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Wikingerblut

MIU-Trilogie 1
von

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Morgenrot

Micha hob die Nase und zog geräuschvoll die schneidend kalte Luft ein. »Schmittchen hat den Dark Knight an die andere Straße gestellt. Gut gemacht. Ich würde den Kleinen wirklich mögen, wenn er nicht in der falschen Band spielen würde«, fügte er in leicht ätzendem Ton hinzu. »Jedenfalls werden wir nicht der Polizei über den Weg laufen und aufgehalten werden. Wer von uns hat einen Schlüssel?«

»Ich«, sagte Bock und sah beunruhigt in die Runde. »… Außer mir etwa keiner? Soll das etwa heißen, nur ich bin an Automatik gewöhnt? Das ist nicht euer Ernst!«

»Sorry«, sagte Micha, »ich mach immer ’ne Vollbremsung, wenn ich kuppeln will.«

Überflüssigerweise sagte Asp keuchend: »Ich kann ihn fahren … aber bei meiner Verfassung befürchte ich, wir würden nicht heil ankommen …«

»Dein Galgenhumor ist für’n Arsch«, verwies ihn Micha sofort. »Bock fährt. Fritz navigiert. Du und ich gehen nach hinten. Alle einverstanden?«

Niemand widersprach. Von Simon fehlte jede Spur, und Micha äußerte die Vermutung, dass er direkt zu Falk und den Polizisten gegangen war, um dem anderen Vampir mit seinem jugendlichen Charme beizustehen. Auf Bocks Anweisung hin setzte Micha sich nach hinten, und gemeinsam legten sie Asp quer über die Rückbank, damit er mit dem Oberkörper erhöht liegen konnte, was ihm das Atmen erleichtern und den Blutverlust minimieren sollte.

Der Arzt setzte sich ans Lenkrad und wischte die schweißfeuchten Hände an der Hose ab. »Ich hoffe, ich kann mich überhaupt auf den Verkehr konzentrieren«, schnaufte er.

»Es ist nicht viel los«, sagte Fritz, der soeben nervös auf dem Beifahrersitz Platz nahm, weil er fand, dass er zumindest irgendetwas beitragen musste.

»Na hoffentlich. Eine Herznaht des rechten Ventrikels wurde schon 1896 erfolgreich durchgeführt, theoretisch können wir es noch schaffen – wir müssen nur schnell sein!« Bock drehte sich nach hinten um. »Wie sieht’s aus?«

Micha, der Asp halb auf dem Schoß liegen hatte, nahm einen letzten Check vor. »Sein Puls ist ganz gut. Viel besser, als ich dachte.«

»Okay. Alex? Du musst tief und ruhig atmen. Halt durch. Ich fahre jetzt los.«

Dann machten sie sich auf den Weg. Die Straßen waren, wie erwartet, ziemlich leer. Immer wieder wandte Fritz, der sich mit verantwortlich fühlte, sich nach hinten um. Asp hatte die Augen weit offen. Sein Atem kam in flachen, kurzen Stößen und sehr hastig. Michas Jeans war mit seinem Blut schon nach einer kurzen Strecke völlig durchtränkt, doch ihr Besitzer achtete gar nicht darauf, sondern behielt den Patienten aufmerksam im Auge und sprach die ganze Zeit über leise und beruhigend mit ihm. Auch Fritz merkte, dass er selbst jetzt zu abgelenkt war, um durch das Blut nervös zu werden. Wer hätte das gedacht …

Ein hartnäckiges Schweigen herrschte im Fahrzeug. Erst als sie die Albertbrücke erreichten, fragte Micha behutsam: »Lex, wie geht’s dir?«

»Ich hatte schon mal mehr Spaß …« Asp hustete schwach.

»Bock, er kriegt schlecht Luft.«

»Ich weiß«, antwortete der Arzt eisig. »Wir haben’s gleich geschafft.«

Doch noch war gar nichts geschafft, und danach schien es schnell bergab zu gehen. Fritz konnte nicht davon ablassen, sich alle paar Sekunden nach hinten umzudrehen. Immer noch redete Micha auf den schwer atmenden Asp ein und wischte ihm mit einem Taschentuch den Schweiß von der blassen Stirn. Fritz hörte ihn von früheren Einsätzen sprechen, von lange zurückliegenden Ereignissen und gemeinsamen Unternehmungen, um den anderen bei Bewusstsein zu halten und von seinem Elend abzulenken. Als Asp schließlich doch die Augen zumachte, forderte Micha ihn energisch auf, sie offen zu lassen. »Ich muss doch sehen, ob du noch on Tour bist!«, argumentierte er. Mit einer Hand hielt er den Pflock ruhig. Die Straße schien unter den Rädern immer länger zu werden.

In der Mitte des Käthe-Kollwitz-Ufers sagte Micha plötzlich »Bock!« in einem Ton, der einen Hinweis auf Dringlichkeit überflüssig machte und den Arzt veranlasste, sofort die Straße zu verlassen und anzuhalten. Fritz reckte sich im Sicherheitsgurt, um alles mitzubekommen.

Bock rannte um das Auto herum zu Michas Seite und untersuchte den Patienten knapp. Sogar für Fritz als Laien war jetzt zweifelsfrei ersichtlich, dass Asp nicht mehr ansprechbar war.

»Gerade war er noch wach!«, sagte Micha alarmiert und rüttelte an Asps Schulter. »Aber jetzt atmet er nicht mehr! Siehst du? Er bewegt sich gar nicht!«

»Ich seh’s ja!« Bock sog pfeifend die kalte Luft ein und legte die Hände um Asps Hals, dann umfasste er sein Kinn und zog es hoch, woraufhin die Atmung schleppend wieder einsetzte. »Gott sei Dank!«, stöhnte der Arzt. »Okay, wir sind wieder im Rennen. Halt ihn so fest«, wies er Micha an, »genau so. Das hebt den Zungengrund an und hält die Luftwege offen. Er muss atmen, sonst fällt er in Thanatose, und das können wir uns jetzt nicht leisten!«

Micha nickte und übernahm. »Nicht gefreezt werden, Lex«, sagte er sanft. »Immer schön Luft holen.«

Bock sprang wieder hinter das Lenkrad. »Thanatose wäre für ihn jetzt tödlich, denn dann verkrampfen die Muskeln im Thorax und alles ist vorbei. Behalte ständig die Vitalfunktionen im Auge!«

Sobald der Motor erneut lief, kam Asp langsam wieder zu sich. »Oh, Mist«, röchelte er. »Ich dachte, wenn ich aufwache, ist alles vorbei.«

»Muss dich enttäuschen, wir sind noch nicht mal angekommen«, schnarrte Micha über ihm. »Reiß dich zusammen!«

Die nächsten paar Meter blieb es dann ruhig, und sie bogen gerade in das Halbrondell ab, das zur Fetscherstraße führte, als Micha wieder Meldung machte: »Bock, du musst ein bisschen schneller fahren. Es geht jetzt langsam bergab mit dem Vitalzeug.«

Diesmal brauchte Fritz sich nicht umzudrehen, um zu wissen, dass er die hastigen, ziehenden und rasselnden Atemgeräusche richtig gedeutet hatte. Noch hatte Asp die Augen zu einem guten Teil geöffnet, doch er sah aus, als würde alle Farbe ihn allmählich verlassen – wie ein zuvor buntes Foto, das sich langsam in einen Monochrom-Abzug verwandelte.

Nur noch ein paar Meter, dachte Fritz bangend und starrte aus dem Fenster ins gelbe Licht. Es sind nur noch ein paar Meter, dann haben wir’s geschafft!
 

Das Herzzentrum Dresden war gleich der erste Bereich des Universitätsklinikums, das dem schwarzen Opel Astra hinter der Pfotenhauerstraße begegnete. Ohne sich große Gedanken über einen erlaubten Parkbereich zu machen, fuhr Dr. Saltz den Wagen so dicht wie möglich an den nächsten Eingang. Alles wirkte beunruhigend still und unbelebt.

»Na, hoffentlich haben die ’ne engagierte Nachtschicht«, kommentierte Micha, als er ausstieg.

»Ich würde jetzt gerne längerfristig ohnmächtig werden«, krächzte Asp. Er konnte inzwischen kaum noch den Kopf heben, geschweige denn selbst gehen. Zu dritt trugen sie ihn. Michas vampirische Kraft trug nicht unwesentlich dazu bei, dass sie mit ihrer Bürde schnell vorankamen.

»Bock, es wird schlimmer!«, wimmerte Fritz, der mit Schaudern die Spur aus Blutstropfen zur Kenntnis nahm, die sie hinter sich herzogen. Wie eine rote Straße zeigte sie an, welchen Weg die vier genommen hatten. Asp wand sich in ihrem Griff, sodass sie ihn kaum festhalten konnten, und rang hörbar nach Atem.

»Akute Herzinsuffizienz«, diagnostizierte Bock nach nur einem Blick und sah dann wieder wild entschlossen geradeaus. »Beeilung!«

Sie schleppten den blutenden Vampir durch einen langen, weißen Korridor, ohne dabei auch nur einer Menschenseele zu begegnen. Glücklicherweise schien Bock zu wissen, wohin er wollte, hielt auf den ersten der vier herzchirurgischen Operationssäle zu und versuchte, ihn mit dem Fuß aufzustoßen – was funktionierte. Sofort legten sie Asp auf die erste der zwei Bahren hinter der Tür. »Ist hier auch nur irgendeine Sau am Start?«, rief Bock schrill nach draußen. Fassungslos sah er sich nach allen Seiten um, drehte sich einmal um sich selbst und sah immer noch niemanden.

Kurz darauf jedoch kam eine hoch erregte Schwester um die Kurve geeilt. »Was glauben Sie eigentlich, was Sie hier machen?«, keifte sie und schnappte, als ein Blick in den OP ihr die Frage beantwortete, entsetzt nach Luft. »Mein Gott, was –«

»Das frage ich mich auch!«, fauchte Bock zurück. »Hier muss doch rund um die Uhr ein Notfall-Team sein!«

»A-Aber doch nicht, wenn wir von nichts wissen! Der Rettungsdienst meldet uns das rechtzeitig, sodass wir alles vorbereiten können!« Vor Bestürzung schlug sie die Hand vor den Mund. »Ich hole jemanden!«, rief sie und verschwand wieder.

Bock stieß ein Knurren aus. »Die beeilt sich besser.«

Fritz schluckte und schaute auf den Boden. »Wir sauen hier alles ein.«

»Interessiert mich nicht«, gab Bock mühsam beherrscht zurück. Seine ärztliche Fassung hatte er zumindest oberflächlich wiedergefunden, doch unter der Fassade brodelte es ganz genauso wie bei Micha und Fritz selbst, das war nicht zu bezweifeln.

Asp sagte nichts. Jetzt, da er auf ebenem Untergrund lag, hatte sich seine Atmung gebessert, aber das weinrote Blut lief und lief. An dem Pflock schien er sich regelrecht festzuklammern.

Endlich kam ein überarbeitet aussehender Arzt um die Ecke, der in eine Kaffeetasse schaute. »Nanu, ich wollte gerade gehen«, sagte er verwundert, ein Gähnen unterdrückend.

Bock sprang ihm in den Weg. »Sind Sie Herzchirurg?«

»Nein, Gefäßchirurg … Aber warum diese F– ?«

»Das muss reichen. Holen Sie, was Sie brauchen!«

Der Arzt hob die Brauen. Der arme Mann sah aus, als wäre er drauf und dran, im Stehen einzuschlafen. »Um diese Zeit? Ich fürchte, alle anstehenden Operationen sind auf den frühen Morgen verschoben worden.« Er rang sich ein müdes Lächeln ab und schob sich an Bock vorbei, wobei er einen großen Schluck aus seiner Kaffeetasse nahm – dann hob er endlich den Blick. Letzterer fiel auf Asp mit dem Pflock in der Brust. Mit einem lauten Prusten spuckte der Mann seinen Kaffee quer durch den Raum. »Was in aller Welt ist denn das?!«, krächzte er, hustete und wischte sich die heißen Tropfen vom Kinn, während sein zitternder Finger auf Asp zeigte.

»Ein Notfallpatient!«, schrie ihn Bock an. »Perforation des rechten Ventrikels im vierten linken Intercostalraum, Hämothorax, drohender kardiogener Schock! Also lassen Sie das Gewäsch und helfen Sie mir!«

Von einer Sekunde auf die andere war der Arzt in Alarmbereitschaft. »Ich – oh je! Aber – aber wir haben im Moment außer mir kein Personal!«, stotterte er, hektisch mit der Tasse fuchtelnd. »Es liegt keine Meldung vor! Ich werde sofort alle Helfer zusammentrommeln, aber ich weiß nicht, ob – !«

»Ich habe fast vier Jahre in der Anästhesie gearbeitet, ich kann die Narkose einleiten!« Bock fixierte ihn eindringlich. »Wir müssen sofort anfangen!«

»Richtig, Sie haben Recht.« Der Arzt fing sich und war plötzlich wach. »Gut, ich … ich hole meine Ausrüstung. Sie nehmen derweil eine Rapid Sequence Induction vor. Wenn Sie das alleine hinkriegen, haben wir schon mal viel gewonnen.« Dann drehte er sich um hastete davon.

Micha legte den Kopf schief. »Nanu, Bock, ich wusste gar nicht, dass du Narkosearzt warst.«

»Darüber reden wir später«, blockte Dr. Saltz. »Ich wollte das nie wieder machen, aber jetzt hab ich wohl keine Wahl. Macht euch keine Sorgen. Ich kann es noch. Hoffe ich. Mal sehen.« Und dann fing Bock damit an, den Operationssaal alleine vorzubereiten. Er schaffte sich das benötigte Werkzeug heran, wobei er offenbar genau wusste, wo er es suchen musste. OP-Säle waren vermutlich alle gleich aufgebaut, um die Arbeitsschritte zu vereinheitlichen. Das emsige, akribische Arbeiten schien ihn zu beruhigen.

Asp nahm derweil immer weniger Teil an dem, was um ihn herum passierte. Sein Blick war trüb, seine Haut schiefergrau – seine Hand, die den Pflock umfasste, war sogar richtig bläulich, wie Fritz erschrocken bemerkte, und seine halb geöffneten Lippen ebenfalls. Sicherlich rührte die Zynose nicht nur von der Atemnot her, sondern auch daher, dass sein durchbohrtes Herz immer weniger Blut befördern konnte. Fritz berührte tröstend die blassviolette Hand, die schlaff herunterhing, fühlte eiskalten Schweiß und einen schwachen, heftig flatternden Puls. Würde er diese winzige Bewegung unter der Haut nicht spüren, er hätte schwören können, bereits einen Leichnam zu berühren.

Sobald Bock in Windeseile alles bereitgelegt hatte, hakte Micha nach: »Was hat der gesagt, was du jetzt machen sollst?«

»Eine RSI«, antwortete der Arzt, nun ganz routiniert. »Eine beschleunigte Narkoseinduktion, weil man normalerweise vor einer OP einen leeren Magen haben muss.«

»Hat Lex vielleicht.«

»Ja, vielleicht nützt uns gar nichts, Micha. Wir machen eine Blitzeinleitung. Du hilfst mir.«

Micha zuckte sichtbar zusammen. »Wie, ich – helfe dir?«

»Ich brauche einen Assistenten«, erläuterte Bock ungeduldig. »Jetzt diskutier nicht, sondern fass mit an!«

Micha gehorchte. Zu zweit packten sie Asp und legten ihn so, wie er war, auf den OP-Tisch. Wieder sorgte Bock dafür, dass sein Oberkörper erhöht lag, und deckte ihn von der Hüfte abwärts mit einer Decke warm zu. Als die grellen Lichter angingen, begann Asp zu zittern wie im Fieber.

»Er sieht platt aus und ist saukalt«, stellte Micha fest. »Bevor du irgendwas machst, musst du ihm Sauerstoff geben, sonst wird er gleich gefreezt.«

Bock nickte. »Machen wir. Vor der Intubation müssen wir sowieso die Lungen mit reinem Sauerstoff sättigen. Hier, Micha, eine gute Aufgabe für dich. Derweil mische ich den Narkosecocktail. Wir schaffen das schon.«

»Du schmeißt schon wieder mit Wörtern um dich, die ich nicht kenne, aber gut«, murrte Micha, nicht wirklich willens zu bocken, da er seinem Freund unbedingt beistehen wollte.

Fritz hatte geglaubt, Asp wäre bereits halbbewusstlos, da seine Augen bis eben blicklos in die Ferne gestarrt hatten, doch nun wurden sie überraschend wieder ziemlich klar. Kaum hörbar drückte er ihnen sein Vertrauen aus: »Ich zähl auf euch …« Es klang noch mehr nach Angst, als Fritz erwartet hätte, und wieder gab es ihm einen Stich und machte ihn schwindelig, wenn er an das dachte, was dem Sänger jetzt bevorstand. Entweder überlebte er diese Blitzoperation irgendwie, oder …

»Lex«, verlangte Micha nach Asps Aufmerksamkeit, »du hältst jetzt die Klappe und atmest einfach nur brav den Sauerstoff, in Ordnung?« Und er drückte ihm die Maske auf Mund und Nase, sobald Bock das Sauerstoffventil aufgedreht hatte.

Fritz blieb einfach nur stehen. Er schlotterte vor unkontrollierter Nervosität. Verdammt, es ging hier nicht um ihn! Warum also fühlte es sich an, als ob er gleich sterben musste?

Micha nahm die Aufgabe, den Patienten bei der Präoxygenierung – denn so nannte sich wohl die Sättigung des Blutes mit reinem Sauerstoff – zu beobachten und ihm gut zuzureden, gewissenhaft wahr, während Bock einen venösen Zugang legte. Asp schien den Einstich nicht einmal mehr zu spüren. Fritz, der sich davon natürlich abwenden musste, kam sich indes wie ein Idiot vor, weil er nicht mehr tun konnte als herumzustehen und konsequent das viele Blut zu ignorieren.

Bock mixte Medikamente zusammen: ein Hypnotikum und ein Analgetikum, außerdem ein Muskelrelaxans. »Ich mische ein bisschen Ketamin dazu, damit der Blutdruck nicht noch weiter abstürzt. Aber nicht zu viel, sonst beschleunigt es den Herzschlag, und dann …«

Micha unterbrach ihn ärgerlich: »Danke für die Info, Bock. Scheiße, mach einfach.« Er tauschte einen Blick mit Asp; dieser konnte so beunruhigende Mitteilungen sicherlich nicht gebrauchen. Inzwischen zitterte er so heftig, dass die Vibrationen am OP-Tisch fühlbar waren.

Seufzend drückte der gescholtene Arzt Luftbläschen aus zwei bis zum Anschlag aufgezogenen Ampullen. »Okay, fertig … Ich hab auf die Schnelle eine Dosis berechnet, die selbst einen so alten Vampir wie Frais abschießen würde. Alex, für dich ist der Spaß gleich vorbei, du kriegst das Mittel direkt ins Blut und wirst sofort ganz tief schlafen. Für uns dagegen geht’s dann erst richtig los … Sind alle so weit? Dann starten wir.« Mit diesen Worten verabreichte Bock das Gemisch aus Schmerz- und Schlafmitteln langsam durch die im Handrücken platzierte Kanüle in die Vene. Der Cocktail wirkte nach knapp zehn Sekunden, noch bevor er restlos injiziert war. Asp schluckte ein paar Mal, als würde ihm übel werden, dann verdrehte er die Augen und schloss langsam seine zuckenden Lider.

»Sieht aus, als wäre er weg«, befand Micha vorsichtig.

Bock überprüfte das durch einen Blick in die starren Pupillen und nickte. »Gut, dann gebe ich ihm jetzt das Muskelrelaxans. Danach müssen wir ein gutes Timing haben, er darf nicht in Thanatose fallen, wenn die Atmung aussetzt.«

»Aber wieso eigentlich nicht?«, warf Fritz ein. »Wenn du ihm jetzt ein Mittel gibst, das seinen ganzen Körper lähmt, dann kann er doch nicht verkrampfen.«

»Richtig, Fritz, und wenn wir sicher sein könnten, dass er in diesem Zustand bleibt, dann wäre Thanatose das Beste, was wir machen könnten – die Körperfunktionen auf ein Minimum runterschrauben. Leider wäre praktisch alles, was wir danach mit ihm vorhaben, so traumatisch, dass es ihn wieder wecken würde. Diesen Dauerstress würde er nie überstehen.« Bock zog sich ein kleines rollbares Tablett heran, auf dem die benötigten Utensilien lagen. Konzentriert kündigte er an: »Gleich kommt das Schwierigste: die Atemwegssicherung. Haltet mir die Daumen.« Fritz und Micha mussten daraufhin mehr als unglücklich ausgesehen haben, denn er fügte sofort hinzu: »Ihr seid gleich entlassen, wenn die Spezialisten da sind! Ich muss jetzt nur noch das da –« Er deutete auf einen etwa fingerdicken PVC-Schlauch. »– in seine Luftröhre stecken, damit ich ihn beatmen kann. Vorher müssen die Muskeln gelähmt sein, weil das Einführen sonst durch Reflexe wie Würgen oder Husten unmöglich gemacht werden würde. Den richtigen Moment abzupassen ist nicht so leicht. Wenn der Tubus beim dritten Versuch nicht drin ist, muss ich mir was anderes einfallen lassen.« Er wandte sich an Micha: »Wenn ich es sage, drückst du mit Daumen, Zeige- und Mittelfinger fest auf den Kehlkopf.«

»Oh, Scheiße«, murmelte Micha.

Bock applizierte die zweite Ampulle, welche das Lähmungsmittel enthielt; daraufhin setzte ein kurzes Zucken ein, und das Zittern verebbte völlig. Die angestrengte Atmung wurde schwächer und kam dann ebenfalls zum Erliegen. Stumm die Lippen bewegend, zählte Bock von sechzig abwärts.

Micha furchte die Stirn und nahm die nun überflüssige Sauerstoffmaske weg. »Bock, seine Hauer sind rausgekommen. Also müsste er jetzt völlig schlapp sein.«

Der Arzt holte tief Luft. »Okay, dann wage ich jetzt einen Versuch. Mit ein bisschen Glück klappt’s. Finger drauf.«

Micha gehorchte tapfer. Bock stellte sich hinter Asps Kopf, öffnete ihm den Mund und schob mit der Linken einen spiegelnden Spatel vorsichtig bis zum Kehlkopf vor; das Werkzeug drückte die Zunge beiseite und den Kehldeckel hoch. Kein Schluck- oder Würgreflex behinderte dies. »Gott sei Dank, ich sehe die Stimmritze.« Mit der Rechten griff Bock nach dem Schlauch und führte ihn zügig in die Luftröhre ein. »Na prima, das war’s schon.« Er wischte sich den Schweiß ab. »Alles wird gut!«

Micha, blass und schweigend, sah beiseite.

Nach dem Sichern und Befestigen gab Bock ein paar manuelle Beatmungen und horchte die Brust ab. »Hat alles geklappt. Der Tubus liegt intratracheal und beide Lungen werden gut belüftet.«

»Bock, leck mich mit deinem Fachgelaber. Du weißt genau, dass wir kein Ärztisch sprechen und ’nen Scheiß davon haben, wenn du uns das erzählst!«

»Und du sollst endlich aufhören zu fluchen, Micha. Davon haben wir auch ’nen Scheiß.«

Umgehend fuhr er mit den Vorbereitungen fort. Das Narkosegerät stellte er auf fünfzehn Atemhübe pro Minute ein, was eine relativ hohe Frequenz war, und als auch alle anderen Geräte ihre Arbeit aufgenommen hatten und die Monitore verwirrende Kurven und Zahlen anzeigten, ließ Micha vorsichtig verlauten: »Bisher läuft es doch ganz gut … oder?«

Bock war weniger euphorisch. »Ich werde das alles überwachen müssen, Micha, das komplette Monitoring, und wenn wir an das Herz rangehen, müssen wir möglicherweise die Beatmung und den Herzschlag vollständig ausschalten und das Blut maschinell mit Sauerstoff sättigen – kannst du dir das eigentlich vorstellen?«

»Naja … Nee.«

Gemeinsam legten sie den Pflock und die tiefe Wunde vorsichtig frei. Dabei gaben sie sich nicht allzu viel Mühe, schoben einfach nur den Mantel über der Brust beiseite und kratzen die übrige Kleidung aus dem Weg.

Schließlich kam der Chirurg zurück, und sobald er durch die Tür getreten war, verfiel er in eiligen Trab. »Ich bin soweit!«, verkündete er. Offensichtlich hatte er alles mitgebracht, dessen Gebrauch er in Erwägung zog; er blieb bei den drei stehen und fragte vorsichtig: »Und? Lebt der Mann noch?«

»Ja«, bestätigte Bock. »RSI erfolgreich.«

»Da muss ich zugeben: Alle Achtung.« Mit so etwas wie Galgenhumor fügte er hinzu: »Ich bin kein Herzchirurg, Sie sind kein Kardiotechniker … Viel schlimmer kann es doch gar nicht mehr kommen, was meinen Sie?« Er begutachtete den narkotisierten und beatmeten Patienten, dann die Monitore. »Die Werte sind extrem pathologisch, der Puls ist geradezu elend. Wir können nicht noch mehr Zeit verlieren. Ein Herzchirurg ist unterwegs, ein Assistenzarzt auch, aber wir müssen wohl oder übel den Anfang machen, sonst stirbt der Mann mit Sicherheit. Wir decken jetzt die Wunde ein und lassen alles andere, wie es ist.« Als er von Bock die grünen Abdecktücher entgegennahm, fiel sein Blick erstmals auf die unter Asps Oberlippe leicht sichtbaren Spitzen der Fangzähne. »Seien Sie ehrlich«, bat er. »Ist das … ein Vampir?«

Dr. Saltz nickte vorsichtig.

»Gut … Ich hatte schon ein paar von denen unter dem Messer. Die sind zäh. Wir kriegen das hin. Auf geht’s.«

Fritz hatte die ganze Zeit, wie angewurzelt stehend, mit wachsender Beklemmung zugesehen. Jetzt wurde er von Micha am Arm gepackt und zur noch offenen, zweiflügligen Tür des OPs gezerrt. »Komm, Fritz. Ich muss hier raus … und ich glaube, du auch.« Fritz taumelte lahm hinterdrein, um nicht umzufallen, und hörte nur noch das leiser werdende Gemurmel der beiden Ärzte. Eben sagte der Chirurg: »Nein, decken Sie nicht alles zu, ich glaube nicht, dass der vierte Intercostalraum als Zugang ausreicht, wir werden Rippen resezieren müssen, vielleicht auch um eine Sternotomie nicht herumkommen, wenn wir den Ventriculus cordis nähen und das Blut aus dem Thoraxraum absaugen wollen, das Perikard wird auch voller Blut sein …«

Micha rollte die Augen. »Bla, bla, bla … Scheiß Ärzte, versteht keine Sau.«

»Micha …«, begann Fritz, »mir fällt gerade ein … wie kommt man denn an das Herz überhaupt ran, wenn es unter den Rippen ist?«

»Was weiß ich … Stichsäge?« Micha kannte Fritz mittlerweile gut genug; er streckte beide Arme nach hinten aus, um den prompt umfallenden Kollegen anstellig aufzufangen.
 

Fritz kam in einer Art Wartezimmer, lang über drei gepolsterten Stühlen liegend, wieder zu sich. Um ihn herum saßen außer Micha auch Falk, Simon, Ingo und Lasterbalk.

»Wo ist der Rest?«, fragte er schwach.

»Beschäftigt oder verletzt«, antwortete Falk. »Die Sache mit der Sportpension haben wir geregelt. Kein Grund zur Sorge.«

Fritz fühlte sich elend. Immer, sobald andere bluteten, machte er sich selbst zum Patienten. Das negative Bild, das längst alle von ihm hatten, konnte dadurch einfach nicht besser werden, das war ihm bewusst. Seufzend richtete er sich auf und versuchte, die tadelnden Blicke zu ignorieren. »Was ist mit Alex?«, fragte er und hatte Angst vor der Antwort. Den Gesichtern der Umsitzenden nach zu urteilen gab es bisher zumindest keine freudige Nachricht, und das Gegenteil einer freudigen Nachricht wollte er sich nicht einmal vorstellen.

Micha zuckte nur die Achseln. »Keine Ahnung. Sie arbeiten noch. Weiß nicht, ob das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen ist.«

Die Notfalleinleitung fiel Fritz in allen Details wieder ein. »Ich lasse mich nie wieder operieren«, jammerte er. »Ich dachte, in Narkose liegt man einfach nur rum … Ich wusste nicht, dass einem so viel Zeug in den Körper gesteckt wird!«

»Boah, Alter, du kannst aber auch nix als jammern, was?« Micha betrachtete ihn angewidert. »Das machen die immer so! Ich hab selber keine Ahnung, warum Bock so panisch ist. Er hat’s doch hingekriegt. Ich glaub mal fest dran, dass der andere Kerl das Herz wieder zusammenflickt.«

Fritz hatte sich, von Micha derart angefahren, instinktiv etwas kleiner gemacht und befürchtete, die anderen würden dem Sänger beispringen; jedoch hatten sie in Wahrheit nichts hinzuzufügen. Alle blickten trübsinnig beiseite.

Nur Minuten später jedoch schaute Bock ziemlich aufgelöst zur Tür herein – der OP schien sich direkt nebenan zu befinden – und sagte eindringlich: »Vampire, reinkommen. Alle! Wir müssen Bluttransfusionen machen, die maschinelle Autotransfusion langt nicht.«

Vorsichtig wandte Ingo ein: »Ich denke, Vampire haben auch Blutgruppen.«

»Ja, aber das ist egal, weil ihr Blut bei Vermischung nicht so verheerend reagiert. Alle!«, wiederholte Bock, und daraufhin erhoben sich sämtliche anwesenden Vampire.

Nur Fritz und Ingo Hampf blieben zurück. Letzterer stellte düster fest: »Die Vampire freuen sich jetzt ’n Loch in den Bauch, dass sie zu was nütze sind. Keine Ahnung, ob in so ’ner Klinik sonst so viel Vampirblut lagert. Hoffen wir das Beste.«

Eine knappe Viertelstunde später kehrte Micha mit sorgenvoller Miene als erster zurück und setzte sich mit einem leisen Seufzen wieder auf seinen Platz, einen Tupfer auf seine linke Armbeuge drückend. »Lex ist ein zäher Hund«, sagte er bedeutungsvoll, aber man sah ihm an, dass ihn das, was er hatte sehen müssen, erschüttert hatte.

Einige weitere Minuten später kam auch Falk wieder herein. Auch er sah alles andere als beruhigt aus. Ihm folgten nach und nach die Übrigen, und keiner machte einen annähernd gefassteren Eindruck.

»Ich hab Angst zu fragen«, begann Fritz, »aber … was habt ihr drinnen gesehen?«

Falk berichtete: »Es ist noch schwieriger, als sie dachten. Die Wunde ist groß und tief. Weil ständig irgendein Knochen im Weg war, haben sie das Brustbein der Länge nach durchgeschnitten und die Rippen aufgespreizt. Jetzt steht das Herz still. Sie haben ein eiskaltes Gel reingespritzt, damit es erstarrt und sie sauberer arbeiten können, und irgendwelche Pumpen übernehmen die Funktion.«

Schlagartig fühlte Fritz das Blut wieder in seine Beine sacken. Er lehnte sich tief ins Polster des Stuhls, atmete tief durch und brachte zittrig hervor: »Und … meint ihr, sein Herz wird danach wirklich wieder anfangen zu schlagen?«

»Na klar«, behauptete Micha sofort. »Das ist ein Vampirherz, und zwar ein altes. Je älter ein Vampir ist, desto hartnäckiger klammert er sich ans Leben, zumindest körperlich. Deshalb sind Vampire wie Paul Frais ja auch so schwer zu töten. Wirklich, Lex kann noch kämpfen, wo jüngere Vampire es schon lange nicht mehr könnten.« Er furchte die Stirn. »Ich frag mich nur, wieso der OP mit den dreien so’n Panikschuppen ist. Und wieso hat Bock nie erzählt, dass er früher OP-Patienten schlafen gelegt hat? Ist das irgendwas Peinliches?«

»Das kann ich dir sagen«, erklärte Falk. »Bock hatte einfach – soweit ich mich erinnere, was er damals erzählt hat – immer Angst, dass seine Patienten während der OP aufwachen und sich dann wegen des Lähmungsmittels nicht bemerkbar machen können. Ich gebe zu, das ist auch ein ziemlicher Horror, die Vorstellung. Ich denke einfach, er hat es mal selbst erlebt. Du hast ja gerade gesehen, was drinnen los ist: Er überwacht Asp akribisch auf Stresssignale und redet ständig auf ihn ein, obwohl der höchstwahrscheinlich gar nichts mitkriegt.«

»Oh Mann, ey.« Micha stöhnte auf und rieb sich die Stirn. »Murphys Regel, ne? Alles Schlimme kommt immer zusammen. Mann, hoffentlich packen die das.«

»Tja, im Moment kann Asp jedenfalls nicht sterben. Die Herz-Lungen-Maschine übernimmt alle Vitalfunktionen für ihn. Sie müssen es nur schaffen, den Normalzustand wiederherzustellen, sodass der Körper das auch alleine schafft.«

Fritz gefiel nicht, was er hörte. Gerne wäre er auf der Stelle wieder ohnmächtig geworden.
 

Über eine Stunde später kam Bock herein. Er war total verschwitzt und schlotterte, ein Gewirr aus Haarsträhnen hatte sich aus seinem Pferdeschwanz gelöst und ließ ihn zusammen mit seinen wilden Augen wie einen Verrückten aussehen. Geradewegs auf die gegenüberliegende Tür zuhaltend, drehte er sich nicht einmal nach den anderen um, die ihn erwartungsvoll ansahen.

»Bock«, begann Micha zaghaft. »Was ist?«

»Sein Herz ist angesprungen. Er lebt.«

Fritz hatte erwartet, dass jetzt alle Anwesenden in Jubelstürme ausbrechen würden, doch das passierte nicht. Alle saßen immer noch wie starr. Leise begann Falk: »Bock …«

»Nein!«, wehrte der Arzt ihn fauchend ab, sodass alle zusammenzuckten. »Ich bin erledigt. Ich muss schlafen. Lasst mich in Ruhe!« Damit stieß er die andere Tür auf und verschwand.

Ingo, Fritz und die Vampire tauschten unschlüssige Blicke. Kurz darauf kam auch der Chirurg herein, ebenfalls wortlos; er sah wesentlich nüchterner aus als Bock, lediglich sehr müde.

Er drehte sich noch einmal um und rief einer Schwester zu: »Platzieren Sie einen Beißkeil. Ich hatte schon Vampire auf dem Tisch, die nach Abklingen der Muskelrelaxation den Beatmungsschlauch durchgebissen haben.«

Micha hielt ihn auf: »Hey, was ist denn jetzt genau? Ist alles wieder okay? Können wir zu ihm?«

Entgeistert hob der Arzt die Brauen. »Zu ihm? Vergessen Sie’s! Sein Zustand ist sehr kritisch, ich kann nicht mal sagen, ob er die Nacht übersteht. Ich will niemanden auch nur in der Nähe dieser Tür sehen. Oh, aber das hier brauchen Sie vielleicht noch.« Damit öffnete der Arzt das weiße Bündel, das er unter dem Arm getragen hatte, und holte den bis zum Griff völlig mit Blut vollgesogenen Pflock hervor, um ihn Ingo zu reichen, der ihn zögernd nahm. »Gehen Sie ins Bett, hier passiert nichts mehr.«
 

»Und wir sollen jetzt allen Ernstes schlafen?«, fragte Fritz, als sie schweigend ins Versteck unter der DINZ-Baustelle zurückgekehrt waren. Noch immer war er nervös und aufgekratzt und konnte nicht einmal daran denken, sich jetzt zur Ruhe zu betten. Auf dem Weg zum Keller hatte er durch die Fenster gesehen, dass sich am Horizont bereits der Himmel zu röten begann.

»Ich hoffe nur, ich kann es«, gab Micha zurück. »Aber sie haben Lex am EKG und überwachen ihn. Für uns gibt’s nichts mehr zu tun. Wir sollten uns echt ausruhen.«

Falk, Lasterbalk und Simon zogen sich mit einem letzten Gruß zurück. Ingo, der an ihrer Seite gegen Fiacail Fhola gekämpft hatte, war verständlicherweise ebenfalls müde. Den blutigen Pflock, der nach wie vor Fritz gehörte und dessen Anblick allen Albträume verursachte, räumte er im Bockshof außer Sichtweite. Fritz schaute ihm nach, wie er den düsteren Flur hinunter trottete; dann glitt sein Blick wieder zu Micha, der allein am Tisch in der Küche saß, das Kinn auf die gekreuzten Unterarme gelegt, und ernst vor sich hin starrte. Als Fritz sich ihm näherte, hörte er ihn ganz leise eine Melodie summen.

»Hmmmmm, wie ging das noch mal … Vorwärts … Abwärts … In meinen Adern fließt das schwarze Blut … Oder wie auch immer …« Dann bemerkte er Fritz und brach sofort ab. »Du bist ja immer noch auf.«

»Hm, ja. War das … eins von seinen Liedern?«

»Jap. Schwarzes Blut. Man könnte denken, es handelt von Vampiren, tut’s aber nicht … Stattdessen geht es um Toleranz gegenüber Personen, die einfach nicht so sein können und möchten wie andere … die aber zu dem stehen, was sie sind. Okay, also doch irgendwie um Vampire, wenn man’s so sehen will.« Er schnitt eine Grimasse und wechselte dann abrupt das Thema. »Hast du schon gehört, dass die Krankenhausleitung uns hier raus haben will, sobald Lex’ Zustand das erlaubt? Die wollen keine Vampire mehr hier haben. Kann sein, dass wir Eff Eff bis dahin bei den Eiern haben. Vielleicht aber auch nicht.«

»Aber Alex kann immer noch sterben«, erinnerte Fritz vorsichtig.

»Ja. Hast ja vorhin gesehen, wie die Pfleger mit dem Defi lauern. Die kriegen das Kammerflimmern nicht in den Griff. Alter, Scheiße, ich halt das nicht aus! Am liebsten würde ich das gerade aus meinem Hirn löschen, bis Lex wieder fit ist!« Micha seufzte tief und fröstelnd. Fritz hatte ihn seit der Aushungerung nicht so aufgelöst gesehen. Genauso schnell, wie er die Fassung verloren hatte, gewann der Sänger sie jedoch zurück, rückte vom Tisch ab und stand dann hastig auf. »Ich geh jetzt eine rauchen. Oder zwei, je nachdem, wie lange ’s dauert, bis ich mich wieder einkriege. Sonst kann ich heute überhaupt nicht mehr pennen. Wir sehen uns morgen, Fritz … wenn alles, hoffentlich, wieder gut ist.«


Nachwort zu diesem Kapitel:
Soho!
Alle, bei deren Geschichten ich immer bemängelt habe, etwas sei „unrealistisch“, dürfen mir jetzt mit dem UNREALISTISCH!!-Schild so richtig eins überziehen. Eigentlich wollte ich diese Szene ganz knapp halten, so à la „Los, jetzt aber schnell!“ – „Okay, wir sind fertig!“, bis mir klar wurde, dass das totaler Humbug ist. Schon allein, dass zwei Ärzte, die dafür gar nicht adäquat ausgebildet sind (in diesem Fall Bock und der Chirurg) so eine OP durchführen dürfen, ist totaler Irrsinn. Und dass dann auch noch ein völliger Laie (in diesem Fall Micha) bei der RSI assistiert, ist sicherlich ebenso undenkbar. Außerdem versichert das Herzzentrum Dresden, dass bei ihnen immer so ein OP-Team bereitstünde, nech? Wie auch immer, ich hätte natürlich außerdem alle medizinischen Fachbegriffe ins Glossar aufnehmen können. Hab ich aber nicht – erstens, weil sie danach nie wieder benutzt werden, zweitens, weil sie für den Mainplot keine Rolle spielen. Ich denke mal, wenn ihr was genauer wissen wollt, werdet ihr schon nachfragen oder Google bemühen :) Komplett anzeigen

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