The 31st Hunger Games - Boys Only von Meez ================================================================================ Kapitel 3: Kapitel 3 - Das Blatt wendet sich -------------------------------------------- Kapitel 3 – Das Blatt wendet sich Sein Herzschlag war so laut, es war kaum auszuhalten. Fee musste für ein paar Sekunden seine Augen schließen. Und sofort war das Bild des rothaarigen Tributs aus Distrikt 8 wieder da. Eben hatte er Fawkes Waters zum ersten Mal getroffen und er war so gefangen von allem, was er in seinem Gesicht hatte lesen können. Die schreiende Ungerechtigkeit der Situation hatte die warmen, braunen Augen zum Brennen gebracht. Der kopflose und vollkommen irrationale Versuch, dem anderen Tribut zu Hilfe zu kommen, so dumm er auch war, beeindruckte Fee auf seltsame Weise. Und schließlich der Anblick, wie Fawkes langsam zu Boden sank. Fee erinnerte sich am deutlichsten daran, wie der Impuls in ihm aufgestiegen war, ebenfalls durch die Reihen der Friedenswächter zu brechen und etwas, irgendetwas zu tun. Und es erschrak ihn. Sie waren doch ohnehin fast alle zum Tode verurteilt. Es dauerte einen langen Moment, bis nach und nach all die anderen Geräusche zurückkehrten. Die Alarmsirene begann wieder in Fees Ohren zu dröhnen und die aufgebrachten und geschockten Worte der Menschen um ihn herum drangen langsam zu ihm durch. „Komm endlich von der Tür weg!“ Jacky zerrte noch immer an seinem Arm, aber Fee weigerte sich, sich auch nur einen Millimeter zu bewegen, bevor er nicht gesehen hatte, was mit dem katzenartigen Jungen aus Distrikt 6 passierte. Er zwang sich, seine Augen wieder zu öffnen, um durch das schmale Fenster der Abteiltür zu beobachten, was draußen geschah. Einer der Friedenswächter hatte den blutig geschlagenen Körper an dessen Kapuzenjacke hochgehoben und schleifte ihn hinter sich her. Beinahe sah er jetzt wirklich wie ein kleines Katzenjunges aus, das von der Mutter nach Hause getragen wurde – nur das Blut störte dieses Bild. Der Junge war bewusstlos, seine langen, honigfarbenen Haare hingen ihm unordentlich und dreckig über die Schultern. Zwei weitere Friedenswächter folgten der Prozession mit erhobenen Knüppeln, während der Rest der weißgekleideten Männer sicherging, dass die anderen Tribute nicht doch noch auf die wahnwitzige Idee kamen, den Fluchtversuch nachzumachen. Der Tribut aus 6 wurde unsanft zurück in sein Abteil gehievt und zwei Friedenswächter folgten, höchstwahrscheinlich, um den Mentor und Betreuer des Distrikts entsprechend zurechtzuweisen. Dann erstarb die Sirene schließlich. „Verdammt, Feenien!“, grollte sein Partnertribut aufgebracht und unternahm einen erneuten Versuch, Fee von der Tür wegzuzerren, bevor die patrouillierenden Friedenswächter auf ihn und seinen gefährlich düsteren Blick aufmerksam wurden. Fee schob Jackys Hand von seinem Oberarm und kehrte der Abteiltür endlich den Rücken zu. Sein Blick streifte alle Anwesenden kurz - Jacky, Haleg, Corinth - und hörte erst auf zu wandern, als er auf den Saphirjungen traf, der mit einem leichten Lächeln, seinen verstehenden, blauen Augen und einem Glas Orangensaft auf einem Tablett am Ende des Abteils für ihn bereit stand. Fee ignorierte alle anderen Personen und durchquerte das schmale Abteil. Glücklicherweise hatten sie mittlerweile ohnehin aufgegeben, auf ihn einzureden, aber der Schreck stand allen Beteiligten noch im Gesicht geschrieben. Anscheinend passierte es nicht oft, dass einer der Tribute versuchte zu fliehen, denn selbst Corinths allgegenwärtiges, breites Grinsen hatte einem betroffenen Ausdruck weichen müssen. Als Fee bei dem Saphirjungen angekommen war, nahm er wortlos das Glas mit der gelben Flüssigkeit an sich und trank einen großen Schluck, wie um den bitteren Nachgeschmack dieses Vorfalls wegzuspülen. „Hoffentlich überlebt er das…“ Jackys Stimme konnte man überdeutlich anhören, wie das Adrenalin langsam und zitternd seinen Körper wieder verließ. Das kleine, typische Grinsen war allerdings noch nicht wieder zu sehen. „Oh natürlich, dafür werden sie schon sorgen“, erwiderte Corinth lachend, auch wenn diesem Lachen jegliche Unbeschwertheit fehlte. „Schließlich können sie nicht einfach umdrehen und einen weiteren Tribut aus 6 auslosen. Das würde ihre ganze Planung durcheinander bringen und dann noch dieser Aufwand…“ Die lavendelfarbenen Locken wippten leicht, als Corinth einmal kurz seinen Kopf schüttelte. Dann machte er eine auffordernde und einladende Geste in Richtung des Speisewagens, damit sie ihr Frühstück beenden konnten. Keiner folgte ihr. Fee wusste, dass sein Betreuer Recht hatte. Aber er würde das ungute Gefühl trotzdem nicht loswerden, bis er den katzenartigen Jungen heute Abend bei der Parade sah. Dabei sollte es ihm doch eigentlich gar nichts ausmachen. Er nahm einen weiteren Schluck Orangensaft und strich sich dann in einer leicht frustrierten Bewegung ein paar seiner weißen Haare zurück. Wahrscheinlich machte ihn die Gewissheit, dass er in ein paar Tagen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit tot sein würde, doch ein wenig angreifbar. Fee hatte immer angenommen, dass er über diesen lächerlichen Ängsten stehen würde, sollte er einmal während einer Ernte gezogen werden. Aber nun, wo das Los tatsächlich auf ihn gefallen war, sah er sich einer beinahe unlösbaren Aufgabe bevor. Und dabei hatte das ganze Spektakel noch nicht einmal richtig begonnen. Nur eine Stunde später rollte der Hochgeschwindigkeitszug langsam in den Bahnhof des Kapitols ein, vorbei an dessen jubelnden und grotesken Bewohnern. Feenien brachte es nicht fertig, den Blick länger als einen kurzen Moment über diese seltsamen Figuren schweifen zu lassen. Sie waren so schrill und grell, dass es ihm Kopfschmerzen bereitete. Und sie überschlugen sich fast vor Begeisterung, konnten es nicht abwarten, die Kinder zu sehen, die sich in ein paar Tagen zu ihrem Vergnügen abschlachten würden. Hatten sie denn niemals den verzweifelten Glanz in den Augen der Tribute gesehen? Dieses verräterische Glimmen, das keine Verkleidung und kein Make-up der Welt ganz verdecken konnten? Fee konnte es sehen, ganz deutlich. Er sah es in seiner eigenen Spiegelung im Fensterglas. Dann hielt der Zug an. Jacky tauchte neben Fee auf und machte sich offensichtlich dazu bereit, gleich den Kamerateams zu begegnen. Nur einen kurzen Augenblick später war auch Haleg erschienen, er stand direkt hinter ihnen. „Ihr werdet jetzt ins Erneuerungsstudio gebracht. Dort werdet ihr auf euren Stylisten treffen und ihr werdet für die Parade heute Abend vorbereitet. Macht einfach, was sie euch sagen.“ Halegs Stimme war nachdrücklich, besonders beim letzten Satz. Sowohl Fee als auch Jacky rollten kurz mit den Augen. Klappe halten und mitspielen also. Dass Haleg damit kein Problem hatte, wusste Fee ja nun schon. Ob er sich so einfach daran würde halten können, war allerdings relativ unwahrscheinlich. Eine Gruppe Friedenswächter eskortierte sie vorbei an den jubelnden Massen, den blitzenden Kameras und aufdringlichen Reportern. Fee würdigte keinen von ihnen eines Blickes, er hielt sein Kinn in einer unnahbaren Geste leicht erhoben und zeigte sich vollkommen unbeeindruckt. Darin war er schließlich gut, das hatte er gelernt. Die Tribute wurden in ein riesiges, elfenbeinweißes Gebäude geführt. Ein halbes Dutzend gläserner Fahrstühle führte sie ein paar Stockwerke tiefer, wie viele genau vermochte Fee nicht zu sagen, sie bewegten sich zu schnell. Das angenehme Weiß der Wände war einem sterilen, unnatürlich hellen Farbton gewichen, Fenster gab es hier unten keine mehr. Sie befanden sich in einem langen Gang, in dem es, neben den Fahrstühlen, eine Reihe an Türen gab, die von 1 bis 12 durchnummeriert waren. Die Gruppe der Tribute wurde nach und nach ausgedünnt, als jeweils zwei von ihnen durch die zu ihrem Distrikt passende Tür verschwanden. Bevor Fee hinter der Tür mit der Nummer vier verschwand, gab er dem Drang nach, seinen Blick doch einmal kurz schweifen zu lassen. Zumindest hatte Corinth Recht behalten, der Junge aus Distrikt 6 schien noch am Leben zu sein, zumindest konnte er fast ohne Hilfe stehen. Aber er sah milde ausgedrückt miserabel aus. Immer noch klebten Blut und Dreck an ihm, aber das war nichts, was man im Erneuerungsstudio nicht beheben konnte. Inwieweit sie aber dazu in der Lage waren, die gebückte Haltung des Jungen zu kaschieren, blieb abzuwarten. Fees Blick wanderte noch ein Stückchen weiter, bis er auf Fawkes traf. Aber bevor sie Augenkontakt herstellen konnten, hatte sich ein Friedenswächter in Fees Blickfeld geschoben und drängte ihn, weiter zu gehen. Die Tür wurde hinter Jacky und ihm geschlossen und sie befanden sich in einem kleinen Raum mit einem Sofa und ein paar Erfrischungen auf einem Tisch davor. Aber die waren ganz offensichtlich nicht für sie bestimmt, denn die weiß gekleideten Männer schoben sie direkt auf ein weiteres Paar Türen zu. Jacky sah noch einmal zu ihm, bevor er durch eine der Türen trat. Fee erwiderte den Blick nicht und ging durch die andere. Das gleißende Licht in dem Raum blendete Fee für einen kurzen Augenblick. „Ooooh, du bist niedlich!“, hörte er eine erfreute Stimme, während er blinzelnd versuchte, die tanzenden, bunten Punkte vor seinen Augen zu vertreiben und wieder etwas zu erkennen. Noch bevor sich die Tür hinter ihm schloss, wurde er schon am Unterarm gefasst und in die Mitte des Raumes gezogen. Langsam verschwanden die tanzenden Punkte und Fee blickte in die Gesichter von drei äußerst seltsamen Gestalten. Er bemühte sich um einen besonders düsteren Blick, weil „niedlich“ zu den letzten Wörtern gehörte, die er im Zusammenhang mit ihm selbst hören wollte. „Mach dir nichts draus, der findet alles niedlich“, winkte ein junger Mann mit neongrünen Haaren ab, bevor er sich vorstellte. „Mein Name ist Loki, freut mich.“ Fee wusste nicht genau, was er aus diesem charmanten Lächeln machen sollte, mit dem Loki ihm begegnete. Da schien noch etwas ganz anderes dahinter zu stecken. Aber viel mehr noch irritierten ihn dessen platinblonde Haare. Er war sich relativ sicher, dass sie bis eben noch grün gewesen waren. Fee hatte allerdings nicht viel Zeit, seiner Irritation Ausdruck zu verleihen, weil sich da schon ein seltsam gekleideter Junge direkt vor ihn drängte und ihn mit großen Augen anglubschte. „Aber du bist nun mal wirklich niedlich. Ich bin übrigens Shine.“ Der Träger dieser Stimme schien kaum älter als Fee selbst zu sein. Er war ein bisschen kleiner, was er durch mindestens zehn Zentimeter hohe, abgerundete Plateauabsätze auszugleichen versuchte. Seine langen, gewellten Haare waren in einem Zopf zurückgefasst und in den verschiedensten Blautönen gefärbt. Wenigstens schienen sie nicht die Farbe zu wechseln. Seine Kleidung war so über und über mit Rüschen besetzt, dass es Fee davor graute, in was für ein Kostüm sie ihn zwängen würden. Die dritte der Gestalten hatte sich bis jetzt nicht vorgestellt und irgendwie machte ihn das für Fee ungleich sympathischer als die anderen beiden Clowns. Auch, wenn er aussah, wie ein Zebra. „Das ist Piano. Er redet nicht viel. Genau genommen gar nicht. Er ist mehr so der stille Einzelgängertyp, weißt du? Aber das ist nicht so schlimm, ich werde schon für genügend Unterhaltung sorgen.“ Fee zweifelte nicht daran, abgesehen davon, dass diese Worte für ihn schon beinahe wie eine kleine Drohung klangen. Shine plapperte unaufhörlich weiter und zauberten ein leises Pochen in Fees Kopf. Loki rieb sich die Hände, während er seinen Blick über Fees Körper gleiten ließ. „Wir sind dein Vorbereitungsteam, wie du dir vielleicht schon gedacht hast. Aber ganz ehrlich, so viel zum Vorbereiten gibt es an dir offensichtlich nicht“, sagte er mit einem eindeutigen Funkeln in den Augen. Fees Aufmerksamkeit steckte allerdings schon wieder bei dessen Haaren fest – dunkelrot. „Cool, oder? Hab die Coloration selbst entwickelt. Die Farbe ist stimmungsabhängig.“, erklärte Loki mit unverkennbarem Stolz in der Stimme. „Jaaah, und dunkelrot bedeutet Gefahr. Er hat es auf dich abgesehen, also Vorsicht“, kicherte Shine. Ganz großartig, sein Vorbereitungsteam bestand also aus einem geplatzten, blauen Knallbonbon, einem Westentaschencasanova und einem stummen Zebra. Noch bevor Fee den Gedanken ganz zu Ende denken konnte, tauchte der Blauhaarige wieder vor ihm auf und begann ganz ungeniert damit, die Knöpfe an seinem Oberteil zu öffnen. Fee zuckte augenblicklich zurück und schob die aufdringlichen Hände von sich. Diese drei Personen waren einfach die komplette Reizüberflutung und er fühlte sich leicht überfordert. Bevor er überhaupt reagieren konnte, war Loki allerdings schon hinter ihn getreten und hielt ihn an den Schultern fest. „Na na, keine Angst. Hier tut dir niemand etwas, zumindest vorerst“, grinste er. Fee wirbelte herum, er war kurz davor, diesem Idioten klar zu machen, was er von seinem Gerede hielt. Aber da kamen ihm Halegs Worte wieder in den Sinn und sein Blick huschte zu zwei Friedenswächtern, die sich neben der Tür postiert hatten und offensichtlich bereit waren, einzuschreiten. Fee atmete einmal tief durch, um sich wieder zu beruhigen. Dann machte er ein paar Schritte in den Raum hinein, um aus der unmittelbaren Reichweite seines Vorbereitungsteams zu kommen, und begann schließlich betont ruhig damit, seine Kleidung abzulegen. „Hui“, bemerkte Loki amüsiert, bevor er sich eine knallrote Haarsträhne aus dem Gesicht strich. Aber bevor Fee wegen dieser kleinen Bemerkung wieder an die Decke gehen konnte, war Shine schon zu ihm herüber gelaufen, bückte sich nach den nun überflüssigen Kleidungsstücken und warf Fee ein etwas versöhnlicheres Grinsen zu, bevor er mit kleinlauter Stimme wieder begann zu reden: „Mach dir nichts draus, der ist immer so. Aber wir sind auf deiner Seite, wirklich. Wir wollen dir helfen. Damit du der umwerfendste Tribut wirst, den Panem je zu Gesicht bekommen hat.“ Fee schluckte alle bösen Worte, die ihm gerade auf der Zunge brannten, herunter. Eine große Wahl hatte er ohnehin nicht. Entweder, er würde dieses Spielchen jetzt widerstandslos mitspielen, oder man würde den Widerstand aus ihm herausprügeln und ihn danach zwingen, mitzuspielen. Nachdem er sich vollständig entkleidet hatte, trat Piano mit einem Maßband an ihn heran, schrieb ein paar Zahlen auf und verschwand damit in einem angrenzenden Raum. Fee wurde noch unwohler, als die einzige Person, vor der er sich nicht am liebsten versteckt hätte, nun auch verschwand und ihn mit diesen beiden Zirkusäffchen zurückließ. Shine plapperte wieder munter drauf los, denn nachdem jetzt, wie er meinte, das Eis gebrochen war, könnten sie sich endlich voll und ganz auf ihre Aufgabe konzentrieren. Fee widerstand knapp dem Drang, nachzufragen, ob Shines besondere Aufgabe darin bestand, ihm ein Ohr abzukauen, und Lokis vielleicht darin, jeden Quadratzentimeter seines Körpers mit den Augen abzugrasen. Stattdessen biss er sich auf seine Unterlippe, um die Worte zurückzuhalten, und versuchte, alles so teilnahmslos wie möglich über sich ergehen zu lassen. Er wurde gebadet und gewaschen, mit irgendwelchen Lotionen eingerieben, abgeschrubbt und wieder eingepudert. Seine ohnehin schon blasse Haut war nun fast so weiß, wie das elfenbeinweiße Gebäude, in dem sie sich befanden. Und seine Haare, seine laut Shine wunderschönen Haare, wurden dreimal mit verschiedenen Seifen gewaschen, geföhnt und gekämmt, bis sie sich wie fließende Seide an seinen nackten Rücken schmiegten. Ein leises, erfreutes Quieken kam über Shines Lippen, als er schließlich ihr Werk betrachtete. Dann beeilte er sich, Fee einen hauchdünnen Bademantel um die Schultern zu legen. „Perfekt! Ich geh‘ Seth holen, er wird sicherlich genauso begeistert sein.“ Der blauhaarige Junge hopste aus dem Raum, nur um zwei Sekunden später schon wieder aufgeregt plappernd zurück zu kommen, einen größeren, schwarzhaarigen Mann im Schlepptau. Fee hatte gerade genug Zeit, den Mantel mit einem dünnen Gürtel zu verschließen, bevor alle Aufmerksamkeit schon wieder auf ihm lag. Der Mann streckte Fee mit einem hintergründigen Grinsen seine Hand zur Begrüßung entgegen, während sein Blick den zierlichen Körper vor ihm einmal genau abwanderte. „Hey, Kleiner. Mein Name ist Seth, ich bin dein Stylist und… du glaubst gar nicht, wie sehr es mich freut, mit dir zusammen zu arbeiten.“ Fee erinnerte sich nicht daran, sich bewusst dazu entschieden zu haben, diesem einnehmenden Wesen die Hand zu geben, als sich Seths Finger auch schon behutsam um seine geschlossen hatten. Ein seltsamerweise wenig unangenehmes Gefühl ergriff von Fee Besitz, als er sah, wie Seth seine Hand langsam zu seinen Lippen führte und einen galanten Handkuss andeutete. „Wie zahm er auf einmal ist“, hörte Fee Loki etwas eingeschnappt flüstern und Shine erwiderte kichernd: „Seth hat nun mal diese Wirkung auf andere.“ Und das war es, was Fee endlich wieder in das Hier und Jetzt zurückholte. Er wand seine Hand aus Seths lockerem Griff, trat einen Schritt zurück und unterbrach den Blickkontakt. Stattdessen ließ er seinen Blick nun seinerseits etwas misstrauisch über den größeren Mann gleiten. Er schien noch nicht sehr alt zu sein. Seine Kleidung war größtenteils schwarz, er trug einen schweren Ledermantel und eine silberne Kette, an welcher ein breites Kreuz funkelte. Er hatte schwarz lackierte Nägel und schweres, ebenso schwarzes Augen-Make-up. Genau genommen sah er insgesamt einer Fledermaus sehr, sehr ähnlich, aber wenigstens hatte Fee bei seinem Anblick nicht das Bedürfnis, die Augen zu schließen und nie wieder zu öffnen. Und das beruhigte ihn, zumindest was sein eigenes Outfit für diesen Abend anging. Ein raues Lachen kam über Seths Lippen, als er die verhaltene Reaktion des Tributes vor ihm genau studierte. „Folge mir bitte.“ Seth führte Fee in den angrenzenden Raum, welcher sich als riesiges Ankleidezimmer herausstellte. Zwei Wände des Raumes waren komplett mit Kleiderständern ausgefüllt, auf denen allerhand schrille und auffällige, aber glücklicherweise keinen Augenkrebs erregende Kostüme drapiert waren. Eine weitere Wand war komplett mit Spiegelglas verkleidet. Vor diesem riesigen Spiegel stand ein weiterer Kleiderständer, auf dem ein dünnes, auf den ersten Blick sehr unscheinbares Kleidungsstück hing. Seth ging geradewegs darauf zu und hob es vorsichtig auf seine Arme, bevor er sich damit wieder zu Fee drehte. „Das ist dein Outfit für die Parade.“ Dann nickte er Piano und Shine zu, woraufhin diese mit ein paar hauchzarten Stofffetzchen an Fee heran traten, die wohl seine Unterwäsche darstellen sollten. Mit zweifelnd hochgezogener Augenbraue betrachtete Fee die beinahe durchsichtigen Kleidungsstücke, bevor er jeglichen Kommentar zurückbiss und etwas umständlich versuchte, in das knappe Höschen zu schlüpfen. Ganz objektiv betrachtet machte dieses Kleidungsstück allerdings auch keinen großen Unterschied, Fee fühlte sich damit beinahe noch nackter als vorher. Wortlos zog er auch das Paar feiner Söckchen über, sowie das Paar Handschuhe, das ihm entgegen gehalten wurde. Dann ließ er zögerlich den Bademantel von seinen Schultern gleiten und versuchte die Blicke zu ignorieren, mit denen ihm ein gewisser Jemand die gerade angelegten Kleidungsstücke wieder auszog. „So weit, so gut. Der nächste Schritt könnte allerdings ein wenig kniffeliger werden“, murmelte Seth, bevor er mit dem Kostüm auf den Armen zu Fee hin ging und sich dann vor ihm auf den Boden kniete. Auch die drei Mitglieder seines Vorbereitungsteams waren wieder an ihn heran getreten, um Seth jetzt dabei zu helfen, Fee sein Kostüm überzustreifen. Mit der größten Vorsicht wurde der Stoff erst über das eine, dann über das andere Bein gezogen und dann langsam nach oben gekrempelt. Die Arme stellten eine besondere Herausforderung dar, weil sich der Stoff offensichtlich kaum dehnen ließ und Fee sich fast eine Schulter auskugeln musste, um das Kleidungsstück anzuziehen. Aber schließlich wurde ein feiner, langer Reißverschluss an seinem Rücken geschlossen und der Stoff hier und da noch ein bisschen zurechtgezupft, bis Seth zufrieden schien. Das Kostüm lag an wie eine zweite Haut und Fee verstand sofort den Sinn hinter der beinahe nicht vorhandenen Unterwäsche. Jede noch so kleine Erhebung hätte sich unangenehm unter dem Stoff abgezeichnet. Aber obwohl es so eng war, fühlte er sich nicht eingezwängt. Seth trat einen Schritt zurück und gab den Blick auf die große Spiegelwand frei und erst in diesem Moment sah Fee, was er da eigentlich wirklich anhatte. Er senkte seinen Blick auf seine Unterarme und mit einer Hand fuhr er testend über den Stoff – nur, dass es kein Stoff war. Sein Kostüm bestand aus einer Unzahl winziger, silberner Fischschuppen, die aneinandergenäht worden waren. Und wenn er sich bewegte und das Licht aus verschiedenen Winkeln auf die Schuppen fiel, funkelten sie, als hätte jede von ihnen einen kleinen Stern eingefangen. Mit jeder Bewegung wusch eine sanfte Welle aus Licht über seinen Körper hinweg. Es war ein Anblick, für den man im ersten Moment gar keine passenden Worte finden konnte. Aber unpassende taten es ja manchmal auch: „Hm, sagen wir es so: Es unterstreicht deine Vorzüge.“, grinste ihn Loki von der Seite an und es war offensichtlich, dass er mit ‚Vorzügen‘ nicht Fees düster funkelnde Augen meinte. Aber er hatte Recht, das Kostüm ließ ihn wirklich atemberaubend aussehen, was wahrscheinlich nicht zuletzt daran lag, dass sich seine Figur darunter äußerst vorteilhaft abzeichnete. Seth hatte ihn in einen Fisch verwandelt. In einen relativ hinreißenden Fisch zwar, aber Fee wusste trotzdem nicht, ob er damit glücklich sein sollte oder nicht, wobei glücklich in seiner Situation ohnehin relativ war. Aber wahrscheinlich hätte es ihn wesentlich schlimmer treffen können und wenigstens musste er sich nicht halb nackt vor den Bewohnern Panems präsentieren. Die verbleibenden Minuten bis zum Beginn der Parade vergingen schneller, als es Fee lieb war. Gemeinsam mit Jacky wartete er in dem Raum, den sie vorhin passiert hatten. Seinen Partnertribut hatte man in ein ähnliches Kostümchen gesteckt, aber während sich auf seinem eigenen dunkelrote Highlights befanden, waren es auf Jackys dunkelblaue. Jegliche Versuche, eine Unterhaltung zu starten, prallten wieder an Fees eiskalter Mauer ab, sodass es Jacky bald zu doof wurde und er sich stattdessen an den Leckereien gütlich tat, die noch immer auf dem Tisch vor der Couch standen. Fee hingegen hatte keinen Appetit. Und jetzt, wo er nichts zu tun hatte, außer zu warten, wanderten seine Gedanken wieder in eine ganz bestimmte Richtung. Und zwar vier Türen weiter, wo die Tribute aus Distrikt 8 in einem wahrscheinlich ganz ähnlichen Raum ebenfalls darauf warteten, für die Parade abgeholt zu werden. Eine seltsame Unruhe ergriff von ihm Besitz, als er sich erneut bewusst machte, dass er gleich zum ersten Mal wirklich auf Fawkes treffen würde, und zwar mit der Möglichkeit mehr auszutauschen, als nur einen geschockten Blick. Fee schüttelte den Kopf und versuchte, seine wirren Gedankengänge zu sortieren. Er wollte ja nicht einmal irgendetwas mit irgendjemandem austauschen, abgesehen davon, dass er es auch gar nicht konnte. Für solche Gedanken war einfach kein Platz in diesem Spiel. Aber egal, wie oft er sich das klar machte, seine Gedanken drifteten immer wieder zurück zu dem rothaarigen Tribut aus Distrikt 6. Glücklicherweise wurde er ein paar Momente später aus seinem Zwiespalt gerissen, als zwei Friedenswächter den Raum betraten und Jacky und ihm bedeuteten, ihnen nach draußen zu folgen. Seth und sein Partner, der offensichtlich für Jacky zuständig war, schlossen sich dem kleinen Grüppchen an. Es schien, dass diesmal nicht alle Tribute auf einmal nach oben gebracht wurden, zumindest konnte Fee außer ihnen und den Tributen aus Distrikt 3 keine weiteren auf dem Gang erkennen. Wieder betraten sie einen der gläsernen Fahrstühle, welcher sie nun allerdings nicht nur aufwärts, sondern auch seitwärts durch das ganze Gebäude fuhr. Als der Fahrstuhl endlich anhielt, traten sie hinaus in eine weiträumige, düstere Halle, die mit ein paar dutzend Scheinwerfern ausgeleuchtet wurde und in der zwölf Wagen mit jeweils zwei prächtigen, weißen Pferden davor, aufgereiht waren. Vor dem ersten und zweiten Wagen standen bereits die Tribute aus den jeweiligen Distrikten und deren Stylisten, die noch ein paar letzte Änderungen an deren Aufmachungen vornahmen. Ein Raunen ging durch alle Anwesenden, als die Friedenswächter Fee, Jacky und ihre Stylisten zu den Wagen von Distrikt 4 brachten. Fee bemerkte erst einen Augenblick später, dass dieses Raunen wohl ihnen galt, weil sie unter dem vielen Scheinwerferlicht wahrscheinlich wie zwei übergroße Glühwürmchen aussahen. Gerade, als sie bei ihrem Wagen angekommen waren, betraten die Tribute aus Distrikt 7 und 8 die Halle und Fees Kopf wandte sich sofort in deren Richtung. Die Friedenswächter, die das Grüppchen begleiteten, versperrten die direkte Sicht auf die Tribute. Mit seinem Blick folgte er jedem einzelnen Schritt des Rothaarigen, bis er kaum zehn Meter entfernt vor Wagen Nummer 8 stehen blieb. Und als die uniformierten Männer endlich ein paar Schritte zurück traten, dauerte es nicht einmal einen Augenaufschlag, bis sich Fees Blick mit dem von Fawkes traf. Der Rothaarige schien beinahe ein wenig perplex zu sein, wegen dem Anblick, der sich ihm bot. Und auch Fee nutzte die Gelegenheit, um endlich einen etwas genauen Blick auf Fawkes zu werfen. Er war ein bisschen größer als er selbst und in seine roten, zerzausten Haare waren kleine Zöpfchen geflochten. Sein Stylist hatte ihn in einen eleganten, weißen Anzug gesteckt. Das war vielleicht nicht besonders einfallsreich, aber es verfehlte seine Wirkung dennoch nicht. Fawkes tauschte abwesend ein paar Worte mit dem anderen Tribut aus 8 aus, bevor er sich auf einmal wieder in Bewegung setzte. Fees Herz begann wieder schneller zu schlagen. Fawkes kam direkt auf ihn zu. Das war nicht geplant gewesen, Fee wusste doch nicht, wie man in einer solchen Situation reagieren sollte. Alles, was er konnte, war Leute vor den Kopf stoßen und sie an seiner Mauer aus Eis abprallen zu lassen. Aber gerade das wollte er diesmal nicht. Fee hatte keine Zeit mehr, sich zu überlegen, was er tun sollte, denn im nächsten Moment stand Fawkes fast direkt vor ihm und sah ihn mit einem Funkeln in den Augen an, das Fee entgegen aller Erwartungen nicht zu deuten vermochte. Jedenfalls nicht mit seinem aufgewühlten Verstand, der noch immer verzweifelt versuchte, sich eine Strategie zurechtzulegen. „Hey. Du bist doch Feenien, oder?“, fragte der rothaarige Junge, nachdem er sich einmal kurz geräuspert hatte. Ein kleines, etwas verlegenes Lächeln lag auf seinen Lippen. Fee öffnete seinen Mund einen Spalt breit, um etwas zu erwidern, aber da war nichts. Stattdessen drehte er seinen Kopf ein Stück weg und unterbrach den Blickkontakt. Die Geste kam wahrscheinlich viel abweisender bei Fawkes an, als er sie eigentlich gemeint hatte. „Ähm, also… ich bin Fawkes. Ich…“ Fawkes ließ den Satz unbeendet, er war offensichtlich viel zu irritiert von der Wandlung, die auf einmal durch den Körper des Kleineren ging. Fee wusste nicht, wie er reagieren sollte, also tat er einfach das einzige, was er konnte. Er zog jede einzelne schützende Mauer hoch, die er hatte, zwang seinen typischen überlegenen und unnahbaren Ausdruck zurück auf sein Gesicht und warf dem Rothaarigen einen eiskalten Blick zu. Er konnte förmlich sehen, wie das schüchterne Lächeln langsam aus Fawkes‘ Gesicht bröckelte, erst durch einen irritierten und dann leicht frustrierten Ausdruck ersetzt wurde. Auch er schien seine Taktik jetzt geändert zu haben. „Ich dachte, in diesem Jahr würden nur männliche Tribute in den Spielen antreten, aber ganz offensichtlich habe ich mich da getäuscht.“ Fees Hände ballten sich zu Fäusten, als er diese spöttischen Worte hörte. Eine leichte, wütende Röte zog sich über seine Wangen. Aber gleichzeitig fiel auch jedes bisschen Unsicherheit von ihm ab, denn in diesem Gebiet kannte er sich nur zu gut aus. „Ganz offensichtlich ist das nicht der einzige Bereich, in dem du Defizite aufweist“, gab er leise zischend zurück und er fühlte sich um so vieles wohler, als Fawkes ihn daraufhin feindselig anfunkelte. „Das wird sich zeigen“, knirschte der zurück, bevor er sich wieder abwandte und aufgebracht zurück zu seinem Wagen stampfte. Auch Fee wandte den Blick endlich ab, es wurde ohnehin Zeit, sich auf die wirklich wichtigen Dinge zu konzentrieren. Wie schnell sich das Blatt doch wenden konnte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)