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Weihnachten auf dem Revier

von

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„Und ich darf wirklich mitkommen? Es macht dir keine Umstände Ryo?“ Mit großen hoffnungsvollen Augen sah Carol zu dem jungen Mann auf, welcher lächelnd nickte.

„Ich hab es dir doch gesagt Carol, es ist eine Feier für Polizisten und ihre Familien, das heißt ich darf bis zu drei Leute mitbringen. Die Plätze sind zwar eigentlich für den jeweiligen Ehepartner und die eigenen Kinder gedacht, aber ich habe nachgefragt, ich darf dich mitnehmen.“ Wenn es nach Bykki geht wirst du eh früher oder später Teil der Familie werden, dachte er im Stillen.

Wortlos schlang sie die Arme um seine Mitte, bevor sie davonstob um Bykki anzutreiben, welcher sich beim Anziehen Zeit ließ.

Ryo hingegen kontrollierte sein Aussehen noch einmal im Spiegel. Zum Glück konnte er keinerlei Löcher oder Flecken in seinem Anzug entdecken. Eigentlich war das nicht weiter verwunderlich, hatte er die Kleidung doch gerade frisch aus der Reinigung geholt, aber das Leben mit seinem Adoptivsohn hatte ihn gelehrt, dass mysteriöse Flecken nach kurzer Zeit auf so ziemlich allen Kleidungsstücken auftauchten, mit denen dieser in Kontakt kam.

Immer noch konnte er nicht ganz fassen, dass sich seine Wäschemenge seit er mit dem Jungen zusammen lebte nicht einfach verdoppelt, sonder gleich verdreifacht hatte. Er hatte nie gewusst, wie viel Dreck Kinder in erstaunlich kurzer Zeit machen konnten…

Während er hören konnte, wie Carol Bykki zur Eile antrieb, öffnete er bereits die Haustür. Dee hatte zwar noch nicht geklingelt, aber Ryo erkannte ihn inzwischen schon am Geräusch seiner Schritte im Hausflur. Nicht, dass das etwas Besonderes war – er erkannte auch so ziemlich alle seine Nachbarn an ihrem Gangrhythmus.

„Schick!“, wurde er enthusiastisch begrüßt. „Seit Rose die Anzugtage herunter gesetzt hat, seh‘ ich dich viel zu selten in so was. Obwohl du ohne natürlich noch besser aussehen würdest“, fügte Dee eindeutig zweideutig grinsend hinzu.

Ausnahmsweise verdrehte der ältere der Beiden nur die Augen, enthielt sich sonst aber eines Kommentars. Dies war auch gar nicht nötig, denn im gleichen Moment schoss Bykki bereits an ihm vorbei und trat dem Anderen kräftig gegens Schienbein.

Fluchend rieb sich der schwarzhaarige Polizist den Unterschenkel, während er dem Jungen hinterher stob.

Ein gefährliches Glitzern trat in Ryos Augen, als er die wilde Jagd beobachten musste. „AUS!“ Sofort stoppten die Störenfriede und duckten sich ängstlich. Normalerweise war der Halbjapaner die Ruhe und die Geduld selbst, aber wehe man wagte es ihn zu sehr zu reizen.

„Bykki benimm dich heute, ich bin schließlich für dich verantwortlich.“ Sofort nickte der Junge. Er hatte keine Lust wieder einen kompletten Monat auf Nachtisch, Süßigkeiten, Fernsehen und Videospiele verzichten zu müssen.

„Und du Dee! Der Chef meint ich soll dafür sorgen, dass du heute nicht wie – ich zitiere – ‚ein fauler, schlafender Halbaffe der aus dem Zoo entlaufen ist‘ wirkst. Das heißt, dass dein Verhalten heute auf mich zurückfällt. Wage es also dich gehen zu lassen…“ Mehr sagte er nicht, aber es reichte um das siegessichere Grinsen, welches sich bei der Drohung gegen Bykki auf Dees Gesicht gebildet hatte, wegzuwischen und durch etwas zu ersetzen, was man nur als kaum verhüllte Angst deuten konnte.

Beide waren sie ganz still, während Carol ihren zukünftigen Schwiegervater – den sie innerlich irgendwie eher als Schwiegermutter einschätzte – strahlend ansah. „Wenn sie sich nicht benehmen können, gehen wir alleine Ryo.“ Zufrieden hakte sie sich bei ihm unter, streckte den anderen noch einmal die Zunge heraus, und zog ihren großen Freund zur Tür.

Als würden sie die Fähigkeit der Teleportation beherrschen, standen die Zurückgelassenen plötzlich neben ihrer jeweiligen Begleitung, nahmen diese am Arm und zogen sie mit sanfter Gewalt vom Anderen weg.“Du kannst mich doch nicht mit DEM alleine lassen!“, stießen sie simultan hervor. Ein eisiger Blick des Wohnungsbesitzers ließ sie sofort wieder verstummen. Wären sie Hunde gewesen, hätten sie sich nun ihren Schwanz zwischen die Beine geklemmt, während sie folgsam hinterher trotten und sich hinter Ryos Rücken böse Blicke zuwarfen.
 


 

*****
 

Triumphierend grinsend rieb sich Berkley Rose die Hände. Wenn er seine Karten heute richtig ausspielte, würde ein schlanker Halbjapaner mit sandfarbenem Haar in ein paar Stunden ihm gehören. Die Weihnachtsfeier des Polizeireviers bot genau den richtigen Rahmen. Es war zu offiziell, als dass Randy die Teilnahme ablehnen konnte, aber privat genug um dem ganzen den Stress einer Arbeitsveranstaltung zu nehmen.

Und die allgemeine Weihnachtsstimmung sorgte für eine optimale Atmosphäre wenn es darum ging Bekanntschaften zu „vertiefen“. Als das Ziel seiner Begierde ihn gefragt hatte, ob er auch die Freundin seines Sohnes mitbringen konnte, hatte er zudem sofort ja gesagt. Er konnte die meisten Gören nicht ausstehen, aber er machte sich keine Illusionen – um Ryo rumzukriegen musste er auch mit dessen Sohn klar kommen.

Zu seiner allgemeinen Freude hatte er mehr als einmal gehört, wie sich der junge Polizist über das miese Verhältnis von Dee und diesem Bykki ausgelassen hatte. Wenn er die kleine Pest also um den Finger wickelte, hatte er einen entscheidenden Vorsprung gegenüber diesem traurigen Exemplar von Polizist, welches sich Dee Laytner nannte. Das Leben war so gut zu ihm…
 


 

*****
 

Hin und her gerissen zwischen Resignation, Verzweiflung und Ärger beobachtete Ryo „seine Jungs“. Die Drohungen hatten immerhin zwölf Minuten lang vorgehalten, bevor Bykki und Dee in ihre üblichen Streitgespräche verfallen waren.

Glücklicherweise saß der Junge mit Carol hinten, während sein Partner den Beifahrersitz belegte – so konnten sie ihre Aggressionen zu mindestens nicht physisch austragen und ihre Anzüge ruinieren, noch bevor der Abend richtig begonnen hatte.

Seufzend versuchte er sie zu ignorieren, konnte den Stich in seinem Herzen aber nicht unterdrücken. Manchmal fragte er sich, was die beiden eigentlich gegeneinander hatten. Er wusste dass Dee ihm damals von der Adoption abgeraten hatte, weil er befürchtet hatte, Bykki würde es nicht schaffen aus dem Sumpf der Kriminalität heraus zu kommen – aber das war inzwischen Geschichte.

Zugegeben, der Blonde war alles andere als ein Musterknabe und einige seiner spontanen Einfälle bewegten sich in einer sehr dunklen rechtlichen Grauzone, aber er nahm keine Drogen, verletzte niemanden – außer er verteidigte sich und seine Freunde – und schwänzte – inzwischen – nicht mehr die Schule. Was war also Dees Problem?

Und wo sie gerade dabei waren – was war Bykkis? War er wirklich so homophob, dass er den jungen Polizisten um jeden Preis von seinem Adoptivvater fern halten wollte? Innerlich hoffte Ryo, dass dies nicht der Grund war.

Er mochte Dee, und seit einiger Zeit verstärkte sich sein Bedürfnis die Beziehung über die Ebene als Partner und Freunde hinaus zu heben. Der Schwarzhaarige gab ihm täglich mehrfach zu verstehen, dass er sich ebenfalls eine engere Beziehung wünschte – das Einzige was Ryo zurück hielt war, neben seiner angeborenen Schüchternheit, Bykki.

Er konnte sich ein Leben ohne den Jungen nicht mehr vorstellen, aber ebenso wenig ein Leben ohne Dee. Im Gegensatz zu dem Kind brauchte sein Partner ihn aber nicht, er könnte jemand anderen für eine Beziehung finden – Bykki hingegen hatte diese Wahl nicht. Deshalb wollte Ryo nicht mit jemandem zusammen leben, den sein Sohn hasste…

An einer roten Ampel ließ er seinen Kopf aufs Lenkrad sinken – warum musste das Leben so kompliziert sein?

„Ryo, alles in Ordnung mit dir?“, erklang die leicht besorgte Stimme seines Partners. Der Halbjapaner hob den Kopf und raffte sich zu einem Lächeln auf. Dieser Abend war zum Feiern da, und er würde ihnen den anderen nicht durch seine trübsinnige Laune verderben. „Ja, alles in Ordnung Dee.“

Während er die letzten Kilometer zu ihrem Ziel zurück legte ignorierte er die besorgten Blicke seiner – ausnahmsweise schweigenden – Mitfahrer.
 


 

*****
 

Bykki pfiff anerkennend durch die Zähne, als er das eindrucksvolle Gebäude zu Gesicht bekam. „Mensch Ryo, das ist ja echt hammermäßig hier – hätte nie gedacht, dass bei der Polizei so viele extreme Schnösel sind!“

„Bykki! Deine Ausdrucksweise! Versuch wenigstens heute Abend niemanden zu beleidigen, nur weil die Räumlichkeiten etwas eleganter sind“, ermahnte ihn Ryo sofort. „Obwohl ich zugeben muss“, fügte er lächelnd hinzu, „dass ich im Grundprinzip deiner Meinung bin – ich hätte nie gedacht, dass unser Budget groß genug für diesen Luxus ist.“

„Ich hab gehört irgendjemand hat was von seinem Privatvermögen springen lassen, damit wir hier feiern können – da wollte jemand offensichtlich seine Begleitung beeindrucken.“ ‚Besser gesagt meine‘, hängte Dee in Gedanken an. Wenn er den Gerüchten im Büro Glauben schenken konnte war Rose verantwortlich für die pompöse Ausstattung – das sehe dem arroganten Typen ähnlich, zu versuchen Ryo mit seinem Geld zu beeindrucken.

Aber daraus wurde nichts, solange Dee Laytner hier war. Nichts und niemand würde ihm seinen Ryo wegschnappen, erst recht nicht Rose!

„Hey Perversling, wenn du noch lange da rum stehst, lassen wir dich draußen!“, fuhr Bykki ihn aus einigen Metern Entfernung an. Dee schüttelte den Kopf um die Gedanken an die Folter, die er Rose gerne angedeihen lassen würde, zu vertreiben und schloss zu seiner Gruppe auf, während Ryo seinen Sohn mal wieder eine kurze Gardinenpredigt bezüglich der Wortwahl hielt.

Als sie, nachdem sie ihre Einladungen vorgezeigt hatten, eintraten, musste selbst Dee einen anerkennenden Pfiff unterdrücken. Wenn Rose wirklich für die Ausstattung verantwortlich war, dann war er reicher als gedacht.

Zu beiden Seiten des großen Raumes gab es lange Marmortresen hinter denen insgesamt zwölf Barkeeper die Gäste mit allen erdenklichen Getränken versorgten. An der der Tür gegenüberliegenden Seite war ein Büfett aufgebaut, mit dem man gut und gerne eine ganze Armee hätte füttern können. Wenn er allerdings an den Appetit seiner Kollegen und der ihm bekannten Kinder dachte… nun, dann hatte man vermutlich genau die richtige Menge gewählt.

Mehrere große Kisten, welche um einen Weihnachtsbaum im Zentrum des Saals gruppiert waren, füllten sich langsam mit Geschenken. Da viele Polizisten ihre Familien mitbrachten, hatte man beschlossen zu mindestens für die Kinder Geschenke zu besorgen. Jedem Polizisten wurde ein Kind zugeteilt das er beschenken sollte, es stand ihnen frei die Eltern bezüglich der Geschenke zu befragen oder sich selbst etwas auszudenken.

Da es deutlich mehr Polizisten als Kinder gab, bekam jedes Kind Geschenke von drei verschiedenen Polizisten. Ryo hatte Karin zugeteilt bekommen, die vierjährige Tochter von James Lessetor, aus der Verkehrsabteilung. Er hatte sich kurz mit diesem unterhalten und ihr eine Puppe gekauft, welche sie sich nach Angabe ihres Vaters wünschte. Dee hingegen hatte Bykki gezogen.

Zuerst hatte er theatralisch das Gesicht verzogen, weil er das nervige Gör beschenken musste, aber im Geheimen musste er zugeben, dass er es deutlich schlechter hätte treffen können. Tief in seinem Innern mochte er den Bengel, auch wenn er das nie laut zugeben würde. Es hatte nicht einmal lange gedauert, bis er das perfekte Geschenk gefunden hatte – das Problem war Ryo. Er hatte seinem Partner nicht gesagt, wen er gezogen hatte, aus Angst dieser würde ihn bezüglich des Geschenks aushorchen. Und das würde dem Älteren nicht gefallen.

Innerlich versuchte er sich damit zu beruhigen, dass der Halbjapaner ihm schon verzeihen würde – irgendwann. Schließlich sollte das Geschenk dem Bengel gefallen, nicht seinem Vater. Das würde er ihm doch sicher nicht all zu übel nehmen… oder?
 


 

*****
 

Ein Lächeln zog über das Gesicht des Kommissars als er sah wie Randy den Raum betrat, im Schlepptau seinen idiotischen Partner, ein junges Mädchen und seinen Sohn, Bykki.

Berkleys Blick glitt zu den Kisten mit Geschenken. Oh ja, Ryos Sohn würde ihm heute Abend hoffentlich eine große Hilfe sein. Er hatte sein Glück kaum fassen können, als er diesen als zu beschenkendes Kind zugeteilt bekommen hatte.

Einen kurzen Augenblick hatte er überlegt, ob er dem Jungen einfach ein normales Videospiel kaufen sollte, diesen Gedanken aber sofort wieder verworfen. Alle Eltern die er kannte schienen Konsolenspiele für so etwas wie ein notwendiges Übel zu halten. Etwas was die Kinder unweigerlich erfreute, was sie aber nicht in zu hohen Dosen konsumieren durften – wie Schokolade.

Stattdessen hatte er etwas Nützliches gekauft, etwas an dem Ryo erkannte, dass er sich bewusst war, dass Kinder mehr brauchten als abstumpfenden Blödsinn. Mit einem siegessicheren Lächeln im Gesicht wanderte er zu der zweiköpfigen Familie. Zeit, sich mit dem Jungen bekannt zu machen.

„Hallo Randy, wie schön dich heute Abend hier zu sehen.“ In einer fast schon automatischen Reaktion auf diese Stimme legte Ryo seinem Partner beruhigend die Hand auf den Arm. Berkley Rose hatte die zweifelhafte Gabe Dee allein durch seine Anwesenheit zur Weißglut zu treiben.

Er ließ sich jedoch bis auf diese kleine Geste nichts anmerken und drehte sich lächelnd zu seinem Vorgesetzten um. „Kommissar Rose, es freut mich ebenfalls. Vielleicht erinnert ihr euch noch an Bykki und Carol“, dabei deutete er auf die beiden Kinder, „sie waren damals in England ebenfalls dabei.“

„Sicherlich erinnere ich mich“, erwiderte dieser, obwohl dem nicht so war. Erst als Ryo es erwähnt hatte, war ihm wieder eingefallen, dass er die beiden damals tatsächlich gesehen hatte – allerdings war er zu beschäftigt damit gewesen Ryo zu analysieren um von ihnen weitere Notiz zu nehmen.

Ein abfälliges und kaum hörbares Schnauben von dem Jungen deutete darauf hin, dass diesem die Gedächtnislücke aufgefallen war – oder vielleicht gefiel ihm auch nur das pinke Kleid nicht, welches eine der Ehefrauen welche gerade die Halle betreten hatte zur Schau stellte. Wer konnte schon die Gedanken von Kindern verstehen? So tat er es ab und unterhielt sich weiter mit Ryo, in vollem Bewusstsein dass Dee, den er bisher standhaft ignoriert hatte, vor Wut kochte.
 


 

*****
 

Bykki war sich sicher in einen Albtraum geraten zu sein. Er hatte sich nichts dabei gedacht, als der etwas zu überkandidelt angezogene Blonde, den er bereits aus England kannte, auf sie zukam. Es hatte ihn ein bisschen gewundert ihn hier zu sehen, aber offensichtlich war er ins Revier von Dee und Ryo versetzt worden – und eigentlich war ihm das auch egal.

Aber je näher der Mann mit der arroganten Ausstrahlung kam, desto weniger mochte er ihn. Die Blicke, die er seinem Dad zuwarf waren noch schlimmer als die des Perverslings! Und noch weniger mochte er den kurzen Blick, den er selbst abbekam. Es kam ihm vor als würde er abgeschätzt werden, wie ein Werkzeug bei dem man sich noch unsicher war, wie nützlich es werden würde.

Und was sollte das mit der angeblichen Erinnerung? Es war ja wohl glasklar, dass der Schnösel sich weder an Bykki noch an Carol erinnern konnte – er war wahrscheinlich zu beschäftigt damit gewesen Ryo hinterher zu sabbern.

Missmutig sah er sich das Liebesdreieck an: Dee stand kurz vor der Explosion, während Rose mit der Subtilität eines Bulldozers mit Ryo flirtete – welcher der Einzige war, der davon nichts mitbekam. Fast tat Bykki Perversling Nummer eins leid, schließlich wusste er, dass Dee einiges an Anstrengung in seine Avancen gegenüber Ryo steckte – auch wenn der Junge sich eher ein pinkes Tutu anziehen würde, als dieses Wissen offen einzugestehen. Aber Dee hatte sogar das Rauchen aufgegeben, weil Ryo das störte. Und soweit Bykki gehört hatte, war es alles andere als einfach damit aufzuhören, wenn man erst einmal Kettenraucher war.

„Und, wie gefällt dir die Feier, Bykki?“, wandte sich der Schleimbolzen nun an ihn. Am liebsten hätte er ihn mit einem gezielten Hieb zu Boden gestreckt. Was fiel dem Typen ein sich dermaßen an seinen Dad ranzuschmeißen? Eben diesem zu liebe verzichtete er aber darauf, seiner Abneigung physisch Ausdruck zu verleihen.

„Ich bin noch nicht einmal fünf Minuten hier, woher soll ich jetzt schon wissen, ob sie mir gefällt?“ Etwas leiser, aber immer noch hörbar fügte er hinzu: „Idiot.“

Das Luftschnappen aus Ryos Richtung erinnerte ihn daran, dass ihn dieser gebeten hatte heute niemanden zu beleidigen. Ups. Aber Blondie hatte es verdient. Zufrieden bemerkte der Junge das Zucken seiner Kiefermuskulatur, bevor sein Vater ihm mit einem „Entschuldigt uns bitte für einen Moment“ davonzog.

„Bykki, was sollte das eben? Du hast mir versprochen dich zu benehmen.“ Seltsamerweise klang Ryos Stimme eher müde als wütend. Besorgt musterte der Junge ihn. Das war nicht gut. Er konnte prima damit umgehen, wenn der Halbjapaner wütend auf ihn war, meistens musste er nur ein bisschen Dampf in Form einer Strafpredigt ablassen und dann war alles wieder in Ordnung. Wenn er aber müde klang, dann gab es dafür zwei Möglichkeiten:

Die erste war, dass Bykki etwas getan hatte, was Ryo wirklich enttäuscht hatte. Als er Bykki beim Probieren seiner ersten Zigarette erwischt hatte, war das der Fall gewesen. Er hatte danach nie wieder Zigaretten oder andere Drogen angerührt und sich geschworen Alkohol wirklich erst mit 21 zu probieren.

Die zweite Möglichkeit war, dass Ryo seine momentane Situation über den Kopf wuchs. Das war manchmal der Fall, wenn er auf der Arbeit nicht voran kam, gleichzeitig in der Familie etwas nicht stimmte und dann zum Beispiel auch noch die Waschmaschine kaputt war. Selten, aber durchaus möglich. Und Ryo hatte in letzter Zeit ungewöhnlich gestresst gewirkt – wenn er genauer darüber nachdachte vor allem in jenen Momenten, in denen er sich mit dem Perversling kabbelte. Bykki nahm sich fest vor dieses Vermutung mit genauen Beobachtungen in den nächsten Tagen zu überprüfen. Sollten ihre Streitigkeiten Ryo wirklich an die Nieren gehen, war er bereit zu versuchen sie einzudämmen.

Momentan wartete dieser aber immer noch auf eine Antwort. „Es tut mit leid. Aber… der Typ soll seine Pfoten von dir lassen. Der hat dich angeguckt wie ein Hund den Knochen! Du solltest dich wirklich von ihm fernhalten.“ Der Rat war sein voller Ernst.

Ryo wirkte resigniert. „Ich weiß Bykki. Berkley Rose ist jemand, der nur schwer aufgeben kann. Allerdings ist er auch mein Vorgesetzter, deshalb wäre es nett, wenn du ihn nicht allzu sehr beleidigst. Ich verspreche dir, das ich gut auf mich achtgebe – und außerdem ist Dee ja auch noch da.“ Grinsend zwinkerte er seinem Sohn zu. „Ich hab also einen Wachhund, der den Herrn Kommissar so ziemlich für das wiedergeborene Böse hält. Egal was er heute Abend versucht, es wird nicht klappen.“

„Na gut – aber sollte er dir irgendwann näher kommen als ihm zusteht, dann kastrier ich ihn!“, grummelte Bykki.

Lachend geleitete Ryo seinen Sohn zurück zu den anderen. „Aber natürlich, mein goldener Ritter.“
 


 

*****
 

Rose war sich nicht sicher, ob es Absicht oder Zufall war, aber der Junge störte. Kaum hatte er es geschafft Dee auch nur für wenige Sekunden abzuschütteln um ein paar Momente allein mit Ryo zu ergattern, schon stand dessen Sohn neben ihnen und warf ihm böse Blicke zu.

Konnte ein Kind in dem Alter seine Motive schon erahnen und eventuell ablehnen? Oder wollte der Kleine einfach nicht alleine sein und klebte deshalb so an Ryos Fersen? Das erklärt aber noch lange nicht die eisigen Blicke… Aber vielleicht mochte er einfach keine Fremden… Der Kommissar fand es unerwartet schwierig die Reaktionen und Handlungen des Kindes richtig zu deuten – viel zu selten hatte er etwas mit Personen unter sechszehn zu tun. Es war für ihn gänzlich neues Terrain und ein dumpfes Gefühl sagte ihm, dass er sich nicht all zu gut schlug.

Der Vorteil war allerdings, dass Ryo offensichtlich Mitleid mit ihm hatte – wie sonst ließe sich dessen seltsames Lächeln erklären. Rose war normalerweise niemand, der gern bemitleidet wurde, aber sein Gegenüber war weich und gutmütig – Mitleid wirkte da durchaus als Antrieb für ein bisschen Annährung.

Und zum ersten Mal am heutigen Abend hatte er es sogar geschafft den jungen Mann vollkommen allein zu erwischen.

„Ihr habt nicht oft mit Kindern zu tun, nicht wahr?“, fragte dieser ihn plötzlich. Stumm nickte er – es zu leugnen wäre zwecklos. „Was haltet Ihr von ihnen?“ Sofort horchte Berkley auf. Streckte Ryo da vorsichtig die Fühler aus, um seine Gefühle gegenüber einer eventuellen Elternschaft zu erkunden? War es ein erstes Zeichen, dass sein Plan Erfolg zeigte?

Sorgsam rief er sich die kleine Rede ins Gedächtnis, die er für genau solch eine Situation zu Recht gelegt hatte – schließlich konnte er dem Vater schlecht sagen, dass er Minderjährige für kleine, dreckige, laute und unhöfliche Monster hielt.

„Ich glaube Kinder sind eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe. Bei ihrer Erziehung muss man die Waage halten, zwischen Disziplin und Freiheit. Genug Disziplin, damit sie nicht auf den falschen Weg geraten und genug Freiheit, damit sie sich entfalten können. Leider hatte ich nie jüngere Geschwister, aber ich stelle mir vor, dass es einem sehr viel gibt sehen zu können, wie ein Kind erwachsen wird. Sie sind unsere Zukunft, der wertvollste Teil unserer Gesellschaft.“

Sein Gegenüber nickte nur, als hätte Berkley etwas bestätigt, was er schon vermutet hätte. Dann wandte er sich zu dessen Verwirrung ab, entschuldigte sich und schlenderte zurück zu seinem Partner, der gerade Drake anfeuerte sich so viele Salzstangen wie möglich in den weit aufgesperrten Mund zu stopfen. Was hatte er falsch gemacht?
 


 

*****
 

Dee sah von dem unappetitlichen Anblick den Drake gerade bot auf, als er spürte wie ihm ein Kopf auf die Schulter fiel. Erstaunt sah er das Gesicht seines Partners, nur wenige Zentimeter von seinem eigenen entfernt. Er hielt sich zurück um die Gelegenheit nicht auszunutzen – Ryo wirkte nicht so, als wären ihm die üblichen Annährungsversuche momentan willkommen.

„Hast du Bykki gesehen?“ In den dunklen Augen lag etwas seltsam Flehendes. Erstaunt über den Ausdruck in den dunklen Iriden, schüttelte der Schwarzhaarige langsam den Kopf. „Komm, wir gehen ihn suchen.“ Er würde zu gerne wissen, warum Ryo jetzt unbedingt Bykki sehen wollte, hielt sich aber zurück. Das hatte immer noch Zeit, bis sie den Jungen gefunden hatten.

Es dauerte nicht lange, da hatten sie ihn schon entdeckt. Carol und er hatten es sich zusammen mit mehreren hoch beladenen Tellern vom Buffet auf einem Sofa hinter ein paar protzigen Säulen bequem gemacht. Der perfekte Platz um fast die gesamte Halle zu beobachten, ohne selbst all zu sehr aufzufallen, bemerkte Dee geistesabwesend.

Sobald der blonde Junge den Gesichtsausdruck seines Vaters sah, stand er auf und eilte auf ihn zu. „Alles in Ordnung, Dad? Hat der Schleimbolzen irgendwas gemacht? Ich hab das vorhin ernst gemeint, sag mir was er gemacht hat und ich werde ihn dafür kastrieren.“

Ryo schloss seinen Sohn nur still in die Arme und genoss den Moment, als dieser die Geste besorgt erwiderte. „Es ist nichts Bykki, wirklich.“ Sein Gesicht erhellte sich ein wenig. „Er widert mich einfach nur an.“

Dee fiel die Kinnlade herunter. Es war das erste Mal, dass er Ryo mit solcher Abneigung über ihren Vorgesetzten reden hörte. „Was genau hat er getan?“

Der Brünette hatte es sich inzwischen auf dem Sofa gemacht, die Kinder zu beiden Seiten, jeweils einen Arm um sie geschlungen. Mit einer Kopfbewegung bedeutete er Dee sich ebenfalls zu setzen. „Er hat nichts getan, nicht wirklich, es ist eher… was er gesagt hat, was ich glaube was er den ganzen Abend schon versucht. Er scheint der Meinung zu sein, er müsste mir nur zeigen, dass er ein gutes Elternteil für Bykki abgeben würde, und schon würde ich ihm um den Hals fallen.“

Sacht hob er die Hand um den Ausbruch seines Partners schon im Keim zu ersticken. „Lass mich ausreden, Dee. Das Problem ist seine Ansicht, wie Eltern sein sollten. Ich glaube er hasst Kinder, aber stattdessen tut er so, als würde er sie mögen. Es ist so falsch und so… verdreht. Ich habe ihn direkt gefragt, was er von ihnen hält und er hat mir eine nette kleine Rede gehalten, von wegen Kinder seinen unsere Zukunft und Eltern hätten viel Verantwortung und so weiter, aber nicht einmal, nicht einmal heute Abend hat er Kinder mit irgendwelchen Gefühlen in Zusammenhang gebracht. Es macht mich einfach so krank, weil es klingt als würde er über Haustiere, oder schlimmer noch, über Maschinen reden, die man einfach richtig programmieren müsse… Und, ich brauchte einfach die Bestätigung, dass es bei uns nicht so ist, dass ich meinen Sohn nicht wie ein Uhrwerk behandle, nicht so distanziert…“

Bykki drückte ihn fest, eine seltene Geste in der Öffentlichkeit, aber eine stumme Bestätigung, dass es in ihrer Familie echte Liebe gab, dass sie Vater und Sohn waren.

Dee legte ihm sacht die Hand aufs Knie und drückte sanft. „Du bist ein guter Vater Ryo. Und du weißt, über so was würde ich nicht lügen.“ Dankbar nickte dieser, dann stahl sich endlich wieder ein richtiges Lächeln auf sein Gesicht. „Wo das also geklärt wäre… Welchen Teil vom Buffet sollte ich als erstes plündern, Bykki?
 


 

*****
 

Nachdem die vier gespeist hatten, bis beinahe die Nähte platzten – das Essen war schließlich nicht nur kostenlos, sondern auch noch gut – war es bereits Zeit für die Bescherung der Kinder. Unübersehbar war dies daran, dass ein rotgekleideter Mann mit einem gemütlichen Bäuchlein – um es vorsichtig auszudrücken – und einem Rauschebart in dem man zelten konnte eintrat. Hinter sich her zog er einen Handkarren, auf dem die Kisten standen, in welche die Polizisten am Anfang der Veranstaltung die Geschenke gelegt hatten.

Carol sah ein bisschen traurig aus, als sie die Massen an bunten Paketen musterte. Da sie nicht direkt das Kind eines polizeidienstlichen Mitarbeiters war, hatte sie natürlich auch nicht auf der zu verteilenden Liste gestanden. Als Ryo sie jedoch anlächelte und ihr zuzwinkerte, klärte sich ihre Miene wieder. Sie hätte sich eigentlich denken können, dass der großherzige junge Mann zu gutmütig war, um sie leer ausgehen zu lassen.

Und tatsächlich hatte Ryo dafür gesorgt, dass ihr Name ebenfalls auf der zu verlosenden Liste erschien. Schließlich war sie, wenn schon nicht seine Adoptivtochter, so doch zu mindestens seine zukünftige Schwiegertochter, wenn er sich nicht arg irrte. So oder so, sie war Familie.

Und wie um das zu bestätigen, war sie auch die Erste die vom „Weihnachtsmann“ aufgerufen wurde. Artig bedankte sie sich für ihr Geschenkt und hüpfte dann fröhlich zurück zu ihren drei Begleitern. Anstatt aber sofort die papierne Umhüllung wegzureißen, legte sie es einfach vor sich auf den Tisch und lehnte sich zurück.

Bykki sah sie an, als wäre sie nicht ganz richtig im Kopf. „Willst du es nicht aufmachen?“

„Doch, aber erst, wenn wir beide all unsere Geschenke haben – schließlich wirst du auch so lange warten, nicht wahr Bykki?“ Als die beiden Erwachsenen dessen hektisches, wenn auch etwas schuldbewusstes Nicken sahen, rann ihnen beiden ein Gedanke durch den Kopf. ‚Wer da wohl später die Hosen in der Beziehung an hat…‘

Nachdem endlich alle Geschenke verteilt waren, konnte nichts mehr die Beiden aufhalten und sie machten sich über die Pakete her.

Der Junge stürzte sich natürlich als erstes auf das größte der drei Pakete und unter dem dunkelblauen Packpapier kam ein ferngesteuertes Auto zum Vorschein, welches der Kartonaufschrift zu Folge auch einen Überschlag machen konnte. Ryo war sich ziemlich sicher, dass er wusste von wem das Geschenk kam. Darren, ein Labormitarbeiter, hatte sich bei ihm erkundigt, ob sein Sohn so etwa schon hatte.

Allerdings hatte sich sonst niemand bei ihm gemeldet, weshalb er gespannt war, von wem die anderen zwei Geschenke stammten.

Offensichtlich hatte Darren den Geschmack des Jungen getroffen, denn dieser strahlte, während er sich über Paket Nummer zwei hermachte. Dies enthielt ein Computerspiel. Nun war ein Computerspiel für Bykki eigentlich immer Anlass zur Freude, aber es war ein Lernspiel. Ryo hatte ihm mal eines gekauft, in der Hoffnung es würde ihn vielleicht animieren sich mehr mit der Schule zu beschäftigen – nach einer halben Stunde hatte er sich geweigert, es je wieder zu benutzen.

Ryo hatte ihm zugestimmt, nachdem er selbst eine halbe Stunde mit schrillen Ansagen, gähnend langweiligen Belohnungsspielchen und stupiden, trockenen Aufgaben verbracht hatte. Bykkis Grimasse nach zu urteilen, erinnerte er sich ebenfalls an diese Erfahrung. „Bedank dich bitte trotzdem bei … von wem hast du das Spiel bekommen?“ „Berkley Rose.“

„Gut, du brauchst dich nicht zu bedanken.“ „Huh?“ Nicht, dass Bykki sich beschwerte, er hielt nicht all zu viel von Heuchelei, nur weil es vielleicht höflich war, aber normalerweise ließ sein Vater in dieser Hinsicht nicht mit sich reden. „Denk an das, was ich dir vorhin über ihn erzählt hab – warum hat er dir genau dieses Geschenk gemacht?“ Bykki war immer noch nicht sicher, worauf Ryo hinaus wollte, aber Dee schien es sofort verstanden zu haben – denn er fing schallend an zu lachen.

Fragend sahen die Kinder ihn an, und als er sich wieder beruhigt hatte, fing er an zu erklären. „Rose möchte Ryo doch zeigen, was für ein guter Vater er angeblich wäre – das heißt, er will ihm vorgaukeln, dass er weiß, was Kinder brauchen. Deshalb war es ihm relativ egal, wie du das Geschenk findest – er wollte nur zeigen, wie wichtig für ihn Bildung für Kinder ist.“

Bykki verstand. Hätte jemand ihm das Lernspiel geschenkt, mit der ehrlichen Intention ihm eine Freude zu machen, hätte Ryo ihn gezwungen sich zu bedanken, egal ob ihm das Spiel gefiel oder nicht. Berkley aber hatte allem Anschein nach nicht einmal den Willen gehabt Bykki eine Freude zu machen, ihm war es nur um Ryos Meinung gegangen – wobei der Schuss für ihn nach hinten losgegangen war, da er Ryo vor allem dann eine Freude gemacht hätte, wenn er Bykki eine Freude gemacht hätte. Nun grinsten auch die Kinder. Es tat gut zu sehen wie dieser Schleimbolzen etwas vollkommen verbockt hatte.

Während dieser kurzen Diskussionen hatte Carol bereits all ihre Geschenke ausgepackt und war sehr zufrieden mit ihnen. Ein Schminkset, bestehend aus Lidschatten, Rouge, Lippenstift und einem Buch mit Tipps, ein hübsches Bettelarmband mit kleinen Feenanhängern und ein Buch, welches sie noch nicht kannte, das aber spannend klang.

Übrig blieb also nur noch Bykkis drittes Geschenk – allerdings war dies kein Paket, sondern nur ein hoher, aber schmaler Umschlag. Misstrauisch musterte der Junge es. Eins seiner zwei Geschenke war ein absoluter Fehltritt gewesen und er hatte keine Lust, auch als drittes etwas Dämliches zu bekommen.

Zögerlich öffnete er das Kuvert, zog die enthaltene Karte heraus, klappte sie auf – und fiel zu Ryos und Carols Überraschung Dee um den Hals. „Danke Dee, das ist sooo cool! Was meinst du wer spielen wird? Glaubst du wir kommen bis dahin durch? Das wär natürlich der Oberhammer, aber auch so ist das einfach spitzenmäßig!“

So ging es noch für eine Weile weiter, Bykki faselte, während Dee mit einem zufriedenen Lächeln auf dem Gesicht zuhörte. Schließlich unterbrach Ryo seinen Sohn, indem er ihm einfach die Hand auf den Mund legte – er wusste, dass jede andere Möglichkeit ihn zum Schweigen zu bringen nichts brachte, wenn er in einem solchen Zustand war.

„Also, was hat Dee dir geschenkt?“ Wortlos hielt der Junge ihm die geöffnete Karte entgegen. Fein säuberlich darin befestigt war ein Ticket – für das Finale der Basketballweltmeisterschaft, welche nächstes Jahr in den USA stattfinden würde.

Ryos Kinnlade fiel herunter, als sein Blick jedoch auf das Datum fiel, verengten sich seine Augen. „Dee, das ist genau während seiner Prüfungszeit!“

Der Schwarzhaarige hatte den Anstand verlegen zu wirken, zeigte aber keinerlei Reue. „Ich weiß, aber Ryo, das ist eine einmalige Gelegenheit! Wer weiß, wann die Weltmeisterschaft wieder in den USA stattfinden wird?“

„Du wusstest es? Du wusstest, dass er da vielleicht Prüfungen hat und hast trotzdem das Ticket gekauft? Du weißt genau, dass ich möchte, dass er dieses Jahr gute Noten bekommt damit-“, abrupt unterbrach er sich. Dann sprach er leiser, fast ungläubig: „Du weißt genau, was ich davon halte…“ Mit einem Mal schlang auch er seine Arme um Dees Hals.

Bykki, der inzwischen wieder losgelassen hatte, brachte sich schnell aus der Bahn und reagierte auf Dees hilflosen, fragenden Blick nur mit einem Schulterzucken. Manchmal war sein Vater schlimmer als eines dieser Mädchen mit ihren verrückten Hormonen.

Der junge Polizist erwiderte zögerlich die Umarmung, so eine Gelegenheit würde er sich gewiss nicht entgehen lassen, fragte seinen Partner aber trotzdem besorgt, ob alles in Ordnung war. Dieser lachte daraufhin fröhlich. „Dir war egal was ich davon halte, oder?“

„Naja, nicht ganz“, druckste er herum, „aber das Geschenk ist für Bykki…“ Er fragte sich, ob er dafür jetzt in Schwierigkeiten kam. „Danke Dee. Danke, dass du nicht auf die gleichen Methoden wie Rose zurück greifst.“

Er war sich nicht ganz sicher, ob er sich ärgern sollte, weil Ryo ihn für fähig hielt genauso dämlich und arrogant wie Rose zu sein, oder ob er sich über das Lob freuen sollte. Er entschied sich dem immer noch lachenden Ryo verlegen den Rücken zu tätscheln und sich innerlich zu wünschen, dass er seine Hände ungestraft tiefer wandern lassen dürfte.
 


 

*****
 

Bykki stieß Dee leicht mit dem Ellenbogen an und deutete unauffällig auf eine sich nährende Figur zu ihrer Rechten. Der Erwachsene verstand sofort: „Hey Ryo, hast du schon mit dem Chief gesprochen? Er steht gerade da drüben und ich glaub seine Kinder kennst du auch noch nicht?“

Kurze Zeit später hatte der Hellhaarige das Gespräch höflich beendet und näherte sich ihrem direkten Vorgesetzten, um auch dessen Familie kennen zu lernen. Geborener Netzwerker der er war, ließ er nie eine Gelegenheit aus, um mehr Leute kennen zu lernen. Den zufriedenen Gesichtsausdruck auf den Mienen seiner drei Begleiter bemerkte er nicht.

Diese hatten es sich zur Aufgabe gemacht Ryo den Rest des Abends soweit wie möglich von Rose fernzuhalten. Dee und Bykki hatten dafür sogar beschlossenen einen Waffenstillstand einzulegen, vereint gegen den gemeinsamen Feind – wobei allerdings auch Dees Geschenk seinen Dienst geleistet haben mochte. Und so bereitete es ihnen ein unglaubliches Vergnügen zu sehen, wie verwirrt der Kommissar aussah, als er die Stelle erreichte, an der eben noch sein Ziel gestanden hatte. Dieses und der Chief waren schon längst im Gewusel der Polizisten verschwunden.

„Kannst du ihn nicht irgendwie zum Aufgeben bewegen? Er nervt.“ Dee schüttelte als Antwort den Kopf. „Tut mir leid Byk, an und für sich nichts lieber als das – allerdings habe ich das schon zahllose Male versucht. Seiner Meinung nach ist meine Ansicht in diesem Punkt aber vollkommen unerheblich. Allerdings… vielleicht könntest du ihm deinen Standpunkt mit ein paar Worten verdeutlichen – allerdings nur, wenn das möglich ist, ohne dass Ryo Ärger bekommt.“

„Oh, das ist kein Problem, gar kein Problem – hilfst du mir Carol?“ „Aber immer doch Bykki.“ Die Gesichtsausdrücke der Kinder konnte Dee nur als einfach böse beschreiben – in diesem Moment tat ihm Rose fast leid. Fast.
 


 

*****
 

„Du willst also mit meinem Vater in die Kiste, ja?“ Verdutzt sah Rose nach unten, direkt in das hinterhältig grinsende Gesicht von niemand anderem als Bykki MacLean. Aber der Satz kam doch sicher nicht von diesem Kind – oder?

Mit einem zuckersüßem und 100 Prozent falschem Lächeln, fragte er: „Wie bitte?“

„Er hat gefragt, ob du wirklich mit Ryo ins Bett willst“, meldete sich nun auch Pest Nummer zwei, das Mädchen welches immer wie eine Klette an Ryo hing.

„Wie kommt ihr darauf?“ Nur das Zucken seines rechten Auges wies auf seinen Ärger hin. Innerlich fragte er sich, woher zum Teufel zwei solche Winzlinge wussten, was „in die Kiste springen“ bedeutete.

„Es könnte an der Schleimspur liegen, die du hinter dir her ziehst“, antwortete der Junge.

„Oder an dem Sabberfaden, der dir aus dem Mund läuft, sobald du ihn ansiehst“, ergänzte das Mädchen.

„Oder vielleicht diese ekelerregende Grimasse, die du den ganzen Abend ziehst.“

„Ich glaube, das soll sein Lächeln sein, Byk.“

„Dann hab ich aber Hyänen schon freundlicher Lächeln sehen, Cal. Außerdem kann er soviel schleimen, sabbern und lächeln wie er will, da er Ryo eh nicht bekommen wird, nicht wahr?“

„Genau – weil ich es nämlich nicht zulasse.“

„Weil ich es auch nicht zulasse.“

„Weil Dee etwas dagegen hat.“

„Weil Ryo etwas dagegen hat. Schließlich ist er zu gut für Berky hier.“

„Zu nett und warmherzig.“

„Zu intelligent.“

„Zu gutgläubig.“

„Und genau deshalb Berkyboy, lass die Pfoten von meinem Vater. Ich kann dir absolut garantieren, dass du ihm nie an die Wäsche darfst, also hör auf unsere Familie zu nerven und geh brav dahin wo der Pfeffer wächst. Und übrigens: ganz miese Geschenkwahl – das meint auch Ryo.“

Und Sekundenbruchteile später waren die Gören bereits wieder in der Masse der Feiernden verschwunden. Der Kommissar blinzelte – was war da eben passiert?
 


 

*****
 

Nachdem die beiden Kinder so – hoffentlich erfolgreich – die Verkörperung des Bösen verscheucht hatten, ließen sie sich in zwei am Rand der Halle stehende Sessel fallen, während sie abwechselnd mit Bykkis neuem Funkauto – dessen Batterien der Schenkende netterweise schon aufgeladen hatte – anderen Leuten über die Füße fuhren. Ryo und Dee standen unterdessen mit ihren Kollegen an der Bar, welche auch eine breite Auswahl alkoholfreier Getränke bot, und unterhielten sich offensichtlich prächtig.

Bykki war gedankenverloren und still, aber Carol wusste, dass ihm etwas auf dem Herzen lag und wartete einfach, bis er bereit war damit herauszurücken. „Sag mal Cal?“

„Hm?“, sie fuhr gerade zum xten Mal am heutigen Abend mit voller Wucht in die Hacken von Rose, nur um das Auto wegzufahren, bevor er es sehen konnte.

„Glaubst du Ryo liebt Dee?“

Gekonnt parkte sie das Auto unter ihrem Sessel, bevor sie die Funkfernsteuerung ablegte und sich ihrem Freund zuwandte. „Ja – aber das glaubst du auch, oder?“

Ein zögerliches Nicken folgte. „Aber… wenn die beiden zusammen sind… glaubst du, er hat mich dann weniger lieb? Ich mein, er muss dann ja die Liebe zwischen Dee und mir aufteilen, und Dee… Dee strengt sich so für ihn an, während ich immer nur Schwierigkeiten mache…“

Wortlos gab sie ihm einen beherzten Klaps auf den Hinterkopf. Als die Laute des Schmerzes langsam verklangen, legte sie los. „Das ist das Dümmste, was ich je gehört habe“, eröffnete sie ihm. Sie konnte zwar verstehen, dass er unsicher war, schließlich war er „nur“ adoptiert, aber Ryo war einer der Menschen, denen so etwas absolut egal war.

„Warum sollte er die Liebe aufteilen? Du kennst Ryo, besser noch als ich – glaubst du wirklich in seinem Herzen sei so wenig Platz? Er würde vielleicht etwas mehr Zeit mit Dee verbringen, wenn die zwei zusammen wären, aber Dee wohnt praktisch bei euch – der fährt doch nur nach Hause, wenn er und Ryo sich gestritten haben und am nächsten Tag ist er schon wieder da, also glaub ich nicht wirklich, dass sich da was ändert.

Aber Ryo könnte 100 Menschen lieben und immer noch wäre genug für alle da. Außerdem liebt er euch beide auf ganz unterschiedliche Weise. Dee ist gleichwertiger Partner. Du bist sein Sohn – wenn du dir schon über einen Rivalen Gedanken machen müsstest, dann eher über mich als über Dee.“

„Und glaubst du Dee meint es ernst mit ihm?“

Ausdruckslos sah sie ihn an. „Bykki – er versucht es seit zwei Jahren!“

Schuldbewusst senkte der Junge den Kopf. „Na gut, vielleicht ist er doch kein so übler Kerl…“

Carol prustete los. „Du klingst eher wie der Vater einer Tochter, als wie der Sohn. Glaubst du nicht auch, dass es Ryo glücklich machen würde?“

Wieder nickte er. Er war nur so unsicher. Was wenn Dee Ryo ernsthaft wehtat? Was wenn Ryo plötzlich fand, dass Dee ihm genug wäre und dass Bykki nur im Weg war? Er hatte Ryo so gern gewonnen – und zugegebenermaßen auch Dee ein bisschen – dass die Angst einen von ihnen oder gar beide zu verlieren ihn lähmte.

„Außerdem würde der Schleimbolzen dann vielleicht endlich fern bleiben“, unterbrach seine Freundin die grüblerischen Gedanken. Fassungslos sah er auf und tatsächlich: Rose Berkley hielt direkt auf Ryo zu, dem leicht rotem Gesicht und schwankendem Gang nach, mit einer gehörigen Portion angetrunkenem Mut.

Wie von einer Feder angetrieben katapultierte Bykki sich aus seinem Sitz und rannte zu seinem Vater. Dann packte er diesen und Dee an ihren Ärmeln und zog sie hinter sich her. „Mitkommen!“ Zu verwirrt um echten Widerstand zu leisten folgten ihm die Beiden.

Unter einem hohen Türsturz ließ er sie zum Stehen kommen. Dann deutete er nach oben. „Mistel da, ihr hier, jetzt küsst.“

Und tatsächlich hatte irgendein Romantiker – oder vielleicht auch ein Witzbold – einen Mistelzweig ordentlich mit rotem Band umwunden und aufgehängt.

Ryo sah seinen Partner mit roten Wangen an, während dieser ein triumphierendes Grinsen kaum zurück halten konnte. „Das Balg hat endlich zugestimmt – du hast also keine Entschuldigung mehr.“ Und ohne auch nur eine Antwort abzuwarten zog er den anderen näher zu sich um diese neue Entwicklung mit einem Kuss zu besiegeln.

Er reicherte den Kuss mit zwei Jahren unerfüllter Liebe an und musste sich zurückhalten, um das Ganze jugendfrei zu gestalten. Als der Halbjapaner den Druck seiner Lippen erwiderte, schlang er die Arme um diesen und zog ihn noch näher heran.

Dass ein fassungsloser Berkley Rose nur wenige Meter entfernt stand und das Pärchen anstarrte, hatte wirklich gar nichts mit diesem Akt des Inbesitznehmens zu tun – na gut, fast gar nichts.
 


 

Gesprächsrunde der Hybie-sans, die von den Hybie-sans für diese Fanfiction abgehalten wird

Hybie-san3: „Die Weihnachtsfreude, die pustet keiner aus. Die Weihnachtsfreude, hängt nicht am Baum zu Haus- mpf… mpf…“

Hybie-san2: „Himmlische Ruhe. Wolltest du irgendetwas sagen, Hybie-san3?“

Hybie-san3: „Mpf…M-M-Mpf!“

Hybie-san2: „Ah, wohl nicht.“

Hybie-san1: „Vielleicht würde es ihm leichter fallen, wenn du ihm den Knebel wieder abnimmst.“

Hybie-san2: „Oh nein, ich hänge an meine Ohren – außerdem war das Lied seltsam. Und Weihnachten ist schon wieder vorbei.“

Hybie-san3: „Hrmpf! Mpf! Mpf!“

Hybie-san1: *erbarmt sich seiner und löst den Knebel*

Hybie-san3: „Stimmt ja gar nicht! Weihnachten geht noch bis zum 6. Dezember, weil alle noch auf die drei Könige warten – aber das Lied war wirklich seltsam…“

Hybie-san1: „Ihr könnt gerne später über absonderliche Weihnachtslieder diskutieren – wer übernimmt die Ansagen der Autorin?“

Hybie-san3: *hüpft aufgeregt herum*

Hybie-san2: *hebt abwehrend die Hände*

Hybie-san1: „Nr. 3 also…“

Hybie-san3: „Also, als erstes dankt die Autorin allen, die bis hierhin durchgehalten haben. Außerdem möchte sie noch etwas zu Dees Geschenk anmerken. Einigen mögen Tickets für eine Weltmeisterschaft als viel zu teuer erscheinen, allerdings sei hier anzumerken, dass es um Basketball- und nicht um Fußballtickets geht. Diese waren – als die WM in den USA stattfand - nach Recherchen der Autorin bereits für unter 30 Euro zu haben – gar kein übler Preis, bedenkt man, dass es um ein weltweites Turnier geht.

Zudem mögen einigen Lesern kleinere Fehler bei Namen oder Berufs-/Postenbezeichnungen auffallen. Hierfür entschuldigt sich die Autorin – sie hat sämtliche Bände auf Englisch gelesen und war sich nicht bei allen Übersetzungen ganz sicher. Sie würde sich freuen, wenn jemand sie auf vorhandene Fehler hinweist.

Noch einmal vielen Dank fürs Durchhalten. Auf Wiedersehen.“

Hybie-sans: *Verbeugung*



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