Orangenblüten von Nekoryu ================================================================================ Kapitel 2: Orangenkuchen ------------------------ Eigentlich wollte er nur Orangen kaufen. Das tat er Freitags immer. Freitag war Orangentag. Er liebte den Geruch von geschälten Orangen und er liebte es, Samstag morgen Orangen in die Presse zu stecken und den Saft zu trinken, während er Zeitung las. Das inspirierte ihn. Sein Gemälde waren Gerüche, doch er war noch nie dazu gekommen, ein Parfüm zu komponieren, dass ganz aus Orangen bestand. Die Leute mochten es nicht, nach Orangen zu riechen- zumindest nicht, wenn es nicht Seife, Shampoo oder andere Körperpflegeprodukte waren. Zudem hielt der Duft nie wirklich so an, wie er sollte. Oftmals blieb ein Geruch zurück, der eher an überlagerten Orangen erinnerte und nicht an den Duft eines Orangenhains. Natürlich könnte er auch Aromaöle benutzen- aber die waren zu stark und wirklich nur zur Aromatherapie gedacht. Und wenn er sie verdünnte, rochen sie nicht mehr so wie er fand. Kurzfristig beschloss er, sich einen Kaffee zu genehmigen und betrat das Café. Er bestellte sich einen Obstkuchen mit Mandarinen und ging zu einem Tisch. Er gab sich Mühe, nicht die Nase zu rümpfen: dieser Eintopf aus Parfüms, alle aus seinem Laden, machte ihn noch ganz kirre. Manchmal fragte er sich, ob die Leute nicht mehr alles Tassen im Schrank hatten, soviel davon zu benutzen. Auf der anderen Hand konnte es ihm ganz recht sein: je mehr sie verschwendeten, desto früher kamen sie wieder und kauften mehr. Wenn sie beim kaufen nur an ihren eigenen Geruch dachten! Aber diesen wollten sie überdecken, so, wie viele ihre Persönlichkeit mit einem falschen Lächeln überdeckten. Oder ihr Gesicht mit einer Maske. Er verstand die Menschen nicht: er liebte seine Arbeit und wollte, dass die Menschen damit das Beste in sich unterstrichen. Statt dessen verdeckten sie sich selbst... Er setzte sich und sah gefrustet drein, bis er den Kaffee bekam. Plötzlich blinzelte er: Er roch Orangen. Das war, angesichts der Tatsache, dass er neben sich eine ganze Tüte davon hatte, nichts ungewöhnliches. Aber es roch wie Orangen, die frisch geschält waren. Und noch nach etwas anderem. Er schloss die Augen und schnupperte unauffällig. Orangen. Er bekam bei dieser Suppe den Rest nicht heraus. Wenn er die Quelle ausmachen konnte, vielleicht rausfinden, was es war. Er stützte seinen Kopf auf seine Hand und schnupperte um sich. So wurde das nichts- er war ja kein Hund! Wieder öffnete er seine Augen und sah sich um. Es konnten nur drei Personen um ihn herum sein. Außer ihm. Der Mann vor ihm sicher nicht- es gab nur wenige seines Geschlechts, die derart nach dem Geruch von Orangen gierten wie er. Die Schülerin neben schräg gegenüber sah eher nach dem blumig-süßen Typ aus. Er schielte nach links- und sah ein Fläschchen mit einem Etikett das er kannte: Eine selbst zusammengestellte Mischung. Die Frau, die sie gedankenverloren beschnupperte, hatte rote Haare, zu einem Zopf hochgesteckt. Er erkannte blonde Strähnen in dem Rot, aber sie flossen in das Rot wie die Milch in seinem Kaffee. Er konnte ihre Augen nicht erkennen, sie hielt sie gesenkt. Sie wirkte rundlich, ebenso wie ihr Gesicht. Er beobachtete sie, wie sie ein wenig des Fläschchens auf ihr Handgelenk tupfte, so wenig, als wäre es das Kostbarste überhaupt. Sie schnupperte daran, packte das Fläschchen weg und versank in Gedanken. Sie wirkte Einsam, allein und traurig und er fragte sich, woran sie gerade denken mochte. Auf der einen Hand war es sehr dreist, sie anzustarren, aber andererseits: wenn jemand Orangen, den Geruch von Orangen so sehr mochte, dass er diesen Duft als Parfum nehmen mochte, dann konnte er kein schlechter Mensch sein. Dann mochte er sie kennenlernen. Er trank seinen Kaffee aus und atmete tief durch. Wie sollte er sie ansprechen? Ob sie Japanisch sprach? Sein Englisch war furchtbar, obwohl er sich abmühte; er konnte Englisch besser schreiben als sprechen. Und wenn sie Japanisch konnte, was sollte er sagen? „Entschuldigen Sie, mir ist ihr Parfum aufgefallen, wo haben Sie das her?“ Blöder Anfang für ein Gespräch! Und dann, was sollte er sagen, wenn sie ihn ansah wie ein Auto? Konversation mit Frauen war nicht seine Stärke- zumindest solange er eine kennenlernen wollte. Vorausgesetzt, sie sprach seine Sprache... Er zögerte noch. Wenn er einfach hinging und fragte, ob der Platz frei war? Es war ja nicht falsch, noch einen Kaffee zu trinken, an ihrem Tisch? Diese Frage würde er sogar zweisprachig hinbekommen! Ach, einfach aufstehen und fragen. Er nahm seine Tüte Orangen, stand auf- leider recht abrupt und er zerriss sich mit der Tischkante die Tüte, in der sich die Orangen befanden. Befanden! Denn diese purzelten nach unten, rollten über den Boden und er hatte Mühe, keine davon aus den Augen zu verlieren! Er fluchte leise während er sich bückte, um die kugeligen Früchte einzusammeln, während alle anderen um ihn herum anstarrten. Ach, die konnten ihn doch mal den Buckel runterrutschen! Sie benutzten sein Parfum, verdammt! Und dann auch noch wie Badewasser! Er entdeckte eine Orange unter einem Tisch und krabbelte in die Richtung. Als er danach griff, bemerkte er, wie das Mädchen, das nach den Früchten roch, die er gerade im Raum verteilt hatte, unter den Tisch kroch und eine Orange unter ihrem Sitz hervorholte. DIE Gelegenheit, an ihr zu schnuppern und herauszufinden, was zum Donnerwetter sie noch in die Mischung getan hatte! Er kam sich vor wie ein Stalker und sein Herz klopfte bis zum Hals. Er schlich sich unter der Tischplatte durch an sie heran und wollte gerade eine kleine Nase nehmen, als sie sich umdrehte und ihn überrascht ansah. „Uuuhm, hi, Orangentörtchen[1]?“ NEEEIN; er war so ein Idiot! Wieso musste er das sagen? WIESO NUR? Er wollte gerade den Himmel anflehen, dass sich die Erde unter ihm auftun und ihn verschlingen möge, als er ein irritiertes „hä?“ als Antwort vernahm. Ihrem Ausdruck zu urteilen, verstand sie ihn nicht. „eehm, Hallo Akazukin-chan[2], du fragst dich sicher, was ich hier tue. Unter deinem Tisch. Hinter dir.“ Was faselte er für eine Scheiße. Er hoffte, sein Lächeln würde davon ablenken und er hoffte, dass sie wirklich KEIN WORT Japanisch sprach. Wieder ein irritierter Blick ihrerseits. Sie sprach kein Japanisch. Er war glücklich. Sie hatte dieses Elend nicht verstanden! Er könnte sie Küssen vor Freude! „Uuhm, eeh,“ hub sie an, als würde sie verzweifelt nach einer Antwort suchen. Küssen...Wieso eigentlich nicht?!- Sein Glücksgefühl darüber, dass er sich NICHT zum Vollaffen gemacht hatte, triumphierte. Und zwar endlos. Und schaltete seinen Verstand aus. „watashi wa uuhm, hotondo-[3]“ weiter ließ er sie nicht kommen, er beugte sich vor und berührte ihre Lippen, unter einem Tisch in diesem Kaffee. Küsste vollkommen berauscht vom Geruch der Orangen dieses Mädchen, er versank darin und Himmel, sie SCHMECKTE sogar nach Orangen. ...Zur Hölle was tat er hier eigentlich?? Er löste sich, faselte ein schnelles „Entschuldigung, bis bald“ und machte, dass er weg kam. Bevor sie noch Gelegenheit hatte, die Bezahlung in Form einer saftigen Ohrffeige dafür zu fordern. Sie roch nach Orangen, sie schmeckte nach Orangen. Und Sandelholz. Sandelholz! Welch Geniestreich! Sein Orangen-Rotkäppchen war ein Genie! Zu dumm, dass er sie nicht nach der Telefonnummer hatte fragen können! ******* [1]Ich habe „kamimochi“ mit „Orangentörtchen“ übersetzt. Richtig lautet es aber „Mochi mit Orangengeschmack“ [2]Name der Protagonistin des Märchens „Rotkäppchens“. Also „Rotkäppchen“. [3]Halbfertiges „Watashi wa hotondo nihongo o hanase-masen.“- Ich kann kaum Japanisch sprechen. Merkt euch den. Sie wird den noch sehr oft versuchen, rauszuwürgen :D Quellenangabe für Japanisch: http://www.wadoku.de/index.jsp http://eva-armageddon.com/Vokabeln.php http://www.dicts.info/dictionary.php?l1=English&l2=Japanese_Romaji Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)