Dark Night's Kiss von Darklover ================================================================================ Kapitel 25: 25. Kapitel ----------------------- Am folgenden Dienstag saß Emma an ihrem Schreibtisch, tippte eine Antwortmail für einen Veranstalter in OZ und bekam nur am Rande mit, wie Stella immer wieder von ihrem Platz aufstand, um durch die gesamte Chefetage zu pirschen. Emma wunderte sich nur deshalb darüber, weil die Assistentin normalerweise, selbst in letzter Zeit, da sie öfter zu den Waschräumen musste, nie wirklich lange von ihrem Schreibtisch wegblieb. Andererseits war um diese Zeit schon nicht mehr wirklich viel los und Emma schaffte den Rest auch allein. Vielleicht hatte Stella wegen des Babys den Drang sich zu bewegen? Gut für die Beine vielleicht ... Emma zuckte die Achseln und tippte weiter, bis ihr das Gemurmel einer Gruppe auffiel, die sich um Stella geschart hatte. Zuerst spähte sie nur sehr ungelenk und neugierig an ihrem Mac vorbei, bis Stella sie sah und aufgeregt winkte, Emma solle zu der Gruppe herüberkommen. „Was macht ihr denn?“ „Es geht um Calmaros Geschenk.“ Emma stutzte. Geschenk? „Er hat doch noch gar nicht Geburtstag.“   Stella winkte nachsichtig, als Emma die falschen Schlüsse wegen dieses kleinen Aufmarsches zog. „Nein, kein Geschenk für seinen Geburtstag, sondern ein Geschenk für seinen 10. Hochzeitstag. Er und seine Frau feiern am Sonntag ihr Jubiläum, und da dachten wir, es wäre nett, ihnen dazu zu gratulieren.“ Sie drehte sich zu den anderen Mitarbeitern herum. „Danke Leute für eure Unterstützung. Und gebt es auch noch an die anderen Abteilungen weiter, dann muss ich nicht so weit laufen.“ Stella drückte einem von ihnen die Liste und den kleinen Beutel mit dem bereits gesammelten Geld in die Hand und drehte sich dann wieder zu Emma herum, um mit ihr zusammen wieder den Posten vor Calmaros Büro einzunehmen. „Es wundert mich gar nicht, dass du es noch nicht weißt. Hätte ich ihn am Freitag nicht daran erinnert, hätte er es selbst vergessen. Was das angeht, ist er wirklich wie alle Männer.“ Stella lachte und setzte sich wieder hin, um ihre Beine zu entlasten. „Willst du denn auch etwas zu dem Geschenk beitragen? Wird zwar nichts Großartiges werden, aber ich denke, so eine Flasche mit einem zehnjährigen Champagner kostet bestimmt eine ganze Stange. Oh, ehe ich es vergesse ...“ Stella setzte sich ruckartig auf und begann in ihrem Terminkalender herumzukramen, ehe ihr Finger auf einer Seite zum Liegen kam. „Könntest du mir einen riesigen Gefallen tun?“ Sie setzte ihr hilfsbedürtigstes Schwangerschaftslächeln auf, das sie auf Lager hatte. „Mr. Calmaro hat bereits etwas beim Juwelier für seine Frau in Auftrag gegeben. Am Mittwoch soll es abgeholt werden, aber da habe ich erst meinen Arzttermin und dann muss ich zur Schwangerschaftsgymnastik. Könntest du das vielleicht für mich übernehmen?“   „Klar, mach ich ...“ Emma war so neben der Mütze, dass sie gar nicht wusste, ob sie Stella ins Gesicht sehen konnte. Ihre Hände fühlten sich so an, als müssten sie zittern, taten es aber nicht. Und ihr Hals war kratzig und irgendwie war ihr ... zum Heulen. Ja, wenn sie ganz ehrlich sein sollte, dann müsste sie zugeben, dass sie gern nach Hause gegangen wäre, diesen Hochzeitstag verflucht und sich für den Nachmittag heulend in ihrem Bett verkrochen hätte. Daher hörte sie Stellas Dank gar nicht richtig, sondern überlegte sich stattdessen, ob sie ehrlich sein und eine Spende zum Geschenk ablehnen sollte. Sie wollte den beiden nichts schenken! Noch dazu einen Champagner, den sie zusammen in der Badewanne trinken würden, bevor sie sich für Jubiläumssex besprangen. „Emma?“ Das Telefon klingelte, bevor Stella sie noch mehr mit diesem doofen Hochzeitstag zumüllen konnte. Emma sprang auf, nuschelte ein „geh du bitte ran“, und verschwand in die Toiletten, wo sie wütend die Kabinentür zuknallte, bevor sie sich auf den zugeklappten Klodeckel sinken ließ. 10 Jahre ... Emma trat gegen die geschlossene Tür, sodass es ordentlich knallte, bevor sie einmal schnaubte und dann versuchte, sich wieder zu beruhigen. 10 Jahre mit dieser dummen Kuh und er schenkte ihr auch noch etwas extra Angefertigtes vom Juwelier! „Na, herzlichen Glückwunsch.“   ***   Cayden sah auf die Uhr. Eigentlich müsste Stella bereits mit dem Collier und den dazu passenden Ohrringen hier sein. Immerhin hatte er ihr sogar extra den Fahrer mitgegeben, damit sie mit dem wertvollen Schmuckstück und in ihrem Zustand nicht ein Taxi nehmen musste. Dennoch war sie noch nicht aufgetaucht. Aber im Grunde wusste er nicht wirklich, wie lange sie brauchen würde. Das konnte er nur schätzen. Und da ihn diese ganze Sache mit dem 10. Hochzeitstag ohnehin nicht wirklich interessierte, war ihm das mit dem Schmuck auch egal. Er hatte es nicht vergessen, obwohl Stella das nur allzu gerne angenommen hatte. Natürlich hatte er sich daran erinnert, dass es bald genau zehn Jahre waren, die Vanessa bereits mit ihm unter Vertrag stand. Und so wie die Dinge derzeit standen, würden es noch ungefähr zehn weitere Jahre sein, bis er sich wieder ohne gute Gründe zu nennen, von ihr lösen konnte. Etwas, das ihn nicht gerade erfreute und in letzter Zeit machte es ihn sogar regelrecht gereizt. Er begann sich tatsächlich, schon langsam wie verheiratet zu fühlen. Mit genau den gleichen Ketten um den Hals, wie sie andere verheiratete Männer ertrugen. Wenn es eine gute Frau war, an die man gekettet war, fiel es einem nur allzu leicht, mitzumachen. Man tat es gerne. So viel Erfahrung hatte er auf jeden Fall schon sammeln können. Aber Vanessa war ein Alptraum. Cayden wusste nicht, ob er noch ein weiteres Jahrzehnt mit ihr durchstehen würde. Oder ob er es überhaupt bis zum nächsten Hochzeitstag aushielt. Sie ging ihm von Tag zu Tag mehr an die Substanz.   Emma hörte kaum auf das 'Pling' der Aufzugtüren. Sie wartete nur die Lücke ab, die sie brauchte, um zwischen ihnen hindurchzuschlüpfen. Dann stapfte sie schnell den Weg zu Caydens Büro hinunter, riss die Tür auf, stürmte ins Büro und knallte ihm das schwere Päckchen in der edlen Papiertüte auf den Schreibtisch. „Da. Viel Spaß damit und mit dem, was du dafür bekommst ...“ Emma grinste böse in sich hinein. Oh ja, ungefähr so sollte sie es machen. Wenn sie schon dieses doofe Zeug beim blöden Juwelier abholen musste, damit Cayden es seiner bescheuerten Tussi zum Hochzeitstag schenken konnte! Grummelnd ließ sie sich mit verschränkten Armen gegen die Rückwand der Fahrstuhlkabine sinken und schoss all ihre Verachtung auf die glänzende Papiertüte mit dem eingeprägten Schriftzug des Juweliers, die neben ihren Füßen stand. Am liebsten hätte Emma dagegen getreten. Sie hatte das Collier und die Ohrringe im Laden kurz gesehen. Der nette Angestellte hatte sie sogar nach ihrer Meinung gefragt. Und was das Schlimmste war: Der Schmuck war wunderschön. Viel zu schön für diese dumme Kuh. Immer noch stinkig packte sie die Papiertasche und verließ nicht ganz so stürmisch, wie in ihrem Tagtraum den Lift, um sich zu Caydens Büro aufzumachen. Ringsherum war es bereits recht ruhig. Die meisten Angestellten der Chefabteilung waren nach Hause gegangen. Vor der Tür angekommen warf Emma noch einen giftigen Blick auf die Tasche in ihrer Hand und erkannte selbst nicht, dass sich auch etwas ganz anderes in ihre Augen mischte. Sie klopfte und trat in den großen Raum, kaum dass sie das „Herein“ dazu aufgefordert hatte. „Hier. Ich mach noch schnell die Unterlagen für das Meeting Morgen fertig und bin dann weg.“ Sie hatte ihn nicht einmal angesehen, während sie das sagte. Wollte sie auch nicht. Lieber drehte sie sich um, damit sie endlich diesen Schmuck bei ihm lassen und bald verschwinden konnte.   Cayden blickte mit hochgezogenen Augenbrauen von der edlen Tragetasche hoch, die Emma ihm auf den Tisch gestellt hatte, und wunderte sich nur kurz darüber, sie hier zu sehen anstatt Stella. Denn im nächsten Moment war das vollkommen egal, weil ihm der scharfe Geruch von Emmas Wut nur allzu deutlich in die Nase drang. Hinzu kam noch ihr farbloser Tonfall und dass sie ihn nicht einmal ansah. Was war nur los? „Warte.“ Er stand auf, die Hände auf dem Schreibtisch abgestützt, bereit, darum herumzugehen, um sie tatsächlich aufzuhalten. „Ich hatte doch Stella den Auftrag gegeben, zum Juwelier zu gehen …“ Cayden biss sich auf die Lippen und seine Nasenflügel bebten, als er noch einmal einen tiefen Atemzug von Emmas Wut in sich aufnahm. Wenn er sich nicht vollkommen täuschte, war sie sogar verdammt wütend. Warum?   Emma blieb stehen, drehte sich auf sein „Warte“ allerdings nicht herum. In ihre Wut mischte sich die Empfindung von schlechtem Gewissen und sie fühlte sich verdammt nochmal ziemlich ertappt. „Stella konnte nicht gehen. Sie hatte einen Termin und ...“ ... außerdem hat sie wie jeder andere Besseres zu tun, als dir und deiner Schnepfe irgendwelche Juwelen hinter herzutragen! „Sie ist schwanger.“ Damit war für Emma die Argumentation gegessen. Sie griff nach der Türklinke und war schon halb draußen. „Was ist los, Emma?“ Ihr Nacken prickelte und ihr Magen krampfte sich unter dem sanften Tonfall von Caydens Stimme zusammen. Was sollte sie denn sagen? Dass sie sich wegen seines Hochzeitstags beschissen fühlte? Dass sie nicht verstehen konnte, dass er bei dieser egozentrischen, fiesen Kuh blieb? Dass er glücklich mit dieser Schnepfe war und sie ... liebte? Bevor sie ihm irgendetwas in dieser Art sagte oder am Ende noch ihren Emotionen nach außenhin nachgab, griff Emma zu der Waffe, die Frauen schon seit Urzeiten in solchen Situationen nutzten. „Gar nichts.“   Gar nichts. Cayden hatte schon den Mund geöffnet, um darauf etwas weniger Sanftes zu erwidern, schloss ihn allerdings wieder mit einem lautlosen Knurren und setzte sich hin. „Gut, danke. Dann kannst du gehen“, meinte er knapp, da er sonst den Drang verspüren könnte, sie zu packen und sie so lange mit Fragen zu löchern, bis sie mit der Sprache herausrückte. Wie oft hatte er schon von Frauen diesen Satz gehört und jeder Mann, der keine so guten Sinne oder ein richtig gutes Einfühlungsvermögen hatte wie er, hätte es auf sich beruhen lassen. Obwohl gerade dann etwas im Busch war. Cayden wusste es. Er witterte es, aber er hatte nicht das Recht, Emma darauf anzusprechen. Vielleicht eine private Angelegenheit, die ihn nichts anging. Was ihm nur wieder sehr deutlich zu verstehen gab, dass sie beide sich zwar gut verstanden und sie sich auch immer wieder nett unterhielten, aber das war dann eigentlich schon alles. Und das … nagte irgendwie an ihm. Cayden starrte noch eine ganze Weile die Tür an, hinter der Emma verschwunden war, ehe er die Tasche mit den Juwelen vom Tisch nahm und etwas rüde mit dem Fuß unter seinem Schreibtisch versteckte, damit Vanessa sie nicht gleich sah, wenn sie kam, um ihn zum Abendessen abzuholen. Gerade darauf hatte sie so dringlich bestanden, wie schon lange nicht mehr, bis er schließlich nachgegeben hatte, um ihrer schleimigen Bettelei endlich ein Ende zu bereiten.   ***   Heute war sie der feuchte Traum eines jeden Mannes in Ferrarirot. Vanessa hatte sich für das Abendessen sorgfältig gestylt und nichts dem Zufall überlassen. Sie war beim Friseur, hatte sich ein professionelles Make-up machen lassen und trug ein hautenges Cocktailkleid von einem der angesagtesten Designer der Welt. Dazu einen weißen Pelzmantel, der ihre schlanken Modelkurven betonte und sie nicht, wie so viele andere Frauen, pummelig machte. Dazu noch heiße rote Schuhe und einen dazu passenden Lippenstift. Kein Parfum dieses Mal, nur edelster Seifenduft, gegen den ihr Mann wohl nichts haben konnte, war er doch nur der Hauch einer Geruchsempfindung. Kaum wahrnehmbar für ihre eigene Nase, und da sie ihn absichtlich eine Woche hatte hungern lassen, dürfte heute auch wieder der nötige Appetit für mehr in ihm vorhanden sein. Darum auch das Abendessen. Denn danach würden sie nach Hause fahren, wo die Wahrscheinlichkeit auf heißen Sex höher war als hier im Büro. Sehr viel höher, um ehrlich zu sein. Seltsam, für prüde hätte sie Cayden eigentlich nie wirklich gehalten, aber er war es doch irgendwie. Obwohl es sie verdammt nervte und es absolut unter ihrer Würde war, ging Vanessa nicht sofort in das Büro ihres Mannes, sondern meldete sich wohl oder übel zuerst bei seiner pummeligen Assistentin an. Mit der er vor kurzem in Tokio gewesen war. Wonach er nicht den geringsten Appetit aufgewiesen hatte. Verdammte Schlampe! Vanessa schenkte ihr ein herablassendes Lächeln, als sie vor den mickrigen Schreibtisch dieser kleinen Durchschnittstussi ohne Stil trat. Eigentlich wollte sie fragen, ob ihr Mann schon fertig sei, doch eine böse, eifersüchtige Seite in ihr, ließ sie stattdessen fragen: „Wie war Tokio? So viel Luxus muss doch etwas völlig Neues für Sie gewesen sein, und dann auch noch die ganze Zeit arbeiten. Ich hoffe, mein Mann hat Sie nicht zu hart rangenommen.“   Zuerst wanderte eine von Emmas Augenbrauen tanzend in die Höhe, dann tippte sie die E-Mail zu Ende, schickte sie ab und machte ihr Zeichen für 'erledigt' neben den Termin, damit Stella Morgen Bescheid wusste. Erst dann drehte sie sich zu ihrer 'Besucherin' um. Auf der Höhe, auf der Emma hinter ihrem Schreibtisch saß, konnte sie Vanessas flachen Bauch mit den hervor stehenden Hüftknochen inspizieren, die heute in knallroten Stoff geschoben waren. Langsam und mit einem Funkeln in den Augen, das man nur sehr selten an Emma sah, ließ sie ihren Blick zu Mrs. Calmaros Gesicht wandern. Du hast dir heute den falschen Tag ausgesucht, um mich zu ärgern, Frauchen. „Ja, Sie haben Recht. So viel Luxus bin ich tatsächlich nicht gewohnt. Die teuren Möbel, das gute Essen ... die Drinks.“ Emma lächelte liebenswürdig und derartig falsch, dass es ihr selbst eine Gänsehaut über den Rücken jagte. „Aber man sieht, dass Sie ganz gut mit diesem Luxus zurechtkommen. Das kleine Bäuchlein steht Ihnen gut. War das für die neue Frühjahrskollektion von den Designern gewünscht?“ Scheiß drauf, dass diese ... Person in einem Briefumschlag vermutlich auch noch gut ausgesehen hätte. Emma wünschte ihr Pickel an den –   Zuerst wurde Vanessa blass, ehe sie durch ihr perfektes Make-up hindurch leicht rot im Gesicht wurde. Dieses verdammte Flittchen wagte es –! Doch bevor sie ihre Wut herauslassen konnte, lächelte sie noch herablassender und strich sich über den flachen Bauch, ehe sie die Hand in die Hüften stemmte. „Was wissen Sie schon von den neuesten Frühjahrskollektionen? Mit diesem Arsch passen Sie doch höchstens in billige Klamotten von irgendeiner Wühlkiste. Also legen Sie sich besser nicht mit mir an. Mein Körper landet wenigstens auf den Titelseiten von hochangesehenen Magazinen. Sie hingegen können schon froh sein, wenn irgendein Bauarbeiter oder schmieriger Müllmann Ihnen aus lauter Verzweiflung hinterher blickt. Ich frag mich wirklich, wie sich mein Mann nur mit Ihnen sehen lassen kann.“   Am liebsten hätte Emma ihr das Lächeln um ihre knochigen Hüften gewickelt. „Wissen Sie, mein Arsch geht wenigstens nur mich was an. Mir persönlich wäre es nämlich unangenehm, von Männern nur als Wichsvorlage angesehen zu werden. Aber darüber brauchen Sie sich ja auch nicht mehr allzu viele Sorgen zu machen, nicht wahr? Wie alt sind Sie? Vierunddreißig? Ich schätze, in spätestens zwei Jahren sind ihre Silikonsäcke so ausgeleiert und ihre Falten eindeutig zu tief, um es auch nur noch auf das Cover irgendeines Katalogs zu schaffen, bei dem ich meine Klamotten bestelle.“   Vanessas Lächeln gefror, ehe es ganz erlosch. Ihr ganzer Körper spannte sich vor Wut an und ihr war heiß und kalt zugleich, denn sie wusste, das würde eines Tages passieren. So ungern sie diesem Miststück auch Recht gab, wenn der Vertrag mit Cayden beendet war, würde das passieren und sie konnte nichts dagegen tun, es sei denn, sie brachte ihn dazu, dass er sie in einen Vampir verwandelte. Dass er ihr ewige Jugend schenkte. Doch das würde er nicht tun, oder? Er liebte sie nicht. Begehrte sie noch nicht einmal wirklich. Vanessa hätte dafür getötet, wenn er sie nur einmal so angesehen hätte, wie er dieses hässliche Weib vor ihr angesehen hatte. Was fand er nur an dieser fetten ... „Jetzt hör mir mal ganz genau zu, du verdammte Speckschwarte!“, zischte sie leise, so dass niemand außer besagte Person sie hören konnte, während sie sich aggressiv auf den Schreibtisch abstützte und Emma offen drohte. „Ich bin achtundzwanzig, und selbst wenn ich achtunddreißig werde, werde ich immer noch um Längen besser aussehen, als du mit deiner Orangenhaut und den Hängetitten es jetzt tust. Du gehörst nicht in die Schicht, in der mein Mann und ich leben. Also verpiss dich gefälligst wieder in die untere Preisklasse, wo du hinge-“ Ein eiskalter Schauer überlief Vanessa, ehe sie sich abrupt aufrichtete und herum wirbelte, sodass ihr der Pelzmantel von der Schulter rutschte. Cayden stand in der offenen Bürotür, die Arme vor der Brust verschränkt und in einer scheinbar lässigen Haltung. Aber seine giftgrünen Augen blitzten auf eine Art, die Vanessa regelrecht die Luft aus den Lungen trieb. „Sch-Schatz …?“, brachte sie mit brüchiger und überraschter Stimme hervor, und hoffte, er hätte nichts von dem fast schon geflüsterten Gespräch gehört. Aber sein nichtssagender Blick war alles, was sie wissen musste. Scheiße … „Sehr interessante Ansicht, die du da vertrittst, Darling.“ Es hörte sich ganz und gar nicht wie ein Kosewort an. Eher wie eine stille Drohung. „Warum sprichst du nicht weiter? Mich hätte wirklich noch das Ende deiner kleinen Rede interessiert.“ Vanessa wurde kalkweiß im Gesicht und konnte nicht atmen. Scheiße. Scheiße. Scheiße … Sie begann zu zittern. „Eine kluge Entscheidung“, meinte Cayden immer noch frostig und stieß sich von der Tür ab. Er war zwar nur um ein paar Zentimeter größer als Vanessa, aber momentan schien sie vor ihm regelrecht zusammenzuschrumpfen. An seine Assistentin gewandt, meinte er abscheulich sanft: „Sie können nach Hause gehen, Emma. Wir wollen den Tisch für unsere Verabredung nicht verpassen, und Sie wollen sich doch sicher noch einen schönen Abend machen. Gute Nacht.“ Als Cayden ihr den Mantel wieder über die Schulter zog und seine Hand auf ihren Rücken legte, wäre sie beinahe zusammengezuckt. Genauso wie die Betonung des Kosenamens für sie, versprach auch die Art, wie er Verabredung hervorgehoben hatte, kein gemütliches Abendessen. So wütend hatte sie ihn noch nie gesehen. Unfähig, irgendwie darauf zu regieren, ließ sie sich einfach von ihm zum Aufzug führen. Sie hatte einen Fehler gemacht.   Speckschwarte?! Emmas Augen wollten aus ihrem geröteten Gesicht fallen, als Mrs. Calmaro sich über ihren Schreibtisch beugte und sie damit noch einmal davon abhielt, ihr lautstark ihre Meinung zu geigen. „Na klar. Und meine Oma ist der Weihnachtsmann. Kauft dir die 28 je jemand ab?“ Verdammte Kuh! Normalerweise hätte Emma sich gar nicht so weit provozieren lassen. Sie hätte von Anfang an die Klappe gehalten und sich sogar wegen dem, was ihr an den Kopf geworfen wurde, schlecht gefühlt. An jedem anderen Tag und von jeder anderen Person hätte sie die verbalen Prügel eingesteckt, aber nicht von – Emma zuckte zusammen, als Vanessa sich auf einmal umdrehte und den Blick auf die Bürotür freigab, der Emma genau gegenübersaß. „Cay-“ Sie klappte den Mund sofort wieder zu, konnte aber nichts gegen die Röte machen, die ihr vor Scham in die Wangen stieg. Scheiße. Sie hatte sich aufgeführt, wie eine tollwütige und gleichzeitig läufige Hündin. Und noch dazu gegenüber seiner Ehefrau! „Sie können nach Hause gehen, Emma. Wir wollen den Tisch für unsere Verabredung nicht verpassen und Sie wollen sich doch sicher noch einen schönen Abend machen. Gute Nacht.“ Sie sollte irgendetwas sagen. Dass Vanessa gar nicht allein Schuld hatte. Dass sie – Emma musste nur an die Bezeichnung denken, die Mrs. Calmaro ihr verpasst hatte – und an die Spendengala – um einfach die Klappe zu halten. Sollten die beiden doch machen, was sie wollten.   „Hör zu, ich –“ „Nein“, unterbrach Cayden seine Frau leise und kühl, während sie in seinem Wagen durch die Stadt fuhren. Das Abendessen konnte sie vergessen. Der Appetit war ihm vergangen. In vielerlei Hinsicht. „Ich will keine Erklärungen hören.“ „Aber sie hat mich provoziert und beleidigt!“, verteidigte sich Vanessa mit einem verärgerten Schmollen auf den Lippen, während sie zugleich versuchte, dennoch irgendwie unterwürfig zu bleiben. Irgendwie konnte sie das ziemlich gut. „Vanessa, ich kenne dich. Deine Zunge ist schärfer als meine Rasierklingen, also erzähl mir nicht, meine Assistentin hätte angefangen. Ich wittere genau, dass du lügst.“ Auch wenn er sich sicher war, dass Emma zurückgebissen hatte, obwohl er das Gespräch nicht von Anfang an verfolgt hatte und demnach auch nichts dazu sagen konnte, außer: „Ich habe dir schon einmal gesagt, du sollst sie in Ruhe lassen und noch einmal werde ich es nicht wiederholen.“ Er war immer noch ruhig. Immer noch verdammt wütend, aber seine Wut verrauchte langsam. Kurz glaubte Cayden daran, Vanessa zum Schweigen gebracht zu haben, doch er sollte es besser wissen. In letzter Zeit wurde sie immer aufmüpfiger. „Dann hätte die Schlampe auch dich in Ruhe lassen sollen!“ Caydens Miene blieb unbewegt, er hielt sogar genau das Tempolimit ein und fuhr ordentlich, ohne den Blick von der Straße zu nehmen. „Sprich nicht in Rätseln. Sag mir lieber, was dir nicht passt.“ Vanessa entfuhr ein spitzer Laut, als könne sie seine gleichgültige Miene nicht fassen. Aber er würde ihr keine Angriffsfläche für bloße Spekulationen geben. Schließlich hatte sie ihm auch schon einmal vorgeworfen, eine Affäre mit Stella zu haben und dass das absoluter Blödsinn war, konnte er nur bestätigen. Sie war glücklich verheiratet und erwartete ein Kind. Warum sollte sie also interessant für ihn sein? „Nun gib’s doch schon zu, dass du von ihr getrunken hast, als du in Tokio warst! Oder warum wolltest du sonst nach mehr als einer Woche nicht von mir trinken?“ „Glaub nicht, du bist meine einzige Blutquelle. So oft, wie du unsere Termine sausen lässt, wäre ich schon längst verdurstet oder du vollkommen leergesaugt. Also wirf mir nicht vor, dass ich zu unserem beider Wohl Vorräte horte.“ Vanessa schnaubte. „Vorräte nennt man das also heutzutage!“ Cayden holte still tief Luft. Langsam ging ihm dieses Gespräch auf die Nerven. „Wie würdest du es sonst nennen?“, wollte er gelassen wissen und setzte den Blinker, um in ihre lange Einfahrt zu biegen. Vanessa schwieg. Aber er wusste trotzdem, was sie dachte. Sie dachte an Affäre. An Ehebruch und Herumhurerei. Doch sie konnte es ihm nicht vorwerfen, da sie es selbst tat. Als der Wagen schließlich stand, stieg keiner von ihnen beiden aus. „Ich halte es für besser, wenn wir uns erst am Sonntag wieder sehen. Deine Eifersuchtsattacken sind sowohl unbegründet, wie auch lästig und zudem vollkommen unangebracht, bedenkt man, wie es zwischen uns wirklich steht. Also komm wieder runter.“ Vanessa blieb aus purem Protest noch ein bisschen länger sitzen, ehe sie sich geschlagen gab und schließlich ausstieg. Sie drehte sich nicht um, als sie mit wütenden Schritten die Eingangstreppe hinaufging und er sah nicht in den Rückspiegel, als er die Auffahrt erneut entlang fuhr, um wieder ins Zentrum von Wellington zu fahren. Vielleicht hatte Helen heute Abend für ihn Zeit. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)