Dark Night's Kiss von Darklover ================================================================================ Kapitel 23: 23. Kapitel ----------------------- Letztendlich schaffte er es nur, weil er seine eigene Mittagspause um ein gutes Stück kürzte. Danach schickte er Emma noch eine kurze Nachricht, ob sie sich nicht vielleicht unten vor der Tür treffen könnten, ehe er sich wie gewohnt, seiner Entspannungsübung hingab, um wieder runter zu kommen, auf was für einen Trip er auch immer war. Fünf Minuten nach 13 Uhr kam er schließlich aus den Türen zum Bürogebäude, vor denen Emma etwas abseits bereits auf ihn wartete. „Tut mir leid, wegen der Verspätung. Da war noch ein Anruf von … meinem Optiker. Den musste ich annehmen.“   Emma hatte eine Weile vor der Tür gestanden, immer wieder zu den Fahrstühlen hinübergelinst und sich schließlich dazu entschlossen, einen gewissen Sicherheitsabstand zwischen sich und die Tür zu bringen. Dann sah es vielleicht nicht so offensichtlich danach aus, dass sie auf jemanden wartete. Dass sie zusammen in das Restaurant gleich um die Ecke gingen, war ohnehin schon auffällig genug, wenn man – Emma stoppte ihre Gedanken, bevor sie sich selbst auch nur ansatzweise zur Affäre abstempeln konnte. Was sollte das denn? Bloß, weil sie einmal Sex gehabt hatten. „Ouuu ...“ Emma presste die Augen zusammen und wollte sich am liebsten mit der flachen Hand vor die Stirn schlagen. Fing es nicht so an? Dass man sich selbst davon zu überzeugen versuchte, dass es ja nur einmal gewesen war? Dass es gar nicht so schlimm war, wie es aussah? Emma, du willst doch nicht als gelegentlicher Entspannungs-Büro-Pop enden! „Tut mir leid, wegen der Verspätung. Da war noch ein Anruf von … meinem Optiker. Den musste ich annehmen.“ Emma merkte, wie sie strahlte. Aufhören! „Ist schon in Ordnung. Ich kenne ja deinen Terminkalender. Geht das schnell mit deiner neuen Brille?“ Sie sollte sich nicht dieses Quäntchen besorgt anhören. Und sie sollte vermutlich auch nicht so direkt in seine Augen sehen, die sie mit den Kontaktlinsen an den Morgen nach ... dieser Nacht erinnerten.   Während sie sich auf den Weg machten, sah sich Cayden in ihrer Umgebung um, allerdings nicht, weil er befürchtete, von jemandem mit Emma erkannt zu werden, sondern weil es so ungewohnt war, bei hellem Tageslicht hier entlang zu gehen. Normalerweise kam er aus dem Büro, wenn es schon längst dunkel und kaum noch was auf den Straßen los war. „Heute Abend, nach meiner letzten Besprechung habe ich einen Termin, um die neuen Gläser anzupassen. Ich werde mir gleich eine Reservebrille anfertigen lassen. Nur für alle Fälle.“ Und blaue Kontaktlinsen wären eine Überlegung wert. Zumindest, da sie Emma besser gefielen als die, die er jetzt trug. Ihre Meinung war ihm wichtig, gerade weil sie sich traute, sie ihm zu sagen. Die meisten sagten ihm nur das ins Gesicht, was er hören wollte, obwohl er wusste, dass sie logen und das nervte ihn, da er sie nicht darauf ansprechen konnte. Schließlich war er kein Spürhund, sondern sollte als Mensch durchgehen. „Es dürfte also nicht allzu lange dauern, bis ich diese Kontaktlinsenquälerei wieder los bin“, fuhr er rasch fort, ehe er Emma die Tür zu dem kleinen Restaurant aufhielt und dann ihren Mantel abnahm, um ihn aufzuhängen. Das Restaurant war vielleicht klein und etwas billig, aber sehr gemütlich. Cayden war seit seiner Zeit bei C&C noch nie hier gewesen. Kurz überflog er den großen und doch leicht vollgestopften Raum, ehe er Emma zwischen Tische, Stühle, Gäste und Kellner in eine der hinteren Ecken lotste, wo sie den ganzen Raum überblicken konnten, aber dennoch nicht davon erdrückt wurden. Cayden sah gerne, was um ihn herum geschah, weshalb er sich auf die Bank in einer kleinen Nische setzte, wo um die Ecke noch genug Platz für Emma wäre, es sei denn, sie bevorzugte den Stuhl. „Und spürst du auch den Jetlag?“, versuchte er das Gespräch locker anzugehen, während sie auf einen Kellner warteten.   Emma ließ sich auf der gepolsterten Bank nieder, zupfte an ihren Klamotten herum, legte ihre Handtasche neben sich ab und sah einmal in die Runde, bevor sie sich Cayden zuwandte. Irgendwie machte sie die Sache nervös. Und dass sie nicht genau einschätzen konnte, auf welche Art es sie nervös machte, half nicht unbedingt, um sich wohler zu fühlen. Emma wusste, dass sie sich mit Cayden unterhalten konnte. Das wäre nicht das Problem. Was ihr nicht klar war, blieb der Grund dieser ganzen Einladung. Wollte er nur mit ihr essen? Das passte irgendwie nicht in das Bild, das sie bis jetzt von ihm hatte. Und schon gar nicht, wo sie jetzt wieder in Welly und damit in 'normalen Gefilden' waren. Was aber nicht hieß, dass sie sich in seiner Gegenwart wirklich unwohl fühlte. Es lag bestimmt nicht an ihm als Person. Ihn mochte sie. Zumindest das war sicher. „Dann scheint dein Optiker gute Verbindungen zur Herstellung zu haben. Normalerweise dauert es doch ewig, bis man seine neue Brille bekommt“, fasste sie das Thema von vorhin noch einmal auf. „Hast du dir dann schon überlegt, in welche Richtung das neue Gestell gehen soll? Ich glaube ja, dir steht ein echtes Gestell schon. Also nicht ganz randlos. Aber das braune Plastik war einfach ...“ Sie schüttelte sich demonstrativ, grinste ihn dann aber breit an. „Wie wäre es mit Gold?“ Der Kellner unterbrach höflich und Emma bestellte sich ein Sandwich mit Putenstreifen und Avocado. Dazu eine Cola light. Kaffee würde sie später noch trinken, wenn es auf den Abend zuging und sie den Kick für die letzten Runden brauchte. „Und der Jetlag ... es geht. Angeblich ist der Trick ja der, zu ganz normalen Zeiten ins Bett zu gehen und aufzustehen. Bloß nicht den eigentlichen Rhythmus durcheinanderbringen.“   „Ich bin bei einem privaten Optiker, der gute Beziehungen hat. Da geht sowas ziemlich schnell.“ Das war zwar nicht die Wahrheit, aber Emma zu sagen, dass es nun einmal sehr viel mehr Menschen als Vampire auf der Welt gab und die nicht alle in Wellington hockten, wäre nicht ganz das Tischgespräch gewesen, das er sich vorgestellt hatte. Also ließ er es bleiben. „Hm … Wenn du meinst, dass Gold gut wäre, probier ich das auf jeden Fall einmal aus. Aber eins ist schon einmal sicher, das alte Gestell lasse ich nicht mehr auf die Welt los.“ Er lachte. „Ich meine, das Ding war wirklich fast schon antik. Aber in diesen Sachen bin ich einfach nur faul. Da es ja schließlich doch wieder einen zeitlichen Aufwand bedeutet und die Gläser ja noch in Ordnung waren. Ich meine das Teil hat mehr als 16 Jahre überstanden.“ Wohl eher 36, aber laut seinem Aussehen, dürfte er da noch nicht einmal geboren worden sein. Also wieder eine Lüge. „Wurde wirklich Zeit, dass sie in den Ruhestand geht.“ Cayden bestellte sich bei dem Kellner einen Mangosaft und einen Salat mit gebackenen Putenstreifen darauf. „Ja, das stimmt. Nur blöd, wenn man dann nicht schlafen kann … Ich bin schon seit vier Uhr morgens im Büro und versuche die angesammelte Arbeit wieder aufzuholen.“ Cayden fuhr den Rand seiner Serviette nach und schob das Besteck noch einmal gleich, ehe er Emma ansah. „Du siehst auch nicht gerade so aus, als hättest du lange geschlafen.“ Wenigstens war sie nicht mehr so blass im Gesicht. Zumindest das war schon einmal eine kleine Erleichterung. Aber die leichten Ringe unter ihren Augen sorgten ihn ebenfalls mehr, als sie sollten. Ob es ihr gesundheitlich gut ging? Cayden hatte zwar versucht, darüber nachzudenken, wie viel er von ihr wirklich getrunken haben könnte, wusste es bis jetzt aber immer noch nicht genau. Ein Liter müsste es jedoch schon gewesen sein und das war nicht gerade wenig für eine Frau in Emmas Größe.   „16 Jahre? Wow! Und dir hat nie jemand gesagt, dass sie ... etwas aus der Mode geraten ist und dir nicht gerade schmeichelt?“ Das konnte sich Emma nun wirklich nicht vorstellen. Jedem seiner Freunde musste das doch aufgefallen sein und seiner – „Bestimmt findest du was Cooles. Es gibt so viele Brillengestelle. Und so, wie ich das kenne, ist das so eine Sache, bei der man sofort weiß, dass man die Richtige gefunden hat, wenn man sie in den Händen hält.“ So war es zumindest bei ihrer Mom immer gewesen, wenn Emma mit ihr Brillen ausgesucht hatte. Ewig war herumprobiert worden, bloß um dann die Richtige herauszuziehen und sich sofort einig zu sein, dass es die und keine Andere sein musste! „Oh man, du hältst wirklich nicht viel von Pausen, oder?“ Sie sah ihn vollkommen ernsthaft an und überlegte, warum man ihm wohl so wenig ansehen konnte, dass er so übel mit sich selbst umging. „Um vier sollte man entweder auf einer Tanzfläche stehen, mit Freunden rumhängen oder im Bett liegen und schlafen.“ Oder andere Dinge im Bett tun, die sie jetzt sicher nicht ansprechen würde. Sie sah weg und antwortete erst dann. „Nein, ehrlich gesagt hab ich nicht gut geschlafen. Fiese Träume.“ Sie zuckte die Schultern und wandte sich mit einem kleinen Lächeln wieder Cayden zu. „Passiert.“   „Du meinst, ob mir mal jemand gesagt hat, wie grottenhässlich das Teil in Wahrheit ist? Nein, die Courage hattest bisher nur du.“ Cayden schenkte Emma ein Lächeln und dankte dem Kellner, der leise ihre Getränke brachte, um ihr Gespräch nicht zu stören. „Hm. So ist es mir noch nie ergangen. Ich meine mit dem Aussuchen von Brillen. Ich weiß auch nicht, ich denke da vermutlich viel zu rationell und praktisch. Hauptsache das Teil hält was aus, anstatt viel herzumachen. Dafür fehlt mir wohl einfach irgendwie der passende Durchblick.“ Bevor er über seinen kleinen Scherz lachen konnte, nahm er einen erfrischenden Schluck von seinem Mangosaft und lehnte sich entspannt zurück, während er einen Blick durch den Raum schweifen ließ. Alles nur fremde Gesichter, obwohl er sich ziemlich sicher war, dass viele Leute hier regelmäßig in der Mittagspause zum Essen herkamen. Vielleicht gingen die Mitarbeiter von C&C lieber in den Starbucks gegenüber des Bürogebäudes. Emmas nächste Worte ließen ihn wieder aufhorchen. Das mit den Dingen, die man eher noch um vier Uhr morgens machen sollte, war zwar nicht falsch, ließ er aber einfach links liegen, als er ihren Tonfall hörte, was das danach anging. Sie lächelte zwar, als sie es locker mit einem Schulterzucken abtat, aber ihr Duft sagte etwas anderes, vor allem auch die Art, wie sie sich unmerklich anspannte. Der Kellner erschien erneut an ihrem Tisch, doch dieses Mal mit wohlduftendem Essen. Dennoch rührte Cayden sein Besteck nicht an, sondern sah weiterhin unverwandt zu Emma hinüber. „Ja, das passiert. Aber meistens nicht ohne Gründe.“ Er hatte es ausgesprochen, bevor er richtig darüber nachgedacht hatte. Denn wenn er es getan hätte, hätte er es einfach auf sich beruhen lassen. Immerhin wüsste er da schon ein paar Gründe, die Emma eine ruhige Nacht versauen konnten. Zum Beispiel die Sache zwischen ihnen beiden. Es war zwar dunkel gewesen, aber er … Nein, das hatte damit bestimmt nichts zu tun. Menschen hatten doch andauernd schlechte Träume und das konnte selbst daran liegen, was sie zuvor gegessen hatten. Das musste er nun wirklich nicht auch noch auf den Berg seiner Gewissensbisse laden. Entschlossen nahm er schließlich die Gabel zur Hand und probierte seinen Salat. Er war eigentlich ganz lecker.   „Manche nennen es Courage, andere nennen es, das Talent kopfüber in Fettnäpfchen zu springen.“ Emma lachte leise und drehte ihren Teller so herum, dass das Sandwich direkt auf sie zeigte, und zog dann die Zahnstocher aus dem Brot, um sie zur Seite zu legen. Sie ließ einen kleinen Grummellaut hören, als sie in ihr Mittagessen biss und sich gleichzeitig eine Antwort auf Caydens Hinweis überlegte. Es war ja bestimmt nicht so, dass sie nicht darüber nachgedacht hätte, was ihr diesen Traum beschert haben könnte. Bloß war sie dabei auf keinen grünen Zweig gekommen. „Hm. Ich hab gegrübelt, aber mir ist wirklich nichts eingefallen, was den Traum hätte auslösen können. Normalerweise haben meine Träume sehr direkt mit dem zu tun, was ich so tagsüber erlebe. Aber um Gotteswillen, ich kann mich nicht daran erinnern, in letzter Zeit irgendwelchen Raubtieren begegnet zu sein, die mich mit Reißzähnen, die ungefähr so lang waren, auseinanderreißen wollten.“ Sie zeigte mit Daumen und Zeigefinger die Länge der Zähne in ihrem Traum an und verlor dabei eine Tomatenscheibe aus ihrem Sandwich. Während sie weiter redete, legte Emma daher ihr Brot auf dem Teller ab, klappte es auf und legte die Tomate wieder an die Stelle, an der sie wohl verloren gegangen war. Auf solche Kleinigkeiten achtete sie beim Essen. „Also echt keine Ahnung. Angeblich hat man solche Verfolgungsträume ja im Teenageralter. Aber da bin ich ja jetzt auch schon raus. Hoffe ich zumindest.“   Cayden lief es eiskalt den Rücken runter, während er Emma zuhörte und zugleich weiter zu essen versuchte. Doch irgendwie wollten die dünnen Salatblätter nur sehr widerspenstig seine Speiseröhre hinunter wandern, weshalb er mit einem Schluck Mangosaft nachspülte und dann nur noch die Gabel untätig in der Hand hielt. Er sah Emma nicht an, sondern schien viel mehr zu beurteilen, ob seine gebackenen Hühnchenstreifen genau richtig oder eine Spur zu lange der Hitze ausgesetzt gewesen waren. Dennoch sah er im Augenwinkel die Größe der geträumten Reißzähne, die sie ihm zeigte, was ihm noch mehr die Kehle zuschnürte. Seine waren vielleicht nicht einmal annähernd so lang, aber dafür umso schärfer, und auch wenn er sie bestimmt nicht hatte auseinanderreißen wollen, so hatte er sie doch gebissen und ihr Blut getrunken. Für viele schon Grund genug, Alpträume zu haben, aber er musste ja auch noch eins draufsetzen, in dem er sie dabei auch noch so hart … „Vielleicht noch ein Überbleibsel von dem Überfall vor einigen Wochen?“, versuchte er schwach mit ihr eine Erklärung zu finden und wurde sich erst im nächsten Moment klar, dass der Vampir damals sie ja noch nicht einmal gebissen hatte. Verdammt! „Ich meine, wenn einem Gewalt angetan wird, dann kann sich das in vielerlei seltsamen Dingen … äußern. Zum Beispiel Alpträume. Soweit ich weiß, hattest du damals auch keinen sehr gesegneten Schlaf.“ Cayden zwang sich dazu, ein Stück Hühnerfleisch zu essen, obwohl es gerade nicht besser, als ein alter Kaugummi schmeckte. Überhaupt hatte er gerade einen ziemlich bitteren Geschmack im Mund. Wieder begannen ihn die Gewissensbisse, anzunagen. „Aber das wird sicher wieder. Schließlich hast du es auch beim ersten Mal überstanden. Nicht wahr? Wenn du aber darüber reden willst … Ich hab Zeit … Zumindest gerade eben.“ Er lächelte schwach.   Emma sah ihn schweigend an. Ihre Hände hatte sie sinken lassen und das Sandwich auf ihren Teller zurückgelegt. Nur eine Winzigkeit zuckten ihre Augenbrauen zusammen, während es in ihrem Hirn auf Hochtouren ratterte. Warum sie gerade jetzt jedes seiner Worte so genau in ihrem Kopf wiederholte, sie auf die Goldwaage legte und sich damit irgendwie trotzdem nicht ... gänzlich sicher fühlte, wusste sie nicht. Aber es war nun einmal, wie es war und Emma konnte ein kleines Maß an Skepsis einfach nicht vertreiben. Auch wenn sie trotzdem über ihren Schatten sprang und einfach weiter redete. „Stimmt schon.“ Ihre Stimme war ruhig, und obwohl Emma sich sehr lebhaft an die Zeit vor diesen 'paar Wochen' erinnerte, war es trotzdem nicht dasselbe. Die Träume hatten das gleiche Motiv, aber irgendetwas ... war anders. „Vielleicht lag es auch am Jetlag oder dem langen Flug, dass mein Hirn das wieder ausgegraben hat. Wobei ich ja nicht behaupten kann, dass ich mich in Tokio-“ Etwas machte hinter ihrer Stirn so laut 'klick', dass Emma Cayden so erstaunt ansah, dass sogar er seine Gabel sinken ließ. „Du ... Ich hoffe, das hast du nicht gemeint.“ Ihr wurde heiß und sie sah ihn nun nicht erstaunt, sondern wirklich peinlich berührt an. „Also du sagtest 'beim ersten Mal'. Du glaubst doch nicht, dass ich ... also dass ich glaube, mein Albtraum hätte mit ...“ Während sie mit dem Zeigefinger zwischen ihnen beiden hin und her zeigte, wurden Emmas Wangen rosa. „Bitte, das wollte ich nicht sagen. Das war doch ... kein Überfall.“ Die letzten Worte hatte sie mehr genuschelt, bevor sie sich einen riesigen Bissen ihres Sandwiches in den Mund schob, um ihn so für eine Weile ordentlich zu verschließen. Nein, nein, nein. Das war wirklich kein Vorwurf gewesen! Emma hoffte mit immer noch glühenden Wangen, dass Cayden das nicht so verstanden hatte. Sie war doch einverstanden gewesen. Und eigentlich hatte sie das Thema bestimmt nicht aufwühlen wollen.   Cayden legte die Gabel aus der Hand und lehnte sich zurück, während er den Salz- und den Pfefferstreuer auf dem Tisch anstarrte, ohne ein Wort zu sagen, nachdem Emma ihre Sicht der Dinge mehr oder weniger gestammelt hervorgebracht hatte. Ihm entging nicht, wie ihr Puls zu rasen begann. Wie ihr das Blut in die Wangen schoss und ihr Herz heftig klopfte. Seines passte sich ihrem an, auch wenn ihm nicht heiß, sondern viel mehr noch eine Spur kälter wurde. Es war ihm nicht peinlich. Nein. Es tat ihm leid. Viel mehr noch, da seine Fänge plötzlich wieder pulsierten, als er ihre erhöhte Blutzirkulation mit seinen Sinnen wahrnahm. Kurz schloss er die Augen und atmete einmal tief durch, ehe er sie wieder öffnete, Emma dabei aber nicht ansah. „Das war zwar nicht ganz das, worüber ich mit dir reden wollte, aber ich denke, wir sollten es dennoch nicht einfach totschweigen.“ Wieder ein tiefer Atemzug, ehe er sich dazu zwang, Emma in die Augen zu sehen. „Es tut mir leid, wie ich dich behandelt habe. Du sagst zwar, es war kein Überfall, aber …“ Cayden senkte den Blick. „… mir kam es so vor. Ich meine, mich würde es nicht wundern, wenn ich für die Alpträume verantwortlich bin. Schließlich habe ich dich in meinem Zustand gebissen. Zwar nicht so fest, dass man großartig davon etwas gesehen hätte, aber du … du hast doch die Flecken gesehen und dann die Art, wie ich dich …“ Er sah sie wieder an. Entschlossen, aber auch entschuldigend. „Das war alles andere als charmant und das tut mir wirklich sehr leid. Ich hatte wirklich Spaß mit dir, was den Tag davor anging und auch das Abendessen fand ich nett. Aber alles danach … Du bist eine bemerkenswerte Frau, Emma und hättest etwas anderes als diese … Rohheit verdient.“   Plötzlich schmeckte das leckere Sandwich nur noch nach Wellpappe und Emma konnte sich nur gerade so davon abhalten, es mitsamt dem Teller von sich zu schieben. Cayden hatte nicht darüber reden wollen. Und dem Seufzen nach war es ihm nicht gerade angenehm, dass Emma es doch auf den Tisch gebracht hatte. Noch dazu so ungeschickt, wie sie selbst fand. Als er seinen Blick hob und seine Augen sie trotz der Kontaktlinsen stark fixierten, wollte sich Emma der Magen zusammenkrampfen. Er ... entschuldigte sich? Als er auch noch wie ein geschlagener Hund wegsah, wurde es Emma zu viel. „Cayden, hör mal. Das ist doch kein Drama. Dir sind vielleicht ein bisschen die Pferde durchgegangen, aber ich hatte bestimmt nicht –“ Emma sah sich zum ersten Mal in dem gut gefüllten Restaurant um und wollte ihre Stimme senken. Auch wenn unter den Gästen keine Angestellten der C&C waren, die Cayden oder sie selbst erkannten, sollte man in aller Öffentlichkeit vielleicht trotzdem nicht herausposaunen, wie derb man sich in der Nacht verhalten hatte. Als sie sich wieder zu ihm drehte und ihn weiter beschwichtigen wollte, sah er sie wieder an. Ein Blick reichte schon, um Emma zum Schweigen zu bringen. Ihre Lippen waren fest geschlossen, während sie ihm zuhörte und mit jedem Wort immer weniger zu verstehen schien, was er ihr sagen wollte. Zuerst hörte es sich so an, als wolle er sicherstellen, dass sie nicht zu viel in diese eine Nacht hinein interpretierte. ls wolle er das Emma schon altbekannte Schild 'es ging nur um Spaß' aufstellen. Aber irgendwie ... schien das nicht genau das zu sein, was er meinte. Wollte er sagen, dass er zwar am Tag Spaß gehabt hatte, aber nachts nicht? Aber er war doch – „Du bist eine bemerkenswerte Frau, Emma ...“ Warum fing sie an zu zittern? Und warum waren ihre Wangen so verdammt heiß und ihr Blick so verschwommen? Emma versuchte ruhig zu atmen und sich ihren leichten Schock nicht anmerken zu lassen. Was wollte er denn jetzt hören? Ein Danke? Oder ... „Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung, was du mir sagen willst.“ Es war aus ihr heraus, bevor sie es aufhalten konnte, aber zumindest hatte sie so leise gesprochen, dass es sich nicht wie ein Vorwurf angehört haben konnte. Vielmehr war es fast schon nah an einem Wimmern gewesen, was Emma genauso wenig wollte. „Ich wusste doch ... Ich meine, es ist nett, dass du dich entschuldigst. Und ich hatte auch einen schönen Tag und ich unterhalte mich gern mit dir. Diese Nacht kam doch nicht von ungefähr.“ Sie blinzelte, riss sich aber zusammen und behielt ihre Hände, wo sie waren. Sich jetzt über den kratzenden Augenwinkel zu wischen hätte nur mitleiderregend gewirkt. „Cayden, ich hab mir nichts davon erwartet. Wenn das deine Sorge sein sollte. Und ganz ehrlich ...“ Sie warf ein bitteres Lächeln in die Richtung seines Eherings. „Spiel bite nicht mit dem Gedanken. Zur Affäre tauge ich nichts.“     Cayden ballte die Hand mit dem Ehering zur Faust, ehe er sie unter dem Tisch versteckte, wo Emma sie nicht länger sehen konnte. An dieses Hindernis hatte er bisher noch überhaupt nicht gedacht. Denn um ehrlich zu sein, gerade jetzt verspürte er den heftigen Drang, den Ring vom Finger zu ziehen und im nächsten Gully zu versenken, da es nur eine falsche Botschaft vermittelte, die im Grunde gerade überhaupt nichts mit diesem Augenblick hier zu tun hatte. „Du hast recht, Emma“, begann er ruhig, nachdem er die Fesseln der Scheinehe wieder von sich geschoben hatte, die ihm einen Moment lang den Hals zugeschnürt hatten, bis er sich wieder daran erinnerte, was eine Ehe für ihn wirklich ausmachte. „Diese Nacht kam nicht einfach von ungefähr und darum entschuldige ich mich auch nicht dafür, dass sie überhaupt stattfand. Für mich ist einfach nur mein Verhalten beschämend. Normalerweise behandle ich Frauen nicht so rücksichtslos und gerade bei dir tut es mir leid, da wir uns doch offenbar gut verstehen. Und glaub nicht, dass ich dich zu einem Sexobjekt degradieren will. Ich möchte keine Affäre, ob du nun dazu taugst oder nicht. Der eigentliche Grund, weswegen ich heute mit dir sprechen wollte, war der, dass ich die Gespräche mit dir genieße und auch die Spaziergänge. Mit dir Zeit zu verbringen, macht Spaß und ist erholsam, aber ich werde dich nicht offen im Büro duzen können, obwohl ich das gerne würde. Die Leute würden ins Gerede kommen und keinem von uns beiden wäre damit geholfen.“ Cayden legte den Kopf leicht schief und sah Emma sanft und mit einem kleinen warmen Lächeln an. „Emma, ich wollte dir eigentlich nur sagen, dass du es mir nicht übel nehmen darfst, wenn ich dich im Büro sieze. Das hat nichts zu bedeuten. Ich würde mich trotzdem gerne öfter so wie jetzt mit dir unterhalten. Nun, vielleicht nicht unbedingt über dieses Thema, aber ich will mit dir einfach reden. Freundschaft verstehst du? Keine Affäre.“   Zuerst langsam nur, aber Emma nickte. „Sicher.“ Gott, war sie bescheuert? Wie konnte sie so etwas so locker dahin sagen, wenn ihr doch gerade einfach nur danach war, ihren Kopf mit voller Wucht auf die Tischplatte zu hämmern. Freundschaft. Toll. Ganz große Klasse! Eigentlich hätte sie sich darüber freuen sollen. Cayden entschuldigte sich für den Ausrutscher, war im Grunde doch ein treuer Kerl und wollte mit Emma befreundet sein, weil er sie nett fand. Das war es doch. Nett. Warum hätte sie ihn dann am liebsten bei den Schultern gepackt, ihn geschüttelt und ihm ins Gesicht gesagt, dass er doch bestimmt etwas ganz Anderes meinte? Dass er ... mehr meinte. „Das ist doch kein Problem. Es wäre schon allein Stella gegenüber sehr seltsam, wenn wir uns auf einmal duzen würden.“ Sie machte eine kleine Pause und lächelte dann. „Hast du ihr eigentlich unser Geschenk schon gegeben?“   Cayden kaufte ihr dieses 'Sicher' nicht ganz ab, ging aber schließlich doch auf ihren Themenwechsel ein, da es wohl einfach die beste Idee war. Wenn Emma nicht weiter darüberreden wollte, war das in Ordnung, denn er wollte es ebenfalls nicht. Es war ihm schon so unangenehm genug. „Nein, um ehrlich zu sein, habe ich es ganz vergessen. Aber es wäre ohnehin eine gute Idee, wenn wir es ihr gemeinsam geben. Schließlich hast du dieses schöne Mobile entdeckt.“ Cayden nahm seine Gabel wieder auf, doch wirklich schmecken tat ihm das Essen nicht mehr, weshalb er die meiste Zeit darin herumstocherte und schließlich auf die Uhr sah. Es wurde langsam Zeit. Ihre Mittagspause war bald vorbei. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)