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen war, würde er ihr alles erzählen, doch im Moment wollte Kamijo einfach nur das lang vermisste Glück genießen und zog Fee noch ein wenig fester an sich. Sie schmiegte sich an ihn und schloss die Augen, während ihre Finger verträumt mit seinen Haaren spielten. „Würde dieser Augenblick doch nie vergehen.“ Aber leider tat er das, denn Kamijo sagte: „Ich habe leider noch eine Besprechung zu Ende zu führen. Aber wenn du willst hole ich dich nachher ab!“ „Oh ja“, entgegnete Fee und ihre Augen leuchteten freudig, „zeigst du mir deine Welt?“ „Gerne“, sein Lächeln wurde zurückhaltender und schnell war der Entschluss gefasst, ihr vorerst nur das „Menschliche“ zu zeigen; schließlich gab auch dieser Part nicht wenig Erzählstoff. „Warte in deinem Gemach auf mich!“ Das junge Mädchen nickte begeistert und machte sich auf den Weg, um sich noch ein passendes Kleid aussuchen zu können. Ihre Wahl fiel auf ein Gewand aus rot-goldenem Seidendamast mit hoher Taille, weiten Ärmeln und einem, in feine Falten gelegten Rockteil. Ärmel und Kragen waren zusätzlich mit weiß- schwarz gepunktetem Hermelinpelz gesäumt. Der schwarze Gürtel, welcher ihre Taille noch zusätzlich betonte, bestand aus einem in sich gewürfelten Baumwolldamast. Fee strahlte und wischte sich die letzten Spuren ihrer Freudentränen aus dem Gesicht während sie auf ihren Liebsten wartete. Zu dessen Freude endete die Besprechung nicht nur sehr viel früher als erwartet, sondern auch mit einer halbwegs zufrieden stellenden Lösung, wenngleich es beiden Parteien schwer fiel, Kompromisse einzugehen. Nachdem sich alle verabschiedet und Kamijo sich umgezogen hatte machte er sich auf den Weg zu Fees Gemach. Der Edelmann trug ein gold-blaufarbenes Giornea aus kostbarem Seidenlampas, dessen Vorder- und Rückenteil in Röhrenfalten gelegt waren, die mit einem Gürtel zusammengehalten wurden. Der spitz zulaufende Hals- und Rückenausschnitt war mit braunem Fuchspelz gesäumt und die dunkelblaue Fütterung aus Leinen sorgte für zusätzliche Wärme. Als er seine Liebste abholte, sagte sein bewundernder Blick mehr als alle Worte, und gemeinsam gingen sie in den Schlossgarten. Der einladende Duft zahlloser Rosenbeete und eben dieser Blumen hüllte das junge Mädchen ein, sodass sie für einen kurzen Augenblick die Augen schloss. Bei näherem Hinsehen erkannte man das künstlerische und gleichzeitig auch ein bisschen magische Blattwerk exotischer Pflanzen, welche sie noch nie zuvor gesehen hatte. Der Edelmann schien die natürliche Wildheit gegenüber einer strengen Geometrie zu bevorzugen. Vor einem der Beete blieb er stehen, pflückte eine der kleinen violetten Blumen und reichte sie Fee mit den Worten: „In meiner Heimat steht sie für die vollkommene Partnerschaft, in der Herz und Seele zu einem Ganzen verschmelzen; daher gebührt sie einzig und allein dir!“ Nur mit Mühe blinzelte das junge Mädchen ihre Freudentränen weg; noch nie hatte ihr jemand eine Blume geschenkt. Sie setzten sich in einen Pavillon und Fee nahm seine Hand: „Erzähle mir von deiner Vergangenheit!“ Kamijo schluckte kurz und war froh, dass er sich bereits eine grobe Antwort zurecht gelegt hatte: „Nun, meine Kindheit war nicht schlecht, denn meine Eltern und mich verband eine herzliche Zuneigung. Auch finanziell hatten wir nie Probleme, weswegen meine Familie schnell zu hohem Ansehen gelangte. Dadurch und aufgrund meiner intellektuellen Neigungen erhielt ich die Chance, an einer Akademie für besonders Begabte zu studieren. Allerdings sahen meine Mitstudenten mich schon damals als jemand Schlechtes an und schoben den Einfluss meiner Familie auf eine finstere Macht, welcher wir uns angeblich bedienten; ich wurde also nicht nur zum „Außenseiter“, sondern in gewissem Sinne zum Gejagten. Viele behaupteten, in meiner Gegenwart eine dunkle Aura zu spüren, und wenn ich mich ärgerte oder bedroht fühlte geschahen seltsame Dinge.“ ‚Damals wusste ich meine Fähigkeiten noch nicht zu beherrschen’, fügte der Edelmann gedanklich hinzu; er konnte sich noch sehr gut an die Unfälle und Missgeschicke erinnern, die von seiner Seite aus zwar nicht gewollt, aber dennoch verschuldet gewesen waren. Voller Liebe schaute das junge Mädchen ihn an: „Das muss schrecklich gewesen sein. Ich kann ihre Beweggründe nicht verstehen; du bist doch ein wundervoller Mensch!“ „Ja, die Zeit war schlimm und sehr prägend. Aber ich habe sie gut überstanden und wäre ansonsten vielleicht nicht dort, wo ich jetzt bin“, lächelte er, „ich danke dir für deine lieben Worte!“ Glücklich schmiegte Fee sich an seine Brust und zuckte zusammen; obwohl der Stoff sehr weich war scheuerte er dennoch an ihrer nach wie vor geröteten Wange. Kamijo bemerkte die Reaktion und ihre Blicke trafen sich: „Er hat nicht gerade harmlos zugeschlagen, wie mir scheint!“ Sie schüttelte den Kopf: „Die harte Arbeit lässt die Hände kräftig werden und wenn dann noch Wut dabei ist…Was wirst du mit Machi tun?“ „Was willst du denn, das ich mit ihm mache? Schließlich ist er dein Jugendfreund und hat dich geschlagen; ich überlasse dir also die Entscheidung, was mit ihm passiert“, antwortete er ihr in ruhigem Ton. Das junge Mädchen senkte den Blick und spielte nervös mit den Händen: „Es tut mir schrecklich leid; ich hätte ihm nicht erzählen sollen, dass ich dich liebe. Wahrscheinlich hat Machi sich Hoffnungen gemacht, welche ich nicht erfüllen konnte. Ich habe ein schlechtes Gefühl, denn in einem solchen Zustand ist Machi unberechenbar.“ Kamijo nickte: „Er kam sich verraten vor, doch das entschuldigt noch lange nicht sein Verhalten. Frauen schlägt man nicht, und erst recht nicht wegen einer verschmähten Liebe. Mach dir keine Gedanken; er wird dir nie wieder nahe kommen, solange ich an deiner Seite bin!“ „Meine Sorge ist auch eher, dass Machi mithilfe der Gerüchte versucht, Rache zu üben.“ Fee zitterte; ein solches Geschehen wollte sie sich gar nicht vorstellen. Auch der Edelmann erstarrte kurz: Wenn der Jugendfreund tatsächlich ein derartiges Fiasko plante konnte es wirklich gefährlich werden, vor allem, weil man die Dorfbewohner mit Sicherheit nicht großartig würde überreden müssen. „Glaube mir, wenn Machi wirklich etwas Derartiges planen sollte werden wir es früh genug erfahren“, meinte der Edelmann tröstend obwohl in seinem Inneren großer Aufruhr tobte; er musste handeln, und zwar so schnell wie möglich. „Kamijo“ Mit starrer aber dennoch entschlossener Miene erhob Fee sich, „ich habe mich für eine Bestrafung entschieden: Tue Machi dasselbe an wie er mir!“ Der Angesprochene nickte zustimmend: „Wie du möchtest. Komm, lass uns ins Dorf gehen und schauen, ob wir ihm sofort seine Bestrafung beibringen können!“ Das junge Mädchen folgte ihm, und während sie im Licht der untergehenden Abendsonne den Pfad hinab ins Dorf gingen fragte sie: „Hat Machi die Wahrheit gesagt?“ Es dauerte eine Weile, ehe Kamijo stehen blieb und sie ansah: „Meinst du mit dem, was über mich verbreitet wird?“ Ein leises Seufzen begleitete seine Antwort: „Viele Menschen erzählen Dinge, die nicht der Wahrheit entsprechen oder stark abgewandelt sind… In meinem Fall ist es wohl von beidem etwas“, er senkte den Blick, „komm heute Nacht in mein Gemach und ich werde dir alles zeigen, was du wissen willst!“ Seine Gedanken drehten sich wie ein tosender Strudel: „Ich werde dir zeigen, wer und was ich wirklich bin; wirst du mich dann verstoßen? Oder wirst du an meiner Seite bleiben wollen?“, grübelte er verzweifelt und hoffte auf das Letztere. Als sie das Dorf erreichten herrschte dort minutenlang ein angespanntes Schweigen und alle Blicke wandten sich zu ihnen; aus einigen sprachen Abscheu und Verachtung, aus anderen Bewunderung und Verzückung, wobei ersteres überwog. Schüchtern griff Fee nach Kamijos Hand und schweigend gingen sie über den Dorfplatz, bis plötzlich eine wohlbekannte Person vor ihnen stand, welche das junge Mädchen entschuldigend, doch geschockt und Kamijo mit schlecht unterdrücktem Zorn musterte. Furchtlos erwiderte der Edelmann den Blick und seine Augen strahlten in eiskaltem Blau. „Ist er das?“, erkundigte er sich an Fee gewandt, und als diese nickte wurde aus dem Blau ein unheimliches Schwarz. „Fee, dann hast du dich also wirklich entschieden?“, meinte Machi in einem säuerlichen, schneidenden Tonfall und sein Hass wuchs mit jeder Silbe. Die Angesprochene nickte schüchtern und zitterte am ganzen Leib, dennoch hielt sie dem Blick ihres ehemaligen Freundes stand. „Du hast es also gewagt, meiner Liebsten so etwas anzutun?“, fragte Kamijo in gefährlich ruhigem, nahezu sachlichem Ton und trat einen Schritt auf Machi zu, wobei sein Blick mittlerweile finsterer als die tiefste Nacht schien. Der Übeltäter zuckte ein wenig zurück, was den Edelmann belustigt schmunzeln ließ; fürchtete dieser sich etwa? Im nächsten Moment holte Kamijo aus und gab Machi mit der flachen Hand eine schallende Ohrfeige, welche diesen rückwärts taumeln ließ. „Wage es nie wieder, Hand an sie zu legen!“ Kamijos Stimme klang wie ein Donnergrollen, ehe er sich an Fee wandte: „Er hat seine Strafe erhalten. Und auch wir sollten langsam zurückgehen, meinst du nicht auch?“ Er lächelte sie liebevoll an und das junge Mädchen nickte, „ich gehöre zu ihm, verstehe es bitte, Machi“, wandte sie sich ein letztes Mal an ihren Jugendfreund, welcher noch immer wie erstarrt am Boden lag. Hand in Hand gingen Fee und Kamijo zurück, obwohl das junge Mädchen Tränen in den Augen hatte. „Bereust du es, ihn so gehen zu lassen?“, sanft legte er den Arm um ihre Schultern. „Er war lange Zeit mein einziger Freund und auch meine Familie“, lautete die Antwort, „niemals hätte ich gedacht, ihn auf diese Art und Weise zu verlieren. Doch ich kann und will nicht gegen mein Herz kämpfen!“ „Vielleicht legt sich der Streit irgendwann… wer weiß? Zeit heilt viele Wunden, wenn auch nicht alle“, entgegnete Kamijo nachdenklich, obwohl er es besser wusste; der Hass in Machis Augen war zu tief gewesen. Schließlich erreichten sie das Schloss, dessen goldene Kuppeln in den letzten Strahlen des Tages leuchteten. „Wenn du willst kannst du dich zuerst ein wenig ausruhen, ehe du in mein Gemach kommst“, bot Kamijo an, während er die schwere Eingangstür öffnen ließ. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)