Zu spät von Shizana (Eine kleine Schreibübung) ================================================================================ Gesagtes ist gesagt ------------------- „Kojiro…“ „Wieso, Musashi?!“ Seine Stimme klang verletzt. Ein schmerzliches Zucken ging durch ihren Körper. Sie wollte ihm nicht in die Augen sehen. Diesen Anblick würde sie nicht ertragen. Aber seine Augen waren wie zwei Magnete, und so stand sie hilflos zitternd in diesem Bann. Unfähig, sich zu rühren. Ihre Beine drohten schon jetzt, unter dem Beben ihres Körpers nachzugeben. „Wieso“, wiederholte er seine Verzweiflung, „hast du das getan? Wieso nur, Musashi?!“ „Kojiro…“ Ihre Stimme war so schwach, das Flüstern so leise, und doch hatte sie Angst, noch mehr kaputtzumachen. Sie wusste, dass sie ihn verletzt hatte. Und sie wünschte, sie könnte es ungeschehen machen. Wünschte, sie könnte Dialga heraufbeschwören und die Zeit verändern. Aber es war zu spät. Die Bombe war geplatzt. Wie eine gewaltige Explosion hatte sie alles zerstört. Das hinterbliebene Chaos war nicht zu sehen, jedenfalls nicht auf den ersten Blick. Doch sie hörte noch jetzt, wie Herzen zersplitterten, als bestünden sie aus Glas. Tränen perlten sich über seine Wangen. In seinen Augen stand so viel Schmerz, dass sie einen nie gespürten Selbsthass in sich spürte. All diese Verzweiflung… Verdammt, wieso hatte es so weit kommen müssen? Nyasu stand nur wenige Meter von dem Duo entfernt und beobachtete die ganze Szenerie, als sei er nur ein zufälliger Zuschauer. Jemand, der zur falschen Zeit am falschen Ort war, aber zu neugierig, um dem Anstand nachzugeben. Und doch war es nicht die blanke Neugierde, die ihn an Ort und Stelle bannte. Seine Ohren waren ihm zur Seite gekippt. Er wagte kaum zu atmen. Die Worte blieben ihm regelrecht im Halse stecken. Er hatte alles mit angesehen. Hatte alles mit angehört. Und er hatte nicht gewusst, was er hätte tun sollen, um die Situation zu entschärfen. Obwohl er geahnt hatte, dass dieses Mal der Bogen überspannt gewesen war. Den ganzen Tag schon hatte er es gespürt, diese angespannte Atmosphäre im Team. Und ein ungutes Gefühl in seiner Magengegend hatte ihn vorgewarnt, dass nur ein falscher Schritt, ein falsches Wort, ausreichen würde, bis es eskalieren würde. „Kojiro… ich… habe es nicht so gemeint…“, flüsterte Musashi mit zittriger Stimme. Sie meinte es ehrlich. Tat sie das? Wieso waren da diese Zweifel? „Wirklich, bitte verzeih mir.“ Ihr Partner schluckte schwer. Sie konnte es deutlich hören. Wie gebannt beobachtete sie, wie sein Adamsapfel unruhig hüpfte. Er wollte ihr mit Sicherheit etwas erwidern, doch kein Wort kam aus ihm heraus. Nur weitere, heiße Tränen tropften von seinem Kinn zu Boden. „Bitte…“, wiederholte sie noch eine Oktave leiser. Und nur dieses eine Wort hinterließ in ihrem Herzen ein nachhallendes Brennen. „Wieso…?“ Ein Zucken ging durch ihren Körper. Bis zum Äußersten angespannt straffte sie ganz automatisch die Schultern. Sie konnte nichts dagegen tun. Mit aller Mühe kämpfte sie ihren stillen Kampf um ihre Beherrschung, auf dass ihre Beine sie noch eine Weile tragen mochten. „So etwas… Das, was du gesagt hast…“ Sein Stammeln verriet den wirren Gedankensturm in seinem Kopf. Und für einen Moment klangen ihre eigenen, harten Worte in ihren eigenen Ohren nach. Es tat weh, so verdammt weh. Was hatte sie ihm nur angetan? „So etwas sagt man einfach nicht, verdammt!“ „Es tut mir leid…“ Ihre Stimme brachte nur noch ein Wimmern zustande. Wie bei einem getretenen Fukano, kam es ihr in den Sinn. Sie ballte ihre Hände so kräftig zu Fäusten, dass sich ihre Fingernägel selbst noch durch die Handschuhe in ihre Handfläche bohrten. Schmerzlich. Doch es war längst nicht zu vergleichen mit dem Schmerz, der ihr Herz zerfraß. Dem Schmerz, den sie ihm zugefügt hatte. „Ich…“, setzte er zittrig an, biss sich dann aber gequält auf die Unterlippe. Musashi zuckte in sich zusammen, als spürte sie das davon ausgelöste Stechen an sich selbst. Auch Kojiro hatte die Hände zu Fäusten geballt und sie erkannte das verräterische Zittern. Wieso? Wieso hatte er sich noch immer so unter Kontrolle? Wie schaffte er es, diese Stärke bei sich zu behalten? Warum beendete er den Satz nicht einfach, wo sie doch ohnehin schon wusste, was sein Empfinden ihr bereits unüberhörbar entgegenschrie? Doch er beendete den Satz nicht. Stattdessen jagte eine salzige Träne der anderen, wie bei einer Hetzjagd. Er machte keinerlei Anstalten, seine verschwommene Sicht von dem Wasser zu klaren. Dann kam die Regung, vor der sich Musashi die ganze Zeit über gefürchtet hatte. Ihr wurde just in diesem Moment bewusst, dass ihr größter Albtraum wahr wurde. In dem Moment, in dem er sich von ihr abwandte. Stromschlagartig erfasste ihr gesamter Körper ein unbändiges Zittern. „Bitte!“, entkam es ihrer Kehle, noch ehe sie es selbst richtig realisieren konnte. Sie tat im selben Moment einen hastigen Schritt nach vorne, bremste sich dann jedoch sofort wieder. „Bitte“, wiederholte sie nun sanfter, flehender, „geh nicht.“ Ihr Partner hielt in seinem Vorhaben inne. Sie konnte nur vermuten, dass es in seinem Kopf rumorte. Ihr eigenes Pochen hinter ihrer Stirn verriet es ihr. Ein übelkeitserregender Schwindel drohte sich zwischen ihren rasenden Gedanken an. Wenn er jetzt gehen würde… dann würde sie… würde sie… Ja, was würde sie dann eigentlich? „Es geht nicht“, wirkten dann seine bebenden Worte auf sie ein und drohten, das letzte bisschen ihrer Beherrschung zu sprengen. Das Zittern ihrer Beine war nicht mehr zu bändigen und sie drohte, einfach an Ort und Stelle zu zerfallen, wie ein Phönix zu Asche. Ohne dass sie an eine Wiederauferstehung glaubte. „Es war zu viel.“ Sekunden zogen an ihr vorüber. Wurden zu Minuten. Stunden. Zu einer schwarzen Unendlichkeit. Wie in Trance sah sie zu, wie ihr Partner davonrannte. Weg, hinein in die Dunkelheit. Wie in einem bösen Traum gefangen stand sie nur da und sah zu. Unfähig, nach dem zu handeln, was sie am liebsten gewollt hätte. Die Regie wurde von fremder Hand geführt, und sie war nur die Statistin. Sie verwurzelte an Ort und Stelle und sah ihm nach, unfähig, irgendetwas in sich zu spüren. Der feste Boden unter ihr zerfloss wie Treibsand. Und sie sank. Sank hinein in ein schwarzes Loch von Nichts. Und mit einem stummen Krachen stürzte der Nachthimmel über ihr ein, regnete sein schweres Geschoss von Sternen auf sie hinab. Hätte sie doch wenigstens einer von ihnen erwischt. Die brennenden Tränen auf ihren Wangen waren kalt. Ihr war kalt. Und eine Stimme raunte ihr diabolisch ins Ohr, dass Kojiro dieses Mal nicht zurückkommen würde. Nie mehr. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)