Und er lächelte von Crevan ================================================================================ Kapitel 17: Hilfe ----------------- Mit einem metallenem Rasseln schabte Cullen's Kettenhemd über die Kante des harten Tisches... oder worauf er auch immer saß. Zwischen seinen Knien fiel der kiloschwere Teil seiner Uniform hinab gen Boden und blieb als Haufen stählerner Kettenglieder liegen. Der Mann vor ihm hatte ihm dabei geholfen sich das Rüstungselement über den Kopf zu wuchten, ebenso wie er ihm zuvor geholfen hatte die darüber liegende, knielange Robe, die massiven Beintaschen und die breite, rote Schärpe, die er um seine Mitte getragen hatte, abzulegen. Mit fahrigen Fingern fasste der fiebrige Templer nun nach den Lederriemen, die sein wattiertes Untergewand an der Vorderseite zusammenhielten. Sein Daumen strich dabei über eine der kleinen, silbernen Schnallen, doch seine Hände zitterten so sehr, dass er es nicht vermochte die gefütterte Weste zu öffnen. Anders sagte irgendetwas Unverständliches, seufze entnervt und griff nach Cullen's Fingern, um sie von ihrem Vorhaben abzuhalten und es an deren Stelle für sie zu erledigen. Sie waren kalt und tatsächlich rau, die Hände des Magiers. So, wie es der Knight-Captain vermutet hatte und so anders als die gepflegten und weichen Handflächen der behüteten Zirkelmagier, die den erbitterten Kampf gegen finstere Monstren und die harte Arbeit in gefährlichen, lebensbedrohlichen Gebieten nicht kannten. Nicht, dass Cullen je dazu gekommen wäre die Hände der Zirkelmitglieder anzufassen, doch er vermutete, dass diese gepflegter und zarter sein mussten als die Anders', die beinah schon denen eines Kriegers glichen. Der vom Fieber gebeutelte Templer ließ den Abtrünnigen, der vor ihm - zwischen seinen Knien - stand, walten und spürte schon nach wenigen, schweren Atemzügen, wie ihm das purpurne Wams über die breiten Schultern nach unten geschoben wurde. Cullen schloss seine braunen Augen mit den zu schweren Augenlidern und langte mit einer Hand nach vorn, in der Hoffnung ein wenig Halt an dem zu finden, der sich da so dicht vor ihm befand. Er bekam auch etwas zu fassen – leichten Stoff und weiches Leder, an die er sich krallen konnte. Er spürte, wie ihm das neblige Bewusstsein zu schwinden drohte und verlor dabei die Kontrolle über seinen ohnehin schon so labilen Gleichgewichtssinn. Cullen's Oberkörper sank nach vorne und ehe der benommene Krieger dies überhaupt begriff, lehnte er bereits mit dem Kopf an der Schulter des Anderen, der schon wieder irgendetwas vor sich hin murmelte. War das eben ein leises Fluchen gewesen? Oder ein Gut-Zureden? Anders' Stimme schien so weit fort zu sein, sie klang dumpf und weit entfernt, so, als stünde der dünne Magier in einem angrenzenden Raum. Doch er war hier, ganz nah. Er hielt Cullen mit sicherem Griff fest und hinderte ihn daran unkontrolliert von dem hölzernen Tisch zu stürzen, fragte in diesem Augenblick schon wieder irgendetwas und klang dabei drängender als zuvor. Cullen reagierte nicht auf die klanglose Stimme des Anderen und schnaufte, ein Auge zusammenkneifend, gegen den ockerfarbenen Mantelstoff an dessen Schulter, über die er, der Ohnmacht nahe und völlig abwesend, hinwegblickte. Es war kalt hier, so verdammt kalt. Die kühle Luft – oder war es etwas anderes? - brachte den geschwächten Knight-Captain dazu zu zittern. Selbst seine Kiefer vermochten es nicht sich gegen dieses verkrampfte Frösteln zu wehren und brachten die Zähne des schwer Verwundeten zum Klappern. Und dann war da plötzlich dieser seltsam warme Hauch, diese ganz schwache Brise, die an Cullen's Körper nach oben kroch und die kaum merkbar versuchte mit kleinen, gierigen Fingern durch seine Haut hindurch in das Innere seines kranken Körpers vorzudringen. Alle Sinne des Templers schienen sich gegen diesen Eingriff zu sträuben und sie wehrten sich, stellten sich instinktiv der hellen Magie entgegen, die ihn einlullen wollte und brachten das Lyrium in seinem Blutkreislauf dazu zu reagieren. Was geschah hier? Wollte man ihn kontrollieren? Blutmagie. Nein, Moment- „Cullen, ich kann euch nicht heilen, wenn ihr euch dagegen wehrt.“ drang es nun nur schwer verständlich und verzerrt an die summenden Ohren des ächzenden Templers und er versuchte seine geröteten Augen wieder einen kleinen Spalt weit zu öffnen. Letzteres war anstrengend. Sich hilfesuchend an den, der da vor ihm stand, zu krallen ebenso. Cullen stieß ein leises, erschöpftes Stöhnen aus und presste die Kiefer fest aufeinander, als er versuchte sich auf das zu konzentrieren, was um ihn herum geschah, doch er schaffte es nicht und wieder verschwamm alles in seinem Sichtfeld zu einem Gemisch aus verschiedenen, trüben Farben und Formen. Kalter Schweiß tropfte dem Templer von der Stirn und das Gewicht seiner beschlagenen Lederstiefel zog schwer an seinen frei hängenden Beinen. Der Schmerz der eilig und selbst vernähten, doch wieder aufgeplatzten Wunde an seiner Seite zuckte stechend durch seinen Leib und es erschien Cullen so, als strahle er auf all seine anderen Körperteile aus; er lähmte ihn, raubte ihm den Atem und das schon seit geraumer Zeit. Er brauchte Hilfe. Dringend. Und er bekam sie gerade, oder? Ja, er durfte sich nur nicht wehren hatte Anders gesagt. Er würde sich nicht wehren. Denn gerade, da vertraute er dem abtrünnigen Magier merkwürdigerweise. Der Knight-Captain hielt die Luft an, als sich die Hand des Heilers an seine versehrte Seite stahl und sanfte Fingerspitzen dort über das aufgeschlitzte, entzündete Fleisch tanzten. Warme, magische Energie setzte erneut zu einem Versuch an durch seine heiße Haut hindurch zu dringen und dieses Mal scheiterte sie nicht daran. Die heilenden Impulse kitzelten und manipulierten rebellierende Nervenstränge so weit, dass der dumpfe Schmerz tatsächlich etwas nachließ, um einem unangenehmen Ziehen und Pochen Platz zu machen. Erst jetzt bemerkte Cullen, dass er sich auf die Unterlippe biss – und wie fest er dies tat; ein metallener Geschmack hatte sich in seinem trockenen Mund breitgemacht. Und er biss fester, denn er wollte nicht schreien; ein richtiger Krieger der Kirche gab sich diese Blöße aufgrund von Schmerzen oder beängstigend starker Magieeinwirkung nicht, er schrie nicht. Auch nicht, wenn sein getrübter Geist dabei war zu schwinden. Wieder jagte ein Schwall heilender Energien durch seinen schwachen Körper und Cullen glaubte ihnen noch erliegen zu müssen. Das Pfeifen in seinen Ohren wurde lauter und unangenehm, denn sein Körper rebellierte; der Schwindel wurde unerträglich und sein Sichtfeld schließlich für wenige Bruchteile von Sekunden lang schwarz. Als Cullen seine feuchten Augen wieder öffnete, war es vorbei. Die fürchterlichen, pulsierenden Schmerzen, die ungewohnte, fremde Magie, das unglaublich laute Dröhnen in seinem Kopf und das wilde Umhertanzen der hellen Funken in seiner Sicht. Schwer und hörbar atmete der wirre Krieger aus, als er schwerfällig versuchte sich wieder aufrecht hinzusetzen und sich dafür etwas unbeholfen von dem anderen Mann fort drückte. Noch immer drehten sich die Bilder in seinem Blickfeld ein wenig, doch mittlerweile fühlte sich diese Benommenheit auf eine befremdliche Art und Weise... angenehm an. Den viel zu schweren Kopf etwas anhebend blinzelte der Templer Anders entgegen und hatte Mühe damit ihn zu fixieren, denn er sah den seufzenden Blonden bizarr verschoben und doppelt vor sich. Es fühlte sich an, als hätte er zu viel von dem starken Zwergenbier in den hiesigen Tavernen getrunken. Oh, beim Erbauer, wie er es sich im Moment wünschte, dem wäre so! Der offensichtlich überanstrengte Magier vor ihm schüttelte sein unfrisiertes Haupt und atmete schwer; mit seinen Händen stützte er sich neben Cullen auf der hölzernen Arbeitsfläche ab und versuchte wohl wieder zu Kräften zu kommen. Die Augen des Abtrünnigen waren dabei beinahe zur Gänze geschlossen, sein Ausdruck müde und erschöpft. Ein paar wirre, blonde Haarsträhnen hingen ihm in das auffällig blasse Gesicht und er sog die Luft durch seine zusammengebissenen Zähne ein, als plagten ihn selbst Schmerzen oder ein schrilles Pfeifen in den Ohren. Irgendetwas stimmte nicht mit ihm. Und wäre der Templer mit den hängenden Schultern bei Sinnen gewesen, so hätte ihn diese heikle Tatsache alarmiert und dazu gebracht seinem alten Bekannten aus Ferelden mit größter Vorsicht zu begegnen. Doch Cullen war nachsichtig, nein, schlimmer: Ehrlich gesagt wusste der leichtfertige Knight-Captain überhaupt nicht, was er Sekunden später tat, er tat es einfach. Vielleicht lag es an seinem momentan so verwirrten Zustand, dem hohen Wundfieber oder der zähen Müdigkeit, die ihm Gleichgültigkeit in die schweren Glieder trieb. Vielleicht lag es aber auch nur daran, dass er sich... absolut elend und verlassen fühlte. Körperlich wie geistig. Er wollte nicht, dass Anders damit aufhörte ihn festzuhalten, nun von ihm abließ und zurücktrat, um ihn daraufhin wieder fort zu schicken. Cullen wollte nicht fort, er wollte hier sein. Seine zittrige Hand, die den erschöpften Magier noch immer eisern an dessen fleckigen Mantel festhielt, zog den überrumpelt murrenden Anders nun aberplötzlich dicht – zu dicht - an den Templer heran. Erst, als der Blonde beinahe zu ihm auf die schmale Liege gezerrt wurde, hielt Cullen inne und beugte sich, die wenigen verbleibenden Zentimeter weit, dem bleichen Gesicht des Abtrünnigen entgegen. Er schloss seine verklärten Augen, als er Anders völlig unüberlegt und ohne den matten Magier zuvor in irgendeiner Form um 'Erlaubnis' zu bitten, küsste. Er küsste ihn so, wie der dreiste Heiler ihn vor Jahren geküsst hatte, denn er kannte es nicht anders; und als jener tatsächlich erschrocken zurückweichen wollte, packte Cullen ihn mit der freien Hand am Halstuch, das er trug – unbedacht dessen, dass er dem leise protestierenden Mann damit die Luft abschneiden könnte. Anders' schwacher Widerwillen bröckelte nach nur wenigen Momenten und obgleich es so schien, als hadere er sehr mit sich selbst, erwiderte er den etwas unbeholfenen, doch fordernden Kuss schließlich. Cullen's vernebelter Verstand fragte in dem Moment, in dem Anders seinen Arm um die Taille des Sitzenden legte, um ihn auf der Liegefläche noch näher an sich heranzuziehen, nicht nach 'richtig' und 'falsch'. Der Templer ließ das, was geschah einfach zu und rang noch immer mit seinem unaufhörlich zitternden Leib, während sich der blonde Magier, der zwischen seinen Beinen stand, eng an seinen breiten Oberkörper drängte. Die geschickten Finger des plötzlich so bereitwilligen Abtrünnigen wanderten; doch nicht so wie vorhin, nicht aus Not oder weil es eine blutende Wunde erforderte. Anders' Hände strichen gefühlvoll an Cullen's nacktem Rücken empor, durch seinen Nacken und seine kurzen Haare. Mit Leichtigkeit trugen sie dazu bei, dass ein wohliger Schauer durch Cullen's gesamten Körper jagte und packten schließlich wieder bestimmend zu, als der Templer sich nicht dagegen sträubte, dass ihm der Magier seine warme Zunge drängend zwischen den leicht blutigen Lippen hindurch schob. Anders schmeckte nach... dem Nichts. So sehr, dass es das ohnehin schon so schnell klopfende Herz des lyriumabhängigen Kriegers zum rasen brachte. Er hätte sich, ob seines rauschähnlichen Zustands, ohnehin nicht gegen das hier gesträubt und sich und seinen abwesenden Verstand bedingungslos diesem gesuchten Abtrünnigen hingegeben. Doch nun, da Anders' Zunge die Seine neckend zum Spiel aufforderte und dabei beiläufig diesen bittersüßen Hauch von Lyrium mit einbrachte, wollte Cullen mehr. In diesem seltsamen Augenblick wirkte der Heiler wie eine Droge; eine gefährliche Droge zu der man als Templer mit viel Mühe, doch mit nachfolgenden Konsequenzen 'Nein' sagen konnte, es aber nicht wollte, weil sie einem die Fähigkeit klar zu Denken gnadenlos vernebelte und dafür sorgte, dass es einem dabei auch noch gut ging. War das bei all diesen verdammten Magiern so, wenn man sie küsste? Das mit dem 'Hauch von Nichts'? Cullen hielt das zerschlissene Halstuch des Heilers nun so fest, dass seine Fingerknöchel weiß hervortraten und er wusste nicht mehr, ob das Erzittern seines Körpers daher rührte, dass ihn das Fieber oder der etwas kleinere Mann vor ihm fest umklammerte. Er stöhnte leise gegen die weichen Lippen Anders', wollte weiter gehen und wusste nicht, wie er dies zeigen sollte. Doch der Blonde schien sofort zu verstehen – wäre auch ein Wunder gewesen wenn nicht, wenn man seine wilde Jugendzeit bedachte – und löste sich von dem atemlosen Templer, um zum Sprechen anzusetzen. „Warte...“ wisperte Anders dem wirren Cullen entgegen, sah ihn dabei durchdringend aus seinen viel zu sanften, rehbraunen Augen an und hob ihm eine seiner Hände an die Wange, um mit seinem Daumen über sie zu streicheln. Cullen hatte geahnt dass der flatterhafte Heiler sein Werk verstand, wenn es um Zwischenmenschliches ging. Doch er hatte nicht gewusst, dass der damals so unstete Chaot und Rebell so... so zärtlich sein konnte. Mit ruhigen, leisen Worten lockte der Magier den taumeligen Templer von der hölzernen Liege, auf der er saß und reichte ihm zugewandt die beiden Hände, um ihn zu führen. Der Abtrünnige hätte hier und jetzt alles mit dem halbnackten Knight-Captain anstellen können, ihn einsperren oder attackieren, ihn töten. Doch Anders nutzte den schwachen, körperlichen Zustand des abgerüsteten Kriegers nicht aus, tat nichts dergleichen, sondern... lächelte. Er lächelte nur, als er Cullen schließlich auf eine alte Matratze hinabdrückte, die am Ende der zwielichtigen Krankenstation in einer der verborgenen Ecken lag und wieder küsste er ihn, als er ihn auf die weiche Schlafunterlage drängte. Wieder Lyrium und diese Hände. Wieder diese Nähe, die nicht sein sollte, dem irrsinnigen Templer aber als so wohlig erschien. Cullen spürte den unregelmäßigen Atem des Anderen auf der Haut und wie ihm dieser ein paar verirrte, nasse Locken aus dem zu warmen Gesicht strich. Er bemerkte vage, wie die Matratze unter ihm ein wenig nachgab, als Anders sich über ihn beugte, spürte wie ihn die halblangen Haare des Heilers an der Wange kitzelten. In anderen Situationen, nein, wenn der Knight-Captain denn bei Sinnen gewesen wäre, dann wäre dies hier ein prekärer Moment gewesen, der für ihn nicht bedrohlicher hätte sein können. Doch gerade, da fühlte es sich nicht besonders gefahrbringend an, dass Anders die Oberhand über das fragwürdige Geschehen hatte und so fassten Cullen's kraftlose Hände erneut nach dem schlanken Mann ober ihm, um sich seitlich an dessen Hüfte zu legen. Es war anders als damals in Kinloch Hold. Die Lippen des Abtrünnigen genauso gierig, doch seine Gesten nicht zu drängend oder gar zwingend. Damals hatte der besitzergreifende Anders nicht aufgehört, doch heute würde er das, wenn der verschlossene Templer dies wollte, nicht wahr? ... Cullen wollte nicht, dass er aufhörte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)