Bashert von KaethchenvHeilbronn (Mein Seelenverwandter ist ein Selbstmörder.) ================================================================================ Kapitel 4: ----------- Als Kafka am Morgen aufwachte, war er wieder nackt. Eigentlich wunderte er sich darüber nicht mehr sonderlich, genauso wenig, wie er sich über die benutzten Papiertaschentücher vor dem Bett wunderte. Ekeln tat er sich schon davor, nur wundern nicht. Er stand gerade im Bad und rasierte sich, als es ihm wieder einfiel: Das Angebot. Fast hätte er sich geschnitten. Kleist hatte ihm Erfolg angeboten. Den Erfolg, den er schon immer haben wollte. Die Gegenleistung, die er jedoch verlangte… Kafka musste lachen. Schüttelte den Kopf. Nein, da hatte Kleist ihm wohl einen Spaß veranstaltet, einen groben Spaß. Immerhin waren sie beide Männer. Nun…er war damals bestimmt eine lange Zeit über diesem einen Brief von ihm gesessen, dem Brief, in dem er einen anderen Mann anhimmelte, was freilich nicht zu leugnen war, aber…für Kleists Priorität hätte er dies nie gehalten. Kafka seufzte. Also. War es jetzt nun ein Scherz oder nicht? Kleists Blick war, als er dieses Angebot gemacht hatte, sehr ernst gewesen, kein Zweifel… Vielleicht sollte er sich eher eine andere Frage stellen: Würde es denn Einfluss auf seine Antwort haben, ob das Angebot ein Spaß oder keiner war? – Nun…wäre es ein Spaß, würde er natürlich sofort zusagen. Wäre es keiner… Erfolg. Kleist war von den Toten auferstanden und bot ihm Erfolg an! Bei seinen Lesern, Freunden, seinem Vater und den Frauen! Den ganzen Tag über dachte Kafka nur über dieses einzige Rätsel nach. Es klang wirklich zu verlockend. Das Angebot. Die Gegenleistung…? Mehr und mehr wanderten seine Gedanken bei diesem Punkt dorthin, dass er die Gründe Kleists für solch eine Forderung suchte. Wieso wollte er…so etwas…mit ihm…! Es dauerte bis nach Dienstschluss, dass es Kafka dämmerte: Sein Idol fand ihn doch nicht etwa…attraktiv? – Nein, das konnte nicht… Aber wenn man doch so etwas mit einem Menschen tun wollte, dann… War das nicht ein Kompliment? Das größte Kompliment, das ihm je gemacht wurde? Er durfte wieder seinem Vater das Abendessen machen, musste sich nur einige Sprüche anhören, dass es doch jetzt langsam so weit wäre, die Fotografien gegen echte Frauen einzutauschen. Kafka hätte es sich selbst niemals zugetraut, aber er erwiderte darauf doch wirklich: „Ich bin aber noch nicht durch mit ihnen.“ Seinem Vater gefiel diese Einstellung so gut, dass er sogar den Abwasch machte. In seinem Zimmer wartete Kleist auf ihn. Er trug immer noch seine Unterhose. Den Rock hatte er abgelegt, der Boden war wieder sauber, der Umschlag mit den nackten Frauen geschlossen. „Und?“ Aufgeweckt und gespannt sahen ihn die blauen Augen an. „Wie hast du dich entschieden?“ Kafka zog sich erst einmal Rock und Weste und Schuhe aus. Dies tat er sehr langsam, um Zeit zu gewinnen. Was sollte er sagen? Kleists Lächeln war verständnisvoll. „Komm her.“, sagte er und hob Kafka seine Arme entgegen. Kafka setzte sich zu ihm aufs Bett und schon schlangen sich ebendiese Arme um seinen Bauch. Etwas unbeholfen sah er zu, wie der andere den Kopf an seine Schulter legte. „Du musst dich noch nicht heute Nacht entscheiden.“, meinte Kleist. „Aber lass mich ein wenig bei dir bleiben, ja?“ Kafka nickte. Kleist schob ihn auf die Matratze, legte sich zu ihm und schiegte sich an ihn, zog an seinem Hemd, sodass es aus der Hose rutschte. Kafka wollte etwas tun, aber er konnte nur daran denken, dass Kleist ihn ja bereits schon zwei Male ausgezogen hatte. „Hast du ein Lieblingswerk von mir?“, fragte Kleist dicht an seinem Ohr. Kafka konnte nur nicken. „Ja? Welches denn?“ „K-Kohlhaas. Michael Kohlhaas. I-ich hab es bestimmt schon zehn Mal gelesen.“ Kleist fuhr ihm über den nackten Bauch. „Schön.“, flüsterte er. „W-was?“ „Sag mir, was du noch an mir magst.“, forderte Kleist und küsste ihn unterhalb des Bauchnabels. Kafka keuchte auf. „D-deinen Stil. Die Sätze, die Sprache, d – hnn…Themen. U-und die Figuren.“ Kleist öffnete seinen Gürtel. „A-alles!“, keuchte Kafka und fasste nach Kleists Händen, um sie aufzuhalten, „W-wieso tust du das mit…wieso bist du hier? Bei mir? I-ich…du bist so großartig und…so wunder – wunderbar…Du lässt meine Träume wahr werden…wieso – “ Kafka verstummte, als sich Kleists Lippen auf seine legten. Sein Idol küsste ihn. Ihn hatte noch nie zuvor ein Mensch geküsst. Auch die Prostituierte nicht. Kafka wusste nicht, wie er reagieren sollte, aber bevor er es realisierte, spielte seine Zunge mit Kleists. Und bevor er irgendetwas Negatives hieran finden konnte, hatte er Kleists Gesicht zwischen seine Hände genommen und küsste ihn auf den Mund und dann über das ganze Gesicht, wie ein durstiges Tier mit der Zunge über das endlich gefundene Quellwasser hinjagt. Schließlich küsste er ihm auch den Hals, und Kleist lachte leise auf, was Kafka an seiner Kehle spürte. „Haben wir uns entschieden?“ Kafka ließ sofort von ihm ab. „Nein, ich…Verzeih mir, ich weiß nicht, was…was mit mir…“ Kleist griff wieder nach seinem Gürtel. Kafka sträubte sich. „Gib Ruhe. Dein Vater hört uns noch.“, warnte ihn Kleist. Kafkas Gesicht weitete sich voller Entsetzen. Kleist sah grinsend zu ihm auf. „Ich durfte an unserem ersten Abend und gestern Nacht ja schon feststellen, dass du Jude bist, aber ich finde es immer wieder faszinierend.“ Kafka wurde rot. Er hatte große Probleme seine Atmung unter Kontrolle zu behalten. „M-mein Vater hat mich nicht danach erzogen, ich hab keine Ahnung, nur…“ Er unterbrach sich mit einem Stöhnen. Kleist hatte ihn – ! Kafka schloss verzweifelt die Augen, ließ sich zurück in die Kissen sinken. „W-wieso…wieso tust du…das…?! Das ist…das ist…schmutzig…nichts für… - Kleist…! Heinrich von… , der…“ Kleist hob kurz seinen Kopf. „Wenn es hilft, stell dir doch vor, ich wäre eine von diesen unsäglichen Frauen auf deinen Fotografien.“ Kafka sah auf, doch da nahm ihn Kleist wieder in den Mund. „Nicht…!“ Er würde gleich weinen… Keuchend presste er sich die Hände auf die Augen. Er versuchte es. Er stellte sich also vor, dass es eine Frau war. Eine große Frau mit großen Brüsten und – Und schon fühlte es sich nicht mehr…nicht mehr…besonders an. Kafka musste an sein Erlebnis mit der Prostituierten denken, zu der ihn sein Vater geschleppt hatte. Es war eine Demütigung gewesen! Das hier war keine Demütigung. Es war… Eine Huldigung. Eine Huldigung an seine Person – nicht von irgendeinem. Von seinem Idol. Kafka biss sich in den Handrücken und kam mit einem erstickten Schrei in Kleists Mund. Keuchend lag er auf der Matratze, sah zu diesem wunderbaren Menschen auf, den er eben… Na, bitte: Kafka begann zu weinen. Sofort beugte sich Kleist zu ihm hinunter, nahm seine Hand, drückte sie fest. „He, Franz, was…was ist los?“ Kafka wollte sich gar nicht mehr beruhigen. Er fühlte sich schrecklich. „I-ich…Du bist so unbeschreiblich…perfekt… - himmlisch! Und i-ich…ich hab dich beschmutzt!“ Kleist sah ihn mit einem einfühlsamen Lächeln an und strich ihm sanft durch die Haare, die ihm in die Stirn gefallen waren. „Du hast mich beschmutzt, ja, aber ich wollte es doch. Es…es hat mir gefallen. Außerdem…du kannst mich wieder rein machen, wenn du unbedingt willst.“ Kafka sah ihn hoffnungsvoll an. „Wie?!“, wollte er wissen, wischte sich eilig über die Augen. „Küss mich.“, flüsterte Kleist, „Küss mir den letzten Tropfen deines Saftes aus meinem Mund, von meinen Lippen.“ Kafka gehorchte. Und er war eifrig dabei. So eifrig, dass es Kleist gleichzeitig amüsierte und faszinierte. Erst nach einer kleinen Ewigkeit ließ er wieder von ihm ab, außer Atem sah er ihn an. Kafka hatte wunderschöne, große, dunkle Augen. „Hab ich…Konnte ich es wieder gut machen?“ „Fast.“, antwortete Kleist und ließ sich abermals von seinem Verehrer küssen. Erschöpft lag Kafka schließlich in seinen Armen, vor Müdigkeit die Augen geschlossen. „Und?“, flüsterte Kleist ihm ins Ohr. Kafka öffnete seine Lippen einen Spalt. „Ja.“ Es war fast nicht zu hören, aber es war ein Ja. Kleist küsste ihm die Stirn, bevor er ihn einschlafen ließ. ------------ Hier kommen ein paar mehr oder weniger akkurat zitierte Zitate aus Kafkas „Der Proceß“ vor: Nein, da hatte Kleist ihm wohl einen Spaß veranstaltet, einen groben Spaß. […] küsste ihn auf den Mund und dann über das ganze Gesicht, wie ein durstiges Tier mit der Zunge über das endlich gefundene Quellwasser hinjagt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)