Flames and Heat von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 1: Team Free Will ------------------------- “Na, Kleine? Willst du uns nicht endlich verraten, wer dich geschickt hat?”, harkte der bärtige Mann mit dem fiesen Mundgeruch noch einmal. Alice saß vor ihm auf einem Stuhl. Die Hand- und Fußgelenke so gefesselt, dass die Seile bereits ins Fleisch schnitten. Sie schüttelte müde den Kopf. “Ihr blöden Wichser könnt mich mal! Ich werde euch gar nichts sagen.”, verspottete sie die Meute rüpelhafter Gestalten. Sie befand sich im Hauptquartier von Team Aqua, neben Team Rocket und Team Magma, eine weitere Verbrecherorganisation. Sie war dort undercover eingesetzt worden, doch durch einen dummen Fehler hatte man sie entlarvt und gefangen genommen. Nun saß sie mächtig in der Patsche. Ihr Pokémon, dass sich mittlerweile zu einem Vulnona entwickelt hatte, war ebenfalls durch Elektroschocker außer Gefecht gesetzt worden und konnte ihr in diesem Moment nicht behilflich sein. “Trotz deiner misslichen Lage immer noch so widerspenstig? Ich muss schon sagen, du hast Mumm, Süße.”, lachte der stinkende Mann. “Ja, und du hast teuflischen Mundgeruch!”, murrte sie und riss erneut an ihren fesseln, was ihr nur Tränen des Schmerzes in die Augen trieb. Wieder lachten die Männer nur. Wenn sie nicht bald eine Idee haben würde, würde man sie wahrscheinlich über Bord des großen Schiffes schmeißen, auf dem sie sich befand. Blöd nur, dass ihr Funkgerät auf dem Tisch, etwa fünf Meter entfernt, lag. Sie hätte jemanden aus ihrer Abteilung informieren können, der dann Hilfe schicken würde. Sie hörte ihr Vulnona, das geschwächt auf den Boden lag, leise Knurren. Alice sah ihm in die Augen und die Beiden kommunizierten über Telepathie, deren Macht diese Fuchspokémon sich bedienten. Vulnona nahm die Gedanken seiner Trainerin auf und nickte dann kurz mit dem edlen Kopf, um mit letzter Kraft den neunschwänzigen Schweif zu heben und den Notfallknopf des Funkgerätes zu aktivieren. Nun wurde in der Zentrale der Pokémonranger ein Alarm ausgelöst, der sich sehen lassen konnte. Überall leuchteten rote Signallampen und eine ohrenbetäubende Sirene ertönte. Alle befanden sich in hellen Aufruhr. Kelly Lengsfield, die mittlerweile Leiterin der Pokémonranger war, blickte aufgeregt auf ihren Monitor. Jack Walker, ein Mitarbeiter, sah ihr über die Schulter und wäre beinahe in Ohnmacht gefallen. “Das ist das Funkgerät von Alice! Ich mach mich sofort auf den Weg, Kelly!”, stieß er hervor und wollte schon losspurten, wurde jedoch von der älteren Frau zurückgehalten. “Jetzt mal langsam, Jackie! Ich hatte eigentlich vorgehabt Ryan und Sharon zu schicken.”, zügelte sie ihn. Der junge Mann war fassungslos. “Aber, Chef! Ryan und Sharon kennen sich in dem Territorium nicht wirklich aus und immerhin haben wir es mit Team Aqua zu tun. Das ist ja wohl ganz klar mein Gebiet!”, versuchte er sie zu überreden. Sie seufzte. “Na, schön. Dann ab mit dir. Aber pass bitte auf dich auf, Jackie. Und meldet euch, wenn ihr es überstanden habt.”, gab sie ihm noch mit auf dem Weg, doch er stürzte bereits durch die Türe Richtung Ausgang. Kelly stellte den Alarm ab und seufzte erneut. Dieser verrückte Kerl. Warum war er nur so stur, wenn es um Alice Heat ging? Die Beiden hatten sich doch schon seit sie sich kannten in der Wolle. Und doch, sobald sie sich in Gefahr befand, war er zur Stelle. Konnte es vielleicht sein, dass er sich in sie verliebt hatte? Kelly schüttelte schnell den Kopf. Unsinn. Nicht diese Beiden! Jack hatte sich währenddessen eines der Rangermobile geschnappt und raste in einem Affenzahn über die bergige Straße. Das er sich nicht überschlug oder den Hang hinunterrutschte, war ein Wunder. Doch alles woran er in diesem Moment dachte, war Alice. Hoffentlich hatte ihr niemand ein Haar gekrümmt. Innerhalb von fünfzehn Minuten hatte er die Küste erreicht und konnte von seinem Standpunkt aus das Schiff von Team Aqua in weiter Ferne mit dem Fernglas erkennen. Nur wie sollte er dort hinkommen? Plaudagei, dass auf seiner Schulter saß, war dabei keine große Hilfe, denn er konnte ihn unmöglich tragen. Doch wie es das Glück so will, kam genau in dem Moment, als ihm dieser Gedanke durch den Kopf schoss, ein riesengroßes Arktos vorbeigeflogen. Schnell handelte Jack und benutzte sein FangKom, ein Gerät um Pokémon über eine bestimmte Zeit zu kontrollieren. Er befahl dem Arktos zu landen, damit er sich auf dessen Rücken schwingen und den Schiff nachfliegen konnte. Zum Glück war Arktos ein ziemlich schneller Flieger und schon setzte es auf dem Deck des Schiffes auf. Jack sah sich um. Das war sonderbar, nirgendwo sah man Wachen. Als wäre das Schiff tot. Er stieg vom Rücken des Pokémon und streichelte über dessen Hals. “Tu mir bitte einen Gefallen und warte hier auf mich. Okay?”, bat er es. Der blaue Vogel nickte schnell mit dem Kopf und schlug einmal mit den Schwingen. Das war Jacks Zeichen. Er drehte sich um und spurtete los, um Alice zu suchen. Das Signal ihres Funkgerätes kam von ganz unten. Aus dem Frachtraum. Auch auf den Gängen war niemand der Bösewichte zu entdecken und Jack kam die ganze Sache immer suspekter vor. Als er schließlich die etwa dreißig Zentimeter dicke Stahltüre aufstieß, wäre er beinahe zurückgetaumelt. Was war denn hier passiert? Die Besatzung des Schiffes lag auf einen Haufen zusammengekrümmt und rührte sich kein bisschen. Einige Meter weiter entdeckte Jack Alice Vulnona, dass erschöpft versuchte aufzustehen, dann aber wieder zusammenbrach. “Vulnona!”, ertönte Alice Stimme und er richtete seinen Blick in die Richtung aus der diese kam. Die junge Frau war immer noch auf dem Stuhl gefesselt und versuchte mit diesem zu ihrem Pokémon zu hüpfen. Den anderen Ranger hatte sie noch gar nicht bemerkt. Der rannte sofort auf sie zu und löste vorsichtig ihre Fesseln. “Geht es dir gut, Ali?”, fragte er sie und sah dabei in ihre schönen blauen Augen. Alice löste sich jedoch von seinen Blicken und lief zu dem verletzten Vulnona. “Oh, nein, du armes Ding! Ich bringe dich sofort zu einem Arzt. Keine Sorge… Komm erst mal zurück.”, sprach sie mit ihm und beförderte es zurück in seinen Pokéball. “Was ist denn passiert?”, wollte Jack wissen, der sich mittlerweile so nah hinter sie gestellt hatte, dass sie seine Körperwärme spüren konnte. Sie ging einen Schritt zur Seite, um dieser, für sie, unangenehmen Situation aus dem Weg zu gehen. Und erklärte ihm das Ganze dann, ohne ihn auch nur einen Moment anzusehen. “Ja, und so haben sie entdeckt, dass ich sie reingelegt habe. Sie haben mich gefesselt und verhört. Doch Vulnona konnte mit seiner letzten Kraft eingreifen und alle auf einmal außer Gefecht setzen, bevor du auch nur einen Fuß in diesen Frachtraum gesetzt hast.”, murrte sie darüber, dass er so spät erst eingetroffen war. Jack war beleidigt. “Sei lieber froh, dass ich dich gerettet habe.”, prahlte er mit seinem Mut, sich ganz allein auf den Weg gemacht zu haben. Alice hob hochnäsig den Kopf. “Pah! Kelly hätte besser Ryan schicken können. Der wäre mit seinem Dragoran in wenigen Minuten da gewesen.”, konterte sie. Das schlug Jack erneut nieder. Warum immer dieser Ryan? Alice traf auch jedes Mal seinen wunden Punkt. Er hasste diesen arroganten Lackaffen von einem Ranger. Nur weil Ryan O’Connell bereits ein Ranger Rang zehn war, dachte er, er wäre was besseres, was er jeden, insbesondere Jack, spüren ließ. Und Alice schien auch noch so viel von dem Typen zu halten! Diese schmunzelte in sich hinein, als sie bemerkte, wie sehr ihre Aussage ihren Kollegen beschäftigte. Sie wusste, dass Jack auf sie abfuhr und das schon seit etwas mehr als zehn Jahren. Sie konnte diese Tatsache auch nur schwer übersehen, da er sie nahezu jeden Tag danach fragte, ob sie mit ihm ausging und versuchte mit ihr zu flirten. Aber sie wollte einen Mann, der sich nicht unterordnete, sondern sich gegenüber der Frauenwelt mysteriös und unnahbar gab. Und das war Jack leider nicht, obwohl er schon ein ziemlich attraktiver Kerl war mit seinen blonden Wuschelhaar und den hübschen grünen Augen. Doch sie schüttelte sich diese Gedanken aus dem Kopf und schnappte sich die Dokumente, die sie laut Auftrag besorgen sollte. Dann ging sie, ohne auf Jack zu warten in Richtung Treppe, um aufs Deck zu gelangen. Als er ihr Verschwinden bemerkte und ihr nachlief, war sie bereits dabei sich mit Arktos anzufreunden. Er lächelte. Das war ihr ähnlich. Er kannte Alice schon seit er fünfzehn war und sie vierzehn. Nun waren beide erwachsen und doch hatte sie sich nicht sehr verändert. Sie war einfach nur hinreißend. “Hey, Jack Hunter, wartest du darauf, dass dir eine neue Schatzkarte ins Gesicht weht oder was? Ich bekomm langsam Hunger!”, murrte sie. Jack rüttelte sich aus seinen Gedanken und grinste. “Den Schatz hab ich doch schon gefunden, mein Goldsternchen.”, neckte er sie, da sie immer wieder Anspielungen auf den Schatzsucher aus dem TV machte. Alice verdrehte nur die Augen und stieg auf Arktos Rücken. Blödmann! Jack setzte sich natürlich absichtlich hinter sie, um ihr während des Flugs etwas näher zu kommen. “Du musst etwas mehr auf dich aufpassen, Ali. Ich kann schließlich nicht immer da sein, wenn du in Schwierigkeiten bist.”, meinte er, als sie die Hälfte der Strecke hinter sich gebracht hatten. Sie blickte ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. “Wer sagt denn, dass ich deine Hilfe brauche?”, erwiderte sie im abfälligen Ton. Empört verzog er die Mundwinkel. “Hör mal! Wenn ich nicht gekommen wäre, wärst du jetzt immer noch gefesselt!”, gab er von sich und verschränkte die Arme vor der Brust. Alice konnte sich ein Lachen nicht verkneifen. “Ich wäre auch ohne deine Hilfe entkommen.”, log sie, nachdem sie sich von ihrem Lachanfall erholt hatte. Endlich landeten sie an der Küste der Kantoregion. Beide sprangen geschickt von Arktos ab, sodass dieses sich sofort wieder in die Lüfte erheben konnte und hinter den großen Bäumen verschwand. Alice setzte sich hinters Steuer des Geländewagens. “Hach, hab ich es vermisst, diesen Wagen zufahren.”, seufzte sie und beugte sich zu Jack rüber, um in seinen Taschen nach dem Autoschlüssel zu suchen. Dabei tastete sie ihn an Stellen ab, die eigentlich immer unter der Kleidung lagen. Ein Kribbeln schoss von seinen Fußspitzen bis in die Haarwurzeln und er erschauderte. Er nahm ihre Hand in seine und führte sie an seine Lieblingsstelle, woraufhin sie ihre Hand wegzog und ihn ohrfeigte. “Sag mal, hast du sie eigentlich noch alle?! Du spinnst ja wohl!”, zeterte sie drauflos. Er blickte sie mit unschuldigen Hundeblick an. “Ich… Ich dachte, du willst das so! Ich meine, warum… warum solltest du mich sonst so angraben?!”, verteidigte er sich. Sie, einem Wutausbruch nahe, schnaubte, um sich zu beruhigen. “Ich dich angraben? Du denkst wohl auch, dass ich so was nötig hätte, oder? Du widerwärtiger…”, wollte sie gerade loslegen, als sie bemerkte, wie bedrückt er war. Warum fuhr sie auch jedes Mal so aus der Haut, wenn sie mit Jack Walker unterwegs war? “Ach, gib mir einfach den Schlüssel, Jackie.”, murmelte sie dann. Ihr sanfter Tonfall brachte ihn wieder zum Lächeln. Immer wenn sie ihn Jackie nannte, hieß das, dass sie nicht mehr sauer auf ihm war. Er reichte ihr den Autoschlüssel und schnallte sich schnelltens an, denn sobald der Motor lief, drückte Alice, in gewohnter Art und Weise, mit ihrem Bleifuß aufs Gaspedal. So kam es, dass sie die Zentrale noch vor Einbruch der Dunkelheit erreichten. “Hey, Alice. Ich hab gehört, dass du von Team Aqua geschnappt wurdest. Stimmt es, dass Jack Walker dich gerettet hat?”, wurde Alice eine Stunde später von ihrer besten Freundin Sharon Wesley gefragt. “Hör mal, ich bin vierundzwanzig Jahre alt. Denkst du, dass ich es nötig habe mich von einem Kind wie Jack retten zu lassen?”, beschwerte sie sich bei ihr. Sharon hob abwehrend die Hand. “Ist ja gut. Ich mein ja nur… Jack ist wirklich… Wie soll man sagen? Zum anbeißen? Süß? Sexy? Ach, einfach alles!”, schwärmte die zwei Jahre jüngere Frau. Alice verdrehte nur die Augen und wurde daraufhin von ihrer Freundin in die Seite geknufft. “Das kann doch nicht dein Ernst sein, Alice! Selbst du müsstest doch schon längst gemerkt haben, dass er wirklich alles hat, was ein Mann haben muss. Er sieht wirklich heiß aus, ist intelligent, humorvoll und als Ehemann und Vater stelle ich ihn mir wirklich hervorragend vor.”, teilte sie der Schwarzhaarigen ihre Meinung mit. Alice versuchte sich Jack als Familienvater vorzustellen. Wer würde da wohl mit wem spielen? Er mit den Kindern oder die Kinder mit ihm? “Und er ist wirklich ganz verrückt nach dir, meine Liebe. Erst gestern habe ich mitbekommen wie er mit einem seiner Kollegen über dich geredet hat. Der kann gar nicht genug von dir bekommen, glaub mir.”, fügte Sharon in wohlwissenden Ton hinzu. Alice seufzte und fuhr sich durchs lockige Haar. Sie wusste das doch schon alles und doch hatte sie keine Lust sich auf jemanden einzulassen, der sich so leicht um den Finger wickeln ließ. “Ich steh aber eher auf Männer wie Ryan, Sharon. Da hat Jack leider keine Chance.”, speiste sie die andere Frau ab, um die Diskussion endlich zu beenden. Sharon kniff ihre braunen Augen zusammen. “Ich wäre froh, wenn Jack sich für mich interessieren würde und du willst dich lieber auf einen Weiberheld wie Ryan einlassen? Ich versteh dich manchmal wirklich nicht, Liebes.”, kommentierte sie diese Aussage. Wie es der Zufall so wollte, kam genau in dem Moment, in dem über ihn geredet wurde, der besagte Weiberheld um die Ecke und erblickte die beiden Frauen. Mit großen machohaften Schritten kam er auf sie zu. “Hallo, Alice… Sag mal, dürfte ich dich was fragen?”, flüsterte er beinahe, um sich gleichzeitig zu ihr vorzubeugen. Sie versuchte so locker wie möglich zu bleiben, obwohl ihr das nicht ganz leicht fiel bei diesen coolen, verführerischen Blick seinerseits. “Ehm… Ja, was denn?”, erwiderte sie etwas nervös. Er lächelte glorreich, denn er merkte bereits, dass sie seine Bitte, die er nun äußern würde, nicht ausschlagen würde. “Hättest du Lust heute Abend mit mir auszugehen? Ganz unverbindlich. Einfach nur ein bisschen was trinken, sich unterhalten.”, schlug er vor. Alice hatte beinahe zugesagt, da erblickte sie vom Weiten Jack, der die Szenerie beobachtete. Sie schüttelte sich innerlich. Auf einmal kamen ihr Zweifel auf. Nur warum? Gerade noch hatte sie ihrer besten Freundin von Ryan vorgeschwärmt und nun wusste sie nicht, ob sie Ja oder Nein zu ihm sagen sollte. Sie überlegte. Es konnte doch nicht an Jack liegen, dass sie in ihrer Entscheidung so schwankte, oder doch? Nein, das durfte einfach nicht sein. Wenn es so war, müsste sie sich erschießen, denn sie hatte sich immer für ziemlich abgebrüht und rational gehalten. Es durfte einfach nicht sein, dass sie sich auf einmal so sehr von ihren Gefühlen oder Hirngespinsten, wie auch immer man es nennen wollte, leiten ließ. Sie seufzte und sah dem attraktiven Rangerkollegen in die rehbraunen Augen. Dann schüttelte sie den Kopf und erhob sich. “Nein, vielen Dank, Ryan. Ich bin noch ziemlich müde von dem etwas missglückten Auftrag. Vielleicht ein anderes Mal.”, ließ sie ihn abblitzen, was ihn und auch Sharon ziemlich schockierte. Alice machte sich einfach auf den Weg in ihr Appartement und versuchte ihre Gedanken zu sortieren, die sich nur noch um Jack Walker zu drehen schienen. Am nächsten Morgen hatte sie alle Mühe sich aus dem Bett zu quälen und wie sie dies letztendlich geschafft hatte, blieb selbst ihr ein Rätsel. Frisch geduscht, eingekleidet und mit einem starken Kaffee bewaffnet, machte sie sich auf den Weg zu Kelly Lengsfield. “Guten Morgen, Alice.”, wurde sie von dieser begrüßt. Alice nickte nur erwidernd mit dem Kopf. Trotz, dass sie sehr früh schlafen gegangen war, hatte sie keinen wirklich guten Schlaf gehabt. Und genau deswegen war ihre Laune auch dementsprechend nicht die Beste. Gerade wollte sie nach ihrer nächsten Tätigkeit fragen, da ertönte ein ohrenbetäubender Lärm, der vom Korridor zu kommen schien. Keine Minute später stolperte Jack ins Büro der Leiterin. “Guten Morgen, Ali!”, krakelte er und wäre ihr beinahe um den Hals gefallen, wenn sie nicht im letzten Moment ausgewichen wäre. Warum hatte der denn schon wieder so gute Laune? Für Alice, die übermüdet und gestresst war, nur ein weiterer Grund ein knatschiges Verhalten an den Tag zulegen. “Musst du schon morgens so einen Krach machen, du Trampel? Andere Leute wollen vielleicht in Ruhe wach werden!”, beschwerte sie sich. “Und vor Allem… Hab nicht so eine gute Laune. Das ist ja unerträglich!”, fügte sie noch murrend hinzu. Er sah sie ziemlich verwirrt an. Welche Laus war ihr denn auf einmal über die Leber gelaufen? So mies gelaunt hatte er sie ja beinahe noch nie erlebt. “Ich kann doch nichts dafür, wenn die Putzfrauen alles draußen im Weg stehen lassen…”, versuchte er sich kleinlaut zu entschuldigen und setzte einen seiner Hundeblicke auf. Seine Kollegin seufzte nur und raufte sich das zedernfarbene Haar. Wenn er sie so ansah, konnte sie ihm ja eigentlich nicht wirklich sauer sein, obwohl das nun auch wieder nichts an ihren Gemütszustand änderte, an dem er ja nicht ganz unbeteiligt war. Kelly schüttelte nur den Kopf über die Beiden. “Wenn ich das jetzt so sehe, weiß ich nicht, ob ich dich so losschicken kann, Alice.”, richtete sie sich an die junge Rangerin. Die wurde hellhörig und nahm noch einen großen Schluck von ihrem Kaffee. “Was hättest du denn für mich, Chef?”, wollte sie neugierig wissen. Kelly händigte ihr einige Unterlagen aus. “Eine einfache Aufgabe. Es geht darum, dass wir ein Update der Pokémonpopulation im Nordwald brauchen. Ich wollte dich bitten dies zu tun… zusammen mit Jack.”, erklärte sie und machte sich schon mal auf das Schlimmste gefasst, welches auch eintraf. “Was?! Ich soll mit diesem Trottel zusammenarbeiten?! Und dann auch noch zu Fuß bis zum Nordwald?!”, keifte Alice drauf los, nachdem sie den Bericht überflogen und, zu ihrem Unglück, die Partnereinteilung, nicht überhört hatte. Jack war natürlich über diese Beleidigung empört und legte sofort Einspruch ein. “Aber, Ali! Was ist denn so schlimm daran mit mir zusammenzuarbeiten?”, stellte er ihr mit beleidigten Gesichtsausdruck die Frage. Dachte sie, er wäre total unfähig? Alice zog allwissend die Augenbrauen hoch. “Bei jeden Auftrag, den ich mit dir bewältigen musste, wurden wir beinahe umgebracht oder haben uns verirrt oder sonstiges. Warum sollte ich da noch Lust haben mit dir loszuziehen?”, konterte sie. Ein anderthalb Stunden langer Streit entfachte, der nur durch ein Machtwort der Leiterin gebremst werden konnte. Im Endeffekt musste Alice sich geschlagen geben und sich mit der Tatsache einfach irgendwie abfinden. Gegen Nachmittag machten sich die beiden Ranger dann auf den Weg. Sie würden wohl zwei bis drei Tage unterwegs sein, wenn sie zügig vorankämen. Etwa eine Stunde lang schwiegen sich die Reisepartner gegenseitig an. Alice beschäftigte sich, wenn überhaupt, mit ihren Vulnona, dass vergnügt umhertollte. Endlich gab sich Jack einen Ruck und machte den Anfang. “Hey, tut mir wirklich leid, Ali. Ich weiß doch selbst, dass ich manchmal ein ganz schöner Tollpatsch bin.”, murmelte er. Zumindest, wenn er in ihrer Nähe war. Sie sah ihn liebevoll lächelnd an. Nur manchmal? Eigentlich war er das schon seit sie ihn kannte. Aber irgendwie machte genau das ihn so unglaublich sympathisch. Auf eigenartiger Art und Weise. “Schon okay. Ich bin ja auch ziemlich aus der Haut gefahren.”, gab sie zu und die Beiden lächelten sich gegenseitig zu. Dann fiel Jack noch etwas ein, das er sie unbedingt hatte fragen wollen. “Sag mal, was wollte dieser aufgeblasene Ryan eigentlich von dir?”, fragte er mit bedacht, da er nicht wirklich wusste, wie sie darauf reagieren würde. Sie sah zu Boden. “Er wollte ein Date.”, beantwortete sie kurz und knapp. Er sah sie überrascht an. “Und was hast du geantwortet?”, harkte er nach. Alice kickte einen Stein weg, der vor ihren Füßen war. Sollte sie ihm die Wahrheit sagen? “Ich hab ihm abgesagt, weil ich zu müde war und ich wollte dir nicht noch mehr auf den Schlips treten… Obwohl du es ja verdient hättest.”, versuchte sie so gehässig wie möglich zu klingen. Doch für Jack blieb dieser nachdenkliche, etwas betrübte Unterton nicht verborgen. “Ach, gib es doch zu, Mäuschen. Du hast abgesagt, weil du lieber mit mir ausgehen willst. Hab ich nicht recht? Wenn du willst, dann können wir gerne sofort irgendwo hingehen, wo wir ungestört sind und dann kann ich dir mal zeigen, was ich, im Gegensatz zu Ryan, der nur geistigen Müll von sich gibt, mit meinen Lippen so alles kann…”, plapperte er drauf los und hätte es beinahe verpasst Alice Faust auszuweichen, die sich blitzschnell seinen Gesicht näherte. “Du spinnst ja wohl! Als ob ich wegen dir abgesagt hätte!”, knurrte sie. “Hey, ich kann dich verstehen. Ich würde selbst über mich herfallen, wenn ich könnte.”, prahlte er und bemerkte nicht, das sich ein, quer über den Gehweg liegender, Baumstumpf näherte. Eher er noch etwas sagen konnte, lag er flach auf den Boden. Alice blickte im ersten Moment verwundert zu ihm hinunter und musste dann herzhaft lachen. Er sah einfach zu komisch aus, wie er dort auf den Rücken lag. Wie eine Schildkröte. Auch er musste ein wenig lachen. “Na, wenigstens kann ich dich belustigen. Das ist doch schon mal ein guter Anfang.”, überlegte er laut und wurde von ihr sofort wieder zurück auf die Beine geholt. Ihr Gesichtsausdruck war wieder ernst geworden. “Bild dir bloß nichts ein, Blödmann!”, entgegnete sie schnippisch. Als es langsam dunkel wurde, suchten sich die Zwei einen Schlafplatz in der Nähe eines Sees. Alice nutzte das schummrige Licht der Dämmerung, um sich hinter einen Gebüsch zu entkleiden und dann in den kühlen, aber dennoch angenehmen, Wasser des Sees ein Bad zu nehmen. Vulnona saß am Ufer und beobachtete seine Trainerin. Doch es war nicht der einzige Beobachter. Jack hatte sich ebenfalls ans Ufer geschlichen und sich auf einen Felsen gehockt. Nun sah er Alice dabei zu, wie sie bis zur Hüfte im Wasser stand und sich wusch. Den Rücken hatte sie ihm zugewandt, sodass er nicht wirklich viel erkennen konnte. Doch ein schöner Rücken konnte ja bekanntlich auch entzücken, oder? Er seufzte. Was würde er dafür geben, nun neben ihr zu stehen und seinen feuchten Körper an ihre samtige Haut zu schmiegen. Sie an sich zu drücken und leidenschaftlich zu küssen. Er wollte sie verführen, so wie es noch nie ein Mann getan hatte. Aber sie war immer so abweisend, auch wenn sie im nächsten Moment wieder freundlich und verständnisvoll war. Sie kam ihm vor, als ob sie schizophren wäre. Zwei Persönlichkeiten würden ihr Verhalten zumindest erklären. Sein Gedankengang wurde vom Geplätscher des Wassers unterbrochen und er richtete seinen Blick wieder auf ihre im letzten Sonnenlicht schimmernde Haut. Was er nicht bemerkte war, dass Vulnona sich hinter ihn geschlichen hatte um ihn einen heftigen Stoß zu verpassen. Mit lauten Geschrei landete er im seichten Wasser. Alice, vom Geräusch aufgeschreckt, floh sofort zum Gebüsch hin, um sich ein Handtuch umzulegen. Dann trat sie auf Jack zu. “Du, elender Spanner! Wie kannst du mir nur beim Baden zusehen? Hast du sonst nichts um dich aufzugeilen, oder was?”, meckerte sie mit ihm und half ihm noch nicht mal aus dem Wasser, sondern tapste mit ihren Anziehsachen in Richtung Lagerfeuer, dass er zumindest schon einmal entfacht hatte. “Ist das nicht romantisch?”, fragte er sie, eine Stunde später, als sie sich wieder beruhigt hatte. Sie sah ihn skeptisch an. War der nun total durchgeknallt? “Wir haben einen Auftrag, Jackie. Da ist keine Zeit für Romantik und schon gar nicht zwischen uns beiden.”, erwiderte sie und zeigte mit dem Finger von ihr zu ihm und wieder zurück. Jack beugte sich mutig zu ihr vor, um ihr tief und, wie selbst sie zugeben musste, verführerisch in die Augen zu sehen. Und was für tolle Augen er im Licht des offenen Feuers hatte! Sie trat sich innerlich in den Hintern. Was dachte sie denn da? Jack hingegen dachte genau dasselbe über ihre Augen und meinte dies auch wirklich ernst. “Aber, Ali… Wenn der Auftrag vorbei ist. Meinst du, dass wir dann ein bisschen Zeit für Romantik haben? Wir beide… Du und ich… Ganz allein. In meinen Schlafzimmer…”, hauchte er und kam ihr mit seinen Lippen immer näher. Sie grinste, überrumpelt von seinem Verhalten. “Na ja… Ich denke, Ich könnte es mir ja glatt überlegen.”, gab sie zurück, wobei in diesem Satz ein Hauch von Ironie mitschwang. Er weitete überrascht die Augen. “Ehrlich? Und was willst du dann mit mir machen? So ohne irgendeinen Fetzen Kleidung am Leib…”, malte er sich das Ganze bereits aus, wurde von ihrer nächsten Antwort allerdings zurück in die Realität geworfen. “Nichts, du Widerling!”, meinte sie prompt und stand auf. Er sah ihr nach. Was war denn jetzt? “Aber, du hast doch gesagt…”, wollte er das Thema wieder aufnehmen. Jedoch sah sie ihn nur ernst an. “Hast du schon mal was von Ironie gehört, Jackie? Ich geh jetzt ins Bett.”, knallte sie ihm die Worte einfach so entgegen. Jack blickte sie nur weiterhin verwirrt an, als sie sich in ihren Schlafsack kuschelte. Komisches Weib! “Ironie, Jackie! Ironie!”, ertönte Plaudagei auf seiner Schulter. Er stieß das papageienähnliche Pokémon weg. Blöder Vogel. Alice drehte sich vom Feuer weg und schmunzelte in sich hinein, um dann erleichtert auszuatmen. Das war ganz schön knapp gewesen. Für einen Augenblick hatte sie darüber nachgedacht seinen Blicken nachzugeben und ihn zu küssen. Doch sie wollte nichts überstürzen. Besonders nicht, da ihre Gefühle im Moment vollkommen Achterbahn fuhren. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)