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Wikingerblut

MIU-Trilogie 1
von

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In die Tiefe

»Oh-oh«, murmelte Simon nahezu tonlos. »Sie sind gleich um die Ecke. Asp und Frais. Die Spiegel sind nicht unsere Freunde, wir sollten uns lieber in der Nähe bereithalten.« Damit umfasste er fest Fritz’ Schultern und versuchte, ihn möglichst geräuschfrei zur Tür zu ziehen. Fritz sträubte sich nicht. Die vielen Spiegel wirkten plötzlich bedrohlich, ihre Reflexionen finster und verzerrt.

»S-Simon … Sollten wir nicht … irgendwas tun?« Ein Teil von Fritz war unzufrieden mit der Passivität, in die er sofort verfallen war. »Ich meine, vielleicht … Wir könnten …«

»Nein, besser nicht«, unterbrach Simon rasch und unterband mit beiden Armen Fritz’ halbherzige Gegenwehr. »Er hat den Kampf schon verloren.«

Im Griff des jungen Vampirs wandte Fritz sich noch einmal der unheimlichen Szenerie zu, die sich im Nebenraum, gleich hinter der Ecke und jenseits der Bankreihen, ereignete und die sie nur über die Spiegel hatten verfolgen können. Noch immer stand Paul Frais breitbeinig mitten im Waschraum und schwieg, entspannt die Arme herabhängen lassend, während Asp seine Nervosität nun kaum noch verbergen konnte. Sein Bestreben, vor Frais innere Ruhe zu heucheln, verlor an Bedeutung; immer wieder sah er sich nach den Spiegeln um, schaute in einen nach dem anderen, als suche er wild nach etwas, während er Fritz’ Pflock fest umklammerte, als könnte er sich damit einen unsichtbaren Feind vom Leib halten. Sein keuchender Atem drang in der Stille überdeutlich an die Ohren der beiden Lauscher.

Doch es war nicht der einzige Laut.

Ein flüsterndes, zunächst undefinierbares Geräusch war zu hören. Es war erst so leise, dass Fritz es gar nicht bemerkt hatte, wurde nun aber lauter, drängte sich in den Gehörgang und somit ins Bewusstsein, zog alle Aufmerksamkeit auf sich, bis es plötzlich so laut war, dass der Fußboden vibrierte. Ein Flattern, das die Luft teilte, wehte über die Köpfe der Männer hinweg und verursachte ein dumpfes, dröhnendes Beben, das bedrohlich an- und abschwoll. Flügel?, fragte sich Fritz, als Simon ihn fast schon zum Ausgang geschleift hatte. Aber dafür ist es doch zu langsam … oder? Es klingt wie … eine riesige Fledermaus … oder …

Indes hatte Simon die Tür beinahe erreicht und wollte Fritz als erstes hindurch schieben, als es jäh einen leichten Windhauch und dann einen rollenden Donner gab und alle Türen gleichzeitig wie von Geisterhand zufielen. Die beiden Männer zuckten zurück wie scheuende Pferde, so sehr durchfuhr sie der Schreck. Dann griff Simon beherzt nach der Klinke und riss an ihr, erfolglos. Fritz hörte ihn ein entsetztes Japsen ausstoßen und drehte sich blitzschnell um.

Dann blieb ihm fast das Herz stehen.

Auf dem Spiegel direkt neben ihm kroch ein schwarzer Fetzen heran, wie Rohöl auf einer Wasseroberfläche. Ein fransiger schwarzer Finger, der langsam wabernd seine Form veränderte, sich streckte und weiter schwamm, bis er den nächsten Spiegel erreichte, den nur ein schmaler Abstand vom vorherigen trennte. Das Schwarz wand sich von Spiegelfläche zu Spiegelfläche, ohne sie wirklich zu verlassen.

»Ganz ruhig«, hauchte Simon an seinem Ohr. »Wir können ihm hier nicht helfen. Es ist ein Problem, das er schon lange hat und bei dem wir nichts ausrichten können.« Mit diesen unsicheren Äußerungen schien er eher sich selbst beruhigen zu wollen. »Das geht uns nichts an, okay? Ganz ruhig, Fritz.«

Aber Fritz war nicht ruhig. Alles in ihm strebte danach, den Raum so schnell wie möglich zu verlassen, doch eine sonderbare Macht hielt ihn davon ab. Schaudernd betrachtete er die sich ausbreitenden schwarzen Seen auf den Spiegelflächen. Sie glänzten geisterhaft und hypnotisch. Er machte einen Schritt geradeaus, wobei er Simons zitternden Griff abstreifte, hin zu der Ecke, hinter welcher Asp und Frais standen. Er musste sie einfach sehen. Schon trat er in den Nebenraum, und Simon, die Hand auf seiner Schulter, folgte ihm widerstrebend.

Fritz’ Blick zuckte zu Asp; er war jetzt in direkter Sichtweite, hatte eine Hand über die Augen gelegt und kämpfte sichtbar um innere Ruhe. Seine Kiefer waren verkrampft aufeinander gepresst, und zwischen ihnen stieß in schnellem Rhythmus der Atem hervor.

Paul Frais, der sich gar nicht von der Stelle gerührt hatte, schickte sich nun an zu gehen. »Also, mein Lieber«, sagte er sanft, »ich hoffe, dass du nie wieder etwas derart Dummes versuchst.« Damit deutete er vage auf den Pflock in Asps zitternder Hand. »Deinen Erschaffer zu pfählen ist das letzte, was du dir selbst zumuten solltest. Ich denke, unsere kleine Unterhaltung ist hiermit beendet. Bis zum nächsten Mal.«

Erst jetzt durchzuckte Fritz und auch Simon wieder der Fluchttrieb. Als Frais sich in Bewegung setzte, machten sie auf dem Absatz kehrt und rannten die paar Schritte zurück zum Ausgang. Simon zog mit aller Kraft an der Klinke, doch immer noch war die Tür in die Freiheit verschlossen. Fritz spürte die Panik über sich hereinfluten.

Doch Frais ignorierte sie. Er ging in gemächlichem Schritt durch den angrenzenden Umkleideraum, wo Fritz und Simon wie erstarrt vor der verschlossenen Tür standen, vorüber an der kriechenden schwarzen Brühe, die sich wie ein tödlicher Ölteppich lautlos ausbreitete, unbeeindruckt von dem dröhnenden Flügelschlag, der ihre Gehörgänge in tiefe Vibration versetzte, vorbei an den beiden Männern, die er nicht eines Blickes würdigte – und dann trat er einfach durch die Tür hindurch, als wäre sie gar nicht da.

Wieder sah Fritz, wie Simon zitternd Luft holte. Der junge Vampir drückte sich mit der Schulter gegen die Tür, doch für ihn blieb sie verschlossen. Fritz hingegen war es gerade vollkommen egal, dass Paul Frais offensichtlich durch Wände gehen konnte wie ein Geist. Sein Blick klebte an der Spiegelfläche neben sich. Es gelang ihm einfach nicht, den Blick von dem Schwarz zu lösen, das jetzt alle Spiegeloberflächen im Raum lautlos eingenommen hatte. In dem einen Spiegel, der sich Asp genau gegenüber befand, begann sich die Oberfläche sanft zu kräuseln.

»Fritz, wir kommen nicht raus«, flüsterte Simon heiser neben ihm, doch seine Stimme schien aus weiter Ferne zu kommen. »Es tut mir Leid, dass ich dich gedrängt habe mitzukommen! Ich wusste nicht, dass … dass das passieren würde!«

Fritz achtete nicht auf ihn; das Gehörte erreichte nicht einmal sein Hirn. Alle seine Sinne waren auf die Umgebung fixiert. Abrupt endete der flatternde Lärm und wich völliger Stille. Asp, dessen Gestalt Fritz jetzt in den Spiegeln kaum noch erkennen konnte, nahm vorsichtig die Hand von den Augen. Als er die schwarzen Spiegel sah, durchfuhr ihn ein heftiges Zucken.

Aus dem erdrückenden, unerbittlichen Schweigen, das die Seele erstickte und die Ohren taub werden ließ, schälte sich eine weiche, schwere Stimme, wie in Sirup getaucht und im ganzen Raum sacht nachhallend: »Du wirst doch nicht wieder wegschauen?«

Asp, erst verkrampft und stocksteif, ließ plötzlich die bebende Hand und beide Schultern fallen, holte tief Atem und erklärte trotzig: »Nein, warum sollte ich?« Obwohl seine Haltung Ruhe ausstrahlte, konnte er das leichte, kaum wahrnehmbare Zittern seiner Stimme nicht unterdrücken.

Auf dem schimmernden mannshohen Spiegel schälte sich eine Gestalt aus den dunklen Fäden. Fritz spürte den Drang, den Blick abzuwenden, konnte ihm jedoch widerstehen und glaubte schließlich, eine Statur zu erkennen, die Asps eigenen Umrissen vage entsprach. Er hielt sie für das Spiegelbild des Sängers und wollte sich von dieser Erkenntnis schon fast beruhigen lassen – dann jedoch bemerkte er den sich nach unten verjüngenden Körper und die großen, schwarzen Flügel, die über die angrenzenden Spiegelflächen hinauswuchsen. Das Wesen im Spiegel war nicht Asp, sondern ein … Schmetterling.

»Es gibt wirklich keinen Grund, es so zu übertreiben«, belehrte Asp sein Alter Ego, aber in seiner Stimme schwang mittlerweile unverkennbar Furcht mit. »Du erschreckst meine Freunde zu Tode. Ein bisschen mehr Rücksicht wäre nett.«

Fritz duckte sich unwillkürlich hinter Simon. Ihm war nicht klar gewesen, dass Asp sie beide im Raum bemerkt hatte. Gleichzeitig wusste er, dass sie hier nicht nur etwas Gefährlichem, sondern auch etwas höchst Intimem beiwohnten – wie Eindringlinge.

Der Schmetterling gab ein Geräusch von sich, das wie ein Schmatzen klang. »So viel Hass«, sagte er, nunmehr mit gänzlich tonloser Stimme, Asps Hinweis nicht beachtend.

»Ja, ist ja gut. Komm, bitte geh jetzt, alter Junge.« Fritz fragte sich, was Asp damit bezweckte, derart unberührt mit dem riesigen Insekt zu sprechen. Glaubte er, dieses Monster damit irgendwie zu beeindrucken?

»Oh nein«, grinste der Schmetterling, »diesmal sicher nicht. Vielleicht hättest du mich nicht wochenlang mit all diesem emotionalen Dreck füttern sollen. Wie hieß das Gesöff doch gleich? ›Blut‹ im Namen macht noch lange keine bekömmliche Nahrung für mich daraus, das weißt du. Allerdings ist das jetzt auch nicht mehr von Belang, denn jetzt bin ich da. Schön, dich zu sehen. Hast du mich vermisst?«

»Gegenfrage«, knirschte Asp und erwiderte den eindringlichen Blick tapfer. »Hatten wir diesen Teil nicht hinter uns?«

»Diesen … Teil Das schwarze Wesen lachte über die Bemerkung; es klang weich, fast zärtlich. »So bezeichnest du doch nicht etwa unsere jahrhundertealte, innige Freundschaft, die dich zu einem Meister der Schauerpoesie gemacht hat? Ich bin enttäuscht. Sehr sogar.«

»Wir waren in unserer Beziehung doch schon viel weiter«, fuhr Asp inständig fort. »Willst du das jetzt wirklich alles hinschmeißen?«

»Nein, ganz im Gegenteil. Ich finde, unsere Beziehung braucht ein bisschen … frischen Wind.«

Und plötzlich fegte ein Luftstoß durch den Raum, der rasant zu einer mächtigen Bö heranwuchs und das Gemäuer erzittern ließ. Nicht wenige Spiegel wurden von den Wänden gerissen und zerbarsten laut scheppernd in Tausende von Scherben, die sofort durch die Luft wirbelten. Instinktiv versuchte Fritz, dem Hagel aus fliegendem Glas zu entkommen, indem er beide Hände vor das Gesicht schlug. Augenblicklich spürte er das Stechen der Splitter auf und in seiner Haut.

»Hör auf!«, schrie Asp erschrocken sein Spiegelbild an. Auch er hatte die Hände vor das Gesicht gehoben, um den messerscharfen Scherben zu entgehen. »Woher nimmst du bloß diese – !«

»Kraft? Oder … Boshaftigkeit? Negative Energie? Schlechtes Karma? Gibt es noch mehr irdische Wörter für das, was du die ganze Zeit auf mich abgewälzt hast, du lausiger, Blut meidender Vampir?«, gab der Schmetterling in drohendem Ton zurück. Dann wurde seine wutverzerrte Stimme plötzlich weich. Ein leises Seufzen, oder wenigstens die Ahnung davon, drang aus dem Spiegel. »Ich fürchte, wir sind an einem Punkt angelangt, an dem wir uns fragen sollten, wie es weitergeht.« Die Stimme des Wesens klang fast schon betrübt, bis sie auf einmal in Wut und Gereiztheit umschlug. »Ich halte es nicht mehr aus, wie ein Tier in Ketten zu liegen – oder sagen wir, DU hältst es nicht mehr aus!«

Asp wich einen Schritt zurück und schwieg. Erst eine ganze Weile später atmete er hörbar ein, schloss die Augen und sammelte sich, bevor er dem Schmetterling fest ins Gesicht sah und erklärte: »Ich finde, ich halte das gut aus.«

»WEIL DU MICH HAST!«, schrie ihn jäh der Schmetterling an, so schrill, dass es wie ein Donnergrollen und gleichzeitig wie ein viel zu hoher Ton klang. Sein Zorn flackerte durch den Raum, ließ weiteres Glas zerspringen, wirbelte Scherben vom Boden auf. »WEIL ICH DEIN VERLANGEN, DEINE ANGST, DEINE WUT ERTRAGEN MUSS UND DAFÜR NICHTS ANDERES ALS DEIN FADES, DRECKIGES, SCHWARZES BLUT ZU TRINKEN KRIEGE!«

Fritz, immer noch zusammengekrümmt an die Wand gedrückt stehend, hoffte inständig, der wilde Zorn der Kreatur möge abebben; doch vergebens. Diesmal nahm das Toben kein Ende. Fritz konnte sich gerade so überwinden, die Finger ein wenig zu spreizen, um zwischen diese hindurch einen Blick auf das Geschehen zu erhaschen. Was er sah, ließ sein Herz vor Schreck aussetzen: Ein wilder Tanz aus glänzenden Splittern und Bruchstücken fegte durch den Raum, direkt auf ihn und Simon zu. Beide waren augenblicklich wie gelähmt vor Angst.

Wie im Traum nahm Fritz wahr, dass Asp sich in Bewegung setzte und mit nur wenigen schnellen, lautlosen Schritten bei ihm und Simon war, wo er die beiden beiseite stieß und sich mit aller Gewalt gegen die Tür warf, die sofort schwungvoll aufschwang und den Weg in die Freiheit öffnete. Mit je einer Hand packte Asp Fritz und Simon und schubste sie grob nach draußen. »Lauft!«, knurrte er.

Fritz drehte sich um, um ihm ins Gesicht zu sehen, und erschrak. Trotz seiner wilden Entschlossenheit spiegelte sich in Asps Miene ein so blankes Entsetzen, wie Fritz es noch nie bei einem Menschen gesehen hatte. Angesichts dessen taumelten Fritz und Simon nach rückwärts und ergriffen dann wortlos die Flucht.
 

»Hör auf!«, brüllte Asp und wusste im selben Moment instinktiv, dass er die Kontrolle längst verloren hatte – oder sie nie gehabt hatte. Panik flutete durch sein Blut. Die Mauern ringsumher zitterten und ächzten unter der brachialen Gewalt des Sturmes, der auf sie einwirkte. Asp war wie betäubt. Der verhasste, verleugnete Teil seiner Seele war zum Amokläufer geworden. Erbarmungslos und entsetzlich real. Zorn und Gier schwappten von einer Wand zur anderen und brachen ständig als neue Flutwellen über ihn herein. Der kalte Griff, in dem er sich wand, wurde fester. Die Zeit wurde knapp. Er musste es beenden.

Doch das Vorankommen war schwer, zäh wie in einem Glas voll schwarzem Leim. Als er den Spiegel, in welchem der Schmetterling stand, endlich wieder erreicht hatte, wurde auch der Rest seines Albtraums Wirklichkeit: Der verzerrte Körper verwandelte sich, änderte seine schwammigen Umrisse, bis er wieder zu einem detailgetreuen Abbild wurde, einem Spiegelbild, das ihm selbst bis aufs Haar glich – nur nicht im Gesicht, nicht im Detail.

Nicht auch das noch!

Mit der geballten Faust zerschlug er den Spiegel. Trümmer flogen. Es tat weh und schuf keine Abhilfe. Die scharfen Kanten der Scherben schnitten ihm tief in die weiche Haut über den Fingerknöcheln, doch die verhasste Reflexion floss nur mit sonorem Gelächter in den nächsten Spiegel, um dann wieder jeder seiner Bewegungen zu folgen. Als Asp den aussichtslosen Versuch unternahm, in die entgegen gesetzte Richtung davonzulaufen, um mit wenigen ausgreifenden Schritten das Raumende zu erreichen, lief sie neben ihm her, von einer schwarzen Fläche in die nächste. Verzweifelt blieb Asp wieder stehen, und obwohl er nicht wollte, drehte er den Kopf nach dem Spiegel, und sein finsteres Ebenbild tat dasselbe, zog ihn mit ungeheuerlicher Macht ganz dicht an sich, sodass er in die weißen, pupillenlosen Augen der Fratze sehen musste. Dort fand er nichts außer dem umgebenden Raum – auf dem Kopf stehend.

Grauenerfüllt riss er den Blick los.

Gerade noch rechtzeitig erkannte er, dass er das Ende des vordersten Raumes erreicht hatte, und bremste scharf vor der Tür ab. Nein, Weglaufen war sinnlos. Es würde ihm folgen – und Fritz und Simon, vielleicht noch viel mehr Menschen würden die jahrhundertelang aufgestaute Gewalt zu spüren bekommen.

Asp drehte sich einmal im Kreis, und sein Ebenbild huschte von Spiegel zu Spiegel, um ständig seinem Blick zu begegnen. Dann, plötzlich, machte es eine erste eigenständige Bewegung: Es streckte die Hand vor. Instinktiv wich Asp zurück. Erst einen Schritt, dann noch einen, bis er mit dem Rücken gegen einen anderen, bereits vom Windstoß eingeschlagenen Spiegel stieß. Die Hand, mit überlangen, knochigen Fingern nach ihm ausgestreckt, trat aus der sich kräuselnden Spiegelfläche hervor. Der Arm folgte. Sein böses Ich wollte sein Gefängnis verlassen.

Asp sammelte sich. Er durfte nicht zulassen, dass das passierte. Er musste es tun – jetzt.

Mit einer entschlossenen Bewegung wischte er sich den Schweiß von der Stirn, bevor er ihm in die vom Glasstaub brennenden Augen rinnen konnte, und umfasste mit der anderen Hand den Pflock. Nicht zittern. Bloß nicht zittern. Gerade zustoßen. Zwischen zwei Rippen. Am besten links in den vierten Zwischenraum. Direkt ins Herz.

Er hatte noch nie jemanden gepfählt. Es war leicht gewesen, diese Aufgabe anderen zu überlassen. Der Schwarze Schmetterling war seine Ausrede dafür gewesen, möglichst keinem anderen Wesen etwas antun zu müssen. Jetzt war die Stunde gekommen, mit dieser Regel zu brechen. Aus demselben Grund.

»Komm her, du vorlautes Insekt!«, stieß er mit dem Wahnsinn der Verzweiflung hervor. »Trau dich! Diesmal spieße ich dich auf – ich spieß dich auf und nagel dich an meine Wand!!«

Damit packte er die weiße Hand seines Gegenüber – des Schmetterlings, des Spiegelbilds, was auch immer es gerade sein wollte –, riss es mit einem kräftigen Ruck aus der Glasfläche in den Raum und hob zugleich den anderen Arm, die feuchten Finger um das gepolsterte Holz gepresst. Tapfer raffte er alle verbliebenen Kräfte zusammen, öffnete unwillkürlich die Lippen, um einen grimmigen Schrei herauszulassen –

– und stieß zu.

Der Pflock drang ein wie in weichen, schwarzen Lehm. Kein Knochen, kein Widerstand bremste die tödliche Spitze auf ihrem Weg tief in den Körper. Schmerz explodierte in seiner Brust, entsetzlich, rot und heiß. Wärme breitete sich aus. Asp spürte mit einem Mal alle Kraft aus sich herausströmen. Sein eigener Herzschlag hallte plötzlich in seinen Ohren nach.

Kurz darauf sank er auf die Knie. Mühsam hob er den Kopf, sah die schwarze Verwehung, wo die Gestalt zu seinem Opfer geworden war, sich rasch verflüchtigen.

Es war fort. Nichts war mehr zu spüren von der hässlichen, bösartigen Aura. Völlige Stille umgab ihn.

Asp verspürte tiefe Erleichterung. Er nahm einen langen Atemzug und löste seine verkrampften Muskeln. Alles war gut. Er würde jetzt aufstehen und ruhig hinausgehen.

Doch der Schmerz ließ nicht nach. Immer noch pulsierte er glühend und unbeirrt. Asp merkte, dass ihm das Atmen schwer wurde. Voller Angst schaute er an sich herab.

Und mit einem Mal war die Erleichterung fort, kehrte kalte Verzweiflung zurück und machte seinen Triumph über das Böse zunichte. Seine zitternde Hand lag auf seiner Brust, und dort war es warm und kalt zugleich.

Nein!, dachte er und schluckte gegen den Klumpen in seiner Kehle an, als er sein Herzblut fließen sah. Bitte nicht …

Erst jetzt erkannte er, was er wirklich getan hatte.
 

Fritz und Simon standen wie versteinert, als der Lärm der Zerstörung abrupt endete. Sie waren allein in der kalten Nacht mitten auf dem Gelände der Sportpension und zitterten; der Schweiß, der ihnen die Kleidung auf die Haut leimte, fühlte sich an wie gefroren.

»Im Haupthaus sind Lichter angegangen«, stellte Fritz fest und schlang beide Arme um seinen Körper.

»Ist ja auch schwierig, von dem Geschepper nicht wach zu werden«, gab Simon mit dünner Stimme zurück. Fahrig griff er in die Hosentasche und holte den kleinen Plastikbehälter hervor, in welchem seine Tarnlinsen in Kochsalzlösung schwammen. Mit bebenden Fingern setzte er sie ein, erst rechts, dann links, und blinzelte mehrmals, damit sie auf seinen Hornhäuten an ihren Platz glitten. Derart abgedunkelt sahen seine Augen wieder harmlos menschlich aus. »Okay, wir sollten versuchen, den Eigentümern die Sache zu erklären … und sie davon abhalten, in die Turnhalle zu gehen …«

»Falls sie total ausrasten, kannst du sie ja beißen«, schlug Fritz vor und lachte nervös.

»Du brauchst gar nicht zu lachen, das mache ich dann auch!«

Bevor die beiden das nun hell erleuchtete Haupthaus erreichten, näherten sich drei paar schnelle Schritte von der Straße her. Die Ankömmlinge hielten quer über das Gelände direkt auf Fritz und Simon zu.

»Na toll, wir stehen hier, als würden wir für ’nen Einbruch Schmiere stehen«, stöhnte Simon mit plötzlicher Erkenntnis. »Komm ein bisschen aus dem Licht, Fritz … Vielleicht – …«

»Oh!«, rief Fritz, der die drei im hellen Schein, der aus den Fenstern fiel, erkannt hatte. »Es sind Falk und Bock … und Micha!« Er hob beide Arme und winkte den vertrauten Gestalten.

Der Arzt ging hinter den beiden Vampiren, die mit geblähten Nasenflügeln der Spur gefolgt waren. Alle drei verlangsamten augenblicklich ihren Schritt, als sie Simon und Fritz im Halbdunkel stehen sahen.

»Was is’n hier bitte los?«, rief Micha, so leise wie möglich, zu den beiden hinüber und beschleunigte seinen Schritt, bis er fast rannte. »Was macht ihr hier? Und wo ist Lex?«

»Drinnen«, antwortete Simon deutlich leiser, noch immer sichtlich verstört, und machte eine vorsichtige Kopfbewegung zur Turnhalle. »Ihr … Ihr ahnt nicht, was passiert ist …«

»Paul Frais«, warf nun auch Fritz ein und musste kurz darauf erst mal nach Worten suchen. »Also, Lex ist … ihm gefolgt, und wir sind ihm gefolgt, und … sie haben … Wir wollten …«

Falk hob beschwichtigend beide Hände. »Langsam, langsam«, sagte er nachdrücklich. »Wollt ihr uns sagen, dass Frais auch da drin ist?« Er warf Micha einen alarmierten Blick zu.

»Nein, nein«, beeilte sich Simon, »Frais ist weg, er –«

»Er kann durch Wände gehen!«, ergänzte Fritz mit schreckgeweiteten Augen.

»Ja, genau, und der Schatten, der hatte Flügel! Scheiße, und wir –«

»Wir konnten nicht raus, die Tür ging nicht auf, und Frais ist durch die Wand gegangen …« Fritz stoppte ratlos, den Mund auf- und zuklappend, als er selbst bemerkte, dass ihr Bericht mehr als verworren klingen musste.

Micha schnitt eine zweifelnde Grimasse. »Ihr beiden solltet euch erst mal irgendwo hinsetzen und uns die Sache regeln lassen. Ihr seht aus, als hättet ihr ’n Gespenst gesehen. Falk, gehen wir rein?«

Sofort hielt Simon dagegen: »Nein, macht das nicht! Lasst uns warten, bis Alex von alleine rauskommt. Er, er … kämpft gegen sich selbst.«

Falk, Micha und Bock fingen den durchdringenden Blick auf und verstanden.

»Na toll«, sagte Micha dumpf.

Dann öffnete sich in einiger Entfernung leise quietschend eine Tür. Alle fünf fuhren herum. Aus dem Haupthaus traten ein dürrer Mann und eine kleine, rundliche Frau mit buschigem Schal, und beide eilten mit großen Schritten direkt auf das Grüppchen zu.

»He!«, rief der Mann. »Wer sind Sie? Was machen Sie hier?«

Falk wandte sich ruhig an Simon: »Schmittchen, ich hab eine gute Aufgabe für dich, da kommst du ein bisschen auf andere Gedanken. Husch runter zur Semperoper und hol den Dark Knight. Kannst du das machen?«

Simon nickte hastig. »Jaah, mach ich. Ich hab ihn ja auch nach Wuppertal gefahren, das geht schon.«

»Ich weiß, deshalb frag ich dich ja. Wir brauchen ihn bestimmt, um später hier wegzukommen. Ich wette, das Pärchen hat schon die Polizei verständigt.«

»Ich hab keinen Bock auf diplomatische Gespräche«, knurrte Micha übellaunig. »Dein Vorschlag?«

»Ich rede mit den beiden«, erwiderte Falk. »Ihr drei geht Alexander suchen, in Ordnung? Vorsichtig. Wenn die Polizei kommt, fange ich sie ab, sodass ihr Zeit habt, mit dem Auto wegzufahren. Wenn alles geklärt ist, komme ich nach. Vielleicht sind die Ordnungshüter ja auch so freundlich, mich mitzunehmen«, erklärte er seinen Plan eilig. Für nähere Ausführungen hatten sie jetzt wahrlich keine Zeit.

Die Aufgabenverteilung wurde von allen mit einem Nicken akzeptiert. Falk drehte sich daraufhin mit einem entspannten, freundlichen Ausdruck nach dem verärgerten Pärchen um, das ihm schon mit einem Anflug von Drohgebärden entgegentrat, und rief ihnen ein entwaffnendes »Guten Abend, entschuldigen Sie die Störung!« zu. Simon war zu diesem Zeitpunkt bereits davongehuscht. Micha und Bock wandten sich nun der Turnhalle zu, ebenfalls betont ruhig, um nicht flüchtig zu wirken, und warteten, bis Fritz sich endlich überwunden hatte, ihnen zu folgen.

Schon die ersten Schritte in Richtung des hohen, schweigenden Gebäudes ließen in Fritz’ Hals einen Kloß anschwellen. Vor seinen Augen breitete sich noch einmal aus, was er, umgeben von Spiegeln, im Inneren der Waschräume gesehen hatte. Eigentlich wehrte sich alles in ihm dagegen, auch nur eine Zehenspitze über die Schwelle zu befördern. Nun jedoch war es still. Gespenstisch still.

»War es so schlimm?«, fragte Micha mitleidig.

Fritz ahnte, was Micha damit meinte und weshalb er fragte, und nickte schwach. Micha kannte Asp am längsten, und außerdem hatte er immer noch ein schlechtes Gewissen.

»Okay, ich geh vor. Ihr bleibt hinter mir.«

Dann ging Micha langsam in den dunklen Flur hinein. Er tastete an der Wand nach einem Schalter, woraufhin ein Teil der Beleuchtung flackernd ansprang – zumindest diejenigen Leuchtstoffröhren, die noch intakt waren. Seine Nase führte ihn zur ersten der vier Türen, hinter denen sich, wie Fritz wusste, die Umkleideräume befanden. Vorsichtig drückte er die Klinke und spähte in den Raum hinein, aus dem ihm Dunkelheit entgegenschlug.

Bock und Fritz blieben angespannt im Korridor stehen. Noch immer war es still.

»Oh«, sagte Micha in einem Ton, der Ehrfurcht und Sorge vereinte. »Hier sieht’s ja aus …« Er schnupperte und ging dann ganz hinein. »Lex? Lex, bist du hier? Wir sind’s. Alles in Ordnung?«

Als keine Antwort kam, ging er weiter. Fritz hörte, wie seine Schritte sich hinter der halb offenen Tür entfernten. Unter Michas Sohlen knirschten die großen und kleinen Glasfragmente schrill und unangenehm über die Fliesen, wie unzählige winzige Schreie.

Fritz starrte zu Bock, dessen Blick so ängstlich war, wie er selbst sich fühlte. Er konnte sich nicht erinnern, den furchtlosen Arzt je so nervös gesehen zu haben. »Eigentlich, weißt du … eigentlich hat Alex diese Sache gut im Griff«, brachte Bock stockend heraus. »Fritz, wieso hab ich das Gefühl, dass hier was gründlich schief gegangen ist?«

»Schief gegangen? Du hast es nicht gesehen«, versetzte Fritz und sah beiseite.

Michas Schritte hatten, immer leiser werdend, schließlich angehalten.
 

Simon fand den Dark Knight nahe der Semperoper. Wie alle MIU-Mitglieder, die mit dem Automatik-Wagen gut zurechtkamen, hatte er einen eigenen Schlüssel für das Einsatzfahrzeug. Noch im Näherkommen streckte er die Hand aus und drückte auf den kleinen Knopf am Zündschlüssel, woraufhin die Lichter des Fahrzeugs aufblinkten.

Den Weg zur Albertstadt kannte er jetzt: Erst über die Augustusbrücke, dann der Albertstraße folgen …

Simon hoffte, dass sich in seiner Abwesenheit nichts Großartiges ereignet hatte, doch er wurde enttäuscht: An der der Marienallee zugewandten Straßenseite parkten bereits zwei Funkwagen, und mindestens fünf Menschen standen zwischen ihnen herum. Falk war auch da und vermittelte, so gut er konnte. Immerhin sah niemand wütend aus. Alle schienen einer Einigung bereits sehr nahe.

Klar, dachte Simon, die Polizei weiß genau: eine X-Akte des BfV. Finger weg!

In weiser Voraussicht bog er nicht in die Seitenstraße ab, um dem Pulk zu begegnen, sondern fuhr daran vorbei, mit der Absicht, von hinten unbemerkt auf das Gelände zu gelangen. Glücklicherweise waren ja alle, die sich vorne an der Straße befanden, hinreichend abgelenkt.

Im Vorbeifahren fing er Falks Blick auf. Es war nur ein ganz kurzer Augenkontakt, der ihm versicherte, dass der andere ihn bemerkt hatte.

Simon stellte das Fahrzeug ein ganzes Stück entfernt am dunklen Straßenrand ab und machte sich dann – so leise, wie es einem Jungvampir eben möglich war – auf den Weg zum Sportgelände.
 

Inmitten von Scherben beugte sich Micha über Asp, der schwer atmend in einer langsam wachsenden Lache seines eigenen Blutes lag und mit einer bleichen Hand das Ende des Pflocks umklammerte, der in seiner Brust steckte. Er zog die Luft rasselnd durch den Mund ein und entblößte dabei mit hellrotem Blut befleckte Lippen und Zähne. Trüb richtete sich sein Blick auf Micha.

»Lex … Was hast du bloß gemacht?«, zischte Micha ihn an, ohne dass wirklich ein Ton herauskam. »Warum um Himmels Willen hast du … dich selbst gepfählt

»Wollte ich nicht«, antwortete Asp. Seine Stimme war leise, aber noch einigermaßen kräftig. »War ein … Unfall.«

»Leute wie du sollten keine spitzen Sachen anfassen, du Pfosten!« Micha wusste nicht, wie er reagieren sollte. Er hasste es, seine Freunde leiden zu sehen und nichts für sie tun zu können. Hier sah er nun etwas vor sich, das er normalerweise selbst anderen Vampiren zufügte – mit der Absicht, sie zu töten. Lex war nicht tot, doch er würde es bald sein. Der Pflock steckte genau dort, wo Micha als einigermaßen erfahrener Vampirtöter ihn auch hinbefördert hätte. Bei diesem Anblick wurde sein Magen zu einem kalten Klumpen. Er kannte Asp aus seinem vorherigen Leben, sie waren alte Freunde, und das letzte, was Micha wollte, war, einen Freund sterben zu sehen.

»Da staunst du, dass ich so ein guter Pfähler bin, was?«, sagte Asp schwach und verzog die Lippen zu einem dünnen Lächeln. Langsam, aber sicher wichen die Kräfte aus seinem Körper. Was er fühlte, war vor allem Kälte, die den Schmerz wie Eis betäubte. »Und dabei hatte ich nie vorher … einen Pflock in der Hand …«

»Toll«, antwortete Micha kaum hörbar. Auf seiner Zunge war ein bitterer Geschmack. Dann hob er den Kopf, ohne von der Seite des verletzten Freundes zu weichen, und rief laut nach den anderen: »Bock! Fritz! Kommt rein! Und kommt … schnell!« Machte es eigentlich einen Unterschied, wie schnell sie kamen? Ja, sagte er sich. Du bist kein Arzt, Michael Rhein, du kannst keine Verletzungen beurteilen. Also halt die Fresse.

Die beiden Menschen, die furchtsam im Bereich des Eingangs ausgeharrt hatten, gehorchten auf der Stelle. Bock vorneweg, Fritz hinterdrein. Sie stoppten, als sie an den Garderobenbänken vorbei um die Ecke bogen und mit Entsetzen sahen, was passiert war.

»Heilige Scheiße!«, stieß Bock hervor. Fritz presste eine Hand auf den Mund.

Langsam den Blick von der entsetzten Miene des Arztes abwendend, fasste Micha nach dem Pflockende. »Bock, kann ich … Soll ich …?«

»Nicht!«, kreischte Bock sofort und fuchtelte mit den Armen. »Um Gottes Willen, lass den Pflock drin!« Hektisch überbrückte er die letzte Distanz zwischen ihnen, um sich neben Micha zu knien, und legte vorsichtig eine Hand auf die blutdurchtränkte Brust des Patienten. Dass Fritz sich keinen Meter näher heranwagen würde, war abzusehen. »Es … es tritt nur venöses Blut aus«, bekundete der Arzt, wenn auch kaum weniger aufgelöst. »Seht ihr, es ist … ganz dunkel. Da ist kein helles.«

»Doch, in seinem Mund«, knurrte Micha.

»Die linke Lunge wird ein wenig angekratzt sein. Mehr nicht, er hat kein Blut gehustet. Also … vielleicht hat die Spitze ein großes Herzgefäß verletzt, die Vena mammaria interna oder eine der Venae intercostales, aber …«

»Bock!«, fuhr Micha ihn aufgebracht an. »Lass den lateinischen Scheiß und sag mir sofort, was Sache ist!«

»Ich – ja …« Bock schluckte. »Also, so, wie es aussieht … ich glaube, der Pflock steckt mitten in der rechten Herzkammer!« Nun wurde auch er merklich panisch. Zeit war etwas, das sie nicht hatten. Eindringlich fuhr er fort: »Wenn wir ihn rausziehen, wird Luft in das Herz eindringen, absolut tödlich, und Alex wird innerlich verbluten, was wahrscheinlich noch schneller geht … Wenn wir ihn drin lassen, wird es langsamer passieren, aber es wird trotzdem passieren …!«

Micha schluckte trocken. »Bock«, sagte er fest, »du musst Lex retten.«

»Aber wie soll ich das machen, Micha? Wie

Unerwartet meldete sich Fritz zu Wort: »Kannst du sein Herz nicht reparieren?«

»Um Himmels Willen, Fritz!«, rief der Arzt schrill. »Ein Herz kann man nicht reparieren wie einen … einen Toaster!« Er raufte sich die Haare. »Ich – ich bin kein Zauberer! Man kann das nicht überleben!«

Micha wurde wütend über so viel Hilflosigkeit im Angesicht der Katastrophe. »Verdammte Scheiße, wir kampieren in einer Klinik! Wir haben das Dresdener Herzzentrum gleich nebenan, falls du das vergessen hast! Du musst es versuchen

Asp war ruhig; zu ruhig, wie Fritz fürchtete. Er fing Bocks Blick auf und sagte mit einem mühsamen, schiefen Grinsen zu ihm: »Bock, du weißt, ich hab nie wegen irgendwas über dich hergezogen … Mich stören deine albernen Kosenamen für uns alle nicht mal … Aber jetzt willst du mich abschreiben, bevor ich sauber tot bin? Bei aller Liebe, das werde ich dir auch post mortem noch sehr übel nehmen …« Sein Grinsen hielt sich noch immer, als kurz darauf ein verräterischer, klarer Tropfen über seine Wange rollte.

Daraufhin riss sich der Arzt endlich am Riemen. Mit zusammengebissenen Zähnen erwiderte er: »Du hast völlig Recht, Alex. Tut mir Leid. Ich bin Arzt – ich werde alles tun, um dich zu retten!«

»Das will ich hoffen … Ich will nicht sterben, weißt du … Jetzt noch nicht.« Und dann, zum Entsetzen aller, stützte Asp beide Hände auf den scherbenübersäten Boden und kämpfte sich auf die Füße. Scherben schnitten in sein Fleisch, als er sich hochstemmte. Sobald er halbwegs stand, setzte er sich taumelnd, doch zielstrebig in Bewegung, eine Hand um den Pflock geklammert. Micha eilte sofort an seine Seite, packte ihn bei der Schulter und stützte ihn.

»Haltet nach der Karre Ausschau! Ich hoffe, Schmittchen ist langsam mal wieder da!«

Dankbar erkannte Fritz eine Möglichkeit, dem Blut und dem Elend vorübergehend zu entkommen. Prompt setzte er sich als erster in Bewegung. »Ich geh nachgucken!«, rief er und eilte voraus.

Mit Bock und Micha an je einer Seite schleppte Asp sich mühsam auf den Ausgang ins Freie zu. »Ich will nicht sterben«, wiederholte er mühsam. »Jetzt noch nicht!«



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