Bittersüße Liebe von abgemeldet (Hikaru x Kaoru) ================================================================================ Kapitel 1: Distanz ------------------ Distanz Die Nacht war bereits vor einigen Stunden über das Anwesen hereingebrochen. Die Welt war von kühlem, hellen Mondlicht getränkt. Ein einsamer Strahl fand den Weg durch die nur halb geschlossenen Gardinen des Raums und gab einen flüchtigen Blick auf das große Bett und die Person darin frei. Das riesige Haus lag still da, nicht einmal mehr die Bediensteten schienen noch wach zu sein. Kaoru konnte nicht schlafen. Die Einsamkeit ließ ihn frösteln und er begann wie in den vergangenen Tagen bereits oft, an seiner Entscheidung in ein eigenes Zimmer zu ziehen zu zweifeln. Er vermisste Hikarus Wärme, seinen leisen Atem und diesen zarten, wunderschönen Körper neben sich. Doch Kaoru wusste das er jetzt keinen Rückzieher machen durfte. Er hatte sich dafür entschieden seinen Zwilling zu unterstützen, ihn zu leiten, ihm zu vertrauen und nicht dazu ihm Steine in den Weg zu legen. Und er wusste das diese Entscheidung endgültig war, das er sie nicht ohne weiteres rückgängig machen konnte. Hikaru sollte glücklich sein, lachen, sein Leben genießen, das war alles was er wollte. Kaoru war es egal gewesen wie er damals gefühlt hatte doch allmählich war ein Gefühl von Reue in ihm hoch gekrochen, hatte sich in seinem Körper ausgebreitet und sowohl Herz als auch Gehirn völlig vereinnahmt. Für eine Weile hatte es ihm genügt seinen Zwillingsbruder lächelnd und glücklich zu sehen. Zu wissen das es ihm gut ging und das er keine Sorgen hatte. Doch mit der Zeit war dieses Gefühl nicht mehr ausgereicht, es war Kaoru nicht mehr genug. Hätte er Hikaru nicht unterstützt, ihm seine Gefühle für Haruhi niemals genau vor Augen geführt, dann wären diese Gefühle die Hikaru hegte vielleicht wieder einfach so verschwunden. Dann wäre es wie vorher, als wäre nichts geschehen und sie würden ihr Spielchen weiter spielen. Das Spiel das alle irgendwo, irgenwie als solches erkannten. Dieses Spiel das sie damals aus reinem Vergnügen begonnen hatten war für Kaoru inzwischen bittersüßer Ernst geworden. Er war ausgehungert, gierte nach der Liebe des von ihm geliebten Menschen, gierte nach seiner Aufmerksamkeit, Nähe, nach seinem Körper. Er wollte ihn, begehrte ihn. Er liebte ihn, liebte ihn mehr als alles andere, er wollte ihn nur für sich, ihn mit niemandem teilen, ihn niemandem überlassen. Er begehrte ihn. Er begehrt Hikaru, seinen eigenen Zwillingsbruder! Langsam fanden Tränen den Weg über sein Gesicht und hinterließen dunkle Flecken auf dem seidenen Kissen. Kaoru verzweifelte an der Situation. Es war schon hart genug gewesen zu akzeptieren das diese innige Liebe, seine drängende Begierde gegenüber Hikaru verboten waren. Er hatte die Grenze überschritten die sie über Jahre hinweg mit aller Sorgfalt und Vorsicht niemals überschritten hatten, hatte das von ihnen gesetzte Limit gebrochen. Er hatte lang genug dafür gebraucht um mit seinen Gefühlen ins Reine zu kommen. Irgendwann war es ihm gelungen diese Regel zu missachten die besagte das man seine Blutsverwandten nicht lieben durfte. Er war endlich soweit gewesen das Verbot zu ignorieren, es nicht mehr zu bereuen die Grenze überschritten, das Limit durchbrochen zu haben. Doch dann war Haruhi in ihr Leben getreten und hatte alles verändert. Er mochte sie. Er mochte sie wirklich. Doch gleichzeitig hasste er sie dafür, dass sie ihm seinen Bruder weggenommen hatte. Das sich sein Bruder in sie verliebte hatte, das Hikaru das gleiche für Haruhi fühlte, wie er es für Hikaru tat. Oft hatte er daran gedacht Hikaru alles zu gestehen, doch die Konsequenzen schreckten ihn ab. Hikaru könnte ihn hassen, ihn gar verstoßen, Angst davor haben mit ihm zusammen zu sein. Das wollte Kaoru nicht. Lieber erhielt er den aktuellen Stand aufrecht, lieber blieb er für immer in dieser Spirale undefinierbarer Gefühle gefangen als auch noch den letzten Rest seines Bruders zu verlieren. Er drehte sich auf die andere Seite. Die bunt karierte Decke raschelte. Vorsichtig stellte er die Füße auf den Boden. Kaltes Holz auf nackter Haut. Er wischte mit sich mit der Hand die Tränen aus dem Gesicht. Ohne Hausschuh und nur mit Shorts und T-Shirt bekleidet schlich er sich aus seinem Zimmer. Seine Kehle war trocken und sein Kopf schmerzte. Vielleicht war er so ausgetrocknet weil er geweint hatte? Kaoru war sich nicht sicher warum, doch eigentlich spielte es auch keine Rolle. Es war nebensächlich genau wie alles andere. Leise öffnete er die Tür zu der kleinen Küche. Er und Hikaru teilten sich den kleinsten Flügel im Haus und sie hatten vor einiger Zeit eine kleine Küche einbauen lassen, damit Haruhi ihnen ein paar Rezepte zeigte. Es war wie eine kleine Wohnung, bloß deutlich größer und luxuriöser. Die Kühlschranktür wurde geöffnet, eine Packung Milch entwendet und auf der Arbeitsplatte der Kochinsel platziert. Kaoru öffnete eine weitere Schranktür und entnahm eines der drei Gläser. Früher wären es nur zwei gewesen. Sie hätten kein Drittes gebraucht, zwei hatten bisher immer ausgereicht. Doch nun war nun mal alles anders. Seufzend schloss er die Schranktür und drehte sich wieder zur Arbeitsplatte. An der ihm gegenüber liegenden Wand waren Fotos von Clubevents und Feiern aufgehängt. Das eindringende Mondlicht ließ die Umrisse verschiedener Personen darauf vermuten. Kaorus Augen waren bereits an die Dunkelheit gewähnt und so viel es ihm nicht schwer zu erkennen das ein neues Bild hinzugekommen war. Er sah genauer hin; das Bild zeigte einen grinsenden Hikaru der seine Arme um eine sichtlich verwirrte Haruhi schlang. Fass sie nicht an! Warum sie ? Warum nicht ich ? Plötzlich keimte Wut in Kaorus Brust auf. Jetzt war sie schon hier, in ihrem Haus, seinem Reich ! Er umklammerte das Glas fester und fester bis seine Fingerknöchel weiß hervortraten. Ein lautes Klirren war zu hören, Glassplitter schnitten in das weiche Fleisch seiner Hand und ließen mit Glas und Milch zusammen Bluttropfen zu Boden regnen. Wie betäubte, als liefe alles ihn Zeitlupe ab drehte Kaoru sich langsam um und betrachtete das zerbrochene Glas vor seinen Füßen. Milch und Blut überschwemmten den Boden. Seine Augen weiteten sich. Sein Blut, Hikarus Blut. Er bedeckte sein Gesicht mit der gesunden Hand und hockte sich vorsichtig hin. Wessen Blut war das? Wer war er überhaupt? Wo war Hikaru? War das Hikarus....? War sein Bruder etwa? Verzweiflung flutete seine Sinne und nahm ihm die Sicht. Er war vollständig verwirrte. Warum war er hier? Wo war diese blanke Wut hergekommen? „Kaoru..?“ als wäre sie meilenweit entfernt vernahm er Hikaru Stimme vor der Küchentür. „Hey Kaoru, ist alles in Ordnung? Es klang als wäre etwas zerbrochen! Ist alles Okay?! Hallo! Kaoru?!“ Unsicherheit lag in der Stimme. Erst nach einigen Momenten der Stille wurde schließlich die Tür aufgezogen und von einem Augenblick auf den anderen war es taghell im Raum. „Mach doch wenigstens das Licht-....!“ Hikaru brach mitten im Satz ab und starrte seinen Bruder völlig entsetzt an. Dieser hockte auf dem Boden, offenbar völlig neben sich, vor ihm eine Pfütze aus Blut, Milch und Glassplittern. „Kaoru!!!“ ein Aufschrei. Hikaru packte seinen Zwillingsbruder mit beiden Händen und schüttelte ihn. Kaorus Blick war leer, wie versteinert, als würde die Welt um ihn herum nicht mehr existieren. Seine Haut war blass, er zitterte am ganzen Körper und rote Blut quoll noch immer aus seiner Hand. „Kaoru! Komm endlich zu dir!!!!“ Hikaru klang panisch. Der Schmerzt kam ganz plötzlich. Wie eine Welle brach er über Kaoru herein, spülte seine Verzweiflung fort und ließ ihn allmählich aus seinen Gedanken zurück in die Realität kommen. Sein Blick klarte sich auf und er sah sich zaghaft um. Erst jetzt bemerkte er Hikarus warme Hände auf seinen Schultern und seinen besorgten Blick der noch immer auf seinem Gesicht lag. „Hikaru....“ etwas irritiert sah er ihn an. Auf dem Gesicht des anderen machte sich Erleichterung breit. Sein Blick wurde weich, seine Stimme erlangte einen zärtlichen Unterton. „Was machst du denn wieder? Ich mache mir Sorgen, lass mich das mal sehen!“ Vorsichtig ergriff er Kaorus Hand und beäugte sie kritisch. Anschließend stand er auf und half auch seinem Ebenbild auf die Beine. Er zog Kaoru zum Waschbecken und ließ kühles Wasser über die Hand laufen. Die Blässe wich aus Kaorus Haut und machte einem fast schon unnatürlichem Rot platz. Es lief durch seine Adern und ließ eine fast unerträgliche Hitze in ihm ausbrechen. Kaoru konnte kaum glauben das all diese körperlichen Regungen in einer einzigen Berührung ihren Ursprung fanden. Er starrte zu Boden, hatte Angst Hikaru in die Augen zu sehen. Sein Sorge vorhin war echt gewesen und es brach Kaoru das Herz zu wissen das er in Hikaru solche Gefühle ausgelöst hatte. „Kaoru?“ ,diese sanfte Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. „Was war eigentlich los? Wie ist das passiert?“ Hikaru hatte den kleinen Erste-Hilfe-Kasten vom Regal genommen und suchte bereits eifrig nach einem Verband und etwas Desinfektionsmittel. Kaoru nahm auf dem Barhocker vor der Kochinsel platz und betrachtete verlegen seine noch immer blutende Hand. „I-Ich weiß nicht...ich wollte ´was trinken und dann....“ seine Stimme war heiser und rau. Er fasste sich an den Kopf. Was hatte eigentlich genau gewollt? In seinem Kopf herrschte absolutes Durcheinander. Die Gedanken der letzten Stunden schossen immer wieder an ihm vorbei, wie ein in der Endlosschleife hängendes Video. Immer und immer wieder, unerbittlich nagte es an seinen Nerven und vernebelte ihm den Geist, nahm ihm jede Möglichkeit einen klaren Gedanken zu fassen. Desinfektionsmittel wurde über die zahlreichen, kleinen Schnitte auf seiner Hand verteilt. Mit schmerzverzerrtem Gesicht entriss Kaoru seinem Bruder die verletzte Hand. Dieser hatte bisher nichts auf seine Antwort erwidert. Vorsichtig ergriff Hikaru erneut die Hand seines Zwillings und begann behutsam einen Verband herumzuwickeln. Sanfte Augen ruhten auf der verletzen Hand als wäre nur ein Blick nötig um die Wunden zu heilen. „Hattest du einen Albtraum?“ seine Worte durchschnitten die Stille Mit festem Blick sah er Kaoru an. Es war als bohrte sich der Blick seines Bruders in ihn hinein, als versuchte er insgeheim in Kaoru zu lesen, den Grund für diese Situation und seine offenbar schlechte Verfassung zu finden. Kaoru erwiderte den Blick zunächst, begann dann allerdings erneut die nun fertig verarztete Hand zu betrachten. Langsam und kaum sichtbar schüttelte er den Kopf. Plötzlich lag Hikarus Hand ruhig auf seiner Stirn. „Du hast doch nicht etwa Fieber?!“ „....“ „Sieht nicht so aus.“ Nein er war nicht krank. Zumindest nicht physisch. Kaorus Problem war ganz klar psychisch doch es schien langsam auf seinen Körper überzugehen, was ihn selbst zutiefst beunruhigte. Vorsichtig stand Kaoru auf. Seine Knie waren noch immer weich und er vertraute seinem Körper momentan ohnehin nicht wirklich, aber er musste weg. Weg von Hikaru, raus aus diesem Raum in die rettende Einsamkeit seines Zimmers. Doch bevor er die sich in den dunklen Flur zurückziehen konnte packte ihn eine starke Hand am Arm. Der Griff war fest und bestimmend und doch so vorsichtig und sanft. „Geht´s dir wirklich gut? Du bist total blass!“ Hikaru klang leicht verärgert. „Ich bin okay!“ er stieß die Hand fort. „Warum redest du nicht mehr mit mir ?“ Die Frage saß. Wie ein rasendes Feuer fraß sie sich durch Kaorus Körper, hallte in seinen Gedanken wieder, ließ Schmerz, Reue und Einsamkeit in die letzten Ecken dringen. War er so durchschaubar? Merkte man ihm so leicht an was er dachte? Was er fühlte? Kaoru hatte das Gefühl den Boden unter den Füßen endgültig zu verlieren. All die Zeit hatte er sich an diesen einen Hoffnungsschimmer gehalten, hatte sich daran geklammert das wenigstens Hikaru glücklich war. Doch um sich daran zu klammern war es nötig gewesen Abstand zu nehmen und dieser Abstand hatte Hikarus Glück allmählich immer weiter zerstört. Das was er immer gefürchtet hatte war eingetreten; Distanz. Zwischen ihnen lag eine noch nie da gewesene Distanz. Hikaru machte einen Schritt in die Richtung seines Zwillings. Die ungeordneten, schwarz gefärbten Haare fielen vor sein Gesicht, verdeckten einen Teil seiner zornigen Augen. Kaoru drehte ihm den Rücken zu. Er wollte es nicht sehen, konnte es nicht sehen. Hikarus Gesicht. Er würde weinen wenn er es in dieser Nacht auch nur noch eine Sekunde lang sah. Hinter sich hörte er Schritte, das leise Rascheln von Kleidung, angestrengtes Atmen. Er kniff die Augen zu. Er wollte Hikaru nicht gegenüber stehen, er konnte ja nicht mal klar denken. Kaoru musste sich sammeln. Eine Konfrontation schien nun einfach unausweichlich und er konnte nichts tun. Doch die erwarteten Worte, die Kälte, Abweisung, die Konfrontation blieb aus. Es schlangen sich lediglich zwei warme, zarte Arme um seinen Hals und der feucht-warme Atem seines Zwillings strich sanft über die Haut an seinem Hals. „Ist schon okay Kaoru...du musst nichts sagen wenn du nicht willst.“ Hikarus Stimme war ruhig und gelassen, dennoch klang sie ernst. Kaorus Augen weiteten sich. „Hikaru.....tut mir leid...“ „Bitte vergiss nicht, dass ich immer für dich da bin!“ Hikarus Stimme klang traurig. Doch Kaoru genoss es. Er genoss die Aufmerksamkeit, die Nähe einfach alles. Für ein paar Minuten fiel alle Traurigkeit, alle Verzweiflung von ihm ab und hinterließ eine angenehm klare Leere in seinem Kopf. Plötzlich überkam ihn die Müdigkeit. Wie lange hatte er nicht mehr richtig durch geschlafen? Bestimmt schon eine Woche. Er schloss die Augen. Nur für ein paar Minuten wollte er noch so bleiben. Die Stille mit ihrer vertrauten Nähe durchtränkt genießen. Es war fast wie früher, doch Kaoru wusste das es nie mehr das gleiche sein würde. Er würde es nicht mehr lange vor Hikaru geheimhalten können. Das wusste er. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)