Und er lächelte von Crevan ================================================================================ Kapitel 26: Maskerade --------------------- "Ihr solltet etwas vorsichtiger sein, Knight-Captain", meinte der alte Heiler des Lazaretts ruhig, während er die blutende Wunde im Gesicht des Templers eingehend betrachtete. Er hielt den sitzenden Krieger vorsichtig am Kinn fest und drehte dessen Gesicht daran sanft von links nach rechts, um den Schnitt an der Lippe Cullens genau und aus jedem Winkel mustern zu können. "Die 'Neuen' bekommen es oft mit der Angst zu tun. Sie kommen nicht damit zurecht ihre Freiheit verloren zu haben. Zirkel sind beengend für sie...", sagte der besonnene Magier, als er den Knight-Captain dann wieder losließ und ihn mitfühlend anlächelte. Er war der selbe betagte Geistheiler, der den verletzten Anders kürzlich entgegen genommen und sich um jenen gekümmert hatte. Auch sein Lehrling stand neben dem schmalen Krankenbett, auf dessen Kante der betretene Cullen ruhte. Die Beine des Fereldener hingen locker von der harten Pritsche und er wich den taxierenden Blicken der beiden hilfsbereiten Magiebegabten in den weißen Roben aus. Die Wunde in seinem Gesicht brannte; pulsierender Schmerz brachte ihn dazu sein Auge ab und an etwas zu verengen. Doch der Soldat machte keinen Mucks. Er jammerte nicht, doch er sträubte sich seit jeher gegen Heilmagie. Noch nie hatte er es zugelassen, dass ein Zirkelmagier Zauber auf ihn wirkte. Denn seine schlechten Erinnerungen aus Kinloch Hold suchten ihn, nur wenn er schon daran dachte, heim. Zu glauben, dass ihm Heilmagie 'gut tun' würde war Blödsinn. Absoluter Blödsinn. Und das hatte er hier, in der Krankenstation der Galgenburg, schon zu oft geäußert. Die Magier wussten Bescheid. Und darum griff der alte Heiler, sein Name war Vern, soeben zu Nadel und Faden. Er war zwar Magiewirker, doch gleichzeitig auch Arzt. Cullen war nicht der einzige Templer, der sich vehement gegen magische Heilung wehrte... und so beherrschte Vern gezwungenerweise auch die weniger mystischen Behandlungsarten. Cullen biss die Zähne fest aufeinander, als der feinfühlige Magier die Nadel an die zuvor gereinigte Wunde führte. Sein Lehrling Thomas sah ihm dabei aufmerksam zu. "Er wird sich daran gewöhnen. Also der Neue", fuhr der Heiler fort, als er Cullens Gesicht geschickt 'zusammenflickte'. Er tat dies mit ruhiger Hand und bei weitem penibler, als es jeder Templer vollbringen könnte. Ja, Soldaten versorgten sich im Ernstfall auch selbst, denn manchmal blieb ihnen nichts anderes übrig, als Wunden eilig zu versorgen. Am Schlachtfeld zum Beispiel. Doch meistens blieben davon wirklich unschöne Narben zurück. Ein Grund, weswegen Cullen den geduldigen 'Zirkeldoktor' aufgesucht hatte. Der Körper des Templers wies zwar bereits viele, längst verheilte, Kampfwunden auf, doch es ging dieses Mal schließlich um sein Gesicht... Der Knight-Captain schwieg und ließ den Heiler reden. Er hielt, des Schmerzes seiner Wunde wegen, die Hände zu Fäusten geballt. Doch abgesehen davon rührte er sich nicht und gab auch keinen Laut von sich. Diese Blöße wollte er sich nicht geben. Er hatte um eine gewöhnliche, nichtmagische Behandlungsmethode gebeten und damit musste er nun zurechtkommen. Außerdem war Cullen niemand, der jammerte. Als geschulter Krieger der Kirche kannte er Selbstdisziplin. Lediglich der bittere Kräutertee, den er vor seiner Behandlung zu trinken bekommen hatte, zeigte ein wenig Wirkung und machte den Mann etwas benommen. Ob er den Schmerz, der durch dessen bleiches Gesicht zuckte, tatsächlich linderte, wusste der fereldener Soldat nicht. Wenn, dann wollte er nicht wissen, wie sich seine Oberlippe wohl ohne betäubende Heilkräuter anfühlen mochte... Es brauchte mehr Stiche als gedacht, ehe Vern seine Arbeit vollbracht hatte. Doch am Ende musterte er Cullen zufrieden und wies seinem abwartenden Lehrling an aufzuräumen. Ohne Umschweife tat Thomas dies dann auch gewissenhaft. Der alte Heiler verblieb währenddessen in der Nähe des Knight-Captains und er wirkte aberplötzlich so, als wolle er etwas sagen. Ein, zwei Mal holte er Luft, öffnete die schmalen Lippen, um zu sprechen, doch blieb im Endeffekt stumm. Fragend beäugte der Templer den betagten Mann und bemerkte, wie sich zwischen ihnen eine betreten-ungute Stille ausbreitete. Lediglich das Geklapper verschiedener, medizinischer Instrumente und das Rascheln von Thomas' aufwendig bestickter Robe war zu hören. Dann, endlich, seufzte der Geistheiler der Krankenstation und wendete sich folglich doch noch an den frisch versorgten Cullen: "Wer ist er?" Der angesprochene Krieger stutzte. Er wusste sofort, wen der weise Alte meinte. Anders. Natürlich. Doch er stellte sich dumm: "Wer?" "Der blonde Magier, den ihr gebracht habt." "Er ist ein einfacher Abtrünniger, macht euch keine Gedanken", sprudelte es aus dem überrumpelten Templer hervor und er versäumte es, den Klang seiner Worte zu kontrollieren. Man hörte ihm durchaus an, dass ihm das Schicksal dieses 'einfachen Abtrünnigen' durchaus schwer auf den Schultern lastete. Cullen war ein schlechter Lügner. "Ich glaube, dass Euch etwas an ihm liegt, Knight-Captain", wieder kitzelte ein Lächeln die Mundwinkel des Älteren. Dessen Augen wirkten in diesem Moment so, als könnten sie in den verbohrten Soldaten hinein sehen. Cullens Blick wanderte unstet. "Ihr verhieltet Euch auffällig, wart die ganze Zeit über bei ihm", fuhr der Mann in der hellen Robe fort und auch Thomas linste nun aus den Augenwinkeln her, "Was habt Ihr vor mit ihm?" "Ich weiß Neue einfach nur gerne in sicheren Händen", gab der konfrontierte Cullen nahezu pikiert von sich und wollte sich damit aus dieser verflixten Misere herausreden. Doch er ahnte, dass er dies nicht sonderlich überzeugend tat. Noch nie hatte er gut gelogen. Ach, eigentlich hätte er damit rechnen sollen, dass sein Anliegen irgendwann aufflog, nicht wahr? "Natürlich", meinte der unzufrieden wirkende Heiler dann nur mehr knapp. Doch in seinem Unterton lag mehr; er hatte lediglich entschieden nicht weiter gegen die Verschlossenheit des Knight-Captains anzugehen. Denn eigentlich befand er sich nicht in einer Position, in der er das Recht dazu hatte die rechte Hand der Knight-Commander mit hartnäckig neugierigen Fragen zu belästigen. Die Stille, die sich nachfolgend im weiten Raum ausbreitete, war wahrhaftig unangenehm. Mit der Zunge befeuchtete sich Cullen die trockenen Lippen; vor seiner rechten, frisch vernähten Oberlippe machte er dabei Halt. Nur vorsichtig tippte er an die etwas angeschwollene Stelle; er befühlte den dünnen Faden, der sein Fleisch zusammenhielt, schmeckte eisernes Blut und handelte sich dafür tadelnde Blicke des alten Magiers in der weißen Robe ein. Dieser schien nun nur mehr darauf zu warten, dass der sitzende Templer gleich ging, denn er hatte noch zu tun. Doch Vern sprach keine Aufforderung dazu aus. Er wendete sich lediglich ab, um sich die Hände zu reinigen; es war wie eine stumme Aufforderung. Leise plätscherte dabei das Wasser in eine Schüssel und es roch nach Seife. "Vern?", entkam es der Kehle des ratlosen Knight-Captains dann plötzlich und er wusste nicht, was ihn dazu drängte. Er fühlte sich einfach nur so... ohnmächtig. Allein. Er wollte Anders helfen und stand damit auf verlorenem Posten, konnte mit niemandem darüber reden. Obwohl er der zweitmächtigste Templer in der Galgenburg war, konnte er es sich nicht erlauben, Meredith öffentlich zu hintergehen und seinen Orden zu betrügen. Allein der Gedanke daran löste ein flaues, ungutes Gefühl in seiner Magengegend aus. Cullen war kein Verräter. Doch er kam dieser ganzen verschissenen Sache nicht aus. Nicht, wenn er dem wankelmütigen Heiler aus der Dunkelstadt helfen wollte. Er würde Verbündete brauchen. Und vielleicht... oh, ja, es war so töricht darauf zu hoffen... aber vielleicht fand er jene sogar hier? "Ja, Knight-Captain?" Der grauhaarige Geistheiler unterbrach sein Tun nicht und trocknete sich die nassen Hände mit einem sauberen Baumwolltuch ab, um sich die Robe daraufhin an der Vorderseite glatt zu streifen. Cullen brauchte mehrere Anläufe, um endlich aufrichtig zu sprechen. Er fuhr sich mit der Hand über das blasse Gesicht, seufzte. Es mochte sein, dass er hier, im Zirkel der Stadt der Ketten, ein großes Tier war. Doch in diesem Moment fühlte er sich so... klein. Und Vern schien dies zu merken. Er war offenbar gut darin sich in andere hinein zu versetzen, empathisch und sensibel. Der Alte hatte ein sanftes Gemüt und gerne ein offenes Ohr; er nahm es dem Soldaten bei sich schlussendlich auch ab nach den richtigen Worten suchen zu müssen: "Er ist ein Freund von Euch, nicht?", fragte der nach Lavendelseife duftende Magier völlig ruhig. So, als wäre diese, endlich ausgesprochene Tatsache kein riesengroßer Skandal. Der sichtlich betroffene Krieger blickte unangenehm überrascht auf und seine musternden Augen suchten den Heiler verunsichert. Oh, er kam sich so dämlich vor. "Darum habt Ihr ihn persönlich hergebracht. Habt Ihr ihn vor den Qunari beschützt?", setzte Vern fort und wendete sich wieder zum perplexen Cullen um. Ein gewohntes, schwaches Lächeln zierte sein Gesicht und dies erleichterte dem wirren Befragten das Sprechen enorm. "Ja. So ungefähr." "Das war nobel von Euch, Ser Cullen. Ich hoffe, das ist Euch klar." Cullen zog, ob dieser unerwartet positiv klingenden Aussage, die Augenbrauen zusammen und am liebsten hätte er nun in den Kopf des Magiers hineingeblickt, um zu erkennen, ob dieser seine Aussage ernst gemeint hatte. 'Nobel'..? Vern empfand die Aktion des unvorsichtigen Templers als- "Nobel?", fragte Cullen aus absolutem Unglauben lauter als gewollt und auch Thomas näherte sich nun wieder skeptisch. Der neugierige Junge horchte mit, doch das störte keinen der Anwesenden. Als Vertrauter und Schüler Verns hätte er die Geschichte Cullens so und so früher oder später erfahren. "Ja. Ihr beschützt Euren Freund. Obwohl ihr beide seid, was ihr seid. Magier und Templer sollten genau auf solch eine Weise zusammenarbeiten und einander helfen. Schlussendlich sind wir alle gleich und Personen, die Respekt verdienen." Vern fasste, während er dies aussprach, an die Schulter des sitzenden Mannes und klopfte diese fast schon freundschaftlich. Beinahe wäre Cullen vor dieser ungewohnten Berührung zurückgeschreckt, doch er riss sich am Riemen. Er wusste nicht so recht, warum er dann plötzlich anfing ganz offen zu dem Geistheiler mit den vielen Lachfältchen zu sprechen. Vielleicht waren es Verzweiflung und Ratlosigkeit, die ihn antrieben. Der fereldener Soldat wich dem Blick des alten Heilers abermals aus, als er sprach. Es war schon schwer genug zu reden, er musste Vern dabei nicht auch noch anblicken. "Ich weiß nicht was ich tun soll. Er muss hier raus", flüsterte Cullen beinah und die aufmerksame Miene des Zirkelmagiers wurde ernster. Schweigend hörte er den, sich überschlagenden Worten des verzweifelten Knight-Captains zu. "Er wäre wohl gestorben, hätte ich ihn nicht hergebracht. Und das wollte ich nicht... wir kennen uns nun schon so lange und-" Ja, und was? Sollte er dem anderen Mann hier nun sagen, was er für Anders empfand? "… Ich will ihn einfach nur von hier fort bringen", seufzte Cullen dann hervor, "Der Zirkel hat ihm schon genug angetan.". Hatte er das gerade wirklich gesagt? Oh, was mochte das nun wohl für ein Licht auf ihn werfen? Unschlüssig lenkte er seinen vorsichtigen Blick wieder auf den anwesenden Heiler zurück. Dieser lächelte schon wieder. Oder immer noch? Der Templer wusste nicht, ob dies gut war oder schlecht. Und ob Vern gedachte den fragwürdigen Plan Cullens an Meredith oder Orsino zu verraten. Denn an und für sich wäre dies nun seine Pflicht gewesen, nicht wahr? Jeder Zirkelbewohner musste die Sicherheit seines Zuhauses wahren und gewisse, strikte Regeln einhalten. Und der Knight-Captain verstieß ganz klar dagegen. Mit schlechtem Gewissen, ohja, aber dennoch... "Und Ihr wisst nicht, wie Ihr das anstellen sollt. Weil Ihr den Posten als Hauptmann nicht verlieren möchtet", schlussfolgerte Vern. Er schien daraufhin in Gedanken zu fallen, angestrengt nachzudenken; und dies irritierte Cullen. Er taxierte den Magier und wusste nicht was er antworten sollte. Hatte er tatsächlich Angst seinen Posten zu verlieren und ausgestoßen zu werden? Ja. Er lebte dafür Templer, Knight-Captain, zu sein. Er war stolz darauf, hatte Prinzipien und brauchte Regeln, an denen er festhalten konnte. Wäre all dies plötzlich fort und müsste er seinen Orden verlassen... ah, daran wollte er gar nicht erst denken. Cullen wäre verloren, wüsste nicht was tun. Denn mit seinem Stand als Templer hätte er auch seine Bestimmung eingebüßt. Seinen Sinn zu leben. Cullen schluckte trocken bei dem Gedanken daran, wie nah er eigentlich vor diesem schmerzhaften Verlust stand. Doch was erschien ihm nun als größere Katastrophe? Eine Degradation durch Meredith oder das Verlieren von Anders als... als was auch immer sie füreinander waren? Cullen haderte mit sich und mit dem, was er aussprechen wollte. Er stammelte ein "Ich.... ja-". "Ich werde Euch helfen, Ser", unterbrach ihn der grauhaarige Magier dann und die braunen Augen des planlosen Templers weiteten sich leicht in Unglauben. Er hob den brummenden Kopf irritiert an und fixierte den älteren durchdringend. Wie bitte? "Vern..?" "Und ich habe auch schon eine Idee", gab der gewitzte Zirkelheiler zu und schmunzelte ein wenig in sich hinein "Wenn Ihr wollt, erkläre ich sie Euch." Nach wie vor durchaus verwirrt nickte Cullen nun einfach, denn zu etwas anderem sah er sich gerade nicht imstande. Nie im Leben hätte er daran geglaubt, dass er bei seinem irrsinnigen Plan Unterstützung erhalten würde. Unterstützung von einem Magier, der, aus für ihn unerfindlichen Gründen, mit ihm zusammen arbeiten wollte. Beim Atem des Erbauers! "Wie ihr wisst, verfügen wir im Lazarett über Ersatzroben. Ab und an, etwa bei Operationen, wird unsere Kleidung dreckig und wir müssen uns umziehen. Neue Roben erst zu beantragen wäre zu mühsam", meinte der offenherzige Vern und nickte in die Richtung eines breiten Kleiderschrankes, der in einer der Zimmerecken stand, "Wir haben stets mehrere Monturen da. Ich gebe euch eine für Euren Freund. Wenn Ihr es schafft, dass er sich unbemerkt umziehen kann, wird ihn in solch einer Robe kein Templer als Gefangenen erkennen. Wie die meisten Magierroben haben unsere auch Kapuzen. Der Abtrünnige könnte Euch also, nahezu vermummt und getarnt als Heiler, aus der Galgenburg begleiten. Na?" Nach wie vor völlig durch den Wind blinzelte Cullen dem alten Heiler entgegen. Dessen Angebot klang verlockend, seine Gedanken dazu durchaus plausibel und nachvollziehbar. Ja, natürlich könnte es schief gehen, wenn der Knight-Captain einen vermeintlichen Heiler vom Gelände brächte... doch an und für sich sollte dies nicht wirklich auffallen. Es war nämlich nicht besonders unüblich, wenn ein höher gestellter Templer den Zirkel in Begleitung eines Magiers verließ. Die Zirkelbewohner wurden ab und an auf Erkundungsreisen geschickt oder fungierten als Botschafter. Cullen konnte sich daran erinnern, dass Alchemisten Fereldens der Freigang unter Beobachtung gewährt wurde, wenn sie Kräuter sammeln wollten oder dergleichen. Jeder, der also sehen würde, dass der Knight-Captain von einem Mann in Robe begleitet wurde, würde sich nicht allzu viel dabei denken. Man durfte nur nicht viel Aufsehens darum machen. Das schwere Herz des Templers wurde in diesem Augenblick etwas leichter. Etwas, das man ihm vermutlich ansah, denn der Magier vor ihm seufzte zufrieden "Ich werde Euch zu Eurem Quartier zurück begleiten. Es fällt weniger auf, wenn ich eine separate Heilermontur mit mir herumtrage." II Man sagte, das Gegenteil von Liebe sei Hass. Aber das stimmte nicht, wusste Cullen nun. Das Gegenstück zur Liebe war die Apathie. Solange man starke Gefühle für jemanden hegte, und seien sie auch negativer Natur, solange war einem diese Person nicht einerlei. Die matten Augen des Templers sahen der nüchternen Wand seines Schlafquartiers starr entgegen. Er saß in völliger Dunkelheit auf seinem Bett; lediglich der Mond warf wenige, fahle Lichtstrahlen durch das offene Zimmerfenster herein. Cullen konnte nicht schlafen. Mittlerweile sollte er diesen Zustand ja eigentlich schon gewohnt sein... Ja, das Gegenteil von Liebe war Gleichgültigkeit. Und Anders... der war ihm nicht egal. Und er hasste diesen Magier dafür. Alleine daran zu denken, dass der Blonde in diesem Augenblick wieder in seiner verdreckten, kalten Zelle stehen musste, machte den grüblerischen Knight-Captain nahezu wahnsinnig. Es wäre ihm recht gewesen, empfände er Apathie bezüglich des Zustandes des Abtrünnigen, doch, beim Erbauer, das tat er nicht. Und das würde er nie. Er liebte ihn. Verdammte Scheiße, er liebte Anders. Cullen fuhr sich mit der Hand über das müde Gesicht und seufzte tief, als er seine braunen Augen dann wieder von der Zimmerwand fort riss. Er war ein gestandener Krieger, ein Mann in seinen Dreißigern, und doch fühlte er sich wie ein kleines, dämliches Mädchen. So wie damals, im fereldener Zirkel, als ihn die zukünftige Kommandantin der Grauen Wächter angesprochen hatte. Surana. Oh, hatte er sie geliebt! Oder es jedenfalls gedacht, denn wirklich gekannt, das hatte er sie nicht. Vielleicht war es ja auch bloße Schwärmerei gewesen, die er empfunden hatte. Später war dieses kindische Schwärmen dann zu respektvoller Hochachtung geworden. Er hatte stets nur die herausragenden Heldentaten dieser Frau gesehen; ihr starkes Auftreten, ihre Vorbildlichkeit. Darum hatte er sie gemocht und stets bewundert. Dies waren all die Dinge, an die er nicht dachte, wenn ihm Anders in den Sinn kam. Ja, der Magier war ein, vor Blasphemie triefender Volltrottel. Ein sturer Esel und trotzig wie ein kleiner Junge. Ein gebrandmarkter Rebell und besessener Templerhasser. Eine Abscheulichkeit. Und dennoch... Cullen liebte ihn. Vielleicht auch gerade für seine Fehler. Für dieses Lächeln und die rehbraunen Augen, die ihm immer auf diese... seltsame, gedankenverlorene Art und Weise entgegensahen. Wegen diesen Augen hatte er den Abtrünnigen in die Galgenburg gebracht; damit sie sich nicht für immer schlossen. Cullen hatte Anders gerettet. Doch zu welchem Preis? Der Krieger presste die trockenen Lippen fest aufeinander und ballte die Hände so fest zu Fäusten, dass seine Fingerknöchelchen weiß hervortraten. Er erhob sich aus seinem knarrenden Bett und fing damit an im Raum auf und ab zu gehen. Nervöse Ratlosigkeit drängte ihn dazu. In seinem brummenden Schädel kämpften Vernunft und haltlose Nachlässigkeit miteinander. Denn am liebsten wäre er nun sofort in den Kellertrakt gelaufen und hätte Anders aus dessen Zelle gezerrt. Vor die Galgenburg hätte er ihn gezogen und ihn lange geküsst bevor er ihn in ein Boot gesetzt hätte. Er hätte... er hätte dem Blondschopf alles gesagt, was er gerade fühlte. Es hätte ihn so dermaßen erleichtert. Doch dies klang in wilden Gedanken einfacher als es tatsächlich war. Ja, Erbauer bewahre, es wäre nicht leicht den sprunghaften Heiler einfach so, aus eigener Initiative heraus, zu küssen! Und es wäre nahezu unmöglich ihn jetzt aus dem Zirkel herauszuführen. Und darum ermahnte sich der aufgebrachte Knight-Captain zur Ruhe. Überstürzt zu handeln wäre nun ein enorm großer Fehler gewesen, wusste er. Anders war heute schon äußerst negativ aufgefallen und nun noch mehr Argwohn zu schüren hätte sein Todesurteil sein können. Denn in der Galgenburg ging es nicht so locker zu wie in Kinloch Hold. Man würde die Flucht des Blonden sehr, sehr geschickt einfädeln müssen. Das, ohne zu viel Aufsehen zu erregen. Doch wie? Wie sollte man einem gefangenen Abtrünnigen eine Heilermontur des Zirkels anlegen, ohne, dass man gesehen wurde? Ohne, dass alarmierte Templerwachen dumme Fragen stellten? Sollte man die Kerkerwachen bewusstlos schlagen? Sie mit irgendeiner dummen Ausrede abkommandieren? Ach, alles Blödsinn! Cullen ließ sich wieder auf seine Liegestätte sinken und raufte sich die kurzen Haare. Sein Geist war zu müde, als dass er in dieser Nacht noch eine vernünftige Lösung für seine vielen Probleme finden könnte. Ja, todmüde war er. Und dennoch würde er kein Auge zumachen können. Mit verbittertem Blick starrte er sitzend dem Grund zu seinen kalten Füßen entgegen. Eine ganze Weile lang verblieb er so, rührte sich kein Stück weit. Würde die Sache aus den Rudern laufen und schief gehen... oh, Anders würde sterben, nicht wahr? Sich dies schön zu reden wäre naiv. Sie waren hier nicht in Kinloch Hold, wo Magiern, auch wenn sie kurzzeitig besessen waren, vergeben wurde. In der Galgenburg, unter Meredith, wehte ein anderer Wind. Jede Gefahr wurde hier sofort... eliminiert. Rebellische Magier wurden besänftigt. Es gab hier keine Ausnahmen, keine Gnade. Und daher auch keine Probleme – für Templer jedenfalls. Cullen atmete schwer aus. Sein Atem zitterte dabei und sein Blick sank weiter, auf seine Knie. Er schlug die Augen nieder. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)