Saber Rider and the Star Sheriffs von Kittykate (- eine erfolgreiche Daily Soap -) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- „Ein Glas Wasser, bitte.“ Diese Worte klangen in Mays Ohren wie: Gib mir einen Strick, damit ich mich aufhängen kann. May Ohlsen war eine junge Frau von neunundzwanzig Jahren und Besitzerin dieses kleinen Restaurants. Mit einem mitleidigen Gesichtsausdruck musterte sie ihren neuen Gast. Die schwarzen langen Haare waren zu einem Zopf geflochten. Die braunen Augen in dem schmalen, ovalen Gesicht starrten betrübt auf die braune Holztheke. Die schlanke Figur steckte in einem viel zu großen Pullover und einer dunklen Jeans. Auf dem Boden stand eine Reisetasche. May schenkte ein Glas Wasser ein und reichte es ihrem Gast. Mit aufmerksamen Augen beobachtete sie die niedergeschlagene Frau, welche die klare, durchsichtige Flüssigkeit anstarrte, als prüfe sie ob sie sich darin ertränken könnte, ehe sie einen Schluck zu sich nahm. „Soll ich dir nicht lieber ein Glas Whiskey einschenken? Du siehst aus, als könntest du diesen eher gebrauchen“, stellte May besorgt fest, nachdem sich der Gesichtausdruck leicht verfinsterte. Ein schmales Lächeln zeigte sich plötzlich. „Daran hab ich auch schon gedacht, aber ich brauche einen klaren Kopf!“ May griff sich ein Geschirrtuch und ein bereits gespültes Bierglas und begann es zu trocknen. „Ich sag dir eins: Vergiss den Kerl! Egal, wie toll er auch aussehen mag, er hat dich nicht verdient!“ Sie kannte solche Gesichter zur Genüge, hatte sie Trennungen in ihrem Freundeskreis mitbekommen. Wieder mal dankte sie dem Himmel, dass sie keinen Mann hatte. Sicherlich war es schön, jemanden zum Kuscheln zu haben, sich mit dem Partner auszutauschen und dennoch war sie froh darüber allein zu sein. Als Single hatte man ganz klar Vorteile und sie wollte ihr ungezwungenes Leben unter gar keinen Umständen eintauschen. Eine unbekümmerte Aussage, die der jungen Frau ein Lächeln auf die Lippen zauberte. Zaghaft nickte die Schwarzhaarige: „Du hast Recht. Dieser Mistkerl ist keine Träne mehr wert!“ Sie betrachtete ihre Gesprächspartnerin aufmerksam. May hatte ein wenig Übergewicht. Die blonden Locken umrahmten vorwitzig das runde, hübsche Gesicht. Die blauen Augen strahlten wie das Meer und die Lippen schimmerten rosig. Die weiße Schürze schützte die Bluse und die helle Jeanshose vor Verschmutzung. Überrascht nahm May das Lächeln wahr. „Das ist die richtige Einstellung. Ich bin übrigens May Ohlsen.“ Sie stellte das geputzte Bierglas zurück in den Schrank und reichte ihrem Gast über die Theke die Hand. „Mein Name ist Sincia Bray“, stellte sich die Schwarzhaarige vor und nahm die Hand ihrer Gesprächspartnerin fröhlich an. „So, Sincia, willst du mir erzählen, warum dieser Kerl nun ein Mistkerl ist?“ May war eine ehrliche Person. Sie nahm kein Blatt vor den Mund, fragte direkt und ohne Umschweife. Wer damit ein Problem hatte war bei der Restaurantchefin falsch. Wieder verfinsterte sich das Gesicht der Schwarzhaarigen. „Ich bin Lehrerin und kam gerade von einer Klassenfahrt zurück, als ich meinen Freund mit einer anderen im Bett erwischte. Zur Ausrede bekam ich zu hören: Schatz, mit dir hab ich heute noch gar nicht gerechnet!“ Die Tränen waren versiegt, dafür kam die Wut. „So ein Mistkerl!“ May schnappte sich das Geschirrtuch und fing an den Zapfhahn zu polieren. „Ich wusste nicht wo ich hin sollte. Ich habe einige wichtige Sachen gepackt und bin einfach losgegangen. Tja und dann bin ich hier gelandet.“ Erst jetzt sah sie sich um, wo sie eigentlich genau war. Sie war blind durch die Stadt gegangen und kam letztendlich in dieses Stadtviertel. Es war eine Sackgasse. Ein großes Fabrikgelände erstreckte sich auf der anderen Straßenseite, während dieses Restaurant die einzige Lokalität war. Ansonsten lagen hier noch vereinzelte Häuser. In dieser Gegend war sie noch nie zuvor gewesen, hatte auch noch nichts davon gehört. Das Restaurant war gemütlich eingerichtet. Überall standen Tische mit Stühlen. Wenige Gäste hielten sich hier auf. An einem Tisch am Fenster saß ein junges Pärchen, welches verliebt miteinander turtelte und nichts außer sich selbst wahrnahm. An einem anderen Tisch in der Ecke prangte das Wort Stammtisch. Dort saßen vier ältere Herren, jeder mit einem Bierglas vor sich und Karten in der Hand. Sie spielten und ratschten. Der Holzboden war dunkelbraun, während die Wände in hellem, vanilleartigen Ton gestrichen waren. Die hohe Decke war weiß und überall hingen Filmrollen, alte Kameras, Spots und viele verschieden Fotos, die sich bei genauerem Hinsehen als Autogrammkarten verschiedener Stars und Sternchen entpuppten, zur Dekoration herum. Alles in allem erinnerte dieses Restaurant eher an ein altes Filmstudio. „Wow“, stellte Sincia erst jetzt überrascht fest. „Ja, nicht wahr?“, lachte May und betrachtete amüsiert die Mimik ihres Gastes. „Willkommen im Spotlight.“ „Das sieht hier eher wie ein Filmstudio aus“, bemerkte Sincia und wandte sich neugierig an ihre Gastgeberin. „Wie kommt man zu solchen Sachen?“ „Hast du das alte Fabrikgelände gesehen? Dort befindet sich der Firmensitz der Filmproduktion World Productions. Mein Vater war dort Kameramann. Wurde allerdings vor einigen Jahren abgesägt, weil die Jüngeren eine Chance bekommen sollten. So eröffnete er dieses Lokal und ich bin nach der Schule hier eingestiegen.“ Sincia blickte sie mit großen Augen an. „Dort wird auch die beliebte Fernsehserie Saber Rider and the Star Sheriffs gedreht. Kennst du diese Serie? Ist ein totaler Quotenbringer und aus dem Abendprogramm gar nicht mehr wegzudenken.“ Die Schwarzhaarige schüttelte ihren Kopf. „Nein, hab ich noch nicht gehört.“ In diesem Moment schwang die Tür auf und eine kleine Gruppe trat ein. Überrascht drehte sich die Schwarzhaarige zur Tür und verfolgte die eintretenden Gäste, die sich nacheinander an einen Tisch in der Nische neben der Tür nieder ließen. Zwei von den drei Männern stachen durch ihre Größe heraus. Wobei einer der beiden blonde, kurze Haare hatte und der andere braune, kurze Locken. Der dritte junge Mann war kleiner, als die anderen beiden. Dafür stachen die wirren, ungekämmten und wuscheligen braunen Haare heraus. In Begleitung der Männer traten auch zwei Blondinen ein. Sincias braune Augen hingen an der langen, blonden Mähne der kleineren Blonden. Unglaublich, wie ein Mädchen so lange Haare haben konnte. Nun wich ihr Blick zur anderen Blondine, die ihre Haare Schulterlang trug. Sie wirkte fast unscheinbar, auch wenn sie die Langhaarige um einen Kopf überragte. Alle fünf wirkten wie von einem Werbeplakat entsprungen. „Ich bin gleich wieder hier“, vernahm sie Mays Stimme. Sincias Augen folgten der rundlichen Gestalt, wie sie auf den Tisch der Neuankömmlinge zuging und die Bestellungen entgegennahm. Sincia wandte sich wieder ihrem Wasserglas zu. Sie musste sich endlich mal Gedanken machen, wo sie die Nacht verbringen sollte. In ihre Wohnung konnte sie unter keinen Umständen zurückgehen. Sie wollte ihm nicht mehr begegnen. Ihre persönlichen Sachen würde sie abholen lassen, das stand fest, aber wann und von wem wusste sie auch nicht. Sie war seinetwegen in diese Stadt gezogen. Ihre Eltern lebten in Irland. Tausende von Kilometern entfernt. Sie war sich so sicher mit ihm gewesen und nun das… May kam zurück und gab die Bestellungen in die Küche weiter. Unbemerkt von der Schwarzhaarigen richtete sie das Wort an sie: „Lass doch den Kopf nicht hängen. Ein Ende bedeutet ein neuer Anfang. Wieso sollte es nicht besser werden?“ May mochte die junge Frau, sie war ihr sympathisch. Die Dunkelhaarige lächelte ein wenig. May hatte Recht, obwohl sie sich im Moment noch nichts vorstellen konnte. Zu sehr hingen ihr die letzten Ereignisse in den Knochen. Ein neuer Anfang schien schwer zu sein. „Du musst erst mal drüber weg kommen. Vergiss den Kerl ganz schnell!“ Natürlich wusste May, dass diese Worte leicht gesagt waren, aber den Worten Taten folgen zu lassen um einiges schwieriger werden würde. „Erzähl mir ein bisschen von dir. Du hast gesagt, du bist Lehrerin?“ Sincia nickte. „Wow“, fügte May bewundernd hinzu. „Jeden Tag mit schreienden, lauten, tobenden Kindern zu arbeiten ist eine Meisterleistung.“ Sincia lächelte. „So schlimm sind die Kleinen auch nicht.“ „Ich trau den kleinen Biestern nicht über den Weg, aber ich finde es toll, wenn Menschen mit Kindern umgehen können.“ May fand Kinder zwar niedlich, aber nur wenn sie sie von weitem sah. Selbst mal welche zu haben, schien für sie praktisch unmöglich zu sein. Sie mochte noch nie Kinder und ohne Mann klappte es bekanntlich auch nicht. Also hatte sich dieses Thema so oder so erledigt. Aufrichtig entgegnete die junge Frau: „Ich bin mir sicher, dass du auch mit Kindern umgehen kannst.“ „Muss nicht sein“, wich May aus und lenkte vom Thema ab. „Sincia… Was bedeutet der Name? Er klingt so außergewöhnlich.“ „Ja, das ist er auch. Meine Mutter wollte einen außergewöhnlichen Namen finden. Und da ihre Lieblingsblumen Chrysanthemen sind, hat sie meinen Namen an diesen Blumen angelehnt.“ Sincias Gesichtsausdruck änderte sich plötzlich in Wehmut. Ihre Eltern lebten so weit entfernt. Wie gerne würde sie jetzt zu ihnen gehen. Aber das ging nicht. Sie musste in die Schule. Zwar war heute erst Freitag und das Wochenende bot noch zwei Tage zum Entspannen, aber Montag begann wieder die Arbeit. Zudem musste sie sich noch um eine Unterkunft für diese Nacht kümmern. Die Zeit rann ihr davon und sie wollte auf keinen Fall zurück zu ihm. May blickte sie aufmerksam an. Sie sah die Besorgnis in Sincias Gesicht und auch die Veränderung in ihrem Auftreten. „Was ist?“ „Ich muss mir noch eine Unterkunft für diese Nacht suchen. Vielen Dank für deine Gastfreundschaft. Ich komme bald wieder vorbei“, verabschiedete sich Sincia und stand auf als May sie zurückhielt. „Warte, ich kann dir helfen“, sagte sie. Auch wenn sie die Dunkelhaarige nicht gut kannte, hatte sie sie bereits in ihr Herz geschlossen. „Du kannst bei mir wohnen, wenn du möchtest. Natürlich solange bis du eine eigene Unterkunft gefunden hast“, bot sie an. Sincia blickte sie mit großen braunen Augen an. „Aber du kennst mich doch gar nicht“, fragte sie überrascht nach, jedoch winkte May ab. „Ich habe eine gute Menschenkenntnis und da du in Schwierigkeiten steckst, habe ich keinerlei Bedenken. Wenn du noch eine Stunde warten kannst, gehen wir gemeinsam.“ Der Koch klingelte und May servierte das bestellte Essen an den Tisch in der Nische. Lautes Gelächter drang durch das Spotlight und Sincia blickte über die Schulter zu dem Tisch der Clique. Als May zur Theke zurückkehrte, wandte sich die Dunkelhaarige ihrem Wasserglas zu und versuchte ihre Gedanken zu sortieren. So verging die Zeit. „Ich sag meinem Vater bescheid.“ Schon trat May hinter der Theke hervor und trat auf den Stammtisch zu. Sincia folgte ihr mit den Augen und betrachtete die vier älteren Männer, die seit ihrer Ankunft Karten spielten. May trat auf einen Mann zu, dessen Gesichtszüge sehr markant wirkten. In dem unrasierten Gesicht, standen bereits die Stoppeln eines Dreitagesbarts. Die Haare waren voll und schwarz, aber graue Strähnen blitzten vereinzelt hervor. Er hörte May zu und nickte schließlich. Schon löste er seine Augen von seiner Tochter und warf eine Karte in die Mitte des Tisches. „Dann geh ich jetzt, Paps.“ „Bis morgen, Kleines.“ „Ja, bis morgen“, schon kam May zurück und grinste Sincia an. „Ich kassiere nur noch schnell die Tische ab und dann können wir gehen.“ Sie ging zu den Gästen um ihnen die Rechnungen zu geben. Als alle Gäste bezahlt hatten, legte sie die Schürze weg, schnappte sich ihre Handtasche und verließ mit Sincia, die ihre Reisetasche aufhob, das Spotlight. Sie gingen die Straße entlang und hielten wenig später vor einem Hochhaus. Sincia blickte sich um. Ihnen gegenüber, auf der anderen Straßenseite, stand eine hohe Mauer hinter der sich das Filmgelände befand. Ein großes Eisentor unterbrach die Mauer. Rechts von dem Tor war auf der Mauer ein Schild befestigt: Tor 5. May zog ihren Haustürschlüssel aus der Handtasche, öffnete die Eingangstür und trat ins Treppenhaus. Aufmerksam beobachtete sie Sincia und wartete bis sie ebenfalls eintrat. Die Wohnung befand sich in der dritten Etage. Mays Behausung, eine kleine Dreizimmerwohnung, wirkte gemütlich und war schön eingerichtet. Sie traten in den Flur von dem Rechts bereits eine Tür ins Badezimmer führte. Links war eine Tür zum Schlafzimmer. Den Flur entlang führten zwei weitere Türen rechts und links in Räume. Rechts befand sich das Gästezimmer, links ging es in die Küche. Die Tür gerade aus führte ins große geräumige Wohnzimmer. Rechts hinaus, zur Südseite hin, war ein kleiner Balkon. „Schöne Wohnung“, bemerkte Sincia, während sie May zum Gästezimmer folgte. „Danke. Hier kannst du dich einrichten. Mach dir keine Gedanken, wenn du so schnell keine Wohnung findest.“ „Vielen Dank, May.“ „Hör auf dich zu bedanken. Ich sehe mal nach, ob ich noch etwas Essbares im Kühlschrank hab.“ Mit diesen Worten verschwand May in die Küche und bereitete wenig später das Abendessen zu. Sincia stellte die Reisetasche ab und setzte sich auf das Bett, welches sofort ein wenig einsank. Aufmerksam blickte sie sich um. Die Wandfarbe war in ein cremeartiges Weiß gestrichen, zu dieser die hellblaue Bettwäsche einen schönen Kontrast bildete. Ein Schrank stand an der Wand zur linken Seite und eine Kommode stand dem Bett gegenüber. Rechts vom Bett war eine große Fenstertür mit französischem Balkon. Die Dunkelhaarige blieb reglos sitzen bis May sie zum Essen holte. Kapitel 2: ----------- Die Sonne stand hoch am Himmel. Bei World Productions saßen drei Männer in einem Büro in einem Meeting. Das Büro war geräumig, ein großer Schreibtisch stand vor einer Fensterfront, ausgestattet mit einem Computer. Ein dicklicher, großer Mann, namens William Burns, mit braunem Haar saß in seinem schwarzen Ledersessel und spielte mit einem Kugelschreiber. Er war der Produktionschef der Serie Saber Rider and the Star Sheriffs. Ihm gegenüber saßen der Regisseur, Daniel Thomson, und der Drehbuchautor, Chris Dough. Der Regisseur war groß und schlank mit einer Brille auf der Nase und vollem schwarzen Haar, der Drehbuchautor klein und mit einem Vollbart, dafür aber mit einer Halbglatze. „Die Star Sheriffs fliegen durchs Weltall, stoßen hier und da auf Outrider und bekämpfen sie. Das reicht aber nicht. So werden wir die Zuschauer nicht mehr lange am Fernseher halten können. Was wir brauchen ist etwas Neues!“ Daniel Thomson mischte sich ein: „Wie wäre es mit einer Liebesbeziehung. Bei anderen Serien passiert ständig etwas in der Liebe. Drama, Eifersucht, Spannungen, Betrug, Liebe, das sind die Punkte die Zuschauer gerne sehen.“ „Wir sind eine Actionserie, keine Daily Soap“, schnappte Burns zurück. Der Drehbuchautor meldete sich auch zu Wort. „Nicht dass wir die Liebe in den Vordergrund schieben, aber wie wäre es eine anbahnende Liebesbeziehung aufzubauen. Immer wieder kleine Hinweise geben, dass Gefühle im Spiel sind.“ „Wir haben doch bereits ein Liebespaar. Colt und Robin sind verlobt. Zudem flirtet Colt mit jedem weiblichen Wesen, dem er begegnet.“ Der Regisseur nickte zu. „Das schon, aber ich dachte da eher an April und Fireball. Sie sind beste Freunde. Das Vertrauen unter ihnen ist stärker, als zu den anderen Kollegen. Wieso sollte dieses Vertrauen nicht langsam in Liebe umschlagen? Die Zuschauer werden das lieben!“ Nachdenklich betrachtete der Produktionschef seine Kollegen. „Das reicht mir nicht. Wir brauchen einen Umschwung in der Serie.“ „Woran denken Sie, Sir?“, hakte der Schlanke nach. Nach einer Weile der Stille, antwortete William Burns: „Jesse Blue.“ Wieder kehrte Stille ein. Thomson und Dough blätterten in ihren Unterlagen. „Aber Jesse Blue war ein Kadett, der unbedingt ein Besatzungsmitglied von Ramrod werden wollte und der von April verschmäht wurde“, richtete nach einer Weile Thomson wieder das Wort an seinen Boss. „Richtig.“ „Aber wie wollen Sie ihn wieder in die Serie holen? Das Team Ramrod hat seine Stammbesetzung und ich dachte, wir wären alle der Meinung, dass der blauhaarige Kadett nicht gut beim Publikum ankam“, unternahm er erneut einen Versuch um eine Erklärung zu erhalten. Schon zog der Produktionschef einen Schuhkarton hervor und stellte ihn auf den Tisch. „Was ist das?“, fragte Dough irritiert. Er konnte seinem Chef nicht folgen und wusste auch nicht einzuschätzen, was ihm im Kopf herum ging. „Das, meine Herren, sind die Zuschriften vieler Fans unserer Serie. In diesem Schuhkarton befindet sich ein Bruchteil der Zusendungen, allein mit der Bitte Jesse Blue wieder in die Serie zu holen. Sie sehen, er hat sehr wohl Fans.“ „Aber wie sollen wir ihn wieder erscheinen lassen?“, überlegte der Daniel Thomson laut. Wieder sagte keiner etwas, bis sich der Drehbuchautor zu Wort meldete. „Jesse Blue ist von April verschmäht worden. Er hat das Ausbildungscamp Alamo verlassen und schwor sich ihr Herz für sich zu gewinnen.“ Die beiden anderen nickten aufmerksam bei der Zusammenfassung von Jesses letztem Auftritt. „Was wäre, wenn er eine eigene Einheit gründet um April zu beweisen, dass er der einzige und richtige Mann für sie ist.“ „Eine eigene Einheit ist gut, aber wie wäre es wenn er zu den Feinden übergelaufen ist“, stimmte der Regisseur zu. „Das ist eine sehr gute Idee, meine Herren“, stimmte der Produktionschef zu. „Jesse Blue ist ein neuer Feind. Machen Sie was draus. Ich möchte, dass unsere Serie die Nummer eins bei den Zuschauern bleibt.“ „Sehr wohl, ich werde mich gleich heute noch mit meinen Autoren zusammen setzen“, antwortete der Vollbärtige. Er verließ wenig später das Büro, gefolgt von Daniel Thomson. Zurück blieb der Produktionschef, der sich den Schuhkarton voller Fanpost ansah. Seine Sekretärin hatte den Schauspieler bereits kontaktiert. Er wolle erst eine detaillierte Erklärung über seine Rolle, ehe er sich entschied. Sobald die Autoren die Ideen fertig haben, würde er ihm ein Exemplar zukommen lassen. Er war sich sicher, dass dieser junge Mann dazu beitragen könnte, die Serienquote zu erhöhen. Shinji Hikari stand vor einem Aufsteller und betrachtete die verschnörkelte, aber kaum zu entziffernde Schrift. Spaghetti Bolognese, Gartensalat oder Cordon Bleu standen auf der Tafel. Er ahnte es bereits vor dem Mittag, dass es zwischen dem Koch und seiner Frau wieder mal gekracht hatte. Antonio, ein herzensguter Mann italienischer Abstammung, klein, rundlich und ohne Haare auf dem Kopf, bewirtete und verköstigte das Team der Filmproduktion tagtäglich. Aber wenn er sich mit seiner holden Maria gestritten hatte, war es ratsamer einen großen Bogen um das Essen zu machen. Selbst in Rage würde Antonio sich niemals an Maria vergreifen, stattdessen ließ er seinen Zorn am Gewürzregal aus. Hätte Shinji auf sein Magengefühl gehört, ginge es ihm jetzt nicht so schlecht, denn letzteres von der Speisekarte hing ihm wie ein Stein im Magen. Er wagte einen Blick durch die offene Kantinentür und entdeckte Maria an der Kasse. Ihr beachtlicher Busen wurde unter einer weißen Schürze versteckt. Die schwarzen Haare, bei denen Shinji sich sicher war, dass sie bereits am ergrauen sein müssten, waren zu einem Dutt zusammengebunden. Sie trug passend zur Schürze ein weißes Häubchen. Aus den Boxen drang italienische Musik und Marias rot lackierte Fingernägel klopften im Takt auf die Aluminiumtheke. „Shinji, hier bist du“, riss ihn eine hohe Stimme aus den Gedanken. Ohne sich umzudrehen, wusste er sofort wer hinter ihm stand und er hoffte, dass diese Person bald wieder verschwinden würde. „Richtig, hier bin ich“, erwiderte er trocken. Plötzlich spürte er zwei Arme um seinen Bauch und einen weiblichen Körper an seinem Rücken. „Wieso bist du nur so abweisend? Was habe ich dir denn getan?“ Gebrechlich, fast weinerlich klang die Stimme, aber in Shinji löste sie unsagbare Wut auf sich selbst aus. Er griff nach ihren Händen, löste diese voneinander und drehte sich zu ihr um. Vor ihm stand eine Brünette mit blauen Augen und rosa Lippen und dem unschuldigsten Gesichtsausdruck, den auch nur eine Schauspielerin zustande bringen konnte. Die Unschuldige zu mimen, war neu in ihrem Repertoire. Er hatte angenommen, all ihre Launen bereits zu kennen, aber sie schaffte es ihn jedes Mal wieder zu überraschen. „Cindy, du willst einfach nicht verstehen, dass es vorbei ist.“ „Ich verstehe nicht, wieso du unsere Beziehung beenden willst. Es ist doch alles so schön.“ Sie schmiegte sich an ihn und strich ihm mit ihrem Zeigefinger über die muskulöse Brust, die sich unter seinem roten T-Shirt verbarg. „Seitdem du in die WG eingezogen bist, klammerst du wie ein Affe. Du engst mich ein und gehst uns allen mit deinen Launen auf die Nerven.“ Wütend verschränkte Cindy ihre Arme vor der Brust und funkelte ihn herausfordernd an. „Ach jetzt klammer ich also. Vor einigen Tagen war das noch nicht deine Meinung im Gegenteil sogar.“ Shinji fuhr sich mit seinen Händen durch seine braune Mähne. Seine Frisur durcheinander zu bringen, war schier unmöglich. Anfangs hatte der Regisseur ihn immer wieder ermahnt, dass er mit ordentlicher Frisur am Set zu erscheinen hat, bis ihm die Friseuse des Teams mitgeteilt hatte, dass die Haare sich nicht bändigen ließen. Seitdem war die wilde Frisur das Markenzeichen des Schauspielers und die Fans liebten ihn dafür. „Bei den Außenaufnahmen bist du zu mir ins Hotelzimmer gekommen“, stellte er klar. „Und du hast zugegriffen. Tu jetzt bloß nicht so, als hätte dir das nicht gefallen.“ „Darum geht es nicht“, widersprach er hartnäckig. „Zieh endlich aus, wie es abgesprochen war. Du wolltest nur übergangsweise bei uns wohnen, oder hast du das vergessen?“ Cindy ballte ihre Hände zu Fäusten und erwiderte finster: „Wir sind noch lange nicht fertig!“ Mit diesen Worten machte sie auf dem Absatz kehrt und ging. Eine Blondine trat aus der Kantine heraus. Es war Marianne Louvre, die einen Plastikbecher mit schwarzem Kaffee in der Hand hielt. Den letzten Satz hatte sie gehört. „So wie sie das sagt, klingt das ganz nach einer Drohung.“ Shinji blickte über seine Schulter und lächelte kläglich. „Und ich befürchte, dass du recht behältst.“ Aufmerksam betrachtete die Blondine ihren Kollegen: „Das hast du dir selbst eingebrockt, mein Lieber.“ Schmollend ließ er sie nicht mehr aus den Augen. Sie trug noch ihren roten Overall, den sie in der Serie immer trug und sah richtig sexy darin aus. Der rote Anzug betonte ihre schlanke Figur und zeigte die Proportionen, die sich an den richtigen Stellen befanden. „Und ich habe das auch längst bereut. Das kannst du mir glauben.“ „Dann hoffe ich mal für dich, dass du daraus gelernt hast“, zwinkerte sie ihm zu. Ein Knacksen ertönte aus den Lautsprechern, die das Leben bei World Productions bestimmten, kurz darauf war eine blecherne Stimme zu hören. „Wir bitten alle Schauspieler zurück zum Set. In fünf Minuten beginnen die Dreharbeiten.“ Gemeinsam machten sie sich daran zum Set zurückzukehren. Sincia saß in ihrem Klassenzimmer und blickte gedankenverloren zum Fenster hinaus. Ihre Schüler waren längst nach Hause gegangen. Sie selbst saß über den Aufgabenblättern um diese zu korrigieren, bis ihre Gedanken abschweiften und sie sich wieder in ihrer Wohnung sah. Sie stellte die Reisetasche im Flur ab, schloss die Haustüre und hing den Schlüssel ins Schlüsselkästchen. Sie schlüpfte aus ihren Schuhen und hing den Mantel weg. Zaghaft trat sie durch den Flur ins Wohnzimmer und sah sich aufmerksam um. Die Wohnung war ordentlich, überhaupt nicht so wie sie erwartet hatte diese vorzufinden. Steve hatte sich wirklich Mühe gegeben Ordnung zu halten. Die Küche, die zu ihrer rechten Seite in einer Nische stand, ignorierte sie in diesem Moment und strebte die angrenzende, geschlossene Zimmertür am Ende des Wohnzimmers an. Dahinter befand sich das Schlafzimmer. Ihr Blick streifte die große Wanduhr und mit einem Lächeln auf den Lippen wandte sie sich wieder der Tür zu. Bestimmt schlief er noch. Natürlich rechnete er nicht mit ihrer Ankunft, denn sie wollte ihn überraschen. Sanft legte sie die Hand auf die Klinke, drückte diese hinab und öffnete vorsichtig die Tür, immer darauf bedacht, dass sie keine lauten Geräusche machte. Sie wollte ihn überraschen. So sehr hatte sie ihn in dieser Woche Schullandheim vermisst und freute sich bereits darauf, wieder in seinen Armen zu liegen und seine Nähe und Wärme zu spüren. Sie trat ins Zimmer ein, voller Vorfreude, mit stark klopfendem Herz und kribbelnden Bauch, und blickte zum Bett, indem er noch tief und fest schlief, oder eigentlich schlafen sollte. Doch was sie nun sah verschlug ihr nicht nur die Sprache, sondern ließ sie regelrecht erstarren. Das Herzklopfen wurde rasanter, das Blut kochte und für kurze Zeit wurde ihr schwarz vor Augen. Ihr Kopf war wie leergefegt. Ihr Griff auf der Türklinke verstärkte sich und ihre braunen Augen blickten auf das Geschehen vor ihr. Der Mann, den sie so vermisste, befand sich in einer eindeutigen Position mit einer ihr unbekannten Frau. Beide waren splitternackt und genossen sichtlich, wie auch hörbar, ihr gemeinsames Liebesspiel. Noch stand sie unbemerkt im Türrahmen, wollte etwas sagen, brachte aber keinen Ton hervor. Das Blut kochte in ihren Adern und mit einem Mal breitete sich eine unglaubliche Leere in ihr aus. Sie wollte es sich nicht länger mit ansehen, aber ihre Augen konnte sie auch nicht lösen. Es wurde mit einem Mal ruhig und eine männliche Stimme riss Sincia aus ihrem tranceartigen Zustand. „Sincia! Schatz, mit dir habe ich heute noch gar nicht gerechnet.“ Sincia zuckte zusammen, als wären diese Worte wie einzelne Schläge. Sie starrte fassungslos von der Unbekannten in ihrem Bett zu ihrem Freund. Endlich wurde sie sich bewusst, wo sie stand und was sie eben gesehen. Sie drehte sich auf dem Fuß um, schlug die Türe hinter sich zu und kehrte schlagartig in den Wohnungsflur zurück. Sie schlüpfte in ihre Schuhe, zog sich den Mantel an, holte die Schlüssel aus dem Schlüsselkästchen, als er ihr im Flur gegenüberstand. In eine Decke gewickelt blickte er sie um Verzeihung bittend an. „Schatz. Sincia! Bitte glaub mir, das wollte ich nicht!“ Sie musste sich zwingen ihm in die Augen zu sehen. In seine braunen Augen, in denen sie sich immer verloren hatte. Von denen sie sich immer verstanden gefühlt hatte. „Wie lange geht das schon?“ Monoton, nüchtern, emotionslos klang diese Frage. Schweigen. Er blickte sie verstummt an, schien abzuwägen, was er auf diese Frage antworten sollte. Mit einer Hand fuhr er sich durch die schwarzen Locken. Früher hatte sie es geliebt ihm auch durch die Haare zu fahren, seine Kopfhaut zu massieren, ihn zu streicheln. Sie konzentrierte ihre Gedanken auf eine niederschmetternde Antwort, aber er hüllte sich in Schweigen. Sincia schüttelte ihren Kopf, auch um die Gedanken abzuschütteln: „Ich lasse meine Sachen abholen.“ Mit diesen Worten drehte sie sich um, hob ihre Reisetasche auf und verließ die Wohnung. Erst als die Tür hinter ihr geschlossen war, füllten sich die Augen mit Tränen und nachdem sie auf der Straße stand, löste sich ein wahrer Wasserfall. Die Tränen flossen und schienen nicht mehr versiegen zu wollen… Sincia wischte sich schnell über ihre Augen und richtete den Blick auf die Unterlagen vor sich. Die traurigen Gedanken musste sie verdrängen. Es war vorbei. Und lieber erlebte man ein Ende mit Schrecken, als einen Schrecken ohne Ende. Ein Mann trat in den Türrahmen und betrachtete aufmerksam die Lehrerin. Nach einigen Sekunden hob er seine Hand und klopfte an die offen stehende Türe. Aus den Gedanken gerissen blickte sie auf. Ihre Augen erkannten Steve, dennoch war er der Letzte, den sie sehen wollte. Sie wandte sich wieder ab, sortierte die Blätter zu einem ordentlichen Stapel und packte den Stapel in ihre Schultasche. Lange und schweigsam beobachtete er die Dunkelhaarige. „Sincia.“ „Was willst du, Steve?!“ Aufmerksam beobachtete er sie bei ihrer Tätigkeit. „Das weißt du doch.“ „Nein. Ich habe keine Ahnung“, entgegnete sie kalt. Er trat zu ihr. „Ich habe einen Fehler gemacht. Aber ich habe das beendet. Bitte komm zu mir zurück.“ Sie hielt inne. Kopfschüttelnd starrte sie auf ihren Schreibtisch, ehe sie langsam zu ihm aufblickte. „Es ist vorbei, Steve.“ Er stand direkt vor ihr. Einzig der Schreibtisch schützte Sincia vor seiner Nähe. Steve stützte die Hände auf die Arbeitsplatte und beugte sich zu ihr vor. „Es ist nicht vorbei“, flüsterte er betörend. „Komm nach Hause. Ich brauche dich!“ „Wie sehr du mich brauchst, hast du mir schon bewiesen. Lass es, Steve, lass es sein, bitte.“ „Sincia“, erwiderte er bockig, ohne auf ihre Worte zu hören. Ein weiterer Mann hielt an der offen stehenden Türe und blickte überrascht in das Klassenzimmer. Er trug eine große Brille auf der Nase, seine Halbglatze glänzte im Lichtschein der Neonröhren. Der Anzug, den der Mann trug, war in dunklem Blau und passend zu diesem zierte eine blaue Krawatte das weiße Hemd. Misstrauisch beobachtete er die beiden Erwachsenen, ehe er sich entschloss einzuschreiten. „Miss Bray, ist alles in Ordnung?“ Ungehalten lenkte Steve seinen Blick auf den Anzugmann und fauchte: „Natürlich ist alles in Ordnung.“ „Nichts ist in Ordnung, Steve. Geh jetzt bitte, sofort!“ Ihre Stimme klang leise, aber bestimmend und sie duldete keine Widerworte mehr. Steve trat den Rückzug an und ging. Nicht aber, ohne dem Anzugträger noch einen giftigen Blick zu schenken. Sincia ließ den Kopf hängen, erst jetzt bemerkte sie ihre verkrampften Finger. Als sie diese voneinander löste, spürte sie das leichte Zittern. Die gesamte Anspannung in ihrem Körper legte sich langsam. „Miss Bray“, hakte der Mann mit Halbglatze freundlich, aber auch besorgt nach. Sincia blickte auf, ein zaghaftes Lächeln lag auf ihren Lippen. „Mir geht es gut. Es ist alles in Ordnung. Vielen Dank, Direktor Miller.“ Er nickte irritiert zu, da diese Szene auf ihn gewirkt hätte, als wäre es alles andere als in Ordnung. „Sie können jederzeit zu mir kommen, wenn Sie etwas auf dem Herzen haben. Ich hoffe, das wissen Sie.“ Sincia schloss endlich die Schultasche und stand auf. Sie blickte den älteren Mann an und lächelte wieder. „Vielen Dank, Direktor Miller. Ich weiß das zu schätzen.“ Und schon verließ die Schwarzhaarige ihren Arbeitsplatz und ging in den Feierabend. May beobachtete wie Sincia in das Lokal schlich und sich vollkommen erschöpft an die Theke setzte. Sie ahnte bereits, dass etwas vorgefallen war. „Ach du meine Güte. Ärger?“ Eigentlich wollte die Lehrerin nichts von ihrem Kummer erzählen, aber sie wusste sonst auch nicht, wohin mit ihren verwirrenden Gefühlen. „Total!“ Die Rothaarige stellte ihrer neu gewonnenen Freundin ein Glas Whisky hin. „Was ist passiert?“ Sincia umschloss das Glas und betrachtete die bräunliche Flüssigkeit. „Steve.“ Als würde die Lehrerin nicht mehr wissen, wie man ganze Sätze mit mindestens vier Worten formte, warf sie Stichwörter ein. Dennoch verstand May sie: „Der Mistkerl Steve?“ „Ja“, antwortete sie erneut knapp. Dabei sank sie auf ihren Stuhl ein. „Er ist heute in der Schule aufgetaucht.“ Ehe ihre Freundin fragen konnte, wieso er in die Schule kam, fügte Sincia hinzu: „Er möchte mich zurück. Alles was er getan hat war ein Fehler und er verspricht, dass es nie wieder vorkommt.“ „Auf solche Versprechen kannst du verzichten. Einmal ein Fehltritt, immer wieder Fehltritte. Typen ändern sich nicht“, erklärte die Lokalchefin altklug. In diesem Moment trat eine Gruppe ein, die wieder an dem Tisch in der Nische Platz nahm. Es war die Clique, die bereits am Freitagabend auch schon hier war und die May zu ihren Stammgästen zählte. „Ich bin gleich wieder hier!“ Schon ging sie auf den Tisch der Neuankömmlinge und begrüßte sie: „Hallo“, drang Mays Stimme durch das fast leere Lokal. „Hallo, May“, erwiderte die Gruppe durcheinander, aber fröhlich lachend. Sincia drehte sich halb um und blickte zu der fröhlich klingenden Gruppe. Sie erkannte die Gäste als dieselben, wie am Freitagabend. Wieder betrachtete sie jeden einzeln. „Habt ihr schon Feierabend?“ May grinste bis über beide Ohren und zog ihren Bestellblock hervor. „Ja, endlich“, stimmte der braunhaarige Wuschelkopf zu und verdrängte die Gedanken an den Terror am Set. Die Auseinandersetzung mit Cindy hatte ihm für den Nachmittag den Rest gegeben. Er wusste ja, dass er selbst schuld an diesem Dilemma war, aber er hatte auch ganz klar den Schlussstrich gezogen. Er wollte nicht mehr daran denken und blickte May an: „Und ich hab einen Bärenhunger. Was kannst du mir heute empfehlen?“ „Soll ich für dich auf deine Figur achten? Denn dann empfehle ich dir ein Gemüsesandwich“, konterte May keck. Der junge Mann verzog angewidert das Gesicht. „Ne, lieber `ne Pizza. Extra groß und mit extra viel Käse.“ Er blinzelte ihr zu und schenkte ihr sein schönstes Lächeln. Shinji wusste, dass bei diesem Lächeln die Mädchen reihenweise weg schmolzen und auch May wurde wieder mal bewusst, dass er auch ihr mit diesem Lächeln weiche Knie bereiten konnte. Schnell konzentrierte sie sich auf ihren Bestellblock, worauf sie seine Sonderwünsche notierte. „Aber nicht, dass du mich hinterher verklagst, weil du aufgehst wie ein Hefeteig“, versicherte sie sich schnell und sah ihn mit vor Schalk blitzenden Augen an. „Niemals“, schwor er ihr und sein Blick wechselte schlagartig in die unschuldigste Miene des ganzen Landes. Auch ein Grund für seine Beliebtheit. „Shinji“, ermahnte ihn plötzlich die Blondine mit dem schulterlangen Haar. Schon bestellte sie bei May. „Für mich bitte ein Wasser und einen Gartensalat.“ „Bist du immer noch auf dem Hungertrip, Marie?“, hakte plötzlich die andere Blondine nach und bestellte für sich. „Ich hätte gern das gleiche wie Shinji und auch ein Glas Wasser!“ „Marianne“, bemerkte Marie entsetzt und tadelte die Jüngere: „Auch du solltest etwas auf deine Figur achten. Du weißt wie schnell eine Rolle aus dem Drehbuch geschrieben wird.“ „Ich weiß, dennoch hab ich Kohldampf! Mensch, Schwester, ich hatte einen langen und anstrengenden Drehtag. Gönn mir doch auch mal was!“ Die jüngere Blondine lehnte sich etwas im Stuhl zurück und schmollte ein wenig. „Nicht streiten, Mädels“, mischte sich der zweite junge Mann ein. Es war der Lockenkopf, nur dieses Mal trug er einen Cowboyhut. Schon galt seine ganze Aufmerksamkeit May. „Liebste May, bewahre mich vor dem Hungertod und bringe mir eine ganze Büffelherde!“ Marianne stürzte nach vorne und schnippte dem Cowboy gegen den Hut. „Du übertreibst und das nicht gerade wenig. Wann legst du denn endlich diesen dummen Hut ab?“ „Liebste Prinzessin, dieser Hut bedeutet mir mehr als mein Leben“, begann der Cowboy erneut, doch wurde er von Shinji unterbrochen. „Ist ja gut jetzt! Können wir unseren Bill wieder haben oder ist er nun von Colt besessen?“ „Wir sind hier nicht im Studio“, ermahnte auch Marie ihren Arbeitskollegen. Selbst der Blonde mischte sich nun in die Runde ein: „Glaub mir Bill, du hast dich so schnell in deine Rolle, als herumtreibender Cowboy, eingefunden, dass du nicht mehr im Privatleben üben musst. Erspare uns doch bitte die Erinnerungen an den heutigen Drehtag und genieß mit uns den Feierabend.“ „Schade aber auch“, lachte Bill und zog sich seinen Hut vom Kopf. Nun kamen die vielen kurzen braunen Locken zum Vorschein. Die blauen Augen funkelten seine Freunde fröhlich an. „So schrecklich fand ich unseren Tag auch nicht.“ Er zwinkerte May zu: „Für mich einen Beef Burger, bitte!“ May nickte und wandte sich an ihren letzten Gast in dieser geselligen Runde. „Kann ich dir etwas bringen?“ „Das Gemüsesandwich, bitte“, zwinkerte der Blonde ihr zu. May lächelte und kehrte zurück zur Theke und gab die Bestellungen in die Küche weiter, danach kehrte sie zu ihrer Freundin zurück. Auch Sincia wandte sich wieder dem Whiskey-Glas zu. „Was soll ich denn tun? Ich kenne ihn und ein Nein akzeptiert er nicht.“ „Du meinst, er wird dich immer wieder aufsuchen?“, hakte May beunruhigt nach. Ein kaum merkliches Nicken folgte. „Wann sind Ferien?“ „Wieso?“ Endlich richtete Sincia ihre Augen auf die Rothaarige. „Hast du Kollegen die dich schützen können? Ansonsten könntest du in den Ferien abtauchen.“ Die Lehrerin verstand nicht, dafür wirkte May sehr besorgt. Eine Freundin geriet an einen Typen, der ihr nach der Trennung immer wieder nachstellte. Er entwickelte sich zum Stalker und nur mit viel Mühe konnte sie, mit Hilfe der Polizei, ihrer Freundin helfen. Sie hoffte, dass dieser Steve kein Stalker war und sie wünschte sich es auch von ganzem Herzen für Sincia. „Warum?“, hakte Sincia irritiert nach. „Ach, war nur so ein Gedanke. Wenn du nicht mehr auffindbar bist, gibt er es vielleicht auf. Wie heißt es so schön: Aus den Augen, aus dem Sinn“, beruhigte sie die angespannte Freundin und somit auch sich selbst. Unbemerkt von den beiden Frauen, trat der Lockenkopf an die Theke heran. „May“, sagte er und riss die beiden aus ihrem Gespräch. „Bill?“, blickte die Lokalchefin auf. Der junge Mann lächelte freundlich. „Wollte mal fragen, wann das Essen kommt. Shinji und Marianne nerven schon.“ May warf einen Blick zur Küchentür, die in diesem Moment aufging. Ein Koch trat heraus. Jeweils einen Teller in jeder Hand balancierend, stellte er diese auf dem Tresen ab und kehrte in die Küche zurück. Schon kam er wieder heraus, wieder zwei Teller tragend und verschwand ein letztes Mal um die fünfte Bestellung raus zu bringen. May drehte sich dem Schauspieler zu, grinste bis über beide Ohren und ging um die Theke herum. Dort lud sie auf einem Arm zwei Teller mit Pizza und nahm den dritten Teller mit dem Burger in die freie andere Hand. Schon ging sie zum Tisch. Wenig später holte sie die restlichen zwei Essen und brachte sie ebenfalls zum Tisch. Der Lockenkopf ging nicht, wie erwartet, sofort zum Tisch zurück, sondern betrachtete aufmerksam das braune Getränk, danach das fremde Gesicht. „Harter Tag heute, wie?“ Sincia blickte auf und erstarrte. Zwei leuchtende, blaue Augen strahlten ihr entgegen. Das Männergesicht zierte einen Dreitagebart und das Kinn war kantig und wirkte dadurch markant und erwachsen. Die Musterung beruhte auf Gegenseitigkeit und was sprach schon gegen einen kleinen Flirt? „Hallo, ich bin Bill“, stellte er sich vor. Unsicher blickte Sincia zu dem hübschen Mann auf und kam sich in seiner Gegenwart wie ein Schulmädchen vor. „Sincia, hallo“, stellte sie sich wispernd vor. „Du bist eine Freundin von May, richtig?“, stellte er scharfsinnig fest. „Nun ja“, wich die Schwarzhaarige zögernd aus. Waren sie denn schon Freundinnen? Sie konnte ihr alles anvertrauen und May beherbergte sie in dieser Krisenzeit. „Ja“, stimmte sie lächelnd hinzu. Sie hatte in der rothaarigen Lokalchefin wirklich eine neue Freundin gefunden. Bill ließ die Fremde nicht eine Sekunde aus den Augen. „Ich würde dich gerne näher kennen lernen. Nur wartet mein Essen auf mich. Möchtest du dich zu uns setzen?“ Er zeigte mit seinem Daumen über die Schulter zum Tisch der Clique. „Meine Kollegen haben bestimmt nichts dagegen“, fügte er schnell hinzu, als er ihren skeptischen Blick sah. Überrascht blickte die Lehrerin direkt in die blauen Augen. Mit so einer Einladung hatte sie niemals gerechnet. „Nur wenn du möchtest“, fügte er unsicher und irritiert zu. Noch nie hatte eine Frau so lange gezögert oder gar seine Einladung ausgeschlagen. Sie war so überrascht von dem Angebot, dass sie nicht zu antworten fähig war. Immer wieder fragte sie sich stattdessen, warum dieser Fremde so nett zu ihr war. May kam zurück und stellte sich zwischen ihre Gäste. „Hast du noch einen Wunsch?“, fragte sie verwirrt nach, als der Schauspieler immer noch an der Theke stand. „Nein“, antwortete er lächelnd. Schnell bedankte er sich und ging zum Tisch zurück. „Ist alles in Ordnung?“, hakte May verwirrt nach, woraufhin Sincia lächelnd nickte. „Er lud mich ein bei ihnen zu sitzen.“ „Ja?“ Mit großen Augen blickte die Frau mit dem gelockten Haar zum Tisch der Freunde. Plötzlich begann sie zu grinsen. „Na, dann geh schon. Ein bisschen Gesellschaft wird dir schon nicht schaden und dich auch ein wenig ablenken. Außerdem muss ich langsam wieder arbeiten“, lachte sie und zog Sincia vom Stuhl hoch. Entschlossen schob sie die Lehrerin zum Tisch hinüber. „Na, los, stellst du dich selbst vor, oder soll ich das übernehmen?“, sagte May so laut, dass die fünf jungen Leute überrascht aufsahen und Sincia aufmerksam, teils überrascht betrachteten. Der Schwarzhaarigen war diese Situation so peinlich, dass sie sich am liebsten verkrochen hätte. Sie wurde von fünf Augenpaaren angestarrt und gemustert. Der Lockenkopf stand auf, zog einen Stuhl zwischen sich und dem Blonden hervor und bot ihr den freien Stuhl an. „Schön, dass du uns Gesellschaft leistest.“ Auch der große Blonde stand auf und reichte ihr die Hand zur Begrüßung. „Mein Name ist Richard Lancelot“, stellte er sich vor. Sincia wurde von May zu dem angebotenen Stuhl geführt und die Lehrerin setzte sich, leicht überfordert von dieser Situation. Der braunhaarige Lockenkopf setzte sich auch wieder und grapschte nach seinem Besteck und aß weiter. Mit seiner linken Hand, in der er auch seine Gabel hielt, stellte er sich auch nochmals vor. „Ich bin Bill, aber wir hatten ja gerade das Vergnügen.“ „Stell dich ordentlich vor, Bill Willcox“, tadelte Marie ihn und lächelte die Schwarzhaarige an: „Mein Name ist Marie Louvre und das ist meine jüngere Schwester Marianne.“ Dabei deutete sie auf das Mädchen mit der langen blonden Mähne, welche Sincia bereits am Freitagabend bewundert hatte. „Ich heiße Shinji Hikari“, lächelte auch der Letzte der Runde die Schwarzhaarige an. „Ich bin Sincia Bray. Schön euch kennen zu lernen.“ Die Dunkelhaarige fühlte sich anfangs noch ein wenig fehl am Platz. Jeder widmete sich wieder seinem Essen, als Shinji die kurz eingekehrte Stille durchbrach. „Mensch, M., bist du dir sicher, dass du die Pizza alleine verdrücken kannst?“, neckte der braunhaarige, junge Mann seine Kollegin. Diese aber konterte: „Na, klar, glaubst du etwa ich überlasse dir mein Essen?“ Sie hielt ihm ihr Messer entgegen und fügte gespielt verärgert hinzu: „Wehe du näherst dich meinem Teller, du Vielfraß!“ Dem Braunhaarigen gefiel Mariannes Drohung. Schnell war das Besteck weggelegt und schon drehte er sich mit überheblichem Grinsen seiner hübschen Kollegin zu. Rasch umfasste er ihre Hand mit dem Messer, wobei er sich wunderte, wie klein diese eigentlich im Vergleich zu seiner war, und drückte sie auf den Tisch hinab. „Du weißt genau, dass ich keine Angst vor deinen Drohungen habe.“ Leicht irritiert betrachtete sie seine Hand, die auf ihrer lag, und fühlte die Wärme, die sie ausstrahlte. „Wer sagt, dass ich dir gedroht habe?!“, konterte sie rasch, auch um sich selbst von dieser komischen Situation abzulenken. „M., ist dir das noch nie aufgefallen? Du drohst mir immer und überall. Du hast deine Rolle genauso übernommen, wie Bill.“ Shinji ließ sie nicht aus den Augen. Er liebte es sie zu ärgern und zu verwirren und letzteres hatte er soeben mal wieder geschafft. „Du etwa nicht, du… du…“, sie suchte nach dem passenden Wort, aber in ihrer Verwirrung brachte sie nur: „Casanova!“ heraus. Bill johlte, da er die beiden nicht eine Sekunde aus den Augen gelassen hatte. Immer noch machte Shinji nicht den Anschein, als wolle er ihre Hand jemals wieder freigeben. „Casanova“, jauchzte der Lockenkopf. „Ihr seid ein süßes Paar!“ Shinji grinste nur, während Marianne vor Verlegenheit errötete. „Bill“, fauchte Marie plötzlich. Auch sie hatte die Jüngsten die ganze Zeit über misstrauisch beobachtet. „Ich weiß nicht, was du immer hast, Marie“, erwiderte der braunhaarige Lockenkopf. „Vielleicht solltest du mal mit dieser Rohkost aufhören und endlich wieder normal essen, dann wirst du bestimmt auch wieder lockerer.“ „Bill, was fällt dir ein?!“ Marie widmete nun doch ihre ganze Aufmerksamkeit dem Haudegen. „Du bist ganz schön frech!“ „Ich sag doch nur die Wahrheit. Bevor du mit diesem Diättrip angefangen hast, warst du viel besser drauf“, bemerkte er unbekümmert, woraufhin ihn die ältere Louvre Tochter böse anfunkelte. Shinji sah endlich seine Chance für einen Gegenschlag: „Ihr benehmt euch wie ein altes Ehepaar!“ Der Lockenkopf und die Blondine funkelten den Jungen mit seinem Wuschelkopf an. „Shinji!“ Richard drehte sich verlegen der verstummten Sincia zu und warf ihr einen entschuldigenden Blick zu. „Es tut mir leid. Normalerweise wissen sie was Anstand und Benehmen bedeutet, aber heute sind ihnen wahrscheinlich ihre Rollen zu Kopf gestiegen.“ „Rollen?“, hakte Sincia freundlich, aber auch neugierig nach. „Ja“, nickte Richard. „Wir sind Schauspieler.“ Er sah in ihre großen braunen Augen und erklärte weiter: „World Productions dreht in der alten Fabrik auf der anderen Straßenseite. Kennst du die Serie Saber Rider and the Star Sheriffs?“ „Schon mal gehört, gesehen hab ich sie noch nicht“, antwortete Sincia ehrlich. Aber nun wurde sie doch neugierig. „Worum geht es in dieser Serie?“ Richard lächelte sie an und begann zu erklären. „Die Serie spielt in der Zukunft. Aliens, namens Outrider, dringen in das Neue Grenzland ein und zerstören alles. Sie wollen die Herrschaft über die Galaxie. Ein junges Team stellt sich ihnen mit einem gigantischen Raumschiff entgegen und kämpft für den Frieden. Ich spiele Saber Rider, den Kapitän des Schiffes. Bill ist der vorlaute Cowboy namens Colt. Der Pilot ist Shinji, heißt aber in der Serie Fireball, und Marianne ist unsere Navigatorin und heißt in der Rolle April.“ „Und Marie?“, hakte Sincia gleich nach. Diese jungen Leute mussten einen aufregenden Job haben. „Marie spielt Bills Verlobte und heißt Robin. Sie versucht ihn zu erziehen, da der Cowboy trotz seines Alters nach wie vor ein Kind ist“, erklärte Richard weiter. „Ich stelle mir das sehr interessant vor“, entgegnete die Schwarzhaarige aufgeregt. „Jeden Tag dringt man in die Geschichte ein, erlebt seine Abenteuer und spielt einen Helden.“ „Na, so einfach ist das auch nicht. Es ist hart verdientes Geld und wir müssen sehr viel Text lernen. Teilweise noch wenige Minuten vor Drehbeginn, wenn unsere Autoren noch schnell Texte geändert haben. Aber im Großen und Ganzen macht die Arbeit Spaß“, schloss Richard freundlich. „Bist du berufstätig?“ „Ich bin Lehrerin. Grundschullehrerin.“ „Da hast du ja einen verantwortungsvollen Job. Wenn ein Kind sich verletzt, ist das weitaus schlimmer, als wenn wir uns versprechen.“ Sincia errötete. Seine blauen Augen fesselten sie. Er war so einfühlsam, konnte ihre Gefühle verstehen und zum Ausdruck bringen. Zudem war er höflich und zuvorkommend. Ein netter Mann und auch eine nette Gruppe. Sie alle mochten sich und zogen sich immer wieder gerne zum Spaß auf. Die Tür ging auf und ein Mann, in den Fünfzigern, trat ein und ging zur Theke. Sein Vollbart war mit weißen Strähnen verziert, ebenso war auch das volle, dunkle Haar graumeliert. May kam aus der Küche raus und begrüßte den neuen Gast. „Guten Abend, Herr Louvre!“ „Hallo May“, begrüßte der Mann zurück und drehte sich leicht, um zu sehen, wer hier war. Schon entdeckte er den geselligen Tisch in der Nische. Aufmerksam betrachtete er die fröhliche Gruppe. Richard unterhielt sich mit einer dunkelhaarigen Frau, Bill und Marie diskutierten wieder mal und Shinji und Marianne redeten eifrig mit und hielten Händchen… Mit geschultem Auge sah er genauer hin. Er bildete es sich nicht ein. Seine Tochter und dieser Frauenheld? Nein, niemals ließ er das zu. May fragte freundlich: „Kann ich Ihnen etwas bringen?“ „Wie? Nein, danke, May“, antwortete der ältere Mann und trat auf den Tisch zu. „Guten Abend!“ Als sie die Stimme hörten, brachen alle ihre Gespräche ab. Marianne zog rasch ihre Hand unter Shinjis Hand hervor und hoffte, dass ihr Vater nichts bemerkt hatte. Jeder begrüßte ihn, doch Marie deutete ihm sich einen Stuhl heranzuziehen. „Hallo, Vater, setz dich doch“, bot sie ihm an. Er allerdings verneinte. „Ich gehe jetzt nach Hause. Kommt mit, es ist bereits spät.“ „Jetzt schon?“, fragte Marianne und blickte verdutzt auf ihre Pizza, von der sie erst ein Viertel gegessen hatte. Allerdings verspürte sie auch keinen Hunger mehr. „Ja, es wird Zeit.“ Marie nickte, stand auf und ging zum Bezahlen zu May. Sie legte das Geld für sich und ihre Schwester auf den Tresen, bedankte sich bei ihrer Bekannten für die Betreuung und stellte sich zu ihrem Vater. Marianne stand auch auf. Shinji folgte ihr mit seinen Augen. Als sie das merkte, zwinkerte sie: „Hast du ein Glück, dass du meine Pizza jetzt doch noch essen kannst.“ Erst sah er sie perplex an, doch dann entgegnete er schlagfertig: „War doch von vornherein klar!“ Marianne, die sofort auf die kleine Provokation einstieg, drohte wieder: „Na, warte, das kriegst du noch zurück.“ Missbilligend beobachtete Herr Louvre die Beiden und beschloss dem ein Ende zu setzen. „Kommt jetzt! Gute Nacht und bis morgen!“ Marie und Marianne winkten zum Abschied, während die Jungs noch ein Wort des Abschieds nach riefen. Schon machte sich Shinji über seine Reste der Pizza und dann über Mariannes Pizza her. Bill hingegen provozierte ihn erneut. „Das arme Mädchen muss wegen dir heute hungern.“ „Wieso?“, mampfte Shinji. „Nun ja, du hast sie mit deiner Nähe so durcheinander gebracht, dass sie kaum was gegessen hatte“, erklärte Bill bereitwillig, doch Shinji winkte ab. „Ach, quatsch.“ Aber nun blickte er seinen Kollegen ernst an: „Du weißt doch, dass unsere Prinzessin heilig ist. Daddy hat ein Auge drauf, dass keiner ihr zu nahe kommt. Niemand hat eine Chance.“ „Ich wäre mir da nicht so sicher“, widersprach Bill erheitert und beschloss für sich die beiden in die richtige Richtung zu stupsen. Sincia wirkte seit dem Auftreten des älteren Mannes leicht eingeschüchtert. „Wer war das?“ „Herr Louvre“, erklärte Shinji kurz, als wäre damit alles gesagt. „Daddy“, fügte Bill grinsend hinzu und biss erneut genüsslich in seinen Burger. „Mariannes und Maries Vater. Er spielt den Kommandanten der Kavallerie und führt das Star Sheriffs Team an“, erklärte Richard ausführlicher, als seine Kollegen. „Er wirkt sehr autoritär“, stammelte Sincia. „Und das ist er auch, nicht nur in der Serie“, stimmte Shinji mampfend zu. Bill begann wieder übers ganze Gesicht zu grinsen. „Das macht es manch einem schwer sich den Töchtern zu nähern. Besonders einer, hab ich recht?“, stichelte der Lockenkopf. „Ich weiß nicht, wovon du redest. Wenn es nach mir ginge, können wir den Planeten für die nächste Zeit Frauenlos gestalten. Ich zumindest, hab die Nase erst mal gestrichen voll von den Weibern“, klärte Shinji seine Kollegen auf. Er kaute und schluckte, ehe er die Dunkelhaarige fragte: „Ich hab dich vorher noch nie hier gesehen. Bist du zum ersten Mal hier?“ Sincia fühlte sich plötzlich von ihren Erinnerungen eingeholt. „Ja, so gut wie. Ich war noch nie zuvor hier“, antwortete sie leise. In ihrem ganzen Wesen trat eine offensichtliche Veränderung auf. Irgendwas musste dieser Frau widerfahren sein, aber was konnte es gewesen sein? Sie bemerkte wie die drei Schauspieler sie anstarrten, darum setzte sie schnell ein gestelltes Lächeln auf. „Aber ich werde von nun an öfters hier sein.“ Sie erhob sich und lächelte die drei jungen Männer an. „Vielen Dank für eure nette Gesellschaft.“ Auch Richard stand auf und reichte Sincia seine Hand. „Hat mich gefreut dich kennen zu lernen!“ Ein leichter Rotschimmer trat ihr auf die Wangen. Sie erwiderte den Händedruck und lächelte den sitzenden Jungs nochmals zu. Schon drehte sie sich um und ging zur Theke zurück. „Haben sie dich geärgert?“, hakte May besorgt nach, als Sincia sich mit einer trüben Miene wieder an die Theke setzte und endlich den Whiskey hinunterkippte. Sie wusste, dass Bill und Shinji sehr frech werden konnten und das ihre Kommentare auch teilweise unter die Gürtellinie gehen konnten. „Nein“, antwortete die Lehrerin nach dem Drink und verzog angewidert das Gesicht. Kaum betraten die beiden Blondinen mit ihrem Vater das kleine Einfamilienhaus, polterte der Mann auch schon los. „Wie kannst du bloß mit diesem Kerl Händchen halten, Marianne?! Er ist dein Kollege, mehr aber auch nicht.“ Marianne, die sich eben in das obere Geschoss zurückziehen wollte, verhaarte auf der ersten Treppenstufe der Wendeltreppe und drehte sich ihrem Vater zu. „Ich habe mit Shinji nicht Händchen gehalten“, erwiderte sie ebenso harsch. „Zudem hast du es doch selbst gesagt. Wir sind Kollegen.“ „Das scheint dich trotzdem nicht davon abzuhalten ihn anzuschmachten. Ich kenne solche Typen wie Shinji. Die sind hinter jedem Mädchen her, das bei drei nicht auf den Bäumen sitzt.“ Marie mischte sich in den lautstarken Streit ein. „Shinji ist mit Cindy zusammen, Paps. Beruhige dich. Zwischen den beiden läuft absolut nichts.“ „Cindy, ja?“, wiederholte Herr Louvre schnaubend, dennoch schien er sich zu beruhigen. „Marianne, du bist ein kluges Mädchen. Ich verlasse mich darauf, dass du diesen Kerl auf Abstand hältst.“ „Dieser Kerl ist auch dein Kollege, Pa. Und wenn du es wirklich wissen willst: Er ist nicht mein Typ. Wenn mir einer gefährlich werden könnte, dann ist das Periosu“, widersprach sie bockig. „Der kommt ja nicht wieder“, mischte sich wieder Marie ein, während Papa Louvre einsah, dass er bei seiner Tochter kaum noch Mitspracherecht besaß. Sie wurde eben erwachsen, ob er wollte oder nicht, langsam musste er es einsehen. „Marie hat Recht. Periosu hatte ja nur einen Gastauftritt bei uns. Also muss ich mir da keine Sorgen machen“, schlichtete er letztendlich den Streit. Marianne zog sich in ihr Zimmer zurück und schmollte. Zum einen, weil ihr Vater recht behielt mit dem Händchen halten, zum anderen, weil sie zugelassen hatte, dass er ihre Hand so lange in seiner hielt. Hätte sie ihre Hand doch früher entzogen, aber sie strahlte eine wunderbare Wärme ab und seine Fingerkuppen hinterließen auf ihrer Haut ein angenehmes Prickeln. Um sich von ihren Gedanken abzulenken, zog sie das Drehbuch aus ihrer Tasche und las sich die Textstücke für den morgigen Tag nochmals durch. Marie ließ sich im Badezimmer heißes Wasser in die Wanne ein und wollte nur noch eines an diesem Abend: Entspannen. Herr Louvre, der noch nichts gegessen hatte, schmierte sich ein Brötchen und zog sich ins Wohnzimmer zurück. Immerhin musste er sich noch über die Vorkommnisse in der Welt erkundigen und so schaltete er den Fernseher ein und ließ die Nachrichten laufen. Kapitel 3: ----------- Richard ging zum Kühlschrank und schenkte sich ein Glas Milch ein. Anschließend setzte er sich an den Küchentisch und hing seinen Gedanken nach. Sincia ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. Irgendetwas Schlimmes war ihr passiert, das hatte er sofort in ihrem veränderten Auftreten festgestellt. Er würde sie zu gerne darauf ansprechen... Moment, rief er sich selbst zur Ordnung. Sincia war eine fremde Frau, die er an diesem Abend zum ersten Mal gesehen hatte. Auch wenn sie ihm sympathisch war, hieß das noch lange nicht, dass er sich ihr aufdrängen durfte. Shinji kam aus seinem Zimmer und strebte das Bad an. Richard, der ahnte wohin der Weg des Kollegen führte, warnte ihn rechtzeitig. „Cindy ist vor zwei Stunden hinein und nicht wieder herausgekommen.“ Der Japaner blieb stehen, drehte um und ging stattdessen zum Kühlschrank, um sich auch ein Glas Milch einzuschenken. Erst als die Packung wieder verstaut war, setzte er sich an den Tisch. „Danke für die Warnung, Kumpel. Sonst hätte ich mir wieder eine Szene anhören dürfen.“ Der Blonde beugte sich leicht vor und blickte seinen Kollegen aufmerksam an. „Wenn du wenigstens aus der Situation lernst.“ „Das habe ich bereits“, konterte Shinji energisch. „Keine Frauen mehr in dieser WG!“ In dem Moment betrat auch Bill die Küche. „Cool, eine Küchenparty. Das hatten wir schon lange nicht mehr“, grinste er und ging direkt zum Kühlschrank. Er schnappte sich die Milchpackung, statt sich aber ein Glas zu füllen, kippte er den Inhalt direkt aus der Packung hinunter. Erst als er seinen Durst gestillt hatte, griff er Shinjis Worte auf. „Der Meinung bin ich auch. Ehrlich, Jungs, wie schön hatten wir es hier, als noch Periosu, statt Cindy, hier wohnte. So eine richtige Männer WG, mit Frauenbesuchen, aber nicht mit Mitbewohnerinnen.“ Er lehnte lässig an der Küchentheke und stützte sich mit den Händen ab. „Apropos“, hakte Shinji nach. „Wo wir gerade von unserer alten Männer-WG sprechen, wo ist eigentlich Karl geblieben? Ich sehe ihn nur noch auf dem Set hinter der Kamera stehen, aber sonst…“ „Der hat die Flucht vor unserer Mitbewohnerin ergriffen und ist schon fast bei seiner Freundin eingezogen“, klärte Bill den Jüngeren auf. „Im Übrigen, wo wir bei dem Thema sind, wieso ist sie noch hier? Hast du sie noch nicht zur Rede gestellt?“ „Doch, aber sie hört mir einfach nicht zu“, erwiderte Shinji müde. „Vielleicht könnt ihr ja das Thema noch mal anschneiden?“ „Vergiss es, Kleiner, auf keinen Fall“, konterte der Lockenkopf sofort. „Du hast sie angeschleppt und du musst sie wieder loswerden.“ Auch Richard stimmte dem zu: „Das kannst du schön alleine regeln.“ Seufzend nahm Shinji einen Schluck Milch zu sich. Allerdings konnte er sich nicht mehr äußern, denn die Badezimmertüre öffnete sich und Cindy, eingehüllt in einen flauschigen Bademantel und einem Handtuchturban auf dem Kopf, betrat die Küche. Mit großen Augen betrachtete sie das Küchentreffen. „Hallo, Jungs. Was macht ihr denn hier?“ Richard erhob sich. „Ich wollte nur noch ein Glas Milch holen. Gute Nacht“, verabschiedete er sich schnell. Bill stieß sich auch von der Theke ab, räumte die Milchpackung zurück in den Kühlschrank und strebte den Weg in Richtung Badezimmer an. „Ich muss noch auf Toilette. Gute Nacht, zusammen.“ Shinji sprang in dem Moment auf. „Halt, da wollte ich ursprünglich hin!“ „Pech gehabt, Kumpel. Jetzt musst du warten“, und schon war die Zimmertüre zu. Cindy ging zu dem Japaner, der sich wieder auf seinen Stuhl plumpsen ließ. Sie lehnte sich an die Tischkante, äußerst lasziv, und fuhr ihm mit ihren Fingern durch die wuscheligen Haare. Er griff nach ihrer Hand und stand dabei auf. „Lass das, Cindy.“ „Aber du willst es doch auch“, hauchte sie verführerisch und löste geschickt die Schleife ihres Bademantels. Leicht öffnete er sich, doch zu Shinjis Glück wurde ihr Busen noch von dem Stoff verdeckt. „Nein, ich will das nicht. Es ist vorbei. Und du suchst dir jetzt schleunigst eine neue Wohnung.“ „Du hast mich regelrecht angefleht hier einzuziehen“, erwiderte sie prompt, doch sie ließ sich nicht von ihrem Vorhaben ablenken. Sie wusste, wie sie sich bewegen musste um ihn dem Blick auf ihren Körper freizugeben. „Das stimmt und jetzt möchte ich, dass du so schnell wie möglichst verschwindest.“ Ihm entging keinesfalls die sachte Bewegung und was kurz darauf unter dem Bademantel hervorblitzte. Langsam trat ihm der Schweiß auf die Stirn. Sie war komplett nackt und er war ihr viel zu nahe. Shinji spürte eine Regung in seinen unteren Regionen, die er nicht spüren wollte. Egal wie er es drehte und wendete und sich noch so sehr einredete, dass sie ihn kalt ließ, er war schließlich nur ein Mann und reagierte, wie man auf eine nackte, sexy Frau nun mal reagierte. „Das willst du nicht wirklich“, hauchte sie ihm entgegen. Sie streckte sich ein wenig und hauchte ihm einen Kuss auf das Kinn. Der Japaner hatte größte Mühe sich ihr entgegenzustellen. Er fühlte sich wie eine Fliege, gefangen in einem Spinnennetz, und der Spinne zum Fraß ausgeliefert. „Ich spüre doch was du willst“, flüsterte sie siegessicher und spielte auf seine Erregung an, die ihr keinesfalls entgangen war. Zu Shinjis Glück verließ Bill das Badezimmer und trat wieder in die Küche. Schnell löste sich der Wuschelkopf von seiner weiblichen Bedrohung und verschwand im selbigen Raum, den der Lockenkopf endlich freigegeben hatte. Zurück blieb Cindy, die sich keinesfalls vor dem Kollegen schämte. Sie kannte ihn und wusste aus der gemeinsamen Wohnzeit, dass er mehr One-Night-Stands in den letzten Wochen hatte, als ernstere Absichten. Er war ein Frauenaufreißer und vielleicht konnte sie ihn auf ihre Seite ziehen. Bill schenkte ihr nur einen kurzen Blick, als er an ihr vorbei ging. Kurz vor seiner Zimmertüre kommentierte er: „Und wenn du dich noch so billig vor mich hinstellst, bin ich derselben Meinung wie Shinji. Such dir eine eigene Wohnung!“ Schon verschwand er und war mächtig stolz auf sich, dass er die Situation so souverän gemeistert hatte. Cindy hingegen ballte ihre Hände zu Fäusten und zog sich wütend in ihr eigenes Zimmer zurück. Sie würde es ihnen noch zeigen. Erst als sich der Japaner sicher war, dass niemand mehr in der Küche stand, traute er sich aus dem Badezimmer und verschwand sofort in seinen eigenen vier Wänden. Am Set herrschte absolutes Schweigen. „Wir machen fünf Minuten Pause und ich möchte, dass ihr danach konzentriert an die Arbeit geht“, wies der Regisseur wütend an. Nicht eine Szene konnten sie verwenden und er sah sich bereits in Zeitverzug. Wieso waren sie alle nur so unkonzentriert? Er hatte jeden einzelnen von ihnen beobachtet. Cindy sah finster drein, obwohl sie Fireball anflirten sollte. Marianne vergaß ständig ihren Text, wenn Shinji direkt neben ihr stand. Shinji sah übernächtigt aus und nicht mal das Make-Up konnte das vertuschen. Was war nur mit den Schauspielern los? Bill und Richard tranken einen Schluck Wasser, Charles tupfte sich mit einem Handtuch den Schweiß aus der Stirn. Marie setzte sich auf einen Stuhl und blätterte nochmals im Drehbuch. Cindy verschwand aus der Kulisse und Marianne stellte sich zu Shinji. „Hast du schlecht geschlafen?“ „Das könnte ich dich auch fragen“, fauchte er zurück. „Ich habe sehr gut geschlafen, danke der Nachfrage“, erwiderte sie kühl. Wenn er schlechte Laune hatte, sollte er dies bloß nicht an ihr auslassen. Shinji allerdings fand für seinen Frust genau das richtige Opfer. „Du vergisst doch ständig den Text.“ „Na und? Dafür sehe ich nicht aus wie eine wandelnde Leiche.“ Sie ballte ihre Hände zu Fäusten. Was bildete er sich ein? Der Wuschelkopf blickte in ihre wütenden Augen und sah schnell ein, dass er ihr unrecht tat. „M., es tut mir leid. Ich hatte nur gestern Nacht eine Auseinandersetzung mit Cindy.“ Marianne nickte. So etwas hatte sie sich schon gedacht. „Wegen dem Auszug?“ „Nicht nur darum“, wich er aus. „Sie hat sich an dich rangemacht“, stellte sie weiterhin fest. Nachdem ihr Kollege nicht antwortete, kombinierte sie schnell, allerdings eher ungläubig. „Du warst mit ihr in der Kiste?!“ „Nein!“, antwortete er schnell. „Nein“, wiederholte er entsetzt. Wie konnte sie nur so etwas annehmen? „Nein, aber sie hat sich ganz schön ins Zeug gelegt, um das zu bekommen“, gab er leise zu. Etwas beruhigter legte die Blondine ihm eine Hand auf die Schulter: „Aber sie hat es nicht geschafft. Das heißt, du bist über sie hinweg“, munterte sie ihren Kollegen auf. So ganz stimmte dies zwar auch nicht, aber er würde sich hüten ihr die Wahrheit zu sagen. Am Ende würde sie ihm den Kopf dafür waschen, dass er nicht Manns genug war, um sich selbst aus der Affäre zu ziehen. Der Regisseur unterband alle Gespräche. „So, weiter geht’s und dieses Mal mit mehr Konzentration!“ Und es wurde auch besser. Die Pause tat allen gut. Nach dem anstrengenden Drehtag ging Richard alleine ins Spotlight. Shinji hatte keine Lust, Bill wollte noch ins Fitnessstudio und Marianne und Marie würden zu Hause zu Abend essen. Er setzte sich an einen Tisch am Fenster und gab bei May seine Bestellung auf. Hunger plagte ihn nicht, so würde er nur etwas trinken. Sincia betrat das Lokal und winkte May zu, die hinter der Theke stand. Doch ehe sie zu ihrer Freundin ging, bemerkte sie Richard alleine an einem Tisch sitzen. Sie beschloss zu ihm zu gehen und ihm Gesellschaft zu leisten. Er war sehr nett und zuvorkommend gewesen und sie dachte am Abend vorher noch viel an ihn. Dabei schlich sich ein Rotschimmer auf ihre Wange. „Hallo“, begrüßte sie ihn, um sich abzulenken. Überrascht, aber auch erfreut erwiderte er ihre Begrüßung. „Guten Abend, Sincia“, er stand auf und reichte ihr die Hand. „Möchtest du dich setzen?“ „Gerne“, antwortete sie und nahm ihm gegenüber Platz. „Wieso sitzt du hier alleine?“ „Die anderen hatten keine Zeit und nach Hause wollte ich noch nicht“, antwortete er. Dass er darauf gehofft hatte, sie wieder zu sehen, verschwieg er. „Und wie war dein Tag?“ „Wie immer“, lachte sie. „An einem Schultag gibt es nichts Besonderes. Kein Tag unterscheidet sich von dem nächsten, es sei denn es steht ein Schulausflug bevor.“ Sie blickte ihn aufmerksam an. Seine Augen leuchteten wie das blaue Meer und das blonde Pony hing ihm in die Stirn. „Und bei dir?“ „Es gab Ärger mit dem Regisseur. Wir haben das Pensum nicht geschafft. Im Team läuft es gerade nicht so harmonisch und darum werden die Aufnahmen nichts.“ „Haben du und deine Freunde Streit?“, hakte die Dunkelhaarige aufmerksam nach. „Wir nicht, aber Shinjis Freundin bereitet uns Ärger und Kopfzerbrechen.“ Überrascht, dass er Shinjis Freundin nicht zu seinen Freunden zählte, blickte sie ihn an. Nach dem gestrigen Abend hielt sie eigentlich Marianne und Shinji für ein Pärchen, aber der Eindruck schien falsch zu sein. „Was ist denn mit ihr?“ „Cindy wohnt bei uns in der WG und bereitet uns nur Ärger. Seit Wochen bestehen wir auf ihren Auszug, aber sie weigert sich.“ Sincia ahnte, dass die Männer keine Chance hatten, die weibliche Mitbewohnerin aus der Wohnung zu werfen. „Irgendwann wird sie es schon einsehen“, winkte der Blonde das Thema wieder ab. „Wo wohnst du eigentlich?“ Sincia wich erschrocken im Stuhl zurück. Sie hatte nicht mit solch einer Frage gerechnet, dennoch antwortete sie. Sie spürte, dass sie ihm vertrauen konnte. „Ich wohne bei May, bis ich eine Wohnung gefunden habe.“ Richard betrachtete sie aufmerksam. Er spürte aber auch, dass sie nicht über den Grund reden wollte, wie es dazu kam. Er ließ es auch dabei, denn so wie der Abend bisher gelaufen war, war mehr als er sich zuvor erhofft hatte. Sincia lächelte entschuldigend. „Ich werde zu May gehen.“ Sie stand auf, auch Richard stand auf und beide reichten sich die Hand zum Abschied. Er sah ihr nach, wie sie zur Bar ging, dann trank er aus und legte das Geld auf den Tisch. Wenig später verließ er das Lokal. May blickte ihm breit grinsend hinterher. Da schien sich ihrer Meinung nach etwas anzubahnen und Sincias Ausflüchte ließ sie nicht gelten. „Er gefällt dir, und da brauchst du mir gar nicht anders kommen. Ich habe einen siebten Sinn für so etwas.“ „Ja, natürlich“, erwiderte Sincia sarkastisch. „Und du spürst den Wetterumschwung im großen Zeh.“ „Nein“, korrigierte May grinsend. „in der Schulter und das ist kein Witz.“ Mit einem Schmunzeln auf den Lippen äußerte sich Sincia nicht mehr. Jeden Abend traf Sincia im Spotlight auf die Schauspieler und mit jeder Unterhaltung, jeden Witz und jeder Neckerei, schloss sie die fünf Freunde mehr in ihr Herz. Besonders angetan war sie von Richard. Nach und nach standen die Freunde auf und verabschiedeten sich, bis am Ende nur noch Richard und Sincia zurückblieben. Etwas schüchtern blickte er sie an. Dies war eine ganz neue Seite an ihm. „Hättest du Lust mit mir ins Theater zu gehen? In der Stadt ist gestern ein neues Stück angelaufen, das ich mir gerne ansehen würde. Möchtest du mitkommen?“ Sincia blickte ihn an. Ein Lächeln trat auf ihre Lippen. „Ja, gerne“, antwortete sie ihm. Sanft pochte ihr Herz gegen ihre Rippen. Sie betrachtete ihn und je länger sie ihn kannte, desto mehr stellte sie fest, dass er ganz anders war als Steve. „Ich bin schon lange nicht mehr im Theater gewesen“, erklärte sie fröhlich. Das war sie wirklich nicht. Steve hatte sie nie ins Theater ausgeführt, nicht mal ins Kino. „Hast du morgen Abend Zeit? Ich habe zwei Karten für die zwanzig Uhr Vorstellung“, griff Richard das Thema erneut auf. Sincia sah ihm direkt in die blauen Augen und nickte. „Treffen wir uns hier?“ „Ja, ich hole dich hier eine Stunde vorher ab.“ Beide standen auf. „Bis morgen“, verabschiedeten sie sich voneinander. Sincia ging zu ihrer Freundin May, während Richard das Lokal verließ. Beide trugen ein Lächeln auf den Lippen. Während sie sich zu May an die Theke setzte, überlegte sie was sie morgen Abend anziehen sollte. Richard trug einen Anzug und band sich eine Krawatte um. Sein Herz klopfte heute schon den ganzen Tag über einen Takt schneller und er spürte dieses seltsame Kribbeln in seiner Magengegend. Ein letzter Blick in den Spiegel und er befand sein Auftreten als tadellos. Shinji lehnte an der Wand und grinste bis über beide Ohren. „Wenn da heute Abend nichts läuft, dann stimmt irgendwas nicht.“ „Es wird heute Abend nichts laufen“, erwiderte der Blonde trocken. „Es wird ein schöner Abend unter Freunden.“ „Natürlich, ihr seid nur Freunde“, spottete der Japaner weiter. „Wenn ihr nur Freunde seid, dann sind Marianne und ich verheiratet.“ „Was bei euch noch nicht ist, kann ja noch werden“, erwiderte Richard prompt. „Hey“, meckerte Shinji sofort. „Bestimmt nicht. Wir sind nur Freunde.“ „Natürlich seid ihr nur Freunde“, spottete nun Richard mit einem Zwinkern. „Ich muss los. Bis später.“ „Viel Spaß“, verabschiedete der Japaner seinen Kollegen und Freund, der schon aus der Wohnung verschwand. Jetzt hatte der Japaner endlich sturmfreie Bude. Bill war zu einem Date verabredet, Richard hatte ebenfalls ein Date, Karl war schon wochenlang nicht mehr hier gewesen, höchstens mal kurz um ein paar Klamotten zu holen und Cindy… Er drehte sich um und ging zur Küche und erstarrte. Cindy saß am Küchentisch, wütend mit den Armen vor der Brust verschränkt. „Was willst du hier? Du wolltest doch ins Fitnessstudio“, hakte der Japaner bissig nach. Das war es mit sturmfreier Bude. „Ich hab es mir anders überlegt. Und es war eine gute Entscheidung. Sonst hätte ich niemals den Grund für unsere Trennung erfahren.“ „Du kennst den Grund, Cindy. Ich hab ihn dir schon oft genug gesagt.“ „Aber niemals hast du den wahren Grund genannt. Du bist hinter der kleinen Schlampe her.“ „Nenn sie nicht Schlampe“, fauchte Shinji wütend. „Sie ist unsere Kollegin und eine gute Freundin.“ Cindy stand auf und ging auf den Japaner zu. „Dir gefällt sie. Aber das blonde Flittchen hat keinerlei Interesse an dir.“ „Wir sind nur Freunde“, erwiderte der Wuschelkopf sauer. „Wenn du meinst“, winkte Cindy kühl ab und ging an ihrem Mitbewohner vorbei. Sie schnappte sich ihre Jacke und verließ die Wohnung. Endlich war er allein und langsam beruhigte er sich. Sie wollte ihn nur provozieren, mehr nicht. Marianne konnte absolut nichts für seine Entscheidung. Sie war weder der Grund, noch ein Gedanke gewesen. Dennoch hatten ihn Cindys Worte getroffen. Sie gefiel ihm tatsächlich und auch er meinte zu glauben, dass sie ihm nicht ganz so abgeneigt war. Bei den Dreharbeiten stand sie immer nahe bei ihm, sie konnten immer über alles reden, und wenn sie sich gegenseitig aufzogen, wurde sie auch manchmal rot um die Nasenspitze. Er schüttelte den Kopf. Wahrscheinlich war wirklich alles nur Einbildung. Shinji ging zum Küchentisch und blätterte in dem neuen Drehbuch. Die Autoren hatten einiges umgeschrieben. Und wie er beim Durchlesen feststellte, betraf es hauptsächlich die Szenen zwischen Fireball und April. Schüchterne Blicke, gegenseitiges tiefes Vertrauen, gegenseitiges Beistehen im Kampf. Eine Entwicklung von Freundschaft zu Liebe… Es klingelte an der Tür. Der Japaner stand auf, drückte den Türöffner und wartete noch ein bisschen, bis er die Wohnungstür öffnete. Immerhin befand sich ihre Wohnung im fünften Stock eines Hochhauses, ohne Aufzug. Kurz darauf stand Marianne vor ihm. Eingewickelt in ihren Mantel, die blonden Haare zu einem Zopf gebunden. „Hallo, Shinji, kann ich reinkommen?“ „Klar“, er trat zur Seite, mehr als überrascht sie zu sehen. Marianne war erst ein einziges Mal in der WG gewesen, damals hatte sie ein kleines Techtelmechtel mit Karl gehabt. Es war nichts Ernstes und auch nur von sehr kurzer Dauer. Er nahm ihr den Mantel ab und hängte ihn in die Garderobe. Gemeinsam gingen sie in die Küche. Als er sie kurz betrachtete, stockte ihm der Atem. Sie trug ein Kleid, der Saum streifte ihre Knie. Das Kleid betonte ihre schlanke Figur, der Ausschnitt war tief und sie trug eine Kette mit einer Träne daran, die im Ausschnitt verschwand. Sie setzte sich an den Küchentisch und überschlug die Beine. „Möchtest du etwas trinken?“ „Nein, danke, ich muss gleich weiter.“ Shinji setzte sich ihr gegenüber an den Tisch und betrachtete sie aufmerksam. Sie war nur leicht geschminkt, ganz anders als am Set, und es gefiel ihm viel besser an ihr. „Was führt dich her? Es sind alle ausgeflogen.“ „Ich wollte…“, sie blickte ihn unsicher an. „Eigentlich wollte ich zu dir.“ Ein sanfter Rotschimmer legte sich um ihre Nase. „Hast du schon das neue Drehbuch erhalten?“ Darum war sie hier. Sie hatte es auch gelesen. Sein Blick fiel auf die aufgeschlagenen Seiten. Sie folgte seinen Augen und überflog eine Passage. „Ist das denn zu fassen? Wir sind eine Actionserie. Du und ich, wir sind Kämpfer und sollen jetzt ein Liebespaar spielen.“ „Nicht ganz“, korrigierte Shinji seine Kollegin. „Nur andeutungsweise, nicht komplett.“ „Trotzdem“, echauffierte sich die Blondine. „Wie kommen die bloß auf so eine absurde Idee?!“ Getroffen lehnte sich Shinji im Stuhl zurück. War es für sie so undenkbar mit ihm zu flirten, ein bisschen eifersüchtig zu werden und ihm schöne Augen zu machen? „Ich verstehe nicht, worüber du dich so aufregst“, erwiderte er, fast ein bisschen verletzt. So ein schlimmer Kerl war er nun wirklich nicht und er war bei weitem attraktiver, als Karl, der rothaarige, sommersprossige, pausbäckige Kameramann. „Die intelligente Wissenschaftlerin, die Ramrod, eine Kampfmaschine für den Frieden des neuen Grenzlandes, erfunden hat, soll plötzlich das blonde, dumme und naive Liebchen ihres draufgängerischen Rennfahrerkollegen, der nur zufällig als Pilot in diesem Team landete, werden?“ Sie pausierte kurz um Luft zu holen. „Das ergibt doch keinen Sinn. Es gibt bereits ein Liebespaar in der Serie, das muss doch reichen.“ „Wie du siehst, reicht das wohl nicht“, erwiderte Shinji gekränkt zurück. „Zudem ist Fireball kein schlechter Mensch, auch wenn er ein Rennfahrer ist. Und er sieht gut aus, dass du das mal nicht vergisst.“ Die letzte Anmerkung zauberte ihr ein Lächeln auf die zartrosafarbenen Lippen. „Eingebildet bist du überhaupt nicht, oder?“ Auch er lächelte. „Ich finde, wir sollten uns arrangieren. Die Leute wollen das so, sonst hätten sie unsere Rollen nicht umgeschrieben. Und wir sollten ihnen das geben, was sie sehen wollen.“ Marianne ließ sich seine Worte durch den Kopf gehen. Ehe sie etwas sagen konnte, ging die Tür zur Wohnung auf und Cindy trat wieder ein. Als diese den fremden Mantel in der Garderobe hängen sah, verfinsterte sich ihr Gesichtsausdruck. Sie betrat die Küche und blitzte die beiden Kollegen wütend an. „Was machst du hier?“, fauchte sie sofort die Blondine an. Immerhin trug diese Mitschuld an ihrer Trennung zu Shinji. Marianne ließ sich nicht einschüchtern. „Wir besprechen das neue Drehbuch.“ Als wäre das eine gelungene Vorlage, ereiferte sich Cindy in ihrer Rage. Nicht nur dass dieses Blondchen hier in der Wohnung auftauchte und Shinji anbaggerte, nein, sie hatte bestimmt auch etwas mit der Änderung im Drehbuch zu tun. „Gut, dass ihr darüber sprecht. Vielleicht kannst du mir auch erklären, warum sie meine Rolle gestrichen haben? Ich tauche nirgends mehr auf.“ „Vielleicht kommen falsche, zickige Schlangen einfach nicht mehr beim Publikum an“, erwiderte Marianne ungerührt. Bevor Cindy etwas erwidern konnte, mischte sich der Japaner ein. „Woher sollen wir wissen, warum deine Rolle gestrichen wurde? Die einzigen, die das erklären können, sind unsere Bosse.“ „Stell dich nicht auf ihre Seite“, fauchte Cindy ihren Ex an und blitzte die verhasste Kollegin an: „Sicher hast du damit etwas zu tun“, unterstellte sie Marianne. „Was sollte ich damit zu tun haben?“ Marianne stand auf, damit sie sich nicht mehr so unterlegen fühlte. Sie hatte nie ein Problem mit der Brünetten gehabt, und verstand nicht, warum diese so plötzlich einen Groll gegen sie hegte. „Du hast doch bestimmt mit Chris Dough geschlafen, damit du eine bessere Position erhältst. Wahrscheinlich bekommst du jetzt auch noch mehr Gage. Damit sie dich bezahlen können, wurde meine Rolle gestrichen.“ „Sag mal, hast du sie noch alle?“ Marianne war mehr als entrüstet über diese Unterstellungen. „Erstens bin ich kein Flittchen und zweitens habe ich nicht darum gebeten, dass meine Rolle so umgeschrieben wurde. Das wirst du dir schön selber zuschreiben.“ „Mädels, lasst uns doch mal einen kühlen Kopf bewahren“, mischte sich Shinji leicht hilflos ein, erhielt aber von beiden gleichzeitig einen Tadel: „Halt dich raus!“ „Ich werde zu Burns gehen und die Sache klarstellen“, behauptete Cindy. „Du wirst bei der Sekretärin scheitern“, erwiderte Marianne „Wir werden sehen“, erwiderte Cindy knapp und zog sich in ihr Zimmer zurück. Marianne blickte ihrer Kollegin nach, sah zu Shinji und ging in Richtung Flur. Schnell folgte ihr der Japaner. „Es tut mir so leid“, entschuldigte er sich für das unmögliche Verhalten seiner Exfreundin. „Du kannst ja nichts dafür.“ Sie zog sich ihren Mantel an. „Ich muss eh los. Ich gehe noch in die Stadt etwas trinken. Meine Freundin wartet schon.“ Eben wollte er fragen, ob sie alleine gehen würde, aber diese Frage hatte sich schon erübrigt. „Sag mal, möchtest du bei dieser Ziege bleiben? Oder hast du Lust auf einen Tapetenwechsel?“, wagte sie einen freundschaftlichen Vorstoß. „Ich will dich und deine Freundin nicht stören“, winkte Shinji ab. Marianne blickte ihn lange an. „Du störst nicht. Ihr Freund ist auch dabei. Da hättest du auch einen Gesprächspartner.“ „Wenn du mich so anflehst“, zwinkerte er ihr neckend zu. „dann zieh ich mir kurz ein schickes Hemd an und bin sofort wieder da.“ Dabei fiel sein Blick auf sein Shirt, welches er auf keinen Fall anlassen konnte. Er wollte ihren Look nicht runterziehen. Schon verschwand er in seinem Zimmer und kam keine Minute später, in einem weißen Hemd gekleidet, wieder heraus. Seine Jeans verlieh dem Look etwas Legeres. Er zog sich seine Jacke an und verließ mit ihr die Wohnung. „Dann fahren wir mit meinem Auto in die Stadt“, bot er an und sie gingen gemeinsam in die Tiefgarage und auf einen schwarzen Sportflitzer zu. Sie stiegen ein und brausten in Richtung Stadt. Das Theater war vorbei und die Masse strömte wieder heraus. Es war inzwischen spät geworden, dennoch hatten viele noch Lust auf einen Drink in eine Bar zu gehen. Auch Richard, der neben Sincia ging, wollte mit ihr noch das Nachtleben auskosten. Sie trug ein schwarzes Cocktailkleid, eine weißgoldene Kette und passend dazu weißgoldene Ohrringe. Sie war wunderschön, ihre dunklen Haare fielen ihr offen über die Schulter und ihre braunen Augen strahlten. „Das war so schön. Ich war schon so lange nicht mehr im Theater. Vielen Dank, Richard.“ Dass sie die Kleidung erst am Nachmittag gekauft hatte, da sie sich nicht in ihre alte Wohnung traute um ihren Kleiderschrank nach etwas passendem abzusuchen, verschwieg sie ihm. „Danke, dass du mich begleitet hast“, erwiderte er lächelnd. Gemeinsam gingen sie durch die Stadt, bis sie zu einer Bar kamen, in die sie hineingingen. Sie bestellten sich Cocktails und setzten sich gegenüber an einen Tisch. „Ich habe mich lange nicht mehr so amüsiert“, gestand Sincia ihrem Gegenüber. Aufmerksam blickte Richard sie an. „Mein Ex-Freund hat mich nie ausgeführt. Wir saßen jeden Abend und das ganze Wochenende zu Hause und haben nichts miteinander unternommen.“ „Das ist nicht gut für eine Beziehung“, stellte der Blonde nüchtern fest. „Ja, das habe ich schließlich auch gemerkt.“ „Wie lange bist du schon von ihm getrennt?“ Die Getränke wurden gebracht. Endlich konnte Sincia ihre Hände beschäftigen. Sie umfasste das Glas mit ihren Händen und klammerte sich daran fest. „Es ist zwei Wochen her“, gestand Sincia. Überrascht blickte Richard sie an. „So frisch noch?“ „Ja, meine ganzen Sachen sind noch in der Wohnung. Ich muss sie bald abholen und zu May bringen. Eigentlich hoffte ich so schnell wie möglich eine Wohnung zu finden. Und ihm alleine gegenüber treten, habe ich mich noch nicht getraut.“ „Darf ich fragen, warum ihr euch getrennt habt?“ Sincia lächelte traurig. „Er hat mich betrogen.“ Sie suchte seine blauen Augen, vermutete Verachtung in ihnen zu erkennen, doch er sah sie nur mitfühlend an. So öffnete sie sich ihm. „Ich war auf einem Schulausflug und bin früher nach Hause gekommen. Er war mit ihr im Schlafzimmer und ich habe sie in Aktion erwischt.“ Sie pausierte, denn sie schämte sich für ihr Erlebtes. Sie gab sich immer noch die Schuld an allem. Vielleicht hätte sie etwas anders machen müssen, aber was genau konnte sie auch nicht sagen. „Ich trat die Flucht an und war seitdem nicht mehr dort.“ Sie trank einen Schluck. Richard legte besorgt seine Hand auf ihre. „Wenn du Hilfe brauchst, sag nur bescheid. Ich helfe dir deine Sachen aus der Wohnung zu holen.“ Sie starrte auf seine Hand, die auf ihrer lag. Erst dann suchte sie seine Augen. „Danke.“ Sie tranken aus und verließen das Lokal. Ihr Weg führte zurück zum Theater in die Tiefgarage zu seinem Auto. Wenig später fuhren sie zurück. Als sie vor Mays Wohnblock zum Stehen kamen, stieg Richard aus und öffnete Sincia die Autotür. Er begleitete sie noch bis zur Haustüre. „Vielen Dank für den schönen Abend“, bedankte sie sich, nachdem sie ihren Schlüssel aus der Handtasche gezogen hatte. „Ganz meinerseits, gute Nacht“, lächelte er. Er wollte sich schon umdrehen und wieder gehen, als Sincia ihn zurückhielt. Sie trat auf ihn zu und hauchte ihm ein Küsschen auf die Wange. Ein letztes Lächeln, dann ging sie zurück, sperrte die Haustüre auf und verschwand im Hausflur. Richard lächelte, ging zurück zu seinem Auto und fuhr nach Hause. Er betrat die Wohnung und fand seine männlichen Mitbewohner in der Küche am Tisch sitzen. Eigentlich ein recht friedlicher Anblick, wenn man der Uhrzeit keine Beachtung und auch den gesprochenen Worten keinerlei Bedeutung schenkte. „Jetzt sag schon, Kleiner, was läuft da zwischen euch?“ „Gar nichts. Wir sind einfach Freunde.“ „Logo, und darum geht ihr zusammen feiern“, nickte Bill zu. Er ließ sich nicht an der Nase herumführen. „Was ist denn hier los?“, mischte sich Richard ein und setzte sich an den Tisch dazu. „Unser Aufreißer war mit Marianne in der Stadt unterwegs. Ich traf sie durch einen Zufall und fordere eine Erklärung“, klärte der Lockenkopf auf. „Interessant. Wie war noch mal unser Gespräch am Abend?“, grinste Richard ebenfalls. „Ach, da ist nichts. Wirklich!“ Shinji versuchte den Spieß umzudrehen. „Wie ist dein Date gelaufen?“ „Es war ein schöner Abend“, wich Richard aus. „Also lief wirklich nichts mehr“, stellte der Japaner fest, woraufhin Richard schwieg. „Woran lag es? Hat sie kein Interesse?“ Auch Bill neckte mit: „Oder ist sie in einer festen Beziehung?“ „Nein, beides nicht“, wich Richard aus. „Woran liegt es dann? Der Weg ist doch dann frei?“, fragte Shinji irritiert nach. Er verstand nicht, warum die beiden es so langsam angingen. „Sie hat sich vor zwei Wochen von ihrem Freund getrennt.“ „Das erklärt einiges“, stimmte Bill zu. „Hört mal, es gibt da etwas worüber ich mit euch sprechen möchte“, schnitt Richard ein heikles Thema an, welches ihm aber schon seit der Heimfahrt durch den Kopf ging. „Sie sucht eine neue Wohnung, denn im Moment wohnt sie bei May im Gästezimmer. Und sie wird bei Gelegenheit Hilfe brauchen, wenn sie ihre Sachen aus der Wohnung holt.“ „Moment“, roch der Lockenkopf sofort den Braten. „Du meinst, wenn wir Cindy los sind, könnte Sincia hier einziehen?“ „Es war ein Gedanke“, stimmte Richard zu. „Hatten wir das Thema nicht kürzlich besprochen? Wir kamen doch zu dem Entschluss keine Frauen mehr hier einziehen zu lassen“, widersprach Bill. „Ich weiß“, stimmte Richard erneut zu. „Aber Sincia ist nicht wie Cindy.“ „Das stimmt auch“, nickte Shinji zu. „Wir müssen das nicht sofort entscheiden, es war nur ein Gedankengang“, erklärte Richard und stand auf. „Ich verschwinde dann mal ins Bett. Gute Nacht, Jungs.“ Auch Bill und Shinji verzogen sich bald in die Federn. Kapitel 4: ----------- In der Kantine saßen Marianne, Marie und Bill zusammen an einem Tisch und aßen zu Mittag. Richard trat mit einem befüllten Tablett zu ihnen und setzte sich dazu. Shinji betrat die Kantine und sah seine Freunde zusammen sitzen. Er stellte sich in die Schlange der hungrigen Kollegen und holte sich zu allererst ein Tablett und dann Besteck. Immer wieder glitt sein Blick zu den Freunden, wo er aber eher auf Marianne ruhte. Samstagabend war schön gewesen. Lange hatte er sich nicht mehr so amüsiert. Natalie und Bert waren nett und aufgeschlossen. Mit Bert konnte er sich den ganzen Abend über Autos und Sport unterhalten, während die Mädchen eher Frauenthemen ansprachen. Er spürte den ganzen Abend den aufmerksamen Blick von Natalie. Hätte er nicht gewusst, dass diese mit Bert zusammen war, so würde er diese Blicke durchaus anders deuten. Aber nun wusste er nicht was sie wirklich besagen sollten. Auch Marianne war ihm hierzu keine Hilfe. Als er sie darauf ansprach wich sie aus. Sie war ihm gegenüber überhaupt sehr zurückhaltend. Sie verhielt sich plötzlich ganz anders als sonst. Cindy betrat den Raum. Sie entdeckte sofort den fröhlichen Tisch und kurz darauf auch Shinji in der Warteschlange anstehen. Kurzum drängelte sie sich zu ihm vor und stellte sich dicht zu ihm, nicht ohne einige böse Kommentare anderer Kollegen zu erhalten. Dennoch war es ein wunderschöner Abend gewesen. Zumindest bis Bill mit seinem Date auftauchte. Als der sie zusammen entdeckte, war es das mit seinem Date. Er heftete sich so sehr an ihre Füße, versuchte Informationen aus ihnen zu quetschen und war so auf ihn und Marianne fixiert, dass er nicht mal mitbekam, wie sein Date sich verzog. Bei dem Gedanken schlich sich ein Schmunzeln auf seine Lippen. Unbewusst hingen seine Augen immer noch auf Marianne. „Wie armselig“, zog Cindy die Aufmerksamkeit auf sich. „Du verzehrst dich so sehr nach der Kleinen und sie ist der reinste Eisblock.“ Shinji stieg nicht darauf ein, sondern schloss in der Schlange wieder auf und ließ sich kurze Zeit später von Maria eine gelbe Pampe auf den Teller schlagen und ein Stück Fleisch mit Soße. „Bist du immer noch hier?“ „So schnell wirst du mich nicht los“, erwiderte Cindy böse. „Ich war bei ihm. Er überlegt es sich noch einmal.“ „Das glaub ich dir nicht“, antwortete Shinji. Er schnappte sich sein Tablett und ging ungerührt zum Tisch der Freunde, die bereits aßen und sich angeregt unterhielten. Selbst Karl saß bei ihnen. Wenn sie ihn auch schon lange nicht mehr zu Hause gesehen haben, so trafen sie ihn noch in der Arbeit. Cindy blieb stehen und ballte ihre Hände zu Fäusten. Es stimmte. Sie war bei der Sekretärin gescheitert, aber das würde sie niemals vor ihnen zugeben. Nachdem immer mehr Unruhe in die wartenden hungrigen Mitarbeiter einkehrte, fragte Maria laut: „Willst du was zum Essen?“ Die Braunhaarige drehte sich zu der Italienerin, schüttelte den Kopf und ging wieder. Der Appetit war ihr vergangen. Karl unterhielt die Gruppe mit seinen Witzen und immer wieder brachen alle in Gelächter aus. Bill, der sich nur schwer beruhigen konnte, bemerkte: „Mensch, das fehlt mir auf unseren nächtlichen Küchenpartys. Wann bist du denn mal wieder da?“ Mit einem Mal wurde Karl sehr ernst. „Darüber möchte ich noch mit euch sprechen.“ „Spuck es schon aus, Kumpel“, forderte Shinji freundlich. „Ich werde ausziehen. Es liegt nicht an euch oder an Cindy, sondern Lory und ich, wir möchten in eine eigene Wohnung ziehen.“ Shinji beobachtete Marianne, immerhin lief da mal was zwischen ihnen, aber sie aß ungerührt weiter. „Das ist doch schön. Es ist der nächste Schritt“, stellte Richard fest. „Danach wirst du heiraten und eine Familie gründen.“ „Und mit der gleichen Frau alt werden, bis ans Ende eurer Tage“, schauderte Bill. „Überleg dir das gut, Karl!“ Der rothaarige Karl grinste. „Das habe ich mir gut überlegt. Ich werde zum nächsten ersten das Zimmer räumen.“ „Viel ist eh nicht mehr da“, rutschte es Shinji heraus. „Das stimmt“, lachte Karl und die Gruppe unterhielt sich über Karls neue Wohnung und seine Zukunftspläne. Nach dem Essen räumten sie ihre Tabletts weg. Bill und Richard gingen voraus. Für den nächsten Dreh mussten sie nochmals in die Maske. Karl schlug, kaum hatte er die Kantine verlassen, den Weg zum Studio ein, indem er die Kameraeinstellungen für die nächste Szene vornahm. Marie strebte die Garderobe an, während Shinji und Marianne sich noch einen Kaffee bei Maria holten. „Natalie und Bert sind sehr nett.“ Marianne blickte zu ihm auf. Was wollte er ihr damit sagen? Ging er davon aus, dass sie keine netten Freunde hatte? „Ich meine, danke dass du mich mitgenommen hast“, wich Shinji aus. Er sah ihr an, dass seine Wortwahl nicht gerade schmeichelnd war. „Wie gesagt, du hast nicht gestört. So hatte Bert auch einen Gesprächspartner“, antwortete sie schnell und schmunzelte bei dem Gedanken wie gut sich die beiden Jungs verstanden hatte. Eine leichte Röte trat ihr auf die Wangen, als sie an das Telefonat mit Natalie dachte. Die Blondine hatte bereits am Samstagabend gewusst, dass sie ein Anruf am Sonntag ereilen würde, denn sie sah die vielen Fragen im Gesicht ihrer Freundin. Natalie war so begeistert von Mariannes Begleitung, dass sie darauf bestand ihn öfter mitzunehmen. Bert hatte sich so gut mit ihm verstanden und Natalie hatte natürlich sofort bemerkt, dass Marianne ihrem Kollegen nicht ganz so abgeneigt war. „Und wenn du möchtest kannst du öfter mitkommen. Bert freut sich über männliche Unterstützung“, fügte sie hinzu. Shinji sah seine Kollegin an und ein Lächeln trat auf seine Lippen. Nicht nur, dass ihre Freunde ihn scheinbar mochten, er konnte zukünftig auch mehr mit ihr allein unternehmen, außerhalb ihrer Arbeit. Das waren doch verlockende Aussichten. „Gerne“, stimmte er zu. Die beiden gingen zum Set zurück. Sie bemerkten nicht, wie Cindy aus einem Raum hervortrat. Wütend ballte sie ihre Hände zu Fäusten. Natürlich war ihr am Samstagabend nicht entgangen, dass er mit Marianne abgehauen war. Dieses Miststück! Cindy blickte den beiden nach und überlegte sich, wie sie sich an ihrer Konkurrentin rächen könnte. Gemeinsam nach Drehschluss verließen die Freunde das Filmgelände und strebten das Spotlight an. „Wartet“, rief eine weibliche Stimme ihnen nach. „Ich möchte euch begleiten.“ Es war Cindy, die ihnen nachrannte bis sie Gruppe eingeholt hatte. „Willst du wieder dein Gift verspritzen?“, hakte Bill sofort nach. „Nein, ich möchte mich bei euch für mein Verhalten entschuldigen und lade euch deshalb auf einen Cocktail ein.“ Cindy blickte unschuldig drein. „Ich hoffe ihr nehmt mein Friedensangebot an.“ Skeptisch blickten sich die Jungs an, doch dann entschieden sie sich Cindy zu vertrauen. „Dennoch ist dir klar, dass du die Wohnung so schnell wie möglich zu räumen hast.“ „Ich bin schon auf der Suche nach einer neuen“, antwortete sie sofort und blickte aufrichtig von einem zum anderen. Marianne ließ sich ein wenig zurückfallen. Ein Gefühl sagte ihr, dass sie ihnen allen etwas vorspielte. Marie hingegen wusste nichts von den Streitereien der Clique. Sie wusste nicht einmal, dass Shinji und Cindy getrennt waren. Was die Gerüchteküche anging, gab sie auf das Geschwätz nichts. „Das wird aber teuer“, lachte sie nun Cindy an und hakte sich bei ihr unter. Die beiden Frauen gingen voraus. „Und wieso suchst du dir eine neue Wohnung?“ „Weißt du es noch gar nicht?“ Cindy blickte Marie überrascht an. Alle Angestellten, jeder Mitarbeiter bei World Productions redete doch über nichts anderes mehr, als die Trennung von Cindy und Shinji. „Nein“, antwortete Marie ehrlich. Wie gesagt, für sie blieben Gerüchte solange Gerüchte, bis die betroffenen Personen sich selbst dazu äußerten. „Shinji und ich haben uns getrennt. Nachdem die Autoren aber auch meine Rolle gestrichen haben, werde ich die Wohnung räumen.“ Die Gerüchte stimmten. Mal wieder. Das Wort „Privatsphäre“ kannte man bei World Productions nicht. Es war wirklich besser Privates von Beruflichem zu trennen. Marie würde niemals wollen, dass über sie getratscht wurde. Nacheinander betraten sie das Spotlight und besetzten einen großen Tisch. Gerade als Richard sich setzen wollte, entdeckte er Sincia am Tresen. Sein Herz pochte mit einem Mal ein wenig schneller. Er dachte an den schönen Abend zurück, den sie gemeinsam verbracht hatte. „Entschuldigt mich kurz“, bat er seine Freunde und ging zu Sincia hinüber. Cindy und Marie blickten sich etwas verdutzt an, wandten sich aber dann der Speisekarte zu, während Bill und Shinji ihm hinterher blickten. Jeder trug ein Lächeln auf den Lippen. Marianne erkannte auf wen Richard zu ging und schmunzelte. So lange sie ihn kannte, war er noch nie verliebt gewesen. Schön, wenn die hübsche Dunkelhaarige sein Herz erobert hatte. Sie schielte zu Shinji hinüber. Seit geraumer Zeit pochte ihr Herz auch etwas schneller, wenn sie in seiner Nähe war. Doch das durfte nicht sein. Ihr Vater würde das nicht gutheißen. Zudem wollte sie sich nicht mit ihm einlassen. Seine Frauengeschichten waren weitläufig bekannt bei World Productions, ebenso wie Bills Frauengeschichten kein Geheimnis waren. Die beiden standen dafür, dass sie jede Frau kriegen konnten, die sie haben wollten. Marianne wollte nicht eine von vielen werden. Sie wollte keinen Stempel mit einer Nummer aufgedrückt bekommen. Cindy entging nicht ein Blick. Weder der gedankenverlorene seitens Marianne, noch der aufmerksame seitens Shinji. Es gefiel ihr ganz und gar nicht, was sich zwischen ihren Kollegen abspielte. May trat zur Gruppe und nahm die Bestellungen auf. Kurz darauf kam sie zurück und betrachtete Richard und Sincia. Beide etwas zurückhaltend, dennoch verstanden sie sich sehr gut. Ihrer Meinung nach, hätte Sincia mit ihm einen echten Gentleman geangelt. Richard war höflich, zuvorkommend, konnte sich zurücknehmen und war immer auf das Wohl der Frau aus. Wenn die junge Frau nur das selbst einsah und über ihren Schatten sprang. Eines musste der Dunkelhaarigen noch bewusst werden. Sie durfte niemals alle Männer über einen Kamm scheren. Es gab durchaus Ausnahmen, wie Richard bewies. „Stressigen Arbeitstag gehabt?“ Richard blickte May an und schüttelte seinen Kopf. „Nein, eigentlich nicht. Wie kommst du darauf?“ „Alle haben Cocktails bestellt. Ich dachte schon, ihr wollt etwas ertränken“, erklärte May. „Nein, Cindy hat uns alle auf einen Cocktail eingeladen“, antwortete Richard und lächelte Sincia an. „Dann bleibt es bei morgen Abend?“ „Gerne“, lächelte sie zurück. „Ich freue mich.“ „Ich mich auch“, nickte er zu und ging zu seinen Kollegen zurück. May beugte sich vor und guckte ihre Freundin neugierig an. „Was habt ihr denn vor?“ „Wir gehen in die Stadt. Essen und trinken dort eine Kleinigkeit.“ „Rein platonisch, nehme ich an“, fügte May mit einem allwissenden Blick hinzu. „Natürlich“, antwortete Sincia ernst. Schließlich fügte sie milder hinzu: „Wir sind Freunde.“ May grinste und wandte sich wieder ihrer Arbeit zu. Sincia verabschiedete sich bald und ging nach Hause. Sie müsste noch die Wohnungsanzeigen durchsehen, da sie May schon viel zu lange auf der Tasche lag. Cindy nippte an ihrem Cocktail. „Was habt ihr am Wochenende geplant?“ „Wir fahren zu unserer Mutter“, antwortete Marie sofort. Ihre Eltern hatten sich getrennt, da war Marianne noch in den Kindergarten gegangen. Seitdem lebten die Mädchen bei ihrem Vater. Shinji wusste noch gar nicht, dass die Louvres sich getrennt hatten. Marianne hatte niemals etwas erwähnt. Wieder waren seine Augen auf seine hübsche Kollegin gerichtet. Wobei ihm jetzt erst wirklich bewusst wurde, dass sie sich nie privat wirklich ausgetauscht hatten. Er wusste eigentlich überhaupt nichts über Marianne. Diese mischte sich ein. „Ich werde nicht mitkommen. Bin mit Freunden in der Stadt verabredet.“ Marie blickte ihre Schwester erbost an. „Du weißt, wie selten wir unsere Mutter sehen.“ „Für mich ist sie nicht meine Mutter“, erwiderte Marianne bissig. Als ihr bewusst wurde, wo sie sich befanden und besonders in welcher Gesellschaft, lenkte sie ein. „Lass uns darüber zu Hause sprechen.“ Marie nahm den Vorschlag an und trank einen Schluck von ihrem Cocktail. Auch Bill war das neu. Er kannte ebenso wenig Privates von seinen Kolleginnen. Bislang hatte es ihn nie interessiert, aber in diesem Moment, in dem Maries Augen vor Zorn aufblitzten, war er fest entschlossen der Wahrheit auf den Grund zu gehen. Cindy hörte aufmerksam zu. So, so, Marianne hatte also einen wunden Punkt. Mal sehen, was sich sonst noch so an Informationen ergab. Richard hüllte sich in Schweigen. Dass er vor hatte sich mit Sincia zu treffen, ging vorerst niemanden etwas an. Bill erzählte auch, dass er in der Stadt verabredet war. Dabei kam ihm natürlich sofort ein Geistesblitz. „Vielleicht treffe ich dich dann wieder“, grinste er über beide Ohren Marianne an. „Oh, das wäre ja toll“, höhnte sie zurück. „Ihr habt euch getroffen?“, hakte Marie sofort nach. Bill war um einiges Älter als ihre Schwester. Und eigentlich dachte sie immer, dass der Lockenkopf keinerlei Interesse an Marianne hatte. Scheinbar täuschte sie sich da. „Ja, er hatte ein Date und hat das arme Mädchen glatt stehen gelassen“, erzählte Marianne. „Die ist stinksauer abgedampft.“ „In dem Moment war es auch wichtiger auf dich aufzupassen“, entgegnete Bill. „Ich kann allein auf mich aufpassen. Verdammt, ich bin zweiundzwanzig Jahre alt. Das bedeutet volljährig. Zudem war ich nicht allein unterwegs“, diesen Satz fügte sie noch schnell hinzu um ihre Schwester zu beruhigen. „Aus diesem Grund musste ich ja auf dich aufpassen“, schoss Bill hervor und stieß seinem Kollegen den Ellbogen in die Rippen. „Unser Weiberheld ist schließlich nicht ganz ungefährlich.“ „Weiberheld“, stieß Shinji verächtlich aus. „Du bist mit Shinji losgezogen?“, mischte sich Marie entsetzt ein. Hoffentlich fand das ihr Vater nicht raus. Cindy konnte sich einen Kommentar ebenfalls nicht verkneifen. „Plötzlich bist du weg gewesen. Konntest es wohl gar nicht abwarten, endlich mit ihr allein zu sein.“ Dabei fixierte sie den Japaner mit ihren Augen. „Falsch“, antwortete Shinji, der sich zu einem Statement genötigt fühlte. „Ich bin mit ihr mit um nicht mit dir allein zu sein.“ Marianne erstarrte. So wie er es sagte, konnte er es doch nicht meinen. Immerhin erinnerte sie sich an den Abend, als wäre er gestern gewesen. Er hatte wirklich erfreut reagiert, aber so wie er das sagte, hatte er nur eine Möglichkeit zur Flucht ergriffen und das kleinere Übel in Kauf genommen. „Schon gut, ich werde dich nie wieder fragen, ob du Lust hast mitzukommen“, erwiderte Marianne eingeschnappt. Shinji richtete seine Aufmerksamkeit auf die junge Blondine. „Ich bin gerne mitgekommen. Es war ein schöner Abend. Zumindest solange bis wir Bill getroffen haben und ihn nicht wieder loswurden.“ „Ich kann doch nichts dafür. Ihr hättet ruhig sagen können, dass ihr alleine sein wollt“, erwiderte der Lockenkopf gleichgültig. „Wir wollten nicht alleine sein, wir wollten einfach nur noch ein bisschen feiern“, erwiderte Marianne gereizt. Nun war es Shinji, der sie überrascht ansah. Sie wollte nicht mit ihm allein sein. Warum verbrachte sie dann ihre Zeit mit ihm? Wieso stellte sie ihm ihre Freunde vor und bot an, das sie öfters was zusammen unternehmen könnten? Marie mischte sich ein, ehe alles noch in einem Fiasko endete. „Marianne, es ist besser wenn wir jetzt gehen.“ Sofort stand die jüngere Blonde auf und nickte zu. „Das ist wirklich besser. Wir sehen uns morgen“, verabschiedete sie sich schnell und ging. Marie folgte ihr kurz darauf. Richard blickte von Bill zu Shinji und wieder zurück. „Ich werde jetzt auch gehen.“ Er dachte an die nächtliche Diskussion in der Küche zurück und verstand jetzt einige der gefallenen Wörter besser. Cindy blickte zwischen Shinji und Marianne hinterher. Besser könnte es doch gar nicht laufen. Zumindest waren sich die beiden nicht mehr ganz so grün, wie noch vor ein paar Stunden. Sie stand ebenfalls auf. „Ich werde mal zahlen und dann auch nach Hause gehen.“ Kaum verließ sie das Lokal, erschien ein Grinsen auf ihren Lippen. Wäre ja gelacht, wenn sich daraus nichts machen ließe. Shinji und Bill blieben zurück. „Verdammter Mist“, fluchte der Größere. Er ging zur Theke und orderte bei May zwei Bier. Mit den gefüllten Gläsern ging er zurück zum Tisch und setzte sich zu seinem Kollegen. „Hier für dich.“ „Danke“, nahm der Jüngere das Bier an und trank einen kräftigen Schluck. Das war ja absolut schief gelaufen. Wie konnte das nur passieren? „Oh je, Weiber“, stöhnte Bill auf und nahm ebenfalls einen kräftigen Schluck. „War doch eigentlich nur ein Spaß, aber den hat keine von ihnen verstanden.“ Shinji war nicht zum quatschen zumute. Er musste erstmal seine Gedanken sortieren. Würde Marianne noch mal mit ihm um die Häuser ziehen, oder war er jetzt bei ihr unten durch? „Ich werde dir und Marianne helfen. Wäre doch gelacht, wenn man euch zwei nicht zusammenbringt.“ „Lass das, Bill! Ich will nicht mit ihr zusammen kommen. Und misch dich auf gar keinen Fall mehr ein“, verwarnte Shinji seinen Kollegen. Bill trank erneut einen Schluck. Die Aussage war eindeutig, dennoch wusste der Lockenkopf es besser. Er würde ihnen schon helfen und sie in die richtige Richtung stupsen. Richard klopfte an die Zimmertür von dem Japaner, ehe er sich der Tür des Lockenkopfes zuwandte. Beide öffneten sich nach wenigen Minuten und die Männer traten verkatert heraus. „Wie seht ihr denn aus? Wir müssen in einer Stunde in der Maske stehen.“ Die Mitbewohner traten in die Küche und setzten sich an den Tisch. „Au, mein Kopf“, klagte der Jüngere. „Wann seid ihr überhaupt gestern heimgekommen?“, hakte Richard besorgt nach. „Weiß nicht“, antwortete der Größere. „Was ist denn überhaupt passiert?“, verlangte Richard erneut zu erfahren. Seine beiden Kollegen sahen sehr verkatert aus und er konnte noch überhaupt nicht einschätzen ob sie überhaupt fähig waren zu arbeiten. „Wir haben ein paar Bierchen getrunken“, fing der Japaner kleinlaut an und hielt sich seinen Kopf. „Und über die Weiber gequatscht“, fügte der Lockenkopf hinzu. „Und wie viel Bierchen waren das?“ Keine Antwort. Einzig ein Schulterzucken zeigte, dass sie es nicht mehr wussten. Geschweige denn erinnerte sich einer von ihnen an ihre Gespräche, die sie am Vorabend lange und ausführlich geführt hatten. Sie hatten beide einen Vollrausch und das mitten in der Woche. Richard hielt sich seine Hand vors Gesicht. Er wusste weder ein noch aus. Eines stand zumindest fest, dass die beiden so nicht zum Set kommen könnten. „Ich melde euch krank. Wenn euch jemand fragt, ihr habt eine Magenverstimmung.“ „So ein Blödsinn“, Bill sprang auf. „Ich kann arbeiten gehen.“ Doch er war ein wenig zu schnell aufgesprungen und jetzt drehte sich um ihn die gesamte Küche. „Ja, natürlich. Dann schicken sie dich wieder nach Hause, mit einem Kündigungsschreiben in deinen Händen“, erwiderte Richard prompt. „Ihr schlaft euren Rausch aus und ich kläre alles ab.“ Er ging zur Diele, zog sich Schuhe und Jacke an und blickte nochmals in die Küche. „Und macht so etwas nie wieder, habt ihr verstanden?“ „Ja“, antworteten die beiden Alkoholleichen und jeder kehrte wieder in sein Zimmer zurück. Kapitel 5: ----------- Richard holte Sincia ab und gemeinsam gingen sie zu Fuß zur Haltestelle der Trambahn. Sincia lächelte ihn an. „Wie war dein Tag?“ „Frag lieber nicht“, erwiderte Richard, während er seine Hände in den Taschen seiner Jacke versteckte. Als er ihren Blick spürte, begann er dennoch zu erzählen. „Bill und Shinji sind verkatert nach Hause gekommen. Ich hab sie heute krank gemeldet. Es war eine große Katastrophe. Die Regie musste sofort andere Szenen vorziehen, die ohne die beiden Hauptpersonen handelten. Marianne, Marie und ich mussten auf die schnelle Texte lernen, die wir erst in wenigen Tagen hätten wissen müssen. Alles ging durcheinander.“ Sincia hörte aufmerksam zu. „Das klingt wirklich schlimm.“ Wieder mal wurde ihr bewusst, wie stressig der Job eines Schauspielers war. „Und wie war dein Tag?“, fragte er nach. Er musste sie bestimmt schon langweilen mit seinen Erzählungen. „Oh, mein Tag? Es ist nichts passiert, worüber es sich zu erzählen lohnt.“ Steve hatte sich tatsächlich länger nicht mehr in ihrer Schule blicken lassen. Auch so ist sie ihm noch nicht durch Zufall begegnet. Allerdings stand sie nach wie vor, vor der Tatsache, dass ihr ganzes Hab und Gut noch in der gemeinsamen Wohnung ist. Sie musste es bald abholen. Die beiden erreichten die Trambahn-Haltestelle und fuhren mit der nächsten Tram in die Innenstadt. Dort suchten sie sich ein nettes Lokal und ließen sich an einem Tisch für zwei nieder. Sie bestellten Getränke, stöberten durch die Essenskarte und bestellten dann auch gleich das Essen. Während sie warteten, blickte Sincia ihren Begleiter an. „Ich habe eine Bitte. Am Wochenende werde ich meine Sachen aus der Wohnung holen. Könntest du mich begleiten?“ Richard nickte. „Natürlich. Ich werde auch Bill und Shinji bitten uns zu helfen. Dann bist du schneller wieder von dort weg.“ Sincia lächelte: „Das ist lieb. Vielen Dank.“ Der blonde Mann haderte mit sich. Er und seine Kollegen hatten sich noch auf keine Lösung geeinigt. Sicher hatten sie das Thema schon besprochen, aber er wollte sie auch nicht übergehen. „Ich werde mit den beiden auch noch mal sprechen. Anfang nächsten Monats wird bei uns in der WG ein Zimmer frei. Ein Kollege zieht aus. Wenn die beiden nichts dagegen haben, könntest du dort einziehen.“ Das wäre eine Option, die ihr die Entscheidung wesentlich leichter machen würde. Allerdings musste sie auch gut überlegt werden. Sincia blickte auf die Tischdecke hinab. Sie müsste sich um keine Wohnungssuche kümmern, hätte ein Zimmer, welches ihr vollkommen reichte, allerdings würde sie mit drei Männern zusammen wohnen. Vielleicht sogar sehr chaotische Männer? Sie suchte den Blick des groß gewachsenen blonden Mannes. Richard begann zu erzählen. „Jeder hat sein eigenes Zimmer, das einzige was geteilt wird sind das Bad und die Küche. Es gibt einen Putzplan, nachdem sich jeder richtet. Jeder hat seine eigenen vier Wände, wir respektieren einander und betreten nicht ohne Erlaubnis ein Zimmer und in den Gemeinschaftsräumen halten wir Ordnung. Ich werde mit den Jungs sprechen und dann kannst du dir unsere WG mal ansehen. Vielleicht gefällt es dir auch gar nicht, aber zumindest gesehen haben solltest du es.“ Sincia lächelte und stimmte zu. Ansehen würde noch lange nichts kosten. Natürlich wäre dies auch wieder eine preisliche Sache. Als Lehrerin eine Wohnung alleine zu bezahlen schien ihr ebenso unmöglich in dieser Stadt, als ewig bei May zu wohnen. Sie müsse sich das überlegen, doch zu allererst war es wichtig, dass sie endlich einen Schlussstrich unter ihr altes Leben mit Steve zog und diesen konnte sie erst ziehen, wenn sie ihre Sachen gepackt und ausgezogen war. Das Essen wurde ihnen serviert. Gemeinsam stießen sie mit ihrem Wein an und begannen zu essen. Es klingelte Sturm in der WG. Langsam aber sicher nervte ihn das dauerhafte Klingeln. Wieso konnte nicht endlich Shinji die Tür aufmachen? Er quälte sich aus dem Bett, wollte er doch einfach nur schlafen. Doch kaum stand er auf seinen Beinen, verstummte die Türglocke und es kehrte Ruhe ein. Mit einem Lächeln auf den Lippen setzte er sich wieder aufs Bett und rieb sich seinen Kopf. Mensch, er konnte sich an überhaupt nichts mehr erinnern. Er wusste nur noch, dass er Shinji aufgezogen hatte, doch dann wurde es ein Bier nach dem anderen. Mit einem Mal polterte es in der Küche. Er beschloss nun doch nach dem Rechten zu sehen. Langsam schlurfte er zur Tür und öffnete diese. Cindy und Marianne standen sich in der Küche gegenüber. „Du verstehst gar nichts“, beharrte Marianne. Sie verstand immer noch nicht, warum Cindy plötzlich gegen sie agierte, aber das ging entschieden zu weit. Ihre familiären Probleme gingen keinen etwas an, besonders nicht Arbeitskollegen. „Natürlich versteh ich das. Meine Eltern haben sich zwar nicht getrennt. Aber ich habe schon oft Artikel darüber gelesen“, erklärte Cindy gespielt aufrichtig. Doch jetzt schlug ihr Blick ins Mitleidvolle um. „Du weißt aber auch, dass Scheidungskinder schwerer Beziehungen eingehen können, als Nichtscheidungskinder.“ „Stand das auch in einem deiner Artikel?“, hakte Marianne höhnisch nach. „Ja, richtig. Dort stand, dass diese Menschen sich einfach schwerer tun, anderen zu vertrauen. Woran sollte es sonst liegen, dass du noch keinen Partner hast?“ Jetzt wurde es Marianne zu bunt. „Das eine hat doch mit dem anderen nichts zu tun.“ Cindy erwiderte: „Natürlich hängt das miteinander zusammen.“ Shinji trat aus seinem Zimmer. Er hatte genug gehört und es reichte ihm. Er verstand nicht, warum Cindy gegen Marianne spielte, immerhin hatte die Blondine ihr überhaupt nichts getan. „Es reicht, Cindy!“ Marianne blickte ihren Kollegen an. Wie lange hatte er schon an der Tür gelauscht? Hatte er erhofft, dass sie sich verplapperte und er etwas über ihre Eltern erfuhr? Warum fragte er sie denn nicht einfach, wenn ihn etwas interessierte? Um sich selbst von diesen trüben Gedanken abzulenken, wandte sie sich ihm zu. „Gut, dass du wach bist“, begann sie, erhielt daraufhin aber gleich einen Konter. „Bei der Aktion mit dem Sturmklingeln muss man ja auch wach werden.“ Sie ignorierte seine Anmerkung und stemmte ihre Hände in die Hüfte. „Weißt du eigentlich was heute auf dem Set los war? Wieso lasst ihr euch krankmelden?“ Shinji blickte sie einfach nur an. Kannte sie die Antwort wirklich nicht? Marianne schluckte. Das war wirklich dumm gewesen, dennoch nahm sie sich vor ihm den Kopf zu waschen. „Selbst der Statist stand mit einem starken Schnupfen an seinem Platz.“ „Statisten müssen bekanntlich nichts sagen“, erwiderte er ungerührt. „Mensch, M. morgen bin ich ja wieder dabei. Stell dich nicht so an.“ Cindy beobachtete aufmerksam den kleinen Zwist. „Wie ein verliebtes Paar verhaltet ihr euch nicht.“ „Wir sind kein verliebtes Paar“, schnappte Marianne bissig zurück. Eigentlich schade, denn manchmal stellte er es sich schon vor, wie es wohl wäre mit Marianne zusammen zu sein. Sein Herz klopfte wieder ein wenig schneller, als er ihr auf ihre Lippen blickte, die ihn mehr und mehr anzogen. Manchmal stellte er sich auch vor, wie es wäre sie zu küssen. Um seine Gedanken abzuschütteln, lenkte er sie wieder auf das Gespräch. „Wir sind nur Freunde.“ Es tat ihr weh, wie er das nur betonte. Es würde nie mehr werden. Und es war gut so, dass nie mehr als Freundschaft würde. Sie wollte nicht dem Tratsch bei World Productions ausgeliefert sein. Sie wollte auch bei ihm nicht eine von vielen sein, wenn überhaupt wollte sie die einzige, die richtige sein. Aber jetzt dämmerte ihr, warum Cindy so aggressiv auf sie reagierte. „Nur weil wir uns gut verstehen, bist du so zu mir? Ich hab ihn dir nicht ausgespannt“, erklärte sie sofort. „Der Kleine kam selbst auf die Idee dich abzuschießen.“ Cindy verschränkte ihre Arme vor der Brust. Nun trat auch Bill aus seinem Zimmer heraus und baute sich ebenfalls vor der Mitbewohnerin auf. „Und vergiss nicht auszuziehen. Der nächste erste ist bald.“ Allein gegen drei zog sich Cindy in ihre eigenen vier Wände zurück und schmollte. Marianne hingegen blickte ihre beiden Kollegen an. Nach einer Magenverstimmung sahen die beiden nicht aus. „Was habt ihr gestern angestellt?“ „Nichts“, beeilte sich Shinji abzuwehren, doch es kam etwas zu schnell hervor. Marianne glaubte ihm nicht. Bill verzog sich ins Badezimmer um nicht in die Schusslinie zu geraten. Wenn er wenigstens wüsste über was sie in ihrem Suff gesprochen haben… Sie trat auf Shinji zu. „Du hast getrunken“, stellte sie ernüchternd fest. „Ich hab dich für so erwachsen gehalten, dass du deine Grenzen kennst.“ Der Wuschelkopf fühlte sich angegriffen. Sie hatte Recht, aber dass gestand er sich nicht ein. „Was geht dich das an? Du bist nur eine Kollegin.“ „Jetzt bin ich auf einmal nur noch eine Kollegin? Gerade eben war ich nur eine Freundin.“ Schon wieder war sie eingeschnappt. „Du bist in letzter Zeit auch sehr zickig“, fügte er ehrlich hinzu. Marianne starrte ihn an. Für einen Kollegen nahm er sich sehr viel raus. Wütend betrachtete sie ihn. „Das ist nicht dein Problem, Kollege. Wir sehen uns morgen auf dem Set. Schönen Abend noch.“ Vor ein paar Tagen konnte sie mit ihm normal umgehen, wie mit einem Kollegen, doch seitdem er ihr ständig im Kopf herumspukte, wusste sie einfach nicht mehr wie sie mit ihm umgehen sollte. Er hatte einen wunden Punkt getroffen. Damit verließ sie die Wohnung. Sie spazierte nach Hause, denn sie musste endlich das Chaos in ihrem Kopf beseitigen und sie hoffte, dass Frischluft dazu beitragen würde. Shinji blickte ihr verdattert nach. Er konnte ihr Gespräch nirgends einordnen und schon gar nicht verstand er, wieso sie sich jetzt verkracht hatten. Am Set wurden die neuen Drehbücher umgesetzt. Cindys letzte Tage am Set liefen an. Bald würde sie sich aus der Serie verabschieden müssen. Aber welches Gerücht dann die Runde machte, konnte keiner so recht glauben. Claudia Firenza bekam einen Auftritt, als Gasstar. Claudia Firenza, das Topmodel, die Sängerin, die schönste Frau der Welt, wenn man den Männermagazinen Glauben schenkte, würde in ihrer Serie eine Gastrolle übernehmen. Die Quoten würden explodieren, wenn sich die Gerüchte bestätigten. Während einer Pause am Set, bemerkte Marianne spitz: „Vielleicht bist du deswegen gestrichen worden. Sie müssen Supermodel Firenza finanzieren.“ Cindy schwieg wütend. Karl trabte an. „Habt ihr schon gehört?“ Die Star Sheriffs blickten ihn an. Jeder von den vier Schauspielern trug einen Kampfanzug. „Sie kommt wirklich und das allerschärfste ist, dass sie mit Shinji flirtet. Wie geil ist das denn? Du Glückspilz“, stieß Karl Shinji an. Shinji kannte zwar den Namen, hatte das Model auch schon mal gesehen, aber er wusste jetzt nicht, warum er deswegen ein Glückspilz war. Ihm war klar, dass ab nächster Woche er und Marianne immer verliebter spielen müssten und nach ihrem jetzigen Stand, waren sie weit davon entfernt sich verliebt zu zeigen. Wenn es wenigstens harmonisch zwischen ihnen privat laufen würde. Aber gut, dann müssten sie eben ihre Schauspielerischen Qualitäten unter Beweis stellen. Marie kam zu ihrer Schwester. „Wir haben nächste Woche einen Fototermin mit Miss Firenza, dem Supermodel.“ Cindy sah erneut eine Möglichkeit für eine Retourkutsche. „Gegen das Model, wirst du nicht so sexy rüberkommen, wie sonst…“ Marianne verzog ihr Gesicht. In diesem Punkt musste sie sogar Cindy zustimmen. Die rassige Brünette stellte sie bestimmt in den Schatten. Die Jungs bemerkten, dass keine Freude bei den Damen herrschte, aber einmischen wollten sie sich da auch nicht. Es war klüger sich bei bestimmten Themen zu enthalten, da es eh nur falsche Worte gab. Dieses Thema war eines davon. Dafür klatschte Bill seinem Kollegen aufmunternd auf die Schulter. „Mit so einem heißen Feger hätte ich auch gerne ein paar Knutschszenen.“ „Knutschszenen?“, wiederholte der Wuschelkopf mehr als verwirrt. Hatte Bill ein anderes Drehbuch erhalten, als er selbst? „Auf jeden Fall werden wir uns mit Claudia auch Privat mal unterhalten“, zwinkerte der größere Braunhaarige. „Apropos Privat unterhalten“, mischte sich Richard ein. „Sincia möchte morgen Vormittag ihre Sachen holen. Ich werde sie begleiten und wollte fragen, ob ihr vielleicht auch Zeit habt. Je schneller wir das hinter uns bringen, desto besser.“ „Desto besser für wen?“, stichelte Shinji neckend. Richard ahnte, dass seine Kollegen und Mitbewohner ihn aufziehen wollten, aber ehe er antworten konnte, kam der Regisseur zurück und übernahm wieder das Kommando der Dreharbeiten. Langsam nahte der Feierabend und somit stand das Wochenende vor der Tür. Marianne freute sich auf das Wochenende. Sie würde nicht mit zu ihrer Mutter fahren, sondern mit Natalie und Bert in die Stadt fahren. Marie und ihr Vater waren nicht sonderlich begeistert von der Idee, da beide die Meinung vertraten, dass Marianne ihr Verhältnis zu ihrer Mutter dringend verbessern müsste, dennoch wollte sie mit ihren Freunden das Wochenende verbringen und mal wieder so richtig einen Drauf machen und tanzen gehen. Natürlich hatte auch Natalie beim letzten Telefonat Marianne bearbeitet Shinji wieder mitzubringen, aber die Blondine wich aus, mehr oder weniger geschickt. Nach den letzten Tagen und Diskussionen war sie sich nicht mehr sicher, ob er überhaupt noch mitkommen wollte. Und ihn nochmals zu fragen traute sie sich auch nicht. Immerhin wollte sie sich ihrem Kollegen nicht aufdrängen. Sie war nicht stolz auf sich und über den Ton, der unter ihnen gefallen war, erst recht nicht. Dennoch trugen sie beide die gleiche Schuld an der jetzigen Situation. Die drei trafen sich an der Trambahn-Haltestelle und zogen gemeinsam los. Sie strebten ihre Lieblingsdiskothek an und kamen ohne Probleme am Türsteher vorbei. „Warum ist Shinji nicht mitgekommen?“, hakte Natalie nach. „Er hatte keine Lust“, wich Marianne aus. Natalie betrachtete ihre Freundin aufmerksam. Sie nahm der Blondine die Ausrede nicht so ganz ab. Immerhin kannte sie ihre beste Freundin in und auswendig und wusste, dass sie nicht lügen konnte. Sie zog Bert am Arm und bat ihre Freundin um einen Gefallen. „Könntest du bitte ein Foto von uns machen? Bert hier in der Disco, das kommt so selten vor.“ Marianne blieb stehen, lächelte und zog ihr Handy aus der Tasche hervor. Sie knipste ihre Freunde und reichte ihnen das Mobilfon. Sie kannte Natalie, die wollte immer alles sehen und nur wenn sie das Foto für gut befunden hatte, würde es auf dem Handy verweilen. Allerdings dauerte es im Moment ein wenig zu lange. „Normalerweise bist du schneller in deiner Entscheidung“, hakte sie irritiert nach und griff nach dem Handy, aber Natalie zog es ihr weg. „Ich hab’s gleich“, beruhigte sie Marianne. „Was machst du da solange?“, hakte Marianne noch skeptischer nach, aber als sie über Natalies Schulter guckte, sah sie das Foto von dem glücklichen Pärchen. „Das ist doch süß“, bemerkte sie schließlich. Skeptisch betrachtete Natalie das Foto und schloss sich Marianne an. „Ja, es ist süß. Das kannst du behalten.“ Schon gab Natalie ihr das Telefon wieder zurück und wandte sich an ihre beiden Lieben. „Geht doch schon mal vor zur Bar und besorgt uns etwas zu trinken. Ich muss noch kurz zur Toilette.“ „Ich kann mitkommen“, bot Marianne an, aber Natalie schob sie schon in Richtung Bert, der vorausgegangen war. „Musst du nicht“, flötete sie gutgelaunt und verschwand in der Masse. Irgendwie benahm sich ihre Freundin heute komisch, ganz anders als sonst. Dennoch schüttelte sie den Kopf und verwarf ihre Gedanken gleich wieder. Sie beeilte sich Bert einzuholen. Bill und Shinji statteten May einen Besuch ab und setzten sich zu ihr an den Tresen. An diesem Abend blieben sie aber bei Wasser. Fast ein wenig verlegen richteten sie das Wort an die herzliche Restaurantchefin. „Sag mal, kannst du dich noch erinnern, über was wir gesprochen haben?“ May blickte die beiden Komiker vor sich an. Aber soviel wie die beiden an dem Abend noch getrunken hatten, schien ein Filmriss gar nicht so abwegig. Sie verkniff sich ein Schmunzeln und überlegte angestrengt. Sie lauschte nicht, zumindest nicht gerne, aber an diesem Abend wurde sie unfreiwilliger Zeuge der Gespräche und hauptsächlich ging es um das weibliche Geschlecht. „Du“, sie deutete auf Bill, „hast ihm erklärt, wie er sich bei Frauen verhalten sollte.“ Wobei sie aus den beiden auch nicht wirklich schlau wurde. Shinji konnte an jedem Finger zehn Frauen haben. Dazu hatte er zwei unschlagbare Argumente: Seine Augen und sein Lächeln. Selbst May wurde immer ganz anders, wenn er seinen Hundeblick auspackte. Sie traute sich auch zu verwetten, dass er mehr Fanpost bekam als Bill. Auch wenn der lockige Braunhaarige dem Jüngeren in nichts nachstand. Sie vermutete auch stark, dass die Hauptdarsteller auch verantwortlich für die super Serienquoten waren, denn sie war sich sicher, dass auch Marianne und Richard einen großen Fananhang hatten. „Dann wäre das ja vorerst geklärt“, bemerkte Shinji und klopfte Bill auf die Schulter. Er legte das Geld für sein Wasser auf den Tresen und wünschte den beiden einen schönen Abend. Er würde sich ins Bett verkrümeln, immerhin würden sie morgen Vormittag zum Arbeiten eingespannt. Er war kaum zur Tür hinaus, da läutete sein Telefon. Er zog es aus der Tasche und sah nur eine fremde Nummer. Skeptisch nahm er das Gespräch an. „Und was gibt es sonst noch neues?“, hakte May neugierig nach, nachdem Shinji sich verzogen hatte. „Cindy zieht aus, Karl zieht aus, ach ja und der Topstar Claudia Firenza bekommt eine Gastrolle“, erzählte Bill bereitwillig. „Claudia Firenza? Wow…“, May blieb die Spucke weg. Die Italienerin war der Star im letzten Jahr und ihre Karriere schien noch lange nicht am Höhepunkt zu sein. „Wow…“, wiederholte Bill und nahm einen Schluck Wasser. „Das trifft es genau. Die Mädels drehen durch, weil sie in ihr eine Konkurrenz sehen, die Jungs drehen durch, weil sie von ihren Hormonen übermannt werden.“ May grinste. Natürlich konnte sie sich auch den Frauenaufreißer Nummero Uno, der in diesem Moment vor ihr saß, darunter vorstellen. „Nicht schlecht, das wird ja noch richtig spannend.“ Für sie hatte die Schauspielerei schon immer etwas Bewundernswertes gehabt. Früher, als ihr Vater noch Kameramann war, hatte er sie hin und wieder mit auf die Arbeit genommen. Mit großen Augen hatte sie die Dreharbeiten verfolgt und an allem etwas Spannendes gefunden. „Ich werde dann auch mal nach Hause gehen. Morgen helfen wir Sincia beim Auszug.“ „Ich weiß, ich bin auch mit von der Partie. Schön, dass ihr auch helfen könnt. Dann sehen wir uns morgen.“ Bill bezahlte und verabschiedete sich. Hätte ihm Natalie nicht bescheid gesagt, in welcher Diskothek sie sich aufhielten, er hätte sie niemals gefunden. Noch immer wusste er nicht, warum er überhaupt losgezogen war. Marianne wollte ihn bestimmt nicht mehr in ihrer Freizeit um sich haben. Zudem wunderte er sich, woher Natalie überhaupt seine Nummer hatte. Er stand nicht im Telefonbuch, da er sich sonst vor Fananrufen gar nicht mehr retten könnte. Hier war die junge Frau ihm einige Erklärungen schuldig. Er kam zur Disco und ging am Türsteher vorbei. Nun galt es sie zu finden. Eins stand fest, auf jeder Tanzfläche tanzten junge, hübsche Frauen, teilweise recht knapp bekleidet und feierten mit ihren alkoholischen Getränken in den Händen. Sie waren Frischfleisch, denn kaum hatten sie lästige Verehrer abgewimmelt kamen erneut Männer an um ihre Chance zu versuchen. Shinji trat auf eine Gruppe junger Frauen zu, die ihm den Weg versperrten. Er wollte an ihnen vorbei gehen, doch eine dieser Frauen drehte sich ihm zu. „Hallo, Fremder“, fing sie an. „Lust zu tanzen?“ „Ich bin verabredet“, wich er aus. Sie war hübsch, rotbraune Haare, die ihr bis zu Schulter fielen. Ein kecker Augenaufschlag. „Wenn du es dir anders überlegst, ich bin noch eine Weile hier.“ Shinji nickte, lächelte kurz und drängelte sich an dem Grüppchen vorbei. Er kam zur großen Tanzfläche und entdeckte Natalie und Bert auf der anderen Seite stehen. Sie blickten zur Tanzfläche, wobei Bert seine Freundin von hinten umarmte und sich rhythmisch zur Musik schunkelte. Er ging außen herum und trat auf das Pärchen zu. „Hallo“, begrüßte er sie. Bert löste seine Hände von seiner Freundin und reichte ihm seine Hand. „Hallo Shinji, schön dich wieder zu sehen.“ Natalie drehte sich ihnen zu. „Hallo Shinji, freut mich, dass du kommen konntest.“ Der Japaner freute sich, dass die beiden ihn gerne mochten. Scheinbar hatte er wirklich einen Stein im Brett. „Wo ist Marianne?“, fragte er sogleich, denn er hatte sie noch nicht entdecken können. Auch wunderte es ihn, dass sie nicht bei ihren Freunden stand. „Du meinst unsere Tanzmaus?“, lachte Natalie und deutete auf die Tanzfläche, wo ihre beste Freundin soeben von einem großen, gut aussehenden Typen angetanzt wurde. Die beiden legten eine heiße Einlage aufs Parkett, dass Shinji die Kinnlade herunterfiel. So, wie er sie heute sah, kannte er sie überhaupt nicht. Und es gefiel ihm auch nicht sonderlich, was er da sah. Nicht, dass sie nicht tanzen konnte, nein, ihre Bewegungen waren wirklich heiß in ihrer engen Jeans und dem trägerlosen Top, aber den Typ, der sie gerade anbaggerte, konnte er nicht ausstehen. Um sich von diesem Anblick abzulenken, hakte er bei einer anderen sehr wichtigen Frage nach. „Woher hast du meine Nummer?“ Natalie blickte ihn offen an und lächelte: „Aus Mariannes Handy“, erklärte sie direkt und ehrlich. „Sie meinte, du wolltest nicht mitkommen. Kurzum hab ich mir deinen Kontakt per SMS gesendet und dich angerufen. Dass du sofort zusagtest, hat mich überrascht.“ Shinji blickte wieder kurz zu seiner Arbeitskollegin. „Wir haben eine Meinungsverschiedenheit, ich weiß gar nicht ob sie mich überhaupt noch sehen will.“ „Papperlapapp“, erwiderte Natalie. „Natürlich will sie das. Sie ist nur ein Dickschädel was solche Themen betrifft.“ Die Musik wechselte. Ein rhythmischer Beat erklang. Immer noch stand der Typ bei ihr. Inzwischen hatte sie ihm den Rücken zugewandt, ließ ihre Hüfte schwingen und der Typ legte seine Hand auf ihren Bauch. Gemeinsam tanzten sie weiter. Nun verdunkelte sich Shinjis Blick. Natalie sah seinen veränderten Ausdruck und blickte kurz zu Bert. Der nickte und meinte: „Ich hol uns was zum Trinken.“ Shinji wollte schon mit ihm mitgehen, als Natalie ihn am Arm festhielt und ihn mit auf die Tanzfläche zog. Sie führte ihn und lotste ihn immer näher an ihre Freundin heran, die die Welt um sich herum vergessen hatte. Endlich mal ein ordentlicher Typ, der sie nicht in einer Tour betatschte. Es war heutzutage wirklich schwer nette Leute in einer Disco kennen zu lernen. Marianne verstand nicht, warum so viele Mädels mit irgendwelchen Typen nach dem Tanzen abhauten nur um eine Nacht mit ihnen zu verbringen. Sie betrachtete ihn aufmerksam. Er sah gut aus, hatte blaue Augen, kurze Haare, die er mit einem Gel in Form hielt. Er überragte sie um einen Kopf, aber das störte sie nicht. Sie hatte keine besonderen Vorstellungen von ihrem Traummann. Wichtig waren ihr der Charakter und die Treue. Sie musste es im Herzen spüren, ob es der Mann fürs Leben war. Aussehen spielte für sie eher eine Nebenrolle. Bei Karl hatte sie anfangs das Gefühl im Herzen gespürt, doch schnell war es wieder weg gewesen. Es kam nichts zurück. Daher hatte ihre Liebelei nur einen kurzen Spielraum gehabt. Inzwischen war er mit seiner Freundin glücklich und das freute Marianne sehr. Sie wusste, dass er nicht der schönste Mann war, aber er war grundanständig, ein Typ mit dem man Pferde stehlen konnte. Die Musik wechselte. Der Beat verführte zum Hüftschwung. Schnell drehte sie sich, wandte ihrer Tanzbegleitung den Rücken zu und ließ die Hüften kreisen. Er ging sofort auf ihre veränderte Tanzlage ein, schob sich an sie ran und führte seine Hand zu ihrem Bauch. Sie liebte es zu tanzen. Dabei konnte sie am allerbesten abschalten und ließ allen Kummer fürs erste vergessen. Marianne könnte ewig so weitermachen, allerdings spürte sie jetzt eine Hand an ihrem Po. Die andere begab sich langsam von ihrem Bauch aufwärts auf Wanderschaft. Sofort versteifte sie sich. Der Typ war auch so einer. So nicht. Sie blieb stehen, packte seine Hand und drehte sich um, um diesem Kerl in die Augen zu sehen. „Das reicht“, wies sie ihn in die Schranken. „Hey, Süße, ich weiß nicht was du willst“, bellte er ihr entgegen und begann sie wieder am Po zu betatschen. „Ich habe gesagt, das reicht!“, wiederholte sie. „Begrabschen ist nicht“ „Hab dich doch nicht so. Du bist ein heißes Teil“, antwortete er und begann sie erneut zu befummeln. Marianne bekam langsam Probleme, der Typ ließ sich nicht mehr abwimmeln. Sie schlug seine Hände weg, die immer wieder zu ihrem Po fuhren. Plötzlich mischte sich eine ihr sehr bekannte Stimme ein. „Lass sie in Ruhe!“ Sie blickte zur Seite und erkannte Shinji, leicht hinter ihm stand Natalie, etwas verängstigt und sehr besorgt. „Was mischt du dich da ein?“ Der Typ war von der Blondine abgelenkt, so konnte sie gleich auf Abstand gehen. „Sie ist meine Freundin, also verzieh dich!“, behauptete der Japaner. Der Typ blickte ihn misstrauisch an. Er schien abzuwägen ob sich eine Schlägerei lohnte, entschied sich dann allerdings für den friedlichen Abgang. „Wenn sie meine Freundin wäre, würde ich sie nicht aus dem Haus lassen.“ Schon verschwand der Typ. Natalie ging zu ihrer Freundin. „Alles okay?“ Marianne nickte: „Ja“, und blickte ihren Kollegen an. „Danke, Shinji.“ Er nickte ihr zu und legte seinen Arm um ihre Schulter. Neckend kommentierte er: „Nicht mal Privat kann man dich allein lassen. Immer muss man auf dich aufpassen.“ Dafür boxte sie ihm mit ihren Ellbogen in den Bauch, lächelte ihn aber an. Mit Natalie verließen sie die Tanzfläche, denn Bert war von der Bar zurück und jeder nahm ihm ein Glas ab. Gemeinsam verbrachten sie noch einen schönen Abend. Kapitel 6: ----------- Spät nachts brachte Shinji seine Kollegin noch nach Hause. Auch wenn es für ihn einen Umweg bedeutete, so war er diesen gerne bereit zu gehen. Er wollte sie nicht alleine nach Hause schicken. Nicht nachdem, was er in der Disco mit angesehen hatte. Für ihn wäre es kein so großer Umweg gewesen, wenn er mit dem Auto in die Stadt gefahren wäre, da er aber direkt vom Spotlight losgezogen war, nahm er die öffentlichen Verkehrsmittel. Sie hatten kaum ein Wort miteinander gewechselt, dennoch war ihr Schweigen nicht unangenehm. Ihm wurde mehr und mehr klar, dass er gerne mit ihr seine Zeit verbrachte. Als sie vor der Haustüre eines Wohnblocks stehen blieben, lächelte Marianne ihn an. „Danke, Shinji.“ Sie versteckte ihre Arme hinter ihrem Rücken und wusste nicht so recht, wohin sie sehen sollte. Ein leichter Rotschimmer legte sich um ihre Nase. „Nicht für das hier“, wich er aus und auch er wusste nicht so recht, wie er sich verhalten sollte. Wäre das hier ein normales Date gewesen mit einem normalen Mädchen, würde das alles nicht so schwer sein. Es war aber kein normales Date und sie war seine Kollegin. Das verkomplizierte einiges. Er durfte es nicht zu sehr überstürzen. Ihre Freundschaft und ihr gutes Verhältnis unter Kollegen durfte unter keinen Umständen leiden. „Dann sehen wir uns eh in ein paar Stunden wieder“, grinste der Japaner verhalten. Marianne nickte. Aber wenn er das Thema schon mal ansprach... Sie war ihm noch eine Antwort schuldig. „Es tut mir leid, dass Natalie dich so einspannt. Ich weiß auch nicht was mit ihr los ist.“ Shinji grinste breiter. „Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich behaupten, sie hat einen Narren an mir gefressen.“ Auch Marianne lächelte. „Ja, das hat sie wohl wirklich.“ Wobei die Gedanken ihrer Freundin eher Marianne galten, als ihr selbst. Plötzlich spürte sie seine Hand an ihrer Wange. Überrascht blickte sie auf. Er stand ganz nah vor ihr. Sie hatte nicht einmal bemerkt, wie er sich angenähert hatte. Ihr Herz begann zu rasen. Seine Hand strahlte eine angenehme Wärme aus. Sie war versucht sich einfach an sie zu schmiegen, das Gefühl von Geborgenheit zu spüren, aber sie durfte nicht. Er war ihr Kollege. „Ich hab mir viele Gedanken gemacht und so wie es die letzten Tage gelaufen ist, möchte ich dass es nie wieder zwischen uns läuft.“ Marianne nickte und schlug ihre Augen nieder. Sie hatte gespürt, dass Cindy gezielt gegen sie gearbeitet hatte. Wusste er, dass seine Exfreundin das Gift versprühte? „Es tut mir leid, dass Cindy dich für den Grund der Trennung hält. Du hast das nicht verdient“, gestand Shinji aufrichtig. „Das Thema Cindy ist bald zu Ende. Es sind nur noch wenige Tage“, stimmte sie zu. Sie blickte wieder auf und hatte das Gefühl sich in seinen braunen Augen zu verlieren. Er nickte und er konnte gar nicht sagen wie erleichtert er war diese falsche Schlange bald los zu sein. Er strich der Blondine sanft über die Wange, ehe er seine Hand von ihr abließ. „Ich wünsche dir eine gute Nacht. Und ich hole dich morgen Abend um sieben ab.“ „Ja“, bestätigte sie. Sie blinzelte. „Gute Nacht, Shinji.“ Schon drehte sie sich um und ging zur Haustüre. Sie zog ihren Schlüssel heraus, sperrte auf und verschwand im Hausflur. Erst als sie im Hausflur stand, wurde ihr bewusst, wie fluchtartig sie sich verabschiedet hatte. Ihr Puls raste, ihre Hände zitterten, sie spürte immer noch die Wärme seiner Hand an ihrer Wange. Er musste sie für völlig bescheuert halten. Aber sie wusste auch, wenn sie nicht so schnell gegangen wäre, sie hätte womöglich den Fehler ihres Lebens begangen. Shinji blieb erst verdattert stehen. Hatte er sie verschreckt? Aber vielleicht war es gut so, wie sie gegangen war. Er wüsste nicht, was er noch alles getan hätte. Langsam kehrte er um. Was war nur mit ihm passiert? Wie war es geschehen, dass er sich plötzlich so zu ihr hingezogen fühlte, und vor allem wann war es geschehen? Pünktlich, wie die Uhr, standen Richard, Bill und Shinji vor Mays Haustüre und warteten auf die beiden Damen. Sie waren extra mit zwei Autos gekommen, da Richard sich nicht sicher war, ob wirklich alles in seinen Kofferraum passte. Wobei er sich erst recht nicht sicher sein konnte, ob Shinjis Sportschlitten überhaupt einen Kofferraum besaß. Nachdem Bill kein Auto hatte, denn er kam immer zu Fuß oder mit den öffentlichen Verkehrsmitteln an sein Ziel, würde sich zeigen, ob sie genug Stauraum hatten. May und Sincia traten aus dem Hausgang heraus und begrüßten ihre freiwilligen Umzugshelfer. Während Bill zu Shinji ins Auto stieg, würden May und Sincia bei Richard mitfahren. Sincia lotste ihnen den Weg zu ihrer alten Wohnung in der Stadt. Richard bemerkte, dass Sincia sehr nervös war. Er hatte sie seit ihrem gemeinsamen Abend vor ein paar Tagen in der Stadt nicht mehr gesehen. Und er hatte sie bereits vermisst. Er war gerne mit der Dunkelhaarigen unterwegs. Mit ihr konnte er sich gut unterhalten. Zudem war sie eine nette Abwechslung zu seinen Mitbewohnern, die immer anstrengend waren. Im Nachhinein fragte er sich manchmal was ihn überhaupt dazu bewogen hatte mit seinen Kollegen zusammen zu ziehen. Je näher sie der Wohnung kamen, desto zittriger wurde Sincia. Sanft legte Richard seine Hand auf ihre, die sie in ihrem Schoß gefaltet hatte und drückte sie kurz aber bestimmt. Ein kurzer aufmunternder Blick und Sincia rang sich sogar ein Lächeln ab. „Da vorne ist es“, hauchte sie. Richard nickte, setzte den Blinker um seinen Kollegen zu zeigen sich einen Parkplatz zu suchen und parkte in eine der freien Parklücken ein. Sie stiegen aus und May stellte sich neben ihre Freundin. „Wir sind da, er wird dir nichts tun.“ Etwas besorgt vernahm Richard diese Worte. War ihr Exfreund etwa gewalttätig? Hatte er ihr je etwas angetan? Er betrachtete die Lehrerin aufmerksam. Zumindest war ihr gar nicht wohl ihm wieder zu begegnen. Sie sperrte die Türe auf und trat den Weg zu ihrer alten Wohnung an. Sie fühlte sich gestärkt, da ihre neuen Freunde ihr beistanden. Nun stand sie vor ihrer Wohnungstür unschlüssig ob sie klingeln oder mit ihrem Schlüssel aufsperren sollte. Doch sobald sie den Schlüssel ins Schloss stecken wollte, kamen ihr die unschönen Erinnerungen an sein Fremdgehen auf und weshalb sie heute hier stand. Sie zog ihre Hand zurück und läutete. Die Männer waren zwar überrascht, dennoch ließ keiner von ihnen einen Kommentar fallen. Steve erschien wenig später in der Tür. Er hatte nicht mit Besuch gerechnet. Sein Hemd war ungebügelt und sah abgetragen aus, die Hose war auch nicht ordentlich verschlossen. Seine Haare wirkten verstrubbelt, als wäre er direkt aus dem Bett geholt worden. Sincias Herz rutschte in die Hose. Hatte er wieder Frauenbesuch? Als er erkannte wen er vor sich stehen hatte, trat ihm ein strahlendes Lächeln auf die Lippen. „Sincia, Baby, schön dich zu sehen. Ich wusste du würdest zurückkommen.“ „Hallo Steve“, antwortete die Lehrerin, bemüht ihre Stimme gefasst klingen zu lassen. „Ich bin hier um meine Sachen zu holen.“ Erst jetzt fielen ihm ihre vier Begleiter auf. Er kannte keines von den Gesichtern und wirklich erfreut wirkte er plötzlich auch nicht mehr. Sein Blick blieb an dem großen Blonden hängen, der seiner Freundin am nächsten stand. Irgendwie behagte ihm das nicht und er vermutete, dass dieser Mann eine Mitschuld trug, warum sie nicht mehr zurückgekommen war. Sie trat einen Schritt vor und Steve gab den Weg widerwillig frei. Sie ging voraus und ihre Begleiter folgten ihr in die Wohnung. „Ich habe noch nichts eingepackt, da ich nicht mit gerechnet hab, dass du…“, den Rest des Satzes ließ er offen. May sah wie Sincia im Wohnzimmer stand und auf die offen stehende Schlafzimmertüre blickte. „Ich pack deine Kleidung ein“, nickte sie ihrer Freundin aufmunternd zu und verschwand durch die offen stehende Türe. Shinji, Bill und Richard klappten die Umzugskartons auf, die sie mitgebracht hatten, und halfen Sincia beim Einpacken ihrer Habseligkeiten in der Küche, dem Wohnzimmer und dem Badezimmer. Steve stand reglos im Wohnzimmer, unfähig einen klaren Gedanken zu fassen. Mit jedem Teil mehr verschwand Sincia aus dieser Wohnung. Nach und nach trugen Richard, Bill und Shinji die gefüllten Kartons zu den Autos hinunter. Richard war unwohl bei dem Gedanken sie mit Steve allein im Wohnzimmer zurück zu lassen. Je schneller sie ihre Sachen aus der Wohnung geschafft haben, desto besser war es für die Dunkelhaarige. Kaum betrat er den Hausflur in ihrer Etage, hörte er einen dumpfen Schrei. Schnell und mit klopfendem Herzen preschte er in die Wohnung, direkt ins Wohnzimmer und sah Steve mit geballter Faust vor Sincia stehen. Diese saß mit vor Schreckgeweiteten Augen auf dem Boden. Ihre Unterlippe blutete. Nach einem kurzen Blick zur Schlafzimmertüre stellte er fest, dass May gar nicht schnell genug hatte reagieren können. Sie war zu weit weg gewesen um das eben geschehene vorherzusehen. Sofort schnappte er sich Steve und presste ihn wütend mit seinem ganzen Körpergewicht gegen die nächste Wand. Mit seinem Arm schnürte er dem Mann die Luft ab. „Männer schlagen keine Frauen“, zischte Richard wütend. „Was mischt du dich da ein“, keifte Steve zurück. Wütend funkelte er den Blonden an und versuchte sich zu befreien. „Bist wohl ihr neuer Lover, was?“ Mehr noch verlagerte Richard sein Gewicht. „Selbst wenn es so wäre, kann dir das egal sein.“ May eilte zu Sincia und half ihr aufstehen. Im selben Moment konnte Steve mit seinem Knie austreten und traf Richard am Oberschenkel. Wenn er genauer gezielt hätte, hätte er den Schauspieler richtig verletzt. Doch durch diesen Angriff, lockerte der Blonde seinen Griff und Steve konnte ihn von sich schubsen. Im nächsten Moment hatte Richard Steves Faust im Gesicht. Richard gab sich allerdings nicht geschlagen, selbst wenn der Schmerz ihm für einen Moment die Sinne raubte. Er ging auf Steve los und eine Schlägerei brach aus. Fassungslos standen die beiden Frauen im Wohnzimmer, unfähig sich auch nur einen Zentimeter zu rühren, als auch schon Shinji und Bill ins Zimmer traten. Zuerst überrascht über das was hier vor sich ging, reagierten sie schnell und mischten sich in den Kampf ein. Während Shinji Steve von Richard zog, hielt Bill Richard zurück. Beide funkelten sich wütend an, jeder von ihnen trug ein blaues Auge, mehrere Schwellungen und einige Platzwunden davon. Jederzeit bereit erneut aufeinander loszugehen. Shinji hatte stark mit Steve in seinem Griff zu kämpfen. Immerhin überragte Sincias Exfreund den Japaner um einen Kopf. Während Bill und Richard gleich groß und auch gleich stark waren. „Ich habe alles“, verkündete May laut. „Die letzten Umzugskartons stehen auf dem Bett.“ Sincia, immer noch zitternd, nahm sich ihren zuletzt eingepackten auf den Arm. Ihren Schlüssel legte sie auf den Wohnzimmertisch ab. „Den Rest kannst du behalten“, sagte sie mit zitternder Stimme. Und verließ die Wohnung, ohne ihren Exfreund noch einmal anzusehen. Bill und Richard gingen zu May ins Schlafzimmer und kamen kurze Zeit später wieder heraus, jeder mit zwei Umzugskartons beladen. Da sich nur Kleidung darin befand, waren diese leichter zu tragen. Shinji wartete bis Richard außer Sichtweite war und lies dann Steve los. „Uns bist du jetzt wieder los. Schönes Leben noch“, mit diesen Worten schnappte er sich den letzten Umzugskarton und verschwand ebenso schnell aus der Wohnung wie seine Freunde. Kaum stand der Japaner im Hausflur, knallte Steve auch schon die Wohnungstür hinter ihm zu. Immer noch fragte er sich was gerade in der Wohnung passierte, dass es zur Eskalation kam. Am Auto angekommen verstaute er die letzte Kiste auf seinem Beifahrersitz und ging zu Richards Auto. Dort standen alle und betrachteten den Blonden. „Mensch, wozu friedlich ausziehen, wenn man auch eine Schlägerei anzetteln kann“, bemerkte der Japaner, da er immer noch nicht verstand was genau passiert war. Richard hingegen blickte ernst Sincia an. „Wie geht es dir?“ Ihre aufgeplatzte Lippe blutete nicht mehr, dennoch schwoll sie dick an. „Es geht.“ May mischte sich ein. „Hat er das schon öfter getan?“ Sie war wahnsinnig aufgebracht, und sie war so froh, dass die Jungs heute mit dabei gewesen waren. Nicht auszudenken was sonst noch alles passiert wäre. „Nein, noch nie“, gestand Sincia, selbst erschrocken über Steves Aggression. Erst jetzt fiel dem Japaner auf, wie Sincia aussah. Er konnte schnell eins und eins zusammen zählen. „Hätte ich das eher gespannt, hätte er von mir auch noch eins auf die Zwölf bekommen“, murmelte er wütend. Nun fiel sein Blick auf seinen verletzten Kollegen. Er sah übel aus, Steve hatte durchaus Kraft in seinen Schlägen bewiesen. „Kannst du noch Autofahren?“ Abgesehen, dass sein Kopf ohne Ende dröhnte, ging es ihm relativ gut. Er war normalerweise kein Schlägertyp. Er hielt auch nichts von Schlägereien, aber heute sind mit ihm die Pferde durchgegangen. May mischte sich ein. „Ich werde fahren.“ Sie forderte den Autoschlüssel, den Richard ihr auch ohne Widerworte reichte, und stieg hinterm Steuer ein. Bill würde es sich auf dem Beifahrersitz gemütlich machen, denn im Sportflitzer war kein freier Platz mehr. Richard und Sincia stiegen auf die Rückbank ein. Besorgt blickte Richard die Lehrerin an. Diese lächelte beruhigend und umfasste zärtlich seine Hand. Sie versuchte mit ihrem Blick zu sagen, dass es ihr wirklich gut ging. Als sie die Autos wieder ausgeladen hatten war es bereits später Nachmittag. Shinji saß plötzlich wie auf heißen Kohlen. Bill entging das natürlich nicht und zog den Jüngeren auf. „Na, hast du Hummeln im Hintern?“ „Ich bin noch ins Kino verabredet“, verkündete der Japaner. „Ich hab es ein bisschen eilig. Kann ich schon mal los?“ Richard nickte, auch Sincia bedankte sich für seine Hilfe. Nur Bill wollte näheres wissen. „Mit wem gehst du denn?“ „Mit Freunden“, wich der Wuschelkopf aus. Es ging schließlich niemanden etwas an, dass er mit Marianne unterwegs war. Er dachte an den Abend zuvor zurück. Natalie und Bert wollten ins Kino gehen und haben sofort beschlossen, dass er und Marianne mitkamen. Die beiden Schauspieler wurden in dieser Entscheidung ein wenig überrumpelt, denn das Pärchen ließ keine Widerworte zu. Und so verabredeten sie sich für den nächsten Abend. Als ihm dann auch noch der innige Moment mit Marianne vor ihrer Haustür durch den Kopf ging, konnte er einen Rotschimmer auf seinen Wangen kaum unterdrücken. Dem Wuschelkopf wurde mehr und mehr klar, wenn sie nicht so abrupt gegangen wäre, er hätte sie geküsst. „So, so, mit Freunden“, hakte Bill nach. Ihm entging nichts, denn das Minenspiel seines Kumpels sagte ihm etwas ganz anderes. „Wer ist sie? Die gleiche wegen der du gestern schon nicht so pünktlich zu Hause warst?“ „Ich war gestern auch mit Freunden weg“, erwiderte Shinji und das war nicht mal gelogen. „Ich muss jetzt los. Schönen Abend euch noch.“ Schon verschwand der Jungspund. Er wollte noch kurz unter die Dusche hüpfen und sich schicker anziehen. Und nachdem sein Blick auf die Uhr fiel, sah er dass ihm nicht mehr viel Zeit blieb. May musste ins Lokal. Auch Bill verzog sich. Er würde in der Stadt einen trinken gehen, vielleicht traf er auch ein nettes Mädchen, mit dem er noch um die Häuser ziehen konnte. So blieben Sincia und Richard allein in Mays Wohnung zurück. Sincia ging ins Bad und kam wenig später mit einem Erste-Hilfe-Kasten wieder zurück. Sie setzte sich an den Küchentisch zu Richard und versorgte seine Wunden. Steve hatte mächtig ausgeteilt und der blonde, hoch gewachsene Mann musste einiges einstecken. Irgendwie sah sie es aber auch als ein Wink des Schicksals an, denn nur so konnte sie ihn jetzt verarzten, ihre Zeit mit ihm verbringen. Das schlechte Gewissen stand ihr ins Gesicht geschrieben. „Es tut mir leid, dass du das ausbaden musstest.“ Richard wusste erst nicht, was sie meinte, doch dann lächelte. „Diese Suppe hab ich mir schon selbst eingebrockt.“ Sincia blickte auf und verlor sich in den blauen Augen ihres Gegenübers. „Danke.“ „Keine Ursache.“ Sie versorgte seine Wunden, doch ehe sie aufstehen konnte um den Koffer wieder dorthin zu packen, wo er hingehörte, hielt Richard sie fest und zog sie zu sich auf den Schoß. Überrascht ließ sie sich auf seine Beine plumpsen. Sie suchte wieder seine Augen, die pure Besorgnis widerspiegelten. „Um dich mach ich mir mehr sorgen. Es ist nicht leicht so einen Schock zu verarbeiten.“ Sincia nickte, dennoch begann sie zu lächeln. „Durch diesen Ausraster hat er mir den Abschied viel leichter gemacht, als ich es befürchtet hatte.“ Sie wusste, dass es noch zu früh für eine neue Bindung war, dennoch fühlte sie sich in Richards Gegenwart sehr wohl. „Und ich weiß, dass nicht alle Männer so sind wie er.“ Sie legte ihre Hand vorsichtig an seine Wange. „Du bist ganz anders.“ Richard wusste, dass sie noch Zeit brauchte, dennoch verschloss sie sich ihm nicht ganz. Erleichterung breitete sich in ihm aus und er hauchte ihr ein Küsschen auf die Nase. Kapitel 7: ----------- Pünktlich um Sieben stand er vor dem Wohnblock, in dem Marianne mit ihrem Vater und ihrer Schwester wohnte. Sein Auto stand geparkt am Gehsteig, er selbst lehnte an der Beifahrertüre. Schon eilte Marianne heraus. Sie trug wieder eine Jeans, ein eng anliegendes Top und hatte eine Jacke über ihren Arm geworfen. Ihm stockte der Atem. Wusste sie eigentlich, welche Gefühle sie in ihm hervorrief? Er löste sich von der Beifahrertür und lächelte sie an. „Hallo M., gut siehst du aus.“ Ein Rotschimmer zierte plötzlich wieder ihre Wangen. „Danke“, antwortete sie, auch wenn sie nicht so recht wusste, wieso er ihr plötzlich Komplimente machte. Er öffnete die Beifahrertüre und ließ seine Kollegin einsteigen. Nachdem sie im Auto saß, schloss er die Türe, ging um sein Auto herum und stieg hinters Steuer. Kurz darauf fuhren sie los und er ließ sich zu Natalie und Berts Wohnung navigieren. Er betrat zum ersten Mal die geräumige Wohnung. Als er im Wohnzimmer stand, fand er ein hübsch eingerichtetes Zimmer vor. Die braunweißen Möbel harmonierten mit dem etwas dunkleren Holzboden. Eine große Ledercouch stand in der Mitte des Zimmers, davor an der Wand war ein großer Fernsehwandschrank aufgebaut mit einem riesigen Fernseher. „Wow, ist der riesig“, staunte Shinji nicht schlecht, als er selbst an seine kleine Flimmerkiste in seinem Zimmer dachte. Bert trat stolz an seinen Fernseher und pries ihn an. „Geil, oder? Ein 50 Zoll-Gerät mit einer Bildschärfe… Ich sag dir eins, beim Fußball kannst du die Grashalme zählen.“ Shinji war Feuer und Flamme. „Können wir mal anschalten?“ Bert ging zum Wohnzimmertisch und schnappte sich die Fernbedienung. Dann setzte er sich auf die Couch und lud Shinji ein sich zu ihm zu setzen. Schon schaltete er den Fernseher an und sie zappten sich durch die Kanäle. Marianne und Natalie blickten sich an. Sie standen beide im Flur, linsten ins Wohnzimmer und lauschten den Worten. Eigentlich wollten sie jetzt los um sich im Kino einen Film auszusuchen. Aber nachdem die Jungs mit dem Fernseher beschäftigt waren, entschieden sie sich in eine spätere Vorstellung zu gehen. „Was für ein Bild“, schwärmte Shinji begeistert. Er spielte mit dem Gedanken sich ebenfalls so ein Gerät zu kaufen. Natalie zog ihre Schuhe wieder aus und ging ins Wohnzimmer. „Wenn du DVD siehst, fühlst du dich wie im Kino.“ Mit dieser Anspielung wollte sie auf ihr eigentliches Vorhaben deuten, allerdings verwarfen die Männer die Abendplanung. „Das wäre es doch. Machen wir einen DVD Abend“, platzte Bert heraus. „Schatz, das ist doch in Ordnung, oder?“ Auch Marianne trat ein und blickte unentschlossen auf die Flimmerkiste. Bei Bert und Natalie war es gemütlicher auf der Couch zu sitzen, als auf den harten Stühlen im Kino. Die beiden Frauen tauschten einen Blick aus und nickten schließlich zu. „Dann bereiten wir mal alles für unseren Heimkinoabend vor“, antwortete Natalie und ging gefolgt von Marianne in die Küche. Dort begannen sie Popcorn zu machen und Cocktails zu mixen. Es war beschlossen. Statt des geplanten Kinoabends, blieben sie bei Bert und Natalie zu Hause und entschieden sich für einen netten DVD Abend. Nachdem die Männer die DVD ausgesucht hatten und die Mädels mit selbst gemixten Cocktails und einer großen Popcornschüssel ins Wohnzimmer kamen, machte es sich Shinji schon mal auf der Couch gemütlich. Marianne setzte sich neben ihn und platzierte die Popcorn Schüssel auf ihrem Schoß. Ehe sie herzhaft hineingriff, holte sich Shinji schon eine handvoll Popcorn heraus. Natalie hockte sich zu Bert, der den Player anschaltete und griff nach der leeren Hülle. „Oh, nein“, seufzte sie. „Wenn man euch mal den Film aussuchen lässt. Habt ihr keinen romantischen, kitschigen oder humorvollen Film gefunden? Wir haben an die hundert DVDs da, aber ihr sucht euch den gruseligsten heraus.“ Marianne hielt inne. „Gruselig? Oh, nein“, ihr schauderte schon bei dem Gedanken an einen Gruselschocker. Shinji grinste zu seiner Kollegin hinunter. Er wusste schon, warum er Bert diesen Film gereicht hatte. Der hatte ihn sofort mit einem breiten Grinsen angenommen und zugestimmt. Schon hüpfte Natalie auf die Couch, neben ihre beste Freundin und verkündete lauthals: „Ich werde dich beschützen, mein Schatz!“ Dabei griff sie beherzt nach der Popcornschüssel und grabschte dort hinein. „Meinst du mit Schatz: Marianne oder das Popcorn“, zwinkerte Shinji Natalie zu. Diese nahm die Vorlage an. „Ich werde das Popcorn beschützen und mich selbst von meinem Schatz beschützen lassen. Für Marianne bist du zuständig.“ Der Blondine gefiel nicht, wie ihre Freunde miteinander redeten. „Ich kann sehr gut auf mich selbst aufpassen“, konterte sie deshalb. Bert ging zum Lichtschalter, schaltete das Licht aus und nun erhellte nur noch der große LCD-Fernseher das gemütliche Wohnzimmer. Shinji griff noch mal ins Popcorn, ehe Natalie ihrer Freundin die Schüssel klaute und sich eng an Bert kuschelte, der sie sofort mit seinen Armen umfing und sie den Abend über nicht mehr hergeben würde. Marianne beneidete ihre Freundin. Mit Bert hatte sie einen Glücksgriff gelandet. Es gab nicht viele Männer wie ihn. Sie warf einen kurzen Blick zu Natalie und Bert. Seit einigen Jahren waren sie schon ein Pärchen. Marianne konnte sich kaum noch an die Zeit erinnern, als sie beide Singles waren und gemeinsam in eine Partynacht loszogen. Sie gönnte ihrer Freundin aber auch ihr Glück und hoffte, dass Bert Natalie niemals wehtat. Sie zog ihre Beine an und kuschelte sich an die Couch. Neben ihr saß Shinji und blickte wie gebannt auf den Film. Sie selbst konnte mit Gruselfilmen nicht viel anfangen, dennoch versuchte sie ihre Aufmerksamkeit auf den Film zu lenken. Allerdings dauerte es nicht lange bis zum ersten großen Schockmoment. Marianne versteckte ihr Gesicht hinter ihren Händen und lugte durch die leicht gespreizten Finger auf den Fernseher. Shinji, der sich mehr auf die hübsche Blondine neben sich konzentrierte, als auf den Film, bemerkte ihr Verhalten. Er positionierte sich noch ein bisschen bequemer auf der Couch und legte sanft den Arm um ihre Schulter. Dabei übte er ein wenig Druck aus und zog Mariannes Oberkörper an seinen heran. Kurz darauf spürte er ihren Kopf an seiner Schulter. Die Blondine ließ ihn mit pochendem Herzen gewähren. Sie löste ihre verkrampfte Haltung umschloss mit ihren Händen ihre Knie und spürte die Wärme, die von seinem Körper ausging. Sie konnte sein Aftershave riechen und spürte seine Finger an ihrem Oberarm, die langsam begannen ihren Arm zu streicheln. Sie kuschelte sich noch ein wenig näher an ihn, konzentrierte sich auf seine Fingerkuppen auf ihrer Haut und fühlte das sanfte Prickeln, welches sie bei der Berührung hinterließen. Sie fühlte sich mit einem mal so entspannt, dass sie kurz darauf einschlief. Shinji bemerkte dies gar nicht. Er war zu sehr damit beschäftigt sein klopfendes Herz unter Kontrolle zu halten. Wenn sie nur annähernd wüsste, welche Gefühle sie in ihm auslöste… Er unterband diesen Gedanken wieder und schielte kurz zu Natalie und Bert. Die beiden saßen kuschelnd zusammen. Während Bert sich voll und ganz auf den Film konzentriere, bemerkte Shinji, dass Natalie mit einem breiten Grinsen immer wieder zu ihm und Marianne herüberschielte. Auch er schmunzelte ein wenig. Natalie gefiel also was sie sah. Sanft blickte er auf den blonden Haarschopf an seiner Schulter hinunter und hauchte ihm ein Küsschen drauf, ehe er selbst seinen Kopf an ihren lehnte. Noch nie hatte er so gefühlt. Es fühlte sich zum ersten Mal richtig an. Als der Film vorbei war, weigerte sich Natalie aufzustehen. Sie fühlte sich so wohl in den Armen ihres Freundes und auch Marianne und Shinji schienen so vertraut miteinander. Es war ihr schon am ersten Abend aufgefallen, welch Harmonie zwischen beiden herrschte. Ihr kam es vor, als wäre es vom Schicksal vorherbestimmt, dass sie zusammen gehörten. Langsam richtete sie sich auf und krabbelte zu ihrer besten Freundin rüber. Dass diese schlief war bis zu dem Zeitpunkt noch niemanden aufgefallen. Frech zwinkerte sie den Braunhaarigen an. „Wollen wir sie schlafen lassen? Oder sollen wir sie aufwecken?“ „Ihr könnt gerne hier übernachten. Die Couch ist schnell zur Schlafcouch umgebaut“, bot auch Bert an. Auch Natalie nickte: „Und fürs Frühstück haben wir auch genug da um euch mit satt zu bekommen.“ Es war ein verlockendes Angebot. Zum einen hatte er keine Lust sich jetzt auf den Heimweg zu machen, zum anderen könnte er die gemeinsame Zeit mit Marianne noch ein wenig hinauszögern. Doch diese Entscheidung dürften sie nicht über ihren Kopf hinweg entscheiden. Er richtete sich ein wenig auf, da schlug Marianne auch schon ihre Augen auf. Im Fernseher lief irgendwas, aber es war nicht mehr der Horrorfilm. Müde rieb sie sich über ihre Augen. „Ist der Film schon aus?“ „Ja, und wir haben soeben überlegt, ob ihr heute Nacht hier bleiben wollt“, antwortete Natalie. Marianne versuchte ihre Gedanken zu sortieren. Große Lust nach Hause zu fahren hatte sie nun auch nicht mehr. „Also ich würde gerne hier bleiben. Ich kann morgen auch mit den Öffentlichen nach Hause fahren.“ Shinji nickte. „Ich hab schon was getrunken, da würde ich nicht mehr so gerne fahren.“ Es war nur ein Cocktail und seine Ausrede klang sehr fadenscheinig, dennoch stimmte Bert zu. „Dann steht mal kurz auf“, schon klappte er die Schlaffunktion aus. Natalie holte aus dem Schlafzimmer Bettwäsche und stellte ihren Gästen im Bad Zahnbürsten hin. Für Übernachtungsgäste hatte sie immer neue Zahnbürsten in Reserve. Mit leichtem Unbehagen stand Marianne vor der großen Schlafcouch. Sie würde mit Shinji gemeinsam auf der Couch nächtigen. Ging das nicht ein bisschen zu schnell, dafür dass sie nur Kollegen waren? Kurz nachdem Natalie und Bert sich für die Nacht verabschiedet hatten, bemerkte der Wuschelkopf: „Wenn es dir unangenehm ist, dann schlafe ich auf dem Boden.“ „Blödsinn, die Couch ist groß genug für uns beide“, erwiderte sie sofort. Auf dem Boden schlafen… Der kam auf Ideen. Sie verzog sich kurz ins Bad, putzte sich die Zähne und klatschte sich Wasser ins Gesicht. Man sah ihr die Aufregung an und das war nicht gut. Und sie müsste ihrem Vater noch eine Nachricht schicken, sonst drohte ihr morgen ein Donnerwetter. An und für sich war es ja auch nichts neues das sie bei ihrer Freundin übernachtete. Langsam beruhigte sie sich und verließ das Badezimmer. Kurz nach ihr verschwand auch Shinji darin. Als er wieder herauskam lag Marianne unter ihrer Bettdecke und kuschelte sich an das weiche Polster. Er legte sich zu ihr und zog sich seine eigene Decke über. Die Blondine hatte ihm den Rücken zugewandt und machte sich besonders schmal. Wenn sie so liegen blieb, könnten noch zwei Personen mit ihnen auf der Couch schlafen. Shinji hatte mehr als genug Platz. Er war versucht ihr über die Mähne zu streichen. Ihre Haare faszinierten ihn. Sie waren blond und lang, dazu ihre blauen Augen. Sein Herz pochte aufgeregt in seiner Brust. „Ich hab genug Platz“, bemerkte er neckisch. Zumindest bewirkte dieser Kommentar, dass sie sich ihm zuwandte. Nun lag sie auf dem Rücken, allerdings spürte sie seine Schulter an ihrer. Soviel Platz war dann wohl doch nicht. Stumm blickte sie ihm in die Augen. „Darf ich dich etwas fragen?“, bohrte er vorsichtig nach. Er drehte sich ihr zu und blickte ihr in ihre blauen Augen. Sobald er merkte, dass sie nicht bereit war darüber zu reden, würde er sofort abbrechen. „Was ist passiert, dass du deine Mutter so meidest?“ Marianne schluckte. Sie blickte in seine braunen Augen und verlor sich wieder darin. „Ich war fünf Jahre alt. Marie war bereits zehn und in der Schule. Meine Eltern hatten sich schon immer sehr viel gestritten, wobei meine Mutter immer ihre Unzufriedenheit an meinem Vater ausließ. Sie hielt ihm grausame Dinge vor.“ „Welche Dinge“, hakte Shinji sanft nach. „Er hätte ihr Leben zerstört. Mit Kindern, die sie nie gewollt hatte. Sie hätte andere Pläne gehabt.“ Sie erklärte: „Sie war noch jung, als sie sich kennen lernten. Sie wurde schnell schwanger. Dann folgte die Hochzeit, denn ein uneheliches Kind zu haben war ein Verbrechen zur damaligen Zeit. Kaum war Marie aus dem Gröbsten heraus, verschwand sie nächtelang. Sie war viel feiern, während mein Vater sich um meine Schwester kümmerte. Und dann wurde meine Mutter wieder schwanger.“ Er spürte, dass Marianne sich schwer tat darüber zu sprechen. Darum begann er sanft ihren Haarschopf zu kraulen. „Ich war letztendlich der Auslöser für ihre Unzufriedenheit. War meine Schwester nicht geplant gewesen, ich war erst recht unerwünscht. Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte es nach Marie kein zweites Kind gegeben.“ Das Marianne auch vom selbem Vater war, musste er nicht hinterfragen. Marie und sie sahen sich so ähnlich und beide hatten auch Ähnlichkeit mit ihrem Vater. Ihm schauderte. Wenn der wüsste, wo und in welcher Gesellschaft sich seine Tochter befand, Shinji wäre glatt einen Kopf kürzer. Ihr Vater konnte ihn noch nie leiden, aber nun verstand er den Grund dafür ein bisschen besser. Mariannes Worte rissen ihn wieder aus seinen Gedanken. „Wieder entzog sie sich ihrer Verantwortung, war oft unterwegs. Wenn sie nach Hause kam, stritten sie sich. Es fielen Worte, die Marie und ich lange nicht verstanden hatte. Unschöne Worte. Sie hielt ihm immer wieder dasselbe vor. Er hätte ihr Leben zerstört. Mit zwei Kindern, die sie nie gewollt hatte. Eines Tages packte sie ihre Sachen und verschwand.“ Marianne wandte ihre Augen ab und schluckte bitter. Sie spürte seine zärtliche Geste an ihrem Schopf, dennoch konnte er ihr den Schmerz nicht nehmen. Shinji spürte, dass sie sehr enttäuscht von ihrer Mutter war. Sanft legte er seine andere Hand an ihre Wange und begann sie dort ebenfalls zu streicheln. Er wusste nicht, was er dazu sagen sollte. „Ich…“, begann sie von neuem, wusste allerdings nicht ob sie fähig war sich ihm ganz anzuvertrauen. Sie würde ihm ihr innerstes Seelenwohl anvertrauen. Er wüsste mehr über sie, als ihre engsten Vertrauten. Sie suchte seine Augen. Seine braunen Augen, die sie treu und verständnisvoll ansahen und sie ermutigten zu erzählen. „Ich hab gehofft, dass sie zurückkommt. Jeden Tag aufs Neue zerschlugen sich meine Hoffnungen. Mein erster Schultag stand an. Diesen wichtigen Tag konnte sie nicht einfach vergessen haben. Aber sie erschien nicht. Sie hat sich nie gemeldet. Weder zu meinem Geburtstag, noch an Weihnachten. Marie erging es ebenso, dennoch gab sie die Hoffnung nicht auf, dass das Verhältnis mit unserer Mutter wieder besser würde. Inzwischen besucht Marie sie alle paar Wochen. Die beiden verstehen sich wieder besser, zumindest behauptet das meine Schwester.“ Sie spürte die Wärme seiner Hand auf ihrer Wange. Sie blickte ihn an und stellte fest, dass er sie aufmerksam anblickte. Es tat ihr gut mit ihm zu sprechen. Lange wog er seine Worte ab. Nicht sicher, ob es ihm denn zustand, seine Meinung überhaupt zu sagen. Dennoch fasste er einen Entschluss. Seine Augen blickten warm in ihre Augen. Seine Stimme war so sanft: „Du solltest dich mit deiner Mutter aussprechen. Auch wenn es schwer und unschön wird.“ Sie blickte ihn fassungslos an. Ihr lagen schon bissige Worte auf der Zunge, als sie bemerkte, dass er es nur gut mit ihr meinte. Sie nickte schließlich: „Vielleicht sollte ich das wirklich mal“, gab sie zu. Wieder sah sie in seine Augen. „Was ist mit deiner Familie?“ Shinji hielt inne. Er war versucht sich abzuwenden, ihr irgendwas zu erzählen, doch dann hielt er es nicht für richtig. Sie war so ehrlich zu ihm und hatte ebenso die Wahrheit verdient. Er schluckte, drehte sich auf den Rücken und blickte die Decke an. Nicht so recht wissend, wo er anfangen sollte zu erzählen. „Meine Familie lebt in Japan. Nach meinem Abschluss sollte ich in die Firma meines Vaters einsteigen. Doch ich wollte die Welt sehen. Ich wollte mir die verschiedenen Länder und ihre Kulturen ansehen, ehe ich für immer an Japan gekettet sein würde. Als ich ihm dies mitteilte, drohte mein Vater mir mich zu enterben. Wir sind damals ziemlich heftig aneinander geraten, haben uns sehr gestritten. Ich habe damals wütend meine Sachen gepackt und bin gegangen.“ Er schluckte. „Auch wenn ich mich immer wieder bei ihnen gemeldet habe, ihnen meine aktuelle Adresse und Telefonnummer gegeben hatte, keiner von ihnen hat je angerufen und gefragt wie es mir geht. Als ich hier ankam, bot man mir eine Stelle als Schauspieler an. Und da mir meine Eltern zwischenzeitlich den Geldhahn zugedreht hatten, nahm ich die Stelle sofort an.“ Marianne richtete sich auf. Sie blickte auf ihren Kollegen herunter, während sie ihm eine störrische Haarsträhne aus dem Gesicht strich. „Das ist ja schrecklich“, hauchte sie mitfühlend. Shinji lächelte sie an. „Na ja, so schlimm ist es nun auch wieder nicht“, spielte er herunter. Dennoch schüttelte Marianne ihren Kopf. „Ich habe immerhin meine Schwester und meinen Vater um mich, du hast…“, sie stockte. Ihr Herz blutete mit einem Mal. Das hatte niemand verdient und schon gar nicht er. Sanft hob Shinji wieder seine Hand, strich ihr eine Haarsträhne hinters Ohr und flüsterte: „Ich habe Richard und Bill…“, antwortete er auf ihren unausgesprochenen Satz. „…und ich habe dich“, gestand er ihr noch leiser. Er führte seine Hand an ihren Hinterkopf und zog sie zu sich hinab, bis er ihre Lippen berühren konnte. Als er sie zu küssen begann, ihre weichen und zarten Lippen schmeckte, explodierte in ihm ein Feuerwerk. So hatte er noch nie zuvor gefühlt. Zärtlich berührte sie ihn an seiner Wange, streichelte ihn und erwiderte seine Küsse. Mit seinem Kuss hatte er sie gefangen, ihre Gefühle gingen mit ihr durch und sie ließ sich von seinen Lippen mitreißen. Nach einer gefühlten Ewigkeit löste er den Kuss und lächelte. „Wir sollten jetzt schlafen.“ Marianne, die immer noch verwirrt über ihren inneren Gefühlsausbruch war, nickte. Sie wollte sich ihm wieder abwenden, doch er war schneller. Er zog sie in seine Arme und kuschelte sich an sie. So sollte es ein. Endlich spürte er das Gefühl von Geborgenheit. Kapitel 8: ----------- Natalie wachte als erste auf. Sie packte sich ihre Klamotten unter den Arm und verließ das Schlafzimmer. Sie schlich zur Couch und betrachtete einen Moment das Bild, welches sich ihr bot. Aneinander gekuschelt und mit einem glückseligen Lächeln verweilten ihre Gäste im Land der Träume. Mit einem Grinsen im Gesicht zog sie sich zurück und nahm den ursprünglichen Weg zum Badezimmer. Dort duschte sie sich, fröhlich pfeifend. Nachdem sie fertig war, sich abgetrocknet und angezogen hatte, verließ sie das Bad. Sie schlich wieder durchs Wohnzimmer in die Küche und bereitete das Frühstück vor. Marianne wachte auf. Ihr entging nicht die Bewegung ihrer Freundin, auch wenn diese sich noch so leise verhielt. Sie schlug langsam ihre Augen auf und sie blickte direkt auf Shinjis Halsbeuge und Schulter. Sie spürte sein Kinn auf ihrem Kopf liegen und verfolgte seine ruhigen Atemzüge. Das Gefühl in diesem Moment war einfach unbeschreiblich und sie wünschte, dass es für den Rest ihres Lebens genauso bleiben würde. Ihre Fingerspitzen wanderten zu ihren Lippen, als sie an den Kuss zurückdachte. Seit gestern Nacht herrschte ein Kampf zwischen Verstand und Herz. Auch wenn ihr Verstand erkannte, dass Shinji in seinen Frauenbekanntschaften die Flucht aus der Einsamkeit gesucht hatte, so erachtete er ihn noch lange nicht als einen Mann an ihrer Seite, wogegen das Herz alle Vernunft über Bord warf und diesem Mann total verfallen war. Sie spürte seinen Arm auf ihrer Taille und versuchte den so sanft wie möglich von ihr zu lösen. Sie wollte ihn nicht unnötig wecken, darum schälte sie sich aus seiner Umarmung und kletterte über die Couch. Leise schlich sie ins Badezimmer um sich dort ein wenig frisch zu machen, ehe sie zu ihrer Freundin in die Küche ging. „Guten Morgen“, grinste Natalie fröhlich. „Ebenso“, lächelte Marianne zurück. Ihr entging keineswegs das breite Grinsen. Die Freundin wollte alles wissen. Dennoch entschied die Blondine sie noch ein wenig zappeln zu lassen. Zu groß war die Gefahr, dass er aufwachte und sie belauschen könnte. „Und?“, hakte auch schon Natalie neugierig nach, während sie die Brötchen in den Ofen schob und die Eier anpiekste um sie in das bereits kochende Wasser zu legen. „Ich hab Kohldampf“, wich die Schauspielerin aus. „Das meine ich nicht. Was lief da gestern Nacht noch?“ „Nichts, ich bin sehr schnell eingeschlafen“, wich sie wieder aus. Sie setzte sich schon an den Esstisch, der bereits liebevoll gedeckt war, und schenkte sich schon mal eine Tasse Kaffee ein, denn dieser stand ebenfalls in einer Kanne schon fertig auf dem Tisch. Die Aussage gefiel Natalie überhaupt nicht. „Gar nichts?“ Eine zaghafte Röte trat Marianne auf die Wange, die sie aber schnell wieder abschüttelte. „Sagte ich doch schon.“ Eindringlich betrachtete sie die Blondine. Ihre Augen strahlten immer aber dieses Mal glänzten sie nahezu. Sie glaubte ihrer Freundin kein Wort. Dafür kannte sie sie schon zu lange. Sie beschloss der Blondine nochmals auf den Zahn zu fühlen. Aufmerksam beobachtete sie die Augen ihrer Freundin. „Shinji ist ein netter Kerl.“ Und tatsächlich konnte sie beobachten, wie die Augen ihrer Freundin anfingen zu leuchten, als der Name ihres Kollegen fiel. „Das hab ich ja nie bestritten“, behauptete Marianne verwirrt. Sie verstand nicht worauf ihre Freundin hinaus wollte. „Ich würde mich freuen, wenn…“ Mit einem gutgelaunten „Guten Morgen“ betrat Bert die Küche. Er setzte sich zu Marianne an den Tisch und schenkte sich ebenfalls schon einen Kaffee ein. „Mmh, das riecht gut“, lobte er seine Freundin und gab ihr einen sanften Klaps auf den Po. Der Ofen piepste, die Brötchen waren fertig und in dem Moment klingelte auch die Eieruhr. Während Natalie die Eier abschreckte und in jeden Eierbehälter ein Ei legte, betrat auch der letzte die Küche. Es war Shinji, dessen Haare noch wirrer fielen, als sie sowieso schon waren. Er lächelte fröhlich in die Runde, wobei seine Augen auf Marianne hängen blieben. Er konnte immer noch nicht ganz glauben was zwischen ihnen passiert ist. „Guten Morgen, Shinji, setz dich“, begrüßte Natalie ihn fröhlich und sah sich in ihrem Verdacht bestätigt, dass dieses Nichts, wie Marianne beschrieben hatte, ein bedeutender Vorfall gewesen sein musste. Sie ließ die beiden den ganzen Morgen nicht mehr aus den Augen und fand schnell heraus, dass immer wieder einer zum anderen guckte, wenn er sich unbeobachtet fühlte. Als sie in ihr Marmeladenbrötchen biss, kam ihr nur ein Gedanke: Verliebt bis über beide Ohren. Nach dem gemeinsamen Frühstück, verabschiedeten sich die beiden bei ihren Gastgebern und Shinji brachte Marianne mit dem Auto nach Hause. Sie schwiegen die gesamte Fahrt über, wussten sie beide nicht, wo sie die letzte Nacht einzuordnen hatten. Vor ihrem Wohnblock parkte Shinji, schnallte sich ab und drehte sich ihr zu. „M.“, fasste er allen Mut zusammen. „wegen gestern Abend. Ich bereue das nicht“, gestand er. Sie blickte ihn erleichtert an. Es war ein Kuss, ein Kuss der ihre Gefühlswelt auf den Kopf gestellt hatte, aber es gab in ihren Augen nichts zu bereuen. „Ist schon okay“, lächelte sie. „Wir sehen uns morgen in der Arbeit.“ Sie hielt kurz inne, ihre Augen ruhten für den Bruchteil einer Sekunde auf seinen Lippen, doch dann suchte sie seine Augen. „Vielen Dank fürs mitnehmen.“ Im nächsten Moment war sie abgeschnallt und aus dem Auto verschwunden. Shinji blieb verwirrt zurück. So einen Abschied hatte er sich dann auch nicht vorgestellt. Aber vielleicht war es besser so. Sie waren immerhin Kollegen. Er setzte sich wieder ordentlich auf seinen Sitz, gurtete sich an und startete den Motor. Wenig später düste er die Straße hinunter. Bill war an diesem Morgen beim Bäcker und hatte frische Brötchen geholt und ein paar Croissants. Nun saß er mit Richard am Esstisch in der Küche, die der zentrale Mittelpunkt ihrer Wohngemeinschaft war und frühstückte. Seine Augen glitten über Richards Buntschillerndes Gesicht. Inzwischen haben die Schwellungen eine Farbmischpalette von blau über lila hin zu grün bis gelb angenommen. „Die Mädels morgen in der Maske werden ihre wahre Freude mit dir haben“, bemerkte er. Irgendwie fand er es immer noch komisch, dass ausgerechnet Mister Vornehm sich zu einer Prügelei hat verleiten lassen. „Tonnenweise Make-up kann das schon verdecken“, winkte Richard ab. Dass der Lockenkopf auch immer so übertreiben musste. Er hatte sein Spiegelbild an diesem Morgen selbst gesehen und wenn alles gut ging, würde es in den nächsten Tagen besser werden. „Wo bleibt denn jetzt eigentlich unser Sportsfreund?“ „Weiß auch nicht, scheint einen mächtig tiefen Schlaf zu haben“, erwiderte der Braunhaarige, der die Tür zum Kameraden im Auge behielt. Er hatte schon mehrmals geklopft, aber der Jungspund reagierte nicht. Er war zu neugierig, aber in ihrer Mitbewohnervereinbarung stand Privatsphäre an oberster Stelle. Sie hatten sich darauf geeinigt kein Reich des Kollegen zu betreten, ohne dessen ausdrückliche Erlaubnis. Nachdem der Japaner keinen Mucks von sich gab, durfte Bill auch nicht ins Zimmer gehen. Cindy betrat die Küche. Sie hatte den gesamten Morgen das Bad eingenommen und nun trat sie frisch erholt, fertig angezogen und wach in die Küche und setzte sich mit an den Tisch. „Ui, Frühstück“, grinste sie und bediente sich ohne überhaupt zu fragen, ob sie denn mit eingeplant gewesen sei. „Na, haben wir heute mal Kleidung an?“, zog Bill die Kollegin auf. „Für was hältst du mich eigentlich?“, fauchte Cindy genervt zurück. Bill zog seine Augenbrauen in die Höhe: „Das kannst du dir nicht denken?“ „Hört auf, ich hab genug von euren Streitereien“, mischte sich Richard ein. In diesem Moment hörten sie einen Schlüsselbund scheppern, wenig später ging die Türe auf und Shinji betrat die Küche. Überrascht, dass sie alle schon wach am Küchentisch saßen und frühstückten, blickte er sie an. „Ich glaub mich laust der Affe“, grinste Bill breit. „Wo kommst du denn her?“ Das anzügliche Grinsen verschwand gar nicht mehr aus seinem Gesicht. „Ich war… ehm… ich wollte…“, stammelte der Japaner überrascht. Auch Richard entging nicht die Verlegenheit des Kollegen. „Sag mal, kann es sein, dass dein Kinobesuch gestern etwas länger gedauert hat?“ Shinji atmete tief durch. Sie konnten von ihm denken was sie wollten, er würde sich zu keiner Aussage verleiten lassen. Er straffte die Schulter und ging zu seinem Zimmer: „Guten Morgen.“ Bevor er in sein Zimmer verschwinden konnte, hielt ihn Bill zurück. So schnell würde den Nachtschwärmer nicht davon kommen. „Na, los, Kumpel, erzähl schon. Wie war es denn im Kino mit deinen Freunden?!“, provozierte der Lockenkopf freudig. Dem Schauspieler entging nicht, wie sein Partner das Wort Freunde betonte. Der Spürsinn des Kollegen hatte schnell erraten, dass es sich wirklich um eine Frau gehandelt hatte, mit der er unterwegs war. Dass er erst jetzt nach Hause kam, unterstrich die Vermutung, dass er die Nacht mit ihr verbracht hatte. Hier lag er allerdings falsch. Der Japaner hüllte sich in Schweigen. „Muss wohl ein ganz heißer Feger sein, wenn du sogar die Nacht mit ihr verbringst“, stellte Bill unbekümmert fest. Er würde schon noch erfahren, was er wissen wollte. „Ist es die gleiche, mit der du am Vorabend unterwegs warst?“ Wenn er erst einmal herausfand, dass es sich um ihre gemeinsame Kollegin handelte, hätte er nichts mehr zu lachen. Bill war in dieser Hinsicht unberechenbar und er würde seine Scherze auf ihrer beiden Kosten machen. „Ich sagte doch schon, ich war mit Freunden unterwegs“, erwiderte der Japaner bestimmt. „Ja, klar, du glaubst doch nicht im Ernst, was du da erzählst. Welchen Film habt ihr euch denn angesehen?“, hakte er interessiert nach. Hier stand er nun. Er wusste nicht einmal was für Filme im Kino überhaupt liefen. „Wir waren nicht im Kino. Sind zu Hause geblieben und haben einen DVD Abend gemacht. Nach ein paar Cocktails wollte ich nicht mehr fahren. So bin ich über Nacht geblieben“, gestand Shinji letztendlich doch. „Und wer ist diese Unbekannte bei der du geblieben bist?“, bohrte Bill unnachgiebig weiter. „Freunde. Ich habe bei Freunden übernachtet, nicht bei einer Frau. Bill, es waren Freunde“, wiederholte er beharrlich. „Das glaub ich kaum“, neckte der Lockenkopf. Er hatte sich bereits eine Meinung gebildet, da konnte der Jungspund behaupten was er wollte. „Lass es gut sein“, mischte sich Richard ein. Was seinen Kollegen entgangen war, ihm aber keinesfalls, das war der Gesichtsausdruck von ihrer Mitbewohnerin, die gleichzeitig auch Shinjis Exfreundin war. So schnell ersetzt zu werden wünschte sich keiner. Der Japaner verzog sich schnell in sein Zimmer, ehe Bill wieder seine Spielchen trieb und Bill wandte sich genüsslich seinem Frühstück zu. Nicht aber ohne sich fest vorzunehmen, dass er den Kleinen im Auge behielt. Cindy blieb verstummt am Tisch sitzen, blickte weder Richard noch Bill an und kaute wütend auf ihrem Honigbrötchen. In ihr kam ein Verdacht auf und sollte sich dieser wirklich bestätigen, würde sie dieses blonde Gift zur Rechenschaft ziehen. Karl kam am Nachmittag mit Lory vorbei um seine restlichen Sachen zu holen. Während er noch in seinem Zimmer einpackte, stand Lory in der Küche und unterhielt sich angeregt mit Richard über die neue gemeinsame Wohnung. „Ich freu mich so endlich mit Karl zusammen zu ziehen“, erzählte sie ihm bestimmt schon zum vierten Mal. Lory war eine hübsche, junge Frau, die in einer Bank arbeitete. Ihre Augen strahlten vor Begeisterung über diesen neuen Lebensabschnitt. Von dem wilden Geplapper in der Küche, zog es auch Shinji wieder aus seinen vier Wänden hervor. Als er den Besuch erkannte, trat er freudig auf sie zu. „Hallo Lory, schön dich zu sehen.“ „Shinji“, freudig begrüßte sie ihn auch. „Wie geht’s dir?“ „Bestens“, antwortete der Japaner lächelnd, als Bill sich einmischte, der unbemerkt näher trat. „Natürlich mit einer neuen Freundin geht es einem immer bestens“, stichelte der Kollege. „Schön dich zu sehen, Lory“, begrüßte er nebenbei Karls Freundin. „Kannst du damit mal aufhören?“, fuhr der Japaner den Lockenkopf an. „Nein, erst wenn du mir verrätst wer dieses heiße Teil ist und was da alles läuft“, bemerkte der Größere beharrlich. „Es läuft nichts zwischen uns!“ Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, wurde ihm das Ausmaß klar. Grinsend zog Bill seine Augenbrauen hoch und verschränkte seine Arme vor der Brust. „Aha!“ Er hatte also richtig vermutet. „Jetzt haben wir zumindest mal die Bestätigung, dass da eine Frau mit drin steckt.“ „Ich hab dir gesagt Freunde. Freunde beinhaltet Frauen, wie Männer.“ „Ja, ja“, winkte der Größere ab. „Also, wer ist sie, wie sieht sie aus? Wie ist ihr Name?“ „Alles Dinge, die dich nichts angehen, Kumpel“, grummelte der Jüngere. Richard mischte sich genervt ein. „Geht das schon wieder los? Könnt ihr euch nicht einmal jeder um seine eigenen Probleme kümmern?“ „Ich halt mich bei ihm raus, aber er mischt sich ständig in meine Angelegenheiten ein“, wies der Japaner die Schuld von sich. „Ist ja mal wieder klar, dass ich der Schuldige bin“, grummelte Bill finster. Ein glockenhelles Lachen durchbrach den Streit. Lory mochte die drei Jungs und wie sie sich gegenseitig ärgerten fand sie zum Schießen. Eigentlich schade, dass Karl und sie in eine gemeinsame Wohnung ziehen. Sie könnte sich durchaus vorstellen mit diesen drei Chaoten und ihrem Schatz zusammen zu wohnen. Nur bisher war kein Zimmer frei und für ihre weitere Zukunftsplanung würde es schwer werden einen gemeinsamen Nenner zu finden. Besonders wenn dann wirklich irgendwann Kinder kommen sollten. Sie errötete bei ihren eigenen Gedanken. Um sich wieder abzulenken grinste sie die drei an. „Ihr seid einmalig!“ Karl kam aus seinem Zimmer heraus, angelockt von der geselligen Unterhaltung. Er ging zu Bill und Shinji und legte jeweils einen Arm um die Mitbewohner. „Lory ist meine Freundin, Jungs!“, stellte er noch einmal mit ernster Mimik klar, ehe der Schalk in seinen Augen aufblitzte. Als er alles gepackt hatte, halfen ihm seine Mitbewohner und Lory alles ins Auto zu verstauen. Für Richard war dies eine gute Ablenkung, für Shinji eine Fluchtmöglichkeit und Bill half, weil alle mit anpackten. Marianne saß in ihrem Zimmer und ließ ihre Lieblingsmusik laufen. Sie saß auf ihrem Bett, hing ihren Gedanken nach und wippte unbewusst mit der Musik mit. Sie musste an so vieles denken. Da war zum einen ihr Vater, der sie und ihre Schwester alleine groß ziehen musste und für sich selbst nie wieder eine Frau gesucht hatte. Zum anderen musste sie an Shinjis Worte denken. Seine Meinung über eine Aussprache war ehrlich und überzeugend gewesen. Immerhin war sie ihre Mutter, auch wenn sie für Marianne nie da gewesen war. Tja, und dann musste sie an Shinji selbst denken. An seine Worte, seine Familie, seinen Kuss… Ihr Herz pochte wieder ganz aufgeregt in ihrer Brust. Seine Lippen waren so warm und weich. Als sie sich berührten spürte sie die Zärtlichkeit. Die ganze Situation trat ihr wieder vor Augen und eine sanfte Röte zeichnete sich auf ihren Wangen ab. Sie hatten sich wirklich geküsst. Und wie ihr Körper auf diese Berührung reagierte, machte ihr Angst. So hatte er nicht einmal auf Karls oder auch die Berührung anderer Männer reagiert. Konnte es wirklich sein, dass sie sich in ihren Kollegen verliebt hatte? Sie versuchte die Antwort in ihrem Inneren zu finden, doch sie bekam keine klaren Gedanken darüber. Er war immerhin ihr Kollege. Und er war ein Frauenaufreißer. Würde er sie wie eine von vielen behandeln? Sofort stieg Zweifel auf. Sie schüttelte ihren Kopf. Sie wollte keine von vielen werden. Was am Abend zuvor geschehen war, bereute sie nicht, aber sie durfte es auch nicht wieder passieren lassen. Es klopfte zaghaft an ihre Zimmertüre. Schon betrat Marie das Zimmer. „Hey, Marianne“, begrüßte sie zurückhaltend. „Marie, schon wieder zurück?“ Ihre Augen streiften die Uhr und sie stellte mit Entsetzen fest, dass es bereits früher Nachmittag war. Sie hatte den ganzen Vormittag bis jetzt gegrübelt. „Ja“, antwortete Marie, schloss hinter sich die Türe und deutete aufs Bett. „Darf ich?“ Marianne setzte sich in den Schneidersitz und blickte ihre Schwester mit großen Augen an. Was konnte Marie nur wollen? Sie hatten immer ein gutes, schwesterliches Verhältnis gehabt. Marie war so was wie ihre Ersatzmutter gewesen. Und Marianne wusste, wenn ihre Schwester sie so manches Mal in ihre Schranken verwies oder sie tadelte, meinte sie das nur zu Mariannes Besten. „Hör zu... Unsere Ma… Ihr geht es nicht sonderlich gut“, begann Marie zögernd. Sie kannte die Reaktion ihrer Schwester zu gut, wenn sie auf die Mutter zu sprechen kamen. „Und was geht mich das an?“ Marianne bockte wieder einmal. „Na, ja, ich finde, du solltest wissen, dass sie krank ist und ich bin der Meinung, dass du sie besuchen solltest um dich mit ihr auszusprechen.“ Nun blickte die Jüngere aufmerksam ihre Schwester an. Marie meinte Besorgnis in den blauen Augen zu erkennen. „Ja, sie ist krank“, antwortete sie auf die nicht gestellte Frage. „Weißt du sie hat Krebs im Endstadium. Dieser ist leider viel zu spät entdeckt worden.“ „Was?“, Marianne konnte das kaum glauben. Ihre Mutter, die sie kaum kannte, war so schwer krank? Sie blickte betroffen ihre große Schwester an. Wieder gingen Gedanken durch den Kopf. Sie dachte an Shinjis Worte, die besagten, dass sie sich mit ihrer Mutter aussprechen solle. „Weiß Daddy es schon?“ „Ja, ich habe es ihm vorhin gesagt“, antwortete Marie traurig. Sie dachte an ihren Vater, dem mit einem Mal alle Farbe aus dem Gesicht gewichen war. Als er meinte, dass Marie das Wohnzimmer verlassen hätte, ging er zur Minibar um sich einen Scotch einzuschenken. Marie war zu diesem Zeitpunkt noch einmal besorgt in der Tür stehen geblieben, dann allerdings ließ sie ihren Vater alleine im Wohnzimmer zurück. Ihre Schwester musste diese Nachricht auch noch erfahren. Sie blickte Marianne flehend an. „Unsere Mutter will dich noch einmal sehen, bevor…“, sie wagte es nicht auszusprechen. „Nein“, erwiderte Marianne störrisch. „Sie hat sich nie um mich geschert, ich war ihr vollkommen egal. Und jetzt plötzlich, kurz bevor sie stirbt“, sie schluckte kräftig. Die Worte klangen so bitter. Sie schüttelte ihren Kopf. „Nein, das könnt ihr nicht von mir verlangen!“ Die Blondine zog ihre Knie, umfasste diese mit ihren Armen und legte ihren Kopf darauf. Das konnte wirklich niemand von ihr verlangen. Marie stand auf. Sie sah ein, dass es in diesem Moment keinen Sinn mehr hatte mit ihrer Schwester vernünftig zu reden. Nach einem letzten Blick, verließ sie Mariannes Zimmer. Marianne starrte vor sich hin. Sie war hin und her gerissen und wusste nicht mehr wie sie sich richtig verhalten sollte. Eine einzelne Träne kullerte ihr über die Wange. Kapitel 9: ----------- Es war Montag, die neue Woche begann. Cindys letzte Arbeitstage standen an, und am Nachmittag würde Claudia Firenza die Hallen von World Productions betreten. Marianne und Cindy traten aus der Maske heraus und gingen schweigend nebeneinander her zum Set. Die Blondine war blass, hatte Augenringe unter ihren Augen und selbst das viele Make-up konnte nicht verbergen, dass die Jüngere etwas bedrückte. Um ein Gespräch zu beginnen und um ihren Verdacht begründen zu können, bemerkte Cindy: „Was hast du denn am Wochenende gemacht? Du siehst ein wenig übermüdet aus?“ „Das geht dich nichts an“, erwiderte Marianne ungehalten und ging ein wenig schneller, aber Cindy ließ sich nicht abhängen. „Ich wollte doch nur nett sein“, versicherte ihr die Brünette, aber Marianne glaubte ihr kein Wort. Endlich erreichten sie das Aufnahmestudio, wo bereits ihre Kollegen warteten. Shinji ahnte nichts gutes, als er Mariannes Gesichtsausdruck sah und vermutete dass Cindy Schuld daran trug, die neben hermarschierte. Schon stand die Blondine an seiner Seite und raunte ihm etwas zu. Verwirrt über ihre Worte betrachtete er sie nochmals aus der Nähe und stellte fest, dass sie überhaupt nicht gut aussah. „M., alles in Ordnung?“ „Später“, wich sie aus und konzentrierte sich auf die nächste Szene. Sie würden einen Kampf gegen den großen Lazardo führen müssen. Sie stellte sich in ihre Ausgangsposition. Karl deutete, dass die Kamera lief und der Regisseur übernahm das Kommando. Es dauerte den Vormittag über bis die letzten Szenen im Kasten waren. Sie alle hatten gut gespielt und der Regisseur war sehr zufrieden. Es wurde Zeit fürs Mittag essen. Alle Mitarbeiter fanden sich wieder in der Kantine ein. Nur der Japaner nicht, denn er stand vor einer Tür, lehnte sich an diese und hielt seine Arme verschränkt. Auch ihm hing der Magen durch, doch Marianne bat ihn um ein Gespräch. Nun stand er hier, wie bestellt und nicht abgeholt. Kurze Zeit später kam sie mit einer kleinen Tüte in der Hand den Gang entlang. Sie blickte sich um, ob sie auch nicht verfolgt wurde, aber der Flur blieb leer. Niemand war hier, außer ihnen. Shinji blickte sie an, öffnete die Tür hinter sich und ließ sie in den kleinen Raum eintreten, schon trat er auch hinein und schloss die Türe wieder. Es war stockdunkel. Sie spürte ein Regal in ihrem Rücken, hörte wie er den Schlüssel im Schloss umdrehte und sich ihr zuwandte. Sie hatten kaum Platz, denn hinter ihm befand sich die Wand. Wieso, um alles in der Welt, hatte sie sich mit ihm nicht in einem der Aufnahmestudios verabredet. Erst jetzt wurde ihr schlagartig bewusst, wie nah sie ihm wieder war. „Du wolltest mich sprechen?“, begann er leicht angesäuert. Er hatte Hunger und sie schwieg ihn an. „Ja, ich…“, sie wusste nicht was sie ihm sagen sollte. Zu sehr tobte in ihr das Gefühlschaos. Sie tastete nach dem Regal in ihrem Rücken und legte die Tüte dort ab. Langsam gewöhnten sich ihre Augen an die Dunkelheit. Im nächsten Moment schob sie sich an seinen Körper heran, drängte sich richtig an ihn und vergrub ihr Gesicht in seinem T-Shirt. Überrascht legte er ihr seine Arme um den Rücken und strich ihr über ihr wundervolles Haar. „Nicht so stürmisch“, bemerkte er sanft, und wollte noch einen neckenden Kommentar fallen lassen, als er spürte, dass sie zu weinen begonnen hatte. Die Neckerei blieb ihm im Halse stecken, stattdessen fragte er besorgt nach. „Was ist denn passiert?“ „Meine… Marie sagt… meine Mutter…“, schniefte sie zusammenhanglos. Sie verhielt sich so dumm. Aber sie wusste auch nicht zu wem sie sonst gehen sollte. Er hatte ihr zugehört, ihr Verständnis entgegengebracht. Sie brauchte jemanden zum Reden. Sanft legte er seine Hände auf ihre Schultern und drückte sie ein wenig von sich. Im nächsten Moment versuchte er in der Dunkelheit ihr Gesicht zu sehen. Auch wenn sich seine Augen zwischenzeitlich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnte er die Konturen ihres Gesichtes nur erahnen. Sanft strich er mit seinen Fingern ihren Hals hinauf, fuhr den Konturen ihres Gesichtes nach und fand schließlich ihre Augen, aus denen er ihr die Tränen strich. „Ganz langsam, M., was ist passiert?“ Sie berichtete ihm von der Nachricht, dass ihre Mutter schwer krank sei. Dass sie sie einerseits gerne noch einmal sehen würde, andererseits aber auch nicht. Den heftigen Zwiespalt, der in ihr tobte, spürte er sofort. Er strich ihr sanft über ihre Wangen, lauschte ihren Worten und während er sich seine Gedanken machte, wie er ihr helfen konnte, fragte sie unsicher: „Würdest du mit mir zu ihr fahren?“ Eine Frage, die so einfach war, aber ihn in diesem Moment total überrumpelte. Sanft wich er ihr aus: „Bist du dir sicher, dass du mich mit nehmen willst? Nicht lieber doch deinen Vater oder deine Schwester?“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich möchte, dass du mich begleitest.“ Sie drängte ihren Körper wieder an seinen, blickte aber nach wie vor hoch zu ihm. Sie spürte seine warmen Hände an ihren Wangen, fühlte wie seine Finger über ihre Haut strichen und ein prickeln hinterließen. Gedankenverloren strichen seine Finger ihre Wangenknochen nach, ehe sie hinab zu ihren Lippen fuhren und sein Daumen ihrer Lippenkontur folgte. „Wenn es dir soviel bedeutet, komme ich mit“, stimmte er schließlich sanft zu. Ihm war gar nicht bewusst, was seine Hände taten, doch als sie ihm ein Küsschen auf seinen Daumen drückte und ein ‚Danke’ hauchte, riss es ihn in die Realität zurück. Er stand hier mit ihr in der Besenkammer des Studios. Es war dunkel, sie waren allein und er spürte ihren Körper an seinem. Ihm wurde mit einem Mal heiß. So heiß wie am Samstagabend auf der Couch, als er sie küsste. Auch sie strahlte eine Wärme aus. Bildete er es sich ein oder knisterte es tatsächlich zwischen ihnen. Ohne eigentlich zu wissen was er tat, beugte er sich vor und nahm ihre Lippen wieder zu einem Kuss ein. Sie erwiderte ihn mit einer Leidenschaft, drängte sich noch enger an ihn, legte ihre Arme um seinen Hals und presste sich noch ein Stück näher. Sie wollte ihn bei sich wissen, ihm ganz nahe sein. Während sie sich in einem wahnwitzigen Zungenkuss verfingen, drehte er sich mit ihr und mit einem Mal drückte er sie gegen den Wand, seine Hände fuhren ihren Körper hinab, streiften ihren Busen, woraufhin ihr ein wohliger Seufzer entfloh, und wanderten weiter hinab zu ihrem Po. Den umfasste er und hob sie an. Sie spreizte ihre Beine automatisch und er schob sich sofort dazwischen. Ihre Hüften berührten sich. Sie spürte etwas Zuckendes an ihrer Mitte, fühlte ihre innere Wärme, die sich in ihren Unterleib verlagerte, und umschloss seine Hüfte fest mit ihren Schenkeln. Immer noch fochten ihre Zungen einen Kampf aus, den keiner von beiden verlieren wollte. Kaum hatte sie ihre Beine um ihn geschlungen, drückte er ihren Körper noch fester gegen die Wand, während seine Hände an ihrer Seite wieder hinauf glitten. Sein Verstand war dabei sich zu verabschieden, sein kleiner Freund, der inzwischen nicht mehr so klein war, zuckte vor Aufregung in seiner Hose und wollte die Kontrolle in dieser Situation übernehmen. Provozierend öffnete sie die Beine noch ein wenig mehr. Sie bemerkte ganz genau, was sich da so regte und sie war bereit alle Vorsicht über den Jordan zu werfen. Vergessen war die Grüblerei, vergessen waren die guten Vorsätze, ihm nicht mehr nahe zu kommen. Sie brauchte ihn in diesem Moment so sehr. Ihre Hände krallten sich in seinem Wuschelkopf fest. Es war nicht richtig was sie hier taten. Zwar war es wunderschön, aber nicht für diesen Moment das richtige. Er kratzte das letzte bisschen seiner Beherrschung zusammen und löste sich vorsichtig und langsam von ihr. Auch sie spürte, wie er sich mehr und mehr zurückzog, bis er sie nur noch sanft auf die Lippen küsste. Sie wollte es nicht enden lassen. Sie war dabei all ihre Vorsätze zu verraten und doch war sie dankbar, dass er die Kontrolle zurück gewann. Während er sie weiterhin küsste, ließ er sie sanft auf den Boden zurück. Er genoss es mit ihr zusammen zu sein und er würde die Trennung noch lange hinauszögern. Aber sie beendete das Spiel dann doch abrupter und drückte ihn sanft aber bestimmt von sich. „Es tut mir leid“, stammelte sie verlegen. Was war nur in sie gefahren? „Wenn du Zeit hast, würde ich gerne am Samstag hinfahren.“ „Klar“, antwortete er um sich auch wieder von ihren süßen Lippen und dem wunderbaren Gefühl, welches sie in ihm ausgelöst hatte, abzulenken. „Alles Weitere klären wir dann am Freitag“, sie griff an ihm vorbei ins Regal und tastete nach der Tüte. Sie zog ein Sandwich heraus und drückte die Tüte mit einem zweiten Sandwich an seine Brust. Überrascht hielt er die Tüte fest. Im nächsten Moment griff sie nach dem Schlüssel, sperrte die Tür auf und drückte sich an ihm vorbei. „Dein Mittagessen“, sagte sie noch kurz ehe sie auf den Gang hinaus verschwand. Er setzte ihr vollkommen aufgewühlt nach, doch schon war die Tür geschlossen. Verdattert lehnte er sich an die Wand und drückte dabei aus Versehen einen Knopf. Im nächsten Moment erhellte sich der Raum und er war von dem hellen Licht geblendet. „Verdammt“, schimpfte er sich selbst. „Wenn ich gleich daran gedacht hätte, das Licht einzuschalten, wäre es bestimmt nicht soweit gekommen.“ Dennoch gefiel ihm, was sich hier noch vor wenigen Minuten abgespielt hatte. Marianne war vor den nächsten Dreharbeiten nochmals in die Maske verschwunden. Auch wenn sie einen verwirrten Blick ihrer Maskenbildnerin, Emily White, erhielt, verkniff diese sich jeglichen Kommentar. Normalerweise schwatzte die Visagistin gerne und besonders die Gerüchteküche empfand sie als aufregend. Immer wieder kursierten neue Gerüchte. Aber die Blondine war froh darüber, dass Emily im Moment nur ihrer Arbeit nachging, denn sie war zu aufgewühlt um sich zu unterhalten. Die Pressesprecherin betrat den Maskenraum. Hier standen vier Schminktische mit je einem großen Spiegel davor, die an der Wand hingen. Auf einem Platz saß Marianne und wurde neu geschminkt. Über den Spiegel erkannte sie die Frau. Sie war eine große, schlanke Frau, blondbraunes Haar, welches ihr bis zu Schulter ging. Jeden Tag erschien sie in einem adretten Kostüm, das meist aus einer Bluse, einem Jackett und einer Hose bestand. Die Absätze ihrer Pumps klackten auf den Boden. „Hier ist die Maske mit unseren Visagistinnen Emily White und Doreen Cambord“, erklärte Cornelia Jones. Damit deutete sie auf die Frau mittleren Alter, die Marianne schminkte und auf die zweite Visagistin, die noch ein wenig jünger war, welche soeben ihren Platz vorbereitete, denn der nächste Schauspieler müsste gleich kommen. Die Pressesprecherin schrieb die Artikel über die Stars der Serie, sie organisierte die Foto-Shooting und dementierte auch die Negativschlagzeilen. Hinter ihr erschien eine Frau zu der sie gesprochen hatte. Sie war jung und bildhübsch. Ihre braunen Haare fielen ihr wellig auf die Schulter. Sie hatte ein südländisches Aussehen und war topgestylt, schlank und ihre langen Beine steckten in einer Röhrenjeans. Marianne, die die Frau auch über den Spiegel sah, wunderte sich, wie eine Frau normaler Größe solch lange Beine haben konnte. „Hier ist auch schon Marianne Louvre. Sie ist unsere weibliche Hauptrolle und spielt April Eagle von den Star Sheriffs.“ Die Visagistin hielt in ihrer Arbeit kurz inne, damit Marianne den Gast begrüßen konnte. Wie es sich gehört, stand die Blondine auf und trat auf die neue Kollegin zu. Erst jetzt sah sie, dass diese wunderschöne, junge Frau nicht viel größer, als sie selbst war. Sie reichte ihr die Hand. „Hallo.“ Cornelia Jones stellte vor: „Das ist Claudia Firenza.“ „Freut mich“, antwortete das Supermodel mit einem abschätzigen Blick auf die Blondine. „Darf ich mal durch“, mischte sich eine männliche Stimme ein und der Japaner grinste frech in die Frauenrunde. Mariannes Herz begann auf einmal wie wild zu klopfen. Sie drehte sich auf dem Absatz um und setzte sich wieder zu ihrer Visagistin. Diese nahm sofort die Arbeit wieder auf. Auch wenn die Blondine sich ganz fest vornahm dem Trio an der Türe keine Aufmerksamkeit zu schenken, beobachtete sie sie trotzdem. „Und hier ist Shinji Hikari, ebenfalls ein Held unserer Serie“, stellte Cornelia Jones vor. Ganz anders verhielt sich das Topmodel ihm gegenüber. Sie begann zu strahlen. „Es freut mich sehr, Mister Hikari“, begrüßte sie ihn freudig. „Shinji“, entgegnete er und lächelte zurück. Ihm stand eine schöne Frau gegenüber. Er ahnte bereits, dass sie dieses Supermodel war, von dem alle sprachen. „Das ist Claudia Firenza“, stellte die Pressesprecherin vor. Die beiden reichten sich die Hände zur Begrüßung. „Auf eine gute Zusammenarbeit“, fügte er noch hinzu und drückte sich an den beiden Frauen vorbei zu Doreen. Marianne entging nicht, wie der Stern am Modehimmel Shinji angehimmelt hatte. Ein leichter Stich drückte in der Brust. Diesen ignorierte sie ganz schnell wieder. Kaum dass Emily mit dem letzten Pinselstrich fertig war, verzog sich Marianne. „Dann überlass ich Sie mal in den fähigen Hände von Emily“, stellte Cornelia fest und wies dem Supermodel den eben frei gewordenen Platz zu. Kurz darauf verschwand die Pressesprecherin wieder. Richard ging mit Bill und Shinji noch ins Spotlight. Der große Blonde hoffte auf Sincia zu treffen, der Wuschelkopf brauchte einen Drink um wieder Klarheit in seine Gedanken zu bringen und der Lockenkopf würde herausfinden, was beziehungsweise wer den kleinen Wirbelwind so aus der Fassung bringen konnte. Ihm war keineswegs entgangen, dass der Japaner nach der Mittagspause aufgewühlt und in Gedanken versunken im Studio stand. „Jungs“, hielt Richard seine Kollegen und Freunde zurück. „Habt ihr euch Gedanken gemacht, wer in unser frei gewordenes Zimmer einziehen soll?“ Shinji zuckte mit seinen Schultern. Er ahnte bereits, dass es dem Freund um Sincia ging. „Wegen mir kann sie einziehen“, sagte er und ging ins Spotlight hinein. Richard blickte verwundert dem Japaner nach und seine Augen hefteten sich schnell an Bill. „Wie ist deine Meinung?“ „Sincia ist anders als Cindy. Und eine Frau im Haus schadet ja bekanntlich auch nicht“, grinste der Lockenkopf. „Von mir aus“, stimmte er dann auch zu. Richard sah ihn dankbar an. Dann folgten sie ihrem Kollegen ins Spotlight hinein. Bill setzte sich zu seinem Kollegen, der ihren Stammtisch in der Ecke besetzt hatte, während Richard Sincia an der Theke sitzen sah. Er ging zu ihr und begrüßte sie freundlich. Sincia schreckte aus ihren Gedanken heraus und lächelte Richard an. „Hallo, wie geht’s dir?“ Sie betrachtete sein Gesicht. „Mir geht es gut und dir?“ Seine blauen Augen ruhten besorgt auf ihr. Immerhin wurde sie von ihrem Exfreund geschlagen. Sie sah ihm seine Besorgnis an und lächelte beruhigend. „Mir geht es schon viel besser.“ „Das freut mich“, nickte er zu und deutete auf ihren Tisch. „Möchtest du dich zu uns setzen?“ „Gerne“, lächelte Sincia und stand auf. Gemeinsam gingen sie auf den Tisch in der Nische zu. Sie nahmen Platz und bestellten bei May kurz darauf Getränke. Sincia lud alle auf einen Cocktail ein, zum Dank für die Hilfe am Wochenende. Selbst May konnte sich für ein paar Minuten an den Tisch mit dazu setzen. „Jetzt muss ich nur noch eine Wohnung finden“, erklärte Sincia und grinste May an. „Dann bist du mich los.“ „Du störst mich nicht“, antwortete May ebenso grinsend. „So ich muss mal wieder arbeiten“, erklärte sie, stand auf und ging zu einem Tisch, den eine eben eintretende Gruppe Jugendlicher besetzte. „Bei uns in der Wohnung ist ein Zimmer frei“, übernahm Bill das Wort, ehe Richard der Dunkelhaarigen das Angebot unterbreiten konnte. „Wenn du willst, kannst du es dir mal ansehen.“ Sincia blickte überrascht die Schauspieler an. Richard hatte den Gedankengang vor wenigen Wochen angesprochen, aber dass sie das Angebot nun erhielt, ließ sie kurz stocken. Sie blickte von einem Schauspieler zum nächsten. Dann lächelte sie. „Gerne. Wann darf ich denn mal kommen?“ „Wenn du möchtest schon morgen Abend“, bot Richard an. „Ich hole dich ab und fahr dich dann auch wieder nach Hause.“ Schief grinsend, zwinkerte Bill zu Shinji, der ebenso leicht griente. Sincia und Richard bekamen davon nichts mit. „Danke, das ist lieb von dir, aber mach dir keine Umstände. Ich komme mit den öffentlichen Verkehrsmitteln.“ Sie wandte sich wieder an die anderen beiden Männer. „Und wie war euer Tag?“ „Ganz gut“, antwortete Shinji. Er kämpfte immer noch darum, den Gefühlsausbruch in der Besenkammer zu bewerten. Wie ernst war das zwischen ihm und Marianne und wo sollte das noch hinführen? „Du stehst den ganzen Tag schon neben dir“, kommentierte Bill argwöhnisch. „Das bildest du dir ein“, grinste der Japaner nun schelmisch. „Mir ging es noch nie besser. Ich bin Single und kann mein Leben wieder genießen“, fügte er hinzu, während er sich in seinem Stuhl zurück lehnte. Nun zwinkerte er Sincia zu. „Überleg dir das gut, du ziehst in eine Single-Männer-Wohngemeinschaft.“ „Das muss ich mir noch einmal überlegen“, lachte Sincia zurück und auch in ihren Augen stand der Schalk. Gemeinsam verbrachten sie noch einen geselligen Abend. Kapitel 10: ------------ Cindy stand in der Türe und beobachtete ihre Mitbewohner stumm. Skeptisch und mit verschränkten Armen vor der Brust sah sie den drei Männern bei ihren Tätigkeiten zu. Richard schwang den Wischmopp und wischte sein eigenes Zimmer raus, ehe er den Weg in die Küche aufnahm. Shinji putzte die Küche mit Feuereifer. Er wischte über die Fliesen, die Arbeitsplatte und wandte sich zu guter Letzt auch dem großen Esstisch zu. Mit dem Lappen fuhr er über die Tischplatte und putzte sogar einmal über die Stühle. Bill trat mit vor Stolz geschwellter Brust aus dem Badezimmer. „Alles sauber“, verkündete er. „Hier auch“, grinste der Japaner, während Richard beide Räume mit dem Wischmopp rauswischte. Erst als er fertig war, rieb er sich über die feuchte Stirn und betrachtete ihre blitzblank geputzte Wohnung. „Nun kann sie kommen.“ „Wer kann kommen?“ Cindy lehnte sich in den Türrahmen. Ihre Augen ruhten aufmerksam auf ihren Mitbewohnern. Bill grinste. „Unsere neue Mitbewohnerin.“ „Noch ist sie das nicht“, erinnerte Shinji seinen Freund an die bevorstehende Wohnungsbesichtigung. Ehe einer von ihnen noch etwas sagen konnte, klingelte es an der Türe. Richard stellte den Wischmopp weg, während Bill die Wohnungstür öffnete. Sincia stand vor ihm. „Hallo, Bill.“ „Hallo, schöne Frau. Bitte kommt herein. Unser Reich ist Euer Reich.“ Für den Lockenkopf stand bereits fest, dass Sincia Karls Zimmer bekam. Sincia betrat den Flur und zog sich ihre Schuhe aus. Sie ging den schmalen Gang entlang und entdeckte einen Raum links von sich. Es war das Badezimmer. Auf dem ersten Blick groß und schön eingerichtet. Weiß gefliest mit einem dunkelblauen Boden. Eine Badewanne mit Duschvorhang, Toilette und Waschbecken, ein großer Badezimmerschrank. Das reichte vollkommen aus. Schon betrat sie einen großen Raum von dem fünf Türen weg gingen. Sie stand in der Küche, dem zentralen Punkt der Wohnung. Rechts in einer Nische stand eine kleine U-förmige Küchenzeile mit Kühlschrank, Herd, Spülbecken und Arbeitsfläche. Über dieser Zeile hingen auf dieselbe Länge mehrere Hängeschränke. An der Arbeitsfläche lehnte Shinji und grinste sie fröhlich an. „Hallo Sincia, schön dass du uns besuchst.“ Sein Lächeln trieb ihr die Röte auf die Wange. May hatte nicht übertrieben, als sie ihr erzählte, dass ein Lächeln ausreichte um die Mädchenherzen höher schlagen zu lassen. „Shinji, freut mich auch.“ Sie sah sich weiter um. Vor ihr in der Mitte des Raumes stand ein großer Tisch mit Stühlen. An dem Tisch lehnte Richard. Seine blauen Augen ruhten auf der Schwarzhaarigen. Erst als sie ihn entdeckte, begrüßte er sie auch. „Schön dich zu sehen.“ Sie nickte verlegen. Hatte Shinji sie verwirrt, so war sie jetzt richtig unsicher. War es wirklich so eine gute Idee hier einzuziehen? Bill berührte sie plötzlich am Arm und dirigierte sie zur ersten Türe rechts, nach der Küche. Sie traten ein und Sincia stand in einem leeren Raum. Hinter der Wand rechts von ihr befand sich die Küche. Ein Fenster ließ viel Licht ins Zimmer. Es war nicht besonders groß, reichte aber vollkommen aus. „Das ist dein Reich“, erklärte der Größere, als stünde die Entscheidung schon längst fest. Richard trat zu ihr und informierte sie über die Miete, die Haushaltskasse und ein paar wichtigen Punkte ihrer Mitbewohnervereinbarung. Shinji wartete an der offen stehenden Türe und spürte wie sich Cindy an ihm vorbeidrückte. „Moment mal, wie könnt ihr mich einfach übergehen?“ Sincia wandte ihren Blick von Richard ab und musterte die Frau. Nach seiner Beschreibung vor einigen Wochen, musste die Brünette Cindy sein. Die Frau, die sich weigerte auszuziehen. Sincia wollte sie soeben begrüßen, als Bill sich vor Cindy aufbaute. „Du hast kein Mitspracherecht mehr. Du ziehst in ein paar Tagen aus!“ Shinji nickte: „Da hat er recht. Der Erste des Monats steht an. Ich hoffe für dich, dass du schon eine neue Wohnung hast.“ Cindy funkelte wütend von einem zum nächsten, musterte kurz Sincia und drehte sich Shinji zu. „So einfach wirst du mich nicht los, Süßer“, drohte sie und stapfte zurück in ihr Zimmer. Das laute Zuschlagen ihrer Türe bedeutete, dass sie ihre Ruhe vor der Braunhaarigen hatten. „Entschuldige bitte ihr unhöfliches Benehmen, Sincia“, durchbrach Richard die Stille. „Und was sagst du?“ Sincia blickte sich um, überlegte und nickte lächelnd. „Wann kann ich unterschreiben?“ „Sofort, wenn du möchtest. Wir haben den Mietvertrag schon hier“, antwortete Shinji und deutete auf den Küchentisch. Sie setzten sich an den Tisch und gingen den Mietvertrag gemeinsam durch. „Du kannst aber jetzt schon einziehen, wenn du möchtest“, bot Bill an und zwinkerte seinen Kollegen zu. „Und wir können dir gerne beim Umzug helfen.“ „Aber dieses Mal bitte ohne Schlägerei“, konterte die Schwarzhaarige, wobei ihre Augen auf Richard ruhten. Sein Gesicht sah immer noch lädiert aus, wobei es bei weitem nicht mehr so schlimm war wie am Wochenende. „Lässt sich einrichten. Steve ist ja nicht hier“, konnte sich der Japaner einen Kommentar nicht verkneifen. Richard verzog sein Gesicht. „Zieht mich nur damit auf.“ „Du kennst uns“, grinste der Lockenkopf und auch Shinji stimmte fröhlich zu. „Du hast dich geprügelt, gönn uns doch unseren Spaß. So haben wir dich noch nicht allzu oft erlebt.“ Sincia kicherte, nahm den Kugelschreiber zur Hand und unterschrieb den Mietvertrag. Sie freute sich darauf ihr eigenes Zimmer zu haben und sie war mit den öffentlichen Verkehrsmitteln gut angebunden, dass sie ohne größere Schwierigkeiten die Schule erreichen würde. „Habt ihr am Wochenende schon etwas vor?“ Bill und Richard hatten nichts vor und beschlossen Sincia bei ihrem Einzug zu helfen. Sie blickte Shinji an. Ihm blieb auch nichts erspart. Wieder mal würde es schwierig werden Bills Neugierde auszuweichen. Shinji zog den Kopf ein. „Wenn ich euch sage, dass ich am Samstag mit einem Kumpel wegfahre, glaubt ihr mir das sowieso nicht.“ Sincia war es, die überrascht sagte: „Warum sollte das keiner glauben?“ Bill antwortete: „Weil da eine Frau dahinter steckt. Hinter deinem ganzen Verhalten, deinen Nachttouren und Wochenendplanungen. Und wohin fährst du?“ „Das geht dich zwar nichts an, aber wir fahren an die Küste.“ „An die Küste“, wiederholte Bill neugierig. „Wie lange willst du uns noch weismachen, dass du keine Freundin hast?!“ „Ich habe keine Freundin“, erwiderte Shinji wütend. Das war nicht mal gelogen. Er wusste nicht, was das zwischen ihm und Marianne war, aber sie waren kein Pärchen. Sie hatte ihm nie gezeigt, dass sie ihn liebte und dass sie mit ihm zusammen sein wollte. Sie sah in ihm einfach nur einen guten Freund und einen vertrauenswürdigen Gesprächspartner. Bill spürte, dass sein Kumpel ihm etwas verheimlichte, aber im Moment konnte er der Tatsache nicht nachgehen. Doch er schwor sich, dass er hinter das Geheimnis des Japaners kommen würde. Die Tage der Woche vergingen. Shinji hatte im Studio keine ruhige Minute mehr. Entweder machte ihm Cindy eine Szene über sein untragbares Benehmen ihr gegenüber, oder Claudia Firenza, das wunderschöne und attraktive Model, hing an ihm wie eine Klette. Bill verfolgte jeden seiner Schritte um herauszufinden, was wirklich hinter der Geschichte mit dem Kumpel steckte und Marianne wich jedem Gespräch und jeder Begegnung aus. Fast glaubte er, dass sie es mit Absicht tat. Er wusste immer noch nicht, wann sie losfahren wollte und wohin überhaupt die Reise ging. Er fand keine einzige Sekunde Ruhe um mit ihr die Samstagsplanung zu besprechen. Wenn er sie traf, dann standen sie am Set und dort lautete sein Text ganz anders. Marianne sah wie Claudia dem Japaner in einer Tour schöne Augen machte, wie sie ihn anlächelte, umgarnte, wie eine Schlange, die sich ihrer Beute unbemerkt näherte. Eifersucht loderte in ihr auf. Sie schalt sich selbst. Es war wirklich lächerlich, immerhin waren sie nie mehr als Kollegen gewesen. Dennoch verletzte es sie, wenn sie die beiden in friedlicher Eintracht antraf. Sie wich ihm aus, bereute ihren Entschluss ihn überhaupt gebeten zu haben mit ihr zu ihrer Mutter zu kommen. Sie würde am Samstag alleine fahren. Wozu gab es denn Züge? Marie setzte sich schließlich auch immer in den Zug, wenn sie die Mutter besuchte. Richard stellte sich zu ihr. „Hey, Marianne. Wir gehen später noch ins Spotlight. Kommst du mit?“ „Ja“, antwortete sie. Ein bisschen Ablenkung täte ihr bestimmt gut. Und sie hätte vor Claudia endlich Ruhe. Nun saß sie hier mit ihren Kollegen an ihrem Stammplatz in ihrer Lieblingskneipe. Marie, Bill, Shinji, Claudia und Richard saßen mit ihr am Tisch. Immer noch darüber verärgert, dass sich auch das Model ihrer Gruppe angeschlossen hatte, nippte Marianne an ihrem Cocktail. Sie würde so schnell es ging nach Hause verschwinden. Erneut schäkerte das Topmodel mit Shinji. Gut, sie mussten miteinander flirten, das stand im Drehbuch, doch das hieß noch lange nicht, dass sie dies auch in ihrer Freizeit machen mussten. Schlimmer fand sie allerdings den Gedanken, der ihr jetzt durch den Kopf ging. Was wäre, wenn er sich in das Topmodel verliebt hatte… Sie blickte kurz auf und sah direkt in seine braunen Augen, die sie aufmerksam beobachteten. Sie fühlte sich unwohl unter seinem Blick. Warum musste er ihr auch gegenüber sitzen? Er brachte sie vollkommen durcheinander. Die Blondine musste verschwinden und die einzige Möglichkeit für eine Flucht, ohne das es nach einer Flucht aussah, war die Toilette. Sie stand auf, murmelte etwas von frisch machen und ging zum Treppenabsatz im hinteren Teil des Spotlights. Dann stieg sie die Treppen hinunter und verschwand im Untergeschoss hinter der Türe auf dem groß ‚Damen’ prangte. Sie stand vor dem Waschbecken blickte ihrem Spiegelbild entgegen und schimpfte sich selbst, weil es sie so störte, dass das Supermodel dem Japaner in einer Tour schöne Augen macht. Bill war damit beschäftigt Marie aufzuziehen. Er liebte es die Blondine zu ärgern und somit entging ihm das Verschwinden der jüngeren Kollegin. Richard verwickelte Claudia in ein Gespräch und endlich sah der Japaner seine Chance gekommen sich ebenfalls zu verziehen. Ihm war nicht entgangen, wie Marianne auf ihn und das Model reagierte und es gefiel ihm, dass sie eifersüchtig war. Es verhieß doch immerhin, dass sie Gefühle für ihn hegte. Er war mehr für sie als ein Kollege und hoffte, dass er auch mehr war als ein Freund. Sein Weg führte den Treppenabsatz hinunter zur Toilette. Rechts von ihm führte die Tür zum Männerreich, links stand ‚Damen’. Seine Gedanken zählten nochmals die Gäste im Spotlight, aber außer ihren weiblichen Kolleginnen und May war keine weitere Frau als Gast da. Im nächsten Moment öffnete er die linke Türe und trat ein. Schon stand er Marianne gegenüber. Überrascht blickte sie ihn, nicht so recht wissend was er hier drin suchte. Er schloss die Türe hinter sich, trat auf die Kollegin zu und umschloss ihre Taille. Im nächsten Moment zog er sie an sich. Bevor sie etwas sagen konnte, drückte er fordernd seine Lippen auf ihre und begann sie stürmisch zu küssen. Sanft aber bestimmend schob er sie rückwärts in eine der beiden offen stehenden Toilettentüren. Nur kurz ließ er von ihren Lippen ab um hinter sich die Türe abzuschließen. Im nächsten Moment umfasste er ihren Kopf und nahm ihren Kuss wieder auf. Schnell fochten ihre Zungen wieder einen Kampf aus, bei dem keiner von ihnen als Sieger hervor gehen würde. Ihre Hände fuhren seinen Rücken entlang, hinab zum Hosenbund und schoben sich flink unter sein Hemd. Sie spürte seine Haut unter ihren Fingern und fuhr den Rücken wieder hinauf. Wie schaffte er es nur in wenigen Sekunden, dass sie all ihre Vorsätze wieder über den Haufen warf. Ihre Streicheleinheit, die kaum mehr als ein Hauch einer Berührung war, ließ ihn schaudern und er stieß ein gequältes Seufzen aus. Während eine Hand sich komplett in ihrer Mähne verfing, begab sich seine andere Hand ebenfalls auf Wanderschaft hinab. Sie glitt ebenso langsam über ihren Rücken bis hinab zu ihrem Hintern. Dort verharrte sie länger, fühlte wie knackig er war und genoss das Gefühl ihren wohlgeformten Po zu kneten. Die beiden waren einem tranceähnlichen Zustand, während Shinji Marianne gegen die geflieste Wand drückte und sich fordernd zwischen ihre Beine schob. Die Tür zur Toilette öffnete sich, Schritte hallten und laut fiel die Tür zurück ins Schloss. Wie vor einigen Tagen in der Besenkammer hob er ihr Becken auf Höhe seiner Hüften an und im nächsten Moment konnte sie wieder seine pochende Erregung an ihrer heißen Mitte spüren. Seine Lippen küssten sich über ihre Wange hinab zu ihrem Hals, währenddessen er sie fest gegen die Wand presste. Seine Hand glitt von ihrem Po nach vorne zu ihrer Mitte. Wie dankbar er doch in dieser Situation war, dass sie einen Rock trug und keine Jeans. Jemand trat in die zweite Kabine, verschloss die Türe. Ein Reißverschluss öffnete sich und ein leises Plätschern erklang. Seine Finger strichen sanft zwischen ihre Beine und seiner harten Erregung und er spürte wie feucht ihr Höschen bereits war. Ihr aufkommendes Stöhnen erstickte er schnell in einem innigen Kuss. Auch wenn all seine Sinne auf die Blondine in seinen Armen gerichtet waren, so vergaß er nicht, dass er sich auf der Damentoilette in einer sehr verfänglichen Situation mit seiner Kollegin befand. Wenn er daran dachte, dass Marie in der Kabine nebenan saß und sie hier erwischen könnte…. Die Spülung ging. Unbeirrt küsste er sie weiter, auch wenn er merkte, dass die Blondine sich zunehmend unwohl fühlte und sich mehr und mehr versteifte. Shinji wollte ihr die Anspannung und die Angst erwischt zu werden nehmen. Er ließ seine Hände wieder ihren Körper hinauf gleiten, umfasste ihren Kopf und widmete sich ganz der süßen Verführung ihrer Lippen. Die Tür der Nebenkabine wurde geöffnet und Schritte hallten in dem hohen Raum nach. Dann stand die Frau am Waschbecken und drehte das Wasser auf. „Ich weiß, warum du dich hierher verdrückt hast“, erklang eine Stimme. Die Frau drehte das Wasser wieder ab, trocknete sich die Hände mit einem Tuch und überprüfte ihr Make-up. Marianne hielt im Kuss inne. Sie erkannte die Stimme. Die Frau mit ihnen im Raum war Claudia. Shinji gab ihre Lippen für eine Antwort frei und arbeitete sich genüsslich zu ihren Ohrläppchen hin. Sie schluckte, denn sie wusste ihre Stimme absolut nicht einzuschätzen. „Ach ja?“ Im nächsten Moment spürte sie seinen Atem an ihrem Ohr, seine Lippen dich sich langsam hinarbeiteten, so quälend langsam. „Ich hab dich durchschaut. Es gefällt dir nicht, wie gut ich mich mit Shinji verstehe.“ Er berührte ihr Ohrläppchen und begann es mit seinen Lippen zu liebkosen. „Ich weiß nicht was du meinst“, entgegnete Marianne und spürte wie sich seine Zunge auf Entdeckungstour machte. Dieser Mann brachte sie komplett um den Verstand. „Du bist eifersüchtig“, stellte Claudia fest. Marianne versuchte sich auf die Worte des Supermodels zu konzentrieren, allerdings erwies sich dies als gar nicht so leicht, wenn sie Shinjis Berührungen so nah an sich spürte. „Ich bin nicht eifersüchtig“, widersprach sie, doch im nächsten Moment bestrafte Shinji sie für diese Lüge. Er biss sie ins Ohr, woraufhin sie scharf die Luft einzog. Doch schon küsste er sie wieder versöhnlich und arbeitete sich langsam ihren Hals hinab. Marianne glaubte unter seinen Berührungen wie Butter zerfließen zu müssen. Sie presste ihre Schenkel fester um ihn, aus Angst er könne sich lösen und sie würde keinen festen Halt mehr finden. „Wenn du meinst“, gab sich das Model ungerührt. „Lass dir nur eines gesagt sein. Ich werde kämpfen und ich verliere nie!“ Im nächsten Moment hallten wieder Schritte. Die Tür wurde geöffnet und fiel laut zu. Shinji begann an ihrem Hals zu grinsen. „Das verspricht ja interessant zu werden“, raunte er neckisch. „Wag es nicht auch nur diesen Gedanken in Erwägung zu ziehen“, drohte Marianne ihm kraftlos. Sie waren kein Paar. Es stand ihr nicht zu solch eine Forderung zu stellen, dennoch teilten sie bisher einige solcher Momente und sie müsste sterben, wenn er sich von ihr abwandte um dies mit einer anderen zu wiederholen, was er mit ihr anstellte. „Du bist ja doch eifersüchtig“, hauchte er belustigt. Immer noch knabberte er an ihrem Hals. Er würde sie nicht einfach so davonkommen lassen. „Bestimmt nicht auf so eine Bohnenstange“, erwiderte Marianne und drückte ihn leicht von sich. „Wir sollten zurück, sonst steht bald Bill in der Türe.“ Wie sehr er ihren klugen Kopf auch liebte, in solchen Momente verfluchte er ihn. Wieso nur musste sie immer weiter denken, statt diesen Moment vollends auszukosten und zu genießen. Seufzend drückte er ihr einen letzten sanften Kuss auf die Lippen, ehe er sich langsam löste und sie wieder auf dem Boden zum Stehen kam. „Wann willst du Samstag los?“ Sie griff um ihn herum und sperrte die Türe auf. „Spätestens Acht.“ Nacheinander traten sie aus der Kabine heraus und Marianne auf den Spiegel zu. Sie betrachtete ihr Make-up, das deutliche Spuren einer wilden Knutscherei davon getragen hatte. „Kannst du mich bei Natalie abholen?“ „Klar“, antwortete er. Shinji stand an der Tür gelehnt und betrachtete sie durch den Spiegel. „Was ist los?“, hakte sie unsicher nach. Sie konnte nichts aus seinem Blick deuten. Seine Gedankengänge waren und blieben ein großes Rätsel. „Du bist wunderschön“, sagte er plötzlich. Als ihm bewusst wurde, was er eben ausgesprochen hatte, blickte er sie erschrocken an. „Ich geh jetzt lieber, bevor mich doch noch jemand hier erwischt.“ Im nächsten Moment war er zur Tür raus und verschwand auf der Herrentoilette. Zuerst kippte er sich kaltes Wasser ins Gesicht um wieder zur Besinnung zu kommen. Dann wischte er sich die Lippenstiftabdrücke aus seinem Gesicht und starrte auf seine immer noch harte Erregung. Innerlich fluchend, wie sie ihm nur immer wieder den Kopf so verdrehen konnte, zog er sich in eine Kabine zurück, schloss die Tür und kümmerte sich um seinen stehenden Freund. Marianne blickte ihm erstarrt nach, doch dann fing sie sich, richtete sich ihre Haare und die Kleidung, überprüfte nochmals ihr Gesamtbild und verließ die Toilette. Unsicher blieb sie im Flur stehen. Sie würde gern wissen, ob er das ernst meinte. Sie schüttelte über sich selbst den Kopf und ging die Treppen zum Gastraum hinauf um zum Tisch zurück zu kehren. Auf halbem Weg kam ihr Bill entgegen. „Wollte schon einen Suchtrupp losschicken. Bist ja ganz schön lange weg gewesen“, grinste er. „Eine Frau braucht immer länger um sich frisch zu machen“, erklärte Marianne ihm und schob sich am Kollegen vorbei. Der Lockenkopf folgte seinem Weg, trat in die Herrentoilette und hörte soeben die Spülung. Schon trat Shinji aus der Kabine heraus zum Waschbecken und wusch sich die Hände. Bill ging in die frei gewordene Kabine und entleerte seine Blase, konnte sich aber einen Kommentar nicht verkneifen. „Das dauert aber, du wirst doch nicht mit Marianne ein kleines Stell-dich-ein gehabt haben?“ Schon spülte er und trat ebenfalls ans Waschbecken. Ertappt hielt der Japaner inne, fasste sich aber in Sekundenschnelle wieder und funkelte seinen Kumpel sauer an. „Was du immer denkst. Nicht jeder ist so versaut wie du.“ „War ja bloß ein Scherz“, erwiderte der Lockenkopf und wusch sich die Hände. Gemeinsam gingen sie zurück. Shinji war dankbar, dass der Kumpel nur ins Blaue riet. Wie nah er dabei jedes Mal der Wahrheit kam, erschreckte den Japaner. Eines stand fest, wenn der Kumpel erfuhr wie die Wahrheit wirklich aussah, würde er ihm diese Situation ein Leben lang unter die Nase reiben. Kapitel 11: ------------ Endlich Freitag. Endlich Wochenende. Bill packte seine Sachen zusammen und stieß seinem Kumpel den Ellbogen in die Rippen. „Wollen wir noch einen drauf machen? Der Abend ist noch jung.“ Auch wenn Shinji in Gedanken schon am morgigen Samstag war und ihm auch bewusst wurde wie früh er aufstehen musste, nickte er schließlich zu. Ein bisschen Ablenkung würde ihm auch gut tun. Denn wieder hatte Marianne ihn gemieden. Was war nur los mit ihr? Er wusste immer noch nicht, was es war, dass sie immer wieder in solch intime Situationen gerieten. Und er wagte sich nicht vorzustellen, was passieren würde, wenn er morgen den ganzen Tag mit ihr alleine war. Er musste sich schnellstens unter Kontrolle bringen und durfte nicht wieder wie ein verhungerter Wolf über sie herfallen. Eindeutig war es seine Pflicht einen kühlen Kopf in ihrer Nähe zu bewahren und gerade das machte es ihm so unsagbar schwer. Er verstand nicht was es war, aber sie hatte eine magische Anziehungskraft. Claudia trat zu ihnen und lächelte verschmitzt. „Was habt ihr heute vor?“ Bill lachte. „Einen drauf machen“, und zwinkerte dem hübschen Model zu. Sie gefiel ihm, passte auch in sein Beuteschema, allerdings war sie an Shinji interessiert und darum für ihn tabu. Er würde seinem Kumpel nicht das Mädchen wegnehmen. Besonders nicht nach der Pleite mit Cindy. War er froh, wenn dieses Biest endlich aus der Serie war und aus ihrer Wohnung auszog. Er konnte ihre Sticheleien schon lange nicht mehr hören. „Wird das ein Männerabend?“, hakte Claudia neugierig nach und blickte von den blauen Augen des Lockenkopfes in die braunen Augen des Japaners. Sie wusste nicht was es war, aber er faszinierte sie. Seine Augen strahlten eine Wärme und Geborgenheit aus, das es für sie unmöglich machte ihn zu ignorieren. Shinji setzte an um ein ‚Ja’ zu formen, doch Bill war schneller. „Nein, du kannst uns gerne begleiten.“ Wütend funkelte der Japaner seinen Kollegen an. Jetzt musste er diese Nervensäge an Model auch noch in seiner Freizeit ertragen. Zum Glück fuhr er morgen weg. Er hoffte nur es war weit weg. Bill hingegen grinste breit. Er würde schon dafür sorgen, dass sein Kumpel nicht zu kurz kam. Dieses Mädel stand auf ihn und er sollte diese Chance ergreifen, wenn sie sich ihm schon mal bot. „Super“, lachte Claudia und hängte sich zwischen den Männern ein. „Dann lasst uns gehen.“ Wenig später verließen sie das Studio und fuhren mit der Tram in die Stadt. Da sie zu dritt waren ließ Shinji sein Auto stehen. Er würde es später holen. Der Abend brach ein und die Partygänger trafen sich zum Abendessen, ehe sie von einem Club in den nächsten ziehen würden. Auch die drei Kollegen strebten ein Lokal an um erstmal eine Kleinigkeit zu essen. Das Mittagessen lag schon zu lange zurück. Ein Kellner trat auf sie zu und begleitete sie zu einem freien Tisch. Bill und Claudia folgten ihm, als Shinji ein bekanntes Pärchen ins Auge stach. An einem Tisch saßen Natalie und Bert, redeten miteinander, während ihre Hände verknotet waren. Beneidenswert musste er zugeben und er ertappte sich selbst dabei, als ein Bild von ihm und Marianne in dieser Zweisamkeit aufkam. Schnell schüttelte er den Kopf und blickte kurz zu seinen Kollegen, die bereits am Tisch saßen und ihn fragend anblickten. Er lächelte und ging zu Mariannes Freunden. Es gehörte sich nicht die Zweisamkeit der beiden zu stören, aber wann erhielt der Japaner schon mal die Chance Bill von seiner Unschuld und seinen Aussagen in den letzten Tagen zu überzeugen. Er stand neben dem Tisch und die beiden blickten zu ihm auf. Überraschung spiegelte sich in ihren Augen, doch schon stand Natalie auf und umarmte ihn herzlich. „Shinji, schön dich zu sehen.“ Der Japaner erwiderte die Umarmung der Freundin und reichte kurz darauf Bert die Hand, der ebenfalls zur Begrüßung aufstand. „Freut mich auch.“ „Setz dich doch zu uns“, bot Natalie den freien Stuhl neben sich an, aber er schüttelte den Kopf. „Sorry, bin schon mit Kollegen hier.“ Sichtlich erfreut drehte sich Natalie um. Sie suchte das Lokal nach seinen Kollegen ab, aber ihre beste Freundin konnte sie nirgends entdecken. „Mit wem bist du denn hier?“, hakte sie irritiert nach. Unbehaglich deutete er auf einen Tisch. Natalie folgte seinen Augen und nickte enttäuscht. „Ach so.“ Sie blickte ihm wieder in die Augen. „Was macht ihr später noch?“ Shinji zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung was Bill geplant hat.“ Sie nickte und blickte kurz zu Bert, der die beiden still beobachtete. Die Kellnerin kam und brachte den beiden das Essen. „Ich werde dann mal gehen“, verabschiedete sich Shinji und wünschte ihnen noch einen schönen Abend. Er kehrte zum Tisch seiner Freunde zurück. Während Bert anfing zu essen, starrte Natalie dem Wuschelkopf nachdenklich nach. Dann zog sie ihr Handy hervor und tippte darauf herum. „Was hast du vor?“, hakte Bert nach und beobachtete ihre Mimik. „Amor spielen“, grinste Natalie und zwinkerte ihm zu. Bert ahnte was in dem hübschen Kopf seiner Freundin vor sich ging, aß aber still weiter. Auch Bill, Shinji und Claudia bestellten was zum Essen. Sie fragten die Braunhaarige aus, wie sie zum Model wurde und wo sie schon überall war. Bereitwillig klärte sie ihre Kollegen über ihre Karriere auf und bohrte auch bei den beiden nach. Immerhin wollte sie alles über Shinji erfahren. Das Essen wurde gebracht und sie aßen, nebenbei unterhielten sie sich angeregt. Kaum war das Besteck zur Seite gelegt, traten Natalie und Bert auf den Tisch zu. Shinji blickte sie überrascht an. „Hey“, begrüßte er die beiden lächelnd. „Dürfen wir uns zu euch setzen?“ Natalie grinste von ihm zu seinen Kollegen. Nur bei Claudia verfinsterte sich ihr Gesichtsausdruck für eine Sekunde. „Klar“, mischte sich Bill ein und grinste sie breit an. „Ich bin Bill.“ Er reichte ihr die Hand zur Begrüßung und als sie ihre in seine legte, führte er sie auch schon zu seinem Mund und hauchte einen Handkuss darauf. Errötet entzog sie ihre Hand. „Natalie“, stellte sie sich vor und deutete auf Bert, dem die Begrüßung sichtlich missfiel. „Und das ist mein Freund Bert!“ Es war eine klare Ansage von der jungen Frau. Wie zum Beweis legte Bert seinen Arm um ihre Schulter und zog sie an sich. Bill lächelte geplättet, sagte aber nichts mehr. Shinji sah seine Chance gekommen und stellte klar. „Das sind die Freunde bei denen ich letztens gepennt habe.“ Erneut nickte er nur und verzog missmutig das Gesicht. Also doch keine Frau, denn diese war ja schon in festen Händen. Natalie blickte irritiert zwischen den Männern hin und her, dann allerdings erinnerte sie sich an ihr Vorhaben. „Was habt ihr denn jetzt noch vor?“ Claudia rümpfte die Nase. „Wir wollten noch ein bisschen um die Häuser ziehen.“ „Na, wenn das kein Zufall ist“, grinste Natalie und knuffte ihren Freund in die Seite. „Das wollten wir auch. Dürfen wir euch begleiten?“ Bert verzog das Gesicht, aber er sagte nichts. Er könnte seiner Natalie niemals auch nur einen Wunsch abschlagen. Nicht mal dann, wenn er sich wirklich auf einen gemütlichen Fernsehabend gefreut hatte. „Klar“, stimmte Shinji zu und freute sich wirklich darüber. So war er Claudia nicht alleine ausgeliefert, wenn Bill sich irgendwo ein Mädchen angelte. Das Model verzog ihr Gesicht, sagte aber nichts dagegen und Bill grinste. „Je mehr desto lustiger.“ Sie bezahlten die Rechnung und verließen wenig später gemeinsam das Lokal. Sie wollten einen Club in der Nähe aufsuchen und gingen gemeinsam dorthin, als Natalies Handy klingelte. Shinji hörte wie sie ihren Standort durchgab und grinsend auflegte. Irgendwie bekam er ein mulmiges Gefühl. Hatte sie etwas vor? Er kannte Mariannes Freundin noch nicht so lange, aber bisher schien es als würde sie nie etwas dem Zufall überlassen. Es fing schon an, als sie sich seine Handynummer aus Mariannes Handy stibitzt hatte. Auch wenn sie ihn nie anrief oder ihm nachstellte, sie war in Besitz seiner Nummer, die er hütete wie einen Augapfel. Wenige Minuten Fußmarsch später betraten sie den Club und fanden einen freien Tisch. Sie setzten sich, doch bevor die Jungs auch Platz nahmen besorgten sie noch die Getränke. Zurück blieben die beiden Frauen. „Woher kennst du Shinji?“, bohrte gleich die Braunhaarige nach. Natalie blickte sie überrascht an. Sie wusste im Moment nicht was sie sagen sollte. „Über Freunde“, antwortete sie wage. „Und wie ist er so privat?“, hakte sie schon wieder nach. Es behagte ihr nicht, warum diese Frau so ein Interesse an Shinji hatte. „Wer bist du überhaupt?“, stellte sie statt einer Antwort eine Gegenfrage. „Ich bin Claudia Firenza. Ich arbeite seit dieser Woche mit ihm zusammen. Hauptberuflich modele ich“, fügte sie arrogant hinzu und lächelte herablassend. Natalie nickte zu und erinnerte sich über Mariannes Anruf und wie verärgert sie sich über diese neue Kollegin geäußert hatte. Nun verstand sie alles. Die Männer kamen mit den Getränken zurück, nur Bill fehlte, denn der hatte an der Bar eine Frau kennen gelernt. Bert setzte sich zu seiner Freundin und reichte ihr einen Cocktail. Shinji schob Claudia einen Cocktail zu. Gemeinsam stießen sie an und nippten an ihren Getränken. Natalies Handy vibrierte. Sie zog es aus der Tasche und schmunzelte. Sie saß im Eck und konnte nicht aufstehen ohne ihren Freund vom Platz aufzujagen. Sie beugte sich über den Tisch zu Shinji. „Bist du so lieb und holst jemanden an unseren Platz? Sie steht im Türbereich.“ Er wusste es. Mit einem Mal pochte sein Herz wie verrückt. Sie war hier. Er nickte und stand auf. Schon entfernte er sich vom Tisch. „Wohin geht er?“, fragte Claudia nach und wollte sich erheben um ihm zu folgen, aber Natalie hielt sie zurück. „Eine Freundin ist noch gekommen. Er holt sie zu uns.“ Wütend funkelte das Model diese Fremden an. Sie ließ sich zurückfallen, schnappte sich ihren Cocktail und nuckelte verstimmt am Strohhalm. Shinji drückte sich durch die Menschen und entdeckte nahe der Tür einen Blondschopf. „Hey, M.“, begrüßte er sie lächelnd. Wieder kam sein gesamter Herzrhythmus durcheinander. „Shinji? Was machst du hier?“ Sie trat auf ihn zu und verlor sich wieder in seinen braunen Augen. Wieder mal fragte sie sich ob er überhaupt wusste, welche Wirkung seine Augen auf sie hatten. „Wir haben Natalie getroffen“, antwortete er ehrlich. Sie ahnte aus welchem Grund sie die Nachricht von ihrer Freundin erhielt, denn geplant war ein Fernsehabend. „Dieses Biest“, murmelte sie vor sich hin. Dann allerdings stutzte sie. „Wer ist wir?“, fragte sie nach. „Bill, Claudia und ich“, erklärte er kurz. Marianne blickte sich erschrocken um. Wenn Bill sie beide hier fand, sie würden ihn nicht mehr los. „Ich sollte besser gehen“, stammelte sie verlegen. Zum einen weil sie keine Lust hatte ihrem neugierigen Kollegen zu begegnen und sich blöde Sprüche anzuhören, zum anderen weil ihr Körper auf Shinji reagierte und sie sich erneut von ihm angezogen fühlte. Der Japaner trat einen Schritt auf sie zu. „Nein, geh nicht, bitte.“ Er kam ihr näher und ihr Herz raste in ihrer Brust. Eine Hitze staute sich in ihrem Körper an und verlegen wischte sie sich ihre Hände an der Jeans. Sie verstand nicht warum ihr Körper plötzlich so auf ihn reagierte. Angefangen hatte es vor wenigen Tagen. Seitdem verzehrte sie sich nach seinen Küssen und seinen Berührungen, seiner Nähe. Sie wusste selbst nicht warum und wie er es schaffte sie um den kleinen Finger zu wickeln, aber er tat es immer und immer wieder. Sanft hob er seine Hand und strich mit seinen Fingern eine Haarsträhne hinter ihr Ohr. Sein Körper glühte förmlich und drängte sich verzehrend nach ihrem. Seine Augen versanken in ihren blauen Augen. Er konnte kaum den Blick heben. Mit starkem Willen schaffte er es doch sich ihrem Blick zu entreißen, dafür klebten seine Augen jetzt an ihren Lippen. An diesem wunderschönen, verführerischen, süßen Mund. Er spürte die ansteigende Macht in seinem Körper gegen die er sich bis jetzt noch standhaft wehren konnte. Er hauchte ihr ein schnelles Küsschen an die Stirn und sagte plötzlich: „Lass uns zu den anderen gehen.“ Im nächsten Moment drehte er sich um und ging. Marianne folgte ihm schnell, wenn auch verwundert. Ihre Reaktion auf ihn verunsicherte sie und sein zurückhaltendes Verhalten verwirrte zudem. Sie versuchte ihre aufgewühlten Gefühle wieder zu beruhigen. Er durfte nicht solch eine Macht über ihren Körper haben. Sie musste dem Einhalt gebieten, was ihr mit jedem Treffen immer schwerer fiel. War er sich über sein Vorhaben sicher, so fiel es ihm umso schwerer sich daran zu halten. Schon allein ein Blick in ihre Augen genügte und er vergaß die Welt um sich herum. Sie war ein Magnet und zog ihn immer wieder an. In ihrer Nähe konnte er seinen Körper nicht kontrollieren und das würde ihm noch zum Verhängnis werden. Er wusste, dass es nicht mehr lange dauern würde und er könnte sich nicht mal mehr am Set in ihrer Nähe zusammen reißen. Sie war für ihn wie eine Droge. Ihre Küsse, ihr Körper, ihre Haare, ihre Augen, einfach alles an ihr machte süchtig, machte ihn süchtig. Shinji befürchtete, dass er dieser Sucht nicht mehr lange widerstehen konnte. Wenn das wirklich geschah, war er verloren und konnte sich aus dieser süßen aber auch gefährlichen Spirale seiner Gefühle nie wieder befreien. Er führte Marianne zum Tisch und wollte sich soeben setzen, als Claudia aufstand und ihre Hand an seine Brust legte. „Du schuldest mir einen Tanz“, grinste sie mit einem kecken Wimpernschlag und schob ihn vom Tisch weg. Marianne, die sie am Rande wahrgenommen hatte, schenkte sie einen viel sagenden Blick. Sie hatte ihr gesagt, dass sie nicht kampflos aufgeben würde. Und um kämpfen zu können, musste diese Austragung erst eröffnet werden. Das geschah in diesem Moment mit ihrem siegreichen Gesichtsausdruck. Die Blondine blickte den beiden nach, verdrängte diese komischen Gefühle in ihrer Brust und setzte sich zu ihren besten Freunden. „Wieso seid ihr hier?“ Bert grinste. „Um das Kaninchen vor der großen Schlange zu retten.“ Verwirrt blickte die Schauspielerin den Mann an. Sie verstand sein Wortspiel in diesem Moment nicht. Natalie ließ die beiden nicht eine Sekunde aus den Augen. Sie tanzten immer mit einem kleinen Abstand. „Mir gefällt nicht, wie diese Schnepfe sich an Shinji ranmacht.“ „Wenn ich nicht wüsste, dass du mit Bert überglücklich bist, würde ich mir jetzt ernsthaft Sorgen machen“, erwiderte Marianne überrascht. Bert blickte zwischen den beiden Frauen hin und her. „Vielleicht solltest du das Kaninchen retten?“ Seine Augen gingen kurz zur Tanzfläche. Auch Marianne folgte dem Blick. Claudia ging auf Tuchfühlung, aber Shinji drückte sie wieder weg. „Na los, geh schon“, forderte Natalie in einem Ton, der keinen Widerspruch zuließ. Dennoch war Marianne ein Sturkopf. „Was geht mich das an?“ Sie wandte demonstrativ ihre Augen wieder ab und trank einen Schluck aus Natalies Cocktail. Diese hingegen wandte nun auch ihre Augen von der Tanzfläche ab und zog ihre Augenbrauen hoch. „Wie war das noch mal mit heute Nacht? Du kannst auch zu Hause pennen und deinem Vater erklären, warum du schon so früh verschwindest.“ Wütend zog Marianne ihre Augenbrauen zusammen. Wie gemein, aber so war Natalie schon immer und sie zweifelte nicht, dass diese die Drohung wahr machte. „Wie du meinst“, stimmte sie schließlich sauer hinzu und stand auf. Sie drückte sich durch die vielen Partygäste zur Tanzfläche und schob sich zwischen den tanzenden Pärchen hindurch. Gerade als Claudia ihm wieder auf die Pelle rückte, ging Marianne dazwischen. „Jetzt bin ich mal dran!“ Überrascht fuhren die beiden auseinander. Auf Shinjis Gesicht zeigte sich Dankbarkeit, während Claudia sie wütend anfunkelte. Der Japaner schaltete schnell, wandte sich der Blondine zu und stieg mit ihr im Rhythmus der Musik wieder ein. Das Model ignorierte er einfach und bekam nicht mal mehr mit, wie sie von dannen zog. Seine Augen hingen bereits wieder auf der Kollegin und das Kribbeln im Bauch lenkte ihn zusätzlich ab. Das Lied endete und ein langsames Lied wurde gespielt. Ohne nachzudenken zog er sie in eine feste Umarmung, drückte ihren Körper gegen seinen und vergrub sein Gesicht in ihren Haaren. Er liebte ihren Duft. Seine Standhaftigkeit schwand und die Gefühle drängten an die Oberfläche. Langsam begann er seine Lippen auf ihre Halsbeuge zu senken. Er hauchte auf die unbekleideten Stellen zarte Schmetterlingsküsse. Hin und wieder saugte er an einer Stelle oder knabberte sanft an ihrer Haut. Marianne schmolz in seinen Armen wie Butter in der Sonne. Nur mit Mühe und Not schaffte sie es ihre Gefühle im Zaum zu halten und nicht gleich über ihn herzufallen. Was tat er nur mit ihr? Was stellte er nur mit ihrem Körper an, dass sie ihm immer wieder nahe sein wollte. Sie vergaß nicht wo sie sich befanden und sie behielt auch im Hinterkopf, dass niemand hiervon wissen durfte. Darum klammerte sie sich einfach nur an seinen Hals und presste sich an ihn. Auch er hielt sie einfach nur fest, während seine Lippen ihren Hals und Schulterbereich bearbeiteten. Das Kribbeln in seinen Fingern wurde stärker. Seine Hände wollten sich auf Wanderschaft begeben, doch er widerstand dem Drang. Sie waren in der Öffentlichkeit. Bill, Claudia, aber auch Natalie und Bert konnten sie sehen. Standhaft hielt er seine Hände an Ort und Stelle an ihrer Hüfte, drückte sie aber noch näher an seinen Körper. Wenn er sich ihr schon nicht so nähern konnte wie er es wollte, so würde er sie doch nah bei sich spüren. Claudia beobachtete die beiden wütend, wandte ihren Blick ab und nuckelte erneut an ihrem Cocktail. Dieses blöde, blonde Flittchen. Sie würde ihr schon noch zeigen, dass sie bei Shinji keine Chance bekam. Natalie hingegen lehnte sich zufrieden an ihren Freund und beobachtete die Freundin. Auch wenn man sie nur mit einander tanzen sah, so sah sie es gewaltig knistern zwischen den beiden. Wie gut, dass ausgerechnet jetzt ein langsames Lied gespielt wurde. Besser hätte es doch auch nicht laufen können. Das Lied endete und ein heißer Beat erklang wieder. Die beiden lösten sich voneinander, erhitzt von diesen wenigen Minuten und schneller atmend. Shinji blickte sie mit dunklen Lustverhangenden Augen an. Marianne immer noch hin und weg von seinen Lippen, die ihr diese anhaltende Gänsehaut bereitet hatten, und ihren verrückt spielenden Gefühlen, blickte ihn stumm an. Eine tanzende Frau stieß in sie hinein und nach einem entschuldigenden Blick verschwand diese wieder. Es war der Moment in dem sie wieder ins hier und jetzt zurückkehrte. Marianne lächelte und zog ihn von der Tanzfläche. Am Tisch angekommen, setzte sich Shinji zu Claudia und trank erstmal einen kräftigen Schluck. Diese innerliche Hitze machte ihn noch ganz fertig. Marianne hingegen drängte ihre besten Freunde zum Aufbruch. Bert nickte, reichte Claudia die Hand und auch Shinji wurde verabschiedet. Dann stand er auf und zog Natalie mit sich. Auch sie verabschiedete sich und die drei verschwanden. Shinji seufzte. Es war schade, dass sie schon ging, aber er würde sie in wenigen Stunden bereits wieder sehen. Bill und ein Mädel, welches er an der Bar kennen gelernt hatte, kamen zum Tisch und grinste. „Hattet ihr Spaß?“ „Super“, höhnte Claudia verbissen. Shinji nickte, täuschte Müdigkeit vor und verabschiedete sich schnell. Nicht das er nochmals an Claudia geriet. Außerdem musste er früh raus. Wenig später verließ er den Club und machte sich auf den Rückweg zum Studio um dort sein Auto zu holen. Kapitel 12: ------------ Pünktlich wartete Shinji vor Natalie und Berts Wohnblock auf Marianne. Diese kam auch schon aus dem Haus heraus und lächelte ihn schüchtern an. „Guten Morgen.“ Kaum dass er sie sah, begann sein Körper wieder ein Eigenleben. Er musste sich endlich unter Kontrolle bringen. Innerlich verfluchte er sich, wie stark er sich zu ihr hingezogen fühlte. „Guten Morgen“, grinste er zurück und gab den Weg zur Beifahrerseite frei. Ganz wie ein Gentleman hielt er ihr die Türe auf und schloss diese, als sie im Auto saß. Dann ging er ums Auto herum und stieg hinter dem Lenkrad ein. Sie schnallten sich an und er blickte sie abwartend an. Sie wunderte sich warum er nicht losfuhr, doch dann fiel ihr ein, dass er ja gar nicht wusste wohin die Reise ging. „Wir müssen nach Valley. Das ist ungefähr zwei Stunden Fahrzeit nach Norden raus.“ Er nickte und startete den Motor. Wenig später fuhren sie nach Norden und erreichten nach einer schweigenden Fahrzeit die Ortschaft Valley. Marianne war zu sehr in Gedanken bei ihrer Mutter, als dass sie sich mit Shinji unterhalten konnte. Dieser wiederum spürte, dass sie in Gedanken versunken war und traute sich nicht sie anzusprechen. Abgesehen von ein paar Wegweisungen herrschte absolute Stille zwischen ihnen. Nur das Radio dudelte leise vor sich hin. Vor einem Haus blieb er stehen. Es war ein nettes Häuschen mit großem Vorgarten. Ein Weg führte zur Haustüre. Das Häuschen selbst hatte eine Holzverkleidung, zwei Etagen und ein Flachdach. Die Fensterrahmen waren weiß, die Farbe des Hauses blau. Seine Augen ruhten auf der Kollegin. Sie saß versteift im Sitz, blickte stur gerade aus und spielte mit ihren Fingern. Sanft legte er seine Hand auf ihre Hände und streichelte sie behutsam. „Es wird schwer, aber, glaub mir, du tust das richtige.“ Seine Worte so sanft und verständnisvoll. Sie blickte auf und sah ihm in die Augen. In seine wunderschönen, braunen Augen, die ihr vermittelten, dass sie nicht alleine war. „Kommst du mit?“, fragte sie schüchtern. Er schüttelte seinen Kopf und drückte ihre Hände. „Ich warte hier auf dich. Nimm dir Zeit soviel du brauchst.“ Marianne nickte langsam, ohne ihre Augen von seinen zu lösen. „Danke“, hauchte sie und bekam plötzlich ein furchtbar schlechtes Gewissen. Er hätte mit seinem freien Samstag bestimmt mehr anzufangen gewusst, als ihn hier im Auto zu verbringen. „Marie erzählte mal, dass die Straße runter der Ortskern ist. Dort gibt es Restaurants und verschiedene Läden.“ Shinji lächelte. „Ich warte hier. Ist kein Problem.“ Marianne blickte zu dem Haus, atmete tief durch und stieg letztendlich aus dem Auto aus. Langsam trat sie zum Haus ihrer Mutter und stand zögernd vor der Haustüre. Sie hob ihre Hand um die Klingel zu betätigen und senkte sie wieder. So lange hatte sie ihre Mutter nicht mehr gesehen. Ihr Herz raste, sie betrachtete ängstlich die Türe und atmete tief durch. Dann setzte sie ihren Finger an die Klingel und drückte. Wenig später öffnete sich die Türe und eine hübsche Frau mit Schulterlangem blonden Haar stand vor ihr in der Türe. Sie war nicht viel größer als Marianne selbst und blickte erstaunt drein. Die blauen Augen betrachteten die junge Frau vor sich. Die Lippen, zum Sprechen geöffnet, blieben stumm und bewegten sich nicht. Tränen traten in die Augen und die ersten lösten sich schon und kullerten über die eingefallenen Wangen. Marianne sah ihrer Mutter an, dass sie es nicht fassen konnte, wer vor ihr stand. Sie selbst schluckte, zwang sich das Wort an sie zu richten und hoffte dass ihre Stimme hielt. „Hey, Mom.“ Unsicher, leise, kraftlos, dennoch sagten diese Worte alles. Zitternd führte die blonde, von der Krankheit gezeichnete Frau, ihre rechte Hand zum Mund und die schlanken Finger legten sich an ihre Lippen. Fassungslos starrte sie Marianne an, die Tränen flossen unaufhaltsam. Immer noch war sie verstummt. „Darf ich reinkommen?“ Unsicherheit spiegelte sich in ihrer ganzen Erscheinung. Ihre Mutter hatte sie früh verlassen, sich nie wieder bei ihr gemeldet. Vielleicht wollte sie Marianne ja gar nicht sehen. Immerhin hatte sie ihre Gründe gehabt. Nie hatte ihre Mutter sie haben wollen. Wenn es ihr nicht passte, dass die Blondine hier war, dann würde sie wieder gehen. Sie könnte mit Shinji den Tag verbringen, dann wäre er nicht umsonst hier. Immer noch ruhten ihre blauen Augen auf der Frau vor ihr. Endlich kam Bewegung in die Kranke und sie schloss im nächsten Moment Marianne in ihre Arme. Sie drückte die junge Frau fest an sich und schniefte erleichtert: „Marianne, du bist hier.“ Langsam führte die Schauspielerin ihre Mutter ins Haus und schloss die Türe. Die Ältere, von ihrer Tochter gestützt, führte sie beide ins Wohnzimmer und sie setzten sich auf die Couch. „Es tut mir so leid. Ich kann das nie wieder gut machen, was ich dir angetan habe“, weinte sie weiter. Marianne hielt ihre Mutter weiterhin im Arm und auch in ihren Augen sammelten sich die Tränen. „Ich war egoistisch. Ich habe dir und deiner Schwester die Schuld an allem gegeben. Ich fühlte mich eingesperrt. Es tut mir so leid, Marianne. Alles tut mir so leid.“ Sprachlos saß die Blondine neben ihrer weinenden Mutter und hielt sie im Arm, während sie den Selbstvorwürfen und den Entschuldigungen zuhörte. Erst als sich ihre Mutter beruhigt hatte, begannen sie die Vergangenheit aufzuarbeiten. Mehr und mehr Kartons fanden den Weg in ihr neues Zimmer. Hier würde Sincia in Zukunft wohnen. Sie freute sich darauf und als endlich alle Kartons aus dem Auto in die Wohnung gebracht waren stand sie in ihrem neuen zuhause. Bill und Richard standen hinter ihr, recht verschwitzt, denn der Altbau hatte keinen Aufzug. Sie mussten Etage für Etage die Kartons hinauf schleppen und dann wieder hinunter gehen. „Ich geh mal duschen“, grinste Bill und verschwand kurz darauf mit Wechselwäsche im Badezimmer. Richard sah sich im Zimmer um. „Das wäre fürs erste geschafft. Jetzt fehlen nur noch die Möbel.“ Sincia nickte und drehte sich um. Sie war ihm so dankbar. Ihr Leben hatte sich von einem Moment auf den anderen komplett verändert. Zuerst sah sie keinen Sinn mehr, doch dann wandelte sich alles zum Guten. Sie fand eine neue Freundin und lernte die Schauspieler kennen, die ebenfalls zu Freunden wurden. „Wollen wir gleich los?“, riss der Blonde sie aus ihren Gedanken. „Ja, lass uns gleich fahren.“ Sie lächelte ihn an und gemeinsam verließen sie die Wohnung um mit dem Auto zu einem Möbelhaus zu fahren. Sie brauchte nicht viel. Ein Regal, einen Kleiderschrank und ein Bett. Das würde ihr reichen. Den Rest konnte sie nach und nach besorgen, denn das eilte nicht. Bill trat erfrischt in die Küche und traf auf Cindy. „Immer noch hier?“ „Wie du siehst“, erwiderte die Braunhaarige biestig. „Wo seid ihr denn gestern hin verschwunden?“ „Ich wüsste nicht was dich das angeht.“ Bill ging zum Kühlschrank schnappte sich die Milchpackung und trank einen großen Schluck daraus. „Wir haben Gläser“, fauchte die Schauspielerin böse und verschränkte ihre Arme. Ihre Zeit lief ab. Die Uhr tickte und sie müsste bald ausziehen. Es gefiel ihr nicht und sie hoffte immer noch, dass Shinji ihr noch eine Chance gab. „Aber Firenza geht das was an, ja?“ „Logo“, grinste der Schauspieler. Er packte die Milch zurück in den Kühlschrank und beugte sich leicht zu ihr vor. „Immerhin muss der liebe Shinji sich über dich weg trösten.“ Cindys Gesichtsausdruck verfinsterte sich. Die Worte gefielen ihr nicht, aber das würde auch bedeuten, dass sie sich alles eingebildet hatte. Marianne und er, waren dann wohl doch nur Freunde. Sie glaubte es nicht. Dafür gingen sie viel zu vertraut miteinander um, aber wenn Firenza jetzt seine Neue war, konnte ihr das nur recht sein. Dieses blonde Gift würde ihn auch nicht bekommen. Gegen Firenza war es ein leichtes zu gewinnen. „Glaub nicht, dass er dich zurücknimmt“, mutmaßte der Lockenkopf ihre Gedanken und traf mal wieder voll ins Schwarze. „Du bist bald weg. Nicht nur aus der Serie, sondern auch aus der Wohnung.“ Er stieß sich von der Arbeitsplatte ab und ging in sein Zimmer. Sobald Richard und Sincia mit den Möbeln zurück waren, würde er ihnen helfen, diese hoch zutragen. Bis dahin konnte er sich in seine eigenen vier Wände zurückziehen. Lange unterhielten sich die Frauen. Sie saßen auf der Couch, tranken Tee und klärten die Vergangenheit. Viele Tränen flossen dabei. Langsam wanderten die blauen Augen der älteren Blondine zur Uhr. „Bleibst du zum Mittagessen?“ Marianne schüttelte ihren Kopf. „Ein Freund von mir wartet draußen. Ich muss wieder los.“ Ihre Mutter blickte überrascht auf. „Warum hast du ihn nicht mit herein gebracht?“ „Es erschien mir unpassend.“ Zwei Stunden war sie nun bei ihrer Mutter und sie hatten viel geredet. Ein schlechtes Gewissen Shinji gegenüber breitete sich in ihr aus. „Bring ihn rein, ich möchte ihn gerne kennen lernen.“ Sie vermutete, dass es sich um den Freund ihrer Tochter handelte und war gespannt auf den Mann, der sie hierher brachte. Marianne nickte zögerlich, stand auf und ging dann hinaus. Nach wie vor stand Shinjis Sportflitzer draußen. Musik dröhnte aus den Boxen und der Japaner spielte auf seinem Handy. Sie stieg auf der Beifahrerseite ein und ließ sich in den Sitz fallen. Tief atmete sie durch. Sofort drehte er die Musik leiser und blickte die Blondine überrascht an. So schnell konnte sie nie und nimmer fertig sein. Sie hatte ihre Mutter so viele Jahre nicht mehr gesehen und innerhalb zwei Stunden war alles gesagt? „Was ist los?“ Sanft ruhten seine Augen auf ihrem Antlitz. „Sie möchte, dass du mit rein kommst. Sie lädt uns zum Mittagessen ein.“ Shinji nickte nachdenklich, doch dann lächelte er. „Dann lassen wir sie mal nicht warten.“ Schon stieg er aus. Marianne blieb sitzen, unschlüssig was sie tun sollte. Doch schon öffnete er die Beifahrertür und hielt ihr seine Hände hin. „Na, komm schon“, drängelte er sie sanft aber bestimmt. Marianne reichte ihm ihre Hand und ließ sich aus dem Auto helfen. Bei der Berührung ihrer Hände spürte sie wieder wie tausende von Schmetterlingen in ihrem Bauch los flatterten. Sie fühlte sich unbeobachtet und umarmte ihn fest. Dann drückte sie ihm ein Küsschen auf die Wange. „Danke!“ „Keine Ursache“, hauchte er zurück und schloss sie ebenso fest in seine Arme. Wieder fühlte er sich geborgen, als wäre es der einzige Platz auf der Welt wo er hingehörte. Er genoss ihre Nähe und schloss seine Augen für einen Moment. Tief nahm er ihren Duft in sich auf. Mariannes Mutter stand am Fenster und beobachtete ihre Tochter. Sie konnte von ihrem Standpunkt erkennen, wie vertraut die beiden miteinander umgingen und lächelte erleichtert. Nun war sie gespannt auf den jungen Mann, den sie gleich kennen lernen würde. Marianne und Shinji ließen sich gegenseitig los und gemeinsam gingen sie zum Haus und durch die Tür hinein. Im Wohnzimmer standen sie ihrer Mutter gegenüber. „Mom, das ist Shinji Hikari. Er ist mein Kollege und ein guter Freund.“ Shinji begrüßte ihre Mutter freundlich und auch sie hieß ihn lächelnd willkommen. Er war ihr auf Anhieb sympathisch und sie freute sich auf den Nachmittag in Gesellschaft dieser jungen Leute. Gemeinsam aßen sie zu Mittag und redeten über ihren Beruf, Gott und die Welt. Der Nachmittag verging fröhlich quatschend und langsam brach der Abend an. Nach einem gemeinsamen Abendessen verabschiedete sich Shinji von Mariannes Mutter. „Hat mich gefreut Sie kennen zu lernen.“ Die ältere Blondine lächelte. „Hat mich auch gefreut, Shinji. Vielen Dank, dass Sie meine Tochter her gebracht haben.“ „Gerne, Misses Eagle.“ Shinji nickte ihr zu und sah zu seiner Kollegin. „Ich warte am Wagen.“ Schon drehte er sich um und verließ das Haus. Marianne blieb mit ihrer Mutter im Haus zurück. Sie blickte ihm über die Schulter nach, doch dann senkte sie ihre Augen zum Boden. „Ein netter junge Mann. Lass ihn niemals gehen, hörst du?!“ Marianne blickte erschrocken auf. Ihre Augen trafen auf die ihrer Mutter. Sie hob sofort die Hände und gestikulierte wild mit ihnen, während sie stotternd erklärte: „Oh, das hast du falsch verstanden. Wir sind kein Paar!“ „Ich habe Augen im Kopf, mein Kind“, lächelte ihre Mutter wissend. Auch wenn Marianne sich vor der Wahrheit verschloss, so fiel ihr sofort auf, dass mehr zwischen den Freunden war. Sie gingen so vertraut mit einander um. Flüchtige Berührungen tauschten sie immer wieder aus, wobei sie nicht sicher war ob die beiden das überhaupt bewusst wahrnahmen. „Ich hab ihn sehr gerne“, gestand Marianne zum ersten Mal. „Marie und Daddy wissen das nicht. Daddy würde ihn umbringen und mich nie wieder außer Haus lassen. Er kann ihn nicht ausstehen.“ Sie wirkte mit einem Mal bedrückt. Shinji war nicht der Typ Mann, den ihr Vater an ihrer Seite akzeptieren würde. „Glaube mir, dass er es verstehen wird, allein weil er möchte, dass du glücklich bist.“ Zum Abschied umarmte Marianne ihre Mutter und verließ das Haus. Sie stieg wieder ins Auto, saß auf dem Beifahrersitz und starrte stumm vor sich hin. Ihre Gedanken drehten sich im Kreis. „Alles in Ordnung?“, hakte ihr Kollege sofort besorgt nach. Sie blickte ihn lächelnd an. „Ja, danke dass du mit gekommen bist.“ Er legte seine Hand auf ihre und drückte diese. „Ich hab das gern gemacht.“ Er löste seinen Griff. Im nächsten Moment schnallten sich beide an und er startete den Motor. Dann legte er den Gang ein. Marianne betrachtete seine Hand, die den Schaltknüppel umfasst hielt. Sie blickte kurz zum Seitenfenster raus und erhaschte noch einen letzten Blick auf das Haus ihrer Mutter und die blonde Frau, die in der offenen Haustür stand und ihre Augen nicht von dem Auto abwandte in dem Marianne saß. Schon fuhr Shinji los. Er schaltete in den nächsten Gang, als sie zu ihm blickte. Tief durchatmend legte sie ihre Hand auf seine und umfasste diese zärtlich. Erst überrascht, schielte Shinji zu seiner Hand, dann blickte er kurz zu seiner Begleiterin. Mit einem sanften Lächeln konzentrierte er sich aufs Fahren, während er seine Finger mit ihren verschränkte und sein Daumen über ihren kleinen Finger strich. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)